G. F. Unger Western-Bestseller 2700 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Western-Bestseller 2700 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Es ist schon später Nachmittag, als sie endlich vollzählig in Morg Taggerts Office versammelt sind, so wie sie es vor einem Jahr verabredet haben.
Jack Coburne kam von El Paso geritten. Sloan Yates traf von Nogales mit der Postkutsche ein.
John Lonnegan hatte von Laredo her den weitesten Weg. Und Burt O’Hara ist von Socorro gekommen.
Sie finden sich also bei Morg Taggert in dessen Office ein, denn Morg Taggert ist der Town Marshal von Paradise Peak in den Sacramento Mountains zwischen dem Rio Grande und dem Pecos.
Als Burt O’Hara eingetreten ist, erhebt sich Marshal Taggert hinter dem narbigen Schreibtisch.
Er betrachtet die vier Besucher noch einmal prüfend und fragt schließlich: »Wie immer?«
Sie nicken knapp, aber er kann deutlich spüren, wie angespannt und voller Jagdfieber sie sind. Ja, sie strömen etwas aus, was ihn erschrecken müsste, wäre er nicht selbst einer von ihrer Sorte ...

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Seitenzahl: 160

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhalt

Cover

Die Jagd

Vorschau

Impressum

Die Jagd

Es ist schon später Nachmittag, als sie endlich vollzählig in Morg Taggerts Office versammelt sind, so wie sie es vor einem Jahr verabredet haben.

Jack Coburne kam von El Paso geritten. Sloan Yates traf von Nogales mit der Postkutsche ein.

John Lonnegan hatte von Laredo her den weitesten Weg. Und Burt O'Hara ist von Socorro gekommen.

Sie finden sich also bei Morg Taggert in dessen Office ein, denn Morg Taggert ist der Town Marshal von Paradise Peak in den Sacramento Mountains zwischen dem Rio Grande und dem Pecos.

Als Burt O'Hara eingetreten ist, erhebt sich Marshal Taggert hinter dem narbigen Schreibtisch.

Er betrachtet die vier Besucher noch einmal prüfend und fragt schließlich: »Wie immer?«

Sie nicken knapp, aber er kann deutlich spüren, wie angespannt und voller Jagdfieber sie sind. Ja, sie strömen etwas aus, was ihn erschrecken müsste, wäre er nicht selbst einer von ihrer Sorte ...

Jack Coburne fragt nur knapp: »Hast du wieder einen besonderen Burschen für uns?«

»Und was für einen.« Taggert grinst unter seinem schwarzen Sichelbart, dessen Enden tief unter den Mundwinkeln enden.

Sie grinsen zurück und strömen ihre Erbarmungslosigkeit und Härte noch stärker aus. Taggert deutet auf die Tür, welche zum Gefängnisraum führt, in dem es drei Gitterzellen gibt.

Dann sagt er mit einem Klang von Spott in der Stimme: »Den schafft ihr vielleicht nicht. Der ist euch vielleicht gewachsen. Es könnte für euch gefährlicher werden als sonst. Seht ihn euch an und überlegt es euch gut, ob er nicht ein zu gefährliches Wild für eure Jagd ist.«

Sie starren ihn an und zeigen im kopfschüttelnd wortlos grinsend ihre Zähne.

Er aber erwidert ihre Blicke und wird sich wieder einmal mehr darüber klar, dass sie erbarmungslose Menschenjäger sind, süchtig und verrückt, jedenfalls nicht normal.

Eigentlich gehörten sie eingesperrt wie Raubtiere in einen Käfig, denkt er.

»Na los, erzähl uns was von ihm«, verlangt Sloan Yates. »Bevor wir ihn jagen, müssen wir wenigstens ein paar Dinge über ihn wissen. Erzähl mal, warum er uns vielleicht gewachsen sein könnte.«

»Sein Name ist Joe Kincaid. Er ist Wildpferdjäger. Als Kind wurde er von Apachen geraubt und musste einige Jahre bei ihnen leben. Er wurde ein halber Apache. Dann aber brachten ihn weiße Skalpjäger zu einer Mission drüben in Sonora. Die Padres dort machten ihn wieder zu einem Weißen. Doch nach wenigen Jahren brach er ihnen aus. Damals war er noch ein junger Bursche. Jetzt ist er ein Mann. Er brachte ein Rudel zugerittener Pferde in meine Stadt und verkaufte sie an die Post- und Frachtlinie. Aber dann kamen die Shayne-Brüder und behaupteten, er hätte die Pferde von ihrer Weide gestohlen. Als sie zu ihren Revolvern griffen, schoss er sie von den Beinen. Sie hatten es eigentlich nicht anders verdient, denn sie griffen zuerst nach den Revolvern. Und überdies waren die Pferde alle ohne Brandzeichen. Er bekam dann später in Molly Polomskys Hurenhaus mit einigen Minenarbeitern Verdruss und prügelte sie hinaus. Sie standen zwar draußen immer wieder auf und wollten hinein, aber er ließ es nicht zu, obwohl er schon ziemlich betrunken war und nicht mehr sicher auf den Füßen stehen konnte. Molly Polomsky wollte natürlich ihre Kunden nicht verlieren, die ja zu den Mädchen hineinwollten, was er jedoch verhinderte. Sie schlug ihn von hinten mit einer vollen Flasche wie mit einer Keule von den Beinen. Die Minenarbeiter wollten ihn dann zertrampeln, aber ich kam zur rechten Zeit. Ich habe ihn zuerst nur in der Zelle aufbewahrt, damit er seinen Rausch ausschlafen konnte. Doch da fiel mir ein, dass er was für eure Jagd wäre. Er hatte ja auch eine Menge Beulen, Blutergüsse und angebrochene Rippen, auch eine Schusswunde. Molly fügte ihm mit der vollen Flasche eine Gehirnerschütterung zu. Er hat einen Schaden von mehr als zweihundert Dollar angerichtet. Allein im Hurenhaus der Spiegel ...«

»Zeig ihn uns«, verlangt Sloan Yates und unterbricht Taggert mit diesen fast gierig gesprochenen Worten.

»Ja, zeig uns diesen weißen Apachen«, verlangen auch die anderen, so als hätten sie die Worte eingeübt.

Er grinst sie an. »O ja, er ist ein zweibeiniger Tiger«, spricht er dann. »Der juckt euch, nicht wahr? Na gut, gehen wir.«

Er öffnet die Tür zum Zellenraum. Dieser liegt im Halbdunkel, denn die vergitterten Fenster sind klein. Aber sie erkennen den Mann auf der harten Pritsche, dessen Name Joe Kincaid sein soll und den der Marshal einen weißen Apachen nannte. Der Mann auf der harten Pritsche beobachtet sie über die Fußspitzen hinweg durch die Gitterstäbe seiner Zelle.

Morg Taggert aber sagt: »He, Kincaid, du bekommst Besuch. Die Gentlemen wollen dir ein Geschäft vorschlagen. Du kannst zehntausend Dollar verdienen oder deinen Skalp verlieren. Bist du interessiert?«

Kincaid richtet sich auf. Es ist eine geschmeidige Bewegung ohne erkennbaren Ansatz. Er steht plötzlich, und es wirkt so, als hätte sich ein Berglöwe von seinem Sonnenfelsen erhoben. Er tritt an die Gitterstäbe und betrachtet die Männer.

»Ich sehe da bei dir vier hartgesottene Hombres, Taggert«, murmelt er nach einer Weile. »Und wenn die jemandem ein Geschäft vorschlagen, dann ist die Sache krummer als ein Hundebein. Na, lasst trotzdem mal hören.«

Sie treten näher an die Zellengitterstäbe und betrachten ihn noch sorgfältiger. Und plötzlich wirken sie richtig gierig, lüstern, irgendwie angespannt lauernd, so als freuten sie sich auf etwas und könnten es kaum erwarten. Sie strömen Jagdfieber aus.

»Wir müssen dir das alles wohl erst noch gründlich erklären, Kincaid«, murmelt Jack Coburne.

»Na los, dann erklärt es mir«, verlangt Joe Kincaid. »Ihr macht es ziemlich spannend. Was soll ich für zehntausend Dollar für euch tun?«

Noch einmal betrachten sie ihn einige Atemzüge lang schweigend.

»Wir geben sie dir, sobald wir uns einig sind«, erklärt ihm John Lonnegan, welcher bis jetzt kaum ein Wort geredet hat. »Sie gehören dir, wenn wir sie dir nicht wieder abnehmen können. Wenn wir sie dir aber wieder abnehmen können, haben wir dich vorher getötet, weil wir die zehntausend Dollar nur einem toten Mann abnehmen wollen. Verstehst du?«

Joe Kincaid tritt einen Schritt zurück.

Dann fragt er aus der Zelle heraus: »He, Marshal, sind die verrückt?«

»Wahrscheinlich.« Morg Taggert grinst. »Weißt du, sie waren mal Kopfgeld- und Skalpjäger. Ihnen entkam keiner. Sie bekamen alle. Und sie hatten stets Spaß an der Jagd. So wurden sie schließlich süchtig nach diesem Nervenkitzel. Aber es geht ihnen nun wie Jägern, die nur noch Edelwild erlegen wollen – keine Hasen, Moschusschweine oder anderes Kroppzeug. Sie wollen Edelwild jagen. Aber das ist unter uns Menschen etwas knapp. Du wärest die Mühe wert. An dir könnten sie sich beweisen, dass sie immer noch die besten Jäger sind. Verstehst du jetzt, Kincaid?«

Dieser nickt langsam im Halbdunkel der Zelle.

»Ja, sie müssen verrückt sein«, murmelt er schließlich. »Die sind bei ihrer Menschenjagd als Kopfgeld- und Skalpjäger süchtig geworden. Die gehören in eine Klapsmühle, denke ich. Warum laufen sie noch frei herum?«

Als er verstummt, da grinsen sie alle. Ihre Zähne blinken.

Dann murmelt Sloan Yates: »Immerhin suchen wir uns für die Jagd wehrhaftes Wild aus und gehen eigenes Risiko ein. Oder bist du kein wehrhaftes Wild? Du könntest ja auch welche von uns töten. Und wenn du uns schaffst, dann gehören dir zehntausend Dollar. Ist das kein lohnendes Spiel?«

»Spiel?« So fragt Kincaid verächtlich. »Spiel nennt ihr das?«

Sie nicken gleichmäßig. Dann murmelt Jack Coburne: »Das ganze Leben ist ein Spiel. Und in unserem kannst du zehntausend Dollar gewinnen oder das Leben verlieren.«

»Einer gegen vier? Wo ist da die faire Chance? Auf was könntet ihr dabei stolz sein als Jäger?«

Er fragt es verächtlich. Doch dann schütteln sie so gleichmäßig ihre Köpfe, so wie sie zuvor nickten.

»Nein«, spricht John Lonnegan, »so würden wir es nicht machen. Du könntest in der Nacht losreiten. Wir wüssten nicht, in welche Richtung. Also müssten wir in allen Himmelsrichtungen nach dir suchen. Und du hättest eine ganze Nacht Vorsprung. Diese Jagd auf dich kann Wochen dauern. Selbst hinüber nach Mexiko würde dir zumindest einer von uns – wenn er es ist, der deine Fährte fand – folgen. Wenn du ihn erledigen könntest, dann ginge allerdings alles wieder von vorne los. Es würde vielleicht eine lange Jagd werden, eine sehr lange Jagd. Aber mit zehntausend Dollar in der Tasche könntest du dir unterwegs eine Menge Freunde kaufen. Ist das kein schönes Spiel für uns alle?«

»Ihr seid verrückt«, murmelt Joe Kincaid, wendet sich ab in seiner Zelle, geht zur harten Lagerpritsche zurück und streckt sich dort aus.

Erst als er liegt, fragt er: »Seid ihr so reich, dass ihr zehntausend Dollar verlieren könnt wie ein Mädchen die Unschuld?«

Sloan Yates grinst.

»Wir haben es zu etwas gebracht«, sagt er dann. »Wir wurden sehr erfolgreiche Männer, besitzen Geld wie Heu. Und deshalb sehnen wir uns manchmal nach den alten Zeiten, als wir noch jagten und kämpften. Ja, ich – nein, wir – möchten, dass du unsere Beweggründe richtig verstehst, Kincaid.«

Dieser richtet sich wieder auf und erhebt sich.

»Oha«, murmelt er, »ich beginne zu begreifen. Ihr seid süchtig nach einer Menschenjagd – immer wieder. Habt ihr das schon öfter gemacht?«

»Schon dreimal«, erwidert Burt O'Hara. »Du wärest der vierte Tiger, den wir jagen.«

Kincaid schüttelt irgendwie ratlos wirkend den Kopf und murmelt dann: »Bei uns Menschen ist alles möglich, selbst das Undenkbarste. Menschen sind zu allem fähig. Und ihr seid Kranke. Doch man kann euch nicht wie Kranke bedauern. Ihr seid wahrscheinlich schon in der Hölle gewesen und vom Teufel wieder hinausgejagt worden. Jemand sollte euch einfach vertilgen, so wie man alles Böse vertilgen müsste, damit die Erde wieder sauber und gut wird, so wie sie es vielleicht einmal war, bevor Eva Adam verführte.«

Er schweigt einige Atemzüge und tritt wieder an die Gitterstäbe.

»Und Taggert? Gehört der auch zu eurer Sorte?«, fragt er verächtlich.

»Nein, Taggert macht nicht mit«, erklärt ihm Jack Coburne. »Taggert gehörte mal zu unserer Sorte. Doch er wurde nicht so reich wie wir. Er besitzt hier nur den Saloon und ist beteiligt am Hurenhaus. Marshal ist er hier in diesem Nest nur ehrenamtlich für einen Dollar Lohn im Monat. Wir bezahlen ihn, wenn er wieder ein besonderes Wild für uns im Käfig aufbewahrt hat. Du hast Glück, dass wir jetzt schon gekommen sind. Er hätte dich auch einige Wochen oder gar Monate für uns festgehalten. Hast du nun endlich alles kapiert, Kincaid?«

Dieser nickt langsam, hebt dann seine Hand und wischt sich über das Gesicht.

»Es ist kein Traum«, murmelt er dann, als er die Hand wieder sinken lässt. »Es ist alles tatsächlich so. Ich bin nicht betrunken wie ein ganzer Indianerstamm, sondern erlebe das alles wirklich.«

Sie grinsen ihn an im Halbdunkel des Zellenraumes.

Und dann hören sie ihn mit kaltem Zorn sagen: »Ihr verdammten Hurensöhne, ich werde dieses Spiel mit euch spielen. Denn ihr habt kein Recht darauf, auf dieser Erde unter den Menschen zu leben, mögen diese gut oder schlecht, rein oder böse sein. Ihr seid an den falschen Mann geraten. Denn ich werde euch töten Mann für Mann, damit ihr nie wieder auf Menschenjagd gehen könnt.«

Sie schweigen eine Weile, aber er spürt ihre Ausstrahlung wie einen heißen Atem.

Dann spricht Jack Coburne hart: »So ist es gut. So bist du für uns ein Edelwild, wie wir es uns besser nicht wünschen könnten. Taggert, es war gut, dass du uns diesen Kincaid aufbewahrt hast. Wie lange sitzt er schon in der Zelle?«

»Eine Woche. Und er ist wieder gesund«, erwidert Morg Taggert. »Soll ich ihn also rauslassen?«

»Sicher, raus mit ihm«, spricht Sloan Yates für alle. »Er kann sich ausrüsten für eine lange Jagd, dann bekommt er von uns die zehntausend Dollar und eine Nacht Vorsprung. Wir wollen nicht wissen, ob er nach Süden, Westen, Norden oder Osten reitet. Aber einer von uns wird ihn finden. Also, Kincaid, gilt unser Vertrag?«

»Wenn ihr ihn haltet. Lasst mich nur raus, dann könnt ihr Narren es ja versuchen.«

Sie nicken zufrieden.

Dann spricht John Lonnegan für alle: »Wir machen einen richtigen Vertrag. Den bekommst du mit den zehntausend Dollar. Dann kann dich kein Gericht der Welt verurteilen, wenn du es schaffen solltest, gegen jeden von uns zu bestehen. Das wird unsere größte Jagd, denke ich, größer, härter und schwerer als alle anderen zuvor. Ich freue mich, Kincaid. Ja, vielleicht sind wir verrückte Menschenjäger. Aber es ist nun mal so.«

Als er verstummt, tritt Morg Taggert mit dem Zellenschlüssel an die Gittertür und schließt auf.

Joe Kincaid gleitet aus der Zelle – und weil sie etwas zurückgewichen sind, können sie sehen, wie leicht er sich bewegt.

Er ist ein gelbhaariger, blauäugiger Bursche, groß, hager und breitschultrig, jedoch mit einer schmalen Taille. Sie spüren endlich, was von ihm ausgeht, und dieser Anprall macht sie noch wachsamer.

Aber jeder von ihnen besitzt ein unerschütterliches Selbstbewusstsein. Und stets hat sich jeder von ihnen durch Kühnheit behauptet.

Nun sehen sie ihn an und begreifen, dass er das gefährlichste Wild sein wird, das sie bisher jagten.

»Nun gut«, grollt Jack Coburne, »das wird diesmal eine besonders große Jagd. Und vielleicht wird sie Wochen oder gar Monate dauern. Nun gut, rüste dich nur richtig aus, Joe Kincaid.«

Sie bewegen sich endlich und verlassen den Zellenraum, treten ins Office.

Und draußen geht der Nachmittag in den Abend über. Die Sonne muss im Westen schon fast verschwunden sein. Morg Taggert setzt sich hinter den Schreibtisch.

»Ich setze den Vertrag auf«, murmelt er. »Doch ich sollte zuerst die Lampe anzünden.«

Er schaut auf die vier Menschenjäger.

»Das Geld – zehntausend Dollar. Legt sie auf den Tisch.«

✰✰✰

Burt O'Hara, der am frühen Morgen wie die drei anderen Männer Paradise Peak verließ und nach Süden ritt, bleibt auf dem Wagenweg nach El Paso, denn er sagt sich, dass Kincaid – sollte er nach Süden geritten sein – den Wagenweg mit den vielen Hufspuren so schnell nicht verlassen wird.

Bevor die vier Menschenjäger die kleine Stadt in allen Himmelsrichtungen verließen, sahen sie sich im Mietstall die Hufabdrücke von Kincaids Pinto an. Es gab auf dem Erdboden einige klare Abdrücke, die sie sich einprägten. Denn fast jedes Pferd hat eine Besonderheit, was seine Hufeisen betrifft oder die Art, wie es die Hufe beim Aufsetzen dreht.

Der Pinto hat besonders kleine Hufe.

Und den rechten Hinterhuf dreht er beim Abdrücken ein wenig. Es gibt auch sonst noch einige nur für erfahrene Fährtenleser erkennbare Merkmale bei den Hufabdrücken.

Burt O'Hara würde sie unter vielen anderen erkennen.

Er reitet fast den ganzen Tag nach Süden, achtet auf Fährten, die den Wagenweg verlassen, und blickt immer wieder mit seinem Teleskopfernrohr in die Runde.

Und manchmal lauscht er tief in sich hinein und versucht, gute oder ungute Ahnungen zu spüren, so wie er es früher tat, als er noch für Kopfgeld und Prämien Menschen jagte.

Manchmal denkt er an diesem Tag auch über sich selbst und seinen Lebensweg nach. Damals als junger Bursche ist er zuerst nichts anderes als ein eitler, ruhmsüchtiger Revolverschwinger an der Grenze gewesen, die der Rio Grande zwischen Texas und Mexiko bildet. Und als er einmal sein ganzes Geld beim Poker verloren hatte, sah er den Steckbrief an der Holzwand einer Poststation. Zweihundert Dollar waren ausgesetzt. Und vor dem Krieg waren zweihundert Dollar so viel wie der Jahreslohn eines Cowboys.

Eine Woche später stieß er in einem kleinen Dorf, in dem nur Einwohner mexikanischer Abstammung lebten, auf den Gesuchten. Dieser saß auf der Veranda einer Cantina im Schatten und ließ sich von einer Dorfschönen bedienen.

Burt O'Hara hielt an, saß ab und betrat die Veranda. Der Mann – er trank Pulque – sah ihn aufmerksam an. Zuerst erwiderte er wachsam O'Haras Grinsen, doch dann hörte er O'Hara sagen: »Für dich bekomme ich zweihundert Dollar.«

Und da grinste er nicht mehr. Er schnellte auf und schnappte den Revolver heraus. Aber O'Hara war schneller.

Es war sein erster Verdienst als Kopfgeld- und Prämienjäger.

Von da an ging es weiter. Und manchmal jagte er nicht nur steckbrieflich gesuchte Verbrecher, sondern im Auftrag von Geldgebern auch redliche Leute, welche anderen Leuten im Weg waren. Er wurde auch für viel Geld Rächer für irgendwelche Feiglinge, die lieber einen Killer anwarben als selbst Genugtuung zu fordern.

Dann brach der Krieg aus. Er hatte eine Menge Geld verdient, Kopfgeld, Prämien, Blutgeld als angeworbener Killer. Und mit diesem Geld begann er in Galveston Geschäfte zu machen. Er kaufte eine ganze Schiffsladung Waffen und verkaufte sie an die Konföderierten mit tausend Prozent Gewinn. Denn es waren gute Waffen aus Frankreich, sogenannte Rollblockgewehre, damals die besten der Welt.

Er blieb während des ganzen Krieges bei diesem Geschäft. Seeschiffe fuhren für ihn. Er gründete eine Import-Firma und wurde in Galveston ein mächtiger Mann. Später dann, nach dem Krieg, ließ er sich in Socorro nieder und besitzt nun in dieser Gegend eine große Ranch, zwei Silberminen und lässt ein ganzes Dutzend Frachtwagenzüge für sich fahren, welche eine ganze Storekette mit Waren beliefern bis hinauf zu den Goldfundgebieten in Colorado. Mehr als zweihundert Menschen arbeiten für ihn in all den Niederlassungen.

Er ist ein reicher, mächtiger Bursche geworden.

Doch es fehlte ihm bald der Nervenkitzel der Menschenjagd.

Und so wie ihm erging es auch Jack Coburne, Sloan Yates und John Lonnegan. Er lernte sie kennen auf seinen Fährten. Sie waren Männer wie er. Und manchmal arbeiteten sie zusammen, jagten starke Banden von Ex-Guerillas oder nahmen an Weidekriegen auf der Seite von Rinderzüchtern gegen die Invasion von Schafzüchtern teil.

Coburne, Yates und Lonnegan sind Männer wie er. Auch sie wurden reich durch erfolgreiche Geschäfte mit verdientem Kopf- und Revolvergeld. Und irgendwann trafen sie sich mal wieder und beklagten, dass die Zeit der rauchigen Fährten vorbei und ihr Leben zu fade geworden sei. Und so kamen sie auf die Idee, sich ein Edelwild anzuwerben, um wieder den Nervenkitzel einer Menschenjagd genießen zu können.

Burt O'Hara erinnert sich also an diesem Tag immer wieder an seine Vergangenheit, an seine Taten, seine Erfolge und fragt sich, ob er auch diesmal der Gewinner sein wird.

Oder ritt er in die falsche Richtung? Sie hatten es ausgelost.

Es könnte sein, dass Kincaid in eine andere Richtung ritt und er heute seine Zeit verschwendet.

Dennoch bleibt er im Sattel.

Und vielleicht wird er es auch noch morgen tun.

Er erreicht am Nachmittag eine der Poststationen am Wagenweg, wo die Expresskutschen ihre Gespanne gegen frische eintauschen. Und als er sein Pferd am Wasserbecken tränkt, kommt der Pferdebursche der Station zu ihm und fragt: »Wollen Sie etwas essen, Señor? Die Patrona kocht gut. Heute gibt es Lammbraten für die Passagiere der nächsten Postkutsche. Und schon gegen Mittag hatten wir einen Gast, der den Braten lobte.«

»Was ritt er für ein Pferd?« So fragt O'Hara.

»Einen verrückt gefleckten, schwarzweißen Pinto, Señor. Und er war gelbhaarig. Er sagte mir, dass vielleicht jemand käme, der nach ihm fragen würde. Sind Sie vielleicht dieser Señor?«

»Bin ich«, erwidert O'Hara und verspürt ein merkwürdiges Gefühl in der Magengegend, wie er es bisher noch niemals spürte.

Er weiß sofort, dass dieses Gefühl eine Warnung ist. Aber er weigert sich, es als Furcht zu deuten. Im Gegenteil, es kommt eine Art Trotz in ihm hoch.

»Dann soll ich diesem Señor ausrichten«, spricht der Pferdebursche, »dass dieser gelbhaarige Hombre da draußen irgendwo auf Sie wartet.«

Als der Junge »draußen« sagt, deutet er nach Süden zu den Hügeln.

Und Burt O'Hara weiß Bescheid.

Er verspürt nun einen schnellen Wechsel von Gefühlen.