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Es war am 26. Oktober 1881, als Marshal Wyatt Earp, begleitet von seinen Brüdern Morgan und Virgil, um die Ecke der Fremont Street bog. Doc Holliday war bei ihnen. Diese vier Männer marschierten auf den O.K. Corral zu, wo fünf Banditen auf sie warteten, nämlich Ike und Billy Clanton, die beiden McLowry-Brüder und Bill Claiborne. Und dann fand jener Kampf statt, der in die Geschichte des Wilden Westens einging. Es ist viel darüber geschrieben worden, denn es sind historische Tatsachen. Und dennoch gibt es für mich einen wichtigen Grund, die damaligen Ereignisse einmal zu durchleuchten und meinen Lesern zu berichten, wie sie meiner Meinung nach stattfanden. Ich bildete mir diese Meinung erst nach langem und sorgfältigem Forschen. Aber dann war mir klar, dass die Geschichte des Cochise County einen Mann vergessen hatte. Es war Wego Flint. Gewiss, er war nicht so berühmt wie Wyatt Earp und Doc Holliday. Er war auch nicht so berüchtigt wie Johnny Ringo, Curly Bill oder die Clantons. Aber er hat es verdient, dass endlich einmal einer der Autoren, die den Wilden Westen schildern, von ihm berichtet. Denn ohne Wego Flints Wirken wäre der Kampf beim O.K. Corral in Tombstone sicherlich ganz anders ausgegangen. Dieser Band ist also Wego Flint gewidmet.
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Seitenzahl: 146
Veröffentlichungsjahr: 2025
Cover
Cochise County
Vorschau
Impressum
Cochise County
Es war am 26. Oktober 1881, als Marshal Wyatt Earp, begleitet von seinen Brüdern Morgan und Virgil, um die Ecke der Fremont Street bog. Doc Holliday war bei ihnen.
Diese vier Männer marschierten auf den O.K. Corral zu, wo fünf Banditen auf sie warteten, nämlich Ike und Billy Clanton, die beiden McLowry-Brüder und Bill Claiborne.
Und dann fand jener Kampf statt, der in die Geschichte des Wilden Westens einging. Es ist viel darüber geschrieben worden, denn es sind historische Tatsachen. Und dennoch gibt es für mich einen wichtigen Grund, die damaligen Ereignisse einmal zu durchleuchten und meinen Lesern zu berichten, wie sie meiner Meinung nach stattfanden. Ich bildete mir diese Meinung erst nach langem und sorgfältigem Forschen. Aber dann war mir klar, dass die Geschichte des Cochise County einen Mann vergessen hatte.
Es war Wego Flint.
Gewiss, er war nicht so berühmt wie Wyatt Earp und Doc Holliday. Er war auch nicht so berüchtigt wie Johnny Ringo, Curly Bill oder die Clantons. Aber er hat es verdient, dass endlich einmal einer der Autoren, die den Wilden Westen schildern, von ihm berichtet. Denn ohne Wego Flints Wirken wäre der Kampf beim O.K. Corral in Tombstone sicherlich ganz anders ausgegangen.
Dieser Band ist also Wego Flint gewidmet.
Es ist am späten Nachmittag des 20. Juli 1881, als Wego Flint den Boot Hill Cemetery erreicht, jenen damals schon so traurig berühmten Stiefelhügel von Tombstone.
Langsam wandert Wego Flint durch die Reihen der Grabsteine. Und immer wieder liest er Inschriften, wie zum Beispiel:
»Charly zog nicht schnell genug.«
Oder: »Er konnte sich nicht in Deckung bringen.«
Oder: »Er nannte Pecos Jim einen Lügner.«
Oder: »Ben Smith gewann die Wette nicht.«
Es gibt noch sehr viele solcher lakonischen Inschriften.
Wego Flint wandert sehr lange auf dem Friedhof umher.
Und dann hält er vor einem Grab inne, in dessen Hügel nur ein einfaches Brett steckt.
Er liest die eingebrannten Worte:
»JACK DALE – Man fand ihn tot in einer Gasse.«
Wego Flint liest die Worte mehrmals. Dann starrt er ins Leere, und vor seinen Augen erscheint das Bild eines blonden, verwegenen Burschen, der viel Spaß am Leben hatte.
Es erscheint wieder einmal das Bild seines Freundes und Partners vor seinen Augen, der gerne ritt, liebte, spielte und kämpfte, für den aber alles ein großer Spaß war und der niemals böse sein konnte.
Nach einer Weile nickt er und spricht auf den Hügel nieder: »Ich bin gekommen, Jack!«
Mehr sagt er nicht.
Und als er sich dann langsam umwendet, erkennt er, dass ihn jemand beobachtet hat. Es ist ein alter, kleiner und hagerer Mann mit einem so dichten Vollbart, dass man eigentlich nur seine scharfe Falkennase und zwei schwarze Augen richtig erkennen kann. Der Mann ist schlecht gekleidet, und als er sich jetzt bewegt, hinkt er.
»Suchen Sie jemanden, Cowboy?«, fragt er sanft. »Ich bin der Totengräber.«
Wego Flint blickt einige Sekunden in die schwarzen Augen des Mannes. Es sind sehr sonderbare Augen. Sie lassen nichts erkennen. Und doch sind diese Augen so unangenehm wie die Doppelmündung einer Schrotflinte.
Wego Flint deutet auf das Grab.
»Was weiß man sonst noch von Jack Dale?«, fragt er. »Wer hat seine Beerdigung bezahlt?«
Im Hintergrund der schwarzen Augen glüht es für einen Sekundenbruchteil auf. Dann sagt der Totengräber sanft: »Das war ein Mann aus Texas. Er brachte eine kleine Rinderherde zu den Minencamps und verkaufte sie gut. Er soll ein wilder und lustiger Bursche gewesen sein. Er geriet dann im Oriental Saloon in ein scharfes Pokerspiel. Zum Schluss spielte nur noch Doc Holliday mit ihm, denn alle anderen am Spieltisch waren blank. Auch Doc Holliday hörte dann auf, weil der Junge nicht zu schlagen war. Hundert Männer sahen zu. Und die ganze Stadt wusste, dass der Junge einen Sack voll Geld gewonnen hatte. Man fand ihn später tot und ausgeraubt in einer Gasse, und Doc Holliday stand neben ihm mit einem rauchenden Colt in der Hand. Kannten Sie ihn?«
»Yeah«, murmelt Wego Flint. »Wer hat seine Beerdigung bezahlt? Die Armengräber liegen doch dort drüben.«
»Doc Holliday ist manchmal ein Menschenfreund«, erwidert der Totengräber trocken. »Holliday zieht manchmal nicht nur Zähne und knallt verrückte Narren ab, er tut auch manchmal in anderer Beziehung ein gutes Werk. Wahrscheinlich fürchtet er sich zu sehr vor der Hölle.«
»Danke«, sagt Wego knapp und geht davon. Aber nach einigen Schritten blickt er schnell über die Schulter. Nun kann er in den Augen des Totengräbers ein kaltes Funkeln erkennen, aber es erlischt sofort.
Wego fragt: »Wer sind Sie, Freund?«
»Sam Hutton, aber man nennt mich hier Hinkefuß-Sam. Und seit ich hier den Stiefelhügel verwalte, habe ich schon oft solch stolze Jungs wie Sie kommen sehen. Eine Menge davon kamen dann hier in diesen Garten. Ich betreue sie gut. Früher wollte auch ich ein solch prächtiger wilder Junge sein. Aber jetzt bin ich ganz zufrieden.«
Er scheint unter seinem dichten Bart zu grinsen, aber sicherlich täuscht Wego Flint sich.
Er geht weiter, verlässt den Friedhof, setzt den alten Hut auf und steigt dann langsam in den Sattel.
Ruhig lenkt er sein Pferd auf die Stadt zu.
✰✰✰
In der Dritten Straße findet Wego eine kleine Pension, die von einer fülligen und schnurrbärtigen Matrone geleitet wird. Sie betrachtet den langen Cowboy eingehend und sagt dann bitter: »Die Art, wie Sie Ihren Colt tragen, gefällt mir nicht sehr, Mister. Aber ich will es mit Ihnen mal versuchen. Sollten Sie jedoch am dritten Tag keiner ordentlichen Arbeit nachgehen, so werfe ich Sie wieder hinaus. Mit Frühstück kostet das Zimmer zehn Dollar in der Woche.«
Wego nickt. Wenig später ist er in einem kleinen, freundlichen Zimmer, wäscht und rasiert sich und zieht sich frische Wäsche an. Obwohl sein Magen knurrt, reinigt er seine Waffe, putzt sich die Schuhe und bürstet Hose und Hut aus. Er trägt nun ein schwarzes Hemd und ein rotes Halstuch.
Sein schmales Gesicht ist hohlwangig und ernst. Es gibt schon die ersten Anzeichen von dunklen Linien darinnen. Aber er ist wirklich noch sehr jung, gerade erst vierundzwanzig. Doch seit zehn Jahren ist er allein auf dieser Welt. Seit zehn Jahren sorgt er selbst für sich. Deshalb zählten diese Jahre doppelt. Und Jack Dale war sein erster und einziger Freund. Deshalb kam er auch nach Tombstone.
Langsam verlässt er das Zimmer. Seine Sporen hat er abgelegt.
Unten, in der offenen Küchentür, steht seine Wirtin mit einem Mädchen. Schon vom Treppenabsatz aus wird Wego sich darüber klar, dass es sich um ein hübsches Mädchen handelt, obwohl er ihr Gesicht noch gar nicht sehen kann.
Aber es ist prächtig gewachsen. Ihr rabenschwarzes Haar glänzt im Schein der Dielenlampe. Es hat gerade Schultern und trägt den Kopf auf eine besondere Art.
Mrs. Petters sieht zu ihm hoch und sagt dann: »Jill, das ist Ihr neuer Zimmernachbar, Mister Wego Flint aus Texas. Ich habe ihn aufgenommen, weil die meisten Texasmänner Gentlemen sind. Ich werde schnell herausfinden, ob er zu dieser Sorte gehört.«
Nun wendet sich das Mädchen um. Wego nimmt den Hut ab.
Er sieht in zwei ruhige graue Augen. Das Gesicht ist klar. Die grauen Augen sind sehr groß, stehen weit auseinander und prüfen sorgfältig. Es hat eine kleine gerade Nase und einen roten Mund. Vielleicht sind ihre Lippen etwas zu voll, und vielleicht ist dieser Mund etwas zu breit.
Es lächelt. Es ist ein herbes Lächeln, und es verrät Selbstvertrauen. Aber sicherlich könnten die vollen Lippen auch den Ausdruck von Herbheit verlieren und weich und süß sein – vielleicht! Auf jeden Fall ist es jedoch ein Mädchen, das sich fest in der Hand hat und nicht zu jener leichten Sorte gehört, mit der die wilde Stadt angefüllt ist.
Ihr Blick verrät, dass es innerlich sehr stark und stolz sein muss und gewiss schon lange für sich selbst sorgt.
»Das ist Miss Jill Land«, sagt Mrs. Petters. »Ihren letzten Zimmernachbar habe ich rausgeworfen, weil er betrunken heimkam und Miss Jills Schlaf störte.«
Wego lächelt, und dabei schaut er immer noch in die ernsten und forschenden Augen des Mädchens hinein. »Ich werde nicht einmal husten oder gar schnarchen«, sagt er.
»So dünn sind die Wände nicht, Mister Flint«, erwidert es ruhig. »Mrs. Petters übertreibt immer. Wenn Sie ihr gefallen, wird sie Sie verwöhnen.«
»Ich werde schon verwöhnt«, sagt Wego lächelnd. »Mein Gedanke, nach Tombstone zu kommen, war prächtig.«
»Dieser Kuhtreiber trägt seinen Colt zu tief, als dass er mir richtig gefallen könnte«, knurrt Mrs. Petters so tief wie ein Mann. Und als sie von der Waffe spricht, richtet sich auch der Blick des Mädchens auf Wegos tief unter der Hüfte hängenden Colt.
Ihre Augen weiten sich etwas.
»Was ist das?«, fragt es schnell und deutet auf die kleine Silberplatte im Leder des Holsters, die die Form einer Glocke hat.
»Das ist das Brandzeichen meiner Ranch in Texas«, erwidert Wego langsam. »Was wundert Sie daran? Es gibt bestimmt mehr als hundert Männer in der Stadt, die irgendwelche Sterne, Kleeblätter oder andere Verzierungen im Leder ihrer Gürtel oder den Waffenholstern tragen. Haben Sie dieses Zeichen schon mal gesehen?«
»Ja«, murmelt Jill Land. »Jack Dale trug es. Und auch er besaß in Texas eine Ranch, die er mit einem Partner zusammen bewirtschaftete. Er war mit einer Rinderherde nach Tombstone gekommen.«
»Und dann wurde er hier ermordet«, murmelt Wego.
Jill Land bekommt noch größere Augen. Plötzlich wendet sie sich an Wego vorbei zur Treppe und hastet hinauf.
»Sie Narr!«, sagt sie von oben erstickt. »Sie Narr, warum sind Sie hergekommen? Um Jack zu rächen? Oh, es kann ihn niemand mehr lebendig machen!«
Und dann hastet sie weiter die Treppe hinauf. Eine Tür schlägt hart zu.
Wego sieht fest in Mrs. Petters Augen – fragend.
Die füllige Frau sieht ihn seltsam an. »Jack Dale wohnte hier«, murmelt sie dann. »Er war ein prächtiger Junge. Ich glaube, dass er sich in Jill Land verliebt hatte. Er blieb länger, als er anfangs wollte. Er wollte Jill Land erobern und mit nach Texas nehmen. Aber es ist kein Mädchen, das man in einer Woche erobern kann. Ich glaube, es hatte Jack Dale ganz gern. Aber nach Texas wäre es wohl nie mit ihm gegangen. Er aber versuchte es jeden Tag aufs Neue, bis man ihn dann in einer Gasse fand. Sie sind sein Freund und Partner, junger Mann?«
»Yeah«, sagt Wego und geht aus dem Haus. Ein seltsames Gefühl ist in ihm. Gewiss, er ist noch jung, aber er glaubt zu wissen, dass auf dieser Welt nichts zufällig ist, sondern alles schon in einem großen Buch aufgeschrieben ist, bevor es beginnt.
Wego Flint fand diese Pension, bekam ein Zimmer, begegnete einem schönen Mädchen und musste erfahren, dass sein Freund Jack Dale ebenfalls in dieser Pension gewohnt und sich in dieses Mädchen verliebt hatte.
Wego Flint glaubt nicht an Zufälle. Und deshalb ist er nun davon überzeugt, dass das Schicksal seinen Weg schon vorbestimmt hat.
Und er wird diesen Weg gehen, wird die Karten aufnehmen, die für ihn bestimmt sind, und bald seinen Einsatz machen.
Er macht sich auf die Suche nach Doc Holliday.
✰✰✰
Wego Flint steht etwa zehn Sekunden vor dem Tisch. Doc Holliday sagt dann, ohne den Kopf zu heben: »Cowboy, geh fort! Ich spiele heute nicht mit wilden Jungs und bin mir sogar selbst zu viel. Geh zum Teufel, Junge!«
Seine Stimme klingt heiser, und er riecht nach Whisky. Er trägt einen zerknitterten Prinz-Albert-Rock und eine perlgraue Weste. Sein Hemd jedoch ist so weiß wie frischer Schnee. In seiner Seidenkrawatte steckt eine große Perle.
Als Wego sich nicht bewegt, hebt er den Kopf und starrt ihn an.
Seine Augen liegen tief in dunklen Höhlen, und das Weiße darin ist gelblich und mit vielen roten Äderchen durchzogen.
Aber die Pupillen sind klein, schwarz und stechend. Das sind Augen, die oft den Tod gesehen haben und unter deren Blick schon so mancher wilde Junge zum ersten Mal im Leben spürte, was Furcht ist.
»He, Junge«, sagt er, »ich bin wirklich nicht in guter Laune.«
Wego Flint nickt. Dann greift er in seine Hemdtasche und holt ein zusammengefaltetes Papier hervor. Er legt es aufgefaltet vor Doc Holliday auf den Tisch.
»Jack Dale war mein Partner«, sagt er dabei.
Doc Holliday aber starrt auf die wenigen Zeilen, die auf diesem Papier von einer Männerhand geschrieben wurden. Er kennt diese Schrift. Es ist seine eigene Handschrift.
Er liest seine Worte nochmals:
Two Bell Ranch, Texas, Jersey County.
Jack Dale ist heute, am 15.4. in Tombstone tot und ausgeraubt in einer Gasse aufgefunden worden. Wartet nicht auf seine Heimkehr. Für die Beerdigung sorge ich.
DDS. J. E. Holliday
Als er es nochmals gelesen hat, knüllt er den Zettel zusammen und sieht Wego Flint lange an. Er betrachtet ihn Zoll für Zoll. Dann nickt er.
»Er war ein prächtiger Junge«, murmelt er dann. »Ich hielt ihn am Anfang für einen richtigen Glücksjungen, dem gar nichts schiefgehen kann. Setz dich, Tex!«
Das tut Wego. »Mein Name ist Wego Flint«, sagt er, und er blickt ruhig in die kleinen Pupillen, die ihn nochmals prüfen und beurteilen.
»Ich wusste nur, dass er von der Two Bell Ranch in Texas kam«, sagt der Doc.
»Ich bin sein Partner«, erwidert Wego ruhig.
»Es hat ihm nichts genützt, mein Junge.«
»Nein, er ist tot.«
»Der Weg von Texas herauf war weit, Junge.«
»Ich ritt allein und brauchte keine Herde zu treiben.«
»Richtig, Jack Dale brachte zweihundert Rinder nach Tombstone. Er hatte zwei Burschen bei sich, die er unterwegs verprügelt und denen er die Waffen abgenommen hatte, weil sie ihn sonst bestohlen hätten. Er war ein tüchtiger Junge, der eine Herde ans Ziel brachte. Er bekam zweitausendfünfhundert Dollar, aber er blieb zu lange in Tombstone. An diesem Tisch hier habe ich mit ihm siebzehn Stunden gespielt. Als er fertig war, ließ er sich einen Zuckersack bringen, um das Geld forttragen zu können. Er sagte, dass er zwar kein Glück in der Liebe, aber im Spiel hätte und dass er und sein Partner bald mächtige große Rancher sein würden. Er war ein prächtiger Junge.«
»Und dann gingen Sie mit ihm hinaus, Doc?«, murmelt Wego Flint sanft. Holliday betrachtet ihn einige Sekunden.
»Yeah«, sagt er, »ich ging mit ihm hinaus.«
»Und als er tot war, standen Sie mit einem rauchenden Colt neben ihm. Aber das Geld war fort.«
Wego sagt es pulvertrocken.
Wieder betrachtet ihn Holliday seltsam. Dann nickt er. »So war es«, sagt er sanft. »Bist du hergekommen, um das Geld zu bekommen?«
»Beides, seinen Mörder und das Geld! Zumindest meinen Anteil an den zweitausendfünfhundert Dollar, die er für die Herde bekam.«
Diesmal betrachtet Holliday den Jungen aus Texas länger als sonst. Dann nickt er, greift in die Innentasche seines Rockes und holt ein dickes Paket Geldscheine hervor. Er zählt tausendzweihundertfünfzig Dollar ab und blättert diese vor Wego auf den Tisch.
»Hier ist dein Anteil, Junge. Nimm ihn und reite nach Texas zurück.«
Wego starrt auf das Geld. Dann schüttelt er den Kopf.
»Ich will auch Jacks Mörder! Sie waren bei ihm, Doc! Und ich will jetzt hören, was in jener Gasse geschah. Und wenn Sie an Jack Dales Tod unschuldig sind, dann müssen Sie zumindest erzählen können, wie es geschah. Als die Leute in die Gasse kamen, standen Sie mit dem noch rauchenden Colt in der Hand neben Jack. Auf wen haben Sie geschossen, auf Jack oder auf seinen Mörder?«
Wego Flint hat sich vorher zu Holliday an den Tisch gesetzt. Bei seinen letzten Worten erhebt er sich schnell und gleitet einen Schritt zurück. Seine Linke hängt geöffnet hinter dem Colt.
Und nun ist er doch nichts anderes als ein wilder und ungestümer Junge aus Texas vom Pecos River. Und er sagt Doc Holliday Worte, die schon so mancher Mann mit dem Leben bezahlt hat. Aber Holliday bewegt sich nicht, blickt ihn nur an.
Dann sagt er milde: »Ich werde es dir nicht sagen, Junge. Nimm das Geld und reite nach Texas zurück, bevor du tot bist. Verschwinde! Aber ich kann dir mein Wort geben, dass ...«
»Ich pfeife auf Ihr Wort, Holliday! Sie bieten mir Geld an und sagen mir, ich solle verschwinden. He, wovor fürchten Sie sich eigentlich? Was ist Ihnen tausendzweihundertfünfzig Dollar wert, Mister? Oha, ich will jetzt wissen, was geschah, als Sie mit Jack auf die Straße gingen! Vorwärts, Holliday!«
Wego Flints Linke bewegt sich schnell. Sein Colt erscheint wie durch Zauberei in seiner Hand. Es ist jetzt das erste Mal, dass er in Tombstone und im Cochise County seine Waffe zieht.
Er wird dies in den nächsten Wochen noch sehr oft tun.
Und es gibt heute noch Leute in Tombstone, die steif und fest behaupten, dass dieser junge Cowboy aus Texas schneller mit dem Colt war als jeder andere Mann.
Aber dies ist ja nicht ganz so wichtig, obwohl es später doch einigen Burschen aus der wilden Horde Kummer bereitete und den Männern des Bundesgesetzes zu einer Chance verhalf.
Heute aber hat Wego Flint kein Glück mehr.
Als er den Colt auf Doc Holliday richtet und dabei ruft: »Vorwärts, Holliday!«, da fallen hinter ihm Stühle um. Füße scharren. Männer bringen sich aus der voraussichtlichen Schusslinie von Doc Hollidays Colt. Und eine Stimme ruft schrill: »Bei Gott, der Junge hat ihn wahrhaftig überrumpeln können!«
Dann wird es still.
Holliday sitzt ruhig am Tisch. Er lächelt bitter, und in seinem Blick ist für eine kurze Sekunde ein mitleidiger Ausdruck.
»Du dummer Junge aus Texas«, sagt er sanft und will dann nach dem noch halb gefüllten Whiskyglas greifen.