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G.F. Unger ist der erfolgreichste deutschsprachige Western-Autor. Mit einer Rekordauflage von über 250 Millionen Exemplaren gehört er zur internationalen Spitzenklasse der Spannungsliteratur. Und das zu Recht!
Niemand vermag es wie er, die unermesslichen Weiten des amerikanischen Westens und die Stärke der unerschrockenen Männer, die sie erschlossen, zu beschreiben. Erleben Sie den amerikanischen "Wilden Westen", wie nur G.F. Unger ihn schildern kann: hart, authentisch, leidenschaftlich.
Dieser Sammelband enthält die Folgen 2401 bis 2403:
2401: Sündige Stadt
In der kleinen Silberstadt Hope City gibt es niemanden, der für Recht und Ordnung sorgen könnte. Doch dann vergehen sich die Townwölfe an Lin McAdams schöner Freundin Josefine Lamont ...
2402: Scout-Ehre
Häuptling War Cloud würde seine Geiseln nur freigeben, wenn ich ihm die Mörder seiner Krieger brachte. Ich versuchte das Unmögliche, ging es doch um zwei weiße Frauen und meine Ehre als Scout ...
2403: Bandoleros
Ich tat mich mit dem Abschaum der Grenze zusammen, denn ich brauchte Hilfe gegen die Besatzer aus dem Norden, die uns Texanern das Blut aus den Adern saugten ...
Der Inhalt dieses Sammelbands entspricht ca. 250 Taschenbuchseiten.
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Seitenzahl: 445
Veröffentlichungsjahr: 2020
G. F. Unger
G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 18
Cover
Impressum
Sündige Stadt
Vorschau
Sündige Stadt
Kurz bevor sie den Brunnen bei den Adobemauern der alten Mission erreichen, bricht an ihrem ersten Wagen die Vorderachse. Und der zweite Wagen verliert fast in der nächsten Sekunde sein linkes Hinterrad.
Molly Spillanes Mädchen beginnen zu fluchen, und Angie ruft bitter zum Himmel empor: »Und wann lässt du endlich Bullshit auf uns regnen, o Herr dort oben!«
Molly Spillane aber ruft vom Fahrersitz ihrer Kutsche: »Seid still, meine Engelchen! Oh, seid still und benehmt euch wie Ladys!«
Sie richtet ihren Blick dann auf die verfallen wirkende Mission, die nun eine Pferdewechselstation der Post- und Frachtlinie zwischen El Paso und Santa Fé ist. Doch scheint die Station tot zu sein. Denn nichts regt sich. In den Corrals sind keine Tiere. Und an einem Stützbalken des Verandadaches ist ein Stück braune Pappe angenagelt.
Molly Spillane sagt: »Laura, sieh nach, was dort auf der Pappe am Stützbalken steht. Lies es laut vor. Geh schon, Kindchen!«
Eines der Mädchen geht hinüber und liest dann laut vor: »Ihr könnt mich alle mal kreuzweise! Denn ich habe eine Silberader gefunden. Ich bin nach Tucson unterwegs, um sie registrieren zu lassen. Diese Station mit dem Brunnen ist mein Eigentum. Aber ich schenke sie dem, der als Erster Anspruch darauf erhebt und gewillt ist, sie der Post- und Frachtlinie zu den gleichen Bedingungen wie ich zur Verfügung zu stellen. In dem Fall gilt dieses Stück beschriebene Pappe als Schenkungsurkunde. Barney Taggert. Francisca Station am Wagenweg El Paso/Santa Fé, 17. Juli 1870.«
Nachdem Laura dies vorgelesen hat wie jemand mit längerer Schulbildung, sagt Molly Spillane sanft: »Bring mir dieses Pappstück her, mein Engelchen.«
Das Mädchen gehorcht. Als sie das Pappstück hinauf zu Molly Spillane reicht, fragt Laura spöttisch: »Wollen wir das Angebot annehmen, Tante Molly, und uns hier niederlassen als Stationsleute, vielleicht gar hier eine Stadt gründen, aus der man uns nicht verjagen kann, weil es unsere Stadt ist?«
Molly Spillane lächelt mit ihrem Mondgesicht auf Laura nieder. In ihren so klugen Augen funkelt es seltsam.
»Wie gut, dass ihr Tante Molly habt, meine Engelchen«, sagt sie. »Begreift ihr denn nicht, dass dies alles eine wundersame Fügung sein muss? Hier brechen unsere klapprigen Wagen zusammen. Und hier bekommen wir Grundbesitz und einen Brunnen inmitten einer wasserlosen Gegend geschenkt. Der Stationsmann aber fand eine Silberader. Wo kann er sie gefunden haben? Doch nur in der Nähe dieser alten Mission! Ich wette, dass wir sie im Umkreis von weniger als einer Meile finden würden, wenn wir gute Spurenleser wären. Dieser Stationsmann konnte nie weit weg von seiner Station. Vielleicht entfernte er sich nur, um brennbares Zeug zu sammeln. Wir besitzen eine Station, in deren nächster Nähe eine Silberader gefunden wurde. Was also wird sein, meine Engelchen?«
Die Mädchen und auch die beiden männlichen Fahrer der zwei Wagen springen nun auf den staubigen Boden. Sie versammeln sich bei Molly Spillane wie unter einer Predigerkanzel und blicken andächtig zu ihr empor.
»Oh, Tante Molly«, sagt Sue überwältigt, »in deinem Hirn knistert es wohl mächtig, nicht wahr? Auch in meinem Kopf tut es das. Und so kann ich deine Frage sicherlich beantworten. Wenn der Silberaderfinder das Ding in Tucson anmeldet, wird sich das herumsprechen. Und so werden sie bald in Scharen herbeiströmen. Ein Run wird losbrechen.«
»Richtig, Sue, mein Täubchen. Dich habe ich schon immer für meine Klügste gehalten. Sie werden kommen und nach Silber suchen. Und wo eine Ader ist, gibt es noch mehr. Eine Stadt wird entstehen. Hier bei uns! Denn all diese Burschen werden zu uns kommen, weil sie bei uns bekommen, was ihnen Freude macht. Versteht ihr? Die neue Stadt wird hier bei uns entstehen. Denn ihr seid der Honig, zu dem die Bären kommen. Also, meine Engelchen: Wir bleiben hier und nehmen das alles hier in Besitz. Wir richten alles her, so gut wir können. Blue Joe und Paco Hernandez sind tüchtige Handwerker. Und wir werden ihnen nach besten Kräften helfen. Habt ihr verstanden? Wir werden hier arbeiten, dass die Schwarte kracht! Es wird ein richtiger Kampf werden. Und das erinnert mich an ein Wort, welches ich irgendwo mal in einem Buch lesen konnte. Es lautet: ›Wer nicht kämpft, hat schon verloren!‹ Sie jagten uns aus Rosalia, aber nun gründen wir hier unsere eigene Stadt! Basta!«
Sie verstummt hart und starrt in die Ferne wie eine Seherin, welche imstande ist, die Zukunft vor ihrem geistigen Auge zu sehen.
Und die Mädchen und die beiden Männer – ein Schwarzer und ein Mexikaner – blicken fast gläubig zu ihr empor.
☆☆☆
Es ist keine zwei Stunden später – und sie sind noch dabei, ihre Habe auszuladen oder aus den Trümmern der zusammengebrochenen Wagen auszusortieren –, da tauchen drei Reiter auf dem staubigen Wagenweg auf, welcher hier vorbeiführt, weil dies die einzige Wasserstelle weit und breit ist.
Molly Spillane sieht den drei Reitern entgegen und seufzt bitter. Dann sagt sie zu den beiden männlichen Helfern ihrer Truppe: »Paco, Blue Joe, ihr haltet euch heraus. Mischt euch nur nicht ein. Denn da kommen drei böse Finger angeritten. Die schießen euch über den Haufen, wenn ihr uns vor ihnen zu schützen versuchen solltet. Das sind die Rafferty-Brüder.«
Sie alle bilden nun zwischen den alten Gebäuden und dem großen Brunnen eine abwartende Gruppe.
Die drei Reiter kommen grinsend herangeritten.
Sie betrachten die mehr oder weniger zusammengebrochenen Wagen, und als sie anhalten, sagt Sego Rafferty: »Ihr habt aber eine mächtige Pechsträhne, ihr Süßen. Gab es denn in Rosalia keine besseren Wagen für euch?«
»Nein«, erwidert Molly Spillane ernst. »Die haben uns den letzten Dreck für Neuwert verkauft, bevor sie uns aus der Stadt wiesen, diese so ehrenwerten und untadeligen Bürger von Rosalia. Sie haben sogar noch nachträglich doppelte Bürgersteuern kassiert und uns bettelarm gemacht. Was wollt ihr denn hier?«
Es ist zuletzt eine glasharte Frage. So fett sie auch ist, ihre Stimme klirrt jetzt wie Metall.
Die drei Rafferty-Brüder grinsen. Sie haben breite Mäuler, welche stets gierig wirken, so als wären sie niemals satt und ständig heißhungrig nach allen Dingen des Lebens.
Ernest Rafferty sagt: »Ach, wir dachten uns, dass wir es jetzt mal andersherum machen könnten. Bisher habt ihr uns stets das Geld abgenommen, wenn wir uns in eurem sündigen Etablissement vergnügten. Jetzt wollen wir mal kassieren. Wir sind hier, um euch die letzten Dollars wegzunehmen. Kapiert?«
Nun grinsen sie nicht mehr. Nun geht von ihnen die gnadenlose Gier von Wölfen aus, welche ein Rind in eine Schlammkuhle trieben, aus der es mit eigener Kraft nicht mehr herauskommen kann.
Molly Spillane und deren fünf Engelchen begreifen es schnell.
Und natürlich tun das auch die beiden Männer – der piratenhafte Paco und der riesige Neger Blue Joe.
Aber gegen diese drei Revolverhelden und Banditen hätten sie keine Chance. Sie wissen, die Raffertys lauern nur darauf, es ihnen zu geben mit ihren schnellen Colts. Überdies hat Molly ihren beiden männlichen Helfern jede Einmischung verboten.
Sie sagt nun zu den Rafferty-Brüdern: »Jungs, seid fair zu uns. Die so seriösen Bürger von Rosalia haben uns bereits ausgeplündert. Uns blieben nur wenige Dollars, die wir unbedingt zum Leben brauchen. Stürzt uns nicht noch tiefer ins Unglück. Lasst uns in Frieden.«
Aber die Rafferty-Brüder schütteln die Köpfe, sodass unter ihren Hüten die langen, bis auf die Schultern fallenden Haare nur so fliegen. Sie sitzen ab.
Sego Rafferty sagt dann: »Wir werden alles durchsuchen – sogar in euren Unterröcken werden wir nachsehen. Na los, zieht euch schon mal aus. Es ist schön warm in der Sonne. Ihr werdet nicht frieren. Wir durchsuchen alles. Und ich wette, es wird noch eine ganze Menge zusammenkommen. So arm, wie ihr tut, seid ihr bestimmt noch nicht, denn ihr habt lange genug den Männern von Rosalia und aus der Umgebung zu beiden Seiten der Grenze eine Menge abnehmen können. Vorwärts! Ausziehen!«
Sie meinen es wahrhaftig ernst.
Molly Spillane hebt ihre dicken Patschhände, so als wollte sie sich vor einer Revolvermündung ergeben. Dann sagt sie seufzend: »Also gut, Jungs, wir sind in eurer Hand. Ich will euch meine ganze Kasse übergeben, alles, was wir noch besitzen. Wartet, ich habe es dort in diesem Kasten. Und ich muss ihn erst aufschließen.«
Sie bewegt sich mit ihrer ganzen Masse. Da sie auch recht groß ist für eine Frau, wiegt sie gewiss mehr als dreihundert Pfund. Sie bewegt sich scheinbar mühsam, macht Schritt für Schritt zu dem im Staub liegenden Gepäck bei dem Wagen, den sie selbst fuhr. Sie tritt zu einem schwarzen Kasten und holt einen Schlüssel aus ihrem Ausschnitt hervor, den sie dort wie ein Medaillon an einer goldenen Kette trug.
Als sie sich bückt und das Vorhängeschloss des Kastens aufschließt und abnimmt, da treten zwei der Rafferty-Brüder zu ihr, verharren rechts und links von ihr dicht beim Kasten. Denn sie sind neugierig auf den Inhalt.
Es geht zuerst alles sehr langsam und bedächtig, dann aber blitzschnell und völlig unerwartet.
Molly Spillane öffnet den Kastendeckel zögernd. Man sieht förmlich, wie schwer es ihr fällt, den Banditen das letzte Geld, das sie besitzen, auszuhändigen.
Die beiden Rafferty-Brüder aber beugen sich rechts und links von ihr weit vor, um etwas sehen zu können. In dem Kasten herrscht ein heilloses Durcheinander. Sie erkennen eine Menge noch versiegelter Spielkartenpäckchen, allerlei Papiere, einige Geldbörsen und Brieftaschen, Beutel und auch Schmucketuis.
Die Rafferty-Brüder wollen hineingreifen und beugen sich zu diesem Zweck noch tiefer herunter.
Und da greift Molly Spillane zu wie ein Preisringer. Sie nimmt Ernest Rafferty links und Sego Rafferty rechts in den Schwitzkasten, und stößt die Köpfe der Männer zusammen.
Die Rafferty-Brüder wiegen zusammen nicht so viel wie Molly Spillane. Und diese besitzt offenbar die Kraft eines Dreihundertpfundpreiskämpfers.
Der dritte Rafferty – sein Vorname ist Ringo – sieht diesem Tun mit verblüfftem Staunen zu. Er vermag das, was er da sieht, einfach nicht zu glauben, und zögert wahrhaftig mehrere Sekunden.
Als er dann ebenfalls aufbrüllt und nach dem Colt schnappt, ist es zu spät. Paco Hernandez wirft nämlich blitzschnell sein Messer, welches er hinter dem Nacken unter dem weiten Hemd hervorholte.
Und dann gibt es die Rafferty-Brüder nicht mehr lebend auf dieser Erde.
Molly Spillane schnauft laut, muss sich von ihrer Anstrengung erholen. Sie blickt auf die beiden Toten zu ihren Füßen, die sie fallen ließ, nachdem sie ihnen die Schädel gegeneinander stieß.
Als sie den Blick hebt, nickt sie Paco dankend zu. Dann spricht sie fast feierlich: »Sie waren zwar keine Christenmenschen, sondern zweibeinige Raubtiere, doch wir werden sie auf dem alten Missionsfriedhof beerdigen. Denn wir haben kein Recht, sie einfach nur zu verscharren. Wahrscheinlich hatten sie einst Mütter, die sie liebten. Diesen Müttern zuliebe …«
☆☆☆
Noch bevor es Nacht wird, sind auf dem Friedhof der alten Franziskanermission drei neue Gräber.
Die Mädchen und die beiden Männer bilden bei den Gräbern eine stumme Gruppe.
Molly Spillane spricht: »Der Herr nahm damals Jesu Opfergang für die Schuld der ganzen Welt an, obwohl Jesus so rein war. Vielleicht gilt dies immer noch für uns Sünder. Amen.« Sie macht eine kleine Pause. Dann spricht sie hart und entschlossen: »Es werden noch mehr kommen, die uns daran hindern wollen, hier unsere Stadt zu errichten. Wir wollen ihr nun einen Namen geben, nämlich Hope. Denn mit ihr verbinden sich von nun an all unsere Hoffnungen. Hope ist ein gutes Wort! Hope soll unsere Stadt heißen!«
»Ja!« Die fünf Mädchen und die beiden Männer rufen es siebenstimmig wie einstudiert.
Und so gibt es eigentlich nichts mehr zu sagen.
Denn Hope – also Hoffnung – ist wahrhaftig ein gutes Wort.
☆☆☆
Schon am nächsten Tag kommen kurz nacheinander einige Dinge in Gang, als wäre dies alles von einem geheimnisvollen Regisseur so geplant worden.
Am frühen Vormittag taucht ein Reiter auf, welcher eine Pferdeherde von gut drei Dutzend Tieren treibt. Der Reiter stößt immer wieder scharfe Rufe und Pfiffe aus und hat ziemliche Mühe, die kleine Herde beisammenzuhalten und vorwärts zu bringen. Man sieht den Tieren an, dass sie noch längst nicht richtig gezähmt und zugeritten sind. Der Reiter ist abgerissen, struppig und langhaarig.
»Ich wette, das ist ein Wildpferdjäger«, sagt Molly Spillane. »Der hat gewiss einen Vertrag mit der Post- und Frachtlinie und wird sich wundern, dass jener Barney Taggert nicht mehr die Station führt.«
Molly Spillanes Worte beweisen einmal mehr, wie erfahren sie ist und wie gut und schnell sie denken kann. Denn als der Reiter seine Pferde in einen der Corrals getrieben hat, welche hauptsächlich von Trockenmauern gebildet werden, da kommt er zum Brunnen geritten, wo ihn die Gruppe erwartet.
Er zieht höflich seinen Hut und schwingt ihn im Sattel wie ein spanischer Hidalgo.
»He«, sagt er und zeigt in seinem dunklen Gesicht zwei blinkende Zahnreihen, »das ist ja ein wunderschöner Anblick. Davon habe ich in den letzten Wochen jede Nacht geträumt. Ich wünschte mir dann stets, dass mir die Biester nicht die Knochen brechen und ich eines Tages wieder zu den Menschen zurückkommen und so etwas noch mal sehen könnte. O ihr Schönen, in welche von euch werde ich mich verlieben?«
Sie mögen ihn vom ersten Moment an. Denn sein blinkendes Zähnezeigen und seine Stimme gefallen ihnen. Auch grüßte er sie wie Ladys, erwies ihnen keinen ironischen, sondern einen ernst gemeinten Respekt trotz seines Lachens.
»Wo ist Barney Taggert, ihr schönen Ladys?« So fragt er schließlich und sieht sich im Sattel um.
Molly Spillane hebt ihren dicken Zeigefinger.
»Barney fand eine Silberader«, beginnt sie und berichtet dann die ganze Geschichte mit wenigen Sätzen. Und sie schließt mit den Worten: »Wir sind also durch seine Schenkung seine Nachfolger. Und wir werden nicht nur diese Station in seinem Sinne weiterführen, sondern hier eine Stadt gründen. Die Pferde übernehmen wir an Barney Taggerts Stelle natürlich von Ihnen, Wildpferdjäger. Nur müssen sie noch besser zugeritten und an das Laufen im Gespann vor einer Postkutsche gewöhnt werden. Können Sie das übernehmen, da es Barney hier nicht mehr gibt?«
Der Mann im Sattel staunt und grinst wieder.
Er sieht die Mädchen der Reihe nach an.
»Ja«, sagt er, »ich werde eine Weile bleiben. Für jedes Pferd, das im Gespann vor einer Postkutsche laufen kann, bekomme ich fünf Dollar. Und schon jetzt erhalte ich zwanzig Dollar für jedes Pferd. Es sind ausgesuchte Tiere aus einer großen Herde von mehr als hundert Stück, die ich in eine Sackschlucht jagte. Es sind Tiere für eine Überlandkutsche, denn sie sind zäh und können …«
»Ich glaube Ihnen, Mister«, unterbricht ihn Molly. »Und sehen Sie, dort kommt bereits die Postkutsche!«
Sie alle blicken nach Norden. Und von dort, aus Richtung Santa Fé, nähert sich eine Staubwolke, vor der eine bunte Abbot-&-Downing-Kutsche sechsspännig angesaust kommt. Es ist ein prächtiges Bild.
Dann hält die Kutsche mit kreischenden Bremsen, wird von ihrer Staubwolke eingeholt. Durch den wirbelnden Staub vor den Missionsgebäuden und beim Brunnen brüllt die heisere Stimme des Fahrers: »Barney! Hoiii, Barney, wo bist du? Und verdammt, wo ist das frische Gespann?«
Der Staub legt sich langsam. Aus den Fenstern der Postkutsche blicken die Gesichter der Passagiere. Die Schläge öffnen sich. Nun kommen sie heraus, um sich am Brunnen bei den Wassertrögen zu erfrischen.
Der Fahrer und dessen Begleitmann aber wollen wieder wütend nach Barney Taggert rufen. Sein Blick fällt auf den Wildpferdjäger. Auch der Begleitmann sieht ihn nun. Und zweistimmig sagen sie grimmig: »Oh, McAdam, wo ist Taggert?«
Der Wildpferdjäger grinst und erwidert: »Ihr müsst mit eurem Gespann noch dreißig Meilen weiter und werdet mächtig Verspätung bekommen. Barney hat eine Silberader gefunden, und seine Pferde hat er mitgenommen. Wahrscheinlich wird er sie verkaufen, um Betriebskapital zu haben für den Abbau der Silberader. Ich brachte zwar soeben neue Pferde, aber die gehen noch nicht im Gespann. Und die Tiere dieser Ladys, mit denen sie kamen, sind uralt und klapprig. Du musst mit diesem Gespann weiter, Jay Flippen.«
»He«, staunt der Fahrer. »Barney hat eine Silberader gefunden? Wo denn?«
McAdam hebt seine muskulösen Schultern und lässt sie wieder sinken.
»Das werden wir wissen, wenn Barney Taggert zurück ist mit Werkzeugen, Arbeitern und wer weiß noch was. Und es wird dann ein Run losbrechen. Ihr werdet bald nicht mehr nur einmal die Woche, sondern jeden Tag fahren müssen. Ich werde mich mit den neuen Pferden beeilen, sodass bald wenigstens ein neues Sechsergespann zu gebrauchen ist. Dies ist Mrs Molly Spillane, die neue Besitzerin der Station. Sie wird mit ihren Ladys die neue Stadt gründen. Hope soll sie heißen. Das kannst du unterwegs alles erzählen, Jay Flippen.«
»Oooh, Lin McAdam«, stöhnt dieser und staunt Molly Spillane und deren Truppe an, welche erst jetzt so richtig sichtbar werden, weil der Staub sich endlich gelichtet hat.
»O Vater im Himmel«, sagt sein Begleitmann und staunt. »Das kann doch nur eine Stadt der süßen Sünden werden, nicht wahr? Oha, was hat uns dieser Barney Taggert da eingebrockt mit seiner Silberader?«
»Vielleicht sollten wir auch nach einer Silber- oder Goldader suchen.« Dies erwidert der Fahrer. Dann entschließt er sich und ruft: »Alle Passagiere mal herhören! Wir müssen mit dem gleichen Gespann weiter! Deshalb müssen wir die Pferde erst mal verschnaufen lassen, sie auch tränken. Wir haben eine Stunde Aufenthalt, Leute!«
☆☆☆
Als die Kutsche nach etwas mehr als einer Stunde die Fahrt fortsetzt, fahren nicht alle Passagiere mit. Drei bleiben in Hope, um hier auf den Silberrun zu warten. Es sind drei Glücksjäger und Abenteurer unterschiedlichen Alters, die sich offenbar erst in der Kutsche kennen lernten und sich vorher nie begegnet sind.
Es ist ganz klar, was sie tun wollen.
Denn auch sie begriffen schnell, dass jener Barney Taggert, welcher hier die Station führte, die Silberader ganz in der Nähe gefunden haben muss. Denn er konnte nie weit weg von hier.
Also wollen sie auf seine Rückkehr warten und sich dicht bei seiner Silberader ihre Claims abstecken.
Einer der drei Männer war gewiss früher einmal ein Preiskämpfer.
Ein anderer hinkt leicht und wirkt wie ein ehemaliger Offizier, den die Not zum Spieler machte.
Und der dritte Mann ist alt und grau, mit einer Nickelbrille im gütig wirkenden Gesicht. Als sie von Molly zum Mittagessen in das Stationshaus eingeladen werden, dem Haupthaus der alten Missionsgebäude, da stellen sie sich vor.
Der Expreiskämpfer nennt sich Henry Wade. Dan Lamont ist der Name des hinkenden Ex-Offiziers, der ein Spieler wurde. Und der dritte Mann stellt sich als Doc Millard McIntire vor.
»Ein richtiger Doc, ein Arzt?« So fragt Molly Spillane freudig.
»Ja, ich habe Äskulap, dem Gott der Heilkunst, meinen Eid geleistet«, erwidert der so gütig wirkende Alte. »Doch ich praktiziere nicht mehr. Ich habe meine Gründe dafür.« Die letzten Worte spricht er abweisend und hart. Und in seinen Augen ist nun kein gütiger Blick mehr, sondern ein hartes Glitzern.
Es wird dann nicht mehr viel gesprochen.
Die drei Gäste müssen jeder einen Vierteldollar für das Essen zahlen. Dann geht man wieder an die Arbeit.
Molly, ihre fünf Mädchen und deren männliche Helfer richten in allen Gebäuden die Räume wieder her. Man findet Lehm in der Nähe und kann Risse zuschmieren, herausgefallene Adobeziegel wieder festmauern und auch neue Ziegel herstellen.
Es gibt viel zu tun.
Molly Spillane blickt einmal lange zum alten und fast verfallenen Glockenturm der einstigen Mission hinauf.
Und sie spricht dann feierlich: »Und eines Tages will ich dort oben eine richtige Glocke haben, welche über die ganze Stadt und im weiten Umkreis ihre Stimme ertönen lässt.«
☆☆☆
Es ist dann noch am Abend desselben Tages, als Barney Taggert an der Spitze von drei schweren Wagen und in Begleitung von einem Dutzend Männern zu seiner verschenkten Station zurückkehrt.
Lin McAdam, der Wildpferdjäger, erkennt ihn auf einem grauen Pferd und ruft halb laut: »Dort kommt Barney Taggert! Und seht, er hat eine Menge Leute und drei schwere Wagen voll Ladung mitgebracht. Jetzt werden wir bald erfahren, wo seine Silberader liegt. Denn jetzt, da er sie gewiss registrieren ließ, kann er sie jedem Menschen zeigen. Niemand kann sie ihm mehr wegnehmen. Seht ihn euch an, da kommt der große Glückspilz!«
Sie alle sehen den Näherkommenden entgegen. Und dann sehen sie noch etwas. Denn hinter Barney Taggerts drei Wagen – nur etwa hundert Yards zurück –, da kommt die gierige Meute, da sind Reiter und Wagen jeder Sorte. Es sind gewiss jetzt schon mehr als hundert Menschen, und sie sind erst der Anfang. Sie halten sich jetzt nur deshalb zurück, weil sie noch nicht die Lage von Barney Taggerts Silberader kennen. Doch wenn sie erst wissen, wo er seinen Claim abgesteckt hat, dann werden sie sich um die Nachbarclaims schlagen, dann wird an seinen Grenzen die Hölle losbrechen.
Sie sehen nun auch alle, von welcher Sorte Barney Taggerts Männer sind. Drei davon sind die Fahrer seiner Wagen. Und drei weitere könnten gute Handwerker oder Minenleute sein. Aber die anderen sechs sind Revolvermänner, hartgesichtige Burschen.
Barney Taggert ist also ein erfahrener Mann, der sich von Anfang an behaupten will und Vorsorge traf.
Er führt seinen kleinen Zug bis vor den Brunnen und lässt anhalten.
Molly Spillane tritt einige Schritte näher an sein Pferd heran und spricht zu ihm empor: »Barney Taggert, ich bin Ihre Nachfolgerin hier. Ich nahm die Schenkungsurkunde vom Pfosten. Und wenn hier alles einmal richtig läuft, dann haben Sie bei uns stets alles umsonst.«
Sie macht bei ihren Worten mit beiden Armen und Händen eine großartig wirkende einladende Bewegung und schließt damit auch die Gruppe ihrer Mädchen ein.
Diese sehen zwar jetzt in ihrer Arbeitskleidung nicht so reizvoll aus wie in ihren Flitterkleidchen, aber man sieht ihnen dennoch an, dass sie zur Sorte der Honeybees gehören, von denen man sich für Geld eine Menge Wünsche erfüllen lassen kann.
Und sie lächeln Barney Taggert auch wie auf Kommando verheißungsvoll an, so als würde es ihnen Freude machen, mit ihm ein paar paradiesische Stunden zu verleben.
Barney Taggert ist ein dürrer, ziegenbärtiger Bursche, einer von jener Sorte, deren Alter schwer zu schätzen ist und die man überhaupt zumeist stark unterschätzt, weil sie nicht besonders stattlich oder imposant wirkt. Als er nun den alten Hut abnimmt, um sich zu kratzen, da sieht man, dass er kaum noch Haare auf seinem Eierkopf hat.
Er grinst mit abgenutzten, braunen Zähnen und sagt: »Lady, ich fühle mich sehr nobel bevorzugt. Und ganz gewiss komme ich auf Ihr süßes Angebot noch zurück. Doch jetzt werde ich erst mal dieser gierigen Meute zeigen, wo meine Silberader liegt. Die werden sich um die benachbarten Claims prügeln – ja, vielleicht sogar gegenseitig umbringen. Und wissen Sie, Lady, was das Schönste ist, wenn man der Entdecker einer Silber- oder Goldader ist? He, man kann ihr auf alle Nachbarclaims folgen, wohin sie auch führt. Und man bekommt von allen Nachbarclaims noch die Hälfte ab. He, es geht weiter! Es ist keine halbe Meile mehr!«
Seine beiden letzten Sätze ruft er laut. Sie sind an seine Begleiter und die Fahrer der Wagen gerichtet.
Und so setzen sie sich alle wieder in Bewegung.
Hinter ihnen aber folgt die Meute, jetzt schon zum Losstürmen bereit. Sie alle können sich kaum noch zurückhalten.
Die Leute der alten Missionsstation, welche von Molly Spillane nun den Namen Hope bekam und vielleicht einmal Hope City oder auch Silver Hope heißen wird, sehen ihnen nach.
»O weia«, sagt der ehemalige Preiskämpfer Henry Wade und lacht, »da werden sich die edlen Christenmenschen gleich um die Beute balgen wie die Wölfe nach einem langen Blizzard um einen Fraß. O weia, sollen wir da mitmachen?«
Seine Frage gilt den beiden anderen Männern, welche mit ihm aus der Postkutsche stiegen und nicht mehr weiter nach Süden reisen wollten.
Der Exoffizier und nunmehrige Spieler Dan Lamont schüttelt den Kopf.
»O nein, gewiss nicht«, sagt er mit einer Spur von Verachtung in der Stimme. »Unsere Silberader liegt hier. Nicht wahr, Ma’am?« Er sieht Molly Spillane an. »Als Eigentümerin dieser Station und der zukünftigen Stadt werden Sie mir doch gewiss gegen zehn Prozent Gewinnbeteiligung die Konzession für eine Spielhalle geben?«
»Für fünfundzwanzig Prozent.« Molly Spillane lächelt. »Und auch nur vorerst zur Probe, bis ich herausgefunden habe, was mit Ihnen los ist, Mister.«
»Und ich werde ihm helfen.« Henry Wade grinst. »Ich bin ein guter Rauswerfer und Mann für alle nur erdenklichen Fälle. Ich habe schon in vielen Saloons und Spielhallen gearbeitet. Ich würde auch für Sie arbeiten, Ma’am, doch ich sehe, Sie haben schon zwei männliche Helfer.«
Der Mann, welcher Arzt sein soll und sich Millard McIntire nannte, sagt gar nichts. Er blickt vielmehr der Meute nach, welche nun noch mehr ausschwärmt und schon einen Halbkreis bildet.
Auch Lin McAdam, der Wildpferdjäger, späht hinüber.
»Gleich geht es los«, sagt er nach einer Weile.
Und so ist es auch. Sie alle können sehen, wie in einer Entfernung von knapp einer halben Meile die drei Wagen von Barney Taggert zu einer dreieckigen Wagenburg auffahren, welche offenbar die Grenzen des Silberclaims markiert.
Und nun bricht der Sturm los. Man hört das Geheul und Gebrüll eine halbe Meile weit bis zur Station. Und bald schon ist auch das Krachen von Schüssen zu hören. Ja, es wird um die besten Plätze dicht neben Barney Taggerts Claim gekämpft.
Es geschieht in den nächsten Tagen Unglaubliches. Und wieder einmal mehr zeigt sich, zu was Menschen fähig sind, wenn Gold, Silber oder anderer Gewinn locken und Ansporn sind.
Es kommen in den nächsten Tagen viele Nachzügler, einzelne Reiter, Menschen in Wagen der verschiedensten Sorten – aber auch ganze Wagenzüge.
Und es kommt auch ein Brunnenbauer mit seiner Mannschaft und fünf Wagen, welche mit Pumpen, Röhren und Teilen von Windrädern und deren Türme beladen sind.
Ein Frachtzug bringt Bauholz, andere Wagenzüge schaffen alle nur erdenklichen Dinge herbei – nicht nur Proviant und Werkzeuge, auch Zelte, Möbel, Spieltische, ein Klavier, Futter für Pferde. Ein Schmied kommt mit seiner fahrbaren Schmiede. Einige Cowboys treiben eine Fleischherde herbei. Der Besitzer eines Zeltrestaurants erschießt sofort eines der Tiere, um es von seinen Leuten verarbeiten zu lassen.
Einige halb verhungerte Männer beginnen etwas entfernt von der entstehenden Stadt die Fabrikation von Adobelehmziegeln. Der Brunnenbauer bohrt da und dort die Wasseradern an, stellt Pumpen auf und errichtet zwei Windräder.
Und alle, die sich in Hope niederlassen, müssen an Molly Spillane für die Erlaubnis zahlen.
Stadtsteuern, so nennt sie das.
Der einstige Preiskämpfer Henry Wade, der sich erbot, für den Spieler und Exoffizier Dan Lamont zu arbeiten, trägt nun den Blechstern eines Town Marshals.
Molly Spillanes Mädchen arbeiten bald nicht mehr wie Siedlerfrauen, sondern sind wieder in ihrem alten Gewerbe tätig.
Rings um Hope sind nun schon mehr als tausend Menschen auf der Suche nach Silber. Und es wird stündlich welches gefunden.
Alles kommt immer mehr in Gang. Der Zustrom hält ständig weiter an. Die Menschen kommen nicht nur aus Santa Fé, sondern jetzt auch von Süden her, also von El Paso herauf. Die Nachricht von den neuen Silberfunden hat sich verbreitet wie die Ringe, die ein Stein erzeugt, den man ins Wasser wirft.
In den Corrals der Poststation aber reitet der Wildpferdjäger Lin McAdam seine Pferde zu, bricht sie ein und gewöhnt sie daran, im Gespann vor einem Wagen zu laufen. Es ist eine harte, schwere Arbeit für ein paar Dollars.
Molly Spillane fragt ihn einmal: »Lin, warum suchen Sie nicht nach Silber, sondern schwitzen jetzt mit den Pferden? Juckt es Sie nicht, leichter und schneller Ihr Geld zu verdienen?«
Der indianerhafte, grauäugige Wildpferdjäger sieht Molly Spillane irgendwie nachsichtig an.
Dann murmelt er: »Oha, Molly, ich könnte nicht im Staub nach Silber wühlen. Das wäre nichts für mich. Und überdies gehöre ich zu der Sorte, die eine angefangene Arbeit stets beendet.«
Molly Spillane betrachtet ihn aufmerksam und bekommt einen sehr verständnisvollen Ausdruck in ihre Augen.
»Und was werden Sie tun, Lin, wenn Sie hier fertig sind und alle Pferde im Gespann laufen können? Fortgehen?«
Er nickt. »Ich habe ein wunderschönes Stück Land in den Hügeln am Pecos. Wenn Sie mich bezahlt haben, Molly, werde ich dorthin zurückreiten und eine Pferderanch gründen. Ich habe dann genug gespart, um ein paar Jahre durchhalten zu können. Und vielleicht werde ich mich dann auch nach einer Frau umsehen.« Er verstummt lächelnd.
Sie nickt ihm zu. »Gut so, Lin«, sagt sie sanft. »Ja, es ist gut, dass Sie von hier weg wollen. Denn dies wird eine sündige Stadt werden. Die Bösen werden kommen, um die Hammel zu schlachten. Und auch wir sind keine barmherzigen Engel …«
Molly sieht ihn an, und es ist ein Einverständnis zwischen dem Wildpferdjäger und der Chefin von Hope.
☆☆☆
Immer mehr wandelt sich das wilde Camp rings um die alte Mission und Poststation in eine Stadt.
Denn die Silberfunde halten an. Überall in der Runde gibt es Silber. Jeden Tag kommen nun aus beiden Richtungen Postkutschen, Wagenzüge, Menschen jeder Sorte. Wie eine Pilzkolonie bei schwülem und feuchtem Wetter, so schießt alles aus dem Boden. Die Silbertransporte reißen nicht ab in die eine und die Geldtransporte in die andere Richtung. Banditen überfallen diese Transporte, halten auch die Postkutschen an.
Das ganze Land scheint voller Banditen zu sein.
Man gießt nun die Silberbarren hundert Pfund schwer, sodass Banditen sie nicht so einfach transportieren können.
Der Pferdejäger Lin McAdam ist endlich fertig mit seiner Arbeit. Seine Pferde, welche er herbrachte, sind nun erstklassige Tiere für Postkutschengespanne.
Als er zu Molly Spillane geht, um seinen Lohn zu kassieren, da gibt sie ihm noch fünfzig Dollar mehr als Prämie und schenkt ihm und sich einen Drink ein.
Nachdem sie getrunken haben, sagt sie: »O Lin, es ist gut, dass Sie aus dieser wilden und sündigen Stadt verschwinden. Ja, es ist gut so. Ich habe Sie die ganze Zeit beobachtet. Sie kümmerten sich nur um Ihre Arbeit. Aber dennoch entging Ihnen nichts. Ich glaube, Sie würden mit jedem dieser wilden Kerle hier fertig werden, nicht wahr? Aber Sie gehen jedem Streit aus dem Weg. Deshalb hat es wohl keinen Sinn, dass ich Sie bitte, bei uns zu bleiben und neben Henry Wade gleichberechtigter Town Marshal zu werden. Wir müssen eine Bürgerwehr gründen, um diese Stadt unter Kontrolle halten zu können. Alle Geschäftsleute, Handwerker und sonstige Bürger dieser Stadt müssen dieser Bürgerwehr beitreten mit ihren Leuten. Denn sonst …«
Sie bricht ab, denn sie sieht ihn den Kopf schütteln.
Und als sie verstummt, da hört sie ihn sagen: »Ma’am, es ist nun mal so, dass Sie hier ein sündiges Haus führen. Und alle Leute, welche hierher kamen, sind auf raschen Gewinn aus ohne jeden Skrupel. Es war zuerst ein erbarmungsloses Silberminencamp – und nun wird es eine erbarmungslose Silberminenstadt. Alles wird eskalieren. Nein, ich reite in meine Pecoshügel, Ma’am. Aber ich wünsche Ihnen viel Glück, wegen Ihrer Mädchen. Denn ich unterhielt mich oft mit ihnen. Ich kenne ihre Wünsche und Hoffnungen. Hoffentlich gehen sie in Erfüllung und können sie alle noch mal neu anfangen. Ja, ich wünsche euch allen von Herzen Glück. Wenn Sie die Stadt unter Kontrolle halten wollen, dann benötigen Sie einen wirklich großen Revolvermann als Marshal, dem Henry Wade nur ein Helfer sein kann. Henry ist ein guter Bursche. Und er ist auch stark wie ein Bulle – aber …«
Er bricht ab, setzt seinen Hut auf und geht hinaus – ein hagerer, indianerhafter, grauäugiger Texaner, der seinen Revolver auf fast unauffällige Art links trägt.
Molly Spillane sieht ihm nach und starrt dann noch lange auf das helle Rechteck der offenen Tür zum Hof.
Dabei denkt sie: Der ist nicht einfach nur ein Wildpferdjäger, der nicht. Ich wette, er hat schon mehr als einen Mann im Revolverkampf getötet und ist dies leid geworden. Der will nicht mehr mit dem Colt kämpfen. Nur deshalb wurde er ein Wildpferdjäger. Denn die jagen in der Einsamkeit.
Nach diesen Gedanken nimmt sie noch einen Drink.
Und es ist ein Bedauern in ihr.
Es ist schon fast Abend, als die Postkutsche aus El Paso, welche nach Santa Fé weiterfahren wird, vor das alte Adobegebäude der einstigen Mission rollt und die Passagiere herausklettern, um sich die Beine zu vertreten und auch in der Gaststube Erfrischungen zu nehmen.
Blue Joe und Paco Hernandez fungieren nun als Stationsleute. Paco, der mit einem Mexikanerjungen das Gespann wechselt, sieht zu Lin McAdam hinüber, der auf der Trockenmauer eines der Corrals sitzt, sein weniges Gepäck neben sich hat und in die von hier aus gewiss fast leer weiterfahrende Postkutsche klettern wird. Denn alle Kutschen fahren von hier aus fast leer weiter.
Paco ruft zu Lin McAdam hinüber: »Jetzt sind sie an der Reihe, die neuen Pferdchen. Jetzt müssen sie sich bewähren.«
Auch der Fahrer und dessen Begleitmann betrachten prüfend das frische Gespann. Sie kennen Lin McAdam inzwischen, denn sie sahen ihn ja schon einige Male, wenn sie hier anhielten, um eine Rast einzulegen.
»Wenn die durchgehen oder sonst irgendwelchen Mist machen«, grollt der staubige Fahrer, »dann erschießen wir die Böcke.«
Der Mann ist übler Laune. Auch sein Begleitmann ist nicht besser gestimmt. Aber das ist vielleicht nur zu verständlich nach einer solch staubigen und langen Fahrt, während ihre Anspannung und Wachsamkeit wegen der ständigen Gefahr eines Banditenüberfalls nicht nachlassen.
Lin McAdam erwidert ruhig: »Ihr werdet keine Probleme haben mit dem Gespann, es sei denn, ihr versteht nicht, damit umzugehen. Und da dies nicht der Fall ist, werdet ihr zufrieden sein.«
Die beiden Postkutschenmänner brummen nur. Dann treten sie zum Wassertrog, um sich den Staub abzuwaschen.
Lin McAdam aber betrachtet die Passagiere der Postkutsche, die inzwischen allesamt ausgestiegen sind.
Und dann zuckt er zusammen.
Denn um die Kutsche herum, aus der sie auf der anderen Seite herausgeklettert war, kommt eine junge Frau.
Im Schein der Abendsonne glänzt ihr Haar ein wenig rötlich, aber Lin McAdam weiß, dass es so schwarz wie das Gefieder eines Raben ist. Er weiß auch, dass ihre Augen die Farbe von Kornblumen haben und auf ihrer Nase ein paar Sommersprossen sind.
Oh, er weiß noch eine Menge mehr über Jo Dean.
Nun sieht er sie mit einer Reisetasche zu einigen Koffern und Ballen gehen, welche inzwischen abgeladen wurden. Auch andere Passagiere suchen dort ihr Gepäck heraus, um damit davonzugehen, eilig, fast so als fürchteten sie, etwas verpassen zu können in der noch so primitiven Stadt.
Lin McAdam sieht, dass Jo Dean nur einen einzigen Koffer bei sich hat. Doch er ist so groß und schwer, dass sie Mühe haben wird, ihn zu tragen.
Vielleicht sieht sie sich deshalb suchend nach einem Helfer um. Doch so reizvoll die junge Frau auch wirkt in ihrem grünen Reisekostüm, es kümmert sich niemand um sie.
Jo Deans Blick fällt auf den Mann auf der Corralmauer. Und sie erkennt ihn auf der Stelle.
Er springt von der Mauer und nähert sich ihr. Dabei greift er an seinen Hut und sagt ruhig: »Hallo, Josefine.«
Und dann verhält er vor ihr, einen ganzen Kopf größer und mit einem forschenden Staunen in den Augen.
Sie muss mehrmals schlucken, und dies liegt gewiss nicht an dem Staub der langen Meilen in der Kutsche, welcher durch alle Ritzen drang – nein, sie muss schlucken, weil sie nun plötzlich und unerwartet von der Vergangenheit eingeholt wird.
»Lin«, murmelt sie dann und sieht mit ihren dunkelblauen Augen zu ihm empor. »Oh, Lin, dass wir uns hier wiedersehen …«
»Es war in Georgia«, murmelt er. »Nach dem Krieg habe ich dich gesucht. Doch eure Baumwollplantage war verwüstet, alle Gebäude niedergebrannt. Du warst nicht mehr dort mit deinen Eltern und Geschwistern. Ihr wart alle fort, und niemand wusste, wohin. Man sagte sogar, dass eure alten Sklaven euch erschlagen hätten. Doch ich fand keine Gräber. Es ist vier Jahre her, dass ich aufgab, nach dir zu suchen. Was willst du hier in Hope?«
Seine Frage zuletzt kommt ziemlich hart, und es ist Besorgnis in seinen Augen.
Sie sagt: »Was in Georgia war, ist Vergangenheit. Meine Familie wurde beschützt von einem Yankeeoffizier. Unsere befreiten, aufgehetzten und betrunkenen Sklaven konnten uns nichts tun. Sie brannten nur alles nieder und zerstörten die Plantage. Sie brachten sich selbst um ihre Arbeitsplätze und litten bald schon bittere Not. Doch wir gingen fort – wir alle – meine Eltern, meine Geschwister und ich. Der Krieg war zwar vorbei, doch Frieden gab es noch längst nicht im besetzten Süden. Jener Offizier, welcher uns mit seiner Abteilung im letzten Moment rettete, schickte uns nach Saint Louis zu seinen Eltern. Die besaßen eine Reederei und …«
Sie bricht ab, denn erst jetzt wird ihr bewusst, dass sie dabei ist, Lin McAdam ihre Lebensgeschichte der letzten fünf Jahre zu erzählen.
Sie sagt plötzlich herb: »Mein Name ist jetzt Lamont. Ich habe jenen Offizier der Nordstaaten, welcher mich und meine Familie rettete, geheiratet – noch bevor wir in Saint Louis bei seinen Leuten eintrafen. Jetzt muss er hier in Hope sein. Das fand ich heraus. Kennst du einen Dan Lamont hier in Hope, Lin?«
Er nickt langsam. »Ja«, sagt er, »den kenne ich. Ich kann dich auf dem geradesten Weg zu ihm führen. Denn jetzt nach dem Abendbrot macht er sich in der großen Spielhalle an seinem gemieteten Pokertisch bereit für eine lange Nacht und wartet auf Spieler, die ihr Glück gegen ihn versuchen möchten. Du kannst deinen schweren Koffer hier in der Station abgeben. Dann bringe ich dich zu Dan Lamont. Welchen Rang hatte er denn in der Blaubaucharmee?«
»Er war Captain, so wie du.«
»Aaah«, sagt er, »ein Captain bei der Rebellenarmee war doch für die Yankees gar kein richtiger Offizier, sondern nur der Anführer von Rebellen. Dan Lamont wird große Augen machen, dich zu sehen. Oder weiß er, dass du kommst? Erwartet er dich?«
»Nein«, erwidert sie hart und spröde. »Als die Reederei pleite war und er glaubte, mich nicht mehr ernähren und mir nichts mehr bieten zu können wie einer reichen Lady, da lief er einfach fort.«
»Und du liefst ihm nach, Josefine«, murmelt er.
»Das geht dich nichts an. Führe mich zu ihm.«
In ihrer Stimme ist immer noch die spröde Härte.
☆☆☆
Als sie eintreten, herrscht in der Spielhalle noch kein Betrieb. Doch Dan Lamont sitzt bereits in der Ecke an seinem runden Pokertisch und hantiert mit den Karten. Mit geschmeidigen Fingern mischt er, teilt aus – und nachdem er an vier imaginäre, also eingebildete Spieler ausgeteilt hat, dreht er deren Karten um und sieht nach, was er gegeben hat.
Als sie vor ihm verhalten, blickt er auf.
Und da fällt ihm die Zigarre aus dem Mund, so sehr verliert er einen Moment lang die Kontrolle über sich.
Dann springt er auf.
»Josefine!«
Es ist wie ein Schreckensruf. Doch dann fügt er fast kläglich hinzu: »Oh, Jo, du hättest nicht kommen dürfen – niemals. Was willst du bei einem Versager?«
»Ich bin deine Frau«, erwidert sie ernst. »Und du bist bestimmt kein Versager. Du warst ein hervorragender Offizier …«
»Den die Armee nicht mehr gebrauchen konnte, weil sie keine Krüppel gebrauchen kann. Und als Reeder habe ich auch versagt und konnte dir nichts anderes mehr bieten als eine jämmerlich kleine Pension. Ich ließ sie dir überschreiben, weil sie für zwei zu klein ist, für dich allein jedoch einigermaßen ausreicht. Warum hast du mich nicht vergessen, Jo?«
Jo wendet sich an Lin McAdam.
»Bitte …«, beginnt sie.
Aber sie muss ihn nicht erst bitten, sie mit Lamont allein zu lassen. Er geht wortlos aus der Spielhalle.
Als er draußen ist auf der staubigen Fahrbahn, die von Süd nach Nord durch die wilde Stadt führt, fährt die Postkutsche vorbei in Richtung Santa Fé. Er könnte sie anrufen. Sie würde halten und ihn mitnehmen.
Doch er ruft nicht. Es scheint ihm plötzlich der Wille des Schicksals zu sein, dass er in Hope bleiben soll. In ihm ist ein Durcheinander der Gefühle.
Denn damals hielt er als Captain der Südstaatenarmee diese Josefine in Georgia in seinen Armen. Sie liebten sich und schworen sich ewige Treue. Und eines Tages wollte er nach Georgia zurückkommen, um sie zu holen. Noch siegte damals der Süden in vielen Schlachten gegen den Norden. Noch sah alles gut aus.
Doch inzwischen ist alles anders geworden.
Sie hat einen Yankeeoffizier geheiratet, um ihm für die Hilfe und Rettung zu danken, die er ihrer Familie gab, denkt Lin McAdam grimmig.
Verdammt, offenbar taugt er nicht viel. Und so muss ich bleiben, um Josefine beizustehen in dieser wilden und sündhaften Stadt. Ja, ich muss bleiben. Ich kann mich jetzt nicht davonstehlen in meine Pecoshügel.
Er steht dicht bei der Ausfahrt am Rand der Fahrbahn. Und nun sieht er sich um, wittert in die Runde.
Es wurde Abend. Überall brennen die Lichter, und die wilde und so rasch aus dem Boden geschossene Campstadt rings um die alte Mission, aus der ein Freudenhaus wurde, kommt nun auf andere Weise in Gang.
Bis zum Sonnenuntergang wurde überall gearbeitet, aufgebaut, verbessert, hörte man den Lärm und die Geräusche von Handwerkern und Arbeitern. Wagen fuhren, transportierten Lasten, Reiter waren unterwegs, Menschen hasteten hin und her.
In der Stadt ist nun Reichtum, denn alles Silber verwandelte sich in Dollars. Und weil die Menschen so gerne ihren Reichtum zeigen, wird hier zunehmend alles immer nobler und großartiger. Die primitiven Anfänge scheinen schon lange zurückzuliegen. Jeden Tag treffen Wagenzüge ein mit all den Errungenschaften der Zivilisation und deren Bequemlichkeiten.
Lin sieht sie nun hereinströmen, die Claimbesitzer, die Silbersucher, die Minenleute, die Arbeiter von der Erzmühle, dem Stampfwerk und der Schmelze. Auch die Frachtfahrer der Wagenzüge sind da, die Cowboys, welche immer wieder kleine Fleischherden bringen, und die vielen Neuankömmlinge. Jeden Tag sind es nämlich immer noch einige Dutzend, manchmal sogar mehr als hundert. Sie lungern herum, lechzen nach Informationen, suchen nach Chancen – und manche müssen sich erst einmal als Arbeiter verdingen, um ein paar Dollars zu verdienen.
Die niedrigste Arbeit hier ist das Wegschaffen der Fäkalien. Überall hinter den Häusern stinken die Abortgruben. Man bekämpft den pestilenzartigen Gestank mit Kalk, aber es hilft nicht viel.
Indes Lin McAdam so verharrt und in die Runde wittert, wird er sich endgültig darüber klar, dass jetzt alles anders wurde für ihn in dieser Stadt. Bisher kümmerte er sich um nichts, sah nur am Rande zu, arbeitete mit den Pferden und war ganz und gar darauf eingestellt, diesem Sodom bald den Rücken zu kehren.
Doch jetzt wird er sich darin behaupten müssen wie ein Tiger im Dschungel.
Denn er ahnt, dass er kämpfen muss, wenn er Josefine beschützen will. Und dass er sie beschützen muss, dies spürt er mit untrüglichem Instinkt, weil er von Dan Lamont nichts hält, was dessen Zuverlässigkeit betrifft.
☆☆☆
Indes sitzen sich Josefine und Daniel Lamont gegenüber und sehen sich an.
Nach einer Weile sagt sie: »Jetzt bin ich wieder bei dir. Ich bin deine Frau, und ich will mit dir durch dick und dünn gehen. Zusammen schaffen wir alles. Du wirst sehen. Und du wirst nicht mehr weglaufen.«
Er schüttelt leicht den Kopf.
»Ich bin damals weggelaufen, weil ich mit meinem zerschossenen Bein als Kavallerieoffizier nicht mehr dienstfähig war und die Armee mich entließ. Als ich dann die Reederei meines Vaters übernahm, ging sie zwei Jahre später in Konkurs. Ich hätte unsere Schiffe nicht den Missouri hinaufschicken sollen wie ein Spieler, welcher alles auf eine Karte setzt. Drei unserer Dampfboote gingen in einem einzigen Jahr mitsamt der Fracht verloren – drei! Indianer, Flusspiraten und tückische Klippen bei Hochwasser machten ihnen den Garaus. Und ich hatte schlechte Kapitäne, die den Missouri nicht kannten, weil sie zuvor nur den Mississippi befuhren. Ich hätte nicht so viel wagen dürfen. Ich ließ mich vom erhofften Gewinn in Fort Benton zu sehr locken. Jo, ich schämte mich so sehr als Versager. Ich musste fort.«
Sie schluckt ein wenig mühsam. Dann spricht sie herb: »Vergiss es! Was war, zählt nicht mehr. Arbeitest du hier als Spieler mit Gewinn? Was musst du für diesen Spieltisch zahlen? Du musst doch dafür zahlen – oder?«
Er nickt. »Fünfundzwanzig Prozent muss ich an Molly Spillane zahlen.«
»Und wer ist Molly Spillane?« Sie fragt es spröde.
»Die ist hier alles«, murmelt er. »Sie ist die Grundbesitzerin dieser Stadt. Denn ein gewisser Barney Taggert, der die erste Silberader fand, überschrieb ihr den Besitztitel dieser Mission. Dazu gehört eine Menge Umland. Auf diesem Land steht die Stadt. Jeder hier zahlt Pachtzinsen an Molly Spillane.«
»Und warum haben die Leute die Stadt nicht auf freiem Land errichtet, warum auf dem Grund und Boden dieser Molly Spillane?«
Josefine Lamont fragt es staunend und ungläubig.
»Weil hier unterirdisch einige Wasseradern angebohrt oder abgeteuft werden können, weil es hier weit und breit das einzige Wasser gibt«, erwidert er. »Wer hier die Wasserrechte besitzt, ist der König oder – in unserem Falle – die Königin.«
»Und wer ist diese Molly Spillane sonst noch?«
»Die Besitzerin und Chefin des Freudenhauses«, erwidert er.
»Waas?«, staunt Josefine ungläubig.
Er grinst sarkastisch.
»Hier ist alles anders, Jo«, murmelt er schließlich. »Dies ist ein wildes Camp, eine sündige Stadt. Und die Gesetze werden hier völlig anders ausgelegt und gehandhabt. Hier ist alles anders.«
Er schweigt nun einige Sekunden und sieht seine so reizvolle Frau an, der er davonlief, weil er sich zu sehr als Versager und Krüppel fühlte. Sie blickt ihm fest und fordernd in die Augen, und sie kann sehen und auch instinktiv spüren, wie es in ihm arbeitet, wie sich in ihm etwas verändert und er ganz plötzlich und wahrscheinlich sogar für ihn selbst unerwartet zu einem Entschluss kommt.
In seinen Augen ist plötzlich ein Feuer. Sie kann sich vorstellen, dass dieses Feuer auch in seinen Augen war, wenn er als Kavallerieoffizier seine Abteilung in den Kampf führte.
Ja, er war ein Kämpfer.
Sie sieht ihn nicken und hört ihn dann sagen: »Wenn du mir verzeihen kannst …«
»Das kann ich, habe es längst schon getan«, unterbricht sie ihn. »Reden wir nicht mehr darüber – bitte!«
Er nickt und schluckt mühsam. Dann spricht er: »Mein Bein wurde im Laufe der Zeit sehr viel besser. Ich brauche keinen Stock mehr. Und ich kann auch wieder reiten. Nur die Armee würde mich nicht wieder reaktivieren. Jo, ich verspreche dir, dass ich von nun an gut für uns sorgen werde. In einigen Monaten werden wir von hier weg können mit genügend Geld, um irgendwo neu anzufangen. Am besten an einem Fluss und in einer Stadt wie Saint Louis, Westport bei Kansas City oder einer anderen Stadt. Ich würde einen Laden und ein Lager für Schiffsausrüstung eröffnen. Und vielleicht könnte ich auch eines Tages wieder Reeder werden, also ein Dampfboot besitzen. Jo, dass du gekommen bist, macht mir Mut, spornt mich an. Du wirst müde und erschöpft sein von der Reise …«
»Und hungrig«, unterbricht sie ihn. »Wo wohnst du? Wie komme ich in dein Zimmer?«
»Im neuen Silver Star Hotel.« Er lächelt. »Gleich nebenan. Der Junge, welcher hier die leeren Gläser einsammelt, wird dich hinbringen.«
»Und er muss auch meinen Koffer holen«, nickt sie. »Oh, ich bin ja so froh, dass ich dich endlich gefunden habe und wir wieder zusammen sind.«
Sie erheben sich. Er ruft den Jungen herbei, der hier die Gäste bedient, sauber macht und auch die Spucknäpfe reinigt.
Dann sieht er ihr nach. Einige Männer nähern sich ihm und seinem Spieltisch. Einer sagt: »Sie müssen uns noch Revanche geben, Lamont. Wir haben gestern zu viel an Sie verloren.«
»Sicher, ich gebe immer Revanche«, sagt er lächelnd und setzt sich wieder.
Es ist ein Glücksgefühl in ihm.
Josefine ist gekommen und hat ihm verziehen. Jo will bei ihm bleiben. Ja, er will sie nie wieder enttäuschen.
☆☆☆
In dieser Nacht schlägt das Schicksal ihn erneut zu Boden.
Denn von Anfang an verliert er. Vielleicht liegt es an den drei Spielern, denen er wegen ihrer gestrigen Verluste Revanche gibt. Es kann aber auch an dem vierten Mann liegen, einen ihm Fremden, den sie mitbrachten. Es ist ein magerer, unscheinbar wirkender Bursche mit einer Nickelbrille, der wie ein davongelaufener Lehrer oder ein halb verhungerter Buchhalter wirkt.
Dieser Mann mischt stets sehr unbeholfen die Karten, wenn er an der Reihe ist. Man traut ihm nicht viel zu, auch gewinnt er nicht besonders viel, eigentlich macht er nur dann und wann seine Verluste wett.
Die drei anderen Spieler gewinnen abwechselnd – fast ständig in der gleichen Reihenfolge.
Dan Lamont findet irgendwann in dieser Nacht heraus, dass er betrogen wird, weil der scheinbar so unbeholfene Kartenmischer ein Zauberkünstler sein muss. Anders kann er sich seine Pechsträhne nicht erklären.
Aber er kann ihn nicht überführen. Dies wäre wahrscheinlich auch zu gefährlich, da die drei anderen Männer mit ihm unter einer Decke stecken und ganz gewiss hartgesottene Burschen sind.
Er hätte gegen die vier Spieler keine Chance.
Als er nach Mitternacht aufhören will, sagt einer der Spieler – er ist der Boss eines Frachtwagenzuges von mehr als drei Dutzend schwerer Murphy-Schoner mit Anhängern und fast vierzig Fahrern und deren Helfern: »Mann, wir spielten gestern die ganze Nacht, bis es draußen Tag wurde. Und das werden wir auch heute tun.«
Da grinst Dan Lamont.
»Ich habe nichts mehr zu verlieren, Gentlemen, oha! Meine Taschen sind leer, und ich besitze auch keine Wertsachen außer meiner Uhr und diesem Ring. Ich bin pleite, Gentlemen. Die Revanche ist Ihnen gelungen.«
»Sicher«, grinst einer der anderen beiden Männer, »wir gewinnen stets jede Revanche. Uns kann niemand rasieren, Spieler. Dieser Ring da, das ist ein West-Point-Ring, nicht wahr? Den bekommen die Absolventen der Militärakademie von West Point. Sie waren mal ein stolzer Offizier, nicht wahr? Was werden Sie nun tun ohne Spielkapital, Mister?«
Es ist eine höhnische Frage.
Dan Lamont muss mühsam schlucken.
Er geriet an die falschen Spieler, an hartgesottene Burschen, welche nicht verlieren konnten, ja, vielleicht sogar vermuteten, dass er sie mit Kartentricks in der vergangenen Nacht ausplünderte.
Deshalb brachten sie diesen unscheinbaren Zauberkünstler mit und erledigten nun ihn, Dan Lamont.
Er denkt: Josefine hat mir kein Glück gebracht. Oh, warum gerate ich in diese Klemme, kaum dass Josefine hier angekommen ist? Warum ist das Schicksal so gegen mich?
Die Männer erwarten keine Antwort auf die Frage ihres Sprechers. Sie erheben sich, um ihn zu verlassen, nachdem sie die Geldhaufen vor sich in die Taschen stopften.
Der schmächtige Kartenkünstler aber beugt sich zu Dan Lamont über den Tisch. Hinter den Gläsern seiner Nickelbrille funkeln zwei scharfe Augen.
»Sie sind nur ein mittelmäßiger Spieler, Freund«, meint er lächelnd. »Sie sollten sich auf andere Weise ernähren.« In seiner Stimme klingt zuletzt der Hohn eines Menschen, der sich als Sieger fühlt und sein Erfolgserlebnis auskostet.
Dan Lamont erwidert nichts. Er schluckt alles hinunter, verdrängt es tief in seinem Kern. Doch er spürt plötzlich ein anderes Gefühl in sich aufsteigen. Es ist Hass, böser, heißer, rachsüchtiger Hass.
Denn sie haben ihn ausgeplündert.
Und da er in dieser Nacht nichts gewann, kann er auch keine Beteiligung an Molly Spillanes Buchhalter abführen. Ja, er muss sogar befürchten, dass er diesen Tisch morgen nicht mehr vermietet bekommt.
Aber er benötigt ihn ja auch nicht mehr.
Ohne Spielkapital kann er nicht mehr spielen, keinen Einsatz machen, nicht mehr mitbieten.
Er ist erledigt, wenn er nicht zu Geld kommt. Er könnte nicht mal mehr sein Hotelzimmer bezahlen, geschweige denn für Josefines Unterhalt sorgen. Gewiss, hat sie etwas Geld bei sich, doch es wäre sehr demütigend für ihn, sich von ihr aushalten zu lassen.
Mit diesen Gefühlen und der heißen Wut im Herzen erhebt er sich und geht durch den Seitenausgang aus der Spielhalle, gelangt in eine Gasse und geht bis zur Hauptstraße.
Hier verharrt er im Schatten.
Auf der Hauptstraße ist es hell. Denn aus allen Türen und Fenstern fällt Licht.
Er denkt immer wieder: Was soll ich tun? Oh, was soll ich tun? Ich kann doch nicht nochmals als Verlierer und Versager vor Josefine hintreten. Verdammt, wie kann ich den Karren nur wieder aus dem Dreck ziehen? Ich müsste etwas finden, um die Situation mit einem Schlag zu ändern. Wie kann ich das?
Als er sich dies fragt, begreift er endgültig, dass er eigentlich nur eine Möglichkeit hat.
☆☆☆
Der Frachtwagenboss Edson McMullen ist zufrieden mit dieser Nacht. Nicht nur, dass er sein ganzes Geld zurückerhielt mit Hilfe des Zauberkünstlers, den sie für ihren Plan gewinnen konnten – nein, Edson McMullen besuchte auch noch Molly Spillanes Etablissement und verabschiedete sich vor wenigen Augenblicken mit einem goldenen Zwanzigdollarstück von der zärtlichen Sally. Nun ist er auf dem Weg zu seinem außerhalb der Stadt rastenden Wagenzug.
In einer Stunde werden sie aufbrechen, um neue Frachten von Santa Fé herzuschaffen.
Edson McMullen hat seine Waren in Hope gut verkauft. Er trägt zwei gefüllte Geldgürtel unter der Kleidung auf der bloßen Haut. Und in den Taschen befindet sich der Spielgewinn des Abends.
Er ist leicht angetrunken, stolpert manchmal und schwankt auch ein wenig, wenn er zu langsam geht. Deshalb bemüht er sich, schnelle Schritte zu machen, weil ihm dabei das Geradeausgehen leichter fällt. Unterwegs denkt er immer wieder: Hoffentlich haben sich meine Männer nicht zu schlimm betrunken. Denn ich werde sie jetzt auf die Beine bringen, oho, ich werde ihnen klarmachen, dass ein richtiger Frachtfahrer auch nach einer wilden Nacht bei Sonnenaufgang abfahrbereit sein muss.