G. F. Unger Western-Bestseller 2702 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Western-Bestseller 2702 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Sie ist wunderschön, und wenn sie die Karten austeilt, lächelt sie die fünf Männer der Pokerrunde an, als wollte sie die hartgesottenen Burschen dafür um Verzeihung bitten, dass sie ihnen so viel Geld abnimmt.
Und manchmal fragt sie auch mit ihrer dunklen und sehr melodisch klingenden Stimme: »Wenn Sie lieber aufhören wollen, Gentlemen? Wissen Sie, es ist mir fast schon peinlich, dass Sie so viel Geld an mich verlieren. Aber was kann ich gegen mein Kartenglück machen? Nichts. Doch wie gesagt, Sie können jederzeit aufhören, Gentlemen.«
Ihre letzten Worte sind eine brutale Herausforderung, daran ändern auch der dunkle, samtige Klang ihrer Stimme und der Inhalt ihrer Worte nichts.
Die fünf Mitspieler schnaufen, und einer von ihnen, der mit den vielen Narben im Gesicht wie ein Preiskämpfer aussieht, knurrt einen wilden Fluch.
Aber sie spielen weiter.
Immer wieder riskieren sie eine neue Runde, zumal ja auch der Geber ständig wechselt, sodass sie stets aufs Neue Hoffnung hegen, die Glückssträhne dieser blonden, grünäugigen Schönheit würde endlich einmal enden ...

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Seitenzahl: 151

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhalt

Cover

Alles oder nichts

Vorschau

Impressum

Alles oder nichts

Sie ist wunderschön, und wenn sie die Karten austeilt, lächelt sie die fünf Männer der Pokerrunde an, als wollte sie die hartgesottenen Burschen dafür um Verzeihung bitten, dass sie ihnen so viel Geld abnimmt.

Und manchmal fragt sie auch mit ihrer dunklen und sehr melodisch klingenden Stimme: »Wenn Sie lieber aufhören wollen, Gentlemen? Wissen Sie, es ist mir fast schon peinlich, dass Sie so viel Geld an mich verlieren. Aber was kann ich gegen mein Kartenglück machen? Nichts. Doch wie gesagt, Sie können jederzeit aufhören, Gentlemen.«

Ihre letzten Worte sind eine brutale Herausforderung, daran ändern auch der dunkle, samtige Klang ihrer Stimme und der Inhalt ihrer Worte nichts.

Die fünf Mitspieler schnaufen, und einer von ihnen, der mit den vielen Narben im Gesicht wie ein Preiskämpfer aussieht, knurrt einen wilden Fluch.

Aber sie spielen weiter.

Immer wieder riskieren sie eine neue Runde, zumal ja auch der Geber ständig wechselt, sodass sie stets aufs Neue Hoffnung hegen, die Glückssträhne dieser blonden, grünäugigen Schönheit würde endlich einmal enden ...

Das alles findet im nobelsten Spielsalon von Westport statt, dem Flusshafen von Kansas City.

Der schwergewichtige Bursche, den man auf den ersten Blick für einen Preiskämpfer hält, lässt sich einen weiteren Drink kommen und schüttet ihn mit einem Ruck in sich hinein.

Dann knurrt er böse: »Ich möchte im Spiel bleiben, Lady. Habe ich Kredit bei Ihnen? Wissen Sie, ich bin Iron Mac Donovan, der ...«

»Ich weiß genau, wer Sie sind«, unterbricht sie ihn freundlich. »Und ich wundere mich schon eine Weile, dass Sie immer noch hier am Spieltisch sitzen – denn es ist ja bereits nach Mitternacht. Heute Abend müssen Sie doch den großen Kampf gegen Big Bill Jennison bestreiten. Und Alkohol vertilgen Sie ja auch mächtig. Schadet das eigentlich nicht Ihrer körperlichen Verfassung?«

»Oho, Lady«, erwidert Iron Mac Donovan grinsend, »diesen Jennison schlage ich mit einer Faust – selbst dann noch, wenn ich drei Tage und drei Nächte durchgemacht habe und in dieser Zeit alle Sünden beging, die man sich kaufen kann. Ich habe mir dann und wann auch Frauen Ihrer Sorte gekauft, Lady. Habe ich also nun Kredit bei Ihnen oder nicht?«

»Nicht«, erwidert sie knapp.

Er staunt sie ungläubig an.

»Waaas?« So dehnt er seine Frage.

»Sie fragten, ob Sie Kredit hätten oder nicht. Und ich sagte: nicht. Das ist einfach zu verstehen. Und da Sie mich soeben beleidigt haben, möchte ich, dass Sie meinen Spieltisch verlassen. Frauen meiner Sorte haben Sie sich noch niemals kaufen können. Gehen Sie, Mister Donovan.«

Er staunt immer noch ungläubig, und die Trunkenheit steigt nun noch mehr in sein Hirn. Denn er ist wütend, und sein letzter Drink war einfach zu viel.

Er beugt sich knurrend vor. Sein Narbengesicht verzerrt sich, und in seinen Augen glitzert nun eine kaum noch beherrschbare Erregung.

»Oh, du verdammte Edelhure«, grollt er, »erst nimmst du uns hier mit deinen Kartentricks das Geld ab – und dann ...«

Er gleicht in seiner Blindwütigkeit plötzlich einem wilden Toro, der alles auf seine Hörner nehmen will. Er ist ein Primitiver, der in seinem Hirn wahrscheinlich nicht mehr richtig funktionieren kann, weil ihn die vielen Schläge auf den Kopf schon krank gemacht haben.

Und so kippt er den schweren Tisch zur Seite, dass die dort sitzenden Mitspieler fluchend aufspringen oder sich mit den Stühlen nach hinten werfen und dann wegrollen.

Geld und Spielkarten fliegen zu Boden. Iron Mac Donovan aber will der schönen Spielerin in das goldgelbe Haar greifen, nachdem er den Tisch zwischen sich und ihr aus dem Weg räumte. Dabei grollt er:

»Euch Weiber habe ich schon immer ...«

Aber weiter kommt er nicht, denn einer der Spieler – es ist ein großer hagerer Bursche, der etwas Indianerhaftes an sich hat, obwohl er ganz gewiss ein Weißer ist, trifft ihn mit einem Schwinger von der Seite auf Ohr und Kinnwinkel, dass er zur Seite taumelt und über den Nebentisch fliegt, an dem die dort sitzenden Spieler brüllend aufspringen und sich in Sicherheit bringen.

Eine gellende Stimme brüllt durch den Raum: »Iron Mac ist wieder verrückt geworden!«

Aber dann hört man Iron Macs urige Stimme brüllen: »Oha, dich mache ich jetzt alle, du Hurensohn! Dich schlage ich tot!« Indes er dies brüllt, rappelt er sich auf, wirbelt herum und greift an.

Im Raum rufen und brüllen viele Stimmen.

Iron Mac aber versucht, den Fremden klein zu machen. Doch er vermag ihn nicht richtig zu treffen. Entweder blockt der Mann die Schläge ab oder pendelt sie aus. Dabei weicht er zurück, bis er schließlich an der Wand steht und sich nun stellen muss, weil es kein Ausweichen mehr gibt.

Iron Mac trifft den Mann mehrmals hart, wird auch von diesem mit mehreren Geraden und Haken getroffen, stöhnt vor Schmerz, weil es wirklich harte und gnadenlose Treffer sind, die ihn durchschütteln, doch es sieht immer noch so aus, als würde der Preiskämpfer die Schlägerei gewinnen.

Doch dann nimmt der Fremde wieder einmal blitzschnell den Kopf zur Seite.

Iron Macs Faust kracht mit aller Wucht gegen die Wand. Die Faust sollte den Fremden mitten ins Gesicht treffen und seinen Kopf gegen die Wand stoßen.

Doch nun hört man es knackend brechen, und jeder der Zuschauer weiß in derselben Sekunde, dass Iron Mac nur noch eine Faust benutzen kann. Die andere zerstieß er sich. Wahrscheinlich brachen ihm die Knöchelknochen.

Der Schmerz muss irrsinnig sein.

Dennoch ist Iron Mac in einer so teuflischen Wut, dass er weitermacht. Doch der Fremde gleitet geduckt unter seinem Arm hindurch und steht plötzlich hinter ihm.

Als Iron Mac sich brüllend wendet, da bekommt er es.

Er hat keine Chance mehr.

Es bleibt eine Weile still im Raum. Man hört nur Iron Macs schmerzvolles Stöhnen. Er kniet am Boden, stützt sich mit dem gesunden Arm und dessen Hand ab und hält sich die ruinierte Hand vor Augen, so als könnte er es nicht begreifen.

Jemand sagt in die Stille: »Es ist aus mit Iron Mac. Der wird nie wieder mit dieser Faust hart genug schlagen können – nie wieder.«

»So ist es wohl«, spricht eine andere Stimme fast feierlich. »Das ist das Ende von Iron Mac Donovan als Preiskämpfer. Verdammt, ich habe fünfzig Dollar auf ihn gewettet und ...«

Es entsteht nun ein Stimmengewirr. Und alle Augen beobachten Iron Mac Donovan, den Mann, der ihn kleinmachte, und die schöne Spielerin.

Iron Mac Donovan erhebt sich aus seiner knienden Haltung, verharrt schwankend und steckt die ruinierte Rechte unter die linke Achselhöhle, so als könnte ihm das Linderung verschaffen.

Dann sieht er sich verstört um. Der Schmerz hat ihn wieder nüchtern werden lassen. Seine verrückte Wut ist verschwunden. Er wirkt sogar einen Moment so, als verspürte er Scham.

Dann sieht er den Fremden an, der ihn zum großen Verlierer werden ließ.

»O Mann«, knirscht er, »du weißt ja gar nicht, was du dir da eingekauft hast an Verdruss. Oh, du kannst es ja noch gar nicht wissen.«

Nach diesen Worten setzt er sich in Bewegung und verschwindet durch die Seitentür zur Gasse ins Freie. Er stößt sogar die Tür hinter sich mit dem Absatz zu, sodass es laut kracht.

Die Spieler suchen nun das Geld am Boden zusammen, auch die schöne Spielerin. Dabei stoßen die Köpfe der Schönen und des indianerhaften Mannes leicht zusammen. Sie verharren in der Hocke voreinander und sehen sich an.

Sie sagt: »Danke, mein Freund, danke, dass Sie mir beistanden. Würden Sie mich zu meinem Hotel bringen, sobald wir unser Geld eingesammelt haben?«

Er nickt stumm. Dann murmelt er: »Ich muss nicht viel einsammeln, nur noch etwa hundert Dollar. Denn auch ich verlor sehr viel.«

»Wir alle«, meldet sich einer der anderen vier Mitspieler dieses Tisches, »wir alle verloren mächtig an diese Lady. Doch dies ist noch lange kein Grund, sich so zu benehmen wie Iron Mac Donovan.«

Sie alle sind schnell fertig. Nur die schöne Spielerin braucht einige Zeit, um ihr Geld einzusammeln. Sie stopft es in eine Beuteltasche, die sie an ihren Arm hängt, indes sie sich erhebt.

»Gehen wir, mein Freund, ja?« Sie ist einen Kopf kleiner als er und lächelt zu ihm empor. Er zeigt zwei blinkende Zahnreihen in seinem dunklen Gesicht und bietet ihr den Arm.

Dann verlassen sie die noble Spielhalle.

Hinter ihnen wird das Stimmengewirr lauter. Eine Stimme ruft neidvoll: »Seht euch dieses Paar an, Leute! Wie wird sie ihn wohl beschenken, die wunderschöne Goldie? He, dreimal dürft ihr raten, Leute!«

Die Tür schlägt hinter dem Paar zu. Es verharrt einen Moment. Vor ihnen liegt die Hafenstraße mit all den Anlegebrücken, an denen die Dampfboote festgemacht sind. Überall leuchten Laternen oder Lampen.

Irgendwo in der Nähe rattert eine Dampfwinde, obwohl es erst eine Stunde nach Mitternacht ist. Der Wind weht Gestank herbei.

»Das sind Büffelhäute, nicht wahr? Sie verladen Tag und Nacht stinkende Büffelhäute, ja?«

So fragt die schöne Spielerin.

»Zu Hunderttausenden«, erwidert er. »Auf der Kansas-Prärie stinken Hunderttausende abgehäutete Kadaver gen Himmel. Man wird die Büffel ausrotten, sie wegen der Häute so lange töten, bis es sie nicht mehr gibt. Der Mensch ist das gierigste Raubtier auf dieser Erde.«

Sie hält inne. Und weil sie seinen Arm genommen hat, verharrt auch er. Sie wenden sich einander zu. Abermals blickt sie zu ihm empor.

Über ihnen ist ein heller Nachthimmel mit Mond und Sternen. Überall sind Lichter, Laternen, Lampen. Es ist also hell genug, dass sie einander betrachten können.

»Und wir?« So fragt sie. »Ich meine Sie, mein Freund, und ich, sind wir nicht ebenfalls Raubtiere? Wollen nicht auch wir Beute machen, wo wir nur können? Übrigens, mein Name ist Linda, Linda Kelsey.«

»Ich heiße Tim Flannaghan«, murmelt er und blickt ihr in die türkisfarben leuchtenden Augen.

»Und Sie sind allein, Tim? Keine Frau?«

»Ach«, erwidert er, »ich bin ständig unterwegs. Das ist nichts für die meisten Frauen. Die wollen einen festen Platz, ein sicheres Heim.«

Sie lacht. »Ja, die meisten. Aber es gibt Ausnahmen. Eine bin ich. Auch ich bin ständig unterwegs.«

»Als Spielerin?«

Sie schüttelt leicht den Kopf. Dann aber lächelt sie zu ihm hoch und sagt: »Sind wir Glücksjäger nicht alle Spieler, die irgendwann ihren Einsatz machen und um alles oder nichts spielen?«

»Und Sie halten mich für einen Glücksjäger, Linda?«

Sie blickt immer noch zu ihm empor und sieht ihm fest in die Augen, von denen sie denkt, dass sie bei Tag rauchgrau sein müssen.

»Ja«, erwidert sie. »Ich spüre, dass wir zur selben Sorte gehören, Tim Flannaghan. Wir sind Glücksjäger, die immer wieder ihren Einsatz um alles oder nichts machen. Und wir haben schon mehrmals gewonnen oder verloren. Doch den ganz großen Coup schafften wir noch nicht. Vielleicht sollten wir uns deshalb zusammentun. Eine schöne Frau und ein Mann von Ihrer Sorte könnten zusammen mehr erreichen als einer für sich allein.«

Er stößt einen Laut aus, der wie ein hörbar werdendes Staunen klingt. Dann fragt er: »Und zu welcher Sorte gehöre ich Ihrer Meinung nach, schöne Linda Kelsey?«

»Gegenüber Frauen sind Sie einer der letzten Ritter, Tim Flannaghan. Als der betrunkene Bulle den Tisch zur Seite fegte und nach mir griff, da schlugen Sie zu. Es war ein einziger Reflex. Sie überlegten nicht, dass er ein erfahrener Preiskämpfer war, der Sie im nächsten Moment klein machen konnte. Sie wollten einer Frau beistehen. Ich wette, Sie hatten eine gute Mutter und gute Schwestern. Ich brauche einen Partner, der mich beschützt, so wie Sie es soeben in der Spielhalle taten.«

Sie verharren immer noch voreinander. Linda blickt zu ihm empor. Oh, er spürt alles, was sie als Frau aussendet, und das ist eine Menge. Gewiss, sie ist eine zweibeinige Raubkatze, eine Abenteurerin und Glücksjägerin, die einen Partner braucht, der gleichzeitig ihr Beschützer ist. Aber sie ist zugleich auch eine reizvolle Frau und strahlt das alles lockend aus.

Ja, er spürt es stark. Eine Zauberkraft will von ihm Besitz ergreifen und versucht in ihn einzudringen.

Aber dann sträubt sich alles in ihm dagegen. Denn er ist ein Einzelgänger. Und in ihm entsteht die Furcht, eingefangen zu werden, gewissermaßen wie ein Wildhengst mit einem Lasso. Vielleicht fragt er deshalb grober und brutaler, als er es normalerweise getan hätte: »Und dafür wärest du bereit, jetzt mit mir in deinem Hotel ins Bett zu steigen?«

Sie erwidert drei Atemzüge lang nichts.

Doch dann sagt sie: »Nein, Mister Flannaghan. Ich danke Ihnen für Ihren Beistand. Leben Sie wohl. Viel Glück.«

Und dann wendet sie sich schnell um, rafft dabei ein wenig ihre Röcke, um ungehinderter ausschreiten zu können.

Er möchte ihr nacheilen, spürt, dass er etwas falsch gemacht hat. Doch dann lässt er es. Es ist besser so, denkt er.

Er sieht ihr nach, bis er sie im Licht der Laternen und Lampen und all den aus den Häusern fallenden Lichtbahnen in einem Hotel verschwinden sieht, von denen es hier an der Hafenstraße eine ganze Anzahl gibt.

Dann wendet er sich, um zu seinem Hotel zu gehen.

In ihm ist ein Durcheinander von Gefühlen. Er verspürt ein Bedauern und dann wieder Erleichterung. War er soeben ein Dummkopf? Oder war er schlau, dass er sich nicht als ihr Beschützer einfangen ließ?

✰✰✰

Es ist etwa drei Stunden nach Mitternacht, als er geweckt wird. Und er fragt sich, wie sie in sein Zimmer kommen konnten, denn er hatte die Tür nicht nur abgeschlossen, sondern auch noch mit dem Riegel gesichert.

Aber sie sind hereingekommen, vielleicht kam einer durch das offene Fenster und öffnete für die anderen die Tür von innen. Lautlos wie ein Schatten muss er gekommen sein.

Nun umgeben sie zu dritt sein Bett. Einer von ihnen hat die Lampe angezündet. Wahrscheinlich weckte das Geräusch des Zündholzes Tim Flannaghan.

Er blinzelt einige Sekunden lang gegen die Helligkeit an. Doch dann betrachtet er sie der Reihe nach und kommt zu der Erkenntnis, dass sie wahrhaftig hartgesottene Burschen sind.

Überdies hält einer von ihnen eine abgesägte Schrotflinte unter dem Arm. Und die beiden anderen Männer tragen ihre Colts auf jene Art, die darauf schließen lässt, dass sie Revolverschwinger sind.

Sie grinsen im Lampenschein auf ihn nieder. Es ist recht warm im Zimmer. Durch das offene Fenster kommt nur wenig Kühle vom Flusshafen herein.

Tim Flannaghan liegt in seinem Unterzeug auf dem Bett, hat sich gar nicht zugedeckt. Obwohl er unter dem Kopfkissen seinen Revolver liegen hat, hütet er sich, auch nur eine einzige Bewegung zu machen. Sie brauchen ihn gar nicht mal zu warnen. Denn er weiß, wie erfahren sie sind.

Der Mann mit der abgesägten Schrotflinte ist älter als die beiden Revolverschwinger. Er ist wie ein Mann vom Fluss gekleidet, und er mag Steuermann, Bootsmann oder gar Kapitän auf einem Dampfboot sein.

Er sagt: »Alle Achtung, Flannaghan. Ja, ich kenne deinen Namen. Ich las ihn unten im Anmeldebuch. Tim Flannaghan aus Ohio. Alle Achtung, wie du dich gegen den verrückten Iron Mac behauptet hast. Der Boss will dich sehen. Steh auf, zieh dich an – und dann gehen wir. Und vergiss das Ding unter deinem Kopfkissen.«

Tim Flannaghan schüttelt unwillig den Kopf.

»Hat das nicht Zeit bis zum Vormittag? Ich würde gerne noch etwas schlafen. Und zu holen gibt es bei mir nicht mehr viel. Die Schöne machte mich in der Spielhalle ziemlich blank. Was will denn euer Boss von mir?«

»Das wird er dir schon sagen. Los, komm hoch! Oder wir nehmen dich im Unterzeug mit. Wie möchtest du es haben?«

Tim Flannaghan weiß, dass sie nicht bluffen. Denn sie gehören wahrhaftig zu der gnadenlosen Sorte, die weder Duldung noch Schonung kennt, wenn es um das Durchsetzen ihrer Absichten geht. Und so erhebt er sich, um sich anzukleiden. Ja, er muss gehorchen. Er hat gar keine andere Wahl.

Und so kommt es, dass sie sich wenig später auf der Straße befinden und zu einer der Landebrücken gehen, an der ein Dampfboot – die »Eagle« – liegt.

Sie gehen über die Laufplanke an Bord. Ein bewaffneter Posten grinst sie an und fragt: »Ist er das?«

»Ja, das ist er«, erwidert einer der drei Männer, »ja, das ist der Tiger, Johnny.«

Sie bringen ihn hinauf zum Kabinendeck und zur Eignerkabine, die vorne von Backbord bis Steuerbord reicht, also doppelt so groß ist wie die anderen Kabinen, die entweder von Backbord oder Steuerbord her zu betreten sind.

Hinter einem wuchtigen und sehr nobel und kostbar wirkenden Schreibtisch sitzt ein hagerer Mann in einem seidenen Hausmantel, dessen Haar früher einmal blond war, jetzt jedoch grau wird. Der Mann trägt einen Spitzbart und wirkt sehr asketisch. Er strömt eine autoritäre Härte aus.

In der Rechten hält er ein noch halb volles Portweinglas, in der Linken eine dicke Zigarre. Und beides gehört offensichtlich zu seinem Lebensstil.

Der Kerl mit der abgesägten Schrotflinte gibt Tim Flannaghan einen leichten Stoß und sagt dabei: »Das ist er, Sir.«

»Gut, sehr gut, Monahan«, erwidert der Mann und erhebt sich hinter dem Schreibtisch. An den nackten Füßen trägt er Pantoffeln aus feinstem Leder. Er nimmt einen Schluck aus dem Glas und raucht einige Züge aus der Zigarre. Dabei wandert er langsam um Tim Flannaghan herum und betrachtet ihn von allen Seiten.

»O ja«, entgegnet er dann nickend, »das wird gehen. Gewiss, das wird gehen. Er wirkt sehr beachtlich. Es war gewiss kein Zufall, dass er Iron Mac zum Krüppel machte.«

»Er heißt Flannaghan, Sir, Tim Flannaghan, und er kommt aus Ohio«, sagt jener Monahan. Mit den beiden anderen Burschen verharrt Monahan an der Tür.

Der Mann im seidenen Hausmantel aber deutet auf einen Sessel und sagt freundlich: »Also, Flannaghan, setzen Sie sich! Wir haben einiges zu besprechen, und ich möchte Ihnen das genau erklären. Nehmen Sie Platz, mein Junge. Ich glaube, wir werden uns verständigen können. Und seien Sie mir nicht böse, dass ich Sie aus dem Bett holen ließ.«

Tim Flannaghan lässt sich durch die freundlichen Worte nicht täuschen. Er muss nur in die Augen dieses Mannes blicken, um dessen Härte und Gnadenlosigkeit zu erkennen.

Und so denkt er, indes er in einem der Sessel Platz nimmt: He, Tim, pass gut auf dich auf! Der will was von dir, was gewiss keine Kleinigkeit ist. Und wenn er es nicht bekommt, dann lässt er dir die Haut abziehen. Ja, das bringt der Typ fertig.

Er sitzt nun und sieht den Mann an. Dieser hat sich auf eine Schreibtischecke gesetzt, hat einen Fuß am Boden und schlenkert mit dem anderen Bein von der Kniekehle abwärts.