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Camp Joker bekam seinen Namen, weil sich irgendein Offizier im Planungsstab vorstellte, dass das Camp eines Tages eine Art Joker in einem strategischen Spiel werden könnte. Aber vorerst ist es ein armseliger Joker. Eigentlich ist ein Joker ja die Karte in einem Spiel, die für jede andere Karte eintreten kann. Die Besatzung von Camp Joker kann wahrscheinlich nicht einmal mehr für sich selbst eintreten. Dies wird dem Sergeant wieder einmal klar, als sie sich im Schein der Abendsonne dem Armeecamp nähern, das aus einigen Steinwällen, Corrals, Zelten, Hütten und einem Wagenpark von etwa einem Dutzend Bagagewagen besteht. Neben dem militärischen Camp entstand ein zweites Lager. Dort leben zwei oder drei Dutzend Zivilisten. Es ist ein mieses Camp, dies sieht man auf den ersten Blick. Aber der Major hat einfach nicht genug Leute. Er kann nicht ständig Patrouillen reiten und zugleich das Camp zu einem Fort ausbauen. Sergeant Trige Quint führt seine Abteilung vor die Kommandantur und lässt halten. Der Major tritt heraus, begleitet von seinem Schreiber. Der Sergeant meldet knapp. Nachdem der Major gedankt hat, sagt er fast sanft: »Lassen Sie absitzen und wegtreten, Sergeant. Und kommen Sie herein. Oder haben Sie außer der Vollzugsmeldung der ordentlichen Bestattung keine anderen wichtigen Meldungen?« »Sehr wichtige, Sir«, erwidert Trige Quint, und in Gedanken flucht er jetzt schon, weil er weiß, dass der Major den drei Frauen, die sich in der Gewalt der Apachen befinden, nicht wird helfen können ...
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Seitenzahl: 157
Veröffentlichungsjahr: 2025
Cover
Falken sterben stolz
Vorschau
Impressum
Falken sterben stolz
Camp Joker bekam seinen Namen, weil sich irgendein Offizier im Planungsstab vorstellte, dass das Camp eines Tages eine Art Joker in einem strategischen Spiel werden könnte. Aber vorerst ist es ein armseliger Joker. Eigentlich ist ein Joker ja die Karte in einem Spiel, die für jede andere Karte eintreten kann. Die Besatzung von Camp Joker kann wahrscheinlich nicht einmal mehr für sich selbst eintreten.
Dies wird dem Sergeant wieder einmal klar, als sie sich im Schein der Abendsonne dem Armeecamp nähern, das aus einigen Steinwällen, Corrals, Zelten, Hütten und einem Wagenpark von etwa einem Dutzend Bagagewagen besteht.
Neben dem militärischen Camp entstand ein zweites Lager. Dort leben zwei oder drei Dutzend Zivilisten. Es ist ein mieses Camp, dies sieht man auf den ersten Blick. Aber der Major hat einfach nicht genug Leute. Er kann nicht ständig Patrouillen reiten und zugleich das Camp zu einem Fort ausbauen.
Sergeant Trige Quint führt seine Abteilung vor die Kommandantur und lässt halten.
Der Major tritt heraus, begleitet von seinem Schreiber. Der Sergeant meldet knapp. Nachdem der Major gedankt hat, sagt er fast sanft: »Lassen Sie absitzen und wegtreten, Sergeant. Und kommen Sie herein. Oder haben Sie außer der Vollzugsmeldung der ordentlichen Bestattung keine anderen wichtigen Meldungen?«
»Sehr wichtige, Sir«, erwidert Trige Quint, und in Gedanken flucht er jetzt schon, weil er weiß, dass der Major den drei Frauen, die sich in der Gewalt der Apachen befinden, nicht wird helfen können ...
Er übergibt sein Pferd der Stallwache und betritt bald darauf die Kommandantur. Einen Moment verhält er im Vorzimmer neben dem Tisch des Schreibers.
»Was gibt es an Neuigkeiten?«
»Wir warten auf den Wagenzug und auf Verstärkungen. Wie war es denn unterwegs mit den Bewährungssoldaten?«
Der Sergeant winkt ab.
Er will schon gehen. Doch da sagt der Schreiber: »Drüben im Zivilistencamp sind ein paar böse Nummern, wahrscheinlich echte Goldwölfe, Revolvermänner. Sie waren hier, um die Landkarte abzuzeichnen. Sie interessieren sich vor allen Dingen für die Hellgate-Schlucht. Dort soll ein Goldgräbercamp sein. Man munkelt, dass in der Hellgate-Schlucht besonders viel Gold gefunden wird. Aber für weitere Claims und Minen ist kein Platz mehr. Dort hat niemand mehr Platz. Aber die Kerle versuchen es so oder so.«
Der Sergeant grinst bitter, als er dies hört.
»In der Hellgate-Schlucht lebt niemand mehr«, sagt er knapp. »Und wer dorthin reitet, den schlagen die Indianer tot. Hast du das den Kerlen nicht gesagt?«
Der Schreiber nickt.
»Die haben keine Angst«, sagt er. »Das sind Revolvermänner, und sie haben moderne Gewehre, Spencer-Karabiner. Die nehmen es mit zehnfacher Übermacht auf und kennen eine Menge gemeiner Tricks. Sergeant, diese Burschen sind Killer, einstige Guerillas aus dem Bürgerkrieg.«
Der Sergeant sagt nichts mehr. Er klopft an die Tür.
Der Major heißt George Taggert, und er ist klein und dicklich, wie es einst der große Napoleon war. Während des Bürgerkrieges war er Colonel auf Kriegszeit. Dann wurde auch er zwei Ränge zurückgestuft.
Das einzig Stolze an diesem Major ist sein Schnurrbart. Er trägt ihn wie Tamerlan, der ja nicht nur der letzte große Mongolenherrscher, sondern auch ein Reiterführer war und vielleicht in dieser Hinsicht das große Vorbild dieses Kavalleriemajors ist.
Der Sergeant darf bequem stehen, indes er genauen Bericht gibt.
Der Major stellt kaum Fragen. Er hockt in seinem Klappstuhl hinter dem Schreibtisch und starrt nur immer auf das Buch, in welches alles, was unter seinem Kommando geschieht, eingetragen werden muss – wie in das Logbuch eines Seeschiffes auf großer Fahrt.
Als der Sergeant fertig ist, hebt er müde den Kopf.
»Ich kann nichts für die Frauen tun«, sagt er müde. »Ich habe wegen dieser drei Frauen schon eine Doppelpatrouille verloren – vierundzwanzig Reiter, einen guten Sergeant und einen Offizier. Das werde ich verantworten müssen, und es wird meine Beförderung eines Tages unmöglich machen. Aber selbst wenn ich wollte, so könnte ich keinen einzigen Soldaten mehr abstellen. Ich kann jetzt nur noch eines tun, nämlich dieses Camp mit meinen schwachen Kräften halten, bis Verstärkung kommt. Mit dem Wagenzug kommen ganze siebzehn Mann, und sie alle sind Rekruten. Ich bräuchte siebzig Reiter und einige tüchtige Offiziere und Sergeants. Ich kann nichts für die Frauen tun. Und schon gar nicht kann ich auf den Wagenzug verzichten. Denn sonst müssten wir hier aufgeben. Der Wagenzug bringt uns notwendigste Dinge. Überdies überstiege ein solcher Tausch mit den Indianern meine Kompetenz. Nein, es geht nicht. Vergessen Sie die drei weißen Gefangenen der Indianer. Wir werden sicherlich bald andere Sorgen haben. Sie können abtreten, Sergeant. Sie haben nur diese Nacht bis zum Wecken dienstfrei. Ebenso Ihre Männer. Gab es unterwegs Schwierigkeiten mit den Bewährungssoldaten?«
»Nein, Sir«, erwidert der Sergeant, grüßt und geht hinaus.
Er nickt dem Schreiber nur kurz zu.
Als er ins Freie tritt, ist die Sonne verschwunden.
Das Rot am westlichen Himmel wirkt auf ihn wie ein Symbol für Blut, Feuer, Not und Tod. Der Himmel dort im Westen scheint zu verglühen.
Der Sergeant denkt an die drei Frauen. Als er sein Quartier erreicht, hält er inne. Aber er geht nicht hinein. So staubig und verschwitzt, wie er ist, geht er weiter zum Camp der Zivilisten. Denn er würde nicht schlafen können trotz seiner Müdigkeit. Das Bild der drei verlorenen Frauen wäre immerzu vor seinen Augen.
Er muss sich betrinken.
Der billige Handelswhisky, den man hier bekommt, ist zwar übelstes Zeug. Manchmal bekommt man Furcht, dass man davon taub oder blind werden könnte. Doch besseres Feuerwasser ist nicht zu haben.
Und der Sergeant hat eine Menge zu betäuben.
Ja, er muss sich erst die nötige Bettschwere verschaffen, bevor er es wagen kann, sich in seinem Quartier niederzulegen und die Augen zu schließen.
✰✰✰
Der Camp Joker Saloon ist ein denkbar primitiver Schuppen. Es gibt nur ein paar Holzbänke, und die Tische bestehen aus leeren Fässern, über die man ein paar Planken legte. Die Theke war früher ein Wagenboden, den man von Rädern und Aufbauten befreite.
Soldaten hocken da und dort, aber die Zivilisten sind zahlreicher. Denn die Soldaten von Major Taggerts Abteilung haben kaum noch Freizeit.
Trige Quint nickt dem Saloonwirt zu.
»Habt ihr den toten Hund im Fass schon gefunden?«, fragte er ihn, indes er ein Glas gefüllt bekommt. »Oder war es ein toter Coyote?«
Er leert das Glas mit drei langen Zügen. Als er es wieder hinstellt, ist sein Gesicht so starr wie eine Bronzemaske. Und fast alle Anwesenden, die noch nüchtern sind, beobachten ihn aufmerksam.
Aber er schüttelt sich nicht. Er zuckt auch nicht zusammen und legt auch nicht die Hand gegen den Magen. Nein, er steht nur steif da und erträgt alles wie ein Baum.
Es herrscht nun eine andächtige Stille – eine bewundernde Stille. In dieses schweigsame Staunen sagt nun ein Mann fast feierlich: »Habt ihr das gesehen, Jungs? Da steht der Mann mit dem Kupfermagen und der Kupferkehle! Seht ihn euch an, dieses Naturwunder! Der bekommt keinen Schüttelfrost. Der trinkt das Zeug mit Behagen. He, Sergeant, können wir das noch mal sehen? Ich bezahle den Drink. Können wir das noch mal sehen?«
Der Sergeant betrachtet den Sprecher eine Weile schweigend. Es ist ein mürrischer und fast drohender Blick, so, als würde ihm ein Streit gerade jetzt sehr willkommen sein.
Aber dann erinnert er sich an ein paar Dinge. Sein Hirn beginnt plötzlich zu arbeiten und sich mit ein paar Worten zu beschäftigen, die er vor mehr als vierundzwanzig Stunden etwa vierzig Meilen weiter nördlich gehört hat.
Die gelbhaarige und braunäugige Frau – Dora Lassiter war wohl ihr Name – hat diese Worte gesprochen.
Sie sind nun klar und scharf in seiner Erinnerung. Er wiederholt sie sich in Gedanken, indes er immer noch auf den Sprecher starrt.
»Ihr müsst uns schon herausholen«, hat die gelbhaarige Dora Lassiter gesagt. »Denn in der Hellgate-Schlucht ist eine Menge Gold versteckt. Wir kennen das Versteck, denn wir sind die einzigen Überlebenden. Wenn uns die Armee nicht herausholt, dann tut es gewiss ein Aufgebot der Bürgermiliz. Man muss diesem Aufgebot nur sagen, dass man durch uns zu einer Menge Gold kommen kann. Verstanden?«
Er muss daran denken, indes er den Sprecher ansieht.
Diesen Mann sah er noch nie, und dennoch weiß er, zu welcher Sorte dieser Bursche gehört. Ja, dieser da ist einer jener typischen, einstigen Guerillas aus dem Süden. Und er ist nicht allein. Er gehört zu einer Gruppe ähnlicher Burschen.
Er nickt dem Sprecher zu.
»Mann«, sagt er, »ich lasse mir nicht von jedem hergelaufenen Zivilisten aus dem Süden meine Drinks bezahlen. Aber wenn du mit mir um die Wette trinken möchtest, bis einer von uns umfällt, dann kannst du das haben. Und der Verlierer wird bezahlen. Na?«
Es ist eine Herausforderung, wie sie nur ein übel gelaunter Sergeant, der sich jetzt auch mit dem Teufel selbst anlegen würde, aussprechen kann. So sieht es jedenfalls aus für alle Zuschauer.
Aber der Südstaatenrebell nimmt sofort an.
»He«, sagt er, »pass gut auf dich auf, Pferdesoldat. Denn ich komme vom Brazos River in Texas. Und dort zieht man die kleinen Kinder mit Pumaspucke groß. Deshalb vertrage ich auch dieses Feuerwasser hier so gut. Fangen wir also gleich an, mein Guter. Bis jetzt konnte ich noch jeden Yankee von seinen Plattfüßen trinken.«
✰✰✰
Als er erwacht, geht es ihm gar nicht gut. Er muss sich immer wieder übergeben, bis auch dies nicht mehr geht. Er glaubt, dass er nicht nur all das Feuerwasser, sondern auch noch den Magen herausgewürgt hat.
Dies war gewiss nicht leicht für ihn, denn er liegt quer über einem Sattel, mit dem Oberkörper nach der einen und mit den Beinen nach der anderen Seite. In dieser Körperhaltung würden vielleicht auch nüchterne Männer Magen und Seele ausspucken.
Aber wie kann ein Sergeant der US-Kavallerie in diese Lage kommen?
Darüber beginnt er endlich nachzudenken, obwohl ihm der Kopf zu zerplatzen droht und es ihm so schlecht geht, wie er es zuvor niemals für möglich gehalten hätte.
Er stößt einen gurgelnden, böse klingenden Laut aus.
Da wird das Pferd, über dessen Sattel er liegt, auch schon angehalten. Andere Pferde sind auch noch dicht in der Nähe. Sättel knarren.
Eine Stimme sagt: »He, der Blaubauch ist jetzt wach, denke ich. Wollen wir ihn in den Sattel setzen, bevor er innen ganz hohl geworden ist?«
Einige Stimmen lachen durcheinander. Spöttische Worte klingen auf. Eine Stimme sagt zum Schluss: »Also, halten wir eine Weile, und lassen wir ihn etwas ausruhen. Der hat immerhin unseren guten Johnny von den Beinen getrunken – und das, obwohl er von einer Patrouille zurückkam und einen leeren Magen hatte. Dieser Sergeant der Blaubäuche ist ein harter Mann. Lassen wir ihn also zur Erde nieder, wenn er das selbst noch nicht bewerkstelligen kann.«
Aber er lässt sich nicht vom Pferd helfen. Er rutscht mit den Beinen zuerst hinunter, steht dann dicht beim Pferd und hält sich an diesem fest.
Allmählich geht es ihm etwas besser, und er beginnt zu begreifen.
Ja, er weiß, was er tat, indes sie sich betranken und dann und wann eine kleine Pause einlegten, damit das Feuerwasser sie nicht umbrachte.
Er hat diesen Kerlen von den drei Frauen erzählt, für die der Major nichts tun konnte. Er erzählte ihnen vom Gold im Hellgate Hole, wie die Schlucht auch genannt wird. Und er sagte ihnen, dass nur noch die drei Frauen das Versteck des Goldes kennen.
Ja, er gab den einstigen Guerillas aus dem Süden einen Köder, dem die goldgierigen Wölfe kaum widerstehen konnten. Und er tat es für die Frauen, denen er eine kleine und sicherlich sehr kümmerliche Chance verschaffen wollte. Er tat es aus seiner Hilflosigkeit heraus, die durch seine zunehmende Trunkenheit noch zu einem Gefühl der Schuld gesteigert wurde. Ja, er musste dies loswerden, denn er dachte immer wieder an die Worte der weizenhaarigen Dora Lassiter.
Aber dann geschah offenbar etwas, womit er nicht gerechnet hatte und nicht rechnen konnte. Diese einstigen Südstaatenguerillas nahmen ihn mit. Sie entführten ihn – jawohl.
Es war ja so leicht, ihn zu entführen.
Und der Major wird sein Verschwinden vielleicht als Desertion auslegen.
Es kommt immer wieder vor in diesem Land, dass einzelne Soldaten desertieren, auch Sergeants. Die Armee ist ein ziemlich mieser Verein. Alle, die hier Dienst tun, haben sich wegen irgendwelcher Dinge zu bewähren – es sei denn, sie wurden in diesem Land geboren oder kennen sich zumindest vorzüglich darin aus.
Er beginnt zu fluchen, als ihm dies alles in seinem schmerzenden Schädel klar wird.
Als er sich umwendet und sich mit den Schultern an das Pferd lehnt, sagt er voller Überzeugung: »Ihr seid die bösesten Hundesöhne, denen ich jemals begegnet bin.«
»Das stimmt sicherlich«, sagt einer der Reiter, die ihn und das Pferd bisher schweigsam umgaben. »Doch du hast uns erzählt, wo Gold zu holen ist. Und wir kennen uns nicht aus in diesem Land. Wir wüssten nicht, wo wir die drei Ladys finden könnten. Aber du weißt es, nicht wahr? Deshalb haben wir uns gedacht, dass es gut wäre, dich mitzunehmen. Das war doch ein prächtiger Gedanke, nicht wahr?«
Sergeant Trige Quint sagt eine Weile nichts. Aber am Sattelhorn des Pferdes, welches ihm noch Halt gibt, hängt eine Wasserflasche. Er nimmt sie, öffnet sie und trinkt einige Züge. Dann gießt er sich einen Teil des Inhalts über den Kopf und wischt sich die Nässe aus den Haaren über das Gesicht.
»Und dass ich von der Armee nun als Deserteur gesucht werde, dies interessiert euch sicherlich überhaupt nicht«, stellt er fest.
»Richtig«, sagt der Sprecher der Reiter nickend. »Uns interessiert nur das Gold. Verstehst du das, Sergeant? Uns interessiert das Gold so sehr, wie etwa Wölfe nach einem langen Blizzard an frischer Büffelleber interessiert sind. Und um dieses Gold zu bekommen, werden wir eine Menge tun – eine riesige Menge, wenn es sein muss. Du kennst uns noch nicht, Hombre. Wir sind nur ein halbes Dutzend. Doch glaube mir, wir nehmen es mit hundert Indianern auf. Glaube es wirklich. Wir hätten es auch mit dem Major und seinem lausigen Verein aufgenommen. Ja, wir hätten auch Camp Joker kleingemacht, wir sechs, wenn es sich gelohnt hätte. Hast du das endlich begriffen, Sergeant?«
»Ich habe begriffen, dass die Armee mich wegen euch an die Wand stellen wird, wenn sie mich erwischt.«
»Na gut, dann darfst du dich eben nicht erwischen lassen. Dann wäre es gut für dich, wenn du dich als unser Partner betrachten würdest. Denn dann geben wir dir einen fairen Anteil an der Beute. Und dann hast du ausgesorgt, Hombre. Oder ist der Goldschatz im Hellgate Hole nicht so groß?«
Trige Quint denkt wieder eine Weile nach. Zwischendurch trinkt er noch mal aus der Wasserflasche.
Wieder denkt er an die drei gefangenen Frauen. Und dann fragt er sich, ob die sechs einstigen Südstaatenguerillas schaffen können, was mehr als zwei Dutzend Soldaten nicht gelang.
Oh, er weiß schon, dass diese sechs Reiter gewiss sechs Teufel sind. Er kann es wittern. Diese Sorte hat es schon immer gegeben – und sie war von jeher hinter Gold und anderen Schätzen her. Ja, er spürt, dass sie gefährlich und mit den üblichen Maßstäben nicht zu messen sind. Die da sind Raubritter, die zu spät geboren wurden.
Er traut ihnen plötzlich eine Menge zu – jedenfalls mehr als einer Doppelpatrouille der Armee.
»Es muss eine Menge Gold in diesem Höllentorloch versteckt sein«, murmelt er. »Es gab dort einige Minen und einige Dutzend Claims. Und alle holten Gold heraus, alle. Wenn die auch nur einige Monate nichts fortschaffen konnten, dann muss es dort einige Zentner Gold geben, ja, mehr als für hunderttausend Dollar Gold.«
Er verstummt, und er ist erschrocken über sich selbst.
Nun hat er diesen Kerlen wieder einen Köder hingeworfen, einen Köder, den sie einfach nicht verschmähen können.
Sie schweigen eine Weile.
Dann sagt ihr Sprecher: »Na schön, dann führe uns zu den Frauen. Wenn wir sie befreit haben, werden sie uns gewiss sehr dankbar sein. Dann ist alles klar. Uns wirst du schon nach und nach kennenlernen. Du könntest dir mit deinem Brummschädel jetzt gewiss keine Namen merken. Kannst du reiten?«
»Und wenn ich nicht will?«
»Du hast die Wahl, unser Partner zu sein oder so kleingemacht zu werden, dass du nicht mehr weißt, ob du ein Mann oder ein Tanzbär auf einem Marktfest bist.«
Er knurrt wütend, als er dies hört.
»Ich würde euch gern nacheinander was aufs Maul schlagen«, sagt er. »Doch diese Chance gebt ihr mir wohl nicht?«
Sie lachen durcheinander. »Vielleicht später mal«, sagt ihr Sprecher. »Wir geben jedem Mann seine Chance – jedem. Mein Name ist Basset, Sam Basset. Du kannst mich ja als ersten Mann vormerken für deinen Spaß. Aber jetzt reiten wir!«
Als der Tag kommt, geht es ihm etwas besser, denn er hat nun eine Menge von diesem Feuerwasser ausgeschwitzt beim Reiten.
Er übernimmt die Führung, und es ist, als ritte er mit einer Patrouille durch das Land, die er möglichst nahe und völlig unbemerkt an die Indianer heranführen will.
Doch er hat nur eine schwache Hoffnung, dass ihm dies gelingt. Denn Dakota Horse hat gewiss einige Späher in der Nähe vom Camp Joker. Es war ja auch ausgemacht, dass der Major eine weiße Flagge hissen sollte bei der Annahme der Tauschbedingungen, die lauten: Frauen gegen Wagenzug.
Nein, er kann eigentlich nicht hoffen, dass sie unbemerkt in die Nähe von Dakota Horse und dessen Kriegshorde kommen. Dennoch versucht er es, denn er weiß, dass in diesem Land manchmal Dinge möglich sind, die man zuvor für nicht möglich hielt, dass manchmal Zufälle und die Launen des Schicksals eine große Rolle spielen.
Überdies ist er müde. Der billige Fusel hat ihn krank gemacht.
Aber auch jener Mann, mit dem er um die Wette trank, ist ihm für eine längere Rast dankbar. Denn als er anhält und sich im Sattel wendet, sagt dieser Mann: »Richtig, Sergeant. Jetzt machen wir Pause, nicht wahr?«
Der Sergeant nickt. »Die Chance, dass uns die Indianer noch nicht bemerkt haben, steht zehn zu eins gegen uns. Aber ich möchte die schwache Chance dennoch nicht aus der Hand geben. Rasten wir also.«
Er sitzt ab und kümmert sich um sein Pferd. Es ist kein Armeepferd, welches sie ihm gaben. Wenn sie es nicht gestohlen haben, war es eines ihrer Reservepferde. Sie haben ohnehin noch drei Packpferde bei sich, und es sind Tiere, die gewiss auch als Sattelpferde brauchbar sind und ihren Reittieren in nichts nachstehen.
Im Sattelfutteral steckt ein Spencer-Karabiner, mit dem man sieben Kugeln abfeuern kann, bevor man wieder laden muss. Sie ließen ihm auch seinen Remington Dragoon. Es ist eine Waffe mit geschlossenem Rahmen, der stärkere Pulverladungen erlaubt. Das Kaliber beträgt vierundvierzig. Es ist eine gute Waffe. Er kann damit umgehen wie ein Revolvermann, und dies erwartet von einem Armeesergeant kaum jemand.
Als er sein Pferd versorgt hat, legt er sich im Schatten eines Baumes hin. Ja, es tut gut, so zu liegen. Es ist noch eine Menge Gift von diesem bösen Fusel in seinem Körper.
Indes er so entspannt liegt, betrachtet er seine sechs Partner bei Tageslicht.