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G.F. Unger ist der erfolgreichste deutschsprachige Western-Autor. Mit einer Rekordauflage von über 250 Millionen Exemplaren gehört er zur internationalen Spitzenklasse der Spannungsliteratur. Und das zu Recht!
Niemand vermag es wie er, die unermesslichen Weiten des amerikanischen Westens und die Stärke der unerschrockenen Männer, die sie erschlossen, zu beschreiben. Erleben Sie den amerikanischen "Wilden Westen", wie nur G.F. Unger ihn schildern kann: hart, authentisch, leidenschaftlich.
Dieser Sammelband enthält die Folgen 2413 bis 2415:
2413: Stern auf der Weste
Am Waldrand verhält Oven Timberland seinen Rotfuchs und sieht auf seine Hütte hinunter, die am Fuße des Hanges unter hohen Föhren errichtet ist.
Er drückt den Rest seiner Zigarette am Sattelhorn aus, steckt ihn in die Tasche und reitet langsam in die Senke hinunter.
Im kleinen Hof vor dem Blockhaus, dicht vor dem Tränktrog, steht ein fremdes Sattelpferd. Oven Timberland schwingt sich aus dem Sattel, und ein Comanche hätte es nicht geschmeidiger machen können. In Deckung seines Pferdes bleibt er stehen. Seine scharfen Augen entdecken bald die Umrisse eines Mannes, der bewegungslos auf der Bank neben der Tür sitzt. Die Dunkelheit ist nahezu vollständig geworden. Oven Timberland hat seinen Colt in der Hand, als er fragt: "Mann, wer sind Sie?"
Ein leises Lachen antwortet. Und dann sagt eine tiefe Stimme im schleppenden Tonfall des Texaners: "All right, Oven. Ich bin es - aber ich bin mir nicht sicher, ob du es bist. Deshalb wartete ich. Ich möchte mit dir sprechen, Oven."
Oven Timberland erwidert nichts. Einige Sekunden verharrt er schweigend hinter dem Pferd. Dann führt er es zum Tränktrog und nimmt ihm den Sattel ab.
"Gehen Sie in die Hütte, Thomson, und machen Sie Licht. Ich schließe die Fensterläden und komme gleich nach", murmelt er.
Der andere Mann erhebt sich und verschwindet. Die Tür knarrt leise. Dann wird drinnen eine Petroleumlampe angezündet ...
2414: Oglala-Winter
Aus Liebe zu der schönen Squaw Zauberblume wurde der Trapper Larry Hogan zum Oglala-Krieger - in einer Zeit, als es ums Überleben der roten Völker ging ...
2415: Der Revolverfalke
Die schöne Lily war die Königin von Golden Rim, aber als sie gegen den skrupellosen Townwolf Ringloke Hilfe brauchte, kämpfte nur Jim Drago für sie, dessen Liebe sie verschmäht hatte ...
Der Inhalt dieses Sammelbands entspricht ca. 250 Taschenbuchseiten.
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Seitenzahl: 474
Veröffentlichungsjahr: 2020
G. F. Unger
G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 22
Cover
Impressum
Stern auf der Weste
Vorschau
Stern auf der Weste
Am Waldrand verhält Oven Timberland seinen Rotfuchs und sieht auf seine Hütte hinunter, die am Fuße des Hanges unter hohen Föhren errichtet ist.
Er drückt den Rest seiner Zigarette am Sattelhorn aus, steckt ihn in die Tasche und reitet langsam in die Senke hinunter.
Im kleinen Hof vor dem Blockhaus, dicht vor dem Tränktrog, steht ein fremdes Sattelpferd. Oven Timberland schwingt sich aus dem Sattel, und ein Comanche hätte es nicht geschmeidiger machen können. In Deckung seines Pferdes bleibt er stehen. Seine scharfen Augen entdecken bald die Umrisse eines Mannes, der bewegungslos auf der Bank neben der Tür sitzt. Die Dunkelheit ist nahezu vollständig geworden. Oven Timberland hat seinen Colt in der Hand, als er fragt: »Mann, wer sind Sie?«
Ein leises Lachen antwortet. Und dann sagt eine tiefe Stimme im schleppenden Tonfall des Texaners: »All right, Oven. Ich bin es – aber ich war mir nicht sicher, ob du es bist. Deshalb wartete ich. Ich möchte mit dir sprechen, Oven.«
Oven Timberland erwidert nichts. Einige Sekunden verharrt er schweigend hinter dem Pferd. Dann führt er es zum Tränktrog und nimmt ihm den Sattel ab.
»Gehen Sie in die Hütte, Thomson, und machen Sie Licht. Ich schließe die Fensterläden und komme gleich nach«, murmelt er.
Der andere Mann erhebt sich und verschwindet. Die Tür knarrt leise. Dann wird drinnen eine Petroleumlampe angezündet …
Als Oven eintritt, die Tür schließt und den Sattel gleich neben der Tür auf den Boden legt, zündet Thomson gerade im Herd das Feuer an.
Dann richtet er sich auf, lächelt ernst und sagt: »Es war ein weiter Ritt zu dir. Ich habe einen mächtigen Hunger, Oven. Ich denke, wir unterhalten uns nach dem Essen.«
Oven Timberland sieht den US Marshal Mac Thomson aufmerksam an.
Die scharfen Falkenaugen des Oldtimers funkeln seltsam. Ein grimmiger Ernst ist in ihnen zu erkennen.
»All right.« Oven Timberland nickt. Er nimmt einen Holzeimer und geht hinaus. Nach einer Weile kommt er zurück. Man sieht, dass er sich gewaschen hat.
Dann bereiten sich die beiden Männer ein Abendbrot.
Sie essen schweigend. Manchmal sehen sie sich in die Augen. Aber sie sprechen nicht. Und als nichts mehr da ist, schieben sie ihre Teller zurück und drehen sich Zigaretten.
»Ich stecke mir keinen Stern mehr an die Weste, Thomson, wenn Sie deshalb gekommen sind«, murmelt Oven Timberland und sieht den Alten an.
Der schenkt ihm ein freudloses Lächeln.
Oven Timberland legt beide Fäuste auf den Tisch. »Thomson, ich werde fünfunddreißig Jahre alt. Ich habe genug vom Reiten und Kämpfen. Ich baue mir hier eine Ranch auf. Eines Tages wird die Weide hier von Rindern wimmeln, die meinen Brand tragen. Und vielleicht finde ich eine Frau, die mir Söhne schenkt. Das sollte das Ziel eines Mannes sein, der sein halbes Leben schon hinter sich gebracht hat.«
Mac Thomsons faltige Gesichtshaut spannt sich plötzlich. Seine Falkenaugen werden noch schärfer. Sie funkeln.
»Sei doch ehrlich, Oven. Du hast aus anderen Gründen deinen Stern abgelegt. Du wolltest kein US Deputy Marshal mehr sein, weil dein Bruder ein Bandit wurde. Damals ließ ich dich gehen, denn es wäre hart für dich gewesen, den eigenen Bruder zu jagen. Nun, jetzt hole ich dich zurück. Du wirst dir wieder den Stern an die Weste stecken!«
Er funkelt ihn an und zeigt seine Zähne, die lückenlos und gesund geblieben sind.
»Thomson, Sie wissen ganz genau, dass Jack durch besondere Umstände plötzlich außerhalb des Gesetzes stand. Er war nie ein wirklicher Bandit und ist es auch heute noch nicht – wenn er auch in den Wild Cliffs in Gesellschaft von …«
»Er ist tot, Oven«, unterbricht Mac Thomson sanft. Und dann beobachtet er schweigend, wie Oven Timberland den Schock bekämpft.
Oven Timberlands breite und knochige Schultern spannen sich. Seine Augen werden schmal, und in ihrem Hintergrund erscheint ein kaltes Funkeln. Dann stößt er den angehaltenen Atem aus und fragt kurz: »Wer?«
Thomson hebt die Schultern und zeigt nach Indianerart seine Handflächen.
»Jemand schoss ihm in Rushwater drei Kugeln in den Rücken. Es war Nacht, und er wollte sich gerade in den Sattel schwingen, um aus dem Ort zu reiten. Vorher hatte er im Three Bells Saloon mit Big Joe Uvalde eine Unterredung. Mehr ist mir noch nicht bekannt über seinen Tod. Ich habe jedoch von meinem Vertrauensmann einige Berichte erhalten, die für mich sehr aufschlussreich sind.«
Eine Pause entsteht. Die beiden Männer sehen sich in die Augen.
Dann murmelt Oven Timberland: »Jack hat zwei Männer getötet, um einem Freund eine Chance zu geben, dem er selbst sein Leben verdankte. Jack wurde damals zu diesem Kampf gezwungen. Und er war ein Revolvermann. Das alles stimmt. Aber ich weiß, dass er niemals eine krumme Sache mitgemacht hätte. Er war jemandem im Weg. Und dieser Jemand hat ihn in den Rücken geschossen. Nun, ich werde nach Rushwater reiten und diesen Mann zu finden wissen!«
Mac Thomson nickt.
»Das war mir von Anfang an klar«, sagt er ruhig. »Deshalb suchte ich dich auf. Hör, Oven: Wenn du in diese wilde Ecke reitest, dann reitest du mitten in einen Weidekrieg hinein.«
»Ich werde meinen Mann finden«, wiederholt Oven Timberland hart.
»Damit solltest du dich nicht begnügen, Oven.«
»Sicher nicht. Der Mann wird Freunde haben. Ich werde einen ganzen Verein in Stücke schlagen müssen. Das weiß ich. Und ich werde es tun, um meinen Mann zu bekommen.«
»Vielleicht erweist du dann der anderen Partei damit einen Dienst, Oven. Vielleicht gab es unter guten Leuten nur diesen einen Schuft. Oven, im Rushwater County gibt es noch kein Gesetz. Ich möchte, dass du einen Stern trägst, wenn du hinreitest. Der Stern wird dich zwingen, die Dinge objektiv zu sehen. Deine Achtung vor dem Gesetz wird dich auf die richtige Art handeln lassen. Du wirst dieses wilde Land eines Tages zur Ruhe bringen. Mach es auf die saubere Art, Oven. Hier ist der Stern! Steck ihn an! Dann reite hin, und bringe das Gesetz nach Rushwater. Und noch etwas, Oven: Du hast freie Hand. Alles, was du tun wirst, werde ich decken. Meine beste Zeit liegt schon einige Jahre hinter mir. Sonst würde ich selbst hinreiten und die Arbeit machen. Du willst den Mörder deines Bruders finden. Reite mit dem Stern nach Rushwater, Junge. Dann machst du es richtig!«
US Marshal Jack Thomson legt den glänzenden Stern eines US Deputy Marshals auf den Tisch. Das Metallabzeichen funkelt im gelblichen Schein der rauchenden Petroleumlampe.
Ein paar Kratzer sind auf dem Metall. Oven Timberland kennt diese Kratzer. Er nimmt den Stern in die Hand und besieht ihn sich genau.
»Das ist mein alter Stern, den ich damals zurück …«
»Yeah, er gehörte Captain Oven Timberland, der mein erster Deputy war«, knurrt Mac Thomson. »Steck ihn dir an, Sohn!«, schnappt er plötzlich.
Oven Timberland schließt seine lange Hand um das Ding. Es ist nur ein Stück Metall mit scharfen Ecken. Aber für einen verantwortungsbewussten Mann, der nach bestimmten Grundsätzen lebt, ist es mehr.
Dieser Stern bedeutet Unbestechlichkeit.
Sein Träger darf nicht seinen eigenen Wünschen dienen.
Man muss diesen Stern – und mit ihm das Gesetz – mehr lieben als das eigene Leben.
Dieser Stern ist eine Pflicht, eine Bürde. In diesem rauen Land, in dem die meisten Männer ihr eigenes Gesetz in Gestalt eines Colts an ihrer Hüfte tragen, bedeutet dieser Stern Einsamkeit unter anderen Männern. Und er ist erst dann für seinen Träger etwas wert, wenn im Land Gesetz und Ordnung herrschen.
Das alles weiß Oven Timberland. Plötzlich steckt er sich das Ding an. Und dann sieht er Mac Thomson in die Augen.
»Ich habe ihn nun an der Weste. Aber ich habe Angst, Mac, dass ich eines Tages nicht mehr weiter weiß, ihn als Last empfinde, ihn zum zweiten Mal zurückgebe und es ohne ihn erledige«, murmelt er düster.
»Ich habe keine Angst, Oven«, knurrt Mac Thomson. »Wann reitest du?«
»Wenn ich mein Bündel gepackt habe«, erwidert Oven und erhebt sich.
☆☆☆
Rushwater
Fünf Meilen
Bleibt auf der Straße!
Oven Timberland liest die Worte. Dann verfolgt er den Lauf der staubigen Straße, die sich in Windungen neben dem Creek nach Norden zieht.
Nach einer Weile trennt sich der Wasserlauf von der Straße. Da Oven weiß, dass der Creek vom Wasserfall bei Rushwater gespeist wird, folgt er dem Creek und nicht der Straße.
Ein kaum erkennbarer Reitweg führt am Ufer entlang. An einer Biegung setzt er auf die andere Uferseite über. Das Wasser geht dem Rotfuchs bis kaum über die Knie.
Als Oven dann an einer Waldinsel vorbei will, sieht er drei Reiter im Schatten der Bäume.
Und er weiß, dass sie ihn schon seit einigen Minuten beobachten.
Als er mit den wartenden Reitern auf gleicher Höhe ist, treiben diese ihre Pferde vorwärts und reiten vor ihm auf den Weg. Über die Köpfe ihrer Pferde hinweg sieht er in ihre harten und scharfen Gesichter. Ihre Pferde tragen alle dasselbe Brandzeichen.
Cowboys, denkt Oven, Grenzwächter der mächtigen Uvalde Ranch. Jetzt werde ich bald wissen, wie hart sie hier sind.
Er sieht sie ruhig an und nickt kurz.
»Hallo«, murmelt er. »Reitet zur Seite, ich will nach Rushwater.«
Er sagt es ganz ruhig und sitzt betont lässig im Sattel.
Die drei Weidereiter grinsen wie auf Kommando. Es ist aber kein gutes Grinsen.
»Es ist ein Schild an der Brücke«, sagt der rotköpfige Mann in der Mitte. »Auf diesem Schild steht ganz klar und deutlich, dass jeder Mensch auf der Straße zu bleiben hat. Nun, wir kennen Sie, Mann! Sie sind Oven Timberland. Sie sehen Jack Timberland sehr ähnlich, obwohl die Narbe – ah, Timberland, kehren Sie um! Wir wollen Sie hier im County nicht haben. Früher waren Sie mal US Deputy Marshal. Als Ihr Bruder vom Gesetz gesucht wurde, legten Sie den Stern ab. Wir wollen Sie weder mit noch ohne Stern. Wir wollen überhaupt keinen Timberland mehr sehen.«
Oven Timberland nickt. Sein Gesicht bleibt unbeweglich.
»Yeah«, sagt er, »ich glaube euch jedes Wort. Ihr wollt keinen Timberland mehr sehen. Der Anblick meines Bruders, dem man drei Kugeln in den Rücken geschossen hatte, wirkte wohl wie ein Schock auf verschiedene Leute. Nun, ich werde eine ganze Weile in diesem Land bleiben. Ihr scheint mich alle gut zu kennen. Passt auf, ihr drei Burschen. Dies hier ist Regierungsland. Und selbst wenn eure Kühe darauf weiden, ist es für Reisende frei. Keine Mannschaft in diesem County ist mächtig genug, um mir die Wege vorzuschreiben. Das wollte ich gleich eindeutig klarstellen. Deshalb ritt ich von der Straße hinunter. Jetzt gebt den Weg frei, Cowboys!«
Seine Stimme klingt bei den letzten Worten scharf und hart. Und er treibt sein Pferd vorwärts, um zwischen ihnen durchzustoßen.
Aber sie sind wirklich von der harten Sorte, die nicht blufft, sondern eine begonnene Sache auskämpft.
Sie treiben, genau wie er, ihre Tiere vorwärts.
Ovens großer Rotfuchs rammt den Mustang des Rotkopfs. Und Oven hat seinen Colt in der Faust. Er schlägt im Moment des Zusammenpralls den Lauf der Waffe über den Kopf des Cowboys.
Die Pferde wiehern und steigen. Der Rotkopf kippt aus dem Sattel und fällt unter seinen Mustang.
Oven Timberland reißt sein Pferd herum und zeigt den beiden anderen Männern den Colt, lässt sie in die Mündung sehen.
Einer hat die eigene Waffe schon in der Hand. Aber er hat sie noch nicht im Anschlag. Überdies tanzt sein Pferd noch zu sehr. Der andere Cowboy hatte eine andere Idee. Er hält seine Bullpeitsche in der Hand. Aber auch er vergisst seine Absicht.
»Lass schnell die Kanone fallen, Bruder! Und du die Peitsche! Ihr seid nicht schnell genug für mich. Los, wird’s bald?«
Bevor die langen Sekunden vergehen, in denen sich die beiden Männer entscheiden, ob sie gehorchen oder weitermachen sollen, kracht halblinks hinter Oven Timberland ein Gewehrschuss.
Sein Rotfuchs bäumt sich wiehernd auf und bricht dann wie vom Blitz gefällt zusammen.
Oven wirft sich aus dem Sattel. Als er aufschnellt, reitet ihn der Peitschenmann nieder. Nur mit Mühe rettet sich Oven etwas zur Seite, sodass ihn nicht die Hufe treffen. Aber die Schulter des stämmigen Pintos rammt gegen ihn. Oven fällt wieder zu Boden. Er ist einen Moment lang wie gelähmt.
Endlich kann er sich herumwälzen.
Und er schießt sofort.
Seine Kugel trifft das Pferd des Mannes, der auf ihn abdrücken will.
Dann hört Oven dicht hinter sich die Hufschläge des anderen Reiters, der ihn abermals niederreiten will. Er rollt sich zur Seite. Seinen Hut hat er längst nicht mehr auf dem Kopf. Der angreifende Mann schlägt das dicke Ende der Bullpeitsche, sich dabei weit aus dem Sattel beugend, auf Oven Timberlands ungeschützten Kopf.
Sie haben mich, denkt Oven nur noch dumpf und verliert für eine Weile das Bewusstsein.
Als seine Sinne wieder zu arbeiten beginnen und er den höllischen Schmerz im Kopf ertragen muss, hört er wie aus weiter Ferne eine scharfe Stimme rufen: »Zum Teufel, Ernest! Bleib mit deinen Fingern aus seinen Taschen!«
Es ist für Oven eine neue Stimme. Sie gehört keinem der drei Cowboys. Es ist eine tiefe Bassstimme, befehlsgewohnt und selbstbewusst.
Und eine andere Stimme, die vor Erregung klirrt, antwortet: »Dad, er könnte etwas in der Tasche haben, was für uns sehr aufschlussreich ist. Lass mich nachsehen, ob …«
»Nein, niemals, Ernest! Wir greifen keinem geschlagenen Gegner in die Taschen. Wenigstens diese Regel werden wir beachten.«
Oven Timberland hört ein unwilliges Murmeln. Er öffnet die Augen. Als sich die Schleier lichten, sieht er einen großen Mann neben sich. Der Mann erhebt sich und will zur Seite treten. Aber dann sieht er, dass Oven wieder bei Besinnung ist, und bleibt stehen.
Oven sieht in zwei wasserhelle Augen.
Schwankend steht er dann auf den Beinen, betastet die immer noch anschwellende Platzwunde auf seinem Hinterkopf und sieht dabei aufmerksam in die Runde.
Der Rotkopf steht in der Nähe und presst sein Halstuch gegen das blutende Gesicht.
Der Cowboy, dessen Pferd Oven erschoss, steht daneben. Außerdem sieht er den Burschen, der ihn mit der Bullpeitsche niederschlug.
Oven wendet den Kopf auf die andere Seite und bemerkt den Mann, der ihm die Taschen durchstöbern wollte.
Er ist groß, weißblond, breit und bedeutend schwerer als Oven. Dieser blonde Bursche wäre prächtig, wenn seine Augen nicht so eng neben der dünnen Nase säßen, wenn die Ohren nicht wie Löffel abstünden und wenn die Vorderzähne nicht zwischen den aufgeworfenen Lippen zu sehen wären.
Oven sieht nun aus nächster Nähe in die glitzernden Augen. Und er erkennt darin einen feigen Hass.
Zuletzt sieht Oven Timberland auf den Reiter vor sich. Er hat sofort erkannt, dass dies der wichtige Mann ist. Nun schenkt er diesem Mann seine volle Aufmerksamkeit.
»Sicherlich sind Sie Big Joe Uvalde«, sagt er etwas heiser und gepresst, denn sein schmerzender Kopf beruhigt sich nur langsam.
Big Joe Uvalde nickt. Er bleibt auf seinem schwarzen Riesenpferd sitzen wie ein König, wie ein wilder, grimmiger und stolzer König dieses Landes.
Oven sieht in zwei kohlschwarze Augen. Er erkennt darin eine Menge Dinge und begreift, dass man Joe Uvalde nicht nur wegen seiner Körpergröße Big Joe nennt. Dieser Mann hat auch sonst Format.
»Ja, ich bin Joe Uvalde. Neben Ihnen steht mein Sohn Ernest. Und Sie sind Oven Timberland. Sie wollen den Tod Ihres Bruders rächen, was? Daraus wird nichts, Oven Timberland!«
Die tiefe Bassstimme dröhnt, obwohl sich der Sprecher nicht anstrengt, besonders laut zu sein.
Oven sieht an sich hinab. Er erkennt, dass sie ihm die Waffe abgenommen haben. Er wischt sich mit dem Ärmel übers Gesicht. Dann tritt er langsam drei Schritte vor und sieht zu Joe Uvalde hoch. Aufmerksam sieht er diesen an, forscht in seinen Augen und nickt schließlich.
»Sie werden mir ein neues Pferd geben müssen, Mister Uvalde. Ich denke, ihr prächtiger Sohn war der Meisterschütze, der es mir unter dem Sattel erschoss. Was halten Sie von meiner Forderung?«
Big Joe Uvalde beugt den mächtigen Oberkörper vor. Die Gesichter der beiden Männer sind nur knapp einen Yard voneinander entfernt.
»Nichts halte ich davon, Oven Timberland. Sie haben das Pferd eines meiner Reiter getötet. Wir sind quitt, Timberland.«
»Die Rechnung stimmt nicht, Uvalde. Mir wurde auf Regierungsland der Weg versperrt. Es war mein gutes Recht, die Wegelagerer zu bekämpfen. Und ich hätte anstatt des Pferdes den Mann töten können, denn er hatte eine Waffe in der Faust. Mein Tier aber wurde aus dem Hinterhalt aus sicherer Entfernung mit einem Gewehr getötet. Ich will ein Pferd von der Uvalde Ranch. Und eines Tages hole ich es mir, Joe Uvalde. Ich hole mir ein Pferd – und den Schuft, der meinen Bruder in den Rücken schoss. Es scheint hier üblich zu sein, dass man …«
Weiter kommt Oven Timberland nicht, denn Ernest Uvalde stößt ihm hinten eine harte Faust in die Nieren.
Oven taumelt bis an das Pferd des Ranchers, und er wäre gefallen, wenn er daran keinen Halt gefunden hätte. Der Schmerz ist höllisch. Oven ist wie gelähmt. Etwas schwerfällig wendet er sich um.
Es war ein tückischer Schlag, der für Oven unerwartet kam. Er ist immer noch wie gelähmt und möchte vor Schmerz brüllen.
Und doch hört er noch die Worte des Ranchers, der seinen Sohn verflucht.
Ernest Uvalde ist jedoch von einer bösen Wut erfasst. Er schlägt Oven Timberland mit wuchtigen Schlägen zusammen. Wäre Oven nicht wie gelähmt, so könnte er diesen Schlägen mühelos ausweichen.
Aber er hatte von Anfang an keine Chance.
Plötzlich ist es aus mit ihm.
Ernest Uvalde hält inne, nachdem er Timberland noch einmal niedergeschlagen hat. Er stößt einen zufriedenen Ruf aus.
Big Joe Uvalde klettert langsam vom Pferd. Und langsam stapft er über Ovens Körper hinweg bis dicht vor seinen Sohn.
Und dann schlägt er diesem mehrmals die flache Hand ins Gesicht.
Es klatscht – und die zuschauenden Cowboys wenden sich ab und sehen in eine andere Richtung oder zu Boden.
Ernest Uvalde hält sich schützend die Arme vors Gesicht und weicht zurück.
»Du schlägst mich? Du schlägst deinen Sohn? O Hölle, das ist zu viel!«
Big Joe Uvalde folgt dem Sohn mit geballten Fäusten. Er prügelt ihn nicht mehr, aber er folgt ihm.
»Warum kannst du nicht wie ein Mann kämpfen, warum bist du kein echter Uvalde? Ich muss mich schämen, du feiger Coyote! Fast möchte ich annehmen, dass du gar nicht sein Pferd, sondern ihn selbst treffen wolltest. Hast du einen bestimmten Grund, ihn zu fürchten?«
Groß, mächtig und in wildem Zorn, so steht er vor seinem Sohn, der bestimmt kein zweiter Big Uvalde werden wird.
Und leicht geduckt, die Arme noch schützend erhoben, steht der Sohn vor dem Vater. Er gibt keine Antwort, sieht ihn nur unruhig an und senkt dann seine Augen.
Der Alte wischt sich zitternd über das lederhäutige Gesicht. Dann richtet er sich auf. Seine Stimme klingt wieder kontrolliert.
»Man kann aus einem Coyoten keinen Löwen machen. Ich habe es viele Jahre lang versucht. Ich habe einen Sohn, der nicht ehrlich kämpfen kann. Geh mir für eine Weile aus den Augen, Ernest. Im Halbmondtal ist ein Corral zu bauen. Du wirst es tun. Ich kann dich nicht kämpfen lassen, denn du bringst die Uvaldes in Verruf. Ein Uvalde kämpft stets anständig, wenn auch hart und ohne Mitleid, aber fair und sauber. Geh!«
Ernest Uvalde wendet sich sofort ab. Er geht zu seinem Pferd, schwingt sich in den Sattel und reitet davon.
Big Joe Uvalde wartet, bis Timberland zu sich kommt. Und wartet weiter, bis Timberland wieder auf den Beinen steht und ihn ansehen kann.
Dann sagt er ruhig zu ihm: »Timberland, ich will Sie nicht in diesem Land haben. Es gibt mehrere Gründe dafür. Und ich will Sie auch nicht da drüben in den Wild Cliffs wissen. Ein paar Dinge sehen übel aus. Nehmen Sie sich den Pinto, und reiten Sie nach Süden zurück. Bleiben Sie fern von hier. Sie können Ihren Bruder nicht mehr lebendig machen. Verschwinden Sie, Timberland!«
Oven sieht zu dem Pinto hinüber, den er sich nehmen darf. Das Pferd ist sicherlich für die Herdenarbeit gut abgerichtet und zuverlässig. Es ist jedoch nicht halb so gut, wie es sein Rotfuchs war.
Er verzieht sein zerschlagenes Gesicht und lächelt Big Joe Uvalde grimmig an.
»Passen Sie auf, Uvalde, was ich Ihnen jetzt sage: Ich weiß, dass mein Bruder noch wenige Minuten vor seinem Tod mit Ihnen zusammen war, ein Mann aus den Wild Cliffs – und ein Großrancher. Das ist merkwürdig. Wollte er für Sie arbeiten, oder hat er Ihnen ein Ultimatum überbracht? Und warum tötete man ihn? Uvalde, ich werde es herausfinden. Sie nicht – und auch nicht andere Leute – können das Gesetz aus diesem Land verbannen. Ich bin hier! Da, sehen Sie! Das ist ein Stern! Ich bringe das Gesetz nach Rushwater. Jetzt wissen Sie ganz genau, was ich hier will. Wenn Sie mich noch einmal aufhalten, wird es schlimm. Und ein zweites Mal wird mich Ihr Sohn weder mit dem Gewehr noch mit der Faust von hinten überraschen können. Wir werden sehen, Mister Uvalde. Bald werde ich wissen, warum Sie keinen Timberland im County haben wollen. Oder wollen Sie mir jetzt schon sagen, was Jack mit Ihnen zu tun hatte und warum er ermordet wurde, als er aus der Stadt reiten wollte?«
Oven kann sich kaum auf den Beinen halten, aber er sieht Big Joe Uvalde hart an.
Der saugt die Luft ein und murmelt: »Weder ich noch andere Leute wollen zurzeit ein Gesetz im Land, wenigstens vorläufig nicht. Sie werden vielleicht eine Menge Dinge herausfinden, Timberland. Aber bald wird Ihr Kummer mächtig groß sein. Ihr Bruder bot mir die Neutralität der Leute in den Wild Cliffs an. Es gibt aber auch Leute, die das Gegenteil behaupten werden – und müssen. Ich will Sie nicht davonjagen, weil Sie den Mörder Ihres Bruders suchen – nein, das ist nicht der Grund, warum ich Sie nicht im Land haben will. Timberland, ich habe genug Geschichten über Sie gehört. Als ich Sie sah, da wusste ich sofort, dass Sie wieder den Stern tragen. Das ist Ihre Art! Nun, ich will keinen Mann im County haben, der solch ein Ding auf der Weste trägt und neue Gesetze einführen möchte! Ich war all die Jahre auf dieser Weide das Gesetz. So soll es auch bleiben!«
Er verstummt und funkelt Oven Timberland an.
Der zeigt ihm ein bitteres Lächeln.
»So, Sie waren das Gesetz?«, fragt er. »Das bedeutet also, dass nur die Dinge gut sind, die von Ihnen gewünscht, gebilligt oder befohlen werden – ein einseitiges Gesetz ist das, und es gibt dem Schwachen keine Chance. Es bringt nur Ihnen Vorteile, Uvalde.«
»Richtig, Timberland! Ich habe eine große Ranch und viele Feinde. Deshalb muss ich dieses County regieren. Aber nun habe ich genug mit Ihnen geredet, Timberland. Nehmen Sie sich diesen Pinto dort. Setzen Sie sich in den Sattel und reiten Sie nach Süden. In ein oder zwei Jahren können Sie zurückkommen. Dann …«
»Ich reite nicht weg, Uvalde!«
»Nun gut, Timberland. Sie sind ein harter und stolzer Mann. Sie werden erst noch einiger Dinge begreifen müssen, bevor Sie aufgeben. In Ordnung!«
Big Joe Uvalde wendet sich schroff ab und geht zu seinem Pferd. Er sitzt auf. Auch seine Cowboys sitzen auf. Der rotköpfige Mann besteigt den Pinto, und die beiden anderen klettern auf das andere Tier.
»Wenn Sie dieses Land verlassen wollen, so können Sie von mir ein Pferd haben, Timberland, sonst nicht«, knurrt der Großrancher und hebt die Zügel.
»Halt!«, ruft Oven heiser.
»Was ist noch?«
Oven deutet auf seinen toten Rotfuchs.
»Er war prächtig, Uvalde. Wie hoch schätzen Sie seinen Kaufwert?«
Big Joe Uvalde wirft einen schnellen Blick auf das tote Tier.
»Es wird achthundert bis tausend Dollar wert sein. Ich habe auf meiner Ranch keine drei Pferde, die besser sind«, sagt er dann.
Oven Timberland nickt. »Die Uvalde Ranch schuldet mir ein Tausend-Dollar-Pferd. Bald hole ich es mir!«
Er wendet sich ab, geht zu dem toten Tier hin und löst den Sattel und die Packtaschen.
Als er damit fertig ist, sind Joe Uvalde und seine Reiter schon ein Stück entfernt.
Bis jetzt hat sich Oven Timberland mit eiserner Energie aufrecht gehalten und seinen Schmerz und die Schwäche bekämpft.
Aber nun ist er allein.
Plötzlich muss er sich übergeben. Ernest Uvaldes mächtige Fäuste haben zu hart in seine Magenpartie gestoßen. Und der Schmerz in der Nierengegend ist eine Hölle für sich. Dazu kommt das Dröhnen und Pochen in seinem Kopf.
Er rafft sich zusammen, wirft sich die Satteldecke über die Schulter, nimmt sein Bündel unter den Arm und schleift den Sattel mitsamt den Packtaschen und dem Gewehr am Steigbügel hinter sich her. Zwischen dichten Büschen, die neben den Bäumen stehen, bereitet er sich ein Lager. Er möchte nicht als kranker Mann in Rushwater ankommen.
☆☆☆
Er liegt still und regungslos auf den Decken und hat die Augen geschlossen.
Plötzlich hört er neben sich ein leises Geräusch. Er öffnet die Augen und sieht Ernest Uvalde an einem Baum lehnen.
»Steh auf, Timberland! Ich war vorhin noch nicht fertig mit dir. Ja, ich bin nur ein kurzes Stück geritten und habe dann gewartet, bis du allein warst. Ich wusste, dass du noch schwer angeschlagen bist. Und ich gebe dem Mann, den ich fürchten muss und den ich darum hasse, nicht die geringste Chance. Wir sind jetzt ganz unter uns, und wir machen da weiter, wo ich mit dir aufhörte.«
Oven Timberland richtet sich auf. Eine Weile bleibt er sitzen und sieht Ernest Uvalde aufmerksam an. Der Mann hat den Colt im Holster, aber er hält Ovens Waffe in der Hand, die er mitgenommen hatte, als ihn der Vater wegschickte.
»Warum fürchtest du mich? Und warum hasst du mich, Uvalde?«, fragt Oven Timberland heiser.
Funken tanzen in Uvaldes Augen.
»Ich muss dich fürchten, weil du Jacks Bruder bist. Du bist ein Klassemann, der gefährlich ist. Du bist in dieses Land gekommen, um den Mörder deines Bruders zu finden. Du könntest schnell herausfinden, wer Jack getötet hat. Deshalb muss ich dich fürchten. Pass auf, Timberland. Und hüte dich vor einer schnellen Bewegung! Ich war es, der deinem Bruder aus einer finsteren Gasse heraus drei Kugeln in den Rücken schoss. Ich bin der Mörder! Du brauchst nicht mehr zu suchen. Ich bin hier, du weißt es nun, und du bist in meiner Hand. Ich habe großes Glück gehabt. Da ich alle Chancen restlos ausnutze, werde ich dich jetzt töten müssen. Vor einem toten Oven Timberland brauche ich mich nicht mehr zu fürchten. Wenn du tot bist, werde ich dich auch nicht mehr hassen. So ist das, Timberland!«
Er stößt die letzten Worte heftig hervor. Dabei hebt er den Colt, lässt Oven in die Mündung sehen und spannt mit dem Daumen den Hammer. Ovens Waffe hat keinen Abzug. Man muss mit dem Daumen den Hammer anheben und zurückschnappen lassen.
Oven Timberland lehnt groß und steif am Baum. Seine Schultern vibrieren leicht, und sein Gesicht ist eine starre Maske, in der nur die Augen leben.
»Es kommt dir sicherlich auf ein oder zwei Minuten nicht an, Uvalde«, murmelt er heiser.
»Nein, so sehr eilt es nicht!« Ernest Uvalde grinst, hält jedoch die Waffe weiter auf Oven gerichtet.
»Warum hast du Jack getötet, Uvalde?«, fragt Oven.
»Mein Vater gibt mir nur den Lohn eines Cowboys als Taschengeld. Mir, dem Erben der größten Ranch im Land! Na, ich freundete mich mit einigen Leuten aus den Wild Cliffs an. Wir machten zusammen Viehgeschäfte. Ich hatte bald genügend Taschengeld. Dein Bruder lebte unter den Gesetzlosen in den Wild Cliffs. Er hatte dort eine Menge Anhänger und Freunde, aber auch Feinde. Einige kleinere Rancher haben sich zusammengetan, um meinem Vater ein mächtiges Stück Weideland abzunehmen. Diese Rancher wollten sich Leute aus den Wild Cliffs zur Hilfe anwerben. Sie boten einen hohen Preis. Dein Bruder war dagegen. Als in den Wild Cliffs abgestimmt wurde, gab es zwei Parteien. Die Partei deines Bruders war stärker. Mein Vater hatte von all diesen Dingen Wind bekommen. Er lud deinen Bruder zu einer Aussprache ein. Dein Bruder kam. Mein Vater verhandelte mit ihm. Dein Bruder versprach ihm die Neutralität der Wild-Cliffs-Leute. Dafür wollte mein Vater jedes Jahr zweihundert Rinder in die Wild Cliffs treiben lassen. Meine Freunde, die die schwächere Partei in den Wild Cliffs anführten, gaben mir den Auftrag, Jack abzuschießen. Ich tat es.«
»Und was hast du davon?«, fragt Oven ruhig.
»Viel! Meine Freunde haben mich in der Hand. Sie hätten Mittel und Wege gefunden, meinem Vater die Augen über mich zu öffnen. Dann hätte er mich davongejagt. Ich wäre ein Satteltramp geworden. So aber bin ich immer noch sein Erbe. Und wenn von Big Joe Uvaldes großem Rinderreich auch nicht viel übrig bleiben wird, so wird es für mich immer noch mehr sein als das, was ich als davongejagter und enterbter Sohn bekommen hätte, nämlich nichts. Ich denke, wir können jetzt die Sache beenden, Oven Timberland. Du bist keine Gefahr mehr für mich. Ich töte dich. Und weil das klar ist, hasse ich dich mit einem Mal nicht mehr. Du kannst noch eine Zigarette rauchen, wenn du willst, aber mehr Zeit gebe ich dir nicht mehr.«
Oven Timberland nickt. Längst hat er erkannt, dass es für ihn keine Rettung gibt. Nur eines weiß er: Mac Thomson wird die Hölle loslassen, wenn er tot ist. Aber auch Mac kann ihn dann nicht mehr lebendig machen.
Oven greift in die Tasche, um sein Rauchzeug hervorzuholen. Dabei fühlt er den Stern. Er nimmt ihn mit heraus und steckt ihn sich an die Weste. Dann erst dreht er sich eine Zigarette.
Ernest Uvalde grinst seltsam. Seine glitzernden Augen richten sich auf den Stern.
»Er bedeutet dir wohl viel, was? Aber du hast ihn zurückgegeben, als dein Bruder vom Gesetz verfolgt wurde. So eisern und konsequent bist du also auch nicht.«
Oven stößt den Rauch aus und nickt.
»Ja, ich war dem Gesetz nicht treu genug, um den eigenen Bruder zu jagen. Weiß eigentlich dein Vater, dass du Jack getötet hast?«
Bei dieser Frage sieht er Ernest Uvalde scharf an.
Der hebt die breiten Schultern.
»Vielleicht ahnt er es. Aber selbst wenn er es wüsste, würde er schweigen. Vielleicht würde er mich erschlagen. Aber er würde keinem Menschen erzählen, dass ein Uvalde hinterrücks getötet hat. Bist du fertig, Timberland?«
Die Frage kommt scharf.
Oven Timberland nimmt noch einen Zug aus der Zigarette. Dabei spannt er schon unmerklich seinen schmerzenden Körper. Natürlich werden alle seine Anstrengungen sinnlos sein, aber er ist nicht der Mann, der sich ohne Gegenwehr abknallen lässt. Bis zum letzten Atemzug wird er sein Glück versuchen.
Als er die Kippe wegwirft und in Ernest Uvaldes Augen sieht, hören sie beide das Schnauben eines Pferdes.
Sie wenden den Kopf.
Sie sehen die junge Reiterin im selben Moment, als auch diese sie ihrerseits im Schatten der Bäume entdeckt.
»Ernest, ich sah die Geier und dein Pferd! Mit wem bist du da unter den Bäumen?«
Sie hat eine dunkle und energische Stimme.
Während sie ruft, reitet sie langsam näher.
Ernest Uvaldes Hand, die den Colt hält, beginnt zu schwanken. Seine Augen flitzen unruhig hin und her und suchen nach einem Ausweg.
Oven Timberland beobachtet ihn lauernd. Er wagt noch nicht zu hoffen, dass die Ankunft des Mädchens die Gefahr restlos beseitigt hat. Ernest Uvalde hat zu viel ausgesprochen, was nur ein toter Oven Timberland wissen darf.
Die Reiterin ist bis auf zehn Yards heran. Geschmeidig springt sie aus dem Sattel.
Sie trägt halbhohe Stiefel. Ihr geteilter Rock ist aus Wildleder und reich mit Fransen verziert. Um die schmalen Hüften trägt sie einen Waffengurt und im Holster einen kleinen Colt. Ihr Haar hat den Glanz von Kastanien. Es liegt dicht auf ihrem Nacken, ist geflochten und wird von einem Samtband zusammengehalten. Ihre Stirn ist hoch und gerade. Die Augenbrauen sind kräftig und haben an den Schläfen einen Schwung nach oben. Und die Augen sind blau. Es ist ein wundervolles Blau, leuchtend und kräftig.
Etwas unschlüssig bleibt sie stehen, stützt eine Hand in die Seite und klatscht mit der Reitpeitsche gegen ihren Rock.
»Störe ich, Ernest? Was geht hier vor? Wenn ich stören sollte, so möchte ich es trotzdem wissen. Wer ist der Fremde? Warum bedrohst du ihn mit dem Colt? Ich möchte eine Antwort, Bruder!«
Ernest Uvalde findet endlich seine Sprache wieder.
»Du störst hier, Ann. Reite voraus! Ich muss erst diesen Mann hier - verprügeln. Ich komme nach, wenn ich mit ihm fertig bin. Geh schon, Schwester. Das ist eine Männersache!«
Aber sie geht nicht. Sie tritt noch näher und sieht Oven Timberland aufmerksam an. Und sie sieht den Stern auf seiner Weste.
»Ein US Marshal?«
»Ich bin nur ein Deputy Marshal. Oven Timberland ist mein Name«, murmelt Oven heiser.
Sie zuckt etwas zusammen.
»Captain Timberland – der Mann, der seinen Stern zurückgab, weil sein Bruder …«
»Genau der.« Oven nickt düster und sieht sie ruhig an.
»Ihr Bruder war nicht schlecht«, murmelt sie.
»Nein. Und jetzt ist er tot«, erwidert er.
»Warum bedroht mein Bruder Sie?«
Oven lächelt freudlos. Und er weiß genau, dass Ernest Uvalde schießen wird, wenn er auch nur ein falsches Wort sagt.
»Miss, wir haben uns geprügelt. Er wollte mich auf die Straße zurückschicken. Als er meinen Colt in die Hand bekam, war die Prügelei beendet. Ich glaube nicht, dass er mich töten will. Er weiß zu gut, dass er dann eines Tages hängen würde.«
Bei seinen Worten sieht er erst das Mädchen und zuletzt den Mann an. Und er erkennt die Unruhe und die Unschlüssigkeit in Uvaldes Augen.
Das Mädchen macht eine rasche Bewegung.
»Was werden Sie tun, Mister Timberland, wenn er Sie laufen lässt?«
»Ich werde den heutigen Tag vergessen«, sagt Oven.
Sie nickt und wendet sich um.
»Komm, Ernest. Es ist alles erledigt. Überlass gefälligst Vater die Entscheidung, wenn es sich um einen US Marshal handelt! Komm jetzt!«
Sie geht zu ihrem Pferd.
Ernest Uvalde murmelt leise, sodass seine Worte nur bis zu Oven dringen: »Du hast Glück! Ich kann dich jetzt nicht töten, weil ich meine Schwester mehr liebe als mich selbst. Ich kann ihren Glauben an mich nicht zerstören. Ich würde sie verlieren, wenn ich dich jetzt erschieße. Aber ich werde eine ganze Meute auf dich hetzen. Binnen drei Tagen bist du tot. Schwöre mir, dass du keinem Menschen sagen wirst, wer der Mörder deines Bruders ist. Schwöre es mir, sonst töte ich dich dennoch!«
»Ich schwöre es«, sagt Oven. »Diese Sache geht nur uns beide etwas an.«
»Komm jetzt endlich, Ernest!«, ruft Ann Uvalde scharf. Sie sitzt schon auf ihrem Pferd und wartet.
Da geht Ernest Uvalde langsam davon. Er taucht zwischen den Bäumen unter und kommt wenig später auf seinem Pferd wieder zum Vorschein. Die Geschwister reiten davon.
☆☆☆
Es ist bereits Mitternacht vorbei, als Oven Timberland das Marshal’s Office von Rushwater erreicht.
Der Town Marshal sagt: »Sie sind also gekommen, Timberland. Nun, das war zu erwarten. Und den Stern tragen Sie auch wieder. Aber Sie sehen aus, als wäre Ihnen schon eine Menge zugestoßen. Ich denke, es wird noch schlimmer werden. Was wollen Sie von mir?«
Oven setzt sich auf einen Stuhl, holt sein Rauchzeug hervor und dreht sich eine Zigarette.
»Mein Bruder wurde hier in der Stadt ermordet, Marshal«, beginnt er ruhig.
»Stimmt, Captain. Ich habe für Jacks Beerdigung gesorgt. Er hatte alles, was dazu gehört. Ich bekam aus den Wild Cliffs eine Geldsumme zugeschickt. Da auf dem Regal liegt noch der Waffengürtel Ihres Bruders.«
Der Marshal deutet mit dem breiten Kinn in eine dunkle Ecke des Raumes. Oven Timberland erhebt sich und geht hin. Als er zurück in den Lampenschein tritt, hält er einen Colt in der Hand, dessen Griff blank und abgegriffen ist.
Er setzt sich mit der Waffe wieder auf den Stuhl, untersucht sie sorgsam und wechselt die Munition aus. Mit einer entschlossenen Bewegung schiebt er sie ins leere Holster.
Dann sieht er den Town Marshal an.
»Wie heißen Sie?«
»Hammond, Lee Hammond«, sagt dieser leise und mit gedehnter Sanftheit. Und dann nimmt er langsam seine Füße vom Schreibtisch und setzt sich gerade.
»Was haben Sie unternommen, um den Mörder meines Bruders zu finden?«, fragt Oven ruhig.
»Nichts! Ich bin weder ein US Marshal noch ein Sheriff, ich bin ein kleiner Town Marshal. Außerhalb der Ortsgrenze habe ich keine Amtsbefugnisse. Und der Mörder Ihres Bruders ist nicht in Rushwater ansässig. Diese Sache ist viel zu groß für mich. Ich kenne meine Grenzen.«
»Sie kennen den Mörder, Hammond?«
»Nein. Ich weiß nur, dass Jack Timberland unter den Ortsansässigen keine Feinde hatte, zumal er hergekommen war, um mit Big Joe Uvalde zu verhandeln. Das weiß jeder. Was wollen Sie von mir, Timberland?«
»Wem gehört diese Stadt, Hammond?«
»Das werden Sie bald selbst herausfinden, Timberland!« Die Stimme des Town Marshals ist etwas schärfer und härter geworden.
Oven erhebt sich.
»Ich bin das Gesetz. Ich werde an einem Ende mit der Arbeit beginnen. Und wenn ich aufhöre, wird man hier im Land verschiedene Dinge begriffen haben. Warum gibt es keinen Sheriff im County?«
Der Town Marshal antwortet nur widerwillig.
»Big Joe Uvalde will keinen Sheriff, denn er wahrt selbst seine Rechte und achtet in seinem Reich selbst auf Ordnung. Die Rancher im Norden halten es genauso. Die Sheriffwahl wäre zu einem Machtkampf geworden. Jede Partei hätte versucht, ihren Mann durchzubringen. Uvalde war zu stolz, und die anderen waren zu schlau, einen Sheriff haben zu wollen. Und diese Stadt will auch keinen haben. Die Leute in den Wild Cliffs würden sich einen Sheriff nicht bieten lassen. Früher oder später müsste sich jeder Sheriff einmal gegen die Wild-Cliffs-Leute stellen und die würden sich gegen die Partei wenden, die den Sheriff ins Amt gebracht hätte. Hier wird alles auf die alte Art ausgetragen, ohne Gesetz. Der Starke wird das Rennen machen. Wenn das ausgetragen ist, wird man schließlich ziemlich einstimmig einen Sheriff wählen. So ist das, Timberland. Ich gebe Ihnen keine drei Tage. Keiner will Sie hier haben. Sie sind allein. Wenn Sie das Gesetz bringen, so bringen Sie es zwei Jahre zu früh. Das Land ist noch nicht reif. Erst müssen noch verschiedene Dinge ausgekämpft werden. Dabei muss jede Partei bestimmt oft das Gesetz übertreten. Es wäre nur hinderlich. Wenn ein Hund den Machtkampf zweier Wolfsrudel stört, wird er einfach tot gebissen. So ist das!«
Oven Timberland gibt keine Antwort. Er geht zur Tür, bückt sich über sein Bündel und zieht seine Jacke daraus hervor. Er zieht sie an. Nun ist sein Stern nicht mehr zu sehen.
Eine Weile steht er nachdenklich da. Die Worte des Town Marshals waren sehr aufschlussreich. Obwohl viele Dinge nicht gesagt wurden, weiß Oven genau Bescheid. Er nickt.
»Sie tragen einen Stern wie ich, Hammond. Wenn Sie ihn morgen immer noch tragen, werden Sie auf meiner Seite stehen müssen. Oder Sie sind der erste Mann, den ich davonjage! Überlegen Sie es sich!«
Langsam sammelt er sein Gepäck auf und tritt dann in die Nacht hinaus. Er lässt hinter sich die Tür achtlos offen und geht ins Hotel.
Am Pult sitzt ein alter Mann. Oven grüßt kurz, tritt an das Pult und trägt sich in das Gästebuch ein.
»Nummer drei«, sagt der Alte und reicht Oven den Schlüssel. »Wollen Sie noch etwas? Vielleicht ein Abendbrot?«
»Nein«, erwidert Oven und wendet sich zur Treppe. Er schwankt etwas, als er die Stufen hochsteigt.
Oben brennt eine kleine Lampe. Er findet das Zimmer, tritt ein und lässt sein Gepäck fallen. Tastend findet er das Bett und setzt sich darauf. Die Müdigkeit ist nun größer als die Schmerzen in seinem Kopf und an seinem Körper. Er betastet seine Magenpartie, in die Ernest Uvaldes Fäuste wie Dampfhämmer hineingestoßen haben. Eine Weile sitzt er so und ruht sich aus. Als er sich erheben will, um die Tür abzuschließen und einen Stuhl unter die Klinke zu stellen, klopft es leise.
Er zieht den Colt und sagt: »Ja?«
Der Portier kommt herein. Er trägt eine Lampe in der einen und eine Schüssel in der anderen Hand. Unter den Arm hat er eine Tasche gequetscht.
»Sie sind krank, Timberland. Jemand hat Sie übel zusammengeschlagen. Ich führe nicht nur das Hotel, sondern ich bin zufällig auch der einzige Arzt am Ort. Sie werden mir gestatten, dass ich mich um Sie kümmere.«
Oven legt sich der Länge nach auf das Bett. »Ich habe noch nie einen Arzt gesehen, der zu gleicher Zeit ein Hotel …«
»Das Hotel gehörte meinem Sohn. Nun gehört es seiner Frau. Ich brauche wenig Schlaf. Deshalb saß ich hinter dem Pult. Eine junge Frau kann in diesem gesetzlosen Land allein kein Hotel führen.«
Er murmelt es bitter, entkleidet Oven vollständig und behandelt ihn.
»Danke«, murmelt Oven und sieht ihn müde an.
»Was ist mit Ihrem Sohn?«, fragt er plötzlich.
»Bag Hithe hat ihn erschossen. Hithe beleidigte meine Schwiegertochter. Mein Sohn wollte ihn aus dem Hotel weisen. Hithe war betrunken genug, um sofort zu schießen. Nun trage ich wieder eine Waffe. Denn es gibt kein Gesetz hier. Wenn Hithe wieder in die Stadt kommt, werde ich ihn erschießen. Timberland, man hat Sie übel zugerichtet. Wenn Sie einen alten Mann brauchen können, der noch ganz leidlich mit der Waffe umgehen kann, so werden Sie mich stets hinter sich finden. Wenn ich in Ihrer Nähe bin, brauchen Sie nie auf Rückendeckung zu achten. Das sollten Sie wissen.«
»Danke. Wer ist Bag Hithe?«
»Er führt die Gesetzlosen in den Wild Cliffs an. Er und Hale Olds und Sody Hunter. Ihr Bruder war nicht schlecht. Er hatte in den Wild Cliffs großen Einfluss und sorgte dafür, dass die Wild-Cliffs-Leute zahm blieben. Jetzt hören die Gesetzlosen auf andere Männer. Es wird bald im ganzen Land Mord, Raub und Gesetzlosigkeit geben. So ist das. Schlafen Sie jetzt, Timberland.«
»Ich habe noch eine Frage, Mister …«
»Ich bin Oliver Hard.«
»Well, Mister Hard – oder Doc?«
»Sagen Sie einfach Hard zu mir, Timberland.«
»Well, Hard, was tut der Town Marshal?«
»Seit einiger Zeit nichts. Er wartet ab. Früher war er Big Joe Uvalde ergeben. Aber es ist nicht mehr sicher, ob Uvalde die Macht im Land bleiben wird.«
Oliver Hard nimmt die Lampe und seine Utensilien. Er verlässt das Zimmer.
Oven erhebt sich noch einmal stöhnend. Er schließt die Tür ab, stellt einen Stuhl unter die Klinke, lässt sich ins Bett fallen, nimmt den Colt seines Bruders in die Hand und schläft ein.
☆☆☆
Oven Timberland schläft mehr als zwölf Stunden. Er genießt dann das gute und reichliche Essen im Hotel. Schließlich verlässt Oven den Speiseraum und tritt auf die Straße.
Gegenüber zwischen dem großen Store und der Sattlerei kauern ein paar Cowboys auf den Absätzen. Sie lehnen dabei an der Hauswand und sehen aus dem Schatten zu Oven herüber.
Er wendet sich nach rechts. Vor der Haltestange des Saloons stehen ein halbes Dutzend Pferde.
Als Oven vor der Schwingtür ist, wird diese aufgestoßen. Lee Hammond kommt heraus. Er hat eine dicke Zigarre zwischen den Lippen. Er bleibt stehen und sieht Oven an.
»Heute sehen Sie besser aus«, murmelt er.
»Sie tragen noch den Stern, Hammond. Sie haben sich also entschieden, auf meiner Seite zu stehen?«
»Was Sie hier tun, geht mich nichts an, Timberland«, murmelt Hammond und nimmt die Zigarre aus dem Mund.
Oven tritt dicht an ihn heran. Seine Gürtelschnalle berührt den vorstehenden Bauch des Mannes.
»Ich habe Ihnen gestern etwas gesagt, Hammond. Vergessen Sie es nicht. Sie haben Ihre Chance gehabt und konnten den Stern abgeben. Sie haben es nicht getan. Nun sind Sie mit im Spiel – auf meiner Seite. Bei Gott, es wird schlimm für Sie, wenn Sie weiter allen unangenehmen Sachen aus dem Weg gehen. Sie tragen den Stern. Vergessen Sie es nicht!«
Er hebt den Arm, drückt Hammond heftig zur Seite und geht in den Saloon hinein. Ein paar Cowboys sitzen herum. Sie sehen ihn an. Er erwidert ihre Blicke – und sie sehen schnell weg.
Der Barmann schiebt ihm eine Flasche und ein Glas hin. Er schenkt sich ein, gießt viel Soda hinzu und trinkt langsam. Eine Tür öffnet sich neben dem Ende des Schanktisches. Ein kleiner, massiger und sehr kraftvoller Mann erscheint. Er ist in Schwarz gekleidet und trägt unter der offenen Jacke eine geblümte Weste, auf der eine dicke Uhrenkette hängt. Er tritt an Oven heran, schiebt die Jacke zurück und hängt seine Daumen in die Ärmellöcher der Weste. So steht er eine Weile da und sieht Oven an, herausfordernd, leicht überheblich und voll verhaltener Feindseligkeit.
»Jetzt haben Sie mich betrachtet, Mister«, sagt Oven. »Sagen Sie jetzt Ihren Spruch auf, oder verschwinden Sie – mir ist beides recht.«
»Nicht so stolz und nicht so hart, Timberland«, murmelt der Mann und zieht die buschigen Augenbrauen zusammen. »Wie ich hörte, haben Sie gestern schon eine Menge Prügel bekommen. Das sollte Ihnen doch für eine Weile genügen. Ich bin Hogan Scott. Mir gehört dieser Saloon. Well, da im Hinterzimmer sitzen drei Gentlemen, die Sie sprechen wollen.«
Bei den letzten Worten hebt Hogan Scott die dicke Hand und zeigt mit dem klobigen Daumen über die Schulter.
Oven Timberland setzt sich sofort in Bewegung. Da ihm der Barbesitzer im Weg steht, schiebt er ihn mit einer kurzen Armbewegung zur Seite, so, wie er es eben vor der Tür mit Lee Hammond getan hat. Es ist Oven Timberlands Art, Männern, die ihn nicht mögen, seine Verachtung zu zeigen, die zugleich eine Herausforderung ist.
Er ist zwei Schritte weiter, als ihn Hogan Scotts wütende Stimme einholt.
»Timberland, das machen Sie nicht noch einmal mit mir. Wenn ich Ihnen im Weg bin, so gehen Sie um mich herum. Wenn Sie mich noch einmal zur Seite stoßen, so schlage ich Sie ungespitzt in den Erdboden!«
Oven wendet sich halb um und grinst ihn an.
»Wir bekommen schon noch unseren Spaß miteinander, Scott«, sagt er. Er dreht ihm den Rücken zu, geht zu der Tür, öffnet sie und betritt das Hinterzimmer.
Drei Männer sitzen beim Kartenspiel am Tisch. Sie heben oder wenden die Köpfe und sehen ihn aufmerksam an. Er lehnt sich gegen die Tür und mustert sie seinerseits genauso scharf und aufmerksam.
Er lächelt hart.
»Solange ich noch fremd in einer Gegend bin, nehme ich immer gern jede Einladung an. Was soll’s sein, Gentlemen?«
»Kommen Sie, Timberland. Nehmen Sie Platz! Ich bin gerade dabei, diesen Pott zu gewinnen«, sagt eine leise, aber scharfe und klirrende Stimme.
Oven nähert sich dem Tisch, nimmt Platz, und das Spiel geht weiter. Es dauert nur noch kurze Zeit. Der Sprecher wirft nämlich vier Könige auf den Tisch und streicht etwa fünfhundert Dollar ein.
Dabei richtet er seine grünlichen Augen schon auf Oven.
Es ist ein großer, schmaler, aber starkknochiger Mann. Alles an ihm ist sehnig, grob und knochig. Sein gelbes Haar kräuselt sich auf seinem Hemdkragen. Er ist ziemlich schäbig und wie ein Rindermann gekleidet. Kinn und Stirn wölben sich vor. Sein Profil gleicht einer Mondsichel, zumal seine Nase lächerlich klein ist.
Und doch geht eine dynamische Kraft von ihm aus. Dieser Mann ist gefährlich, angriffslustig und hart.
»Ich bin Howard Pritchard«, sagt er langsam und gewichtig. »Hier ist Tres Chandler – und das ist Dence Peakby. Sie sind nicht nur jetzt, sondern auch auf der Weide meine Nachbarn.«
Oven nickt und sieht sich die beiden anderen Männer noch einmal kurz an.
Chandler ist ein falkenäugiger Mann in mittleren Jahren. Man muss ihn genau ansehen, um zu erkennen, wie scharf und glashart er ist. Peakby ist ein anderer Typ. Er gleicht mehr einem bauernschlauen Bären, der, wenn sich in seinem Kopf erst einmal eine Idee festgesetzt hat, nicht mehr locker lässt.
»Was soll’s sein?«, fragt Oven wieder und wartet.
»Wir wollen ein Geschäft mit Ihnen abschließen«, stößt Pritchard ziemlich scharf hervor. Er lehnt sich über den Tisch und sieht Oven angriffslustig an. »Wir möchten hier keinen toten US Marshal haben, denn wir wollen in aller Ruhe ganz unter uns die Streitigkeiten im Land austragen. Nun, Sie sind sicherlich mit dem Stern hergekommen, um den Mörder Ihres Bruders zu finden, oder?«
»Vielleicht«, nickt Oven.
»Natürlich ist es so, Timberland! Wenn wir Ihnen nun den Mörder übergeben, werden Sie dann wieder verschwinden oder noch bleiben?«
Oven Timberlands Augen werden schmal.
»Sie kennen den Mann, der meinen Bruder in den Rücken schoss?«, fragt er sanft.
»Ja! Und Sie können ihn haben, wenn Sie dann verschwinden und dem alten Mac Thomson berichten, dass alles in Ordnung ist.«
»Es ist aber nicht alles in Ordnung, Pritchard.«
»Was wollen Sie noch mehr? Sie bekommen den Schuft, der Jack in den Rücken schoss! Dafür brauchen Sie nur das Land zu verlassen und sich um nichts mehr zu kümmern. Ist das nicht ein faires Angebot?«
Die Frage kommt lauernd.
Alle halten den Atem an und starren Oven ins Gesicht.
Oven erhebt sich.
»Ich kenne das Spiel, Gentlemen. Nun, ich suche mir den Mann selbst. Überdies würde die Rechnung bestimmt nicht aufgehen. Der Vater des Mörders würde sich wegen seines missratenen Sohnes nicht in Schwierigkeiten stürzen, er würde weiter auf die Grenzen seines Reiches aufpassen. So könnt ihr es nicht machen, Leute!«
Er geht langsam zur Tür und wendet sich noch einmal um. Die drei Rancher haben es noch nicht ganz verdaut, dass er den Mörder schon kennt. Sie sitzen wie erstarrt auf den Stühlen und glotzen ihn an.
»Es wird eine harte Sache werden«, sagt er zu ihnen. »Und ich werde dazwischenfahren! Ihr drei wollt Big Joe Uvalde auf eine verdammt unsaubere Art erledigen und …«
»Hölle, Timberland, Sie sind schon so gut wie tot!«, zischt Howard Pritchard.
»Ich bin zäh wie Rohleder«, sagt Oven kurz und verlässt den Raum.
Er wirft ein kleines Geldstück auf die Theke und geht auf die Straße. In der Sonne bleibt er stehen und lehnt sich an die Hauswand. Er beobachtet die Straße und weiß, dass er seinerseits von vielen Leuten beobachtet wird.
Ein kleiner Mann kommt um die Ecke. Ein weißhaariger, rotgesichtiger, sehr würdiger alter Mann. Er trägt einen schwarzen Anzug, der ziemlich speckig ist und in der Sonne grünlich schillert. Auf seiner roten Weinnase sitzt ein goldener Kneifer. Der leichte Wind spielt in den weißen Bartkoteletten. Und er trägt einen Stock mit einem silbernen Knauf.
Vor Oven Timberland bleibt der Mann plötzlich stehen.
»Sie sind Captain Timberland?«
»Stimmt! Und Sie sind gewiss der Richter, was?«
»Stimmt auch, Captain. Wenn man Sie getötet hat, wird der Kummer erst richtig losgehen. Colonel Mac Thomson wird dann wohl einen neuen Mann schicken oder gar selbst herkommen. Es ist schlimm, Timberland. Warum lassen Sie dieses Geschwür nicht von selbst reifen? Dann heilt es auch von selbst ab.«
»Das sagen Sie, der Richter?«
»Mein Amt ist nicht mehr wert als Ihr Stern, Timberland. Ich kann nur überführte Verbrecher verurteilen. Und sie müssen einwandfrei überführt sein, sodass ihre Schuld nicht erst von einer Jury festgestellt werden muss. Ich bekomme nämlich in diesem Land keine Jury zusammen. Wenn ich Recht spreche, dann muss ich es ganz allein tun. Wer bringt mir einen Verbrecher, dessen Schuld einwandfrei feststeht? Und wer vollstreckt dann das Urteil?«
Er stampft mit Fuß und Stock auf den Brettergehsteig.
»Sie werden bald eine ganze Menge Urteile fällen müssen, Richter«, sagt Oven. »Das andere lassen Sie meine Sorge sein!«
»Sie werden bald tot sein, Timberland. Dieses Land gleicht noch einem riesenhaften Geschwür. Es muss von selbst aufbrechen. Erst dann …«
»Nein, Richter. Sie werden bald Urteile fällen. Und wenn Sie es nicht tun, so werde ich Sie davonjagen und einen Bundesrichter kommen lassen. Und der wird dann beim Gouverneur Soldaten anfordern und Kriegsrecht über das Land verhängen. Aber so weit wird es gar nicht kommen. Ich werde diese raue Ecke schon zur Ruhe bringen.«
Oven löst sich von der Wand und geht davon.
Er schlendert durch die Stadt und prägt sich die Lage aller Häuser, Gassen und Höfe ein. Er ahnt, dass er wahrscheinlich sehr bald auf eine genaue Ortskenntnis angewiesen ist.
Am Tor zur Schmiede bleibt er stehen und sieht dem Schmied zu, der gerade ein neues Wagenrad einsetzt. Als sich der Schmied umwendet und seine Hände abwischt, steht er noch immer da.
Beide Männer tauschen einen Blick aus.
Der Schmied besteht fast nur aus sehnigen Muskeln, und sein Hals ist fast so dick wie sein Kopf.
Er nickt Oven zu.
»Hallo, Timberland!«
»Hallo, Schmied!«
Oven erkennt in den Augen des geschwärzten Mannes eine ruhige Freundlichkeit. Er nickt ihm noch einmal zu und wendet sich dann ab.
Er hat den Vertrauensmann gesehen, den Mac Thomson in dieser Stadt hat. Und er weiß jetzt, dass er sich zumindest auf zwei Männer in dieser Stadt verlassen kann: auf Oliver Hard, den Doktor, und auf diesen Schmied.
Zwei Männer sind wenig, denkt er, aber sie können so wichtig sein wie zwei Trumpfkarten im Ärmel.
Er geht langsam ins Hotel zurück und auf sein Zimmer. Er legt sich ins Bett, schläft bis zum Abend.
Der ganze Ort wird am Abend ziemlich lebendig. Es ist die Zeit, da in den Lokalen Betrieb herrscht. Überall stehen Sattelpferde an den Haltebalken. Und immer noch kommen Reiter von der Weide herein.
Oven Timberland geht in den Saloon. Vor dem Schanktisch steht eine Reihe trinkender Männer. Andere sitzen an den Tischen.
Und alle wenden ihre Köpfe und sehen ihn an.
In der Ecke sitzt Hogan Scott inmitten einer Pokerrunde. Er grinst boshaft zu Oven herüber und mischt dann die Karten.
Langsam geht Oven zum Schanktisch. Sofort entsteht zu beiden Seiten von ihm eine Lücke. Er ist allein. Der große Raum ist voller Männer, aber er ist allein, isoliert, einsam, ausgesondert.
Er wittert wieder den Hauch von Feindseligkeit, Hass, böser Schadenfreude und Unduldsamkeit.
Der Barmann schiebt ihm Glas und Flasche zu.
»Eine Zigarre noch«, murmelt Oven gleichmütig und bekommt sie sehr schnell.
Als Oven trinkt und in den Spiegel sieht, geht hinter ihm die Schwingtür auf.
Ein stelzbeiniger Mann kommt herein. Oven weiß schon, dass es der Stallmann aus dem Mietstall ist.
Der alte Bursche, der wohl früher Cowboy war und durch ein Pech die Hälfte seines Beines verloren hat, bleibt an der Schwingtür stehen. Nervös und unruhig zieht er die Hose hoch. Er ist unbewaffnet.
Oven Timberland stellt sein Glas hin und wendet sich um.
Sein Blick trifft sich mit dem des stelzbeinigen Mannes.
»Mister Timberland?«, sagt der alte Bursche heiser und doch höflich, und man sieht ihm an, dass er sich nicht sehr wohl in seiner ledernen Haut fühlt.
»Yeah?«, fragt Oven gedehnt und stützt beide Ellbogen hinter sich auf den Schanktisch.
»Ich richte nur eine Bestellung aus, Mister Timberland«, murmelt der Alte und zerrt wieder hastig an seinem Hosenbund.
»Sicher, das ist schon in Ordnung«, erwidert Oven ruhig.
Der Alte macht einen zufriedenen Atemzug.
»Es sind nicht meine Worte – ich soll es so ausrichten!«
»Nur zu, Alter! Wenn du fertig bist, steht hier ein großer Whisky für dich.«
»Nun«, beginnt der alte Stallmann, »ich soll ausrichten, dass drei richtige Männer angekommen sind, die Sie auf die richtige Größe zurechtstutzen wollen. Wenn Sie den Stern und Ihren Colt ablegen, so wird man Sie nur verprügeln und dann aus der Stadt jagen. Kommen Sie mit Stern und Waffe heraus, so wird man Sie in Stücke schießen. Und kommen Sie überhaupt nicht auf die Straße, so werden Sie herausgeholt. Sie sollen sich entscheiden, Sie haben Zeit, bis die Uhr schlägt.«
Oven nickt. Er sieht schnell auf die Uhr hinter sich. In zwei Minuten ist es eine Stunde vor Mitternacht. Er hat also noch zwei Minuten Zeit, um sich zu entscheiden.