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G.F. Unger ist der erfolgreichste deutschsprachige Western-Autor. Mit einer Rekordauflage von über 250 Millionen Exemplaren gehört er zur internationalen Spitzenklasse der Spannungsliteratur. Und das zu Recht!
Niemand vermag es wie er, die unermesslichen Weiten des amerikanischen Westens und die Stärke der unerschrockenen Männer, die sie erschlossen, zu beschreiben. Erleben Sie den amerikanischen "Wilden Westen", wie nur G.F. Unger ihn schildern kann: hart, authentisch, leidenschaftlich.
Dieser Sammelband enthält die Folgen 2422 bis 2424:
2422: Der harte Jim
In der höllischen Treibherdenstadt Wager ist Jim Hardin auf der Suche nach einem heimtückischen Mörder, der alles daransetzt, auch ihn zu vernichten ... Bei allen Western aus der Feder unseres Spitzen-Autors G.F. Unger ist eine hundertprozentige Spannungsgarantie stets mit inbegriffen!
2423: Ich warte auf dich, McGill!
Immer wieder verschwinden Rinder von der Weide, und nachts streicht ein Killer mit der Sharps durch die Hügel. Und McGill ahnt bereits, wer hinter all den Verbrechen steckt ... G.F. Unger ist und bleibt der größte Western-Erzähler deutscher Sprache! Der Faszination seiner Erzählungen kann sich niemand entziehen!
2424: Ausgestoßen in Dakota
Clint Lanelord hat keine andere Wahl. Er muss die Bande des Ex-Colonels Johnstone in die Falle des Oglala-Häuptlings locken - denn seine Frau Georgia ist Moonkillers Gefangene ... Dieser Western-Bestseller ist ein weiterer Beweis, dass G.F. Unger die unumstrittene Nummer 1 der deutschen Westernautoren ist!
Der Inhalt dieses Sammelbands entspricht ca. 192 Taschenbuchseiten.
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Seitenzahl: 466
Veröffentlichungsjahr: 2021
G. F. Unger
G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 25
Cover
Impressum
Der harte Jim
Vorschau
Der harte Jim
Noch vor der Stadt springt Jim Hardin aus dem leeren Viehwaggon. Er landet wie eine Katze, rollt schnellt den Abhang hinunter und springt unten geschmeidig auf die Füße. Grinsend blickt er dem Zug nach, der wieder einmal eine Schlange leerer Viehwaggons nach Wager bringt.
Der Verladebahnhof liegt nur dreihundert Yards von Jim entfernt. Dort drängen sich einige Tausend Rinder in den Verladecorrals, brüllende Rinder, die mit Flüchen in die Waggons getrieben wurden, um bald darauf die Fahrt nach dem Osten anzutreten.
Jim Hardin holt sich seinen Hut und schlägt damit den Staub aus seiner Kleidung. Seine Bewegungen sind schnell, lässig und sicher. Er trägt Weidekleidung, die sehr abgenutzt ist. Seine linke Stiefelsohle ist mit Bindfaden festgebunden.
Als er sich jetzt in Bewegung setzt, grinst er wieder auf eine seltsame Art. So grinst ein Mann, der in ein Abenteuer zieht und sich schon darauf freut.
Er trägt keine Waffe, aber an seiner Hose sind deutlich jene abgeschabten Stellen erkennbar, die ein Waffengurt mit tief an der Seite hängendem Holster hinterlässt.
Es ist ein Spätnachmittag, und man schreibt den 23. August 1878. An diesem Tag also kommt Jim Hardin nach Wager in Wyoming, und es weiß noch niemand, dass er bald zum Helden einiger Legenden werden wird …
Wager ist eine Treibherdenstadt mit all ihren schlimmen Eigenschaften. Hier ist der Verladebahnhof für halbwilde, brüllende Rinderherden, die von rauen Treibern hergetrieben wurden.
Und diese Treiber sind von einer besonderen Sorte. Hier in Wager geben sie den größten Teil ihres Lohnes aus.
Denn zu den Verladecorrals beim Bahnhof gehören in der Stadt die Amüsierlokale. Wager ist vorläufig nichts anderes als eine einzige Amüsierhölle. Vielleicht ist die wilde Stadt nichts anderes als ein Untier, das am Ende der sieben Höllen auf die Überlebenden wartet, um den einen oder anderen Mann doch noch zu erwischen.
Es hat schon viele Treibherdenstädte gegeben. Alle waren sie wild und höllisch. Manche starben bald. Aber andere überstanden ihre Kinderkrankheiten und die schlimme Zeit und wurden gute Städte, wie zum Beispiel Abilene und Dodge City.
Was aus Wager werden wird, ist noch unklar.
Der Tramp Jim Hardin kommt bescheiden und unauffällig in die Stadt. Seine scharfen blaugrauen Augen sehen jedoch alles: die vielen Sattelpferde an den Haltebalken, die vielen Wagen. Saloons, Tanzhallen, Spielhöllen, Restaurants, Hotels, Stores und Imbissbuden reihen sich aneinander.
Jim Hardin bleibt vor einem Store stehen und klimpert mit zwei Zwanzigdollarstücken in der Hosentasche. Sie sind sein einziger Besitz, und er will sie auf seine Art in das große Spiel werfen, das für ihn nun beginnt.
Weil er an dieses große Spiel denkt, grinst er auch wieder auf seine seltsame Art. In seinen Augen erscheint ein hartes und verwegenes Leuchten, und sein Grinsen wird scharf und kampflustig.
Dann tritt er in den Store ein.
Zwei Bürgersfrauen suchen sich Stoffe aus. Ein alter Mann probiert steife Hüte. Und ein Cowboy kauft sich Patronen und ein rotes Halstuch.
Jim Hardin tritt an die gefüllten Regale heran und beginnt darin herumzusuchen. Als der Storehalter schließlich seine anderen Kunden abgefertigt hat und heraustritt, hat Jim sich Hose, Hemd, Jacke und Stiefel ausgesucht.
Er sieht den Storehändler lächelnd an, und er sieht einen mageren, scharfgesichtigen Mann, der glatzköpfig ist und in dessen Augen man jenen wachen Geschäftssinn erkennen kann, der stets und immer auf Verdienst aus ist.
»Was kostet das alles?«, fragt Jim Hardin höflich.
Der Händler bringt die Sachen zum Ladentisch hinüber, geht um diesen herum und stellt sich auf der anderen Seite auf. Dann rechnet er zusammen und sagt: »Genau neunzehn Dollar.«
Jim Hardins Lächeln wird geradezu herzlich. Er greift in die Tasche und legt seine vierzig Dollar auf den Tisch.
»Das ist gut das Doppelte, nicht wahr? Wollen wir also wetten?«
Der Storehalter starrt ihn an, und er weiß sofort, was dieser Tramp will. Es kommt immer wieder in solchen Treibherdenstädten vor, dass ein Spieler auf diese Art seine Einkäufe umsonst machen will. Wenn der Storeman verliert, so darf er keine Bezahlung nehmen. Verliert aber sein Kunde, so muss er den doppelten Preis zahlen.
Der Storehalter betrachtet also seinen Kunden aufmerksam. Dann erwidert er Jim Hardins Lächeln mit einem Grinsen.
»Mister«, sagt er, »es kommen immer wieder Burschen herein, die es auf diese Art versuchen. Sie wollen billig einkaufen, aber bei mir hat es noch keiner geschafft. Sie mussten alle doppelt zahlen.«
Er bringt unter dem Ladentisch einen Würfelbecher hervor und stellt ihn vor Jim Hardin hin. Indes dieser die Würfel untersucht, kommen zwei Männer herein, die etwas kaufen wollen. Auch sie begreifen sofort, was da vorgeht, und einer sagt: »Aaah, Fremder, da haben Sie sich aber einen schlechten Mann ausgesucht. Dieser Storehalter gewinnt immer. Die gerissensten Burschen haben es schon hier versucht, denn es hat sich in ganz Wager herumgesprochen, dass Pat Saunder nicht zu schlagen ist. Sie werden den doppelten Preis zahlen müssen, Fremder.«
»Ich habe heute Geburtstag.« Jim Hardin lächelt sorglos und wirft die drei Würfel nacheinander in den Lederbecher. Er schüttelt ihn und sagt dabei: »Ich sage drei Zweier an!«
Dann stülpt er ihn auf den Tisch und nimmt ihn weg.
Und die Männer sehen drei Zweier.
Sie atmen scharf ein und sagen nichts.
Der Storehalter prüft die Würfel noch einmal, denn er hat seine Erfahrungen längst gesammelt, und es sind auch schon Burschen hereingekommen, die geschickt die Würfel vertauschten.
Aber es sind wirklich noch die alten Würfel. Er grinst und knurrt: »Ich werde Sie schlagen, Mister! Ich sage drei Sechser an.«
Und er schüttelt den Becher.
Aber als er ihn auf den Tisch stülpt und wegnimmt, liegen dort nur zwei Sechser und ein Dreier.
»Falsch angesagt.« Jim Hardin grinst und nimmt seine zwei Zwanzigdollarstücke vom Tisch. Er will auch die nun kostenlos erstandenen Kleidungsstücke nehmen, aber der Storehalter ist unwillig.
»Machen wir es noch mal«, knurrt er. »Ich setze vierzig Dollar gegen Ihre vierzig Böcke, Fremder!«
»Setzen Sie sechzig gegen meine Einkäufe und mein Geld.« Jim lächelt ihn freundlich an.
»Das tu ich auch«, grollt der Storeman. Und weil er verloren hat, schüttelt er auch schon den Becher und knurrt: »Drei Vierer habe ich.«
Und es sind auch drei Vierer.
»Mister, Sie haben verloren«, sagt einer der Zuschauer zu Jim. Aber der schüttelt den Kopf und wiederholt wieder: »Ich habe heute Geburtstag, nicht wahr? Ich bin gar nicht zu schlagen. Voriges Jahr habe ich an meinem Geburtstag eine Ranch gewonnen und vor zwei Jahren einen Saloon. Passen Sie auf, Gentlemen. Ich sage zwei Sechser und einen Dreier an.«
Und er stülpt den Becher auf den Tisch, lässt ihn jedoch stehen.
Der Storehalter nimmt ihn weg – und beginnt zu fluchen.
»Richtig angesagt.« Jim grinst. »Zwei Sechser und ein Dreier gibt fünfzehn Augen. Wo bleiben Sie da mit Ihren dreimal vier Punkten?«
Der Storehalter knurrt. Er greift in seine Ladenkasse und legt drei Zwanzigdollarstücke auf den Tisch.
»Ich bin kein Narr«, brummt er. »Ich weiß, dass es Männer gibt, die einfach nicht zu schlagen sind. Fremder, Sie sollten einmal mit Reb Jordan spielen.«
Jim Hardins Augen schließen sich etwas, als er den Namen hört. Dann lächelt er schon wieder und fragt: »Reb Jordan? Wer ist das?«
»Er kam ohne einen Penny hier an und spielte um sein Pferd mit einem Narren. Und jetzt gehört ihm die halbe Stadt«, brummt der Storehalter mürrisch.
Jim Hardin nickt. »Ein Spieler also. Nun, ich besitze jetzt hundert Dollar. Ich möchte einen Colt und einen Waffengürtel kaufen.«
»Ich habe einen guten alten und eingeschossenen Colt«, murmelt der Storehalter. »Er gehörte einem Revolverhelden, und es sind sieben Kerben in seinem Holzgriff. Ich bekam ihn vom Marshal, weil dieser Revolverheld bei mir Schulden hatte. Ich gebe Ihnen die Waffe für dreißig Dollar, wenn es Ihnen nicht viel ausmacht, dass Korn und Abzugsbügel daran abgefeilt sind.«
»Die Kerben stören mich mehr«, lächelt Jim Hardin auf seine Art. »Aber lassen Sie sehen. Vielleicht können wir auch dann wieder ein Spielchen machen, wenn mir die Kanone gefallen sollte.«
»Mit Ihnen wette ich nicht mehr. Hier ist das Ding«, grollt der Storehalter und langt unter den Ladentisch. Er bringt einen Waffengürtel hervor, in dessen Holster ein alter, abgegriffener Colt steckt. Waffengürtel und Holster sind aus geschmeidigem Leder. Das Holster ist tief ausgeschnitten. Gelbe Messingpatronen glänzen in den Schlaufen des schwarzen Gürtels.
Jim Hardin greift nach der Waffe, und die drei Männer beobachten ihn sorgfältig. Sie wollen mehr über ihn wissen, und sie wollen es zum Teil an der Art erkennen, wie er die Waffe in die Hand nimmt.
Jim Hardin nimmt den alten Colt mit einer leichten Handbewegung auf und starrt darauf nieder. Seine Augen sind geschlossen, und sein leichtes Lächeln ist wie eingefroren.
Keiner der drei Männer weiß, dass Jim Hardin diese Waffe erkannt hat. Es ist die Waffe seines Bruders. Und er kennt die Kerben in ihrem Griff.
Sein eingefrorenes Lächeln löst sich wieder.
»Die ist gut ausgewogen. Wenn sie so gut schießt, wie sie in der Hand liegt, so würde ich sie gern haben wollen. Wem gehörte sie?«
»Einem Revolverhelden, ich sagte es doch schon«, brummt der Storehalter fast widerwillig. »Er nannte sich Reck Hard und arbeitete für Reb Jordan. Er war schlimm. Aber eines Tages fand man ihn tot in einer Gasse. Jemand hatte ihm eine Schrotladung in den Rücken geschossen. Er war immer knapp bei Kasse, weil er ständig spielte und meist verlor. Der Marshal hat das Eigentum des Mannes unter dessen Gläubigern verteilt. Ich bekam den Colt. Ich wäre ihn gern los. Wollen Sie ihn also haben, Fremder?«
Jim Hardins Lächeln wirkt scharf. »Die Waffe eines Revolvermannes, den man mit Schrot von hinten erledigte«, murmelt er. »Aber mir wird diese Waffe Glück bringen. Ich will sie nur eben mal ausprobieren.«
Er sieht nach, ob die Trommel gefüllt ist, und es sind auch fünf Patronen enthalten. Nur die sechste Kammer, auf der der Hammer ruht, ist leer.
Jim Hardin tritt aus der Tür auf den Gehsteig hinaus. Die drei Männer folgen ihm neugierig. Als er sich nach einem Ziel umsieht, sagt einer der beiden Kunden: »Da drüben das große O auf dem Hotelschild vielleicht, Mister?«
Jim Hardin wirft einen kurzen Blick hinüber. Dann schüttelt er den Kopf. »Das könnte ich mit einem Stein treffen. Ein Colt, den ich kaufe, muss genau schießen.«
Der Storehalter stößt ein seltsames Knurren aus.
»Nun gut, Mister, wenn Sie uns eine Vorstellung geben wollen, so versuchen Sie es doch mit den Ösen, an denen das Schild aufgehängt ist. Aber die werden Sie nicht treffen.«
»Und wenn ich sie treffe?«
»Oooh, ich wollte nicht mehr mit Ihnen wetten, Mister. Aber gut, wenn Sie das Schild herunterschießen mit den fünf Kugeln, so gehört Ihnen der Colt. Schaffen Sie es nicht, zahlen Sie den doppelten Preis. Ha, jetzt will ich doch mal sehen, ob …«
Weiter spricht der Storehalter nicht, denn die Waffe in Jim Hardins Hand beginnt zu krachen.
Nach dem zweiten Schuss löst sich die linke Öse, und das Schild fällt herunter und bleibt senkrecht hängen. Die Entfernung beträgt fast dreißig Yards, denn die ganze Breite der Fahrbahn liegt dazwischen.
Jim Hardin schießt weiter. Und nach zwei weiteren Schüssen fällt das Schild dicht vor dem jenseitigen Gehsteiggeländer in den Staub.
Die Passanten auf der Straße haben schon beim ersten Schuss angehalten. Mehr als ein Dutzend Leute haben zugesehen. Und nun kommen noch mehr hinzu, obwohl Schüsse in einer solch wilden Treibherdenstadt wie Wager keine Seltenheit sind. Immer wieder kommen brüllende Reiter in den Ort geritten und feuern ihre Colts ab. Oder Betrunkene veranstalten ein Schützenfest. Es gibt auch Revolverkämpfe in Wager. Die Stadt hat fast jede Woche einen Toten.
Aber jetzt ist es etwas vollkommen Neues, was die Leute zu sehen bekamen. Ein unwahrscheinlich guter Schütze hat auf eine fast unmöglich weite Entfernung mit vier Schüssen die Halteösen des Hotelschildes herausgeschossen.
Die Leute in Wager sind fast alle Fachleute auf diesem Gebiet.
Und sie haben begriffen, dass diesmal ein besonders gefährlicher Revolvermann nach Wager gekommen ist.
Jim Hardin grinst wieder auf seine verwegene und etwas leichtsinnig wirkende Art. Er wendet sich an den Storehalter: »Nun?«
»Sie haben wieder mal gewonnen«, brummt dieser. »Aber lassen Sie sich das nur nicht zu sehr in den Kopf steigen. Ich bin nur Pat Saunder, ein friedlicher Storehalter. Und ich kann auch vertragen, dass ein anderer Mann gewinnt.«
Er wendet sich ab und verschwindet im Store. Jim Hardin folgt ihm und holt sich seine Einkäufe. Die beiden anderen Männer folgen, und hinter ihnen drängen sich noch einige Neugierige herein.
Jim Hardin legt sich den Waffengurt um, ersetzt die leeren Patronenhülsen und nimmt sein Bündel unter den Arm. Alle Anwesenden beobachten ihn zurückhaltend und doch sehr sorgfältig.
Als er sich zur Tür wendet, fragt eine Stimme: »Mister, es soll keine aufdringliche Frage sein, aber gedenken Sie längere Zeit hier in unserer Stadt zu bleiben?«
»Das weiß ich noch nicht«, sagt Jim über die Schulter hinweg und geht hinaus.
Drüben vor dem Hotel steht eine Männergruppe bei dem heruntergefallenen Schild. Ein fleischiger Mann tritt Jim Hardin entgegen. Der Mann sieht wie ein ehemaliger Preisboxer aus, und er trägt einen Marshalstern auf der fleckigen Weste.
»Hallo«, sagt er grollend, »solche Scherze liebe ich nicht, Mister. Das kostet zehn Dollar Ordnungsstrafe.«
Jim Hardin ist stehen geblieben. Er grinst den Marshal an und starrt ihm dabei in die Augen. Der Mann ist ein fleischiges Schwergewicht, aber unter den Fleischpolstern befinden sich gewiss auch mächtige Muskeln. Er hat einen runden Kopf, und in seinem Bullenbeißergesicht sind die Zeichen vieler Kämpfe zu erkennen.
Jim Hardin starrt grinsend in die Augen des Marshals. Und als der Mann nach wenigen Sekunden den Blick senkt, sagt er zu ihm: »Marshal, ich will keinen Ärger mit Ihnen. Ich werde im Hotel wohnen und die Reparatur bezahlen. Das ist fair, denke ich. Aber versuchen Sie nicht nochmals, mir eine Geldstrafe abzunehmen. Haben Sie mich verstanden?«
Er geht bei seinen Worten vorwärts und genau auf den Marshal zu.
Einen Moment sieht es so aus, als wollte sich der schwere Mann ihm entgegenwerfen, doch da klatscht Jim Hardins Rechte hörbar gegen den Coltgriff.
Und kurz bevor er gegen den Marshal prallen würde, weicht dieser zur Seite, wendet sich ab und geht schwerfällig davon. Er hält den Kopf gesenkt, und einige der Zuschauer hören sogar sein bitteres Seufzen.
Jim Hardin aber geht durch die sich bildende Gasse hindurch und ins Hotel hinein.
Und hier erlebt er die erste wirkliche Überraschung, denn hinter dem Pult in der Halle steht ein Mädchen und sieht ihn verächtlich an.
Wenn ein Mann im hohen Norden mitten in Eis und Schnee plötzlich eine blühende Rose zu sehen bekommt, so ist das ein Wunder. Dieser Mann würde dann vor Staunen still und regungslos verharren und sich fast verzweifelt fragen, ob er nicht vielleicht doch mit offenen Augen träumt.
Und wenn ein Mann plötzlich das Mädchen seiner Träume in Fleisch und Blut vor sich sieht, so ergeht es ihm ungefähr so ähnlich. Er kann das, was er sieht, gar nicht glauben.
Jim Hardin hält an, als wäre er gegen ein unsichtbares Hindernis geprallt. Er starrt das Mädchen an und wischt sich irgendwie hilflos über die Augen.
Und dann sieht er es wieder an und erkennt immer klarer, dass dies das Mädchen ist, das er sich in langen Nächten, an einsamen Campfeuern, auf langen Ritten oder in schönen Träumen erdachte.
Aber ihre spröde, herbe und verächtliche Stimme bringt ihn schnell wieder in die Wirklichkeit zurück. Sie sagt zu ihm: »Sie Revolvermann! Sie eitler, eingebildeter Mensch! Sie sind wohl mächtig stolz darauf, dass Sie unser Hotelschild heruntergeschossen und dieser wilden Stadt dadurch Ihre Schießkunst demonstriert haben? Jeder soll wohl wissen, dass ein großer Revolverheld eingetroffen ist? Jeder soll Sie gleich von Anfang an fürchten und Ihnen Respekt erweisen? Und jetzt kommen Sie auch noch hier herein. Hinaus mit Ihnen!«
Die Worte lösen ihn aus seinem erstarrten Staunen.
Er bewegt sich weiter und tritt an das Pult. Er legt sein Bündel ab und lüftet den alten Hut.
»Yeah«, sagt er, »es war ein schlechter Scherz. Aber das Schild wird natürlich auf meine Kosten wieder angebracht. Und ich möchte wirklich hier wohnen. Vielleicht bin ich gar kein Revolvermann, sondern nur ein leichtsinniger Bursche, der einen schlechten Spaß machen wollte. Ich würde es jedenfalls als eine wirkliche Gnade empfinden, wenn Sie mir verzeihen könnten, Lady.«
Er sieht sie nun aus der Nähe an.
Ihre rauchgrauen Augen stehen ziemlich weit auseinander. Die Brauen haben einen besonderen Schwung und geben ihr zusammen mit den hohen Wangenknochen ein reizvolles Aussehen. Ihre Nase ist klein und gerade, vielleicht etwas zu klein. Vielleicht sind ihre Lippen etwas zu voll. Ihr kleines Kinn ist energisch.
Ihr kupferrotes Haar ist im Nacken zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Er sieht es, als sie den Kopf wendet und zur Tür blickt. Aber hinter ihm tritt niemand ein. Sie sind allein in der Hotelhalle.
Jim Hardin seufzt fast schmerzvoll, aber das Mädchen reagiert nicht darauf, sondern betrachtet ihn offen und geradezu.
Er lächelt sie an, und obwohl er weiß, dass er auf eine sehr männliche und verwegene Art hübsch ist, weiß er sofort, dass Äußerlichkeiten bei diesem Mädchen unwichtig sind. Solche Frauen hat er schon dann und wann an der Seite hässlicher Männer gesehen. Und diese Männer waren stets wirkliche Männer.
»Wer sind Sie, Mister?«, fragt sie nach dieser Pause des Abschätzens geradezu.
Er lächelt wieder, aber diesmal wirkt sein Lächeln ernst, und in seinen Augen erscheint das harte Licht, das schon in ihnen aufkam, als er im Store den Colt des Bruders erkannte.
Er gibt ihr keine Antwort, nimmt jedoch das Gästebuch, dreht es herum und ergreift den Federhalter. Er schreibt hinein: »Jim Hardin, Texas.«
Als er wieder in ihre Augen sieht, weiß er, dass sie seinen Namen auch verkehrt herum lesen konnte.
Ihre Augen sind groß und weit geworden.
»Sie sind Jennifer Northern, und Ihr Vater ist ein Krüppel«, sagt er sanft. Er greift in die Brusttasche seines alten Hemdes und holt einen zusammengefalteten Briefumschlag hervor. Das Papier ist schon sehr mitgenommen. Dieser Brief muss oft auseinandergefaltet, gelesen und wieder sorgfältig verwahrt worden sein.
»Heben Sie diesen Brief für mich auf«, sagt er sanft. »Es ist das letzte Andenken an meinen Bruder. Darin steht geschrieben, dass Reck sein bisheriges Leben beenden und neu beginnen wollte. Er wollte neu beginnen, weil es ein Mädchen gab, das an ihn glaubte. Aber dann schoss man ihm die Ladung einer Schrotflinte in den Rücken. Das schrieben Sie mir, Jennifer. Diesen Brief habe ich allerdings vernichtet.«
»Sie sind Jim – sein Bruder Jim, den man Smiling Jim nennt, lächelnder Jim. Und Sie sind hergekommen, um …?«
Er unterbricht sie sanft.
»Mein Bruder wollte ein anderer Mann werden. Er wollte endlich einmal für eine gute Sache kämpfen. Er wollte etwas in dieser Stadt tun, was ihn hätte erleichtern können. Aber jemand in dieser Stadt hat ihn um diese Chance gebracht. Und deshalb bin ich hier. Ich werde die Stelle meines Bruders einnehmen. Und dann werde ich genau das tun, was er tun wollte. Und mir wird keiner mit einer Schrotflinte in den Rücken schießen können. Welches Zimmer habe ich, Jennifer?«
Er lächelt schon wieder sorglos und auf eine leichtsinnige Art.
Das Mädchen starrt ihn an, und sie kann kaum glauben, dass dieser scheinbar so leichtsinnig und wild wirkende Mann solch ernste Worte geredet hat. Er wirkt wie ein heruntergekommener Cowboy, und er ist unrasiert, schmutzig und ungepflegt. Aber sie weiß, dass er von Texas heraufgereist kam. Das ist ein langer Weg. Kein Wunder, dass dieser Mann jetzt wie ein Satteltramp aussieht.
Bevor das Mädchen etwas sagen kann, kommen einige Männer von der Straße herein. Sie langt einen Schlüssel vom Brett und sagt: »Zimmer 5 ist es. Das Bad liegt gegenüber. Ich werde dem Hausdiener sagen, dass er ein heißes Bad …«
»Meinen herzlichen Dank, Lady«, sagt er schnell und geht mit seinem Bündel nach oben. Er blickt nicht zurück.
Die hereingekommenen Männer treten zu dem Mädchen.
»Wer ist das?«, fragt einer und schielt auf das Gästebuch.
»Jim Hardin, Texas«, liest er halblaut und zuckt dann mit den Schultern. »Kenne ich nicht. Entweder ist das nur ein wilder Junge, der Glück hat und tüchtig blufft, oder er hat noch einen anderen Namen, der besser bekannt ist.«
Der Mann geht hinaus, und die anderen, deren Neugierde immer noch nicht ganz befriedigt ist, schlendern hinterher …
Es kommt nicht jeden Tag ein Fremder nach Wager, der auf mehr als dreißig Yards einem Schild die Aufhängeösen, die nicht größer als ein Dollarstück sind, abschießen kann.
Man beginnt sich auch in Wager Gedanken über den Fremden zu machen. Und Glück im Spiel scheint er auch zu haben. Den Storehalter Pat Saunder konnte bisher noch keiner schlagen.
☆☆☆
Als Jennifer allein ist, holt sie den Brief hervor, den sie unter dem Pult vor den Blicken der Männer verborgen hatte. Sie faltet den Umschlag auseinander und holt das Blatt Papier heraus. Dann setzt sie sich auf den Stuhl in der Ecke und liest:
Lieber Bruder!
Obwohl wir schon einige Jahre getrennt unsere Fährten ziehen und Du mir damals sagtest, dass ich für Dich gestorben wäre, weiß ich doch, dass Du gewiss immer wieder an mich denkst und Dir Gedanken machst, was aus mir geworden ist.
Nun, als ich damals auf den schlechten und rauchigen Weg eines Revolvermannes geriet, der seinen Colt für Geld vermietet, legte ich mir bald einen anderen Namen zu. Ich nannte mich Reck Hard, und unter diesem Namen bin ich auch hierher nach Wager gekommen.
Wie schon so oft vermietete ich hier meinen Colt und meine Schießkunst an einen Mann. Wager ist eine ziemlich raue Stadt, und mein Boss, Reb Jordan, möchte sie sich in die Hosentasche stecken. Das hat er zu einem gewissen Teil auch schon mit meiner Hilfe geschafft.
Aber nun mache ich nicht mehr mit. Ich habe hier in Wager nämlich ein prächtiges Mädchen kennen und lieben gelernt. Es ist ein Mädchen von jener Sorte, die ein Mann sich sein ganzes Leben lang wünscht und erträumt, aber niemals bekommt. Nun, auch ich werde sie wahrscheinlich nicht bekommen. Ich will nämlich nicht länger meinen Colt für eine schlechte Sache vermieten, sondern auf rechtliche Art für eine gute Sache kämpfen. Was kann ein Mann anderes tun, wenn ein gutes Mädchen ziemlich viel von ihm hält und ihm vertraut und an ihn glaubt? Er muss sich also würdig erweisen!
Ich will nun hier in Wager für eine gute Sache kämpfen. Der Brief würde zu lang werden, wenn ich Dir dies alles schriftlich auseinandersetzen wollte.
Du sollst jedenfalls wissen, dass Dein Bruder, wenn Dich eine Todesnachricht erreichen sollte, nicht für eine schlechte Sache gestorben ist. Du sollst wissen, dass ich zuletzt doch wieder auf einen guten und sauberen Weg gekommen bin. Ich denke, das wird Dich wieder etwas mit mir versöhnen. Das Mädchen, dem ich mich für würdig erweisen will, heißt Jennifer Northern. Ich habe ihr inzwischen meinen ganzen Lebensweg gebeichtet, und sie weiß, dass ich in Wirklichkeit Reck Hardin heiße und Dich zum Bruder habe. Ich habe ihr von Dir erzählt.
Wenn ich es hier also nicht schaffen sollte, so wirst Du wahrscheinlich von ihr einen Brief bekommen.
Denke dann daran, dass ich meine Schuld auf meine Art begleichen wollte.
Sie ist stolz auf mich, und sie ist der Auffassung, dass jeder gute Mann zu jeder Zeit und an jedem Ort immer für eine gute Sache eintreten sollte. Das ist jetzt auch meine Auffassung. Ich wünsche Dir auf Deiner kleinen Pferderanch viel Glück. Ich erlebe es hier, denn zum ersten Mal in meinem Leben vertraut mir ein gutes Mädchen und glaubt an mich.
Dein Bruder Reck.
Diesen Brief liest Jennifer mehrmals. Und dann kommen ihr die heißen Tränen. Sie verlässt die Hotelhalle und flüchtet in ihr Zimmer. Sie wirft sich aufs Bett und weint in die Kissen.
☆☆☆
Inzwischen sitzt Jim Hardin in der Badewanne, die eigentlich nichts anderes als ein großer Holzbottich ist. Er hat sich schon rasiert und genießt jetzt das warme Bad.
Er denkt angestrengt nach, und immer wieder fällt ihm das Mädchen ein. Erst als das Wasser langsam kälter wird, klettert er aus dem Bottich und beginnt sich abzutrocknen.
Seine alten Sachen wirft er in die Abfallkiste in der Ecke und zieht sich dann neue Sachen über. Er bürstet sein glänzendes Haar, legt seinen Waffengurt um und geht hinaus.
Die Halle unten ist leer. Ein Durchgang bringt ihn in den Speisesaal des Restaurants. Die Dämmerung ist jetzt angebrochen. Lampen sind angezündet. An einigen Tischen warten hungrige Männer auf das Abendessen, und es kommen immer noch weitere Gäste in Gruppen und auch einzeln herein.
Jim Hardin nimmt sein Essen zwischen einem dicken Whiskyreisenden und einem Treibherdencowboy ein. Er bemerkt, dass ihn einige Männer von ihren Plätzen aus unauffällig beobachten und studieren. Er grinst unmerklich. Es war sein Plan, sich hier in Wager als leichtsinniger Bursche und Revolverheld einzuführen. Er will damit jene Leute auf sich aufmerksam machen, zu denen sein Bruder gehörte, bevor er sich von ihnen trennte, um sich auf die andere Seite zu schlagen.
Er zahlt seine Zeche, erhebt sich und tritt auf die Straße hinaus. Er weiß, dass er noch einige Dinge tun muss, um für gewisse Leute richtig interessant zu werden.
Längs der Main Street zieht sich nun eine unregelmäßige Girlande brennender Lampen und Laternen entlang. Teerfässer brennen vor verschiedenen großen Saloons und verbreiten roten Feuerschein. Aus Fenstern und Türen fallen die gelben Lichtbahnen über die Gehsteige und die Fahrbahn. Sie verwandeln den grauen Staub, den Reiter und Fahrzeuge aufwirbeln, in Goldpuder.
Jim Hardin stellt sich in eine dunkle Hausnische und betrachtet das Leben und Treiben dieser Amüsierstraße. Er war schon in solchen Städten, und er kennt ihre unterirdischen Strömungen.
Während er so steht und sich mit dem Wesen dieser wilden Stadt vertraut macht, denkt er an seinen Bruder. Reck gehörte also am Anfang hier zu jener Gruppe, die die Stadt beherrschen möchte. Es muss also auch eine andere Gruppe geben, die mit dieser Stadt andere Pläne hat. Aber wer gehört zu dieser zweiten Gruppe? Das ist die große Frage. Für wen ist Reck Hardin eingetreten und deshalb hinterrücks ermordet worden?
Die Ziele beider Gruppen sind klar und einfach. In jeder wilden Treibherdenstadt gab es solche Machtkämpfe, und alles verlief nach einem alten Schema.
Eine Gruppe war immer da, die eine möglichst wilde Stadt haben wollte, eine Stadt ohne Gesetz, in der sich mühelos und mithilfe vieler schmutziger Tricks Geld verdienen ließ.
Und es gab in jeder Treibherdenstadt immer noch eine zweite Gruppe, die an die Zukunft dachte und eine rechtliche, ehrliche, saubere und friedliche Stadt haben wollte. Aber solch eine gute Stadt ist schlecht für Saloonwirte, Spieler, Revolverhelden und ihren Anhang.
Jim Hardin weiß das.
Sein Bruder Reck wollte also für die rechtlichen Männer dieser Stadt kämpfen, weil ein Mädchen ihn davon überzeugt hatte, dass ein guter Mann zu jeder Zeit und an jedem Ort immer für eine gute Sache einstehen sollte.
Aber wer sind die rechtlichen Männer in dieser Stadt?
Sind nicht vielleicht welche unter ihnen, die sozusagen eine Maske tragen? Gibt es keine Verräter unter ihnen? Warum ist Reck sonst so schnell abgeschossen worden?
Das sind die Fragen, um die sich Jim Hardins Gedanken drehen. Und deshalb will er sich erst einmal auf die wilde Seite dieser Stadt schlagen. Er ist der Meinung, dass er auf diese Art den Mörder seines Bruders und dessen Auftraggeber am leichtesten ausfindig machen kann.
Er kennt dieses gefährliche Spiel, denn als er sich damals vor Jahren von seinem Bruder Reck trennte, verlief sein Lebensweg einige Jahre lang durchaus nicht ruhig.
Jim Hardin trug den Stern als Deputy Marshal in Dodge City und danach als Marshal in anderen wilden Städten. Erst später baute er sich eine kleine Pferderanch auf. Und drunten im Süden ist er unter dem Namen Smiling Jim bekannt. Er war die rechte Hand des bekannten US Marshals Jack Donovan. Er war früher ein Kämpfer für Recht und Gesetz.
Er tritt aus der Nische heraus, überquert die Straße und bleibt vor der breiten Schwingtür eines Saloons stehen.
Auf dem großen Schild steht geschrieben:
Trailmen’s Paradise
Tanz – Spielräume – Freiimbiss
Inh. Reb Jordan
Er lächelte sein altes scharfes Lächeln und tritt zwischen zwei Gruppen lärmender Cowboys ein.
Der Raum ist groß. Alle Tische sind eng besetzt. An der fünfundzwanzig Yards langen Theke stehen die trinkenden Männer drei Glieder tief, und ein volles Dutzend Barkeeper hat alle Hände voll zu tun.
Auf einem Podium spielt eine Kapelle. Auf der Bühne tanzen Mädchen und singen dazu.
Jim Hardin drängt sich durch die Tische und erreicht bald darauf den Durchgang zu den Spielräumen. Er schiebt sich durch den dicken Vorhang und tritt damit in eine völlig andere Atmosphäre.
Hier klirren Roulettkugeln. Die Stimmen der Croupiers klingen lässig durch den Raum. Dort sitzen Pokerrunden beisammen. Und dort wird Faro und Black Jack gespielt.
Jim Hardin tritt an einen Würfeltisch. Als er an die Reihe kommt, sagt er fünfzehn Augen an und wirft zwei Sechsen und einen Dreier. Er streicht dreißig Dollar ein und spielt einige Runden Faro. Er gewinnt dabei fünfzig Dollar und schlendert weiter.
An einem Pokertisch wird gerade ein Stuhl frei. Er setzt sich und legt hundert Dollar auf den Tisch. Der schlanke, scharfgesichtige Berufsspieler, dem dieser Tisch gehört, weil er dem Haus die Hälfte seiner Spielgewinne abgibt, sieht ihn forschend an. Dann nickt er Jim zu und teilt aus.
Sie sind mit fünf Männern in diesem Spiel. Jim Hardin sieht gleichgültig in seine Karten. Obwohl er ein schlechtes Blatt hat, macht er seinen Einsatz und kauft dann zwei weitere Karten hinzu. Nun hat er drei Damen, und diese Karte ist nicht schlecht. Als er seine hundert Dollar nach und nach eingesetzt hat, fordert einer der anderen Spieler, aber Jim Hardins drei Damen sind die höchste Karte in diesem Spiel. Er streicht den Pott ein, und er fragt sich, wie lange seine Glückssträhne noch anhalten wird.
Seine nächsten Karten taugen nichts, aber er zeigt seinen Mitspielern sein verwegenes Grinsen und bietet mit. Als er seinen letzten Dollar eingesetzt hat, sind nur noch er und der Berufsspieler in dieser Runde.
Der Mann starrt ihn forschend an, aber Jim Hardins Grinsen ist siegesgewiss. Er lächelt auf eine Art, die dem hartgesottenen Spieler den Nerv nimmt. Jim erkennt den Zweifel im Hintergrund der kalten Augen des Kartenhais. Und er macht eine Bewegung nach seiner Tasche, als wollte er noch mehr Geld herausholen, obwohl er nicht einen einzigen Dollar mehr in der Tasche hat.
Aber diese Bewegung gibt den Ausschlag. Der Berufsspieler wirft seine Karten hin und sagt höflich: »Ich passe.«
»Sie haben nicht viel Schneid, Mister.« Jim grinst und streicht den dicken Pott ein. Er stopft das Geld in seine Taschen und erhebt sich. Er hat nun mehr als zweitausend Dollar gewonnen.
Der Spieler dreht Jims Karten herum. Es sind zwei Neuner.
Ärger und Wut erscheinen in den Augen des Spielers.
»Sie haben mich tüchtig geblufft, Mister«, sagt er scharf. »Mein Blatt war bedeutend besser. Ich hatte drei Buben hier!«
»Sicher. Aber Sie haben gepasst und damit aufgegeben, nicht wahr? Warum lassen Sie sich bluffen?«
Jim grinst verlegen und will sich abwenden. Aber der Berufsspieler macht eine schnelle Armbewegung. Ein kleiner Derringer erscheint in seiner Hand.
»Sie werden nicht aufhören, sondern mir erst Revanche geben«, sagt er mit tödlicher Höflichkeit.
Jim Hardin tritt an den Tisch zurück. Er setzt sich langsam, und sein verwegenes Grinsen ist immer noch da.
»Mister«, sagt er sanft, »ich kann aufhören, wann ich will. Dies ist ein freies Pokerspiel. Es gibt kein Gesetz, das mich zum Weiterspielen zwingen kann.«
»Doch! Ein Gewinner muss dem Verlierer immer und stets Revanche geben«, erwidert der Spieler. »Sie Bluffer kommen mit dieser Art bei mir nicht durch. Sie haben geblufft und wissen genau, dass Sie mit einem zweiten Bluff bei mir nicht mehr durchkommen. Und deshalb wollen Sie aufhören. Aber das gibt es hier nicht. Vorwärts, machen Sie weiter!«
Jim Hardin seufzt. Er blickt sich um.
Die anderen Mitspieler sind schon aufgesprungen, um sich in Deckung zu bringen, als der kleine Revolver in der Hand des Spielers erschien. Aber jetzt nehmen sie wieder Platz.
Ein dicker Viehaufkäufer knurrt mürrisch: »Sicher, er soll uns Revanche geben. Das ist fair. Ich habe schon zu viel verloren, als dass ich zusehen könnte, wie er sich nach einem dicken Pott einfach davonmacht.«
Jim Hardin seufzt. Er nimmt die Karten und beginnt zu mischen. Indes bildet sich ein dichter Kreis von Zuschauern um den Tisch. Im ganzen Raum ist man auf den kleinen Streit aufmerksam geworden. Nun wittert man eine Sensation.
Der Kartenhai legt seine kleine Derringer-Pistole neben sich auf den Tisch. Er starrt dabei auf Jim Hardins mischende Hände, und Jim mischt langsam und bedächtig. Er weiß, dass der Kartenhai nur auf einen geringfügigen Anlass wartet. In dieser wilden Stadt und in diesem wilden Saloon ist es sehr gefährlich, nach einem hohen Spielgewinn aufhören zu wollen.
Jim Hardin spürt auch hinter sich Bewegung. Er braucht sich nicht umzusehen, um zu wissen, dass sich jetzt zumindest einer der hier angestellten Revolvermänner durch den Kreis der Zuschauer hinter ihn geschoben hat, um dem Spieler notfalls beizustehen.
Jim Hardin kann jetzt nicht weg.
Aber all diese Dinge sind ihm bekannt. Diese Regeln ändern sich nie. Alles läuft nach dem alten Schema ab.
Er teilt aus, und weil er zumindest einen Revolvermann des Hauses hinter sich weiß, sieht er seine Karten gar nicht an. Er muss damit rechnen, dass der Revolverschwinger hinter ihm mit in seine Karten sieht und dem Spieler vielleicht ein bestimmtes Zeichen gibt. Jim Hardin verlässt sich jetzt ganz auf seinen feinen Instinkt. Er vertraut diesem Instinkt. Er lauscht in sich hinein, und als in ihm alles ruhig bleibt, vertraut er darauf, dass er gute Karten hat.
Der Spieler muss jetzt eröffnen. Er tut es mit hundert Dollar. Alle anderen Mitspieler gehen mit.
Der Pott wird nun Runde um Runde höher getrieben. Die Mitspieler steigen nacheinander aus und fluchen leise und grimmig dabei. Aber der Spieler fordert noch nicht. Er bietet weiter und erhöht jedes Mal um das Doppelte.
Jim hält mit. Erst jetzt wendet er langsam den Kopf und blickt hinter sich. Genau hinter seinem Stuhl steht ein kleiner, rothaariger Bursche und grinst auf ihn nieder. Der Mann hat helle kalte Augen und zehntausend Sommersprossen im Gesicht.
»Warum siehst du nicht in deine Karten hinein, Mister?«, fragte er ärgerlich.
»Die sind bestimmt gut, Kleiner, und ich will sie dir nicht zeigen«, sagt Jim höflich. Er sieht die Lichter einer kalten Wut in den Augen des Kleinen tanzen. Er wendet sich wieder zurück und grinst den Kartenhai an.
»Jetzt wollen Sie mich wohl aus dem Spiel bluffen, nicht wahr?«
»Warum haben Sie Ihre Karten überhaupt noch nicht angesehen?«, fragt der Kartenhai ärgerlich.
»Ich habe ein gutes Gefühl in mir.« Jim grinst ihn an, und er kann wieder erkennen, wie sehr dieser Mann unsicher wird und sich in ihm zugleich auch eine tiefe Neugierde regt. Jim kann das Wachsen dieser Neugierde deutlich in den Augen des Kartenhais erkennen. Er beschließt nun, alles auf eine Karte zu setzen. In solchen Momenten muss ein Mann auf sein Glück vertrauen.
Jim holt sein letztes Geld hervor. Er legt es auf den Tisch.
»Ich möchte sehen«, sagt er.
Der Spieler grinst ihn nun seltsam an. Jim spürt in seinem Nacken den Atem des kleinen Revolvermannes, der hinter seinem Stuhl steht.
Er nimmt seine fünf Karten und deckt sie auf.
Es sind verschiedene Karten, aber sie sind von einer Farbe. Er hat also einen Flush.
Im Kreis der Zuschauer ist alles still. Es scharren keine Füße, und die Männer scheinen sogar den Atem angehalten zu haben. Aber dann sagt eine Stimme fast zitternd: »Du lieber Gott.«
Dann ist es wieder still.
Alle Augen richten sich auf den Berufsspieler. Der zögert. Seine Augen sind halb geschlossen, aber seine Gesichtsmuskeln zucken kurz auf und verkrampfen sich einen Moment. Seine Hand legt sich auf die kleine Waffe.
»Sie haben verloren, Mister«, sagt er hart.
Jims Grinsen verschwindet wie der Sonnenschein, wenn der Schatten einer segelnden Wolke über das Land jagt.
Der Hauch von Gewalttat und Gefahr weht mit einem Mal durch den Raum.
Jim erhebt sich langsam. Er dreht dem Spieler am Tisch den Rücken. Der kleine Revolvermann steht immer noch hinter seinem Stuhl. Der Bursche grinst ihn an und sagt: »Pech für Sie, Cowboy, nicht wahr? Sie waren so schön am Zug!«
»Yeah«, seufzt Jim. Er sieht sich noch einmal um. Die Mitspieler und die Zuschauer haben sich überall im Raum in Deckung gebracht. Sie stehen in den Nischen des Raumes oder kauern hinter den Tischen. Sie verharren halb geduckt längs der Wand. Niemand befindet sich in den voraussichtlichen Schusslinien.
Jim Hardin kennt das alles. Er weiß, dass die meisten Leute nicht damit rechnen, dass er sich einfach geschlagen gibt. Sie glauben nicht daran, dass er aufgibt, ohne den Versuch zu machen, die Karten des Spielers zu sehen.
Die liegen immer noch unaufgedeckt auf dem Tisch. Aber daneben liegt die Hand des Spielers, und in dieser Hand befindet sich der Derringer.
»Sie haben verloren, Cowboy. Scheren Sie sich zum Teufel«, sagt der Spieler kalt.
Jim nickt. »Well, wir sprechen noch mal über diese Sache. Sie Hundesohn, warum decken Sie Ihre Karten nicht auf?«
Der Spieler starrt auf seine Karten. Dann starrt er auf das viele Geld in der Tischmitte. Und dieser Haufen – es sind mehr als sechstausend Dollar, da am Anfang auch die anderen Mitspieler mitgeboten hatten – gibt den Ausschlag. Der Kartenhai will nicht auf dieses Geld verzichten. Lieber nimmt er es in Kauf, einen schlechten Ruf zu bekommen und auch dem Ruf des Saloons zu schaden.
Seine Stimme klirrt, als er sagt: »Sie haben verloren, Cowboy. Ich sage das. Zweifeln Sie an meinem Wort?«
Jim gibt keine Antwort. Er seufzt wieder, und weil der kleine Revolvermann ihm den Weg versperrt, geht er langsam um ihn herum. Er dreht ihm den Rücken und geht langsam zur Tür.
Jim Hardin hat nun den dicken Vorhang erreicht, hinter dem sich die Tür befindet.
Er weiß, dass der Revolvermann und der Spieler ihn beobachten.
Und dennoch wagt er es jetzt.
Für die kleine Waffe des Spielers ist die Entfernung nun ziemlich weit. Der kurze Lauf dieser Waffe lässt auf diese Entfernung kein genaues Zielen mehr zu. Er braucht jetzt nur mit dem Revolvermann zu rechnen.
Er wirbelt herum, duckt sich leicht und zieht den Colt.
Und dieses Ziehen ist für die Zuschauer wie eine Zauberei. Herumwirbeln und Ziehen ist eine einzige schnelle Bewegung.
Dann kracht der Schuss.
Und weil der kleine Revolvermann des Saloons immer noch hinter dem jetzt leeren Stuhl steht und seine Stellung nicht veränderte, schießt Jim Hardin besonders schnell, denn er braucht den Mann nicht erst zu suchen.
Seine Kugel stößt den Burschen an der Schulter zurück. Der schon gezogene Colt poltert zu Boden.
Aber das sieht Jim Hardin nicht. Er sah inzwischen schon das doppelte Mündungsfeuer des Spielers, der die kleine doppelläufige Waffe sofort abdrückte.
Eine Kugel zupft an Jims Schulterspitze – und die zweite streift leicht seine Wange. Er hat sich also nicht verrechnet. Auf diese Entfernung bis zur Tür schießt der kleine Derringer nicht genau.
Der Spieler stößt einen heiseren Schrei aus, lässt die abgeschossene Waffe fallen und hebt die Hände.
Der kleine Revolvermann sitzt schief auf dem Stuhl und presst sich die Linke gegen die blutende Schulter. Er ist weiß im Gesicht, seufzt schwer und verliert die Besinnung. Er fällt vom Stuhl.
Jim Hardin gleitet an der Wand entlang. Sein rauchender Colt beherrscht den Raum.
Er sieht den Spieler an, der mit erhobenen Händen noch am Tisch steht.
»Beweg dich nur nicht, Freund. Und wenn jetzt einige deiner Freunde hereinkommen, so sag ihnen gleich, dass du tot bist, wenn sie zu schießen beginnen.«
Es kommen jetzt auch einige Männer vom Saloon in diesen Raum herein. Trotz des Lärms und der Musik hat man die Schüsse gehört.
Die hereingekommenen Männer sind zwei Rauswerfer und zwei typische Revolvermänner. Hinter ihnen drängen sich Neugierige in der Tür, deren Vorhang jetzt zur Seite geschoben ist.
Der Spieler ruft schrill: »Passt auf, er hat mich vor seinem Colt. Macht nur keinen Blödsinn. Er hat Shorty schon erwischt.«
Die vier Männer verhalten vor der Tür.
Jim grinst wieder scharf. Er blickt sich schnell um. Überall befinden sich auch noch andere Berufsspieler unter den in Deckung gegangenen Gästen. Aber er sieht nichts Bedrohliches. Er hat dieser ganzen Meute gezeigt, wie schnell er schießen kann. Und vor allen Dingen kennen sie nun seine Furchtlosigkeit. Sie können sich ausrechnen, was er mit seinem Colt alles noch anstellen könnte.
Jim Hardins Stimme klingt scharf, als er sagt: »He, du – Junge! Du da mit dem roten Halstuch! Geh an den Tisch und sieh dir die Karten des Burschen an!«
Ein junger Cowboy bewegt sich langsam. Er hütet sich sorgfältig davor, in die Schusslinie zu geraten. Er tritt von der Seite her an den Tisch und nimmt die Karten des Spielers auf. Er blickt hinein und hält sie dann in die Höhe.
»Das sind zwei Zehner und zwei Neuner!«, ruft er, und jeder kann es sehen.
Gemurmelt wird laut. Es gibt genügend Männer unter den Gästen, die nun wütend werden. Ein Treibherdencowboy stößt seine beiden Kameraden an und ruft: »Zum Teufel mit dieser Bude hier! Leute …«
Er verstummt, denn in der Ecke neben ihm öffnet sich eine Seitentür. Ein großer Mann tritt herein. Es ist ein Mann, der etwas zu fleischig geworden ist, weil er zu wenig Bewegung hat. Sein Haar ist so gelb wie Weizen. Er trägt einen teuren Maßanzug aus bestem Tuch. Sein Gesicht ist grob, aber regelmäßig. Nur ein breites Kinn und der harte Mund verraten eine Menge Unduldsamkeit und mitleidlose Härte.
»Was geht hier vor?«, fragt der Mann scharf. Er sieht sich um, und sein harter Blick bleibt auf Jim Hardin haften.
»Wieder ein Cowboy, der nicht verlieren kann?«, fragt er ärgerlich.
Jim Hardin zeigt sein wildes Lächeln.
»Ich hatte einen Flush, und er hatte nur zwei armselige Paare«, sagt er ruhig. »Und weil der kleine Revolverschwinger hinter mir stand, wollte er mich glauben machen, ich hätte verloren. Mister, ich habe in Texas pokern gelernt, aber die Spielregeln sind doch wohl auch in Wyoming dieselben. Oder sind Sie auch der Meinung, dass zwei jämmerliche Paare höher als ein Flush sind?«
»Nein«, sagt der große Mann sofort und sieht den Spieler an. »Du bist fertig hier, Morrel. In meinen Saloons gelten die üblichen Regeln. Pack dich! In dieser Stadt bekommst du nirgendwo einen anderen Spieltisch.«
Der Spieler nimmt die Arme herunter. Er wendet sich um und schleicht hinaus. Jim tritt an den Spieltisch und beginnt damit, sich die Taschen voll Geld zu stopfen.
Die Spannung im Raum löst sich. Der große Mann tritt neben ihn und sieht ihm einige Sekunden lang zu. Er betrachtet Jim aufmerksam von der Seite und fragt dann: »Sind Sie vielleicht jener Fremde, der Pat Saunders im Würfeln schlagen konnte und der dann das Hotelschild herunterschoss?«
»Das bin ich«, sagt Jim Hardin trocken und stopft immer noch Geld in seine Taschen.
»Ich bin Reb Jordan«, sagt der große Mann höflich. Er wendet sich halb zur Seite und sieht auf den bewusstlosen Revolvermann. »Bringt ihn zum Doc«, sagt er zu zwei Rauswerfern und wendet sich wieder Jim zu. »Sie scheinen viel Glück zu haben, Freund. Kommen Sie mit mir. Ich möchte mit Ihnen in meinem Privatzimmer einen Whisky trinken. Ich unterhalte mich gerne mit Glückspilzen.«
Er geht voran und wartet erst gar nicht auf Jims Antwort.
Jim überlegt nur eine Sekunde. Er hat nicht erwartet, dass sich Reb Jordan so schnell für ihn interessieren würde. Er hat damit gerechnet, dass er die Aufmerksamkeit dieses Mannes erst nach einigen weiteren tollen Stücken erringen würde.
Aber der bewusstlose Revolvermann, der jetzt von zwei Männern hinausgetragen wird, scheint schon zu genügen.
Jim geht hinter Reb Jordan her. Als er die kleine Seitentür hinter sich zuzieht, schwillt das Stimmengemurmel der Gäste wieder an.
Reb Jordan steht an einem Tisch und füllt zwei kostbare Gläser mit Whisky.
»Das ist echter Whisky aus Schottland«, sagt er. »Trinken wir auf Ihr Glück, Jim Hardin.«
»Sie kennen meinen Namen schon, Mister Jordan?«, fragt Jim lächelnd und greift nach dem Glas. Sämtliche Taschen seiner Kleidung sind dick mit Geld ausgefüllt. Als sie trinken, sieht er in die braungelben Augen des Mannes hinein. Aber sie sind ausdruckslos und verraten nichts von den Dingen im Innern dieses Mannes.
»Sie haben Pat Saunders im Würfelspiel geschlagen und dann mit Reck Hards Colt das Hotelschild heruntergeschossen«, sagt Reb Jordan sanft. »Das waren zwei wichtige Gründe, dass meine Leute sich für Sie interessierten und sich nach Ihrem Namen erkundigten. Ist es Ihr wirklicher Name?«
»Vielleicht.« Jim grinst. Er setzt das Glas ab. »Was wollen Sie von mir?«
☆☆☆
»Shorty war mein bester Revolvermann«, murmelt Reb Jordan bedächtig.
»Er war langsam«, sagt Jim. »Sonst hätte ich es mir nicht erlauben können, ihn nur zu verwunden. Wenn er eine Idee schneller gewesen wäre, hätte ich schneller schießen müssen.«
»Und das wäre sein Tod gewesen, weil Sie dann nicht so genau auf seine Schulter hätten zielen können.« Reb Jordan nickt. Er deutet auf einen Sessel, setzt sich in den anderen und betrachtet Jim nochmals sorgfältig. »Sie sind also schnell und gefährlich. Ich weiß, Shorty war nur guter Durchschnitt, und meine anderen Boys sind noch schlechter. Ich habe mal einen guten Kämpfer in meinen Diensten gehabt. Es war der Mann, dessen Colt Sie von Pat Saunders gewonnen haben. Es war Reck Hard. Wir waren fast Freunde. Aber jemand hat ihn mit Schrot abgeknallt. Ich habe meine Feinde in dieser Stadt, obwohl ich …«
»Nun sagen Sie mir nicht noch, dass Sie fair und ehrenwert sind.« Jim grinst. »Wenn nicht so viele Zuschauer im Speisesaal gewesen wären, so hätten Sie Ihren Kartenhai nicht zum Teufel gejagt, sondern Ihre Leute auf mich losgehen lassen. Sie hätten nicht auf sechstausend Dollar verzichtet, die ich jetzt in meinen Taschen habe. Ich denke, Sie sind der Mann, der sich diese Stadt in die Hosentasche gesteckt hat oder noch dabei ist, es zu tun. Und Sie sind rau, mitleidlos und ohne Gnade. Sie gehen über Leichen und trampeln jeden Widerstand rücksichtslos in den Boden. Sie können mir nichts vormachen, Jordan. Ich war in einigen wilden Städten und vermietete meinen Colt schon an solche Männer wie Sie. Und Sie wollen mir jetzt bestimmt das Angebot machen, in Ihre Dienste zu treten. Sparen Sie sich diesen Versuch. Ich habe mehr als sechstausend Dollar in der Tasche und werde damit etwas Vernünftiges anfangen. Eines Tages muss man mit dem wilden Leben aufhören. Vielleicht werde ich mir eine Ranch aufbauen und Rinder züchten. Das wollte ich schon immer.«
»Ich weiß«, nickt Reb Jordan. »Jeder Mann hat Wünsche und Pläne. Aber Sie werden für mich arbeiten, Jim Hardin.«
»Warum werde ich das?«
Reb Jordan sieht ihn nachdenklich an.
»Sie sind ein Revolvermann – und ein Spieler zugleich«, murmelt er dann nachdenklich. »Sie sind in diese Stadt gekommen – abgerissen und abgebrannt. Und Sie haben sofort mit dem Storehalter ein Spiel angefangen. Was hätten Sie getan, wenn Sie verloren hätten?«
»Vielleicht hätte ich die Bank beraubt und wäre weitergeritten«, grinst Jim.
Jordan wiegt zweifelnd den Kopf. Dann langt er hinter sich und holt mit raschem Griff ein noch versiegeltes Kartenpaket von einem Stapel. Er legt es auf den Tisch und murmelt: »Ich brauche einen tüchtigen Mann. Einen Mann wie Reck Hard. Hardin, ich möchte mit Ihnen spielen.«
»Um mich?«
»Sie sind doch Spieler, Hardin! Ich setze sechstausend Dollar gegen Ihren Spielgewinn. Wenn Sie verlieren, dann setze ich zwölftausend Dollar gegen Ihr Versprechen, ein ganzes Jahr für mich zu arbeiten. Wie gefällt Ihnen dieser Vorschlag?«
»Er gefällt mir nicht besonders«, murmelt Jim Hardin sanft. Er starrt auf die Spielkarten, und er gibt sich dabei den Anschein, als müsste er mit der Versuchung kämpfen.
Aber innerlich triumphiert er. So wollte er es haben. Mit diesem Plan kam er nach Wager. Er wollte sich den Ruf eines wilden, leichtsinnigen und gefährlichen Burschen verschaffen, sodass Reb Jordan auf ihn aufmerksam würde und ihn als Revolvermann in seine Dienste nähme. Jim wollte auf diese Art der Nachfolger seines Bruders werden. Auf diese Weise hoffte er den Mörder leichter ausfindig machen zu können. Er will denselben Weg gehen, den der Bruder ging. Und deshalb wird der Mörder wahrscheinlich auch ihn auf diese Art erledigen wollen.
»Dieser Vorschlag gefällt mir nicht besonders«, wiederholt er zweifelnd und lächelt dann verwegen.
Reb Jordan lächelt zurück, beugt sich vor und sagt: »Aber Sie haben jetzt die Chance, Mann, Ihren Spielgewinn verdoppeln zu können. Mit zwölftausend Dollar kann man eine sehr große Ranch gründen, nicht wahr? Und bis jetzt haben Sie mächtig großes Glück im Spiel gehabt.«
»Deshalb wundere ich mich auch über Ihren Vorschlag, Jordan. Entweder müssen Sie sehr sicher sein, mich schlagen zu können, oder Ihnen steht das Wasser bis zum Hals.«
Reb Jordans Lächeln ist bitter.
»Mir gefällt Ihr verwegener Stil, Hardin. Mir gefällt Ihr Mut, der nicht nach dem Ausgang einer Sache fragt. Wenn ich nicht in den Spielraum gekommen wäre, wären Sie verloren gewesen. Sie wären nicht lebendig hinausgekommen. Sicher, Sie hätten einige Burschen erwischt, aber viele Hunde werden auch mit einem Wolf fertig. Und Sie wussten das genau. Und trotzdem waren Sie zum Kampf bereit. Ihr Stil gefällt mir also. Ich brauche einen Kämpfer, der auch denken und selbstständig handeln kann. Wenn Sie sich als Mann von solcher Sonderklasse erweisen, so brauchen Sie nur noch mein volles Vertrauen zu gewinnen, um nach mir der zweite Mann in dieser Stadt zu sein. Und das wieder würde Ihnen tausend Dollar im Monat einbringen. Ich zahle Ihnen nach einer einmonatigen Bewährungsfrist tausend Dollar im Monat oder entlasse Sie. Für tausend Dollar muss ein Spitzencowboy oder Vormann zwei Jahre arbeiten. Spielen wir, Jim Hardin.«
Er nimmt das Kartenpäckchen und reißt die Hülle auf. Mit einer schnellen Bewegung breitet er die Karten auf dem Tisch aus.
»Jeder deckt eine Karte auf«, fordert er drängend.
Jim Hardin starrt auf die neuen Karten. Dass sie eben noch in einer versiegelten Schutzhülle waren, bedeutet nichts für ihn. Dort im Regal liegen noch mehr als hundert solcher versiegelter Päckchen. Er würde den Colt seines Bruders gegen einen Hosenknopf wetten, dass diese Kartenpäckchen sämtlich präpariert sind.
Aber er will ja verlieren. Er will ja Reb Jordans Mann werden. Und es ist ihm nur willkommen, wenn die Karten irgendwie gezinkt sind oder in einer bestimmten Reihenfolge liegen. Reb Jordan hat sie nicht gemischt, sondern sofort fächerförmig ausgebreitet. Wenn Jordan mithilfe eines Kartentricks gewinnt, so braucht Jim Hardin auch sein gegebenes Wort nicht zu halten.
Er seufzt, als wäre er der Versuchung erlegen. Er beugt sich weit vor und nimmt eine Karte. Er deckt sie auf, und es ist die Kreuz-Zehn.
Dann greift Reb Jordan zu.
Er deckt den Herz-König auf.
»Sie haben verloren, Hardin«, lächelt er.
Mit einer leichten Bewegung nimmt er das Kartenspiel auf und wirft es in den Papierkorb. Er holt ein neues vom Regal herüber, reißt die Hülle auf und fächert es auf den Tisch.
»Jetzt setze ich zwölftausend Dollar gegen Ihr Wort, Jim Hardin. Wenn ich gewinne, sind Sie mein Mann. Gilt es?«
»Yeah«, sagt Jim Hardin heiser.
Und dann deckt er das Karo-Ass auf.
Aber Jordan lächelt siegesgewiss, greift zu und wirft das Kreuz-Ass auf Jims Karte.
»Sie sind mein Mann, Jim Hardin«, sagt er. »Ich bekomme noch das Geld aus Ihren Taschen. Aber obwohl ich es gewonnen habe und Sie dazu, will ich das Geld nicht. Ich werde es für Sie aufheben. Eines Tages bekommen Sie es zurück, sozusagen als Sonderprämie. Ich habe Ihr Wort und Ihre sechstausend Dollar zum Pfand, nicht wahr?«
Jim Hardin leert seine Taschen aus. Er legt die vielen Geldscheine und das Hartgeld auf den Tisch. Er beobachtet, wie Reb Jordan alles auf ein Zählbrett streicht und damit zum großen Geldschrank in der Ecke geht. Als er ihn öffnet, sieht Jim viele Geldscheinbündel und gefüllte Leinensäckchen. Dort in diesem Geldschrank befinden sich sicherlich mehr als vierzigtausend Dollar.
»Eine Menge Geld ist da im Kasten«, sagt er zu Jordan hinüber. »Warum geben Sie es nicht zur Bank?«
»Hier ist es sicherer – und der Bankier ist nicht mein Freund«, erwidert Jordan. Er kommt zurück, schenkt die Gläser noch einmal voll, und dann trinken sie stehend und sehen sich in die Augen.
Dann nimmt Reb Jordan die Lampe vom Tisch und führt Jim zu einem Stadtplan, der in der Ecke an der Wand hängt.
»Das ist Wager«, sagt er.
Jim betrachtet den Plan. Er erkennt bald, dass der Plan sehr genau ist, denn selbst die kleinen Stallgebäude sind aufgezeichnet. Viele Vierecke sind rot ausgemalt, andere sind rot schraffiert, und einige sind schwarz ausgemalt.
Reb Jordan lächelt seltsam.
»Alles, was rot ist, gehört mir. Was schraffiert ist, wird von mir kontrolliert und zahlt an mich Prozente. Was schwarz ist, gehört meinen Gegnern.«
Jim sieht sich die schwarzen Vierecke genauer an. Und er erkennt schnell, dass es sich um den Verladebahnhof, die Bank, den Mietstall, Pat Saunders Store, die Schmiede und einige andere Geschäfte handelt, darunter auch das Northern Hotel.
Er sieht Reb Jordan fragend an.
Der hebt die Faust und stößt sie gegen die Karte.
»Die Sache ist ganz einfach«, sagt er. »Mir gehören alle Saloons und Amüsierbetriebe, oder sie werden von mir kontrolliert. Und wir alle wollen, dass die Stadt wild und zügellos bleibt. Wir wollen keine Stadtgesetze oder sonstige Beschränkungen. Wir wollen, dass Wager eine offene Stadt bleibt, in der sich jeder Bursche nach Herzenslust austoben kann. Den Marshal habe ich in der Hosentasche. Bill Sullivan deckt uns. Die Gegenpartei wird von Bankier Steward Brown geführt. Diese Leute wollen eine ordentliche Stadt mit scharfen Gesetzen, Polizeistunde und dem Verbot, Waffen zu tragen. Diese Leute wollen Wager zu einem Mittelpunkt des Handels machen. Das Land wird immer mehr von Farmen und kleinen Ranches besiedelt. Von diesen Leuten versprechen sich meine Gegner auf die Dauer mehr Gewinn. Aber das kann ich nicht zulassen. Ich lebe von den Treibherdenleuten. Die wollen sich austoben. Wenn sie das nicht können, so reiten sie nach Benson hinüber. Benson liegt nur zwanzig Meilen weiter nördlich und ist für jeden offen, der sein Geld dort verjubeln möchte. Nein, ich muss diese wilden Jungs, die hier den Lohn vieler Monate ausgeben, in dieser Stadt halten können. Und dann ist noch etwas. Tom Drake besitzt die Generalkonzession der Viehverladung. Meine Geschäfte gingen noch sehr viel besser, wenn ich diese Konzession bekäme. In zwei oder drei Jahren ist hier ohnehin eine neue Treibherdenstadt, die günstiger liegt. Es werden immer mehr Bahnlinien gebaut. Eines Tages ist das große Geschäft vorbei, und Wager ist nur noch als Verladebahnhof für die nähere Umgebung interessant. Bis dahin will ich meine Taschen gefüllt haben. Aber über all diese Dinge können wir morgen reden. Willst du im Northern Hotel wohnen oder hier bei mir?«
»Das will ich mir morgen überlegen, Jordan. Ich bin ziemlich müde. Ich habe mein Pferd und meine Ausrüstung im Treibsand eines Creeks verloren. Dann habe ich mit knapper Not die Bahnlinie erreicht. Mir genügt es erst einmal für heute.«
Reb Jordan nickt ihm zu.