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Sie kommen lässig dahergeritten, und es ist, als würde ein Rudel Wölfe herantrotten. Man verspürt bei ihrem Anblick sofort ein Gefühl der Vorsicht. Der Cowboy Ben McClayton, dessen Kopf noch verbunden ist, tritt aus dem Bunkhouse. Sein Rancher, Mister Russel, wartet schon seit zwei Tagen auf dieses Rudel. Sie begeben sich gleich auf die Veranda zum Rancher. »Ihnen sind also wertvolle Pferde gestohlen worden, Mister Russel, und wir sollen sie Ihnen zurückbringen. Was für Pferde waren es? Und wissen Sie vielleicht, wer sie Ihnen stahl?« Der Rancher Dan Russel schluckt etwas mühsam. Sein Blick richtet sich kurz auf seinen Cowboy Ben McClayton. Und dann sagt er: »Es handelt sich um den Hengst El Capitan und ein Dutzend wertvoller Zuchtstuten. Sie alle tragen mein Brandzeichen - ein R im Kreis. Ich zahle fünfhundert Dollar Prämie für die Wiederbeschaffung.«
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Seitenzahl: 149
Veröffentlichungsjahr: 2025
Cover
Wer mit Wölfen reitet
Vorschau
Impressum
Wer mit Wölfen reitet
Sie kommen lässig dahergeritten, und es ist, als würde ein Rudel Wölfe herantrotten.
Man verspürt bei ihrem Anblick sofort ein Gefühl der Vorsicht. Der Cowboy Ben McClayton, dessen Kopf noch verbunden ist, tritt aus dem Bunkhouse.
Sein Rancher, Mister Russel, wartet schon seit zwei Tagen auf dieses Rudel.
Sie begeben sich gleich auf die Veranda zum Rancher.
»Ihnen sind also wertvolle Pferde gestohlen worden, Mister Russel, und wir sollen sie Ihnen zurückbringen. Was für Pferde waren es? Und wissen Sie vielleicht, wer sie Ihnen stahl?«
Der Rancher Dan Russel schluckt etwas mühsam.
Sein Blick richtet sich kurz auf seinen Cowboy Ben McClayton. Und dann sagt er: »Es handelt sich um den Hengst El Capitan und ein Dutzend wertvoller Zuchtstuten. Sie alle tragen mein Brandzeichen – ein R im Kreis. Ich zahle fünfhundert Dollar Prämie für die Wiederbeschaffung.«
»Pro Mann?«, fragt einer der fünf Reiter lässig.
Dan Russel zuckt schmerzvoll zusammen.
»Aber nein«, sagt er. »Das wären ja zweitausendfünfhundert Dollar. Die könnte ich gar nicht aufbringen. Ich musste Schulden auf meine Ranch machen, um die Stuten kaufen zu können. Ich wollte die beste Pferdezucht im ganzen Südwesten beginnen. Man sollte von meinen Pferden eines Tages auf dem ganzen Kontinent reden. Verstehen Sie, Gentlemen? Ich wollte etwas ganz Großes beginnen. Deshalb die kostbaren Stuten und der sagenhaften Apachenhengst aus der Wüste. Ich habe mich hoch verschuldet. Ich kann wirklich nur fünfhundert Dollar zahlen. Doch alle Stuten sind trächtig. Wenn ich die ersten ...«
Er verstummt, denn der Sprecher seiner Besucher hebt unmissverständlich die Hand, gebietet ihm somit Schweigen.
Ben McClayton beobachtet die fünf Männer aufmerksam. Er sieht, wie sie sich durch kurze Blicke verständigen und dazu kein einziges Wort reden müssen. Wahrscheinlich ist dieses Verständnis das erste Geheimnis dieser Mannschaft. Sie verstehen sich so gut wie Brüder.
Der Sprecher wendet sich wieder an den Rancher.
»Wir beanspruchen jeder ein Fohlen, Mister Russel. Wenn wir die Pferde zurückbringen und es sich tatsächlich um solch außergewöhnlich wertvollen Zuchttiere handeln sollte, dann werden wir eines Tages wiederkommen und unter ihren Nachkommen wählen, jeder ein Tier.«
»Die sind vielleicht Stück für Stück tausend Dollar wert«, keucht Dan Russel.
Aber seine fünf Besucher sagen nichts. Sie sehen ihn nur wartend an. Und als er sich immer noch nicht entschließen kann, machen sie wie auf ein geheimes Zeichen den Ansatz zum Gehen.
Da ruft er schnell: »Abgemacht! Ich bin einverstanden!«
»Ihr Wort, Mister Russel?«
»Mein Wort darauf, Gentlemen.«
Sie nicken ihm zu.
Dann blicken sie auf Ben McClayton. Er erwidert ihre Blicke. Nein, er sieht nicht weg, denn er ist ein stolzer Bursche.
Er hört einen der fünf Besucher fragen: »Und du, mein Junge, hattest die Pferdewache?«
Da nickt Ben, hebt die Hand und legt die Fingerspitzen dicht über dem linken Ohr gegen den Kopf.
»Sie hätten die Pferde nicht erwischt«, sagt er, »wenn ich nicht gleich am Anfang die Kugel an den Kopf bekommen hätte wie eine Keule. Es waren Pancho Rodrigues und dessen Bandoleros, etwa ein Dutzend. Doch sie konnten die trächtigen Stuten nicht schnell treiben.«
Als er verstummt, mischt sich Dan Russel ein.
»Wir haben sie natürlich verfolgt«, sagt er. »Ich verlor dabei zwei meiner Reiter. Wir kamen nicht über den Spanish Cruz Pass. Dort hatten sich ein paar dieser Schufte festgesetzt. Ich musste aufgeben, um die Verwundeten heimzubringen. Einer starb gestern. Der andere wird es überleben. Die Sache ist zu groß für meine Männer und mich. Ich kann auch meine Ranch und die Rinder auf der Weide nicht längere Zeit ohne Schutz lassen. Es gibt ja noch andere Banditenbanden in diesem Land. Und dann diese verdammten Apachen ...«
Dan Russel muss nun nach Luft schnappen. Seine Stimme knirscht.
Aber es hörte ihm ja niemand mehr zu.
Denn die fünf Revolvermänner gehen schon wieder. Sie halten sich keine Sekunde mehr auf.
Dan Russel und Ben McClayton folgen ihnen.
»Aber Sie müssen doch erst etwas essen. Mein Koch wird bald ein Essen für Sie fertig haben«, beginnt Russel.
Sie winken nur ab.
Als sie bei ihren Pferden sind und aufsitzen wollen, ist Ben McClayton bei ihnen.
»Darf ich mitreiten, Gentlemen?« So fragt er.
Vier von ihnen sehen nicht mal zu ihm hin. Aber der fünfte Mann wendet sich ihm zu.
»Wozu, wofür und warum?« So fragt er, und es klingt ein leichter Spott in seiner Stimme.
Ben McClayton sieht in seine Augen. Er glaubt, dass der Mann Steve Morgan ist, auch »Black Morgan« genannt. Es gibt einige Geschichten von Black Morgan, und jede ist sehr eindrucksvoll.
»Nun, Mister Morgan«, sagt er, »Sie brauchen doch sicherlich einen Pferdehalter und Campkoch. Auch kenne ich den Hengst El Capitan gut. Er lässt sich nur von mir reiten. Sonst ist er wild und ...«
»Danke für das Angebot, mein Junge«, sagt Steve Morgan knapp und sitzt auf.
Erst vom Sattel aus sagt er zu Ben McClayton nieder: »Vielleicht wird doch mal was aus dir, mein Junge. Auch wir waren früher mal Jungen wie du. Doch um mit uns zu reiten, musst du noch zwei Klassen besser werden.«
Nach diesen etwas hochmütig und großspurig klingenden Worten reitet er an. Die vier anderen Reiter folgen ihm. Lässig reiten sie im Rudel davon.
Aber sie sind von diesem Moment an gewissermaßen zweibeinige Wölfe auf einer Fährte. Sie nahmen einen Auftrag an und sind nun dabei, ihn zu erledigen.
Ben McClayton sieht ihnen bewegungslos nach, und die Röte ist ihm zu Kopf gestiegen, lässt sein ohnehin braun gebranntes Gesicht noch dunkler werden.
Sein Boss tritt neben ihn, sieht ihnen ebenfalls nach und murmelt dann: »Das sind sie also, die Großen Fünf. Ich glaube, die würden auch keinen ebenbürtigen Mann als sechsten Mann mitreiten lassen. Die glauben wahrscheinlich an ihre Glückszahl fünf. Nun, Ben, du kannst dich heute noch ausruhen. Aber morgen musst du Wilcox ablösen. Der hockt schon vier Tage und vier Nächte in der kleinen Grenzhütte am Concho Creek und ...«
»Ich reite ihnen nach, Boss«, unterbricht Ben McClayton den Rancher, und er deutet zu den Hügeln hin, zwischen denen die fünf Reiter soeben verschwinden. »Ich will sehen, wie sie Ihre Pferde zurückholen, Boss. Dieser Morgan sprach ziemlich großspurige Worte zu mir. Um mit ihnen zu reiten, sagte er, müsste ich zwei Klassen besser sein. Ja, woher weiß er denn, wie gut oder wie schlecht ich bin? He, jetzt will ich sehen, wie gut die sind! Boss, ich reite ihnen nach.«
»Das wirst du nicht«, sagt Dan Russel entschlossen. »Ich brauche dich auf der Weide. Und gegen diese Asse bist du wirklich zumindest zwei Klassen schlechter. Also, Ben ...«
»Ich reite ihnen nach«, wiederholt der eigensinnig.
»Dann brauchst du gar nicht mehr zurückzukommen!«
Dan Russels Stimme klingt hart, und er kann sich diese Härte erlauben. Denn so kurz nach dem für den Süden verlorenen Bürgerkrieg gibt es Cowboys genug, und viele sind froh, wenn sie nur für Essen und Unterkunft arbeiten dürfen.
Ben McClayton weiß also ganz genau, was er hier aufgibt, wenn sein Rancher ihn entlässt. Er wird wahrscheinlich zu einem Satteltramp werden, so gut er als Cowboy und Zureiter auch sein mag.
Er überlegt kurz und starrt dabei in die Augen des Mannes, der sein Vater sein könnte. Dann schüttelt er den Kopf.
»Boss, ich kann es nicht erklären«, murmelt er, »doch ich muss diesen zweibeinigen Tigern folgen. Verstehen Sie das, Boss?«
Der will den Kopf schütteln.
Doch dann erkennt er etwas in den Augen des Cowboys.
Er wendet sich wortlos ab und geht zum Haus zurück.
Ben McClayton aber holt sich seine Siebensachen und sattelt dann sein Pferd. Als er davonreitet, sieht er sich nicht mehr um.
Sein Rancher, der wieder in der Tür erscheint, blickt ihm nach, solange er ihm mit Blicken folgen kann.
Und als Ben McClayton in den Hügeln verschwindet, wie zuvor die fünf Revolvermänner, da sinkt die Sonne endgültig.
Der Rancher murmelt halb zornig und bitter und halb mitleidig und bedauernd: »Dieser Junge – er ist wie ein Hund, der mit den Wölfen jagen will. Aber er wird dabei untergehen, wenn er kein Wolf ist.«
✰✰✰
Ben McClayton weiß nur, dass er zum Spanish Cruz Pass reiten muss.
Als er oben ankommt, rührt sich nichts. Der Pass ist frei.
Haben die fünf Revolvermänner ihn schon freigekämpft?
Er fragt sich mehrmals im Verlauf der nächsten zwei Stunden, wie es möglich war, dass die fünf Verfolger in der Nacht die Fährte nicht verloren. Dies grenzt für ihn an ein Wunder.
Am späten Nachmittag sieht er von einer Hügelkette aus auf eine Ebene nieder. Was er da sieht, das kann er gar nicht so recht glauben.
Dennoch ist es so. Dort kommen die Großen Fünf mit den gestohlenen Pferden zurück. Irgendwie haben sie es geschafft, Pancho Rodrigues und dessen Banditen die Tiere wieder abzunehmen.
Ben McClayton will schon sein Pferd wieder antreiben, um zu ihnen zu stoßen, da sieht er ihre Verfolger kommen.
Drei von den fünf Revolvermännern halten bald schon an, wenden ihre Pferde und reiten den Banditen entgegen.
Er sieht, wie die Banditen ausschwärmen – aber auch die drei Revolvermänner lassen große Lücken zwischen sich.
Die Banditen beginnen zuerst zu schießen. Die Revolvermänner warten noch. Sie verzichten darauf, die Banditen mit ihren Gewehren aufhalten zu wollen. Nein, sie sitzen plötzlich ab und treten sogar von ihren Tieren weg.
Und dann zeigt es sich, dass sie jeder zwei Revolver in den Händen halten.
Sie lassen damit die Hölle los.
Und sie halten die angreifenden Banditen auf.
Dennoch schießen die Banditen zurück.
Einer der drei Revolvermänner schwankt plötzlich, fällt auf die Knie, und dann legt er sich auf die Seite.
Die beiden anderen laufen zu ihm, knien bei ihm nieder, richten sich dann auf und verharren einige Atemzüge lang.
Die Banditen aber, die zurückgeschlagen wurden, sammeln sich wieder.
Für die beiden Revolvermänner wird es Zeit. Sie können sich nicht weiter um ihren Kumpan kümmern, der leblos auf dem Boden liegt. Sie schwingen sich in die Sättel und folgen ihren Partnern und den Pferden.
✰✰✰
Als Ben McClayton bei dem leblos am Boden liegenden Mann ist, weiß er vorher schon, dass es sich um den handelt, mit dem er auf der Ranch geredet hat und von dem er glaubt, dass er Steve Morgan heißt, Black Morgan.
Er glaubt, einen Toten zu finden – und zuerst sieht das auch wirklich so aus.
Black Morgan liegt zusammengekrümmt auf der Seite. Aus seinem schwarzen Haar rann eine Menge Blut in den staubigen Boden. Und es rinnt nun nicht mehr.
Ist er tot?
Ben McClayton kniet nieder, versucht das blutverklebte Haar zur Seite zu legen, um den Einschuss zu sehen.
Da stöhnt Black Morgan.
Ben McClayton zuckt zusammen.
Tote stöhnen nicht.
Eine Minute später hat er zweifelsfrei festgestellt, dass Black Morgan noch lebt. Er holt von Black Morgans Pferd, das nicht fortgelaufen ist, die Wasserflasche und wäscht dem Bewusstlosen das Blut vom Kopf, säubert ihm das Gesicht, flößt ihm auch ein paar Tropfen ein.
Dabei überlegt er fieberhaft. Sie werden nach ihm suchen, und sie werden auch Ben McClaytons Fährte finden. Er macht sich über die Gefahr keine Illusionen.
Aber dann beginnt er zu handeln. Er schafft es, den Bewusstlosen in den Sattel zu heben und ihn dort festzubinden. Und er ist froh, dass bald die Nacht kommen wird.
Es ist Zufall, dass er irgendwann später das Licht in der Nacht erblickt. Bald darauf sieht er das Haus – nein, es ist kaum mehr als eine Hütte.
Das Licht in der Hütte erlischt plötzlich.
Er zögert noch ein eine Weile, reitet dann näher, steigt ab und geht schließlich langsam auf die Hütte zu.
Hinter ihm stöhnt Black Morgan auf dem Pferd, über dem er so unglücklich und mörderisch unbequem liegen muss, weil es keine andere Möglichkeit gab, den schwergewichtigen Mann zu transportieren.
Ben McClayton erreicht die Tür und presst sich neben ihr an die Wand.
»Hoiii, ihr da drinnen«, sagt er. »Ich bin weder ein Apache noch ein Bandit. Ich bin nur ein Cowboy von der R-im-Kreis-Ranch auf der anderen Seite des Spanish Cruz Pass. Also, macht auf, Freunde – und helft mir.«
Aber er bekommt keine Antwort.
Erst als er sein Ohr an die Tür legt, die man offenbar aus einem Wagenboden machte, hört er drinnen etwas. Er will es zuerst nicht glauben, aber dann weiß er, dass er sich nicht täuscht.
Dort drinnen weint jemand. Und es muss eine Frau sein, eine junge Frau, wahrscheinlich ein Mädchen.
Er klopft hart gegen die Tür.
»Ich höre Sie«, sagt er. »Warum weinen Sie, Ma'am oder Miss? Hören Sie, ich habe noch nie einer Frau etwas zuleide getan. Sie können wirklich aufmachen. Mein Kamerad stirbt sonst auf dem Pferd. Können Sie verantworten, dass ein Mann stirbt, nur weil Sie mir nicht helfen wollen?«
Das Schluchzen ist nun verstummt, als er nach seinen Worten wieder lauscht. Er hört jetzt, wie drinnen ein Querbalken fortgenommen wird.
Die Tür geht langsam nach innen auf.
Der Mond kam noch nicht über die Berge. Doch der Sternenhimmel verbreitet genügend Helligkeit, sodass Ben McClayton das Mädchen erkennen kann. Ja, es ist eine junge Frau oder gar noch ein Mädchen.
Er hört sie leise sagen: »Mister, ich würde Ihnen sehr gerne helfen. Doch wenn er zurückkommt, dann – oh, hier wohnt Tate Clummaker! Und ...« Sie verstummt. Irgendeine Furcht verschlägt ihr die Stimme.
Sie ist kaum mehr als mittelgroß für eine Frau, und sie ist barfuß!
»Ja, ich bereite drinnen alles vor«, sagt sie dann mit herber und spröder Stimme. »Es dauert nur eine Minute.«
Ben McClayton nickt. Dann tritt er wieder zu den Pferden und löst die Lassoleine, mit der er Morgan auf dessen Pferd gebunden hat.
Morgan stöhnt wieder, und McClayton murmelt: »Es geht dir gleich etwas besser. Nur noch eine Minute.«
Dann kommt die junge Frau, die noch wie ein Mädchen aussieht, und sie schaffen Black Morgan in die große Steinhütte.
Es gibt in der Ecke nur ein einziges breites Lager.
»Holen Sie einen Eimer Wasser herein«, verlangt die junge Frau. »Und die Pferde können Sie in den Corral bringen. Aber ich sage Ihnen gleich, dass Sie Ärger bekommen werden mit Tate Clummaker. Und wenn er mit Ihnen fertig ist und Ihren Freund rausgeworfen hat, wird er mich verprügeln, weil ich euch hereingelassen habe. Ich sage Ihnen das, damit Sie gleich wissen, was hier los ist, wenn er kommt.«
»Ich kann Sie beschützen«, sagt Ben McClayton ernst. »Ich werde nicht dulden, dass jemand Sie schlägt, Ma'am. Sind Sie die Frau dieses Mannes? Tate Clummaker heißt er?«
»Ich bin nicht seine Frau – wenn Sie meinen, dass ich ihn geheiratet habe«, erwidert sie und macht sich am Herd zu schaffen, um für heißes Wasser zu sorgen. »Ich bin sein Besitz, sein Eigentum, wie – nun, wie etwa sein Pferd, sein Revolver. Ich gehöre ihm. Er benutzt mich. Verstehen Sie?«
Sie hat das Feuer im Herd wieder in Gang gebracht und richtet sich auf. Mit einem Ruck wendet sie sich ihm zu und sieht ihn fest an.
»Sind Sie freiwillig hier?«, fragt er langsam.
»Ich kam freiwillig her«, erwidert sie. »Aber dann hätte ich zu Fuß fortgehen müssen. Wohin könnte ich von hier aus zu Fuß gehen? Wo käme ich an?«
»Nirgendwo«, murmelt er. »In diesem Lande wäre eine Frau zu Fuß verloren, selbst wenn sie die Richtung kennen würde, in die sie gehen müsste. Wie ist Ihr Name, Miss?«
»Corinna – Corinna Lee.«
Heiliger Rauch, dieses Mädel ist ja hier in der Einsamkeit eine Gefangene!, denkt Ben.
Sie sprechen dann eine Weile kein Wort mehr. Doch sie arbeiten recht gut zusammen. Sie versorgen Black Morgan, so gut sie können.
»Ich koche Kaffee und mache Ihnen was zu essen, Ben«, sagt sie über die Schulter. »Doch wenn Clummaker kommt, dann seien Sie auf der Hut. Wahrscheinlich wird er versuchen, euch beide umzubringen.«
»Wo ist er?« Ben McClayton fragt es scheinbar so nebenbei und nicht sonderlich interessiert, indes er sich neben der Tür in die Ecke setzt und beide Beine von sich streckt.
»Irgendwo«, erwidert sie. »Er ist heute ganz früh mit dem zweiten Pferd als Packtier fort. Von irgendwo holt er Proviant. Er brennt in dem Schuppen Schnaps aus irgendwelchen Agaven oder Kakteen. Ich weiß es nicht genau. Mescal heißt das Zeug. Es ist unheimlich. Manchmal zwingt er mich dazu, dieses Teufelszeug zu trinken. Ich weiß dann nicht mehr, was ich tue, und ...«
Sie bricht ab, wendet ihm den Rücken zu. Er sieht am Zucken ihrer Schultern, dass sie lautlos schluchzt.
✰✰✰
Tate Clummaker kommt erst am nächsten Tag, kurz nach der Mittagszeit. Er muss lange geritten sein. Dies kann man deutlich an seinen beiden Pferden erkennen. Das zweite Tier ist schwer beladen.
Er ist ein großer, hagerer und zäher Bursche, etwa zehn Jahre älter als Ben McClayton.
Tate Clummaker streift Ben McClayton nur mit einem schrägen Blick, indes er noch einen Moment im Sattel verhält.
Ben McClayton steht an der Ecke des Hauses im Schatten.
Corinna wartet vor der Tür.
Und sie wartet erst gar nicht auf Clummakers Frage, sondern erklärt ihm alles mit wenigen kurzen Sätzen.
»Nun, mein Junge«, sagt er zu Ben McClayton hinüber, »hat man dich hier eingeladen?«
»Nein«, erwidert Ben McClayton. »Aber darauf konnte ich keine Rücksicht nehmen. Mein Partner brauchte ein Bett und ein Dach über dem Kopf.«
»Sicher«, sagt Clummaker. »Das brauchte er gewiss. Nur war es falsch, hier bei mir einzubrechen, ohne eingeladen zu werden. Das war wirklich falsch.«
Er spricht die letzten Worte sehr sanft. Und er erinnert dabei an ein Maultier, das kurz vor dem Auskeilen die Ohren anlegt.
»Es war falsch«, wiederholt er.
Und dann schnappt er nach dem Colt. Er ist schnell, sehr schnell, aber dennoch nicht schnell genug.
Denn Ben McClayton schlägt ihn um genau jenen Sekundenbruchteil, auf den es ankommt. McClaytons Kugel trifft ihn im Moment des Abdrückens mitten in die linke Brust.
Er ist sofort tot, daran gibt es keinen Zweifel.
✰✰✰
Nach Tagen wagt Black Morgan das Aufstehen.
Und schon am vierten Tag reiten sie los. Alle drei.