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G.F. Unger ist der erfolgreichste deutschsprachige Western-Autor. Mit einer Rekordauflage von über 250 Millionen Exemplaren gehört er zur internationalen Spitzenklasse der Spannungsliteratur. Und das zu Recht!
Niemand vermag es wie er, die unermesslichen Weiten des amerikanischen Westens und die Stärke der unerschrockenen Männer, die sie erschlossen, zu beschreiben. Erleben Sie den amerikanischen "Wilden Westen", wie nur G.F. Unger ihn schildern kann: hart, authentisch, leidenschaftlich.
Dieser Sammelband enthält die Folgen 2350 bis 2352:
2350: Kiowa-Stolz
Weil ich meine Braut Linda, die von Kiowas entführt worden war, nicht im Stich lassen wollte, hatte mich die Armee in der Falle. So war ich gezwungen, viele Kiowas zu töten, obwohl sie doch nur um ihre Freiheit kämpften ...
2351: Prairie City
In Prairie City gerät Kirby Slaterlee zwischen zwei mörderische Fronten, denn für seinen Sohn Jesse kauft er sich in ein Spiel ein, das er kaum gewinnen kann ...
2352: Shamrock
Der Vormann Amos Ross weiß, dass er die Shamrock Ranch nur halten kann, wenn er die Rustler ohne Gnade bekämpft. Doch kann er all das Blutvergießen und Töten auf sein Gewissen nehmen?
Der Inhalt dieses Sammelbands entspricht ca. 250 Taschenbuchseiten.
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Seitenzahl: 455
Veröffentlichungsjahr: 2019
G. F. Unger
Western-Bestseller Sammelband 1
Cover
Impressum
Kiowa-Stolz
Vorschau
Kiowa-Stolz
Zwischen Linda und mir begann es damals im letzten Kriegsjahr irgendwo in einem Feldlazarett bei Appomattox, als wir die Konföderierten unter General Lee schon fast in die Pfanne gehauen hatten.
Ich hatte ein verdammtes Kugelloch in der Schulter, welches sich entzündete, und Linda pflegte mich wie viele andere Verwundete. Es gab noch ein Dutzend weitere Krankenschwestern in unserem Feldlazarett, doch ich sah nur sie. Denn sie erschien mir zuerst als wunderschöner, mitleidiger Engel. Und später dann, als ich kein Fieber mehr hatte, wurde mir klar, dass sie die Frau war, die mir schon immer in meinen Träumen erschienen war.
Ich begann ihr also den Hof zu machen, so gut mir das als pflegebedürftiger Verwundeter möglich war. Dabei spürte ich, dass auch ich Eindruck auf sie machte. Und später dann, als ich schon wieder aufstehen und umhergehen konnte – wenn auch mit dem Arm in der Schlinge, damit die Schulter ruhig gehalten wurde –, ging sie in ihrer Freizeit auch mit mir aus.
Einen Tag bevor ich wieder zu meiner Truppe entlassen wurde, war es dann so weit, denn wir küssten uns, und es war uns klar, dass wir uns liebten und uns wiedersehen würden – nein, mussten. Und dann würden wir zusammen durch das Leben gehen, bis uns der Tod auf Erden scheiden würde …
Wir lagen an diesem Nachmittag – es war ja ein sehr warmer Frühlingstag – unter Bäumen, welche das erste Grün erkennen ließen. Es war windstill, und die Sonne wärmte und ließ den Frühling mehr als nur ahnen.
Ich sagte: »Du weißt, Linda, ich bin nur Offizier auf Kriegszeit. Wenn der Krieg vorbei ist, werden sie die Armee reorganisieren und mich wieder auf den Dienstgrad zurückstufen, den ich vor dem Krieg hatte. Dann bin ich wieder Sergeant. Aber meine Verpflichtung läuft keine zwei Jahre mehr. Dann verlängere ich nicht mehr und werde wieder Zivilist. Willst du auf mich warten und mich heiraten?«
»Warum nicht jetzt, Joshua?«, fragte sie und wirkte dabei irgendwie herausfordernd, so als wollte sie mich fragen: »Hast du Angst?«
Und die hatte ich.
Denn der Krieg war noch nicht aus.
Ich wollte sie nicht in die Gefahr bringen, eine junge Witwe zu werden. Das sagte ich ihr.
Und da erwiderte sie nur: »Na gut, Mister Joshua Keel – oder Lieutenant. Ich werde auf dich warten. Schreib mir in zwei Jahren, wohin ich kommen soll. Schreib mir postlagernd nach Kansas City. Denn ich weiß nicht, wo ich nach dem Krieg wohnen werde. Also, Josh! Und jetzt liebe mich, damit ich zwei Jahre davon zehren kann. Denn zwei Jahre sind eine verdammt lange Zeit.«
So war das also damals, lieber Leser meiner Geschichte.
Und dann vergingen diese beiden Jahre, die ich noch zu dienen hatte.
☆☆☆
Auch Colonel John Warwick war nach dem Krieg zurückgestuft worden. Er war nun wieder Major, aber wir alle nannten ihn immer noch Colonel.
Nur mich nannten sie nicht mehr Lieutenant, sondern Master Sergeant.
Und als solcher trat ich in der Kommandantur in das Arbeitszimmer von Major Warwick, der wie ein zerzauster Falke hinter seinem Schreibtisch hockte.
Ich salutierte und grinste ihn dabei an.
Er verzog das Gesicht und knurrte dann: »Sersch, ich bin bevollmächtigt, Sie sofort zum First Lieutenant zu ernennen, wenn Sie sich neu verpflichten. Wollen Sie als Offizier der glorreichen Armee weiterdienen?«
»Nein, Sir«, erwiderte ich knapp.
Er zuckte unmerklich zusammen. Nur innerlich, gewissermaßen. Aber ich sah es ihm an. Und er wirkte plötzlich sehr beleidigt und verbittert.
Dann fragte er: »Was haben Sie gegen die Armee und einen Offiziersrang, den Sie schon mal hatten? Aufgrund meiner guten Beurteilung und Empfehlung in Ihrer Führungsrolle macht die Armee Ihnen dieses großzügige Angebot. Was also hält Sie davon ab, es anzunehmen?«
»Sir, ich war kaum mehr als ein Junge, als mich ein Werbeoffizier der Armee betrunken machte. Und als ich wieder nüchtern war, da gehörte ich der Armee. Ich hatte eine Verpflichtung unterschrieben und Handgeld erhalten. Und ich war Rekrut geworden. Siebzehn war ich damals. Ein Offizier der Armee hatte mich reingelegt wie so viele andere Burschen vor und nach mir. Aber ich habe meinen Vertrag dennoch erfüllt, auch als der Krieg ausbrach. Ich habe mein Wort gehalten bis zuletzt. Jetzt ist endlich Schluss, Sir.«
Ich machte eine Pause und fragte dann: »Sir, kann ich meine Entlassungspapiere haben? Und die Anweisung an den Zahlmeister für das Entlassungsgeld für treue Dienste? Ich habe es eilig. Denn meine Verlobte wird mit der nächsten Postkutsche kommen. Wir wollen dann weiter nach Santa Fe. Ich möchte sie in Zivil in meine Arme nehmen, damit sie gleich erkennen kann, dass ich einen neuen Lebensabschnitt begonnen habe.«
Nun hatte ich alles gesagt. Er sah es mir nicht nur an, sondern spürte es.
»Ich hätte nie geglaubt, dass Sie die Armee hassen, Sersch«, murmelte er.
»Nicht hassen, Sir«, erwiderte ich, »nein, nicht hassen.«
»Aber?« Er fragte es hart.
»Die Armee kann erbarmungslos sein zu sich selbst, nicht nur gegen ihre Gegner. Man ist ihr ausgeliefert, ist nicht frei. Ich will frei sein.«
Er nickte.
Dann schob er einige Papiere über den Schreibtisch.
»Unterschreiben Sie, Sersch«, murmelte er resignierend. »Trotz Ihrer Einstellung, die Sie mich jetzt erst erkennen ließen, waren Sie ein erstklassiger Soldat. Viel Glück als Zivilist.«
Wir wechselten keine Worte mehr.
Ich ging dann aus seinem Raum ins Vorzimmer, wo der Adjutant und die beiden Schreiber ihre Schreibtische hatten.
Einige Offiziere waren hier versammelt, offenbar wurden sie zu einer Besprechung bestellt wie so oft.
Captain Phil Keeney fragte: »Nun, Sersch, sind Sie jetzt Zivilist?«
Ich sah ihn an und nickte. Er war meiner Meinung nach ein verdammter Mistkerl, ein Schinder und ein eitles Arschloch.
Ich wandte mich zur Tür. Denn ich wollte zum Zahlmeister. Dieser würde mir einen sogenannten »Laufzettel« geben, mit dem ich mich überall abmelden musste, angefangen von der Kleiderkammer, wo ich meine Uniform abgeben musste, bis zur Ausrüstungskammer, zum Stallsergeant und so weiter und so weiter. Zuletzt musste ich mit dem abgehakten Laufzettel dann wieder zum Zahlmeister, der mir endlich das Entlassungsgeld auszahlen würde.
Als ich schon bei der Tür war, da klirrte die Stimme von Captain Keeney hinter mir her: »Zum Teufel, Sersch, nehmen Sie Haltung an, und antworten Sie mir auf meine Frage!«
Ich wandte mich ihm zu.
Dann sprach ich langsam Wort für Wort: »Captain, ich bin seit einigen Minuten Zivilist. Sie können mir keine Befehle mehr geben. Sie können mich mal kreuzweise, verstehen Sie? Es ist vorbei, dass ich Sie ertragen muss.«
Nach diesen Worten verschwand ich, und ich ließ eine lähmende Stille zurück.
Als ich aus der Kommandantur trat, sah ich eine heimkehrende Doppelpatrouille durch das offene Haupttor kommen.
Aber sie kam nicht allein.
Ein halbes Dutzend Reiter unter Captain Ernest Benteen führte einen traurigen Zug an. Es waren ein halbes Hundert Kiowas, doch nur Frauen und Kinder – keine Krieger.
Dieser sich mühsam dahinschleppende Zug wurde flankiert von Kavalleristen, und zum Schluss ritt der Rest der Doppelpatrouille unter Sergeant Hiob Kane. Auch die beiden Zivilscouts, Chester und Blue Pete, gehörten zu dieser starken Doppelpatrouille.
So kamen sie also mit ihren Gefangenen durch das Haupttor auf den Paradeplatz gezogen und hielten an.
Hinter mir traten der Colonel und die Offiziere aus der Kommandantur. Ich wich zur Seite, denn ich wollte nichts mehr mit ihnen zu tun haben. Einer von ihnen sagte mit einem triumphierenden Ton in der Stimme: »Jetzt haben wir ihn, diesen verdammten Hurensohn, ja, jetzt haben wir ihn! Denn Benteen nahm all seine Frauen und Kinder gefangen – zumindest einen großen Teil von ihnen. Jetzt muss er aufgeben und sich unterwerfen. Wir haben ihn!«
Die anderen Offiziere ließen Zustimmung hören.
Ich aber dachte: Diese Narren! Sie kennen Red Joseph immer noch nicht. So bekommen sie ihn und seine Krieger nie – nein, niemals auf diese Weise. Oha, wie dumm ist diese Armee doch.
Ich verließ die Veranda der Kommandantur.
Denn was ging mich das alles noch an? Ich war kein Soldat mehr. Und so strebte ich meinem Quartier zu.
Da ich der ranghöchste Sergeant im Fort war, hatte ich eine Kammer für mich wie die unverheirateten Lieutenants.
Ich entledigte mich meiner Uniform und zog mir das nagelneue Zivilzeug an, welches ich von einem der fahrenden Händler gekauft hatte, die immer wieder zu unserem Fort kamen. Es hieß Fort Eagle.
Ich war noch nicht ganz angezogen und hatte kaum Zeit gehabt, das neue Gefühl auszukosten, nun kein Soldat mehr zu sein, als Bill Chester, der alte Scout, hereinkam. Er war so etwas wie mein väterlicher Freund gewesen während der vergangenen zwei Jahre. Ich hatte eine Menge von ihm über die Kiowas gelernt.
Er setzte sich auf mein Bett und stieß einen seufzend klingenden Fluch aus, welcher bittere Resignation erkennen ließ.
Dann sprach er: »Das gibt Ärger, Josh.«
»Sicher«, erwiderte ich und warf mir den neuen Waffengurt um die Hüften, nahm dann meinen Colt, den ich im Krieg erbeutet hatte, und überprüfte die Ladung in der Trommel und die Zündhütchen auf den sechs Pistons.
Es war eine erstklassige Waffe. Sie hatte einem Südstaatenmajor gehört und war von einem wirklich erstklassigen Künstler gefertigt worden.
»Aber das alles geht mich nichts mehr an, Bill«, sprach ich weiter.
Er nickte und fragte: »Hast du Tabak und Blättchen? Mir ging das Rauchzeug aus unterwegs. Wir haben das Dorf überfallen und zwei Dutzend alte und sehr junge Krieger niedergemacht. Die Hälfte der Frauen und Kinder konnte entkommen. Den Rest brachten wir her. Und nun glaubt die Armee, dass Red Joseph sich ergeben wird. He, Josh, glaubst du das auch?«
Ich warf ihm meinen Tabaksbeutel zu.
»Nein, das glaube ich nicht«, beantwortete ich seine Frage. »Aber das ist mir verdammt egal. Ich warte nur noch auf Linda. Sie wird mit der Postkutsche kommen von Kansas City her. Ich steige zu ihr, und dann geht’s weiter.«
Ich sagte es triumphierend und begann dann meine sämtlichen Uniformteile und die sonstige Ausrüstung in eine große Zeltplane zu packen. Dort musste jedes Teil auf den Strichlisten abgehakt werden.
Aber Bill Chester sagte vorwurfsvoll: »Hast du so wenig von mir gelernt, Joshua? Habe ich dir so wenig beigebracht auf den vielen Patrouillen, die wir gemeinsam ritten im Kiowaland? Kennst du Red Joseph so wenig?«
Es waren drei enttäuscht klingende Fragen.
Und dann stellte er die vierte Frage hart: »Was wird er tun?«
Er meinte Red Joseph, da gab es keine Zweifel.
Ich verharrte mitten in der Bewegung.
Nun jagten sich meine Gedanken tausend Meilen in der Sekunde.
Es waren höllische Gedanken. Ich kannte Red Joseph, den Roten Josef, einigermaßen gut. Er war einst als Knabe richtig von Missionaren getauft worden. Das war zu jener Zeit gewesen, als noch Frieden herrschte. Er war sogar einige Jahre auf die Missionsschule der Jesuiten gegangen.
Doch dann …
Ich hatte ihn vor eineinhalb Jahren bei Friedensverhandlungen kennengelernt, die ja immer wieder stattfanden und immer wieder von beiden Seiten gebrochen wurden. Er stand in der Rangfolge der Kiowahäuptlinge nach Satana, Lone Wolf und Kicking Bird an vierter Stelle. Nach ihm kamen noch etwa ein Dutzend kleinere Häuptlinge des Kiowavolkes.
O ja, ich konnte mir plötzlich vorstellen, was Red Joseph tun würde.
Und so fragte ich: »Hast du es Captain Benteen nicht klarzumachen versucht?«
»Hab ich«, erwiderte Chester. »Aber du kennst ja die selbstherrliche und sich für unfehlbar haltende Armee. Du gehörtest ja wohl lange genug dazu.«
Ich stand noch eine Weile starr da.
Und ich wusste, es war etwas in Gang gekommen, was ich nicht verhindern konnte.
Aber ich musste es versuchen.
Und so setzte ich mich in Bewegung. Ja, ich musste zum Colonel. Denn nur dieser konnte die entsprechenden Befehle geben.
Er stand noch mit seinen Offizieren auf der Veranda und beobachtete, wie die gefangenen Kiowafrauen und -kinder registriert und verpflegt wurden. Sie hockten erschöpft mitten auf dem Paradeplatz unter der schlaff am Mast hängenden Flagge im Staub. Ich stieg die drei Stufen zur Veranda der Kommandantur hinauf und verhielt vor dem Colonel.
Captain Ernest Benteen, der die Gefangenen brachte, stand neben ihm, staubig und verschwitzt, mit geröteten Augen.
Ich sah den Colonel an und sprach: »Colonel, Red Joseph wird sich ebenfalls Geiseln beschaffen, um einen Tausch zu machen. Und eine Postkutsche ist unterwegs. Er wird sie sich schnappen.«
Der Colonel sah mich an.
»Mister Keel«, sprach er, »Sie mischen sich als Zivilist in Armeeangelegenheiten ein. Wenn Sie hier wieder mitreden wollen – diesmal als Offizier –, können Sie immer noch Ihre Weiterverpflichtung unterschreiben.«
Ich starrte dem Colonel in die Adleraugen. Ja, sie blickten hart, scharf und waren ohne jedes Mitgefühl.
Ich erkannte in den Augen des Colonels, dass er meine Unterwerfung wollte. O ja, dann würde er mir eine Doppelpatrouille anvertrauen, mit der ich der Postkutsche entgegenreiten konnte.
So grausam konnte die Armee sein, wenn es um Strategie ging. Da wurden Opfer gebracht für angeblich große Ziele.
Ich wusste, es hatte keinen Sinn, diesen eisenharten Colonel umzustimmen.
Entweder glaubte er nicht, dass die Postkutsche in Gefahr war – oder es war ihm völlig gleich. Vielleicht wollte er mich auch nur zwingen, wieder Soldat zu werden. Denn ich war sein bester Patrouillenführer gewesen, besser als seine Offiziere.
Ich ging.
Denn nun hatte ich es verdammt eilig. Und eine halbe Stunde später war ich auf einem Pferd unterwegs.
Ja, ich ritt allein der Kutsche entgegen.
Und ich verachtete die Armee tief in meinem Kern.
Verdammt, warum hatte ich ihr auch nach dem Krieg noch die Treue gehalten und war nicht nach Nordwesten desertiert wie so viele Soldaten?
☆☆☆
Es war ein gutes Pferd. Ich hatte es mir von Bill Chester geliehen, der mehrere Pferde besaß. Ich ließ es traben, denn ich wusste nicht, wie viele Meilen ich der Kutsche entgegenreiten musste.
Postkutschen in diesem Land waren nie pünktlich. Es kamen stets zu viele unvorhergesehene Dinge dazwischen – zum Beispiel eine wandernde Büffelherde von hunderttausend Tieren.
Ich wünschte mir mit ganzer Kraft, dass meine Linda aus irgendwelchen Gründen nicht in der Kutsche sitzen würde, dass sie zum Beispiel den Anschluss verpasst hatte und erst mit einer der nächsten Kutschen kommen konnte.
Aber zugleich wusste ich, dass sie in dieser Kutsche sitzen würde. Wir hatten uns immer wieder geschrieben. Sie kannte nicht nur den Tag meiner Entlassung, sondern sogar die Uhrzeit.
Und wir wollten weiter nach Santa Fe. Ich sollte nur zusteigen.
Verdammt, wenn dieser Red Joseph die Passagiere der Kutsche als Geiseln haben wollte, dann …
Ich weigerte mich, weiter zu denken.
Und so ritt ich mit Hoffnung im Herzen – aber auch mit großer Sorge, ja mit Furcht um Linda.
Und dann sah ich die Kutsche. Man hatte die sechs Pferde ausgespannt und mitgenommen. Rings um die Kutsche lagen einige leblose Körper im Präriegras rechts und links des zerfurchten Wagenwegs. Es waren männliche Leichen. Ich zählte vier.
Und Whip Pete, der Fahrer der Kutsche, den ich gut genug kannte, saß am linken Vorderrad und lehnte mit dem Rücken an den Speichen. In seiner linken Schulter steckte ein Pfeil. Aber er lebte.
Er erkannte mich nicht sogleich, weil ich ja Zivil trug.
Doch er begrüßte mich mit einem verzerrten Grinsen, welches Schmerz und Bitterkeit ausdrückte – aber auch böse Wut. Dann knirschte er: »Bist du das, Sersch Keel? Wo hast du deine schöne Uniform gelassen? Hat die verdammte Armee dich rausgeworfen aus ihren glorreichen Reihen?«
Ich ging auf seinen bitteren Hohn nicht ein, sondern fragte: »Waren Frauen in der Kutsche?«
»Sicher«, erwiderte er stöhnend. »Drei Frauen. Und sie haben alle mitgenommen. Mich ließen sie nur am Leben, damit ich dem Colonel im Fort sagen sollte, dass er die drei weißen Frauen eintauschen könne gegen alle Frauen und Kinder der Kiowas, die sich jetzt gewiss in Fort Eagle befänden. Und es würde ihm und seinen Kriegern auch nicht schwerfallen, noch weitere weiße Frauen – vielleicht auch Kinder – zu rauben da und dort. Er lässt dem Colonel durch mich sagen, dass die Armee so dumm wie Pferdemist wäre und sie allein es zu verantworten hätte, wenn jetzt auch Frauen und Kinder in den Krieg einbezogen würden. Die Kiowas hätten Ehre und Stolz, aber sie würden alles auf gleiche Art mit Zinsen zurückzahlen. Ja, er sagte tatsächlich Zinsen, so als hätte er eine Schule besucht. Er sprach auch gutes Englisch. Aber wie komme ich zum Colonel?«
Er sah verlangend auf mein Pferd.
Ich aber fragte schnell: »Hatte eine der Frauen rotes Haar und grüne Augen?«
Er sah mich an und nickte.
»Ja, so eine war dabei. Und sie hieß Linda Walcock.«
Nun also wusste ich es genau. Linda war in der Kutsche gewesen. Und jetzt hatte Red Joseph sie mit zwei anderen Leidensgenossinnen bei sich und seiner Horde.
Eine heiße Wut kam in mir hoch.
Ich wollte etwas tun – aber zugleich erkannte ich, dass ich nichts tun konnte. Ich war vorerst hilflos.
Denn es wäre dumm gewesen, den Kiowas zu folgen.
Wahrscheinlich warteten sie nur auf Verfolger.
Sicherlich hätte ich mich in einer dunklen Nacht in ihr Camp schleichen können.
Doch was dann?
Selbst wenn ich die Gefangenen befreien konnte, entkommen würde ich niemals mit drei Frauen. Einen solch großen Vorsprung konnte ich mir gar nicht verschaffen. Da musste es schon ganz besondere Umstände geben, die auf meiner Seite waren – ein gewaltiges Unwetter zum Beispiel, eine schwarze Nacht, ein Präriebrand oder eine mächtige Büffelstampede.
Doch auf solche Glücksumstände konnte ich nicht rechnen.
Ich musste zurück ins Fort zum Colonel.
Und so half ich Whip Pete auf mein Pferd, nachdem ich ihm den Pfeilschaft verkürzt hatte, und saß hinter ihm auf.
Nach etwa drei Meilen kamen uns drei Reiter entgegen, die der Agent der Post- und Frachtstation losgeschickt hatte, weil die Kutsche nun mehr als überfällig war.
Whip Pete sprach heiser zu ihnen: »Wenn ihr eure drei Pferdchen vor die Kutsche spannt und die Toten eingeladen habt, dann könnt ihr die verdammte Kutsche nach Fort Eagle bringen, denn die Kiowas sind weg nach Westen.«
Die drei Reiter fluchten und ritten weiter.
Auch wir setzten unseren Weg fort.
Whip Pete fragte nach einer Weile: »Diese rothaarige und grünäugige Frau, nach der du fragtest, diese Linda Walcock, hast du auf sie in Fort Eagle gewartet? Sie hatte die Fahrt bis Santa Fe bezahlt.«
»Wir wollten heiraten«, erwiderte ich nur.
Da sagte und fragte er nichts mehr, ließ nur noch ein »Oje« hören.
Nach weiteren drei Meilen kam uns eine Armeepatrouille entgegen. Es war eine einfache Patrouille, also zwölf Mann außer dem Sergeant, dem Lieutenant und dem Scout.
Letzterer wusste sofort Bescheid.
Der Lieutenant war noch jung.
Doch weil dieser Junge nicht dumm war, fragte er mich: »Sersch, was soll ich jetzt tun?«
»Ich bin kein Sergeant mehr«, erwiderte ich. »Die Kiowas haben drei weiße Frauen. Sie wollen diese Gefangenen eintauschen gegen die Schar, die Captain Benteen nach Fort Eagle brachte. Drei weiße Frauen gegen mehr als ein halbes Hundert Kiowas. Was Sie tun sollen, Lieutenant? Nicht viel. Wenn Sie der Fährte folgen, können Sie mit Ihren Reitern nur verlieren. Die warten dort im Westen nur darauf, dass eine schwache Patrouille dumm genug ist, sich in ihre Nähe zu wagen. Reiten Sie zum Colonel zurück. Red Joseph will ein Tauschgeschäft machen. Das muss der Colonel erst einmal wissen, bevor etwas unternommen wird. Er muss wissen, dass drei weiße Frauen in Red Josephs Hand sind und erst einmal verhandelt werden sollte.«
Ich ritt weiter.
Aber ich hörte den Scout noch zum Lieutenant sagen: »Das war kein schlechter Rat, Lieutenant.«
☆☆☆
Eine Stunde später stand ich vor dem Colonel.
Alle Offiziere des Forts waren ebenfalls in die Kommandantur geholt worden. Denn als ich den stöhnenden Whip Pete beim Krankenrevier dem Doc übergab, da verbreitete sich die Nachricht schnell im Fort und auch außerhalb in der kleinen Siedlung bei der Post- und Frachtstation und der Handelsagentur, bei der sich die Büffeljäger versorgten.
Der Colonel hatte mir aufmerksam zugehört. Auch die Offiziere schwiegen. Ich endete mit den Worten: »Red Joseph hat also den Fahrer nur deshalb am Leben gelassen, damit dieser Ihnen in Red Josephs Auftrag das Tauschgeschäft vorschlagen sollte. Nun sind Sie am Zug, Colonel!«
Ich verstummte hart.
Und er schluckte. Er war während des Krieges auf den Schlachtfeldern vielleicht ein guter Truppenführer gewesen, der die Strategie des Oberkommandos wahrscheinlich bestens in die Praxis umsetzen konnte. Aber was Indianer betraf – insbesondere Kiowas –, da war er ein Greenhorn wie so viele Offiziere.
Er überlegte.
Dann schüttelte er den Kopf und sprach die Worte: »Die Armee lässt sich nicht erpressen. Wo kämen wir denn hin, wenn sich ein Indianer nur ein paar weiße Geiseln zu greifen braucht, um die Armee – und damit die Vereinigten Staaten von Amerika! – erpressen zu können! Nein, so geht das nicht. So nicht!«
Er sprach die beiden letzten Worte nachdrücklich und hämmerte seine rechte Faust auf den Tisch.
Captain Ernest Benteen aber sagte: »Sir, geben Sie mir eine Schwadron. Dann hole ich nicht nur die drei Frauen zurück, sondern mache auch diesen Hurensohn mitsamt seiner Horde platt. Geben Sie mir eine Schwadron und ein halbes Dutzend Zivilscouts.«
Der Colonel betrachtete ihn zweifelnd und erwog nur wenige Sekunden seinen Vorschlag. Dann schüttelte er den grauen Kopf.
»Nein, Captain«, sprach er.
Nun sah er mich an und zog die Schreibtischlade auf. Er holte jenes Schriftstück hervor, welches ich vor Stunden hatte unterschreiben sollen und welches mich zum First Lieutenant gemacht hätte.
»Nun, Mister Keel«, sprach er, »Sie können immer noch diese Verpflichtung unterschreiben. Dann übertrage ich Ihnen die Verhandlung mit Red Joseph. Ich gebe Ihnen eine Doppelpatrouille mit, damit Sie nicht so armselig zu Red Joseph reiten müssen und er erkennen kann, dass die Armee hinter Ihnen steht. Na?«
Er hatte mich in der Falle. Ja, es war eine Erpressung. Damals der Werbeoffizier hatte mich betrunken gemacht, damit ich unterschrieb. Und nun saß ich wieder in der Falle.
Ich war außer den Zivilscouts der einzige wirkliche Indianerkenner im ganzen Fort. Auch der beste Patrouillenführer war ich gewesen. Er wollte mich, denn er sah eine Menge Schwierigkeiten auf sich zukommen.
Ich aber wollte zu Red Joseph. Ich musste Linda frei bekommen, natürlich auch die beiden anderen Frauen, aber vor allem Linda, die ich in Santa Fe heiraten wollte. Allein war ich machtlos.
Aber als Offizier mit der Armee im Rücken …
Der Colonel hatte mich also in der Falle.
Und so beugte ich mich über den Schreibtisch, zog die Papiere heran und unterschrieb sie.
O verdammt, nun war ich wieder bei der Armee, als First Lieutenant!
Ich wurde neu vereidigt, und alle hörten zu.
Eine Stunde später war ich unterwegs.
Hinter mir ritten vierundzwanzig Mann und die beiden Zivilscouts Bill Chester und Blue Pete, ein Halbblutmann.
Ich trug wieder die Uniform.
O verdammt!
☆☆☆
In meinen Ohren waren wieder all die vertrauten Geräusche, dieses für eine Kavallerieabteilung typische Klirren, die Stimmen der Reiter, das Schnauben der Pferde – der trommelnde Hufschlag.
Ich hatte geglaubt, dies alles vergessen zu können. Doch nun war ich wieder dabei. Und die Tatsache, dass ich Offizier war, konnte mich nicht darüber hinwegtäuschen, dass ich abermals ein Gefangener der Armee geworden war.
Doch allein hätte ich für meine Linda nichts tun können.
Sie bei den Kiowas rauszuholen und mit ihr zu entkommen, wäre mir allein nicht möglich gewesen.
Ich musste verhandeln, musste mir etwas einfallen lassen, musste auf eine Menge Glück und mir gewogene Umstände warten.
Aber zuerst musste ich zu Red Joseph. Und so ritten wir zu jenem Platz, von dem aus die Fährte der Kiowas nach Westen führte. Sie war deutlich und klar, so richtig einladend und auffordernd. Es mochten an die fünfzig Krieger sein, die hier gewütet hatten und nun mit den drei weißen Geiseln nach Westen zogen. Ich versuchte mir auszurechnen, wie viele Krieger Red Joseph zur Verfügung haben könnte.
Und da kam ich auf eine Zahl zwischen vier- und fünfhundert, wenn er sie alle zusammengerufen hatte zu einem bestimmten Treffpunkt.
Ein großer Teil der Kiowas mit ihren Häuptlingen Satana und Lone Wolf befand sich noch im Reservat. Doch wenn Red Joseph Erfolg hatte, würden auch sie ausbrechen. Und dann waren sie zusammen mehr als tausend.
Das wieder würde die Armee zu einem großen Feldzug nötigen.
Bill Chester ritt neben mir. Einige Male tauschten wir wortlos einen Blick. Dann aber sagte er zu mir herüber: »Dieser Benteen wollte es mit der Duldung und dem Segen des Colonels dem Boy-General Custer nachmachen. Aber Red Joseph ist aus anderem Holz als Satana und Lone Wolf. Der weiß zu gut, dass die Armee nicht die gefangenen Frauen und Kinder aufhängen kann. Joshua, ich sage dir, er will sie wiederhaben. Und wenn drei weiße entführte Frauen nicht ausreichen, dann wird er sich noch mehr holen. Es gibt nur zwei Möglichkeiten.«
»Welche?« Ich fragte es scharf.
Er zuckte mit den hageren Schultern.
Dann sprach er: »Man muss ihm die Frauen und Kinder seines Dorfes zurückgeben, oder man muss ihn selbst in die Hand bekommen, um ihn gegen die drei armen Frauen eintauschen zu können. Custer konnte Satana und Lone Wolf einfangen. Er drohte, sie zu hängen, wenn ihre Kiowas sich nicht ergäben. Red Josephs Krieger würden dies sicherlich auch tun. Denn die Kiowas sind ihren Häuptlingen treu. Das gehört zu ihrem Stolz. Joshua, du hast also nur diese eine Wahl. Und der Colonel hockt im Fort mit Captain Benteen und hat dir den ganzen Mist in die Hand gedrückt. Was du auch tun wirst, irgendwie wird es dich zum Sündenbock machen.«
Er hatte nun alles gesagt.
Wahrscheinlich sah er es richtig. Es war ein verdammtes Spiel. Zwei Narren – nämlich dieser Colonel und der Captain – hatten es ausgebrütet.
Ich sah mich um und ritt dann zur Seite, ließ die Zweierreihe meiner Reiter an mir vorbei. Ich kannte sie alle. Sie gehörten ja zu meinem Zug, den ich als Sergeant geführt hatte.
Es wurde Nacht, und weil es eine sehr helle Nacht war, mit Mond und Sternen über der weiten Kansasprärie, blieben wir in den Sätteln. Und nach dem alten Brauch der US-Kavallerie stiegen wir nach jeweils fünf Meilen ab und liefen eine Meile. Das schonte die Pferde. Und so hielt man es, vor allem, wenn man nicht voraussehen konnte, ob man viele hundert Meilen reiten musste oder nicht.
Gegen Mitternacht endlich ließ ich anhalten auf der deutlichen Kiowafährte.
Wir machten Kochfeuer an. Sie sollten Red Josephs Spähern signalisieren, dass ich offen und in friedlicher Absicht kam.
☆☆☆
Am nächsten Morgen nach Sonnenaufgang waren wir wieder unterwegs.
Die Sicht war den ganzen Tag gut. Man konnte weiter als hundert Meilen sehen.
Und dann – am späten Nachmittag –, da waren plötzlich die Kiowas vor uns.
Sie sperrten in breiter Front ihre bisher so deutliche Fährte, der wir gefolgt waren. Es waren viele, mehr als zweihundert. Und ich wusste, es waren gewiss nicht alle, über die Red Joseph verfügen konnte.
Wir hielten an. Dann ließ auch ich meine Reiter, die bisher in Doppelreihe hinter mir ritten, in Linie rechts und links von mir aufschließen. So bildeten auch wir eine Frontlinie.
Aber diese war lächerlich schwach an Zahl gegen die der Kiowas.
Ich sah dann Red Joseph. Er ritt einige Yards weit nach vorn aus der breiten Front heraus und hob die Hand, so als wollte er sich zu erkennen geben.
Und so wandte ich mich an meinen Sergeant Pat O’Connor und sagte knapp: »Ich werde mit ihm reden. Wenn sie mich abschießen oder gefangen nehmen sollten, ergreift die Flucht.«
Und dann ritt ich vorwärts.
Auch Red Joseph tat es drüben.
Wir trafen uns in der Mitte zwischen unseren Reitern, deren Zahl und Stärke ja so unterschiedlich war. Wir hielten voreinander. Sein Hengst schnappte nach dem Maul meines Wallachs. Dieser wich etwas zurück.
Ich sah Red Joseph in die Augen.
Er trug nur drei Federn im Haar. Und dennoch wirkte er beachtlich. Ja, er war ein typischer Kiowa mit einem geradezu klassisch-römischen Profil. Er war hoch gewachsen und schlank, ganz in befranstes Leder gekleidet. Und er trug einen Revolver im Holster, was bei den Indianern ganz selten und außergewöhnlich war.
Aber ich wusste, er war einst getauft worden und in die Missionsschule der Jesuiten gegangen. Gewiss war er gebildeter als die meisten Weißen in diesem Land.
Und er sah mich mit seinen graugrünen Augen fest an. Sie standen etwas schräg. Ich erkannte eine gnadenlose Härte in ihnen.
Aber das konnte ich nur zu gut verstehen.
Ich nickte ihm zu und sprach dann: »Reden wir vernünftig miteinander. Ich kam her, um zu verhandeln.«
Er schüttelte leicht den Kopf.
»Es gibt nichts zu verhandeln«, sprach er dann. Sein Englisch war einwandfrei, wenn auch etwas tastend in der Wortwahl. »Hat euch der Fahrer der Kutsche meine Bedingungen nicht genannt? Wir ließen ihn deshalb am Leben. Ich will meine Frauen und Kinder zurück. Und wenn das geschehen ist, werden wir richtig Krieg machen. Ihr habt ein friedliches Dorf überfallen, alte und junge Krieger getötet, Frauen und Kinder geraubt. Ihr seid schlecht. Also reite zum Fort und hole die von euch Entführten. Schaff sie her. Dann bekommt ihr die drei weißen Frauen zurück. Ich kann aber noch mehr rauben lassen von meinen Kriegern. Wir bringen schnell einige Dutzend zusammen. Kehr um und hole alle, die ihr entführt habt.«
Er verstummte hart und wollte seinen roten Hengst herumziehen. Denn er hatte alles gesagt, was seiner Meinung nach zu sagen war.
Ich aber sprach ruhig: »Halt, Red Joseph, Halt!«
Er verharrte und sah mich fest an.
»Ihr habt auch meine Frau«, sprach ich. »Ich war schon kein Soldat mehr, als ihr sie aus der Postkutsche holtet. Ich wollte mit ihr weiter nach Santa Fe. Doch nun bin ich wieder Soldat geworden. Nun steht die Armee hinter mir. Ich bin nicht mehr allein gegen dich und alle Kiowas. Gib mir meine Frau zurück.«
Er schüttelte den Kopf.
Da sprach ich weiter: »He, Red Joseph, wie ist es mit dem vielgerühmten Kiowa-Stolz? Gibt es bei euch nicht die Regel, dass der Entführer einer Frau mit dem Mann der Entführten kämpfen muss? Ist es nicht so, dass es um Kriegerehre geht, wenn einem Krieger die Frau entführt wird? Und bin ich nicht ein Krieger wie du, auch ein Häuptling? Also, was sagen dir deine Ehre und dein Stolz? Lass uns um meine Frau kämpfen. Und sag deinen Kriegern, dass sie mich und meine Frau reiten lassen sollen, dass ich freien Abzug erhalte, wenn ich gewinne.«
Nun grinste er, so wie er es einst unter den Weißen gelernt hatte. Dann aber schüttelte er den Kopf.
»Nein, so geht es nicht«, erwiderte er. »Ich habe zwar deine Frau geraubt, doch sie nicht zu meiner Frau gemacht. Ich habe dich nicht entehrt. Also muss ich dir nicht die Möglichkeit geben, mit mir um deine Ehre zu kämpfen. Sie ist nur eine Geisel, mehr nicht. Auch meine Krieger rührten die drei Frauen nicht an. Wir sind stolze Kiowas – keine Apachen, Comanchen oder weiße Strolche und Abschaum der Grenze. Also reite zum Colonel in Fort Eagle zurück. Überzeuge ihn!«
Abermals wollte er seinen roten Hengst herumziehen.
Und noch einmal hielt ich ihn auf, diesmal mit den Worten: »Kann ich sie sehen und mit ihr reden?«
Er überlegte, lauschte gewissermaßen tief in sich hinein.
Dann sah er wieder fest in meine Augen.
»Du bist ein stolzer und furchtloser Mann, Lieutenant«, sprach er dann. »Ja, auch du bist ein Krieger und Häuptling. Ich will dir eine Gunst erweisen. Komm mit mir hinter die Bodenwelle.«
Nun zog er sein Pferd herum und ritt voraus.
Ich winkte meinen Reitern nochmals beruhigend zu und folgte ihm.
Wenig später musste ich durch die Front der Krieger.
O ja, ich spürte ihren Hass. Er prallte fast wie heißer Atem gegen mich.
Aber ich konnte diesen Hass verstehen. Denn viele dieser Krieger vermissten ihre Frauen und Kinder. Und ich trug die Uniform der Armee. Ich war das Symbol, welches sie hassten.
Dass sie mir nichts taten, mich keiner vom Pferd schoss, mich kein Lanzenstich traf und mir kein Kriegsbeil an den Kopf flog, dies erschien mir wie ein Wunder. Doch dann wurde mir klar, wie sehr Red Joseph seine Krieger unter Kontrolle hatte.
Ich folgte ihm über die Bodenwelle.
Unten war das Camp der Kriegshorde.
Und ich sah die drei Frauen.
Nach zwei Jahren sah ich endlich Linda wieder.
O ja, da war sie. Ihr rotes Haar leuchtete in der Abendsonne. Sie trug ein flaschengrünes Reisekostüm, welches die Farbe ihrer Augen hatte, an die ich mich so gut erinnern konnte, so als hätte ich erst gestern tief in sie hineingeblickt.
Auch die beiden anderen Frauen waren noch jung, also etwa in Lindas Alter. Sie alle wirkten natürlich etwas zerzaust und mitgenommen, staubig und abgerissen. Doch keine sah so aus, als hätte man ihr etwas angetan.
Sie hockten dicht beisammen am Boden und waren erschöpft. Sicherlich hatten sie sich wund geritten und waren körperlich verkrampft und voller Schmerzen. Aber sie sahen zu mir auf, als ich angeritten kam.
Und dann erhob sich Linda mühsam.
»O Joshua«, sprach sie heiser. »Kommst du mich holen, Joshua?«
Ich saß ab und nahm sie in die Arme.
Dann flüsterte ich in ihr Ohr: »Ich kann dich nicht mitnehmen, Linda, noch nicht. Es tut mir leid. Verzeih mir, dass du wegen mir in dieses verdammte Land kommen musstest – verzeih mir. Aber ich hole dich hier heraus – auch die beiden anderen Ladys. Ich bekomme euch auf irgendeine Art frei. Ich schwöre es!«
Was hätte ich ihr anderes ins Ohr flüstern können, indes sie in meinen Armen zitterte und ich ihre Enttäuschung körperlich fühlen konnte? Denn einen Augenblick lang versagten ihr die Beine, wollten unter ihr nachgeben. Ich musste sie in meinen Armen aufrecht halten.
Nun hatten sich auch die beiden anderen Frauen erhoben und traten mühsam zu uns.
Eine sagte: »He, Lieutenant, kommen Sie aus Fort Eagle?«
Über Lindas Kopf hinweg, der immer noch an meiner Schulter lehnte, sprach ich: »Ja, Ma’am, ich komme aus Fort Eagle. Ich bin Lieutenant Keel.«
»Und Sie reiten wieder zurück ohne uns?« So fragte sie. Sie hatte rauchgraue Augen und war hübsch. Aber sie war auch sehr energisch, offenbar auch sehr furchtlos.
»Dann kennen Sie gewiss auch Captain Benteen?« So fragte sie.
»Gewiss, Ma’am.«
»Ich bin Mrs Benteen«, sprach sie wieder. »Ich wollte meinen Mann überraschen. Und nun bin ich hier. Richten Sie ihm aus, dass er der Armee Feuer unter dem Hintern machen soll.«
»Das werde ich, Lady«, erwiderte ich – und meine Gedanken rasten wieder. Ich begriff, was für einen grausamen Scherz sich das Schicksal doch immer wieder mit uns Menschen macht.
Benteen hatte die Frauen und Kinder des Kiowadorfes entführt – und deshalb saß nun seine eigene Frau auch in der Klemme.
Ich sah auf die dritte Frau.
Und da gab es wohl keinen Irrtum. Sie gehörte zu einer anderen Sorte. Wahrscheinlich war sie eine Abenteurerin, eine Glücksjägerin – vielleicht auch das, was man eine Edelhure nannte.
Sie erwiderte meinen Blick fest.
Und in ihren grauen Augen war ein Ausdruck von Verachtung.
Dann sprach sie langsam mit dunkler Stimme: »Ich gehe jede Wette ein, dass die Armee uns im Stich lassen wird, weil sie sich nicht erpressen lässt. Lieutenant, Sie stecken mächtig in der Klemme, nicht wahr?«
Ja, so war es wohl.
Ich hielt Linda noch in meinem Arm und spürte ihren Kopf an meiner Schulter.
Bei uns stand diese Mrs Benteen, deren Mann uns das alles eingebrockt hatte. Und etwas zurück hinter Mrs Benteen stand die schwarzhaarige Frau, in deren Augen ich keine Furcht, sondern nur Verachtung erkennen konnte.
Irgendwie verspürte ich Respekt vor ihr. Denn ihr traute ich am ehesten zu, dass sie sich mit den Kiowas arrangieren und bei ihnen wie eine Squaw leben konnte. Diese Frau hatte sich auf ihren gewiss rauen Wegen wahrscheinlich schon oft arrangieren müssen, um überleben oder davonkommen zu können.
Ich hörte mich sagen: »Ma’am, ich werde tun, was ich kann.«
»Sicher, Soldat«, erwiderte sie.
Red Joseph hielt nicht weit von uns auf seinem roten Hengst. Er war nicht abgesessen, aber er beobachtete uns genau und hörte jedes Wort.
Nun sprach er kehlig: »Du hast die Frauen gesehen und mit ihnen gesprochen, Pferdesoldat. Noch ist ihnen nichts geschehen. Und noch sind sie die einzigen Geiseln. Aber wenn die Armee nicht bald die Frauen und Kinder meines Dorfes wieder freilässt, dann …«
Er sprach nicht weiter, doch er zeigte mir die Faust.
Ich löste mich von Linda.
Sie hatte sich endlich wieder gefangen und unter Kontrolle. Und so trat sie zurück und sah zu mir hoch.
»Also gut, Joshua«, sprach sie. »Wir setzen alle unsere Hoffnung auf dich.«
Dann wandte sie sich ab. Auch die beiden anderen Frauen taten es. Sie wirkten in diesem Moment auf mich, als wären sie Schwestern, so sehr waren sie sich im Ausdruck ihrer Bewegungen ähnlich.
Sie gingen zu jenem Platz zurück, wo sie bei meinem Kommen gehockt hatten. Und sie ließen sich dort wieder nieder.
Red Joseph aber sprach hinter mir: »Jetzt reite zum Colonel, Pferdesoldat. Sag ihm, dass die Kiowas einen sauberen Krieg führen wollen ohne Frauen und Kinder. Aber wenn er einen schmutzigen Krieg haben will, dann kann er ihn bekommen.«
☆☆☆
Es war ein Rückritt voller Bitterkeit. Ich fühlte mich hilflos, verraten und verkauft.
Aber was hatte ich denn erwartet?
Und dass die Frau von Captain Benteen selbst eine der drei Geiseln war, dies konnte mich natürlich nicht mit Schadenfreude erfüllen.
Nur meine Reiter – und natürlich auch die beiden Scouts –, die waren zufrieden. Denn sie blieben vorerst am Leben. Red Joseph hätte uns mit seiner großen Kriegerschar mühelos klein machen können.
Nun ritten wir zurück zum Fort.
Wir ritten die ganze Nacht und dann den halben Tag. Es wurde ein Gewaltritt. Als wir das Fort erreichten, stolperten unsere Pferde, und selbst die zähesten Burschen unter den Reitern waren ziemlich erledigt.
Der Colonel stand auf der Veranda der Kommandantur, als wir einrückten. Auch die Offiziere tauchten aus verschiedenen Richtungen auf.
Ich ritt vor die Kommandantur und meldete dem Colonel die Rückkehr meiner Doppelpatrouille.
Ein Soldat nahm mir mein Pferd ab. Hinter mir ließ Sergeant O’Connor meine Reiter absitzen und zu den Stallungen wegtreten. Sie würden noch ihre Pferde versorgen müssen.
Ich folgte dem Colonel in die Kommandantur.
Hinter mir drängten die Offiziere herein. Auch der Feldarzt kam.
Der Colonel nahm hinter seinem Schreibtisch Platz.
»Nun, Lieutenant?« So fragte er.
Ich erstattete Bericht und endete mit den Worten: »Sir, er blufft nicht. Wenn er die Frauen und Kinder seines Dorfes nicht zurückbekommt, dann …«
»Gut, gut, Lieutenant«, unterbrach er mich. »Sie brauchen mir das nicht deutlich zu machen. Es tut mir natürlich leid um die drei gefangenen Frauen. Aber die Armee und die Vereinigten Staaten lassen sich von einem roten Banditen nicht erpressen. Das geht nicht. Nur noch eine Frage habe ich, Lieutenant Keel. Vom Fahrer der Postkutsche wissen wir inzwischen, dass eine der drei Frauen nur nach Fort Eagle wollte, also zu uns hier. Konnten Sie erfahren, wer diese Frau ist?«
»Sicher, Colonel, Sir, sicher«, erwiderte ich. Denn ich hatte mir diesen bösen Triumph bis zuletzt aufgehoben.
»Diese Frau«, sprach ich langsam Wort für Wort, »ist eine gewisse Mrs Benteen. Und sie wollte zu Captain Benteen. Es muss sich um die Frau von Captain Benteen handeln, Sir.«
Nun hatte ich alles gesagt, und nun hatte er so richtig den schwarzen Peter in der Hand. Es war still. Man hörte nur das Atmen der Offiziere.
Dann blickten sie alle auf Captain Benteen.
Dieser hatte seine Hand erhoben und wischte damit immer wieder über sein Gesicht. Als er die Hand herunternahm, sahen wir, dass er kreidebleich war.
»Tut mir leid, Benteen«, klirrte da des Colonels Stimme.
Wir alle blickten auf den Captain. Dieser schluckte. Dann wandte er sich ab und ging hinaus.
Der Colonel sah uns alle der Reihe nach an.
»Wir sind Soldaten«, sprach er klirrend. »Die Pflicht geht uns über alles andere. Und die Armee kann sich nicht erpressen lassen. Basta!«
Er holte tief Luft.
Dann sprach er noch härter und klirrender: »Das wird dieser rote Hurensohn bitter büßen. Denn jetzt bekomme ich vom Oberkommando freie Hand für einen Feldzug gegen ihn und den Rest der noch in Freiheit lebenden Kiowas.«
»Und die drei Frauen, die er als Geiseln bei sich hat, Sir?«, fragte ich.
Er betrachtete mich hart. »Wir werden sie befreien«, versprach er. »Wenn wir diesen Red Joseph und dessen Horde eingekreist haben, dann werden sie freikommen.«
Ich sagte nichts mehr, denn es gab nichts mehr zu sagen.
Jetzt hasste ich die Armee. Und er, der Colonel, war ja nur ein Vertreter ihrer sturen Gnadenlosigkeit.
Der Colonel wollte drei weiße Frauen opfern.
Ich salutierte und ging hinaus.
Als ich die kleine Kammer meines Quartiers betrat, wartete dort Captain Benteen auf mich. Er hockte auf dem Schemel und starrte mir entgegen.
»Was hat sie gesagt?« So fragte er.
»Dass Sie der verdammten Armee Feuer unter dem Hintern machen sollen«, erwiderte ich. »Sie ist wohl ziemlich energisch.«
Er nickte und wischte sich übers Gesicht.
»Warum musste sie auch nach Fort Eagle kommen«, knurrte er dann. »Wissen Sie, Keel, sie will die Scheidung und sandte mir vor längerer Zeit schon Papiere, auf die ich meine Unterschrift setzen sollte. Scheidungseinwilligung nennt man das wohl. Aber ich unterschrieb nicht. Dann kamen ihre Briefe, die ich nicht beantwortete. Und nun kam sie selbst. Ist sie da nicht selbst schuld an ihrer jetzigen Situation? Kann ich dafür, dass sie längst eine Kiowasquaw sein wird, wenn wir sie befreien?«
Ich staunte ihn an. Und nun wusste ich genau, was ich immer schon ahnte. Er war ein Mistkerl.
Ich begann mich meiner staubigen Kleidung zu entledigen. Mein Bursche würde bald kommen und sie reinigen.
»Was denken Sie, Keel?«, fragte er. »Auch Sie haben eine Frau – eine Verlobte, nicht wahr? – bei den Kiowas. Was denken Sie, Keel?«
»Dass wir unseren Frauen gegenüber mit unserer Ehre und unserem Gewissen in der Falle sitzen. Und diese Falle ist die Armee, vertreten durch den Colonel. Das denke ich, Captain.«
☆☆☆
Irgendwann erwachte ich in der Nacht. Es musste zwischen Mitternacht und Morgen sein.
Im Fort war es laut. Es herrschte Bewegung. Stimmen erklangen, Befehle wurden gerufen. Hufschlag erklang vom Paradeplatz. Auch das Räderrollen der Bagagewagen war zu hören.
O ja, ich vermochte alles sofort richtig zu deuten.
Das Regiment machte sich fertig zum Aufbruch. Noch vor Morgengrauen würde der Colonel mit mehr als zweihundert Mann ausrücken und den Feldzug beginnen. Nur eine sehr schwache Besatzung blieb dann zurück.
Ich mit meinem Zug würde dazugehören. Denn wir hatten nach unserer mehr als dreitägigen Patrouille immer noch frei. Unsere Pferde waren noch zu erschöpft, auch die Reiter natürlich.
Ich erhob mich und kleidete mich an, trat hinaus aus meinem Quartier.
Die Züge und Kompanien sammelten sich. Die Bagagewagen fuhren auf. Bald würden die letzten Inspektionen stattfinden.
Dieser Colonel war ein Narr. Er glaubte an die Größe und Unüberwindlichkeit der Armee. General Custer hatte es ihm vorgemacht, als er Satana und Lone Wolf fing.
Und nun wollte auch er den Ruhm erlangen, den Rest der Kiowas befriedet zu haben. Was spielten dabei schon drei weiße Frauen als Kiowageiseln für eine Rolle? So mochte er denken.
Ich stand da im kalten Wind und fröstelte.
Und ich fragte mich, was ich tun konnte.
Abermals spürte ich diese gnadenlose Hilflosigkeit, Ohnmacht und Wut.
Verdammt, was konnte ich tun? Wie konnte ich Linda und den beiden anderen Frauen helfen?
Ich musste im Fort bleiben. Denn wäre es nicht so entschieden worden, hätte man mich in meinem Quartier längst geweckt. Ich würde meine Befehle schriftlich beim Adjutanten vorfinden. Dann würde ich wissen, was der Colonel mir zugedacht hatte.
Einen Moment lang dachte ich an Desertion. O ja, es wäre leicht für mich gewesen, einfach abzuhauen in Zivil.
Aber was dann? Ich besaß ja keine Zauberkräfte, um Linda und die beiden anderen Frauen aus der Gewalt der Kiowas befreien zu können – ich allein. Nein, da gab es keine Chance.
Sollte ich resignieren und nach Entschuldigungen suchen wie Captain Benteen?
Zug für Zug setzte sich in Bewegung, schwenkte ein und wurde zu einer langen Doppelreihe. So formierten sich die Kompanien.
Die Scouts hatten das Fort bereits verlassen.
Zuletzt kamen die sechs Bagagewagen.
Sie alle folgten dem Colonel auf die Prärie hinaus nach Westen.
Es dauerte lange, bis sich der Staub etwas legte.
Ich ging hinüber zur Kommandantur und trat dort ein.
Der Adjutant hockte dort hinter dem Schreibtisch und füllte sich ein Glas mit Brandy. Als er mich erkannte, fragte er: »Wollen Sie auch, Joshua?«
Ich nickte. Dann tranken wir.
»Befehle für mich?« So fragte ich dann.
Er nickte wortlos und schob mir ein Papier zu. Es war das übliche Armeeformular für schriftliche Befehle.
Und da konnte ich lesen:
Befehl für First Lieutenant Joshua Keel: Die im Fort befindlichen gefangenen Kiowas sind sofort in das Reservat zu bringen. Danach Rückkehr des 3. Zuges unter First Lieutenant Keel ins Fort.
J. Warwick, Colonel
Ich las es dreimal und verharrte dann starr.
Und viele Gedanken schossen mir durch mein Hirn.
Der Adjutant sagte: »Scheißjob, nicht wahr? Der bringt keinen Ruhm und keine Ehre. Wollen Sie noch einen Drink? Auch ich muss mich besaufen, weil ich hier sitzen und mit ein paar Mann das Fort bewachen soll. Ich wäre gerne mitgeritten.«
☆☆☆
Als es Mittag war und meine Reiter noch einmal ein kräftiges Mittagessen bekommen hatten, da brachen wir auf. Diesmal waren wir mehr als eine Doppelpatrouille. Ich nahm noch zwei Bagagewagen mit, in denen ich Proviant und Ausrüstung transportierte, aber auch Kranke und Erschöpfte fahren konnte.
Die Kiowas waren marschbereit.
Sie hatten eine Anführerin.
Als ich mit ihr sprach, stellte es sich heraus, dass sie meine Sprache besser sprach als ich ihre. Und sie sagte zu mir, als ich sie nach ihrem Namen fragte: »Nenn mich einfach nur Lerche, denn mein richtiger Name ist zu lang. Ich heiße ›Die wie eine Lerche singt‹. Nenn mich also einfach nur Lerche. Wohin wirst du uns bringen, Pferdesoldat? Ins Reservat zu Satana und Lone Wolf oder zu Red Joseph? Ja, wir wissen inzwischen, dass er drei weiße Frauen als Geiseln hat und sie gegen uns eintauschen will. Wohin also?«
»Es wird ein langer Weg«, sprach ich, »ein sehr langer Weg, denke ich.«
Sie starrte mich an, und sie war eine Squaw mit einer besonderen Ausstrahlung. Früher mochte sie eine Schönheit unter den Kiowafrauen gewesen sein. Nun wirkte sie irgendwie edel und weise.
Ich ahnte, dass sie gewiss keine gewöhnliche Squaw war.
Wir blickten uns eine Weile in die Augen. Ihre waren grüngrau, fast so wie Lindas Augen. Aber Linda und ich, wir hätten altersmäßig ihre Kinder sein können.
Ich leckte mir über die Lippen, denn sie waren plötzlich sehr trocken. Und ich sprach dann zu ihr: »Lerche, ich will fair sein zu euch. Ich will euch jede Erleichterung verschaffen, die mir möglich ist. Helft mir, so gut ihr könnt.«
Dann wandte ich mich ab und trat zu meinem Pferd.
Ich gab den Befehl zum Abmarsch.
Dann ritt ich an der Spitze durch das Haupttor und wandte mich nach Osten. Denn dort im Osten – weiter als vierhundert Meilen entfernt in Arkansas – lag die Indianer-Reservation, wo sich auch die Häuptlinge Satana und Lone Wolf mit ihren Dörfern befanden.
Nach etwa einer halben Meile ritt ich zur Seite und ließ den Zug an mir vorbeiziehen. Meine Reiter waren vorn, hinten und an den Flanken verteilt.
In der Mitte des langen Zuges zogen die Frauen und Kinder der Kiowas dahin. Sie gingen zu Fuß, aber die Schleppschlitten mit ihrer Habe wurden von Pferden gezogen. Dafür hatte ich gesorgt. Sie mussten nicht selbst schleppen. Auch mit Proviant waren sie gut versehen.
Bill Chester, der alte Scout, kam zu mir geritten.
Zwischen uns war fast eine Vertrautheit wie zwischen Vater und Sohn. Denn wir waren schon viele Patrouillen zusammen geritten, als ich noch First-Sergeant war.
Er sah mich seltsam an, indes er sein Pferd herumzog, bis wir nebeneinander Steigbügel an Steigbügel hielten.
»Was hast du vor, Pferdesoldat?« So fragte er, und es war eine Spur von Ironie in seiner Stimme, ein Klang von Nachsicht oder Verständnis, so als spürte er etwas mit feinem Instinkt.
Ich wandte den Kopf und erwiderte seinen forschenden Blick.
Dann sagte ich: »Bill, ich habe einen klaren Befehl. Und ich führe ihn haargenau aus.«
Das Forschen in seinen Augen wurde noch intensiver. Sein Instinkt tastete an mir herum. Ich spürte es fast körperlich.
»Und du brauchst deinen Scouts und deinen Untergebenen diesen Befehl natürlich nicht zu erklären oder – wenn du es schriftlich hast – ihn zu zeigen. Denn wir alle stehen ja unter deinem Befehl. Du befiehlst, und wir gehorchen.«
»So ist es, Bill«, erwiderte ich. »Und wer nicht gehorcht, den lasse ich erschießen. Darauf kannst du wetten.«
Er nickte. Und ich wusste, er wusste nun Bescheid, was ich vorhatte, was ich mir in der Nacht überlegt hatte.
Der Wind wehte immer noch kalt.
Regenwolken zogen heran, tief und drohend.
Als dann der Regen niederging und die Sicht so schlecht wurde, dass man es von den Aussichtstürmen des Forts gewiss nicht mehr erkennen konnte, da bog ich nach Norden ab. Bill Chester und Blue Pete, die neben mir ritten, sahen mich von der Seite her an.
Bill Chester sprach dann: »Ich wette, dass wir bald nach Westen abbiegen. Und dort gibt es keine Reservation der Kiowas. Joshua, wie lautet dein Befehl?«
Er fragte es hart, doch in seinen Augen erkannte ich Verständnis. Wahrscheinlich wusste er, dass ich ihn anlügen würde. Und das musste ich auch.
Ich erwiderte also: »Ich habe den Befehl erhalten – unabhängig vom Feldzug des Colonels –, die gefangenen Kiowas gegen die drei weißen Frauen einzutauschen. Ich bekam diesen Befehl schriftlich. Noch Fragen, Bill?«
Meine Stimme klirrte zuletzt.
Er schüttelte den Kopf.
»Sicher«, sprach er dann, »die Frau eines Captains der Armee und die Verlobte eines First Lieutenants sind als Geiseln bei Red Joseph. Ja, es scheint mir logisch zu sein, dass der Colonel zwei Spiele spielen will. Nun gut.«
Er ließ sich mit Blue Pete zurückfallen.
Und so ritt ich wieder an der Spitze.
Nur der Hornist hielt sich in einem Abstand von fünf Yards hinter mir, sodass ich ihm stets schnell Befehle für irgendwelche Hornsignale zurufen konnte.
Ich ritt also wieder allein an der Spitze. Das war irgendwie symbolisch. Denn ich war ja mit meiner Entscheidung allein.
Es war nun eine grimmige Genugtuung in mir, dass man bei der Armee unter Befehl stand und als Untergebener gehorchen musste.
Hier auf diesem Treck gab ich die Befehle.
Sie alle mussten gehorchen, auch wenn sie ahnten, dass ihr Offizier dabei war, zum Meuterer zu werden.
☆☆☆
Nun, wir zogen also bei schlechtestem Wetter nach Westen über die weite Kansasprärie in Richtung Vorberge von Colorado.
Dort irgendwo würde Red Joseph sein und auf den Colonel warten.
Irgendwie würde er jedoch durch seine Späher herausfinden und gemeldet bekommen, dass ich mit den Frauen und Kindern seines zerstörten Dorfes in seine Richtung unterwegs war. Und so war ich sicher, dass er mich irgendwo erwarten würde.
Mir taten die Frauen und Kinder leid. Denn das Wetter war böse. Sie gingen zu Fuß und beugten sich nach rechts gegen den Wind.
Einige kleinere Kinder und einige alte Squaws ließ ich in die Wagen laden.
Einmal – ich ritt ja immer wieder den langen Zug an den Flanken ab – ließ ich mein Pferd neben Lerche im Schritt gehen.
Sie blickte zu mir empor, und es war ein stillschweigendes Einverständnis zwischen uns. Ja, sie wusste Bescheid.
Ich ritt wieder nach vorn an die Spitze.
Nachdem der windige Regentag schon recht dunkel gewesen war, holte uns nun die Nacht von Osten her ein.
Wir blieben in Bewegung. Erst zwischen Nachtanbruch und Mitternacht, als die Nacht zu dunkel war, hielten wir an.
Es wurde eine böse Nacht.
Als der Morgen graute, hörte der Regen endlich auf.
Wir aßen kalten Proviant, denn es gab kein Brennmaterial für Kochfeuer. Die Büffelfladen, die man sonst als eine Art Holz benutzte, waren nass, zerweicht, zu flüssigem Dung geworden.
Bald brachen wir auf. Ich musste die Kiowas in Bewegung halten, damit sie wieder warm wurden. Bald würde es wohl unter den Schwachen die ersten Kranken geben.
Im Morgenlicht ritt ich wieder die lange Reihe ab.
Fast alle sahen zu mir hoch, doch es kam kein Strom von Feindschaft mehr gegen mich. Ich wusste, sie waren jetzt davon überzeugt, dass ich sie zu Red Joseph bringen wollte.
Sie taten mir leid – alle. Sie waren stolze Kiowas, die im Land ihrer Urväter in Ruhe und Frieden leben wollten, im Einklang mit der Natur.
Und der Büffel war gewissermaßen ihre Lebensbasis. Denn sie lebten von ihm. Er gab ihnen alles. Sie verwerteten ihn ganz und gar. Selbst seine Hufe zerkochten sie zu Leim.
Aber dann waren die Weißen gekommen.
Und ein stolzes Volk wie die Kiowas wurde zum Krieg gezwungen.
Ich verfluchte in meinen Gedanken die Armee und besonders diesen Captain Ernest Benteen, der das Dorf in Abwesenheit der meisten Krieger überfiel, ein Blutbad anrichtete, das Dorf zerstörte und diese Schar da als Gefangene nach Fort Eagle brachte, um sie als Geiseln für eine Erpressung zu benutzen.
Es war ein Verbrechen. Doch die Armee nannte es »Befriedung eines Krieg führenden Stammes«.
Es kommt ja immer wieder bei den Menschen auf den Standpunkt an, von dem aus man die Dinge betrachtet.
Wir waren also wieder unterwegs und in Bewegung. Ich fragte mich, wie weit ich mit den Gefangenen würde ziehen müssen – hundert, zweihundert oder gar dreihundert Meilen?
Wenigstens hatte der Regen aufgehört. Auch der scharfe, kalte und böse Wind ließ endlich nach. Nur der Boden war nass, das braune Büffelgras nass und schwer. Es war für die Fußgänger ein hartes, mühsames Vorwärtskommen.
Aber die Frauen und Kinder der Kiowas waren langes Wandern gewöhnt. Und diesmal hatten sie nur wenig Habe auf den Schleppschlitten. Captain Benteen hatte ja fast all ihre Habseligkeiten mit dem Dorf zerstört.
Ich dachte immer wieder an Linda.
Wie würde es ihr und den beiden anderen Frauen ergehen als Gefangene der Kiowas? Sie waren bei Kriegern, denen man die Frauen entführt hatte.
Konnte Red Joseph seine Krieger unter Kontrolle halten?
Ich vermochte es mir kaum vorzustellen. Denn es war gewiss nur eine Frage der Zeit. Und es kam wahrscheinlich auch darauf an, wie schnell der Colonel den Kiowas auf die Pelle rückte.