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Ich war damals Marshal in Red Stone, als mich der Brief meiner Schwester Kathie erreichte. Es waren nur wenige Sätze, die sie niedergeschrieben hatte, nämlich:
Bruder Garry, ich brauche dich. Bitte, komm nach Silver City. Ich brauche die Hilfe des ganzen Clans. Oder sie machen mich hier fertig. Also beeile dich!
Kathie
Ich las die Worte mit leiser Stimme und saß dabei in meinem Office hinter dem Schreibtisch, der voller Narben war, verursacht von meinen Sporen, weil ich meine langen Beine oft hochlegte.
Mein Deputy stand an dem kleinen Tisch beim Gewehrregal und reinigte wieder einmal unsere Waffen. Das tat er gerne, denn er war ein Waffennarr, der seine Gewehre ebenso liebte wie seine beiden Revolver, die er im Kreuzgurt trug.
Wir hatten zwei Winchester, zwei Parker-Schrotflinten und eine Buffalo Sharps zur Verfügung.
Ich selbst beschränkte mich auf einen .44er-Colt Army. Ich hatte das Ding während des Krieges einem Yankeemajor abgenommen, und es wurde mein bester Freund. Aber es machte mich auch zu einem Revolvermann.
Deshalb bekam ich nach dem Krieg auch den Job als Marshal von Red Stone, einer ziemlich wilden Stadt im Schatten einer roten Mesa ...
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Seitenzahl: 150
Veröffentlichungsjahr: 2024
Cover
Der Longley-Clan
Vorschau
Impressum
Der Longley-Clan
Ich war damals Marshal in Red Stone, als mich der Brief meiner Schwester Kathie erreichte. Es waren nur wenige Sätze, die sie niedergeschrieben hatte, nämlich:
Bruder Garry, ich brauche dich. Bitte, komm nach Silver City. Ich brauche die Hilfe des ganzen Clans. Oder sie machen mich hier fertig. Also beeile dich!
Kathie
Ich las die Worte mit leiser Stimme und saß dabei in meinem Office hinter dem Schreibtisch, der voller Narben war, verursacht von meinen Sporen, weil ich meine langen Beine oft hochlegte.
Mein Deputy stand an dem kleinen Tisch beim Gewehrregal und reinigte wieder einmal unsere Waffen. Das tat er gerne, denn er war ein Waffennarr, der seine Gewehre ebenso liebte wie seine beiden Revolver, die er im Kreuzgurt trug.
Wir hatten zwei Winchester, zwei Parker-Schrotflinten und eine Buffalo Sharps zur Verfügung.
Ich selbst beschränkte mich auf einen .44er-Colt Army. Ich hatte das Ding während des Krieges einem Yankeemajor abgenommen, und es wurde mein bester Freund. Aber es machte mich auch zu einem Revolvermann.
Deshalb bekam ich nach dem Krieg auch den Job als Marshal von Red Stone, einer ziemlich wilden Stadt im Schatten einer roten Mesa ...
Mein Deputy Jube fragte: »Chef, ist was?«
Er fragte es irgendwie hoffnungsvoll, so als ließ ihn sein Instinkt ahnen, dass sich etwas verändern würde.
Doch ich gab ihm keine Antwort, denn ich musste noch nachdenken, mich an all die vielen Dinge der Vergangenheit erinnern – und natürlich auch an meine Schwester Kathie Longley, die jetzt jedoch Kathie McGill hieß, denn sie hatte sich einen Spieler geangelt, der ihr die ganze Welt zeigen wollte.
O ja, Kathie ...
Sie war schon als junges Ding eine Eva gewesen, denn offenbar hatte sie von jener ersten Eva, die den Adam verführte, alles vererbt bekommen, was ihr Macht über Männer gab. Und dazu gehörten auch ihre grünen Augen und die rotgolden schimmernden Haare.
O ja, sie war für uns alle fast wie ein Weltwunder. Wir beteten sie an wie eine Kostbarkeit.
Doch dann lief sie mit diesem verdammten Kartenhai fort, verließ unseren Clan, als hätte sie nie zu ihm gehört.
Irgendwie hatte sie wohl herausgefunden, wo ich zu finden war.
Aber ich hatte mir ja auch einen Namen als Revolvermann gemacht in wilden Städten, die gebändigt und befriedet werden mussten.
Und nun sollte ich hier alles aufgeben und nach Silver City kommen. Ich hatte von der Stadt schon gehört. Sie lag irgendwo westlich des Pecos. Man hatte dort Silber gefunden. Doch westlich des Pecos gab es noch kein Gesetz.
Verdammt, wie war Kathie dorthin gekommen?
Und warum brauchte sie die Hilfe des ganzen Clans, den sie ja damals verlassen hatte mit jenem Spieler, der ihr die ganze Welt zeigen wollte?
Das war natürlich verlockend für ein junges Ding voller Neugierde und Wagemut. Aber irgendwas schien dann schiefgelaufen zu sein, denn nun brauchte sie die Hilfe des ganzen Clans. Also musste sie mächtig in der Klemme sitzen und ihren Stolz bezwingen, uns um Hilfe zu bitten.
Was also sollte ich tun?
Ich würde hier nämlich eine Menge aufgeben müssen. Und ich war auch von den vielen Kämpfen in den vergangenen Jahren etwas müde geworden. Ich hatte Red Stone befriedet. Es war meine Stadt geworden. Die Bürger mochten mich.
Und dann war hier auch noch Sally, der das Hotel gehörte, das Restaurant und die Postagentur. Ich würde auch Sally verlassen müssen. Verdammt, was verlangte meine Schwester von mir?
Ich fragte es mich in Gedanken so richtig böse.
Aber zugleich wusste ich, dass ich keine Wahl hatte.
Kathie brauchte uns Longleys. Und ich wusste, wo ich die anderen Mitglieder unseres Clans finden konnte.
Kathies Worte in ihrem kurzen Brief waren ja: Ich brauche die Hilfe des ganzen Clans.
Nun, ich faltete den Brief zusammen und schob ihn in meine Hemdtasche, auf der ich den Marshalstern trug.
Dann erhob ich mich aus dem Armstuhl und sah zu meinen Deputy Jube hinüber, der mich immer noch erwartungsvoll ansah.
»Jubal Lonnegan«, sprach ich ruhig, »es sieht so aus, als könntest du meine Stelle hier einnehmen. Ich werde jedenfalls beim Stadtrat eine Empfehlung für dich aussprechen.«
Nach diesen Worten ging ich hinaus, hielt draußen noch einmal inne und saugte tief die Luft ein.
Es war Mittag. Die Stadt ruhte. Auf der staubigen Main Street flimmerte die Hitze, und sogar die Hunde hatten Schatten aufgesucht.
Ich überquerte schräg die Main Street. Eigentlich war es jetzt Zeit zum Mittagessen. Sally würde schon auf mich warten. Und ich musste ihr sagen, dass ich sie verlassen musste.
O verdammt! Das dachte ich immer wieder bei jedem Schritt.
Als ich das Hotel erreichte, ging ich hinauf auf mein Zimmer, das neben Sallys kleiner Zweiraumwohnung lag. Denn wir wahrten noch den Schein, weil wir ja noch nicht verheiratet waren. Sally wartete noch auf meinen Antrag, und ich hätte ihn gewiss in den nächsten Tagen ausgesprochen.
Doch jetzt ...
Ich begann, meine wenigen Sachen in eine Reisetasche zu packen, füllte auch die beiden Satteltaschen mit den kleinen Dingen. Viel Zeit hatte ich nicht mehr, denn die Mittagspostkutsche würde bald kommen.
Als ich fast fertig war, kam Sally herein und verhielt neben der Tür.
Sie betrieb ja die Postagentur und hatte den Jungen mit dem Brief zu mir geschickt. Und weil sie mich packen sah, begriff sie schnell, dass ich fortwollte.
Aber sie stellte keine Fragen, wartete nur.
Ich hielt inne und sah sie an.
O ja, sie war eine prächtige Frau. Ihr Mann war nun fast zwei Jahre tot, und sie hatte alles hier weitergeführt und in Gang gehalten.
Sie trug ihr schwarzes Haar hochgesteckt. Ihre blauen Augen funkelten. An ihr war alles richtig, und sie strömte etwas aus, was mich von Anfang an verzaubert hatte.
Und so fragte ich mich, ob ich nicht ein verdammter Narr war, wenn ich hier alles aufgab.
Ich hob die Hand und wischte mir übers Gesicht.
Dann sprach ich heiser: »Sally, es tut mir leid. Aber ich muss unseren Clan zusammenholen. Meine Schwester Kathie braucht unsere Hilfe. Ich muss nach Silver City, und ich weiß nicht, was uns dort erwartet. Ich kann dir also ein Wiederkommen nicht versprechen. Also warte nicht darauf. Es tut mir leid, Sally – wirklich.«
Sie nickte langsam und sprach dann seltsam ruhig: »Du bist offenbar immer noch der Revolvermann, der von einem Kampf zum anderen muss. Du hast aus dieser Stadt hier eine friedliche und sichere Stadt gemacht, und ich hatte die Hoffnung, dass auch du nun hier ein anderes Leben führen wolltest.«
Sie wandte sich zur noch offenen Tür und sprach über die Schulter zurück: »Nein, ich werde nicht auf dich warten.«
Dann verschwand sie.
Ich aber nahm mein weniges Gepäck. Als ich aus dem Hotel trat, standen dort zwei der drei Stadträte auf der Veranda. Einer war der Schmied, der andere der Storehalter. Offenbar hatte mein Deputy sie alarmiert.
Auch der dritte Stadtrat, dem der Saloon gehörte, kam über die Main Street. Und zugleich näherte sich die Postkutsche mit dem frischen Gespann.
Ich sagte zu den Stadträten: »Ich muss zu meiner Schwester nach Silver City. Sie hat unseren ganzen Clan zu Hilfe gerufen. Gebt Jubal Lonnegan meinen Job. Er ist ihm gewachsen.«
Sie starrten mich staunend und ungläubig an. Doch bevor einer etwas sagen konnte, hielt die Overland Stage vor dem Hotel und hüllte uns im aufgewirbelten Staub ein.
Ich stieg in die Kutsche. Sie war eine prächtige Abbot & Downing Stage mit neun Sitzen, von denen nur vier besetzt waren. Ich war der fünfte Passagier und machte es mir auf der Rückbank bequem.
Der Fahrer oben auf dem hohen Bock rief: »Braaah! Braaah, ihr prächtigen Engel!«
Und dann ging die Reise los.
Zuerst musste ich zu Onkel Bill. Der hatte sich in Palo Duro niedergelassen und züchtete dort edle Pferde. Gewiss wusste er auch, wo mein Bruder Jesse zu finden war. Und dann gab es noch einige Vettern und noch einen anderen Onkel. Onkel Bill war der Old Man unseres Clans. Ich hatte stets Verbindung zu ihm gehalten, denn er war mein Lieblingsonkel. Unser Clan hatte sich nach dem Krieg weit verstreut, aber bei ihm liefen alle Fäden zusammen.
Nun, die Kutsche war ohne Pause unterwegs. Alle dreißig Meilen wechselte sie das Gespann. Die Express Stage fuhr auch in der hellen Texasnacht weiter nach Norden. Irgendwann in der Nacht durchfurteten wir den Brazos und fuhren in Richtung Wichita River.
Gegen Mittag würde ich bei Onkel Bill sein, Old Man Bill Longley, der edle Pferde mehr liebte als Menschen.
Und wer Menschen und Pferde genau kannte, der konnte Onkel Bill das nicht verübeln.
✰✰✰
Palo Duro, das war der Ausdruck für »Harte Stangen«. Die wuchsen in dieser Gegend, und die Indianer kamen sie hier für ihre Zelte aus Büffelhaut holen. Unterwegs brauchte man die Stangen auch für die Schleppschlitten. Sie mussten also wirklich hart sein.
So hatte mir das mal ein alter Silbersucher erklärt.
Nun, wir kamen am Ende des nächsten Tages endlich nach Palo Duro, einem kleinen Nest mit einem einzigen Saloon, einem Store und wenigen kleinen Häusern und Hütten unterhalb des Palo Duro Canyon, durch den der Red River strömte.
Der Schmied führte auch den kleinen Mietstall und beschrieb mir den Weg zur Pferderanch meines Onkels Bill.
Es war nur ein Fünf-Meilen-Ritt. Dann sah ich die Lichter der Pferderanch in der nun angebrochenen Nacht.
Als ich nahe genug war, hielt ich an, stellte mich in den Steigbügeln hoch und rief zu den Lichtern hinüber: »He, ist dort die Longley Ranch von Bill Longley?«
Ich erhielt nicht sofort Antwort, aber ein großer Hund näherte sich. Er bellte nicht, aber sein Knurren war eine Warnung. Er kam zu mir und dem Pferd unter mir und schnüffelte an meinem Fuß im Steigbügel.
Ich sprach ruhig zu ihm nieder: »He, Beißer, kannst du vielleicht wittern, dass ich ein Longley bin?«
Er knurrte nicht mehr.
Und dann tauchte ein Mann aus der Dunkelheit auf. Seiner Sprechweise nach musste er mexikanischer Abstammung sein. Er lachte leise und hatte meine Worte offenbar genau verstanden. Denn er sagte: »Wenn Sie ein Longley sind, Señor, dann können Sie kein Pferdedieb sein. Kommen Sie mit zum Patron. Dann klären wir das.«
Der Mann hatte ein Gewehr im Hüftanschlag.
Ich ritt im Schritt voraus. Er folgte mir mit dem Hund, der sich völlig ruhig verhielt. Gewiss hörte er aufs Wort.
Vor der Veranda des kleinen Hauses hielt ich an und hörte einen Schaukelstuhl auf den Bohlenbrettern knarren. Den Mann im Schaukelstuhl konnte ich unter dem Vordach, das die ganze Veranda überdeckte, nur undeutlich erkennen.
Aber das Knarren hörte auf. Dafür knarrte die Stimme des Mannes: »He, habe ich richtig gehört? Ist da wirklich ein Longley gekommen? Welcher Longley?«
»Garry Longley, dem du damals den Hintern versohlt hast, weil er als Zwölfjähriger mit deinem Revolver Schießübungen machte. Hast du immer noch den alten Paterson-Colt?«
Der Mann im Schaukelstuhl lachte kehlig. »O ja, mein Junge«, sprach er dann. »Das war der erste brauchbare Colt. Ja, den habe ich noch. Damals wurden auch die Texas Ranger damit ausgerüstet. Du musst tatsächlich Garry sein. Du hast damals ein halbes Jahr nicht mit mir gesprochen. Ich hörte, dass du Marshal in Red Stone bist. Was führte dich zu deinem Onkel Bill?«
Ich hockte immer noch im Sattel und knetete mit beiden Händen das Sattelhorn. Und ich begriff, dass dieser alte Steinbeißer immer noch so knurrig und unfreundlich war gegen die ganze Welt wie damals. Doch er konnte uns Longleys schon damals nicht bluffen. Wir wussten, dass er so nur sein gutes Herz verstecken wollte.
Ich erwiderte ganz ruhig: »Kathie braucht in Silver City unsere Hilfe. Sie steckt irgendwie in der Klemme und wusste nur, wo ich zu finden war. Und nun hoffe ich, dass du weißt, wo sich all die anderen Longleys aufhalten. Wie lange soll ich denn noch auf dem Pferd hocken?«
Er lachte wieder knarrend.
Dann sagte er: »Nun ja, dann komm endlich runter von dem Gaul. He, Miguel, versorge sein Pferd. Der da ist wirklich mein Neffe Garry Longley. Und er war damals schon seinem Vater, der mein Bruder war, sehr ähnlich. Na, komm schon, Garry.«
Seine Stimme klang zuletzt warm und herzlich.
Ich saß ab. Miguel – er war jener Mann, der mich mit dem Hund in Empfang genommen hatte – nahm mir das Pferd ab. Und der große Hund schnüffelte wieder an mir, so als wollte er sich meine Witterung gründlich einprägen.
Ich aber stieg die drei Stufen zur Veranda hinauf und verharrte vor Onkel Bill.
»Möchtest du etwas essen, mein Junge?«
»Nein, Onkel Bill. Ich bin gekommen, um unseren Clan zusammenzuholen. Oder weißt auch du nicht, wo sie alle stecken? Wir wurden ja verstreut wie Blätter im Wind. Oder sind wir gar kein Clan mehr, der durch Blutsbande zusammengehört?«
»Doch, das sind wir, Garry, ja, das sind wir bis in die Hölle und zurück. Setz dich, mein Junge. Kathie steckt also in Silver City. Na gut, das ist ein böses Nest westlich des Pecos. Dein Bruder Jesse steckt in Socorro und beschützt dort ein nobles Hurenhaus am Wagenweg nach Santa Fe. Den kann ich leicht benachrichtigen. Vielleicht weiß er, wo dein anderer Onkel John Walker und dessen Söhne Pete und Brod zu finden sind. Aber selbst, wenn sie alle nach Silver City kommen sollten, so kann dies viele Wochen dauern. Und auch ich habe hier ein Problem, das ich erst lösen muss. Vorher kann ich hier nicht weg und meine Helfer Miguel und Pancho allein lassen.«
Er verstummte ernst.
Ich aber fragte: »Was für ein Problem, Onkel Bill?«
»Die Stonebreakers ...«, murmelte er. »Sie ließen von einem erfahrenen Pferdestehler meinen Zuchthengst stehlen. Und nun warten sie auf mich, denn sie wissen, dass ich meinen Zuchthengst nicht einfach aufgeben werde. Ich bin Pferdezüchter. Der nächste Sheriff ist mehr als hundert Meilen weit entfernt. Hier in unserem Land muss man solche Dinge selbst erledigen. Darauf warten sie. Denn wenn ich nicht mehr bin, wird meine Pferderanch besitzlos. Verstehst du, mein Junge?«
O ja, ich verstand ihn ganz und gar.
Ich murmelte: »Wer sind die Stonebreakers?«
»Drei Brüder, mein Junge, drei böse Pilger, denen ich im Weg bin. Denn ich habe hier die beste Blaugrasweide, deren Mineralien für die Pferdezucht ungeheuer wichtig sind. Ich habe auch gutes Wasser. Hier stimmt alles wunderbar für eine Pferdezucht wie in Kentucky, wo man auch Blaugrasweiden und mineralhaltiges Wasser hat. Aber ich kann es mit den drei Stonebreakers allein nicht aufnehmen. Überdies haben sie auch noch den Pferdestehler, ein Comanchenhalbblut, bei sich. He, Junge, traust du dich?«
Es war eine einfache Frage. Und indes ich noch nachdachte, sprach er weiter: »Miguel und Pancho sind gute Helfer. Sie verstehen sich auf Wildpferdjagd, Zureiten und das Pflegen edler Pferde. Sie sind als Raubzeugjäger auch gut mit den Gewehren. Doch die Stonebreakers sind Revolvermänner, die sich als Pferdezüchter versuchen wollen. Miguel und Pancho hätten an meiner Seite keine Chance. Ja, mein Junge, als die Stonebreakers mir den Zuchthengst stehlen ließen, da war das eine Herausforderung an mich, sozusagen von Revolvermännern an einen alt gewordenen Revolvermann. Traust du dich also, mein Junge?«
Er stellte die Frage zum zweiten Mal, und seine Stimme klang fast auf böse Weise vergnügt, so als machte ihm etwas so richtig auf grimmige Art Freude.
»Wie weit ist es denn bis zu den Stonebreakers, Onkel Bill?«
In meiner Stimme klang Bitterkeit, denn mir war bewusst, dass ich wieder kämpfen und wahrscheinlich auch töten musste.
»Drei Meilen den Red River hinauf und kurz vor dem Canyonende eine halbe Meile nach Süden landeinwärts.«
»Dann lass uns reiten, Onkel Bill.«
Ich sprach es ganz ruhig. Denn wir mussten möglichst bald nach Silver City zu Kathie, und vielleicht würden wir schon zu spät kommen.
Onkel Bill stieß ein Knurren aus.
»Du bist ein guter Junge«, sprach er dann. Und dann rief er über den Hof zur Unterkunft seiner beiden Helfer hinüber: »He, Poncho, sattle meinen Wallach! Ich will mit meinem Neffen zu den Stonebreakers!«
✰✰✰
Als Pancho den Wallach brachte, war Onkel Bill reitfertig und trat sporenklingelnd auf die Veranda. Ich erhob mich von der Bank, auf der ich gewartet hatte.
Pancho fragte: »Patron, dürfen wir mit Ihnen reiten?«
»Nein, Pancho. Ihr bleibt hier. Und wenn wir nicht zurückkommen, dann gehören dir und Miguel hier alles.«
Nach diesen Worten saßen wir auf und ritten Seite an Seite durch die Nacht, erreichten wenig später den Red River und wandten uns an seinem Ufer nach Westen.
Es war eine ziemlich dunkle Nacht. Nur manchmal riss die Wolkendecke auf und ließ die Sterne funkeln und den Mond sein kaltes Licht auf die Erde werfen.
Irgendwann ritten wir vom Fluss weg durch eine enge Schlucht die Hügelkette hinauf.
Als wir anhielten, sagte Onkel Bill: »Hier warten wir auf den Tag. Von hier aus können wir die jämmerliche Niederlassung der Stonebreakers sehen, wahrscheinlich auch den gestohlenen Hengst in einem der Corrals. Warten wir also geduldig, bis die Stonebreakers aus ihrer Hütte kommen. Ich brauche jetzt etwas Schlaf.«
Wir saßen ab, banden unsere Pferde am Rand eines Palo-Verde-Hains an und legten uns hin. Obwohl die Nacht fast vorbei war, gab der Boden noch etwas Wärme vom vergangenen Tag ab. Denn es war Sommer. Die Tage waren warm.
Ich schlief wenig später sogar für ein oder zwei Stunden ein.
Irgendwann wurde es Tag. Wir erwachten fast gleichzeitig und setzten uns auf. Von unserem etwas erhöhten Platz konnten wir die beiden Hütten und die Corrals gut sehen, auch die Pferde darin.
In einem der Corrals bewegte sich ein schwarzer Hengst, der plötzlich anhielt und zu uns herauf witterte.
»Das ist er«, knurrte Onkel Bill neben mir grimmig. »Das ist Black King. Der hat mich damals tausend nagelneue Yankee-Dollars gekostet, die ich einem Steuereintreiber der Yanks abgenommen hatte mit weiteren fünftausend Dollar. Aber das gibt den Stonebreakers längst nicht das Recht, ihn mir zu stehlen. Oder nicht, mein Junge?«
»Gewiss nicht, Onkel Bill«, erwiderte ich. »Denn die Steuereintreiber der Besatzungstruppe sind mehr oder weniger selbst Banditen ohne Gnade. Aber was machen wir nun?«
»Warten«, grollte er, »einfach nur warten. Irgendwann müssen sie ja mal aus den Hütten kommen. Sie können nicht ewig in ihren Bettchen liegen.«