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Es war eine miese Bande, die sich in Creek Knee versammelt hatte. Einer von diesen Pilgern war ich. Das ergab sich so, denn ich hatte in den letzten Wochen Pech gehabt. Den ganzen vergangenen Tag und die Nacht feierten wir eine Fiesta, weil einige von uns in einem Schuppen am Rand der Siedlung ein paar Kannen Schnaps gebrannt hatten. Und der Jungstier, den wir uns besorgten und über einem großen Feuer stundenlang am Spieß drehten, war bald knusprig. Und dann fraßen und soffen wir, bis wir fast platzten. Ja, wir waren eine miese Bande. Vor einigen Tagen kannten wir uns noch gar nicht. Dass wir uns hier zusammenfanden, war gewiss eine Laune des Zufalls. Es lag wahrscheinlich auch an Creek Knee, denn es war die letzte Stadt vor der Mexiko-Grenze. Und hier gab es auch die einzige Furt durch den Creek, der sich überall sonst tief in die rote Erde eingefressen hatte. Als mich jemand an der Schulter rüttelte und ich endlich die Augen aufbekam, da spürte ich nicht nur meinen Brummschädel, sondern sah auch Pacos Gesicht über mir. Und Tortilla Pacos Gesicht war kein freundlicher Anblick. »Schlimm genug, dass du mich weckst«, maulte ich. »Aber dass ich auch noch dein dämliches Grinsen sehen muss! Geh weg! Geh weg mit deinem Gesicht, Paco!« Doch er ließ sich nicht vertreiben, sondern sagte zu mir nieder: »Sieh dir dieses Weib an! Sieh dir diese Muchacha an, Amigo!«
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Seitenzahl: 155
Veröffentlichungsjahr: 2025
Cover
Colts für Linda
Vorschau
Impressum
Colts für Linda
Es war eine miese Bande, die sich in Creek Knee versammelt hatte. Einer von diesen Pilgern war ich. Das ergab sich so, denn ich hatte in den letzten Wochen Pech gehabt.
Den ganzen vergangenen Tag und die Nacht feierten wir eine Fiesta, weil einige von uns in einem Schuppen am Rand der Siedlung ein paar Kannen Schnaps gebrannt hatten. Und der Jungstier, den wir uns besorgten und über einem großen Feuer stundenlang am Spieß drehten, war bald knusprig. Und dann fraßen und soffen wir, bis wir fast platzten. Ja, wir waren eine miese Bande.
Vor einigen Tagen kannten wir uns noch gar nicht.
Dass wir uns hier zusammenfanden, war gewiss eine Laune des Zufalls. Es lag wahrscheinlich auch an Creek Knee, denn es war die letzte Stadt vor der Mexiko-Grenze. Und hier gab es auch die einzige Furt durch den Creek, der sich überall sonst tief in die rote Erde eingefressen hatte.
Als mich jemand an der Schulter rüttelte und ich endlich die Augen aufbekam, da spürte ich nicht nur meinen Brummschädel, sondern sah auch Pacos Gesicht über mir. Und Tortilla Pacos Gesicht war kein freundlicher Anblick.
»Schlimm genug, dass du mich weckst«, maulte ich. »Aber dass ich auch noch dein dämliches Grinsen sehen muss! Geh weg! Geh weg mit deinem Gesicht, Paco!«
Doch er ließ sich nicht vertreiben, sondern sagte zu mir nieder: »Sieh dir dieses Weib an! Sieh dir diese Muchacha an, Amigo!«
In seiner Stimme war etwas, und es machte mich richtig wach.
Die Frau ritt auf einem erstklassigen Pferd. Es war ein Dreihundert-Dollar-Gaul. Und sie saß im Sattel wie ein Mann, trug Hosen und einen Colt.
Ihr Haar war halb unter einem roten Kopftuch verborgen, das jedoch die Fülle nicht halten oder bändigen konnte. Es war rabenschwarzes Haar, das in der Sonne glänzte. Aber ihre Augen waren von einem leuchtenden Blau.
Man glaubte auf den ersten Blick gar nicht, dass sie aus Fleisch und Blut war, sondern hielt sie für einen Geist, der aus den Wunschvorstellungen einsamer Nächte entstand. Aber beim zweiten Blick begriff man dann doch, dass alles seine Richtigkeit hatte.
Ich erhob mich langsam, staunte dabei. Draußen vor dem Schuppen und auch hier drinnen rechts und links neben mir, da erhoben sich die anderen Hombres.
Denn solch ein Weib hatte mancher noch nie in seinem Leben und die meisten von uns schon seit Jahren nicht mehr gesehen.
Sie war schon ein Staunen wert.
Oha, was saß sie geschmeidig im Sattel – und wie gelassen wirkte sie, indes sie uns alle der Reihe nach ansah, fest, prüfend, mit einem Blick, der uns sagte, dass sie unter Männern aufgewachsen war und sich auch unter Männern behaupten konnte.
Einer von uns – es war Yuma Jack – zog seinen alten Hut wie ein spanischer Grande und machte dabei einen richtigen Kratzfuß, wie man ihn vollendeter nicht ausführen konnte.
Dabei sagte er: »Wir sind entzückt, Ma'am! Und nur unsere gute Erziehung hindert uns daran, Jubelrufe auszustoßen! Womit verdienen unsere Augen diese Wonne?«
Sie lächelte mitleidig, und sie machte sich nicht einmal die Mühe, ihm und uns zu erklären, dass sie diese Art von Reden gewöhnt sei und sie ihr zum Hals heraushingen.
Nein, sie beantwortete seine Frage sehr präzise.
»Weil ich ein paar Revolver brauche«, sagte sie schlicht. »Deshalb kam ich her. Man sagte mir, dass hier immer einige Revolverschwinger herumlungern würden. Ich will ein paar Revolver mieten.«
Da staunten wir. Denn sie sprach von Revolvern, nicht von Männern, Reitern oder Kämpfern, die sie mieten wollte.
War das vielleicht schon eine Beleidigung für uns? Hielt sie so wenig von Männern? Kam es ihr nur allein auf deren Colts an?
»Ich zahle drei Dollar pro Tag für jeden Colt«, hörte ich sie sagen. »Natürlich gibt es freie Verpflegung – und am Schluss vielleicht eine Prämie. Hat jemand Interesse?«
Heiliger Rauch! Wir alle waren so abgebrannt, dass wir schon für einen einzigen Dollar eine Menge getan hätten. Denn für einen einzigen Dollar gab es in einem mexikanischen Dorf unheimlich viel. Da konnte man essen, trinken und bekam auch noch ein Mädchen.
Für einen einzigen Dollar!
Und wir waren hungrige Lobos – hungrig nach allen Dingen des Lebens.
Die meisten von uns waren erst vor wenigen Monaten aus den Kriegsgefangenenlagern der Unionstruppen entlassen worden. Oder sie waren als Guerillas geritten und wurden immer noch gesucht.
Die Schöne da aber wollte uns drei Dollar pro Tag zahlen.
Bevor einige von uns zu jubeln begannen, erinnerten sie sich daran, dass dieses Geld nicht für uns, sondern für unsere Colts geboten wurde.
Wir sollten also damit schießen. Wir sollten kämpfen.
Gegen wen?
Und da wurden wir vorsichtig. Denn wir hatten in den vergangenen Jahren schon zu viel und zu oft gekämpft.
Jemand sagte: »Vielleicht erklären Sie es uns noch etwas genauer, Ma'am, ja?«
Sie sah uns wieder an. Mann für Mann – auch mich. Es schien mir, als sähe sie mich genauer an, und ich glaubte, in ihren Augen einen leichten Ausdruck von Überraschung erkennen zu können. Aber sie konnte mich bestimmt nicht kennen. Mir war sie völlig unbekannt. Solch eine Frau konnte man auch in zehn Jahren nicht vergessen.
Sie deutete in die Ferne, wo in der fast gleichmäßigen, sägeblattähnlichen Kette der Berge ein tiefer Einschnitt war.
»Ich habe eine große Herde dort«, sagte sie. »Eigentlich sind es drei Herden. Schafe! Zehntausend Schafe, und es werden jeden Tag und jede Nacht mehr. Ich muss über den Pass. Ein paar Narren wollen mich aufhalten. Wenn sie euch sehen, werden sie den Pass freigeben. Also?«
Nun wussten wir Bescheid.
Das war es also.
Aber wir brauchten nicht länger nachzudenken.
Denn für drei Dollar pro Tag musste man wohl auch bereit sein, etwas zu riskieren. Und vielleicht würde es wirklich nur genügen, mitzureiten und den Colt zu zeigen.
Dass es so sein würde, darauf hofften wohl die meisten von uns.
Dann waren all die Dollars leicht verdientes Geld.
»Dürfen wir wissen, für wen wir reiten, Ma'am?« So fragte einer von uns höflich.
»Ich bin Linda Conway«, sagte sie und wandte ihr Pferd, um zurück in den Ort zu reiten, durch den sie zur Furt gekommen war.
Aber wir waren noch nicht fertig.
»Miss oder Mrs. Conway?« So fragte einer.
Sie hielt wieder an. »Ich bin Witwe«, sagte sie.
Und wir waren immer noch nicht fertig. Denn Tortilla Paco meldete sich mit den Worten: »Mrs. Conway, könnten wir einen Vorschuss bekommen? Wissen Sie, einigen dieser Gentlemen ist die Munition ausgegangen. Und Sie wollen doch geladene Colts mieten, nicht wahr?«
Sie nickte. »Ich will selbst im Store einige Einkäufe machen«, sagte sie mit einem etwas boshaften Spott. »Ja, ich kaufe euch Munition. Und hoffentlich seid ihr auch alle das Pulver wert und die drei Dollar pro Tag.«
Wir beeilten uns, ihr zu folgen.
Denn für jeden von uns war sie ein Rettungsengel, so abgebrannt waren wir alle. Noch ein oder zwei Tage, dann wären wir Banditen geworden. Wir hätten Creek Knee ausgeplündert und wären dann hinüber nach Mexiko geritten.
Das wussten auch die Bürger von Creek Knee.
Diese Linda Conway hatte auch den Ort gerettet.
Dabei wollte sie für drei Dollar das Stück nur möglichst viele Colts mieten.
✰✰✰
Es war ein weiter Weg bis zu den Schafherden.
Linda Conway machte diesen Weg zum zweiten Mal. Denn sie war ja von den Herden zu uns gekommen. Und wenn die Herden auch den ganzen Tag gewandert waren, so konnte es sich höchstens um fünf oder sechs Meilen handeln. Und das war schon viel für Schafherden.
Aber Linda Conway war als Reiterin so gut wie ihr erstklassiges Pferd. Es war ihnen keine Müdigkeit anzumerken.
Wir ritten an diesem Tag mehr als zwanzig Meilen, und wir schwitzten dabei den Schnaps aus, den wir zuvor bei unserem Fest in uns hineingekippt hatten.
Übrigens – mein Name ist Moinahan, Ben Moinahan, und es wird wohl endlich Zeit, dass ich ihn nenne, nicht wahr?
Die Herden lagerten in der Abenddämmerung. Feuer wurde angezündet. Die Hirten waren mexikanischer Abstammung oder gar reinblütige Indianer. Sie gingen zu Fuß und trugen lange Stangen, an deren Ende ein großer Löffel war. Mit diesem Löffel nahmen sie vom Boden Steinchen auf, die sie mithilfe der langen Stangen sehr weit werfen konnten, weiter als mit der Hand. Sie trafen damit so genau wie mit Steinschleudern.
Die Hirten führten auch zweirädrige Wagen mit. Die Räder waren sehr groß. Sie reichten einem mittelgroßen Mann bis unter das Kinn.
Und natürlich gab es Hunde, die auf jeden Pfiff gehorchten.
Ich sah das alles, indes wir heranritten.
Noch niemals hatte ich etwas mit Schafen zu tun gehabt. In mir war das Vorurteil von Reitern und Rinderleuten.
Cowboys waren Reiter.
Schafhirten gingen zu Fuß durch den Staub.
Und das war schon der große Unterschied.
Wer im Sattel saß, war ein Nachkomme der stolzen Caballeros, der Kavaliere, und der Colt ersetzte den Degen. Jawohl, so fühlte man sich.
Aber die Sklaven, die Diener, die Minderen, die gingen stets zu Fuß durch den Staub. Das war seit der Landung der Spanier so.
Ich mochte Schafe auch aus anderen Gründen nicht.
Sie waren dumm und hilflos. Schafe beanspruchten fortwährend den Schutz und die Hilfe ihrer Hirten und deren Hunde.
Longhorn-Rinder und Pferde aber konnten gegen Pumas und Wölfe kämpfen. Sie waren nicht hilflos.
Ich fragte mich, warum diese Linda Conway eine Schafzüchterin war. Ihr hätte ich etwas anderes zugetraut.
✰✰✰
Wir brauchten fast drei Stunden bis zur Wasserscheide hinauf. Und hier erwarteten uns die Revolvermänner der Rancher.
Die Sache war einfach und klar.
Die Schafe wollten über den Pass auf eine neue Weide. Und das wollten die Rinderzüchter verhindern.
Es war die alte Geschichte. Kein Rinderzüchter ließ Schafe über seine Weide ziehen.
Linda Conway hielt an.
Wir sammelten uns hinter ihr. Wir waren siebzehn Mann.
Und dort drüben auf der anderen Seite waren nicht weniger Reiter. Auch sie hielten hinter ihrem Anführer.
Der war ein schon graubärtiger, falkengesichtiger Bursche, der auf seinem Gaul hockte wie ein Falke auf einer Bergspitze.
Nach einer Weile kam er herübergeritten.
Dieser alte Knabe war hart, das sahen wir sogleich. Und er war ein Cattleking. Wir alle kannten diese Art von Burschen.
Er hob die Hand und deutete auf uns.
Dann sagte er trocken: »Jungs, ihr zieht besser die Nasen eurer Gäule herum und reitet wieder hinunter nach Süden. Denn hier wird nicht geblufft. Hier wird gekämpft. Überlegt euch, ob es sich für euch lohnt, für ein paar Dollars zu sterben.«
Es blieb eine Weile still. Dann fragte einer von uns: »Mister, lohnt es sich denn für euch?«
Da grinste der Alte und wirkte wie ein Nussknacker, der auch Steine zerbeißen konnte.
»Oh, das will ich euch Jungs genau erklären«, sagte er. »Denn ich weiß ja, wie es um euch steht. Ihr wolltet euch ein paar Dollars verdienen und glaubt, es genügte, wenn ihr euch in eurer ganzen Schönheit mit euren Colts zeigt. Aber es genügt nicht. Hier wird nicht geblufft. Die Jungs dort hinter mir ...« Er unterbrach sich und deutete mit seinem Daumen über die Schulter hinweg auf die Reiter hinter sich. »... sind keine für ein paar Dollars angeworbenen Satteltramps. Die kämpfen für etwas, was sie mit aufgebaut und geschaffen haben. Für die Jungs dort hinter mir ist dies die Heimatweide. Könnt ihr mich genau verstehen? Begreift ihr, in was ihr hineinreiten würdet?«
Er fragte es sehr eindringlich, so als wäre er ein guter Vater und Onkel und machte sich Sorgen um unser Wohlergehen.
Aber ich glaubte, dass er ein eisenharter, erfahrener Bursche war, der alle Register zog. Und weil er schon so alt und erfahren war, redete er so geduldig. Denn er hatte längst herausgefunden, dass man mit Worten oftmals mehr ausrichten konnte als mit heißem Blei.
Ich sah nach rechts und links, und ich konnte erkennen, dass seine Worte wahrhaftig wirkten.
Nicht wenigen von uns war jetzt schon der Mut vergangen. Sie hatten schnell begriffen, dass hier wirklich nicht geblufft wurde und sie sich die drei Dollar pro Tag schwer verdienen müssten – zu schwer. Einige dieser Strolche zogen ihre Pferde schon sachte zurück, um nicht ganz vorne in der ersten Reihe sein zu müssen.
Linda Conway aber, die uns angeworben hatte und dabei vielleicht nur hoffte, dass es genügen würde, Stärke zu zeigen, wandte sich im Sattel um.
Sie sah uns an – Mann für Mann, auch mich. Ihr Blick war forschend und verächtlich zugleich. Dieser Blick war eine Herausforderung für mich.
Man sah Linda Conway zu deutlich an, dass sie nicht mehr viel von uns erwartete. Denn wahrscheinlich konnte sie unschwer erkennen, dass den meisten dieser angeworbenen Tramps der Körperteil, auf dem sie saßen, längst schon auf Grundeis ging.
Ich drängte mein Pferd etwas vor, sodass ich neben Linda Conway verhielt und ich sie mit der Hand hätte berühren können. Ich wollte ihr ein paar Worte sagen und ihr den Rat geben, aufzuhören mit dieser Sache, weil sie verloren hatte. Denn unser Rudel würde nicht kämpfen. Diese Strolche suchten nur noch nach der Chance, abhauen zu können, ohne sich zu sehr schämen zu müssen.
Doch links von ihr hatte sich ebenfalls ein Reiter vorgedrängt, so wie ich auf ihrer rechten Seite, ein fast weißblonder Bursche mit blitzenden Augen, der sich nun an Linda Conway wandte, bevor ich die richtigen Worte fand.
Ich hörte ihn sagen: »Zum Teufel, Mrs. Conway, wenn Sie den Befehl geben, dann putze ich diesen alten Schwätzer mit der ersten Kugel vom Gaul. Und dann werden Sie sehen, dass seine Reiter ohne ihn weniger wert sind als wir. Na?«
Er sah sie mit seinen blitzenden Blauaugen an, und er war einer von diesen Narren, die eine Weile lang durchkommen. Denn sie haben einfach nur Glück. Das Schicksal erlaubt sich manchmal solche Späße. Aber diese Narren begreifen nicht, dass sie einfach nur Glück hatten, nichts als Glück. Sie sehen es anders. Sie halten sich für groß und unbesiegbar.
Und solch ein Bursche war dieser da auf Lindas anderer Seite.
Sie sah ihn an.
Dann wandte sie den Kopf zu mir herum und zeigte mir ihr Gesicht. Ich spürte ihren forschenden Blick – und plötzlich wusste ich, dass sie auf meinen Rat eine Menge geben würde.
Wir hatten noch kein Wort miteinander gesprochen. Auch jetzt war das nicht nötig. Denn ich schüttelte nur den Kopf.
Sie begriff, was ich ihr riet. Sie las es in meinen Augen.
Und so beachtete sie diesen Wild Boy zu ihrer Linken gar nicht mehr. Sie wandte sich noch weiter im Sattel um und blickte zurück.
Und da sah sie, wie unsere miese Bande schon halb auf dem Rückweg war und dass nur noch wenige mit einem letzten Rest von Stolz bei ihr aushielten.
»Haut ab«, sagte sie laut. »Es war mein Fehler, mit einem Rudel von Sattelstrolchen hierher zu reiten. Haut ab!«
Sie murrten und knurrten.
Jemand sagte: »Und unser Reitgeld? Sind wir denn einen ganzen Tag umsonst geritten?«
Da griff sie in die Tasche ihrer kurzen Jacke, holte eine Handvoll Münzen hervor und warf sie in die Luft.
Die Kerle aber balgten sich bald darum.
Wir sahen nicht mehr hin.
Wir sahen den alten Falken an, der dies alles ebenso beobachtete wie wir. Sein Mund war verächtlich verzogen.
Ich schämte mich für uns alle. Ja, mein Stolz war verletzt, denn ich gehörte zu einer miesen Bande von Strolchen. Ich wurde jetzt mit ihnen über einen Kamm geschoren. Der andere Bursche neben Linda – jener, der kämpfen und mit der ersten Kugel den Alten aus dem Sattel holen wollte – fluchte erstickt. Ihm ging es noch viel schlimmer als mir. Er erstickte fast an der Schmach.
Der Alte uns gegenüber aber öffnete nun wieder seinen schmallippigen, harten und so entschlossen wirkenden Mund.
»Nun gut«, sagte er, »das wär's wohl, Linda Conway, nicht wahr?«
Dann wandte er sein Pferd und ritt zurück.
Hinter uns hatten die Strolche inzwischen die Balgerei um die Münzen beendet. Sie alle saßen auf und ritten davon. Sie fluchten noch und riefen durcheinander.
Ich sah mich gar nicht mehr um. Denn ich wusste, sie alle waren weg bis auf Linda Conway, den blonden Wild-Boy und mich.
✰✰✰
Linda Conway sah uns an. Wir zwei waren bei ihr geblieben.
»Und warum habt ihr euch mit den anderen nicht um die paar Dollars gebalgt, warum seid ihr nicht auch fortgeritten?«
Ich grinste nur und wollte gar nichts auf diese Frage sagen. Doch sie wollte eine Antwort haben. Diesmal wollte sie meine Stimme hören und begnügte sich nicht mit einer wortlosen Verständigung.
»Nun, Ma'am«, sagte ich. »Keine Sache ist so verfahren, als dass es nicht doch noch andere Möglichkeiten gäbe, wenn die eine sich als undurchführbar erweist.«
Ich sagte es ganz ruhig und bescheiden.
Aber der andere Bursche lachte und sagte dabei: »Wenn ich den alten Uhu vom Pferd geschossen hätte, wäre die ganze Sache schon erledigt. Es kommt immer auf die erste Kugel an – immer!«
Wir hatten inzwischen unsere Pferde zueinander gewandt.
»Wer bist du denn, Freund?«, fragte ich den Wild Boy.
»Ich bin Johnny Laredo«, sagte er stolz, als würde die ganze Welt seinen Namen kennen, und als müsste jetzt gleich ein gewaltiger Beifall losbrechen, wie in einem Zirkus, wenn ein besonders berühmter Artist vorgestellt wird.
Aber ich hatte noch nie etwas von einem Johnny Laredo gehört.
»Und wer bist du, Bruder?«, fragte er nun. Ich sah Linda Conway an, als ich meinen Namen nannte.
»Ich bin Ben Moinahan«, sagte ich.
Linda Conway sagte plötzlich herb: »Meine Schafe kommen bis heute Abend herauf und füllen den Pass. Sie können nicht umkehren, denn hinter ihnen gibt es keine Weide und auch kein Wasser mehr. Wir müssen über den Pass. Ich will nach Two Dance reiten. Zum Sheriff. Wollt ihr mich begleiten?«
Wir nickten.
»Sie werden meinen Colt schon noch brauchen, Mrs. Linda Conway«, sagte Johnny Laredo selbstbewusst. Er wirkte völlig furchtlos, und das war das Schlimme an ihm. Ihm fehlte etwas, und es fehlte ihm so sehr, dass er sich dieses Mangels gar nicht bewusst war.
Solche Burschen sind immer gefährlich. Mir passte es nicht, dass er außer mir noch bei Linda Conway geblieben war.
Aber warum war ich bei ihr geblieben? Wegen der paar Dollars, die ich verdienen konnte? Oder weil sie so schön war, so stolz und selbstbewusst?
Ich konnte mir keine rechte Antwort geben.
Wir ritten weiter, und wir kamen nach hundert Yards zur Wasserscheide, wo die Reiter der Rinderleute ihre Sperre aufgebaut hatten.
Der Alte war immer noch da. Er saß auf einem Stein und schnitzte an einem Stück Holz. Ich sah, dass er ein kleines Kunstwerk herstellte. Was er da schnitzte, war ein kleiner Kopf, wie ihn die Puppenspieler benötigten.
Seine Leute hielten uns an.
Linda rief laut hinüber: »Wade McGillen, ich will mit meinen Begleitern nach Two Dance. Sagen Sie Ihren Männern, dass sie uns den Weg freigeben sollen!«