G. F. Unger Western-Bestseller 2697 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Western-Bestseller 2697 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Kirby Adamson nimmt die Hände aus der Schüssel und lässt die trübe Brühe abtropfen, in der er die Hände gebadet hat.
»Ich kann das Zeug nicht mehr riechen, Rube«, sagt er. »Manchmal denke ich, dass es einfach nur Jauche aus einer Büffelkuh ist, die mit Walnussblättersaft gemischt wurde. Und, Rube, ich will dir noch etwas sagen. Selbst wenn ich diesen Kampf gegen Yellow Smith verlieren sollte und mir dabei unser ganzer Einsatz verloren geht und wir wieder blank sind wie vor zwei Jahren - ich will nicht mehr. Hast du gehört? Dies ist auf jeden Fall mein letzter Kampf. Ich habe genug. Ich will nicht mehr für Geld kämpfen und ...«
Er verstummt, ballt die Hände zu Fäusten und betrachtet sie, als gehörten sie ihm nicht. Es sind Fäuste, die eine gelbbraune Färbung haben. Denn der Saft, in dem er sie täglich badet, verursacht diese Färbung. Es ist ein nach Rezepten, die nur Rube King bekannt sind, hergestellter Saft, der die Haut hornig macht. Und dennoch sind Kirby Adamsons Hände von Narben übersät, besonders dort, wo die Knöchel sind. Denn man schreibt das Jahr 1867, und Boxhandschuhe sind noch völlig unbekannt. Die Preiskämpfer schlagen mit den bloßen Fäusten.
»Du wirst den Kampf gewinnen, Kirby«, sagt Rube King ruhig. »Obwohl die Wetten eins zu fünf gegen uns stehen, sage ich dir, dass du Yellow Smith schlagen wirst. Du bist schneller. Dein Auge ist besser. In einer Stunde kann schon alles vorbei und erledigt sein. Dann beginnt ein neuer Abschnitt deines Lebens ...«

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Seitenzahl: 155

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhalt

Cover

Verraten am Missouri

Vorschau

Impressum

Verraten am Missouri

Kirby Adamson nimmt die Hände aus der Schüssel und lässt die trübe Brühe abtropfen, in der er die Hände gebadet hat.

»Ich kann das Zeug nicht mehr riechen, Rube«, sagt er. »Manchmal denke ich, dass es einfach nur Jauche aus einer Büffelkuh ist, die mit Walnussblättersaft gemischt wurde. Und, Rube, ich will dir noch etwas sagen. Selbst wenn ich diesen Kampf gegen Yellow Smith verlieren sollte und mir dabei unser ganzer Einsatz verloren geht und wir wieder blank sind wie vor zwei Jahren – ich will nicht mehr. Hast du gehört? Dies ist auf jeden Fall mein letzter Kampf. Ich habe genug. Ich will nicht mehr für Geld kämpfen und ...«

Er verstummt, ballt die Hände zu Fäusten und betrachtet sie, als gehörten sie ihm nicht. Es sind Fäuste, die eine gelbbraune Färbung haben. Denn der Saft, in dem er sie täglich badet, verursacht diese Färbung. Es ist ein nach Rezepten, die nur Rube King bekannt sind, hergestellter Saft, der die Haut hornig macht. Und dennoch sind Kirby Adamsons Hände von Narben übersät, besonders dort, wo die Knöchel sind. Denn man schreibt das Jahr 1867, und Boxhandschuhe sind noch völlig unbekannt. Die Preiskämpfer schlagen mit den bloßen Fäusten.

»Du wirst den Kampf gewinnen, Kirby«, sagt Rube King ruhig. »Obwohl die Wetten eins zu fünf gegen uns stehen, sage ich dir, dass du Yellow Smith schlagen wirst. Du bist schneller. Dein Auge ist besser. In einer Stunde kann schon alles vorbei und erledigt sein. Dann beginnt ein neuer Abschnitt deines Lebens ...«

Rube Kings Stimme verklingt, und zuletzt war ein leichtes Zittern in ihr. Sie hatte einen beschwörenden Klang und war dennoch sachlich.

Kirby Adamson sieht Rube an – diesen schwergewichtigen, narbigen und hässlichen Freund, der mehr als zehn Jahre älter ist als Kirby.

Rube King sieht man den einstigen Preisboxer sofort an. Er wurde zerschlagen in Dutzenden harter Kämpfe.

Und auch mir sieht man an, dass ich dann und wann Prügel bekam, denkt Kirby Adamson. Er ist ein großer, etwas hager wirkender Bursche mit einem flachen Leib und breiten Schultern. Sein Kopf ist gut geschnitten, und seine hellgrauen Augen bilden einen starken Gegensatz zu seinem blauschwarzen Haar.

Eigentlich ist er gar nicht der Typ eines Preisboxers seiner Zeit. Diese sind fast alle massiger, oft auch gedrungener, zumeist richtige Klötze, die unheimlich viel nehmen und unwahrscheinlich hart schlagen können.

Denn nach den zurzeit geltenden Regeln währt eine Runde bis zum Niederschlag eines Gegners. Sie kann also nach wenigen Sekunden schon beendet sein. Deshalb kommt es vor, dass Boxkämpfe über fünfundsiebzig Runden oder noch länger gehen.

Kirby Adamson ist also nicht der Typ eines Preisboxers seiner Zeit.

Und dennoch ist er ein harter Mann.

Er blickt zu den ankernden Schiffen und zu denen, die an den Landebrücken festgemacht haben.

Sein suchender Blick findet, wie schon so oft in den vergangenen zwei Tagen, ein bestimmtes Schiff.

Er kann die »Missouri Sun« von hier aus gut sehen. Wenn ich diesen Kampf gewinne, bin ich am Ziel meiner Wünsche. Dann habe ich mein eigenes Schiff. Dann kann ich wieder mein Leben auf dem Fluss führen. Denn ich bin wieder ein Mann vom Fluss. Ich möchte nichts anderes sein.

Er wendet sich um und sieht Rube King an.

»Komm her, Rube«, murmelt er, und als der ältere Freund neben ihm steht, zeigt er zu den Schiffen hin.

»Siehst du das schmutzige weiße Dampfboot mit den beiden Schaufelrädern? Auf den Radkästen ist eine Sonne zu sehen, die aus einem Fluss zu steigen scheint. Siehst du das Schiff, Rube?«

Rube nickt. »Ich weiß Bescheid«, sagt er. »Das ist die ›Missouri Sun‹. Und seit wir hier in Saint Louis sind, hast du nichts anderes im Kopf. Ich habe dich beobachtet. Ich weiß sogar, dass du schon an Bord warst. Ist das der Dampfer, den du haben möchtest?«

»Das ist er, Rube. Ich bin selbst bis ins zweite Kriegsjahr als Steuermann auf diesem Schiff gefahren. Sam Calhoun ist immer noch Eigner und Kapitän zugleich. Er will sich zur Ruhe setzen. Er verkauft es mir für fünfzehntausend Dollar. Rube, wenn ich nach dem Kampf zu mitgenommen bin und nicht fähig sein sollte, zu denken und zu handeln, dann nimm unser Geld, geh zu Kapitän Sam Calhoun und kaufe für mich das Schiff. Die Verträge sind schon fertig und unterschrieben. Sie treten in Kraft, wenn Sam Calhoun den Empfang der Summe bestätigt hat.«

»Ha«, macht Rube King. »Also bist du dir sicher, dass du Yellow Smith schlagen wirst, mein Junge!«

»Ich muss ihn schlagen«, murmelt Kirby Adamson. »Ich kämpfe nicht für Geld. Das ist ja nur Mittel zum Zweck. Ich kämpfe gewissermaßen um die ›Missouri Sun‹. Ich will Kapitän und Eigner sein auf diesem Schiff. Ich muss nur noch Yellow Smith schlagen.«

✰✰✰

Eine gute halbe Stunde später johlt die Menge bei seinem Erscheinen. Er kommt etwas später als Yellow Smith, der auf gleiche Art begrüßt worden ist.

Diese wilde, grausame Menge wird erbarmungslos sein.

Wie aus weiter Ferne hört Kirby den Kampfrichter die Regeln bekannt geben. Als Kampfplatz gilt ein mit Kreidepulver gezogenes Quadrat. Wer von den beiden Kämpfern es verlässt und nicht sofort wieder betritt, gilt als der Verlierer der jeweiligen Runde.

Die jeweilige Runde ist überdies auch durch Niederschlag eines der Kämpfer beendet.

Und der Kampf ist erst zu Ende, wenn ein Kämpfer aufgibt.

Rube spricht leise auf Kirby ein, während er ihm die Schulterpartien massiert.

Aber Kirby hört nicht auf Rubes Worte. Er denkt nur an die »Missouri Sun«, und er weiß, dass er sich in seinem ganzen Leben noch niemals etwas so heiß und brennend wünschte wie dieses Dampfboot.

Dann erwacht er wie aus einem Traum. Rube schlägt ihm auf die Schulter. Das ist das Zeichen. Er erhebt sich. Der Hocker, auf dem er saß, wird fortgezogen. Er betritt das Kreidequadrat und sieht sich Yellow Smith gegenüber.

Er fühlt sich plötzlich wie der einsamste Mensch der Welt, und er weiß, dass es Yellow Smith nicht anders ergeht als ihm – mag dieser Smith auch noch so breit grinsen.

Sie umkreisen sich langsam.

Yellow Smith ist zur Hälfte ein Chinese, und bevor er Preisboxer wurde, war er ein geschickter Schmied. Ein geschickter Schmied aber kann niemals dumm sein. Deshalb ist Yellow Smith nicht das, was man einen stupiden Bullen nennt.

Kirby erkennt in den leicht schräg gestellten Augen des Gegners den ernsten, prüfenden Ausdruck. Das breite Grinsen des Mannes ist nur eine Täuschung. Es lässt ihn nur dumm und einfältig erscheinen.

Yellow Smith ist schlau, erfahren und weiß genau, was zu tun ist. Er kennt seine Schwächen und Stärken.

Als er die Rechte schlägt, weiß er, dass er nicht treffen wird, weil Kirby zu schnell für ihn ist. Aber er will Kirby auch nur zum Kontern verleiten.

Kirby fällt wahrhaftig darauf herein. Er kontert mit seiner Linken und trifft. Yellow Smith steckt den Schlag bereitwillig ein, um selbst schlagen zu können.

Er trifft mit der Linken auf Kirbys Leberpartie – und da ist auch schon die erste Runde vorbei. Kirby muss mit einem Knie auf den Boden. Der Schmerz und die Lähmung in seiner Seite sind so schlimm wie nach einem Huftritt. Ihm wird schwarz vor den Augen, und er kann kaum atmen. Seine ganze linke Seite wird gefühllos.

Dann kämpft er sich hoch und wankt auf Rube zu, der ihn mit dem Schemel erwartet.

Wie aus weiter Ferne hört er Rube sagen: »Wenn er dich noch einmal so erwischen kann, bist du erledigt, Kirby. Nur noch einmal, dann hat er dich richtig am Boden.«

Kirby erwidert nichts. Aber er denkt: Er darf mich nicht noch einmal so voll erwischen – er darf es nicht.

Dann beginnt auch schon die zweite Runde, und indes sich die beiden Kämpfer einander nähern, sich umkreisen, belauern und dann aufeinander einschlagen, brüllt die Menschenmenge, tobt sie und gerät immer mehr in jene wilde Stimmung, die nur von wilden und primitiven Instinkten gesteuert wird. Diese johlende Menge wird zu einem erbarmungslosen, hungrigen und geradezu blutdürstigen Untier.

Aber darüber kann Kirby Adamson nicht mehr nachdenken.

Er kämpft den Kampf seines Lebens. Er muss alles tun, um schweren Treffern auszuweichen und selbst dabei hart schlagen zu können. Aber dazu muss er fest auf beiden Füßen stehen und darf nicht leichtfüßig herumtanzen. Um Yellow Smith hart zu treffen, muss er sein ganzes Körpergewicht hinter die Schläge setzen. Seine Fäuste und Arme sind gewissermaßen nur Rammpfähle, hinter denen mehr als nur Muskelkraft, sondern die Masse seines ganzen Körpers sitzt. Dazu ist ein fester Stand nötig.

Er kann deshalb nicht seine wirkliche Schnelligkeit ausspielen. Und so hat er keine großen Vorteile.

Yellow Smith trifft ihn mehrmals hart – wenn auch nicht so hart wie am Anfang. Und wenn man nach den ersten fünf Runden noch einmal neue Wetten abschließen könnte, so würden diese jetzt etwa zwanzig zu eins gegen Kirby stehen.

Denn die Runden wurden jeweils durch Niederschlag beendet. Und der niedergeschlagene Boxer war stets Kirby Adamson.

In der sechsten Runde reißt seine Augenbraue auf und beginnt schlimm zu bluten. Und weil er mit seinem rechten Auge immer weniger sehen kann, beginnt er wild zu schlagen, von verzweifelter Panik erfasst. Und solch eine Verzweiflung ist zumindest der Anfang vom Ende.

Aber er hat Glück.

In dieser Minute des wilden, heißen und blindwütigen Angriffs trifft er mit einem rechten Haken unterhalb von Yellow Smith' Kinnwinkel und mit der Linken genau die Kinnspitze. Es ist ein unheimlich präziser Eins-Zwei-Schlag. Und dennoch trifft er in Wirklichkeit nur zufällig so präzise – denn er ist halb blind von dem Blut, welches aus der aufgerissenen Augenbraue läuft.

Er steht dann einen Moment etwas dumm da, als er sich bewusst wird, dass Yellow Smith zu Boden ging.

Und als er dann auf seinem Schemel sitzt und Rube King sich bemüht, die Blutung mit irgendeinem scharfen Zeug zum Stillstand zu bringen, da liegt Yellow Smith immer noch am Boden.

Man muss ihn aufheben und zu seinem Schemel führen.

Nun endlich wird Kirby sich bewusst, dass Rube King fortwährend zu ihm redet. Er hört ihn sagen: »Wenn du das noch einmal machen kannst, Kirby, hast du gewonnen. Er ist immer noch angeschlagen. Er wird noch wie betrunken in die nächste Runde kommen. Triff ihn nochmals so wie eben. Dann hast du gewonnen. Deine Augenbraue bekomme ich hin. Ich klebe sie jetzt mit Harz zu. Das hält. Und nun gib es ihm noch einmal. Los jetzt! Du darfst ihm keine halbe Minute mehr lassen! Dann hast du gewonnen!«

Er begreift es, und mittlerweile hat sich die Panik in ihm gelegt.

Er ist wieder eiskalt und nüchtern.

Als er sich an Yellow Smith heranschiebt und einige Finten schlägt, sieht er ihn an, und er erkennt in Yellow Smith' Augen den dumpfen Ausdruck von Furcht. Yellow Smith kann sie nicht verbergen, weil er noch zu angeschlagen ist.

Kirby trifft ihn nun zweimal links leicht auf die Leber und einmal mit der Rechten auf die kurze Rippe.

Das zieht Yellow Smiths Deckung noch mehr herunter. Er will sogar die Arme ausbreiten, sich gegen Kirby werfen und diesen umklammern – aber Kirby weicht gedankenschnell zurück, steht dann fest und versucht seinen Eins-Zwei-Schlag, der vorhin nur zufällig so präzise traf, nun mit kalter Berechnung.

Yellow Smith läuft in diesen Schlag hinein. Er ist noch zu angeschlagen, um das Unheil erkennen und verhindern zu können. Kirby trifft ihn mit aller Härte, die er aufbringen kann, und es ist, als wäre er in den sechs vergangenen Runden nicht fünfmal niedergeschlagen worden, sondern er ist frisch wie in der ersten Runde.

Vielleicht ist diese Fähigkeit, aus seinem innersten Kern immer wieder neue Kraft und explosive Schnelligkeit zu holen, das Bemerkenswerte an Kirby, welches ihn dazu befähigt, als Preiskämpfer aufzutreten.

Yellow Smith' Ausdruck wird noch leerer.

Er fällt auf beide Knie und legt sich dann langsam auf die Seite.

Kirby kehrt zu seinem Schemel zurück, bei dem Rube auf ihn wartet, und setzt sich schnaufend.

Rube hantiert an ihm, kümmert sich um seine Augenbraue, massiert ihn da und dort – und redet und redet.

Kirby hört die Worte wohl – doch er achtet nicht darauf. Er denkt nur immer wieder: Hoffentlich ist der Kampf beendet. Hoffentlich muss ich nicht weitermachen. Denn ich will nicht mehr. Ich habe genug. Ich will nicht länger für Geld zur Belustigung einer johlenden Menge kämpfen, die Blut sehen will und die sich durch nichts von jener Menge unterscheidet, welche damals zusehen konnte, wie Gladiatoren sich einander in Stücke schlugen oder wie man Christen in eine Arena trieb und dann Löwen auf sie losspringen ließ. Zum Teufel, was ist dies für ein schmutziger Job! Aber ich will nicht länger auf ein Schiff warten müssen. Ich will mir die »Missouri Sun« kaufen, und ich will es heute noch tun, in einer Stunde etwa. Und wenn dieser Yellow Smith wieder auf die Beine kommen sollte und wir die achte Runde beginnen müssen, so werde ich versuchen, ihn nochmals so hart wie vorhin zu treffen. Ich kenne jetzt seine schwachen Stellen.

Indes er diese Gedanken in sich hat und Rube ihm die Schulter- und Rückenmuskeln massiert, beobachten sie beide, was man drüben mit Yellow Smith macht.

Smith muss auf seinem Schemel gehalten werden. Sonst würde er zur Seite oder nach hinten zu Boden fallen. Drei Mann bemühen sich um ihn, und die tobende Menge wird plötzlich still.

Sie alle beobachten Yellow Smith und dessen Helfer. Und ganz gewiss wünschen sie alle, dass dieser Kampf weitergehen möge – dreißig, vierzig und noch mehr Runden, mit wechselnden Niederschlägen. Dafür haben sie Eintritt bezahlt. Das wollten sie sehen.

Smiths Helfer geben ihm aus einer kleinen Flasche irgendein Zaubermittel zu trinken. Ja, es muss eine Art Aufputschmittel sein, denn er erwacht plötzlich aus seiner Benommenheit. Nun kann er schob wieder auf seinem Schemel sitzen, ohne gestützt und gehalten werden zu müssen.

Er bewegt seinen Kopf, hebt die Hand und betastet die Stellen, welche Kirby Adamson so präzise je zweimal traf.

Er kommt wieder zu sich, denkt Kirby, und eine Enttäuschung steigt in ihm auf, von der er glaubt, dass sie auf ihn schlimmer wirken könnte als vernichtende Schläge seines Gegners.

Plötzlich spürt er Furcht – Furcht und Abneigung.

Er möchte nicht weiterkämpfen.

Die achte Runde muss in wenigen Sekunden beginnen. Und Yellow Smith erholt sich jetzt zunehmend. Dieser Trunk aus der kleinen Flasche muss es bewirkt haben.

Kirby sieht nun, wie einer von Yellow Smiths Helfern einen gefüllten Wassereimer nimmt. Die beiden anderen Helfer treten etwas zur Seite. Und dann leert der Mann den Eimer Wasser über Smiths Kopf aus.

Kirby sieht weiter, wie Yellow Smith nach Luft schnappt, wieder die Hände hebt und sich das Wasser aus den Augen wischt.

Dann beginnt die achte Runde.

Rube schlägt Kirby auf die Schulter. Er erhebt sich langsam, zögernd. Und er sieht, wie Yellow Smith nur mithilfe seiner Betreuer auf die Füße kommt. Sie ziehen ihn hoch und betätscheln ihn aufgeregt.

Der kalte Wasserguss, denkt Kirby, hat ihm nicht geholfen. Dieser Schock hat das Gegenteil bewirkt. Er hält sich sogar eine Hand gegen die Herzgegend gepresst – oha, was verdreht er seine Augen – was wird er blass im Gesicht und schnappt nach Luft.

Yellow Smith taumelt nun allein auf ihn zu.

Kirby könnte ihn mühelos von den Beinen schlagen. Denn er weiß jetzt, dass der vorhin noch so gewaltig wirkende Yellow Smith ein kranker Mann geworden ist.

Er kann ihn jetzt nicht schlagen – nein. Und er denkt nur immer wieder: Wenn er nur aufgeben würde – wenn er nur aufgeben würde, bevor ich ihn schlagen muss.

Und als ob sein heißer Wunsch endlich bis in Yellow Smiths Kern eingedrungen ist, hebt Yellow Smith sein Gesicht. Kirby erkennt in den schmalen Augen den Ausdruck von Verlorenheit und Hilflosigkeit.

Dann wendet sich Yellow Smith zur Seite. Er taumelt aus dem Kreidequadrat, und er weiß gar nicht richtig, wo seine Betreuer sind. Sie müssen zu ihm laufen.

Schweigend nehmen sie ihn in ihre Mitte und führen ihn davon.

Die Menschenmenge war bisher unheimlich still.

Und auch jetzt erhebt sich kein Lärm.

Irgendwie hat sogar diese wilde, brutale, grausame und gnadenlose Meute begriffen, dass hier soeben etwas geschehen ist, was man als tragisch bezeichnen kann.

Der haushohe Favorit dieses Kampfes verlässt als kranker Mann den Kampfplatz, nachdem es schon so aussah, als hätte er sich erholt und könnte weiterkämpfen.

Aber nach dem kalten Wasserguss war es aus und vorbei mit ihm.

Kirby spürt Erleichterung darüber, nicht mehr kämpfen zu müssen.

Es war sein letzter Kampf als Preiskämpfer, dies ist sicher für ihn.

Zugleich aber auch spürt er eine bisher nie gekannte Art von Mitleid.

Dass die Menschenmenge nicht heult, nicht johlt, sondern still ist, fällt ihm jetzt erst auf.

Rube King kommt mit dem Mantel.

Und dann verlassen auch sie den Kampfplatz.

Ich werde mir die »Missouri Sun« kaufen, denkt Kirby. Und wenn ich sie habe, werde ich wieder wissen, zu welchem Zweck ich in diese Welt geboren wurde.

Ich werde wieder Schiffer sein auf dem Strom.

Das ist eine echte Aufgabe für einen Mann.

✰✰✰

Als Kirby Adamson und Rube King die Landebrücke der »Missouri Sun« erreichen, ist es Nacht.

Kirby Adamson, in dessen Körper Schmerzen sind – denn er wurde ja in den ersten Runden fünfmal zu Boden geschlagen und musste ziemlich viel einstecken –‍, vergisst seine angebrochene Rippe, seine Risse, Blutergüsse und Abschürfungen.

Er sieht von der Hafenstraße auf das Schiff.

Nur zwei Kabinenfenster sind erhellt. Vorne und achtern brennen die vorgeschriebenen Laternen. Und die Laufplanke von der Landebrücke zum Schiff hinüber ist beleuchtet. Ein Mann lehnt dort an der Reling, ein Mann mit einer Mütze und einer Tabakspfeife im Gesicht.

»Komm an Bord, Kirby«, sagt dieser Mann laut genug herüber. »Komm an Bord deines Schiffes, Kirby Adamson.«

Aber Kirby lässt sich noch etwas Zeit. Er betrachtet sein Schiff. Sein Blick geht immer wieder von vorn nach hinten und dann hinauf zu den beiden Schornsteinen, den zwei Lademasten, über den Fluss, hinauf zu den Sternen.

Nach einer Weile sagt er zu Rube, der neben ihm schweigsam verhält: »Rube, ich sah einmal drei Regenbogen. Sie überspannten bei Standing Horse den Strom wie drei Brücken – und ich glaubte, das wäre schön. Ich sah den Sonnenaufgang über dem Grand Canyon – da glaubte ich, das wäre schon. Und wieder ein anderes Bild prägte sich tief in mir ein, als ich einmal einer Frau begegnete, die genau meinen Vorstellungen entsprach. Ich dachte stets, das wäre jeweils das schönste Erlebnis auf dieser Welt. Aber nichts ist bisher so schön gewesen wie dies da. Dieses Schiff gehört mir. Es ist das schönste Schiff auf dieser Erde. He!«

Als er dies gesagt hat, geht er hinüber an Bord.

Und Rube King verzieht sein narbiges Preiskämpfergesicht und schnauft vor Rührung, bevor er ihm folgt.