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Noch lebte ich, doch gewiss nicht mehr lange. Dann würde es mir so ergehen wie meinem Bruder Bill. Ich lag am Boden, und als ich den Kopf etwas drehte, sah ich den Killer mit Cindy vorbeireiten. Cindy war schön wie selten eine Frau. Sie würde überleben. Ich aber war ein Narr gewesen. Ich hatte geglaubt, dass es meine Pflicht wäre, diesen Killer auf faire Weise zu töten. Doch er hatte mich zuletzt aus dem Hinterhalt erwischt. Wie damals meinen Bruder Bill ...
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Seitenzahl: 144
Veröffentlichungsjahr: 2025
Cover
Dein Hass führt in die Hölle
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Impressum
Dein Hass führt in die Hölle
Noch lebte ich, doch gewiss nicht mehr lange. Dann würde es mir so ergehen wie meinem Bruder Bill.
Ich lag am Boden, und als ich den Kopf etwas drehte, sah ich den Killer mit Cindy vorbeireiten.
Cindy war schön wie selten eine Frau.
Sie würde überleben.
Ich aber war ein Narr gewesen.
Ich hatte geglaubt, dass es meine Pflicht wäre, diesen Killer auf faire Weise zu töten. Doch er hatte mich zuletzt aus dem Hinterhalt erwischt.
Wie damals meinen Bruder Bill ...
Es war im Jahre 1865, als mein Bruder Bill aus dem Krieg heimkam. Mein Bruder hatte mehr als zweihundert Dollars mitgebracht, Golddollars! Jeder Golddollar war ein Schatz.
Wir feierten meines Bruders glückliche Heimkehr. Noch vor Mitternacht waren wir ziemlich betrunken.
In dieser Nacht ging ich auch zum ersten Mal in meinem Leben mit einem Mädchen ins Bett. Denn das Mädel, Sally hieß sie, war scharf auf ein paar Golddollars.
Zwei Tage später ritten mein Bruder Bill und ich mit drei Packtieren von Laredo gen Norden. Bill hatte beim Pokerspiel eine kleine Ranch gewonnen. Nun, wir ritten also los, um uns die Ranch anzusehen.
Übrigens, wir hießen Campifer, Bill und Jesse Campifer.
Die Ranch, die mein Bruder gewonnen hatte, bestand aus einer jämmerlichen Hütte, ein paar lächerlichen Corrals und Weidekoppeln, einem Schuppen und der Quelle, die in einer Senke zu einem kleinen See angestaut worden war, von dem nur abfloss, was von der Quelle hinzuströmte.
»Diese Quelle wird eines Tages so viel wert sein wie eine Goldader«, sagte mein Bruder, der über sehr viel mehr Lebenserfahrung verfügte als ich.
Ich war nicht sehr begeistert, hier in der Einsamkeit eine kümmerliche Ranch aufzubauen. Denn Rinder waren nichts wert. Von diesen Longhornbiestern gab es schon zu viele.
Was also wollte mein Bruder Bill mit der jämmerlichen Ranch?
Aber Bill erklärte es mir mit wenigen Worten.
»Mach deine Ohren auf und hör mir genau zu.«
Er deutete in die Runde. Und wohin wir auch blickten, sahen wir Rinder.
»In Kansas«, sagte mein Bruder, »gibt es eine Eisenbahn. Und in den nächsten Jahren werden noch mehr Eisenbahnlinien gebaut, darauf kannst du wetten. Ich habe von einem Yankee gehört, dass man im Osten Fleischfabriken errichtet. Hast du mich verstanden? Fleischfabriken! Kannst du dir was darunter vorstellen?«
»Nein«, sagte ich wahrheitsgemäß.
»Die schlachten Rinder und füllen mit dem Fleisch Konservenbüchsen. Und es soll bald Kühlschiffe geben. Kühlschiffe, Kleiner! Weißt du, was das bedeutet?«
Ich zuckte mit den Schultern, denn ich war ja ein dummer Bursche aus den Antelopehügeln, wo ich bei einem Farmer gearbeitet hatte.
»Drüben in Europa brauchen sie Fleisch«, sagte mein Bruder. »Nun kann man große Herden schlachten. In den Kühlschiffen bleibt das Fleisch frisch. Man kann es in die ganze Welt schaffen. Und die texanischen Longhorns werden sich in einigen Jahren in blanke Dollars verwandeln.«
✰✰✰
Wir arbeiteten hart, länger als zwei Jahre.
Unser Geld war fast alle, obwohl wir bescheiden lebten.
Aber dann kam die Nachricht, dass aus dem San-Antonio-Gebiet einige Texas-Rancher mit ihren Rinderherden nach Norden aufbrechen wollten. Sie beabsichtigten, den Chisholm Trail zu benutzen.
Mein Bruder ritt sofort nach Laredo. Auf seinen Besitztitel bekam er von der dortigen Bank einen Kredit. Nun würden wir mit etwa eineinhalbtausend Tieren aufbrechen. Wie wir hörten, zahlte man für jedes Tier an der Kansasbahn mehr als zehn Dollar. Das wären dann fünfzehntausend Dollar für uns.
Aber dann kam Frank Morgan.
Er war ein Yankee, ein bulliger Mann auf einem gut gefederten, zweirädrigen Wagen, der von zwei herrlichen Rappen gezogen wurde. Bei ihm waren ein halbes Dutzend Reiter: Seine Leibwache, das sah man sofort.
Was wollte er von uns?
Mein Bruder Bill trug außer seinem Colt, den er links hängen hatte, noch einen zweiten im Hosenbund. Auch ich hatte meine Waffe griffbereit hängen.
Nun, wir hatten also keine Angst vor diesen Pilgern. Nur vorsichtig waren wir.
Aber sie benahmen sich ganz harmlos.
Wir ließen uns nicht von dem harmlosen Getue der Kerle täuschen. Wir konnten jeden Wolf erkennen, auch zweibeinige Wölfe.
Und nun sahen wir welche.
Der dicke Frank Morgan mit den harten, glasklaren Augen kam dann etwas später zu uns herüber.
Er sagte hart: »Ich weiß natürlich Bescheid über euch. Ihr habt hier die Wasserrechte und auch ein eingetragenes Brandzeichen. In Ordnung! Deshalb muss ich ja auch mit euch verhandeln. Ich werde in diesem Jahr hunderttausend Rinder nach Kansas treiben lassen. Eure sind mit dabei. Ich zahle euch tausend Dollar Abstand, tausend Dollar – und nur deshalb, weil ihr in Laredo das Wasserrecht eingetragen und auch das Brandzeichen registriert habt. Na?«
Mein Bruder schüttelte den Kopf.
»Nein«, sagte er. »Wir bleiben selbst im Geschäft, Mister Morgan. Und nun wäre es gut, wenn Sie mit Ihren Männern wieder abzögen.«
Er sah erst meinen Bruder, dann mich und dann wieder Bill an.
Dabei paffte er an seiner teuren Zigarre.
In unseren Augen konnte er mehr erkennen, als wir ihm hätten mit tausend Worten sagen können.
Plötzlich nickte er und warf uns seine Zigarre vor die Füße.
»Na schön«, sagte er, machte auf dem Absatz kehrt und ging.
Wenig später fuhr er davon.
Seine Leibwache folgte ihm.
Sie sahen sich nicht nach uns um.
Er hatte es mit keinem Wort mehr versucht, uns umzustimmen oder gar zu handeln.
Mein Bruder Bill nagte an der Unterlippe. »Der gibt nicht so leicht auf, der nicht. Vielleicht denkt er sich was aus. Wir müssen aufpassen in nächster Zeit. Und wir werden nicht mehr in unserem Haus schlafen. Ich denke, ich reite in einer Woche nach Laredo, werbe die Mannschaft an und sorge für die beiden Wagen und die Vorräte. Wir werden noch acht oder zehn Reiter und einen Koch brauchen.«
Ich nickte nur und schluckte trocken. Denn irgendwie war mir mulmig zumute. Mein Instinkt gab mir Warnimpulse.
Aber Bill würde schon alles machen. Uns konnte gar nichts passieren, weil Bill diesem dicken Hartgesottenen gewachsen war.
✰✰✰
Eine Woche später ritt Bill endlich nach Laredo.
Ich sah ihm im Morgengrauen nach. Er blickte noch einmal zurück und winkte mir zu.
Wer sich mit Bill anlegte, der packte einen Tiger am Schwanz.
Dies glaubte ich, und deshalb war ich ganz ruhig und ging an meine Arbeit. In drei oder vier Tagen würde Bill gewiss mit unserer neuen Mannschaft zurückkommen.
Ich ging also an die Arbeit. Auf unserer Ranch gab es ja noch eine ganze Menge zu tun.
Aber dann hörte ich ein Pferd kommen.
Ich sah mich um, und ich hatte meine Schrotflinte in Reichweite.
Es war das Pferd meines Bruders, dies erkannte ich sofort.
Das Tier kam ohne Reiter zurück. Von meinem Bruder war nichts zu sehen.
Und so griff ich mir die Schrotflinte, schwang mich mit einem Comanchensprung auf das Tier und ritt auf der Fährte zurück. Ich wurde angetrieben von einer heißen Furcht.
✰✰✰
Er lag wie tot in der Sonne – einfach so auf dem Rücken, als schliefe er im Gras. Vorne auf der Brust war das große Ausschussloch. Er war also in den Rücken geschossen worden. Denn solch ein Einschussloch gab es nicht.
Ich fiel neben Bill auf die Knie und verharrte so eine Weile.
In mir war alles leer.
Langsam begriff ich, dass Bill tot war. Aber ich fasste ihn an, fühlte nach seinem Puls und wurde mir darüber klar, dass er noch lebte. Auch sah ich, dass seine Wunde blutete, wenn auch nur noch ganz schwach. Sein Herz schlug also noch, aber sehr schwach. Wahrscheinlich würde er nicht mehr aufwachen, sondern einfach aufhören mit dem Atmen. Dieses Atmen war ja kaum noch zu erkennen.
Herrgott im Himmel, was konnte oder musste ich tun?
Ich hatte Angst, Bill zu bewegen. Aber ich öffnete endlich das blutige Reithemd. Das Loch war so groß, dass ich meine Faust hätte hineinstecken können.
Ich konnte keinen Arzt holen und Bill auch nicht heim schaffen. Ich musste ihn liegen lassen und eine Zweighütte über ihm errichten, damit er nicht in der Sonne lag.
Ja, das musste ich tun.
Doch zuerst holte ich die Wasserflasche vom Pferd. Ich goss ihm etwas Wasser zwischen die Lippen.
Und da machte er die Augen auf.
Sein Blick kam aus einer anderen Welt, und dann verzerrte sich sein Gesicht, weil der Schmerz so grausam war zu ihm.
Schließlich war sein Blick klar – und ich erkannte sogar eine mir unverständliche Gelassenheit in seinen Augen. Die Erinnerung hatte ihn nicht nur wieder eingeholt, nein, er konnte auch schon begreifen, was sein würde.
Und so sagte er matt, doch gut verständlich: »Kleiner, es hat nicht sollen sein. Ich habe den Dicken unterschätzt. Der hat einen Killer geschickt, einen richtigen Killer.«
Nun musste er sich etwas ausruhen. Ich machte noch einmal seine Lippen nass und wusch ihm das Gesicht.
Nach einigen Atemzügen sah er mich wieder an.
»Hast du ihn gesehen – den Killer?« So fragte ich.
Er schloss wieder die Augen.
»Ja, er war hier bei mir«, flüsterte er nach einer Weile. »Er kam her, um nachzusehen. Als er sah, dass ich im Sterben lag, nahm er seinen Hut ab. Ich fragte ihn nach seinem Namen und warum er dies getan hätte. Er gab mir wahrhaftig Antwort. Er hieß Virgil McGall.«
Das waren seine letzten Worte. Er sprach sie mit seinem letzten Atem.
Dann starb er und lag tot in der Sonne.
Ich war allein.
Aber ich kannte den Namen seines Mörders und auch dessen Auftraggeber.
✰✰✰
Drei Tage später sah ich Laredo in der Nacht, denn ich war natürlich nicht abgehauen.
Zu einem Gesetzesvertreter konnte und wollte ich nicht gehen.
Denn was ich auch aussagen würde, ich hatte keine Zeugen.
Freunde hatten wir nicht dort in Laredo – aber halt, da fiel mir endlich das Mädel ein, mit dem ich im Bett gelegen hatte. Plötzlich wusste ich auch wieder ihren Namen.
Sally.
Ich machte mich auf den Weg.
Die Balkontür war nicht verschlossen. Ich glitt hinein.
Und als ich hinter dem Vorhang stand und ihn etwas zur Seite raffte, sah ich sie und hörte zugleich das kräftige Schnarchen eines Mannes, der auf dem Bett lag.
Er stank nach Schnaps bis zu mir herüber.
Verdammt, diese Sally hatte es auch nicht leicht.
Ich hörte sie sagen: »He, Ben Miles, um dich auszuschlafen, hättest du auch die paar Meilen heimfahren können zu deiner Kneifzange.«
Sally war also inzwischen auch eine Hartgesottene geworden.
Ich schob nun den Vorhang zur Seite und trat hervor, indes ich meinen Zeigefinger gegen meine gespitzten Lippen legte.
Doch Sally war keines von den Mädchen, die bei jeder Gelegenheit erschrecken und zu kreischen beginnen.
»He«, sagte sie, »bist du nicht der Junge von damals, der gar nicht genug bekommen konnte? Jesse – ja, Jesse, das war der Name!«
Ich nickte.
»Du hast mich also nicht vergessen, Sally«, sagte ich.
»Wie konnte ich das? Solch ein großes Kind wie du – dies war damals was Neues für mich. Ja, jetzt siehst du eigentlich wie ein Mann aus. Bist du es auch unter Männern geworden?«
»Sie haben meinen Bruder erschossen«, sagte ich ohne Umschweife und erzählte ihr alles.
Als ich fertig war, sah sie mich fest an.
»Und jetzt willst du Rache«, sagte sie.
Ich nickte.
»Kennst du diesen Virgil McGall?«, fragte ich sie. »Kannst du ihn mir beschreiben? Ist er vielleicht hier in Laredo? Und wo?«
Nun wusste sie, warum ich gekommen war.
Ich sah Sally mit brennenden Augen an, wartete auf ihre Antwort.
»O Jesse«, sagte sie, »ich bin froh, dass dieser Virgil McGall schon seit gestern weg ist. Ja, er war hier bei uns zu Gast. Dolores drüben im gegenüberliegenden Zimmer hatte ihn bei sich. Er war spendabel. Er machte einen recht guten Eindruck. Er ist rothaarig, so groß wie du, zehn Jahre älter und hat grünlich schimmernde Augen. Wie ein Rindermann und Reiter kleidet er sich. Der ist drei Nummern zu groß für dich, Kleiner. Vergiss ihn. Der ist ein Killer, der schnell zuschlägt und dann viele, viele Meilen zurücklegt, bevor er anhält. Hoffentlich wirst du ihm nie wieder begegnen. Denn wenn du ihm begegnen solltest, dann bleibt dir nur die Chance eines hinterhältigen Heckenschützen. Und diese Rache würde dich verderben. Verstehst du?«
Ich nickte.
Und ich verstand sie wirklich, obwohl sie es mir nicht besser hatte sagen können.
»Und dieser Frank Morgan?« So fragte ich sie nach einer Weile.
Ich sah ihr plötzlich an, dass sie mich anlügen wollte. Irgendwie spürte ich es mit Gewissheit.
»Bitte, sag mir die Wahrheit«, sagte ich. »Wo finde ich Frank Morgan?«
Sie zögerte. Dann trat ein Ausdruck von Mitleid in ihre Augen. Ich hatte damals schon gespürt, dass sie mich irgendwie mochte. Sie war gewiss ein berechnendes und kaltblütiges Flittchen, das nichts anderes im Sinn hatte, als die dummen Hammel zu scheren. Der schnarchende Dicke dort in ihrem Bett war solch ein Hammel. Dennoch hatte sie eine Schwäche für mich.
Denn sie sagte: »Jesse, wenn du dich an diesen Frank Morgan ranwagen solltest, wirst du verlieren. Seine Leibwächter knallen dich ab. Oder man wird dich – solltest du an ihn herankommen und ihn töten können – als Mörder hetzen. Dann wirst du ein Geächteter sein, immerzu auf der Flucht, ein Mann, der gejagt wird, den man hasst und der diesen Hass böse erwidert. Jesse, du machst deinen Bruder durch Rache nicht mehr lebendig. Doch du zerstörst dein Leben. Verstehst du?«
»Du wolltest mir sagen, Honey, wo Frank Morgan zu finden ist«, murmelte ich nur heiser.
Ja, ich war stur und uneinsichtig.
Der Ausdruck von Mitleid schwand aus Sallys Blick.
Nun funkelte Zorn in ihren Augen.
Sie sagte: »Du blöder Hammel, dann geh doch hinunter. Dort wirst du ihn inmitten einer Pokerrunde finden. Er sitzt dort und spielt mit den wichtigsten Männern dieser Stadt und dieses Landes. Geh nur hinunter und ins Spielzimmer, und lass dir die Haut abziehen oder sie mit Blei durchlöchern. Geh doch, du Narr!«
Ich zog mich nach diesen Worten wieder zur Balkontür zurück und verschwand auf demselben Weg, auf dem ich zu ihr gelangt war.
Als ich unten im Hof stand, wollte ich mir die Schrotflinte greifen, die ich an die Hauswand gestellt hatte, weil ich sie bei meiner Kletterpartie nicht gebrauchen konnte.
Doch die Flinte war weg.
Aber dann war sie plötzlich wieder da. Ich spürte den Druck ihrer Doppelmündung gegen meinen Rücken.
Und ein Mann sagte fast gemütlich: »Nun, Bruderherz, was soll das? Kletterst du immer an der Wand hinauf, um bei der Madam unten nicht bezahlen zu müssen?«
»Was dagegen?«, fragte ich.
Der Mann lachte. »Vielleicht nicht«, sagte er. »Doch erst will ich dich mal bei Licht betrachten. Also geh vor mir her bis zur Ecke. Dort kann ich dich besser ansehen. Geh schon, Freundchen!«
Ich wusste sofort, dass dieser Bursche einer von Frank Morgans Leuten war. Dieser Frank Morgan ließ sich gründlich bewachen.
Als wir um die Hausecke bogen, kamen wir auch schon in das gelbe Licht einer aus einem Fenster fallenden Helligkeit.
Ich musste jetzt handeln.
Es war verrückt von mir, ein reiner Selbstmordversuch.
Doch er hatte die beiden Hähne des doppelläufigen Parker-Schrotgewehres nicht gespannt. Er hatte nur geblufft, als er die Mündung gegen meinen Rücken drückte.
Nun fluchte er, wollte von mir wegspringen. Dabei ließ er die Flinte fallen und schnappte nach dem Colt. Er war ein Revolvermann, der jede körperliche Auseinandersetzung scheute.
Bei mir war das umgekehrt. Ich ließ ihn nicht aus meiner Reichweite. Ich sprang ihm nach und erwischte ihn auch schon mit einer Rechten genau auf den Gurgelknoten. Er konnte nicht einmal mehr fluchen oder gar rufen. Die Luft blieb ihm weg. Ich traf ihn mit einem Schwinger an die Schläfe und konnte mir sicher sein, dass er für eine Weile nicht mehr im Spiel sein würde. Denn schlagen konnte ich fürchterlich hart, und weil ich in den vergangenen Jahren hart gearbeitet hatte, war ich körperlich in bester Verfassung.
Ich zog ihn aus dem Lichtschein heraus um die Hausecke herum.
Dann nahm ich meine Schrotflinte und verharrte eine Weile lauschend.
Ich erreichte die vordere Ecke des Gebäudes, verhielt und sah mir alles an.
Ich atmete dreimal tief ein. Dann ging ich zum Haupteingang und betrat den Saloon ganz normal wie ein Gast. Ich war es leid, immer nur herumzuschleichen. Mit der Schrotflinte würde ich mir schon den Weg zu Frank Morgan freimachen, so glaubte ich.
Es ging zuerst auch alles ganz leicht.
Der Barmann stand hinter dem Schanktisch und putzte Gläser.
An dem Tisch neben der Treppe saß die »Madam«, die Besitzerin dieses Ladens.
Aber ich bestellte weder Bier noch Pumaspucke. Ich ging geradewegs auf eine Tür zu, über der ein Schild angebracht war, das deutlich genug sagte, dass sich hinter der Tür der Spielraum des Hauses befand.
Bevor jemand etwas sagen konnte, trat ich ein, schloss die Tür hinter mir und lehnte mich von innen dagegen.
Die Hähne der Schrotflinte hatte ich gespannt.
Was konnte mir jetzt noch passieren? So dachte ich.
Denn zuerst war ich jetzt mal am Drücker.
Der dicke Yankee Frank Morgan saß am runden Pokertisch mit fünf anderen Männern.
Einer von Frank Morgans Revolvermännern saß in der Ecke.
Alle sahen mich an. Ich ließ sie in die Doppelmündung meiner Schrotflinte sehen, und weil sie alle wussten, was solch ein Ding anrichten konnte, verhielten sie sich still und machten keine Bewegung.
Nur einer fragte: »Was soll das, Junge? Ist das ein Überfall? Willst du dir den Pokertopf holen?«