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»Eine bessere Chance, Victorio zu schlagen, bekommen Sie so schnell nicht wieder. Er ist mit all seinen Kriegern bei meiner Familie versammelt. Und meine vier Jungs können kämpfen. Die lassen keinen Apachen an meine Frau und die Tochter heran. Dunaway, helfen Sie uns! Ich gebe Ihnen mein Wort, dass jeder McKee seine Schulden mit Zinsen zurückzahlen wird - jeder, der am Leben bleibt. Ist das ein faires Angebot?« Jacob Dunaway tritt langsam an Allan McKee heran und sieht ihm fest in die Augen. »Sie geben mir das Wort der McKees?«, fragt er, und in seiner Stimme ist ein Lauern. Allan McKee nickt. »Ja, das Wort der McKees«, sagt er. »Jeder von uns männlichen McKees wird Ihnen einen Dienst erweisen, den Sie bestimmen können. Und sollten die McKees vorzeitig sterben, so werden die Überlebenden den Dienst der Toten nicht schuldig bleiben. Fünf Dienste sind wir Ihnen schuldig, Dunaway, wenn Sie uns helfen. Und überdies können wir Victorio schlagen. Dann brauchen auch Sie sich nicht länger dessen Gunst zu erkaufen.« Sie sehen sich nach diesen Worten noch einige Atemzüge lang an. Dann murmelt Jacob Dunaway: »Ich habe Ihr Wort, McKee. Das Wort der McKees. Und wenn ihr es nicht halten solltet, wenn ich es von euch fordere, dann seid ihr ehrlos und verloren.« Er wendet sich zur Seite und geht an McKee vorbei. Seine Stimme tönt über den Platz. »Tab! Jeff! Bringt die Jungs in die Sättel! Ich will die ganze Mannschaft! Wir reiten in wenigen Minuten!«
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Seitenzahl: 151
Veröffentlichungsjahr: 2025
Cover
Das Wort der McKees
Vorschau
Impressum
Das Wort der McKees
»Eine bessere Chance, Victorio zu schlagen, bekommen Sie so schnell nicht wieder. Er ist mit all seinen Kriegern bei meiner Familie versammelt. Und meine vier Jungs können kämpfen. Die lassen keinen Apachen an meine Frau und die Tochter heran. Dunaway, helfen Sie uns! Ich gebe Ihnen mein Wort, dass jeder McKee seine Schulden mit Zinsen zurückzahlen wird – jeder, der am Leben bleibt. Ist das ein faires Angebot?«
Jacob Dunaway tritt langsam an Allan McKee heran und sieht ihm fest in die Augen. »Sie geben mir das Wort der McKees?«, fragt er, und in seiner Stimme ist ein Lauern.
Allan McKee nickt. »Ja, das Wort der McKees«, sagt er. »Jeder von uns männlichen McKees wird Ihnen einen Dienst erweisen, den Sie bestimmen können. Und sollten die McKees vorzeitig sterben, so werden die Überlebenden den Dienst der Toten nicht schuldig bleiben. Fünf Dienste sind wir Ihnen schuldig, Dunaway, wenn Sie uns helfen. Und überdies können wir Victorio schlagen. Dann brauchen auch Sie sich nicht länger dessen Gunst zu erkaufen.«
Sie sehen sich nach diesen Worten noch einige Atemzüge lang an. Dann murmelt Jacob Dunaway: »Ich habe Ihr Wort, McKee. Das Wort der McKees. Und wenn ihr es nicht halten solltet, wenn ich es von euch fordere, dann seid ihr ehrlos und verloren.«
Er wendet sich zur Seite und geht an McKee vorbei. Seine Stimme tönt über den Platz. »Tab! Jeff! Bringt die Jungs in die Sättel! Ich will die ganze Mannschaft! Wir reiten in wenigen Minuten!«
Sie müssen weiter als dreißig Meilen reiten, denn unter Nachbarschaft versteht man in diesem Land zwei bis drei Tagesritte.
Der Krieg der Südstaaten gegen die Union hat noch nicht begonnen. Das Arizona-Territorium bis hinüber nach Sonora, dessen Grenze nur auf ungenauen Landkarten festgelegt ist, gehört noch fast völlig den Apachen.
Sie erreichen den Platz, wo die McKees ihre Ranch gründen wollten.
Sie wittern den Rauch. Und sie hören die vereinzelt krachenden Schüsse. Es wird also noch gekämpft.
Das sagt ihnen, dass die McKees den Apachen immer noch standhalten. Sie kommen nicht zu spät.
Die Sonne steht hinter ihnen tief im Westen. So preschen sie in den mächtigen Canyon, der wie ein langes Tal mit natürlichen Grenzen ist.
Die Apachen nehmen die Reiter zu spät wahr.
Und sie haben gewiss auch nicht damit gerechnet, dass Dunaway, der sich mit Geschenken und Abgaben Duldung und Frieden erkaufte, sie mit seinen Reitern angreift.
Doch Dunaway kommt. Er will austragen, was er noch eine Weile aufzuschieben gedachte.
Sie wenden sich den Reitern heulend entgegen, ja, heulend vor Wut. Sie kreischen wie die Pumas, um die Pferde der Reiter zu erschrecken, und dies gelingt ihnen auch bei einigen Tieren.
Der Kampf wird furchtbar.
Dunaways Reiter aber sind Kämpfer. Er hat sie sorgfältig ausgewählt, und seine beiden Söhne sind Kämpfer wie er.
Allan McKee aber schlägt sich in dieser Minute mitten durch die angreifenden Apachen. Denn er will zu seiner Familie.
Man sieht ihm nicht an, dass er in den vergangenen zwanzig Stunden mehr als sechzig Meilen auf zwei Pferden durch raues Land geritten ist.
Er schießt nach rechts und links, schlägt dann mit dem Gewehr auf Apachenköpfe und wird dabei selbst mehrmals verwundet. Doch es sind unbedeutende Streifschüsse. Wie durch ein Wunder durchbricht er die Phalanx der Apachen.
Seine Familie empfängt ihn zwischen den Felsen mit einem Freudengebrüll. Ja, seine vier Söhne und das Mädchen brüllen vor Freude, so sehr fühlen sie sich erlöst und gerettet.
Sally aber, seine Frau, tritt ihm mit rußgeschwärztem Gesicht entgegen. Sie reicht ihm zwei geladene Kentucky-Pistolen und ruft heiser: »Gib es ihnen, Allan!«
Ja, nun, da er weiß, dass seine Familie noch lebt, reitet er in den Kampf zurück. Und seine vier Jungen folgen ihm zu Fuß.
Es wird schlimm für die Apachen.
Und als ihr Häuptling Victorio an Jacob Dunaways Kugel stirbt, ist alles vorbei.
Die Sonne ist im Westen verschwunden.
Der Himmel ist noch blutrot, und die Schatten der Nacht decken erst langsam alle Farben.
Der Kampf ist vorbei.
Die Apachen sind geschlagen.
✰✰✰
Sally hat die Wunden ihres Mannes und ihrer vier Söhne notdürftig verbunden, als Jacob Dunaway an das Feuer tritt und sie alle der Reihe nach schweigend betrachtet.
Vor Sally zieht er seinen verbeulten, schweißdurchtränkten Hut und verbeugt sich.
»Sie sind eine Frau, Lady«, sagt er, »auf die ein Mann stolz sein darf. Es ist eine Ehre für mich, Sie kennenzulernen. Und Ihre Söhne sah ich wie Männer kämpfen, obwohl sie noch so jung sind. Und das Mädchen wird eines Tages so schön sein wie Sie, Lady. Ja, Sie alle zusammen sind eine prächtige Familie, die stark genug sein wird, sich in diesem Land zu behaupten – mit meiner Hilfe.«
Die letzten drei Worte sagt er fast grob.
Die McKees betrachten ihn. Und sie beginnen zu begreifen, was in diesem Mann vorgeht. Selbst Ben McKee, der jüngste Sohn, wird sich darüber klar.
Jacob Dunaway macht sie jetzt für lange Zeit zu seinen Vasallen.
Ein Vasall ist ein Lehnsmann. Er steht bei einem anderen Mann in der Pflicht, muss sich von ihm ausbeuten lassen.
Die McKees begreifen in diesem Moment, dass sie ihr Überleben teuer erkauft haben – mit der Knechtschaft.
Schließlich sagt Sally McKee: »Ja, so ist es wohl, Mister Dunaway. Die Apachen haben alles vernichtet, was wir besaßen. Wir haben alles verloren. Gewiss, Mister Dunaway, ohne Ihre Hilfe haben wir hier keine Chance mehr. Aber sind wir nicht Nachbarn? Könnte es nicht sein, dass Sie eines Tages auch unsere Hilfe brauchen?«
Ihre Stimme klingt dabei ernst und stolz. Und ihr Blick unterstreicht es.
Jacob Dunaway nickt ihr zu.
»In diesem Land«, sagt er, »bekommt niemand etwas geschenkt. Man muss für alles den vollen Preis zahlen. Und muss der Gläubiger warten, sind die Zinsen hoch. Ich habe drei tote Männer und fünf Verwundete. Ihr seid besser davongekommen. Ihr alle lebt noch, und das kommt mir fast wie eine Laune des Schicksals vor. Nun gut, ich werde euch alles geben, was ihr braucht. Denn ich habe das Wort der McKees.«
✰✰✰
Die Jahre vergehen.
Das Arizona-Territorium erlebt den Silberrausch.
Die Indianer bekämpfen die weißen Eindringlinge erbittert.
Dann, als der Sezessionskrieg beginnt, werden starke Schutztruppen abgezogen. Die Apachen gewinnen noch einmal die Oberhand. Viele Siedlungen und Minen müssen von den Weißen aufgegeben werden.
Doch sowohl die McKees als auch Jacob Dunaway mit seinen beiden Söhnen und der starken Mannschaft überstehen die harte Zeit.
Beide Sippen nehmen am Bürgerkrieg nicht teil, opfern dafür ihre Lebenskraft dem Aufbauwerk, das erstaunlich gut gelingt.
Auch den McKees, die in einem Creek Gold finden, riesige Baumwoll-, Mais- und Weizenkulturen anlegen, einen mächtigen Staudamm errichten und schließlich auch die Pferde-, Rinder- und Maultierzucht beginnen.
Doch während der ganzen Aufbauphase müssen sie kämpfen. Gegen Rustler, mexikanische Bandoleros, später gegen Flüchtlinge des Bürgerkrieges, versprengte Guerilleros.
Und dann, als sie es geschafft zu haben glauben, ist in Mexiko die Revolution zu Ende.
Jetzt müssen sie ihren Besitz gegen starke Banden abschirmen, die immer wieder die Grenze zu Raubzügen überschreiten.
Das Land bleibt wild.
Eine kleine Stadt ist zwischen den Hauptquartieren der Dunaways und der McKees entstanden, eine Stadt, an zwei Wagenwegen gelegen, die den Namen Crossway trägt.
Zuerst entsteht an dieser Kreuzung eine Relaisstation der Post- und Frachtlinien. Dann kommt ein Handelsstore hinzu.
Und nun ist es eine kleine Town. Jacob Dunaways Stadt.
Es ist an einem Abend, als Allan McKee nach Crossway kommt und vor dem Restaurant absteigt.
Jacob Dunaway sitzt schon in der Ecke an dem für ihn stets reservierten Tisch. Er winkt Allan mit der Gabel zu, mit der er sich soeben einen Bissen zwischen die gesunden Zähne geschoben hat. Mit vollem Mund ruft er undeutlich: »Hoiii, Nachbar! Lange nicht gesehen! Setzen Sie sich zu mir, McKee!«
Ein paar andere Gäste, die aufmerksam wurden, beschäftigen sich wieder mit ihrem Abendessen. Es ist nur natürlich, dass zwei Männer wie Dunaway und McKee, die man als die Großen dieses Landes ansehen muss, sich zusammen an einen Tisch setzen und gemeinsam ihr Abendessen verzehren. Dies erfordert schon die Höflichkeit.
Dunaway und McKee in der Nische in der entferntesten Ecke werden nicht belauscht. Überdies reden sie auch nicht sehr laut, nachdem auch McKee sein Essen bekommen hat.
Nach unverbindlichen Worten kommt Dunaway schon bald zur Sache.
»Sie werden sich schon gefragt haben, McKee, warum ich Sie durch Boten um dieses Treffen bat. Und, bitte, beachten Sie, dass ich Ihnen die Hälfte des Weges entgegengekommen bin. Ja, bitte beachten Sie die Basis, auf die wir alles stellen wollen. Gegenseitigen Respekt! Ich ließ Sie nicht kommen wie ein King den Vasall. Denn ich kenne den Stolz der McKees. Ich möchte ihn nicht verletzen.«
Allan McKee erwidert nichts. Er sieht ihn nur an, denn er ist in den vergangenen Jahren ein wortkarger Mann geworden.
Jacob Dunaway starrt ihn einige Atemzüge lang an. Dann begreift er, dass McKee nicht fragen wird. Und so beginnt er seine Geschichte.
»Ich ließ vor einiger Zeit ein Dutzend edler Kentucky-Stuten kommen, wunderschöne Geschöpfe, die auf den mineralhaltigen Blaugrasweiden aufwuchsen. Und es war mir von Anfang an klar, dass ich einen besonderen Hengst für diese Stuten haben musste, damit es die richtige Mischung ergibt. Einen Wildhengst, der in das edle Kentuckyblut die nötige Härte, Zähigkeit und Kampfgeist bringt, muss ich haben. Also ließ ich die besten Wildpferdjäger kommen. Ich rüstete sie nobel aus und wartete. Sie brachten mir eine prächtige Herde, darunter auch einige wirklich überdurchschnittliche Hengste. Aber ...« Nun macht Dunaway eine Pause.
McKee isst aber nicht mehr weiter, sondern sieht ihn aufmerksam an. Dann spricht er langsam Wort für Wort: »Ich weiß schon Bescheid, Dunaway – und was ich noch nicht weiß, kann ich mir zusammenreimen. Der beste Wildpferdjäger ist Sycamore Zozo. Er ist mit meinen Söhnen befreundet, besonders mit Tom, meinem Ältesten. Sycamore hat den besten Hengst für sich behalten. Er lieferte ihn Ihnen nicht mit den anderen Tieren aus. Sie erfuhren das zu spät. Sycamore Zozo konnte mit diesem wundervollen Hengst inzwischen aus Ihrem Machtbereich entkommen. Er ist irgendwo drüben in Mexiko mit Diablo, dem schwarzen Hengst, den er mehr liebt als alle Silberpesos der Welt. Soll Tom Diablo holen? Soll er zu seinem Freund Sycamore Zozo hinüber nach Mexiko reiten und das Pferd stehlen?«
Jacob Dunaway nickt langsam.
»Ja, das soll er«, sagt er. »Denn er kann das leicht tun. Bei ihm wird Sycamore Zozo keinen Verdacht hegen – bei ihm nicht. Niemand sonst von uns allen hier käme an Sycamore Zozo und den Hengst überhaupt heran. Ja, ich will jetzt von Tom die Einlösung seines Wortes. Wenn er mir den Hengst bringt, hat er seine Schuld bezahlt. Dann ist mir der Erste von euch McKees nichts mehr schuldig.«
Allan McKee sagt nichts mehr. Er isst langsam den Teller leer.
Dann wirft er einen halben Dollar auf den Tisch und erhebt sich.
Jacob Dunaway starrt schräg zu ihm empor.
»Wir werden unser Wort halten«, spricht McKee zu ihm nieder. »Doch was sind Sie für ein Bursche, Dunaway, dass Sie solch einen gemeinen Verrat von Tom verlangen?«
»Ich habe damals auch Verrat begangen – an Victorio«, erwidert Dunaway kalt. »Denn ich hatte mit ihm einen Vertrag. Aber dann griff ich ihn an und tötete ihn mit einer Kugel zwischen die Augen. Damals war Ihnen das recht, McKee.«
✰✰✰
Es ist noch nicht Mitternacht, als Tom McKee bei Sycamore Zozo anlangt. Er hört den Lärm des Festes in dem kleinen Hochtal schon, bevor er aus der Schlucht reitet. Sycamores Rancho ist klein. Er besteht eigentlich nur aus einer größeren Hütte und einigen Corrals.
Aber man kann ein Fest auch unter freiem Himmel feiern.
Und das tut Sycamore Zozo offensichtlich mit vielen Freunden.
Zwei Feuer brennen, eines mit hellen Flammen, die genügend Licht geben und alles beleuchten – und das andere Feuer mit roter Glut, über der ein Hammel am Spieß gedreht wird.
Eine Gitarre, eine Mundharmonika und eine gedämpfte Trompete spielen unentwegt feurige Melodien. Kastagnetten klappern. Brettharte Hände klatschen den Takt. Füße stampfen den Boden. Mehr oder weniger trunkene Stimmen singen dazu.
Ja, es ist ein für diese Verhältnisse geradezu rauschendes Fest. Und es gibt auch einige Mädchen. Syc Zozo feiert ein Fest, und das kann drei Nächte und drei Tage dauern.
Als Tom McKee bei den Corrals verhält, taucht Syc Zozo auf, hält eine bauchige Flasche in der Hand, die er Tom McKee reicht.
»Willkommen, Amigo, willkommen! Ich bekam schon Nachricht, dass du unterwegs zu mir bist. Du kommst noch rechtzeitig zu meinem großen Fest. Es ist das größte und schönste Fest, welches ich jemals gab. Und weißt du auch, warum ich es gebe?«
Tom McKee sagt: »Das Fest gilt sicher Diablo, nicht wahr? Es gilt dem wunderbaren Hengst, den du fangen konntest und dann nicht abgeliefert hast wie die anderen Pferde, die du im Auftrag von Jacob Dunaway gejagt hast. Man erzählt sich Wunderdinge von diesem Hengst. Und weil ich mich an unsere alten Zeiten erinnerte, weil ich mal wieder reiten wollte – und weil ich neugierig war, kam ich her. Gut so, Syc?«
»Gut so, Tom«, sagt dieser, grinst im Feuerschein blitzend zu ihm empor und sieht zu, wie Tom McKee trinkt.
Tom McKee wundert sich nicht, dass man sein Kommen schon gemeldet hat und Syc Zozo in der Lage war, solch ein Signal zu empfangen. Es gibt in diesem Land recht gute Nachrichtensysteme wie beispielsweise Rauchzeichen oder Blinkspiegelsignale. Syc Zozo aber hat sich mit einem Mächtigen angelegt und muss dessen langen Arm fürchten. Und so wird er sich abgesichert haben, indes er hier sein Fest feiert.
Während Tom McKee trinkt, muss er Jacob Dunaways Schlauheit Respekt zollen. Dunaway hatte genau gewusst, dass jetzt nur wirkliche Freunde an Sycamore Zozo herankommen.
Tom McKee setzt die Flasche ab.
Dann schwingt er sich vom Pferd.
Und Syc Zozo tritt zu ihm und umarmt ihn wie einen Freund.
✰✰✰
Als Tom McKee erwacht, ist es später Mittag. Es herrscht eine fast unwirkliche Stille nach dem Lärm des Festes.
Doch bald bemerkt Tom, dass diese Stille dennoch nicht vollkommen ist. Denn er hört nun unverkennbare Geräusche. Es sind die rasselnden oder gar schnarchenden Atemzüge von Schläfern, vielen Schläfern, die ihren Rausch und ihre totale Erschöpfung ausschlafen.
Dass Tom McKee schon erwacht ist, liegt daran, dass er ja erst in der dritten Nacht am Fest teilnahm. Alle anderen Leute hier waren ihm schon drei Tage und mehr als zwei Nächte voraus. Ihre Erschöpfung ist total. Seinen Rausch aber konnte er binnen weniger Stunden überwinden.
Er erhebt sich unter dem Schutzdach. Rechts und links von ihm liegen schnarchende Schläfer. Es riecht nach Schnaps und Wein, nach ungewaschenen Körpern.
Tom McKee geht zum Brunnen. Er holt einen Eimer voll Wasser herauf und steckt seinen Kopf hinein.
Drinnen in der großen Hütte schlafen die Mädchen. Vielleicht sind ein paar Hombres bei ihnen. Das Fest wurde in den letzten Morgenstunden ziemlich zügellos.
Tom spürt einen bitteren Geschmack, holt noch einen Eimer Wasser herauf und trinkt lange mithilfe der hölzernen Schöpfkelle.
Ihm wird etwas besser – aber er begreift, dass der schale Geschmack in seinem Mund nicht nur eine Nachwirkung des Festes ist – nein, dieser schale Geschmack hat auch etwas mit seinem Vorhaben zu tun. Denn er kam her, um seinem Freund Syc Zozo den kostbarsten Besitz zu stehlen.
Tom McKee wischt sich mit der Hand über die noch nasse Stirn und die Bartstoppeln. Dann macht er sich auf den Weg. Denn nun will er endlich Diablo bei Tageslicht sehen.
Als er um die Ecke biegt und freie Sicht auf die Corrals bekommt, da sieht er ihn. Denn Diablo befindet sich in einem Einzelcorral. Alle anderen Corrals sind mit den Pferden der Gäste oder auch Sycamore Zozos eigenen Tieren gefüllt. Denn er betreibt ja in diesem Tal eine Pferdezucht.
Diablo wittert sofort zu Tom McKee herüber, und es ist, als spüre das schwarze Tier mit feinem Instinkt, dass dieser Mensch etwas mit ihm vorhat und das Schicksal sie für eine Weile zu einem Paar machen wird.
Tom McKee tritt langsam näher, und er blickt unentwegt auf diesen wunderbaren Hengst, vergisst für einen Moment alles andere auf dieser Erde.
Denn noch niemals sah er ein solch makelloses und herrliches Pferd. Und es ist nicht nur der Wuchs dieses Tieres, der ihn staunen lässt – nein, es ist auch deutlich eine Ausstrahlung zu spüren, die von diesem Hengst ausgeht.
Ja, es ist ein einmaliges Tier, wie man es vielleicht in freier Wildbahn bisher noch niemals fand.
Tom McKee kann Sycamore Zozo jetzt erst richtig verstehen.
Und auch das lange Fest begreift er jetzt besser.
Der Fang dieses Hengstes muss für einen Pferdejäger wie Syc Zozo das Größte sein, was er überhaupt erreichen kann. Dieses Tier konnte er nicht an Jacob Dunaway ausliefern. Kein wirklicher Pferdejäger hätte das getan.
Tom McKee tritt langsam näher, lehnt sich dann mit den Armen auf die mittlere Corralstange. Diablo wittert zu ihm herüber, hält sich jedoch im entferntesten Winkel auf.
McKee sieht sich um. Es ist still. Nirgendwo bewegt sich etwas. Sie alle hier sind noch wie betäubt – schlafen ihren Rausch aus. Die Gelegenheit ist günstig, so günstig, wie sie nie wieder sein wird.
Er muss handeln, auf der Stelle. Denn je schneller er jetzt handelt, umso größer wird sein Vorsprung sein.
Aber es kostet ihn eine gewaltige Überwindung.
Er wird seinem Freund den kostbarsten Besitz stehlen – für einen Mann, den er nicht mag, ja, den er jetzt sogar verachtet.
Sycamore Zozo ist sein Freund. Er wird ihm Genugtuung geben müssen. Vielleicht wird er von Syc getötet werden – oder er wird Syc töten müssen, um am Leben zu bleiben.
So wird es kommen.
Doch er steht bei Dunaway im Wort.
Allan McKee zittert am ganzen Körper. Schweiß bricht ihm aus.
Dann aber bewegt er sich.
Zuerst sattelt er sein eigenes Tier.
Tom McKee sitzt auf und öffnet vom Sattel aus das Gatter des Corrals.
Er weiß, dass dieser Hengst nur vor einem Reiter mit einem Wurfseil Respekt haben wird. Jeden Mann zu Fuß greift er wahrscheinlich an. Nur gegen einen Reiter und ein Lasso wird er nicht mehr kämpfen. Diese Lektion hat er gewiss längst begriffen, weil er da schon Niederlagen erlitt.
Aber der Hengst will an Tom McKee vorbei durch das offene Gatter hinaus.