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G.F. Unger ist der erfolgreichste deutschsprachige Western-Autor. Mit einer Rekordauflage von über 250 Millionen Exemplaren gehört er zur internationalen Spitzenklasse der Spannungsliteratur. Und das zu Recht!
Niemand vermag es wie er, die unermesslichen Weiten des amerikanischen Westens und die Stärke der unerschrockenen Männer, die sie erschlossen, zu beschreiben. Erleben Sie den amerikanischen "Wilden Westen", wie nur G.F. Unger ihn schildern kann: hart, authentisch, leidenschaftlich.
Dieser Sammelband enthält die Folgen 2425 bis 2427:
2425: Steamboat Landing
Sie spielte die trauernde Witwe, aber die schöne Vera Oberon brachte in dem Sarg keinen Toten nach Steamboat Landing, sondern den Tod ...
2426: Silver Creek
Im Land am Silver Creek brennen die Felder der Farmer, und die Männer der Bullskull Ranch wollen den Staudamm in die Luft sprengen. Jim Cloud ist der einzige Mann, der das Unheil noch aufhalten kann ...
2427: Ghost Trail
Der Weg durch die Schlucht der Geister war voller Gefahren - doch richtig höllisch wurde es, als ich mich von der schönen Laura überreden ließ, sie ins Land der Gesetzlosen mitzunehmen ...
Der Inhalt dieses Sammelbands entspricht ca. 192 Taschenbuchseiten.
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Seitenzahl: 487
Veröffentlichungsjahr: 2021
G. F. Unger
G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 26
Cover
Impressum
Steamboat Landing
Vorschau
Steamboat Landing
Mit Ach und Krach erreicht die »Warrior« den Anlegeplatz von Steamboat Landing. Dann platzen die letzten Nieten von den verrosteten Dampfkesseln. Und nach zwei mittelschweren Explosionen geht der Raddampfer in der kleinen Bucht auf Grund.
Für die Passagiere, die aus den Goldfundgebieten nach Kansas City unterwegs sind, nimmt die Reise ein unfreiwilliges Ende.
Unter ihnen ist auch eine ungewöhnliche schöne Frau, die außer ihrem Reisegepäck einen mächtigen Eichensarg von Bord schaffen lässt.
Vera Oberon nennt sie sich, und bevor sie das Hotel betritt, erklärt sie den staunenden Bewohnern, dass sie ihren verstorbenen Mann eigentlich in Kansas City habe beerdigen lassen wollen, sich nun aber wohl mit einem Grab in Steamboat Landing zufrieden geben müsse.
Alle haben Mitleid mit der trauernden Witwe, und niemand ahnt das Unheil, das schon bald über sie hereinbrechen wird. Denn die schöne Vera Oberon hat mit dem Sarg zwar keinen Toten, wohl aber den Tod nach Steamboat Landing gebracht …
Es ist eine Stunde später, als sich Vera Oberon auf den Weg zum Friedhof macht. Nun trägt sie – inzwischen wurde ihr Gepäck ja von Bord ins Hotel geschafft – einen geteilten Rehlederrock, eine grüne Flanellbluse und eine Lederjacke. Ihre Füße stecken in zierlichen Cowboystiefeln, und ihr rotgoldenes Haar hat sie unter einem schwarzen Stetson verborgen.
Ihr Weg führt sie schnurgerade zum Friedhof, wo sie den Totengräber trifft, der seinen Hut abnimmt und sie mit den Worten empfängt: »Ma’am, der Bote aus dem Hotel hat mich darüber informiert, dass Sie den Sarg mit Ihrem verstorbenen Mann noch heute in der guten Mutter Erde haben wollen …«
»So ist es«, spricht sie. »Oder ist dies hier kein christlicher Friedhof?«
»Doch, schon«, sagt der Totengräber und grinst zwischen seinem gewaltigen Schnurrbartgestrüpp, »aber es liegen nicht nur gute Christen hier begraben, sondern auch einige Böse, die gewaltsam ins Jenseits geschickt wurden. Sie haben zwischen drei Gruben die Wahl. Da drüben unter der Eiche, da ist eine besonders schön gelegene Grube. Sie ist etwas teurer als die beiden anderen. Wollen Sie die? Es ist ein besonders schöner und schwerer Sarg. Da im Schuppen steht er. Sechs Männer hatten schwer zu tragen. War der Tote ein Schwergewicht?«
»Ja, er wog gewiss mehr als zweihundert Pfund«, erwidert sie. »Und ich möchte ihn heute noch beerdigen. Gibt es einen Prediger hier?«
»Gewiss.« Der Totengräber nickt. »Und weil es erst Mittag ist, haben Sie Glück, Lady. Denn unser Prediger ist erst gegen Mitternacht so betrunken wie hundert Indianer. Ich werde ihm Bescheid sagen lassen und auch Sargträger beschaffen. In einer Stunde kann alles vonstatten gehen. Es wird Sie dreißig Dollar kosten, Lady.«
Sie nickt und greift in die Tasche ihrer Lederjacke.
»Hier sind fünfzig.« Sie lächelt und geht wieder.
Er sieht ihr nach – und als sie weit genug weg ist, da schnalzt er mit der Zunge und murmelt: »Wer ist denn da nach Steamboat Landing gekommen, oho …«
Vera Oberon aber geht mit energischen Schritten in die kleine Stadt hinein. Und es ist, als würde sie Witterung nehmen.
Sie kennt sich aus mit solchen Städten, die da und dort aus zwingenden Gründen entstehen und manchmal schnell wieder zu Geisterstädten werden. Sie weiß auch, dass es in solchen Städten stets einen Boss oder eine mächtige Interessengemeinschaft gibt, mit denen man sich arrangieren muss. Denn sie alle, die an den Hebeln sitzen, haben nur ein Ziel: Geldverdienen, Geldmachen. Und sie teilen nur ungern, dulden keine anderen Jäger – oder Jägerinnen – in ihrem Revier.
Sie wird eine Weile hier in Steamboat Landing bleiben müssen.
Ihr Vorsprung mit dem schweren Sarg wird bald nicht mehr vorhanden sein. Sie alle werden kommen auf der Fährte des Goldes. Und dann wird sich hier in Steamboat Landing ein Krieg abspielen.
Sie weiß es. Aber sie weiß noch nicht, wie sie hier heil mit ihrer Beute herauskommen kann.
Das wird sich ergeben, so wie sich immer wieder alles auf ihren Wegen ergeben hat. Und ihre Schönheit wird ihr helfen. Denn es gab bisher noch keinen Mann, der nicht alles für sie zu tun bereit gewesen wäre.
Sie wandert also durch die Stadt und sieht sich alles an. Dabei wird auch sie natürlich begutachtet. Sie erwidert alle forschenden Blicke kühl.
Die kleine Stadt an der Mündung des Porcupine Creek ist noch ruhig. Da und dort wird gebaut. Es gibt nur einen einzigen großen Saloon mit einer Spiel- und Tanzhalle. Ein älterer Mann, der sich die Schürze eines Barkeepers umgebunden hat, tritt auf den zur Veranda ausgebauten Plankengehsteig und sieht sich um. Dabei pafft er eine Zigarre.
Als Vera Oberon diesen Mann ansieht und er ihren forschenden Blick erwidert, da erkennen sie sich beide in derselben Sekunde.
Er nimmt die Zigarre aus dem Mund und ruft herüber: »He, Vera, bist du das?«
»Und bist du das, Sloan Spade?«, fragt sie zurück.
Wenig später wirft sie sich auf der Saloonveranda in seine Arme. Er ist ein nur mittelgroßer, grauhaariger Mann, dessen Haar schon schütter ist, aber als sie von ihm umarmt wird, da spürt sie seinen immer noch harten und sehnigen Körper. Und so denkt sie: Er ist immer noch ein Wolf, der jagen kann.
Als er sie freigibt und einen Schritt zurücktritt, um sie besser betrachten zu können, wobei seine Wolfsaugen vor Freude glitzern, da fragt sie: »Rosy?«
Er grinst und zeigt seine Zähne, die nur ein wenig gelber wurden, seit sie ihn damals zum letzten Mal sah.
Er hebt die Hände und deutet mit beiden Daumen hinter sich auf den Saloon.
»Das ist Rosy«, spricht er stolz. »Ihr gehört dieses Haus der Freude. Ist das nicht was? Steamboat Landing Palace. Liest und hört sich das nicht großartig? Komm nur, Vera, komm nur. Rosy wird sich mächtig freuen. Bist du mit der ›Warrior‹ gekommen, diesem schäbigen Eimer?«
»Ich bekam kein anderes Boot in Fort Benton«, erwidert sie. »Und ich muss jetzt auch erst zum Friedhof zu einer Beerdigung. Ich komme später. Sag Rosy, dass ich mich schon auf sie freue.«
Sie verlässt die Veranda. Denn es wurde wirklich Zeit für die Beerdigung. Der Totengräber sagte ihr, dass sie in einer Stunde vonstatten gehen könne. Und sie war noch niemals in ihrem Leben unpünktlich. Darin unterscheidet sie sich mächtig von all ihren Schwestern, die wie sie alle von Eva abstammen.
Sie geht nun mit schnellen Schritten, und als sie den Friedhof von Steamboat Landing erreicht, wartet man schon auf sie. Ein dicker Mann, der einen Zylinder trägt, tritt ihr entgegen und nimmt die schwarze Röhre von seinem blanken Billardkopf.
»Lady«, spricht er würdig und stößt dabei seinen Whiskyatem gegen sie, »ich würde gerne in Ihrem Sinne ein paar würdige Worte am Grabe des Toten sprechen, wer immer dieser Tote auch sein mag. Doch ich weiß nichts über ihn.«
»Er war mein Mann. Sein Name lautete Bill Oberon. Er starb in Fort Benton an einem vereiterten Blinddarm. Ich wollte ihn heimbringen nach Saint Louis, wo schon seine Vorfahren bestattet wurden. Doch der Dampfer ›Warrior‹ wird wohl in der kleinen Werft kaum noch neue Kessel bekommen können. So muss ich meinen Mann hier …«
Sie bricht ab. Und der dicke Mann, der seinen Zylinder wieder aufgesetzt hat, hebt die Hände.
»Nun weiß ich genug«, spricht er. »Ich werde eine sehr niveauvolle Rede halten, Lady, sehr würdig. Sie werden zufrieden sein. Es ist ein sehr schöner und besonders fester Sarg, den wir in die Grube lassen werden, damit eines Tages alles in ihr zu Erde wird. Wir haben sechs Sargträger angeworben. Ihr Mann muss ein Schwergewicht gewesen sein.«
»Ja«, nickt sie, »er war ein stattlicher Mann.«
Sie folgt dann dem dicken Prediger zur Grabstelle. Aber sie lauscht nicht auf die Grabrede. Ihre Gedanken sind mit anderen Dingen beschäftigt.
Sie weiß, dass sie hier mit dem Sarg in eine Falle geraten ist und fragt sich, wie sie wohl wieder herauskommen kann.
Als der Prediger seine Rede beendet hat, tritt sie ans Grab und wirft noch einen Blick auf den Sarg, den die sechs Sargträger langsam hinabließen.
Es liegt ein tiefes Bedauern in ihrem Blick.
Sie beginnen nun das Grab zuzuschaufeln.
»Lasst nur keine Steine hart draufpoltern«, sagt der Totengräber zu seinen Helfern. »Tote soll man bei ihrem Schlaf nicht stören.«
Es liegt ein wenig Spott in seiner Stimme, so meint Vera. Sie wendet sich ab, um zu gehen.
Und da sieht sie, dass sie nicht allein zur Beerdigung kam.
Jonathan Plum, der Kapitän der »Warrior«, ist da.
Auch Rosy Dunn, ihre alte Freundin.
Und zwei ihr noch fremde Männer kamen, die sich etwas abseits halten, aber offensichtlich aufmerksam beobachten. Einer dieser Männer trägt einen Stern auf seiner Brokatweste und an der linken Seite einen Colt tief unter der Hüfte.
Der andere Mann sitzt auf einem großen Pferd, einem Rappen, der unter ihm nervös tänzelt. Es ist ein Vollbluthengst, ein edles Tier, und es muss von diesem löwenhaft wirkenden Mann offensichtlich ständig gebändigt werden.
Wieder jagen sich in Vera Oberon viele Gedanken und Gefühle. Und abermals wird sie sich bewusst, wie sehr sie mit ihrem Sarg hier in der Falle sitzt.
Als sie sich in Bewegung setzt, kommt Rosy Dunn und breitet die Arme aus. Sie fallen sich gegenseitig um den Hals, so als wären sie Schwestern, die sich lange Jahre nicht sahen und voller Freude über das Wiedersehen sind.
Als sie sich gegenseitig auf die Wangen geküsst haben und nach einer Weile voneinander lösen, tritt der Mann mit dem Marshalstern langsam zu ihnen. Er nimmt den Hut vom Kopf und sein weizengelbes Haar leuchtet in der Sonne.
Rosy sagt: »Vera, dies ist Jim Sackett. Er beschützt mich in dieser verdammten Stadt. Und nun wird er auch dich beschützen. Nicht wahr, Jim?«
Jim Sackett grinst unter dem blonden Schnurrbart blinkend. Vera hat wieder vibrierende Nasenflügel, so als würde sie Witterung nehmen wie eine Katze. Und sie spürt in diesen Sekunden ganz deutlich, welche Kräfte in diesem Mann vorhanden sind, körperlich und geistig.
Sie hört ihn sagen: »Rosy, alles, was zu dir gehört, steht unter meinem Schutz. Das weißt du doch. Da musst du nicht fragen.«
Er greift vor Vera an den Hut.
»Willkommen in Steamboat Landing, Mrs Oberon.«
Sie blickt in seine leuchtend blauen Augen. Und sie denkt: Was für ein Tiger …
Als sie dann mit Rosy Arm in Arm zur Stadt zurückgeht, sieht sie, dass noch ein weiterer Mann aus einiger Entfernung der Beerdigung zugesehen hat. Es ist Sol Clayborne, der mit ihr auf der Warrior fuhr und den sie für einen ehemaligen Südstaatenoffizier hält, der ein Kartenhai und Abenteurer wurde.
Und sie sieht auch den löwenhaft wirkenden Reiter auf seinem riesigen Rapphengst davonreiten.
Sie fragt Rosy: »Wer ist der Löwe auf dem schwarzen Hengst?«
»Bac Mahoun ist sein Name«, erwidert Rosy. »Und wenn es Jim Sackett nicht gäbe, wäre Mahoun hier der absolute Herrscher. Eines Tages werden sie es beide bestimmt auskämpfen. Ich habe meine Chips auf Jim Sackett gesetzt. Wie lange wirst du hier bleiben, Vera? Wir haben uns eine Menge zu erzählen, nicht wahr?«
»Ich weiß noch nicht …«, erwidert Vera. »Ich weiß ganz und gar nicht, was werden wird. Aber es tut gut, hier eine Freundin zu haben. Und wir stehen doch immer noch zueinander wie Schwestern – oder?«
»Wie Zwillingsschwestern, Vera. Ich habe dich niemals vergessen. Es war damals grausam für mich, als der verdammte Krieg uns im Süden auseinanderriss. Ich habe mich in diesen Jahren oft gefragt, wie es dir wohl ergangen ist.«
☆☆☆
Als es Abend wird, verändert sich die kleine Stadt an der Porcupine-Creek-Mündung in den Missouri.
Einige Holzflöße kamen den Strom herunter und machten in der Bucht fest. Es sind Riesenflöße, deren Glieder zusammen eine Länge von mehr als zweihundert Yards haben und auf denen die Unterkunftshütten der Flößer stehen. Es sind also mehr als ein halbes Hundert Flößer in der Stadt.
Noch vor Nachtanbruch trafen zwei Dampfboote ein, die an den Landebrücken festmachten. Es sind schwer beladene Dampfer, die von Kansas City mit Fracht und Passagieren für die Goldfundgebiete in Montana heraufgedampft kamen. Da aber die Nacht sehr schwarz werden wird mit tiefen Wolken am Himmel, machten die Dampfboote hier fest. Denn der Strom ist in diesem Stück sehr gefährlich. Man kann ihn nur bei ganz hellen Nächten befahren. Die Besatzungen und Passagiere gehen an Land, um sich zu amüsieren.
Aus dem Hinterland kommen ebenfalls nach allen Sünden durstige Gäste in die Stadt am Strom. Und so platzt Steamboat Landing fast aus allen Nähten.
Dennoch ist Rosy Dunn in dieser Nacht nicht unten. Sie überlässt alles ihren Angestellten, besonders dem zähen, erfahrenen und schon grauköpfigen Sloan Spade.
Die beiden Frauen halten sich noch in Rosy Dunns Wohnräumen auf. Und nachdem sie zu Abend aßen und Rosy noch einmal die Weingläser füllte, da fragt sie: »Willst du reden, Vera? Willst du mit deiner alten Freundin, die zu dir wie eine Zwillingsschwester steht, über all das reden, was in dir brodelt? Hast du wirklich deinen Mann hier beerdigt? Was ist mit dem Sarg?«
»Er ist mit Gold gefüllt«, erwidert Vera. »Ich bin damit auf der Flucht. Aber mein Vorsprung ist vielleicht morgen oder übermorgen schon dahin. Es blieb mir nichts anderes übrig. Ich musste den Sarg hier in ein Grab versenken lassen. Nur dort ist das Gold ein wenig sicherer. Es sind dreihundert Pfund Gold. Es ist das Gold der Aurora-Mine.«
Als sie verstummt, da schweigen die beiden Frauen.
Schließlich macht Rosy Dunn: »Puuuh, oha, das ist was. Puuuh …«
Und abermals schweigen sie eine Weile.
Als Rosy dann wieder spricht, ist in ihrer Stimme der Klang tiefster Überzeugung. »Du hast Glück, Vera. Denn Jim Sackett ist unser Beschützer. Gewiss, es wird wohl so kommen, dass hier einige Männer um diesen Schatz kämpfen werden wie hungrige Wölfe um eine fette Beute. Aber Jim Sackett ist keiner gewachsen. Da wette ich all meine Chips. Na los, machen wir uns schön für die Kerle dort unten. Es wird wieder so sein wie damals, als wir ihnen die Wolle abrasierten. Ich werde dir einen besonderen Spieltisch geben. Oder willst du nicht so tun, als müsstest du Geld verdienen?«
Sie verstummt nachsichtig und hört dann Vera erwidern: »Verdammt, Rosy, ich muss natürlich so tun, als hätte ich keine drei Zentner Gold in einem Sarg, und es gibt auch in meinem Leben einen Mann, nämlich meinen Partner und Mitbesitzer der Aurora-Mine in der Last Chance Gulch. Sein Name ist Jack Jennison. Er hat die Goldräuber mit einem Scheintransport auf eine falsche Fährte gelockt. Unterwegs luden wir das Gold von seinem Transportwagen in den Sarg meines Wagens. Verstehst du? Ich spielte eine verschleierte, trauernde Witwe, die mit dem Sarg, in dem ihr Mann lag, unterwegs zur Schiffslandestelle bei Fort Benton war. Jack ließ mir einen Vorsprung. Sie werden ihn unterwegs gewiss angehalten haben, um seine Ladung zu überprüfen. Hoffentlich haben sie ihn aus Enttäuschung nicht erschossen. Er hat noch zwei zuverlässige Begleiter bei sich. Wir wollten uns erst in Saint Louis wieder treffen. Doch dann gingen die Dampfkessel der ›Warrior‹ zum Teufel.«
☆☆☆
Als es kurz vor Mitternacht ist, macht sich der Spieler Sol Clayborne, der wie Vera ebenfalls mit der Warrior von Fort Benton herunterkam, auf den Weg zum Friedhof von Steamboat Landing.
Es ist eine schwarze Nacht, und er hält sich allen Lichtbahnen fern, gleitet lautlos wie ein Schatten durch die Schwärze der Nacht.
Er hat sich bei Tag den Weg durch die Gräber und Grabsteine genau eingeprägt. Und so erreicht er nach einer Weile die mächtige Eiche, unter deren gewaltigen Ästen sich das neue Grab befindet.
Eine Weile verharrt er lauschend. Dann aber klettert er hinauf und findet auf einem starken Ast einen guten Sitz, wo er sich an den Stamm lehnen kann.
Er wartet geduldig, und er gleicht jetzt einem Berglöwen, der auf Beute lauert.
Er ist sich mit seiner Vermutung nicht völlig sicher. Es könnte sein, dass er bis zum Morgengrauen nutzlos wartet. Aber sein Instinkt hat ihn selten betrogen. Und er konnte sich inzwischen eine Menge ausrechnen.
Indes er so geduldig wartet, gehen ihm viele Gedanken durch den Kopf. Ja, er denkt wieder einmal gründlich über seinen Lebensweg nach.
Der begann damals in Alabama als Sohn reicher Plantagenbesitzer, die sich für Aristokraten hielten, weil sie ihrer Meinung nach die Besten waren mit dem Recht zu herrschen über die ihrer Meinung nach Minderen.
An die vierhundert Sklaven besaßen sie.
Und er wuchs als junger Master fast wie ein Königssohn auf und erhielt die allerbeste Ausbildung. Ihm wurde von Anfang an eingeimpft, dass er einer Herrenschicht angehörte, die hoch über allen anderen Menschen steht.
Und als dann der Krieg zwischen den Nordstaaten und den Sklavenhaltern des Südens ausbrach, stellte seine Familie eine Schwadron auf, die er als Captain befehligte.
Das war so üblich bei den reichen Plantagenbesitzern im Süden, die sich ihre Sklavenreiche erhalten wollten.
Er ritt dann an der Spitze seiner Reiter durch den ganzen Krieg und veränderte sich mehr und mehr. Und dann in Gefangenschaft als Besiegter, da zerbrachen ihn die Yankees fast.
Als sie ihn aus dem Gefangenenlager entließen, kehrte er abgerissen und krank heim. Denn er war ein Tramp geworden, und der Weg nach Alabama war weit. Halb verhungert war er, als er das niedergebrannte Herrenhaus erreichte.
Und von seiner Familie war niemand mehr da.
Er fand ihre Gräber auf dem Friedhof. Und die einstigen Sklaven besaßen das Land. Nein, sie erschlugen ihn nicht wie so manchen ihrer einstigen Herren. Er war als junger Herr niemals gemein zu ihnen gewesen, hatte sich stets bemüht, gerecht zu sein. Es wäre gegen seinen Stolz und gegen seine Selbstachtung gewesen, Untergebene wie ein Despot zu behandeln.
Deshalb erschlugen sie ihn also nicht, als sie ihn erkannten als den Sohn ihres einstigen Herrn. Doch sie sagten ihm, dass er besser fortgehen solle.
Und so ging er, begann einen neuen Weg.
Indes er nun auf dem starken Baumast sitzt, mit dem Rücken am Stamm lehnt, denkt er auch mit einem Gefühl von Befriedigung daran, wie er einem Zahlmeister der Besatzungstruppe die ganze Regimentskasse raubte – alles nagelneue Yankeedollars.
Er war seitdem auf der Flucht und brachte das Indianerland zwischen sich und das Gesetz. Denn hier in Montana herrscht nur das Gesetz des Stärkeren.
Er wurde in den Campstädten der Goldfundgebiete ein Spieler.
Und dann hörte er, dass ein großer Goldtransport der Aurora-Mine in der Last Chance Gulch unterwegs nach Fort Benton sei, um dort verschifft zu werden. Es sollten mehrere Banden hinter diesem Gold her sein. Denn der Weg zwischen der Mine und Fort Benton war fast dreihundert Meilen weit.
Er machte sich auf den Weg nach Fort Benton, ritt wie der Teufel und wartete.
Doch es kam kein Goldtransport dort an. Allerdings machte die Nachricht die Runde, dass der Transport spurlos verschwunden sei und alle Banditen umsonst am Weg gewartet und gelauert hätten.
Nur eine verschleierte Witwe kam in diesen Tagen nach Fort Benton. Sie lenkte einen Wagen, auf dem sie einen Sarg transportierte, in dem ihr verstorbener Gatte liegen sollte.
Als sie den Sarg auf die »Warrior« hievten, ging auch er, Sol Clayborne, an Bord. Und dann sah er das wunderschöne und ausdrucksvolle Gesicht der Witwe im Speiseraum zum ersten Mal ohne Schleier.
Und jetzt …
Seine Gedanken werden unterbrochen, denn er hört Geräusche. Offenbar stolpern zwei Menschen zwischen den Gräbern umher und suchen ein bestimmtes Grab. Werkzeug klappert, wahrscheinlich Schaufeln oder Spaten.
Die Geräusche nähern sich. Dann hört er eine heisere Stimme sagen: »Hier muss es sein, das verdammte Grab. Hier ist auch die große Eiche. Ja, hier muss es sein. Zünde die Laterne an, Jonas. Jetzt müssen wir sehen, was wir machen.«
»Aber wenn jemand das Licht hier auf dem Friedhof sieht …«, warnt die andere Stimme.
»Ach, zum Teufel, Jonas, jetzt pennt doch alles oder ist stockbesoffen. Wir müssen den Laternenschein riskieren. Und wenn wir das Grab tief genug ausgehoben haben, stellen wir die Laterne in die Grube. Na los, Jonas. Ich will den verdammten Sarg sehen, der viel zu schwer für einen Toten war. Da muss noch mehr drinnen sein. Und ein dicker Mann würde nicht hineinpassen. Ich will den verdammten Sargdeckel abschrauben. Los, zünde die Laterne an!«
»Nun gut, Kapitän«, murrt der andere Mann.
Sol Clayborne hat die beiden Männer längst schon an der Stimme erkannt.
Es sind der Kapitän der Warrior, Jonathan Plum, und sein Steuermann Jonas Picket.
Dann verbreitet die Laterne mit ihrer Kerze darinnen ein wenig Licht. Es ist ein schwaches Licht, aber es ist in der dunklen Nacht hell genug, sodass die beiden Männer erkennen können, hier am richtigen Grab zu sein.
Sie beginnen zu graben. Bald schon fluchen sie, weil ihnen diese Arbeit nicht behagt.
Der Kapitän knurrt einmal: »Die hat an Bord auf den Sarg aufgepasst wie eine Pumakatze auf ihr Junges. Ich hätte an Bord schon gerne nachgesehen. Dieser verdammte Sarg war zu schwer für nur einen Toten drinnen.«
Sie haben das Grab nun so weit ausgehoben, dass sie bis zu den Knien in der Grube stehen.
Doch nun bekommen sie Gesellschaft.
Von einem hohen Sitz aus sieht Sol Clayborne die dunkle, untersetzte und massig wirkende Gestalt schon etwas früher kommen. Seine Neugierde wächst noch.
Dann hört er den Totengräber Harvey Miles fast freundlich fragen: »He, was macht ihr denn da, ihr Grabschänder?«
Plum und Picket halten inne.
Dann murrt Plum: »Mann, was hast du uns erschreckt. Aber was geht dich an, was wir hier tun?«
»Ich bin nun mal der Pfleger dieses Totenackers«, kichert Harvey Miles. »Und euch kenne ich. Ihr seid die Bosse von der Warrior. Ist euch auch aufgefallen, dass dieser Sarg viel zu schwer ist?«
»Und wenn?« So fragt der Kapitän böse zurück.
Der Totengräber lässt wieder ein Kichern hören, dessen hohe Tonlage gar nicht zu seiner sonstigen Stimme passt. Es klingt, als pfiffe ein Präriehund.
Dann spricht er mit einem trügerisch-freundlichen Klang in der Stimme: »Der neue Tag hat längst begonnen. Es ist lange nach Mitternacht. Aber es ist kein Glückstag für euch. Wisst ihr, die Dummen bestraft das Leben. Ich will euch aber noch verraten, was wirklich in dem Sarg ist. Denn als man ihn zu mir in den Schuppen brachte und ich die Träger fluchen hörte, weil er so schwer wäre, da schraubte ich später den Deckel ab. Es waren viele, starke Schrauben, für die ich einen besonders großen Schraubenzieher brauchte und meine ganze Kraft einsetzen musste. He, ich kann euch sagen, dass der Sarg eine Menge Gold enthält, in Barren gegossen und mit einem Stempel versehen, der wie ein Brandzeichen ist. Aurora-Mine, dies kann man auf allen Barren lesen. Zufrieden?«
Die beiden Männer von der Warrior schweigen. Denn sie sind nun voller Sorge um ihre Leben, nicht nur um ihre Gesundheit.
Der Totengräber hält nämlich eine doppelläufige Schrotflinte im Hüftanschlag. Es ist ein übles Ding mit abgesägten Läufen. Und wenn es mit grobem sogenannten Indianerschrot geladen ist, dann kann Harvey Miles sie damit in Fetzen schießen.
Kapitän Jonathan Plum räuspert sich mühsam. Er begreift plötzlich, dass er jetzt mit Worten um ihr Leben kämpfen muss, ja kämpfen, anders kann man es wohl nicht nennen.
Und so spricht er salbungsvoll wie ein Prediger: »Lasst uns vernünftig verhandeln. Teilen wir uns einfach das Gold. Begnügen wir uns jeder mit einem Anteil. Weißt du, Totengräber, ich habe mein Boot verloren. Die Werft kann es nicht mehr reparieren. Die ›Warrior‹ ist zu alt und zu verbraucht. Ich muss ein neues Boot haben. Und wenn der Sarg voller Gold ist, dann reicht das ja wohl für uns alle – oder?«
»Und schließlich haben wir ja diese verdammte Goldkiste hergebracht«, spricht der Steuermann. »Das ist doch wohl auch was wert – oder?«
»Nein«, kichert der Totengräber und drückt beide Läufe ab. Aus dem Doppellauf kracht es gewaltig. Feuerzungen erhellen die Nacht für Sekundenbruchteile.
Die beiden Männer von der Warrior bekommen die Ladungen voll mit, denn die Streuwirkung der abgesägten Doppelläufe ist ungeheuer. Die böse Bleisaat fetzt alles weg.
Sol Clayborne oben auf dem Baum rührt sich nicht.
Er könnte den Mörder ohne Mühe töten. Doch er sieht noch keinen Sinn für sich darin. Für Sol Clayborne sieht es so aus, als wäre das Gold dort im Sarg und in der Grube vorerst gut aufgehoben. Denn es wird vom Totengräber Harvey Miles gut bewacht werden. Und da ist auch noch die schöne Vera Oberon. Sie wäre es ihm wert, mit ihr das Gold zu teilen. Es würde ja auch gar nicht so einfach sein, das Gold ganz allein wegzuschaffen. Er kann sich ausrechnen, dass mit dem nächsten Boot schon viele Goldjäger von Fort Benton herunterkommen werden. Vera Oberon ist ihnen zwar entkommen mit dem Sarg. Doch inzwischen sind sie ihr gewiss auf die Spur gekommen, haben sie erfahren, dass die »Warrior« einen schweren Sarg mit einer trauernden Witwe an Bord genommen hatte. Und wenn sie hier bei Steamboat Landing die havarierte »Warrior« in der Werftbucht auf Grund liegen sehen, werden sie an Land gehen und zu suchen beginnen. Für ihn sitzt Vera Oberon hier in einer Falle.
Und überdies ist Steamboat Landing ein böses Nest.
Nun, man wird sehen, so denkt er, und er verspürt Gefallen an diesem Spiel. Dass es ein böses Spiel ist, stört ihn nicht besonders. Denn er war fast fünf Jahre im Krieg und hat viele böse Spiele erlebt – manchmal als Gewinner und manchmal als Verlierer.
Längst hat er das Vertrauen an die Menschen verloren. Ja, er wurde ein misstrauischer, einsamer Wolf, der nur noch an die eigene Beute denkt.
Und dieses harte und gnadenlose Spiel, das sich bald hier in Steamboat Landing entwickeln wird, beginnt ihm eine wilde Freude zu bereiten.
Er sieht dann zu, wie der Totengräber die beiden Toten zu einer der anderen noch offenen Grabstellen trägt und bemerkt auch, wie kräftig der gedrungene Mann sein muss.
Es ist fast schon grauer Morgen, als Harvey Miles die Grabstätten wieder geschlossen und alle Spuren beseitigt hat. Sol Clayborne wartet noch, bis der Totengräber in seiner Hütte am Rande des Friedhofs verschwunden ist.
Dann macht er sich in der sterbenden Nacht auf den Weg zum Hotel. Er spürt nun seine Müdigkeit und freut sich auf das Bett in seinem Hotelzimmer.
Dass sich niemand in der kaum mehr als eine Fünftelmeile entfernten Stadt um die Schüsse beim Friedhof gekümmert hat, darüber wundert er sich nicht besonders. Denn im Verlauf der Nacht krachten mehrmals Schüsse, gewiss von Betrunkenen als Freudenböller gedacht.
Als er das Hotel fast schon erreicht hat, tritt ihm aus einer Gassenmündung ein Mann in den Weg.
Es ist Marshal Jim Sackett, den er inzwischen schon kennt, weil sie am Nachmittag nebeneinander an der Bar standen und einen Drink nahmen.
»Aaah, Sie sind das …«, spricht der Marshal. »Sie halten aber lange aus. Der Saloon ist schon zwei Stunden geschlossen.«
Sol Clayborne lacht leise.
»Ich saß am Ufer und lauschte auf die Stimmen in der Nacht«, spricht er dann. »Wissen Sie, Marshal, ich bin ein Romantiker. Aber vielleicht war ich auch bei einer Frau.«
»Ja, vielleicht«, erwidert der Marshal und gibt ihm den Weg frei.
Als Sol Clayborne wenig später auf seinem Bett liegt, atmet er langsam aus und schläft dann ein.
☆☆☆
Es ist später Vormittag, als Rosy Dunn und Vera Oberon in Rosy Dunns Wohnräumen am Frühstücksstich sitzen.
Sie reden nicht viel, aber dennoch ist ein Einverständnis zwischen ihnen, wie es wahrscheinlich sonst nur zwischen Zwillingsschwestern vorhanden ist.
In diesen Minuten, indes sie frische Biskuits, Eier mit Speck und Kaffe zu sich nehmen, denkt Vera Oberon über sich und ihren Lebensweg nach, so wie es in der Nacht Sol Clayborne auf dem Baum tat, indes er der Dinge harrte, die dann auch gekommen sind.
Sie sieht sich noch einmal als Mädchen in dem schönen Haus ihres Stiefvaters, den ihre Mutter als junge Witwe heiratete, um mit ihrem Kind versorgt zu sein.
Aber dann – als sie gerade vierzehn Jahre alt geworden war – hatte der Stiefvater sie vergewaltigt und ihr gesagt, dass er sie und ihre Mutter zum Teufel jagen würde, wenn sie nicht immer wieder bereit wäre für ihn. Sie sei ja mit ihm nicht blutsverwandt und er könnte sie nicht immer nur ansehen. Sie wäre zu schön, um unangetastet zu bleiben. Es gehe ihnen doch gut bei ihm. Sie bekämen doch alles, was sie sich wünschten. Und so wäre es doch nur fair, wenn auch sie ihm möglichst viele Wünsche erfüllte.
In der nächsten Nacht lief sie fort und ließ ihre Mutter allein bei ihm zurück. Das war damals in Boston, in jener Stadt also, deren Bewohner sich für besonders ehrenwert hielten und von Snobismus nur so strotzten.
Und dann begann für sie ein harter Weg, der gewiss schlimmer war, als wäre sie bei ihrer Mutter und ihrem Stiefvater geblieben.
Jetzt ist ihr nichts mehr fremd auf dieser Erde, gar nichts mehr. Sie ging durch alle Höllen, aber manchmal wandelte sie auch im Himmel. Und irgendwann begann sie mit harter Berechnung ihre Schönheit einzusetzen.
Als sie in der Last Chance Gulch im nordwestlichen Montana auf Jack Jennison traf, begann sie noch einmal einen Mann mit dem Herzen zu lieben.
Und dann hatten sie das große Glück mit einer Mine. Sie war als ausgebeutet aufgegeben worden. Aber sie stießen auf eine Goldader. Und damit begann die große Sorge.
Denn es war im Goldland fast unmöglich, einen großen Goldfund geheim zu halten, besonders dann nicht, wenn man ein Dutzend Arbeiter beschäftigte, die sich dann und wann in Last Chance City betranken und in die Hurenhäuser gingen.
Und noch unmöglicher war es, mit einer Goldausbeute den Banditen zu entkommen, die auf allen Wegen lauerten.
Und so kamen Jack Jennison und sie auf die Idee, ihr Gold auf eine besondere Art zur Schiffslandestelle zu transportieren. Sie luden ihren Goldschatz unterwegs in einen Sarg um. Und sie spielte eine verschleierte, trauernde Witwe, die den Sarg mit ihrem toten Mann selbst zum Missouri fuhr.
Jack Jennison aber fuhr den Goldwagen, der in den beiden Kisten nur noch Steine transportierte, auf einem Umweg nach Fort Benton am Missouri.
Jetzt aber am Frühstückstisch bei Rosy Dunn, da macht sich Vera Sorgen um Jack Jennison. Ja, abermals wird sie sich darüber klar, dass sie den blonden Texaner aus ganzem Herzen liebt. Und dies ist etwas, was sie immer wieder überrascht und deshalb besonders glücklich macht.
Rosy Dunn fragt nun: »Vera, willst du nicht darüber reden? He, ich sehe dir nicht nur an, sondern spüre es auch noch, dass du dir große Sorgen machst. Ist es das Gold im Sarg, das auf dem Friedhof beerdigt wurde wie ein Toter? Oder ist es der Mann, von dem du sagtest, dass du ihn lieben würdest. Wie war doch sein Name?«
»Jack, Jack Jennison«, erwidert Vera leise. »Und wir fanden in der alten Aurora-Mine, die er beim Poker gewann, eine Goldader. Die Mine war scheinbar völlig ausgebeutet. Er nahm sie als Hundert-Dollar-Einsatz an. Und dann machte sie uns reich. Aber wenn sie ihn unterwegs dafür mit dem Tode bestraft haben, weil er nur Steine in den Goldkisten hatte, ihn und seine zwei Begleiter – wenn ich ihn nie wiedersehen werde, was nützt mir dann das verdammte Gold?«
Sie hebt die Hand und wischt sich über das schöne und ausdrucksvolle Gesicht.
Rosy Dunn aber spricht: »Vera, so ist das Leben. Wir kennen das doch, nicht wahr, mein Kleines? Manchmal gewinnt man, und manchmal verliert man. Wir wissen das doch längst. Oder nicht?«
»Schon, Rosy, schon«, murmelt Vera. Dann aber beißt sie energisch in ein Biskuit und nickt Rosy kauend zu.
»Jene Zeiten damals, Rosy, als du mich unter deine Fittiche genommen hast wie eine ältere Schwester, die waren damals ein besonderer Lebensabschnitt für mich. Dafür danke ich dir immer noch. Wenn ich nur wüsste, wie ich eines Tages mit dem Gold aus dem Sarg von hier wegkommen könnte.«
»Das wird sich irgendwie ergeben.« Rosy lächelt. »Und was auch geschieht, Jim Sackett wird uns beschützen. Er kommt manchmal zu mir, wenn die Nacht stirbt und die Stadt ruhig wurde. Dann liegen wir beide bis zum Nachmittag im Bett. Deshalb muss ich dir ein anderes Zimmer geben, Vera. Wir können nicht zusammen wohnen. Das siehst du doch ein, Vera?«
»Sicher«, erwidert diese. »Ich kann mir auch ein Zimmer im Hotel nehmen. Es wäre dumm, müsste Jim Sackett wegen mir auf sein Vergnügen mit dir verzichten.«
»Es ist mehr als nur ein gegenseitiges Vergnügen, Vera«, erwidert Rosy ernst. »Ich liebe Jim Sackett. Ich hatte es mir abgewöhnt, mich in einen der Kerle zu verlieben. Ich dachte, dies wäre längst vorbei, obwohl ich immer wieder einen Mann brauchte, weil ich immer noch eine einigermaßen junge und begehrenswerte Frau bin mit einigen Ansprüchen an das Leben. Aber Jim Sackett liebe ich. Vera, mir geht es so wie dir, nicht wahr? Wir waren so etwas wie Raubkatzen, die sich die Schwächen der Hammel nutzbar machten. Doch irgendwann erwischt es wohl auch solche hartgesottene Jägerinnen wie uns. Was wird sein? Ich meine, was glaubst du, wie wird es hier weitergehen? Was erwartest du?«
Wieder wischt Vera Oberon sich übers Gesicht.
Dann erwidert sie: »Mit dem nächsten Dampfboot kommen die Goldwölfe nach Steamboat Landing. Vermutlich sind es mehrere Gruppen, aber auch Einzelgänger. Alles ist möglich. Man wird sie daran erkennen, dass sie hier aussteigen, wenn sie das gestrandete Dampfboot ›Warrior‹ in der Werftbucht sehen. Wer steigt schon in Steamboat Landing aus, wenn er von Fort Benton her den Strom herunterkommt? Sie alle fahren sonst zumindest bis Kansas City oder gar Saint Louis. Ja, daran wird man sie erkennen. Wer hier die Talfahrt unterbricht, der muss einen besonderen Grund dafür haben.«
»So ist es wohl.« Rosy nickt. »Dann werden wir ja bald eine Menge böser Pilger hier in Steamboat Landing haben, mit denen sich auch Jim Sackett wird herumschlagen müssen. Die Zahl seiner Gegner wird sich erhöhen.«
»Und wer sind diese Gegner?« Vera fragt es nun doch neugierig.
»Bac Mahoun«, erwidert Rosy hart. »Der wollte mich, aber ich entschied mich für Jim Sackett. Das nahm er Jim übel – natürlich auch mir –, und nun will er die Stadt. Er beherrscht das ganze Umland. Ihm gehören die Werft, die Sägemühle und alle Post- und Frachtlinien, die ins Landesinnere – also nach Westen und Nordwesten – führen. Vor allen Dingen will er unsere drei Landebrücken besitzen. Irgendwann wird es zwischen ihm und Jim Sackett zu einem Revolverduell kommen.«
»Und wenn er erfährt, dass ein Sarg voller Gold in einer Grabstelle liegt?« Vera fragt es spröde.
»Dann wird er es haben wollen wie ein hungriger Löwe eine fette Beute«, erwidert Rosy. »Es war Pech für dich, dass die Kessel der ›Warrior‹ hier platzten. Wir sahen uns zwar wieder, nachdem der Krieg und damals trennte, aber …«
Sie hebt die Hände und lässt sie wieder sinken.
»Wir werden ja sehen«, spricht sie dann. Ihre Stimme klingt nun hart.
☆☆☆
Es ist gegen Mittag als die »Montana Eagle« den Strom abwärts kommt. Mit der starken Strömung des Big Muddy macht sie gewiss an die zehn Meilen in der Stunde, denn sie ist zwar ein kleines, doch sehr starkes Dampfboot, mit zwei Haubitzen an Bord, die schon mehrmals Schrapnells auf Indianer und Flusspiraten schossen. Denn sie transportiert immer wieder Post, Gold und andere wertvolle Frachten stromauf und stromab zwischen Saint Louis und Fort Benton.
Zuerst sieht es so aus, als würde sie vorbeidampfen, angetrieben von ihrem starken Heckschaufelrad.
Doch dann entdeckt man an Bord offensichtlich die gestrandete ›Warrior‹ in der Werftbucht. Und so arbeitet das Heckschaufelrad wenig später rückwärts und zieht den Steamer wieder gegen die Strömung bergauf und schließlich zu einer der Landebrücken.
Als sie nahe genug ist, da springen einige Passagiere von Bord. Es sind mehr als ein halbes Dutzend. Beim Anblick der »Warrior« wollten sie ganz plötzlich an Land. Sie haben nur wenig Gepäck bei sich, sind jedoch alle gut bewaffnet. Es stellt sich dann heraus, dass es sich offenbar um drei Gruppen von zweimal drei und einmal zwei Männern handelt, also insgesamt acht. Denn an Land trennen sie sich.
Marshal Jim Sackett lehnt an einem Holzstapel und beobachtet die Ankömmlinge aus einiger Entfernung, und weil er sich mit hartgesottenen Burschen auskennt, wird ihm beim Anblick dieser »Gäste« klar, dass besonders Hartgesottene nach Steamboat Landing kamen.
Und noch zwei andere Männer beobachten die Ankömmlinge. Der eine Beobachter ist der löwenhaft wirkende Bac Mahoun. Er sitzt wieder auf seinem riesigen Hengst, auf dem er von irgendwoher auftauchte, und der andere Mann ist der Totengräber von Steamboat Landing, Harvey Miles, dessen Gesicht bis auf seine Augen und die dicke Nase hinter seinem gewaltigen Bartwuchs fast völlig verborgen ist.
Aber da ist noch ein vierter Mann außer Jim Sackett, Bac Mahoun und Harvey Miles.
Dieser Mann blickt aus einem Hotelfenster zum Fluss hinunter. Es ist Sol Clayborne, welcher rechtzeitig erwachte und zum Fenster eilte, weil die »Montana Eagle« mit ihrem Heckschaufelrad einigen Lärm machte und auch zweimal das Dampfhorn tuten ließ, als sie wieder von der Landebrücke in den Strom ging.
Sol Clayborne pfeift durch die Zähne und murmelt dann: »Da sind sie ja, die Goldwölfe. Ich werde sie mir ansehen müssen. Verdammt, das wird ziemlich rau werden hier in Steamboat Landing, verdammt rau!«
Er beginnt sich wenig später zu rasieren und zu waschen. Und bevor er dann nach unten geht, überprüft er seine beiden Waffen.
Indes ging Marshal Jim Sackett zum Mittagessen in den Steamboat Saloon zu Rosy Dunn. Der Chinakoch bedient ihn in der Küche mit einem freundlichen Lächeln. Wenig später kommt Rosy herunter und setzt sich zu ihm.
»Ich habe vorhin erst gefrühstückt«, sagt sie, »aber ich leiste dir wenigstens Gesellschaft, Jim. Vera hat ein anderes Zimmer bezogen. Sie richtet sich dort noch ein und wird uns nicht stören. Wir könnten also einen schönen Nachmittag im Bett verbringen. Du musst nur Appetit auf mich haben, Jim.«
Sie verstummt lächelnd.
Er betrachtet sie kauend, und er ist sich darüber klar, dass sie eine Frau ist, die sich auskennt mit Männern jeder Sorte und es versteht, sich die Männer nutzbar zu machen.
Vielleicht hat sie sich auch deshalb für ihn entschieden, damals als auch sie mit einem Boot herkam und beim Poker den Saloon, zu dem die Tanzhalle und die Spielhalle gehören, von Charly Summer gewann.
Aber er liegt gerne in ihren Armen. Sie verschafft ihm immer wieder das Paradies auf Erden, wie es nur eine erfahrene Frau tun kann. Und manchmal glaubt er auch, dass sie ihn wahrhaftig mit dem Herzen liebt.
Er wird sie nicht enttäuschen. Sie kann sich auf seinen Schutz verlassen.
Gerne würde er jetzt mit ihr nach oben gehen.
Doch er schüttelt den Kopf und murmelt: »Ich möchte schon, Rosy, o ja, ich möchte es zu gern. Doch es kamen einige böse Pilger mit der ›Montana Eagle‹ von Fort Benton herunter. Nun habe ich sie in der Stadt. Ich habe den Eindruck, dass sie sich ganz plötzlich entschieden, hier bei uns auszusteigen. Denn die ›Montana Eagle‹ war schon an den Landebrücken vorbei. Dann erst entdeckten sie in der Werftbucht die gestrandete ›Warrior‹. Ich frage mich, was das zu bedeuten hat. Wir haben immer noch einige Passagiere der ›Warrior‹ in der Stadt. Hinter wem oder hinter was sind diese Hartgesottenen, die da an Land sprangen, her?«
Rosy entschließt sich nun, ihm die Wahrheit zu sagen. Und so spricht sie knapp: »Sie sind hinter einem Sarg her, in dem kein Toter liegt, sondern eine Menge Gold. Jim, bitte hilf meiner Freundin, die mir wie eine Zwillingsschwester ist. Hilf ihr, dass sie irgendwie von hier wegkommen kann mit ihrem Gold.«
Er betrachtet Rosy, und es ist ein Staunen in seinem fragenden Blick.
»Und du willst es nicht haben, Rosy?«
Sie schüttelt den Kopf, dass ihre rabenschwarzen Haare nur so fliegen. Und in ihren leuchtend blauen Augen funkelt es ernst.
»Ich habe hier meine Goldader«, sagt sie dann und lächelt. »Und ich habe dich, Jim. Was Vera betrifft, so sind wir Schwestern. Ich bin jenen, die ich liebe, treu bis in die Hölle und zurück.«
»Auch mir?« So fragt er.
Rosy Dunn nickt. »Auch dir, Jim.«
☆☆☆
Harvey Miles lehnt am Ende der Theke und starrt in sein halb leeres Glas, als er einen der Neuankömmlinge den grauhaarigen Keeper Sloan Spade fragen hört: »Freund, was ist mit der ›Warrior‹?«
»Die ist erledigt«, erwidert Spade und putzt dabei Gläser, die er dann ordentlich in Reih und Glied aufstellt. »Die wird nie wieder fahren. Man wird sie abwracken.«
»Und die Passagiere?«
»Die meisten sind weg mit den Postkutschen«, erwidert Sloan Spade. »Sie wollten nicht auf das nächste Dampfboot warten, weil die Dampfboote auf der Talfahrt kaum einmal hier anlegen.«
»Und wer ist noch hier? Und wurde ein Sarg hier ausgeladen, zu dem eine schöne Witwe gehört?«
Der Neuankömmling fragt es hart, und er ist einer von jener Sorte, die niemals zweimal die gleiche Frage stellt. Sloan Spade kennt sich aus. Er weiß, dass dies da ein Revolvermann ist.
Dennoch erwidert er: »Ich weiß nichts, Mister, gar nichts. Ich fülle hier nur die Gläser für durstige Kehlen.«
Da greift der Mann mit seinen langen Armen über den Schanktisch und fasst Spade vorn an der Hemdbrust.
»Alter«, grollt er, »stell dich nur nicht dämlicher, als du bist. Gib mir Antwort oder ich schlage dir die Ohren ab, du Arsch.« Er hat Sloan Spade ein wenig über den Tisch gezogen. Dennoch konnten Spades Hände noch unter die Bar greifen.
Da liegt die abgesägte Schrotflinte.
Als Spade sie mit einer Hand greift, spannt er zugleich beide Hähne mit seinem Daumen. Er hält das Ding um den Kolbenhals gepackt wie einen Revolver und schießt durch den Schanktisch. Die Schrotkugeln reißen ein Loch, durch welches ein Hase springen könnte – und dann zerfetzen sie den Bauch des Mannes, stoßen ihn rückwärts. Er fällt auf den Rücken und wirft die Beine hoch. Einen Moment ist es still. Pulverdampf beginnt in die Nasen zu beißen.
Dann fluchen einige Stimmen.
Doch Harvey Miles am Schanktischende ruft scharf: »Bleibt nur ruhig, Leute! Nur ruhig, Jungs! Denn ich schieße sonst schneller als jeder von euch. Verdammt, ihr seid hier in unserer Stadt, nicht in eurer!«
Harvey Miles hat seinen alten Colt mit dem Lauf auf der Schanktischkante liegen.
Inzwischen hat Sloan Spade hinter der Bar zwei neue Papppatronen in das abgesägte Parker-Gewehr geschoben und die abgekippten Läufe wieder hochgeklappt. Man kann das Einrasten deutlich hören.
Nun spricht er: »Zu wem von euch gehört er? Schafft ihn raus!«
»Das ist meine Arbeit, Sloan«, spricht Harvey Miles. »Ich bin schließlich der Totengräber dieser Stadt. Das mache ich. Und wenn er nicht genug Geld für seine Beerdigung hat, dann verkaufe ich seinen Colt. He, zu wem von euch gehört er?«
Die Tür von der Uferstraße geht auf.
Jim Sackett tritt ein. Er übersieht sofort alles mit einem einzigen Blick und erkennt auch das Loch im Schanktisch.
»Hat er dich bedroht, Sloan?«
»Und wie«, erwidert dieser. »Er würgte mir mit dem Hemdkragen die Luft ab. Und er fragte nach einem Sarg und einer schönen trauernden Witwe.«
»Dann schaffen wir ihn raus«, entscheidet Jim Sackett. »Oder hat hier jemand noch irgendwelche Einwände?«
»Der Hurensohn hat ihn umgelegt, obwohl ihn Callaghan nur an der Hemdbrust fasste!«
So brüllt nun einer der Neuankömmlinge wild.
»Das ist hier bei uns verboten«, erwidert Jim Sackett. Er nickt dem Totengräber zu. »Nimmst du ihn oder soll dir jemand helfen?«
»Ich trage den leicht«, Miles grinst. »Ich bin es gewöhnt, Tote zu tragen. Den trage ich leicht zum Gottesacker.«
Er tritt an den Toten heran, bückt sich und nimmt ihn auf seine Arme. Der Tote wiegt gewiss um die hundertundfünfzig Pfund. Doch er trägt ihn wie ein leichtes Bündel hinaus.
Jim Sacketts Stimme klirrt: »Wer sich hier nicht anständig benimmt, der bekommt mächtig viel Ärger.«
Nach diesen Worten geht er.
Und Sloan Spade spricht mit der Schrotflinte in den Händen: »Ihr habt es gehört, Freunde.«
Nun begreifen sie endlich, wie hart dieser grauköpfige Barmann ist. Sie alle starren ihn schweigend an, doch es weht der Atem von böser Wut im Saloon.
Einer von ihnen murmelt: »Dich machen wir noch klein, alter Graukopf. Wenn’s sein muss, machen wir dieses Nest platt.«
Sie setzen sich wie auf ein stillschweigendes Kommando in Bewegung und gehen hinaus. Als sie hereinkamen, da waren sie noch drei Gruppen von zweimal drei und einmal zwei Mann.
Jetzt aber schlossen sie sich ganz offensichtlich zu einer Mannschaft zusammen. Und jeder von ihnen ist gewiss ein Revolverschwinger der bösen Sorte. Sie sind Banditen aus dem Goldland, sogenannte »Goldwölfe«, und sie kamen auf der Fährte des Goldes. In Fort Benton erfuhren sie an der Schiffslandestelle, dass eine verschleierte Frau einen schweren Sarg an Bord der »Warrior« schaffen ließ.
Und da wussten sie, auf welchem Weg und mit was für einem Trick das Gold der Aurora-Mine aus dem Goldland gebracht wurde.
Sie gehen also hinaus, überqueren den Uferweg und blicken hinunter zu den Landebrücken und zum Fluss. Sie versammeln sich bei einem Holzstapel – und sie wirken nicht etwa ratlos, nein, eher wie ein böses Rudel, das nur noch einen Entschluss fassen muss.
Der löwenhaft wirkenden Bac Mahoun taucht auf seinem Hengst von dort auf, wo seine Frachtwagen bei der Sägemühle beladen werden. Indes er langsam auf dem Uferweg vorbeireitet, betrachtet er forschend die Gruppe der Revolverschwinger.
Einer von ihnen spricht mürrisch: »Wer ist das denn – der da auf dem Rappen? Seht euch den mal an! Der gebärdet sich wie der Herr der Welt.«
»Das werden wir alles noch herausfinden«, spricht ein anderer Mann. »Doch zuerst müssten wir wohl herausfinden, ob der Sarg mit dem Gold noch hier in dem verdammten Nest ist. Und sollte das der Fall sein, dann sollten wir unter uns zu einer Einigung kommen. Ich gehe jetzt erst mal zu dem Angler hinunter.«
Sie alle sahen den Angler am Ufer. Er hockt hinter einer kleinen Landzunge, die nur einige Yards in den Fluss vorstößt.
☆☆☆
Als der Revolverschwinger – sein Name ist übrigens Tate Ringold – wieder vom Fluss herauf zu der wartenden Gruppe kommt, grinst er triumphierend.
»Der Alte hat mir eine Menge erzählt«, spricht er dann. »Ja, es mussten alle Passagiere der ›Warrior‹ von Bord. Nur wenige sind noch in der Stadt, darunter auch eine schöne Frau, eine Witwe, die mit einem Sarg an Bord war. Der Sarg wurde in eines der Gräber hinabgelassen. Man brauchte sechs Sargträger, denn das Ding war gewaltig schwer.«
Als Tate Ringold verstummt, da grinsen die anderen sechs Männer zufrieden. Doch dann betrachten sie sich forschend.
Das Misstrauen umhüllt sie jetzt gewissermaßen wie eine Wolke, denn jeder von ihnen strömt es aus und bekommt es zurück.
Dann aber spricht einer, den sie nur Brazos nennen, weil er sich im Goldland stets weigerte, seinen richtigen Namen zu nennen: »So geht es nicht, Jungs, so gar nicht. Denkt nach! Wir sind sieben. Und wahrscheinlich müssen wir erst die Stadt klein machen, um den Goldsarg aus dem Grab heben zu können. Wir werden die Stadt gegen uns haben, wenn sie erst begreift, was für ein Schatz auf ihrem Friedhof beerdigt wurde. Einige von uns werden das vielleicht gar nicht überleben. Umso größer wird dann der Anteil der Überlebenden von uns sein. Es ist für jeden von uns ein Glücksspiel. Also sollten wir erst einmal zusammenhalten und das Bärenfell erst verteilen, wenn der Bär erlegt worden ist.«
Sie denken über die Worte des Texaners nach. Dann schütteln sie mehr oder weniger bereitwillig ihre Köpfe.
Einer meint: »Zuerst müssen wir den Marshal klein machen. Erst dann haben wir die Chance, dass die Stadt uns aus der Hand frisst. Und dieser Barmann ist fällig. Der hat meinen Partner Callaghan erschossen. Gehen wir erst mal zum Friedhof, und sehen wir uns die neuen Gräber an.«
Dann setzen sie sich in Bewegung. Sie alle bewegen sich lässig, und es geht von ihnen ständig ein Atem von Drohung aus.
Als sie weit genug weg sind, reitet Bac Mahoun auf seinem schwarzen Pferd zum alten Angler hinunter.
»Was wollte der von dir, alter Stinkfisch?«, fragt er hart aus dem Sattel nieder.
Der Alte spricht heiser: »Mister Mahoun, Sie sind ein harter Mann. Dieser Kerl, der mich hier unten besuchte, wollte alles wissen über die Stadt und die Leute hier. Bensonders aber interessierte ihn ein Sarg, den die ›Warrior‹ brachte mit einer trauernden Witwe.«
☆☆☆
Auf dem Friedhof arbeitet Harvey Miles. Offenbar hat er sich im Saloon nur für einen kurzen Drink aufgehalten, als die Fremden hereinkamen und es den ersten Toten gab.
Als er den Toten auf seinen Armen aus dem Ort hinaustrug, sahen ihn alle und stellten wieder einmal mehr fest, dass dieser untersetzte Mann die Kraft eines Bullen besitzt.
Nun hebt er ein neues Grab aus.
Als sich die sieben Goldwölfe nähern, hält er inne und sieht ihnen entgegen.
Sie bilden einen Halbkreis um ihn und das noch unvollendete Grab. Denn daran wird er noch zumindest drei Stunden arbeiten müssen. Er stößt immer wieder auf Steine und muss die Spitzhacke benutzen.
Nun aber verharrt er.
Bronco Jack fragt: »He, in welchem Grab liegt der schwere Sarg, der mit der ›Warrior‹ und der schönen Witwe kam?«
Aber Harvey Miles grinst nur verächtlich.
»Haut ab«, erwidert er. »Oder ihr bekommt noch einen Toten, den ich dann beerdigen muss. Für mich sieht es überhaupt so aus, als müsste ich für jeden von euch ein Grab ausheben. Haut ab und stört den Frieden dieses Totenackers nicht.«
Sie alle stoßen nun grimmige Laute aus. Aber bevor sie noch etwas sagen können, deutet er hinter sie. »Seht euch um«, spricht er dabei.
Sie tun es. Und da sehen sie drei Reiter.
Einer ist Bac Mahoun, den zweiten erkennen sie als den Marshal – und der Dritte ist ihnen noch fremd. Aber es handelt sich um Sol Clayborne, der sich im Mietstall ein Pferd lieh, um sich die Umgebung von Steamboat Landing anzusehen.
Doch dann sah er sie alle zum Friedhof streben und folgte Mahoun und Sackett.
Nun verhalten die drei Reiter ziemlich dicht nebeneinander, so als gehörten sie zusammen.
Die sieben Goldwölfe geben auf. Sie begreifen, dass es so nicht geht. Und so wenden sie sich um und wandern die Fünftelmeile wieder zurück zur Stadt.
»Wir sollten erst einmal was Anständiges essen«, spricht Howard Fisher, der die ganze Zeit schwieg.
Sie wandern nun als lose Gruppe an den drei Reitern vorbei – wortlos und zur Seite schielend. Und es weht der Atem von Gewalt von ihnen herüber.
Die drei Reiter ziehen wie auf Kommando ihre Pferde herum und sehen ihnen nach.
Schließlich murmelt Bac Mahoun: »Wir wissen wohl alle Bescheid, nicht wahr? Wenn man eins und eins zusammenzählen kann, dann handelt es sich wohl um einen Sarg voll Gold. Nun gut, mein Freund, was haben Sie damit zu tun?«
Seine Frage ist an Sol Clayborne gerichtet.
»Aaah, ich bin nur ein Passagier der ›Warrior‹, dem es hier gefällt«, erwidert dieser. »Ein hübsches Städtchen, finde ich, dieses Steamboat Landing.«
Nach diesen Worten reitet er fort.
Nun betrachten sich Mahoun und Sackett.
Man sieht jedem von ihnen an, wie tief die Abneigung ist, die er gegen den anderen verspürt. Nein, sie mögen sich nicht.
Mahoun spricht nach einer Weile: »Sackett, sie werden dich umlegen. Einer von ihnen wird es tun – wenn es sein muss, erschießen sie dich von hinten. Ich werde zusehen. Dann wird mir die Stadt gehören, einschließlich der schönen Rosy. Ich sitze ruhig in der Hinterhand und kann abwarten.«
Er will anreiten. Doch Jim Sackett spricht ganz ruhig: »Mahoun, warum steigen wir nicht ab und tragen es gleich hier miteinander aus? Warum willst du die Dreckarbeit von diesen Strolchen erledigen lassen?«
»Es wird mir Spaß machen, zuzusehen.«
Bac Mahoun grinst und reitet an.
Jim Sackett wendet sein Pferd und blickt noch einmal zu Harvey Miles hinüber, der nun wieder am Grab schaufelt und schon bis über die Knie in der Grube steht.
Harvey Miles hält für einen Moment inne. Über die Entfernung hinweg sehen sie sich an. Und auch zwischen ihnen weht der Atem der Feindschaft.
Jim Sackett reitet davon.
Und er weiß, dass es sich über ihnen allen wie eine drohende Wolke zusammenzieht, aus der bald die Blitze zucken werden.
Er denkt grimmig: »Ich sollte wirklich den Nachmittag mit Rosy im Bett verbringen. Denn es könnte mein letztes Vergnügen sein auf dieser Erde.«
Als er die Stadt erreicht, sieht er die sieben Goldwölfe im Mietstall verschwinden. Er weiß, sie werden sich Pferde beschaffen und diese sogar bezahlen.
☆☆☆
Es ist Nacht geworden, und er liegt immer noch mit Rosy in deren wunderbarem Bett, spürt ihren Körper in seinem Arm und denkt: Ich muss jetzt runter und meine erste Runde machen. Ich muss mich den Dingen stellen – auch diesen sieben Goldwölfen. Das ist mein Job.
Er löst sich sachte von Rosy, um aufzustehen. Sie ist eingeschlafen, nachdem sie ihm alles an Zärtlichkeiten gab, was eine Frau einem Mann nur geben kann. Nun aber erwacht sie und fragt: »Musst du schon gehen?«
»Ja, ich muss«, erwidert er und wird sich darüber klar, dass in dieser Nacht eine Menge geschehen wird und er die wunderbare Rosy wohl zum letzten Mal geliebt hat und von ihr geliebt wurde.
Alles könnte ganz plötzlich vorbei sein.
Langsam kleidet er sich an. Sie hat sich im Bett aufgesetzt und beobachtet ihn im schwachen Lampenschein. Denn er hat die Kerosinlampe angezündet.
Dann treffen sich ihre Blicke.
»Pass auf dich auf«, flüstert sie. »Und komm wieder, immer wieder.«
»Sicher«, murmelt er, wirft sich den Revolvergurt um die Hüften, schnallt ihn fest und rückt ihn zurecht, sodass der schwere Colt griffbereit ist.
Dann geht er hinaus, ohne sich noch einmal umzusehen.
Sie starrt auf die Tür, die sich hinter ihm geschlossen hat.
»Ja, komm wieder«, flüstert sie. Doch dann wird ihr bewusst, dass auch sie hinunter muss. Denn die Stadt ist nun in Betrieb. Sie aber leitet einen Saloon, ein Hotel, eine Tanzhalle und eine Spielhalle mit zwei Dutzend Angestellten, darunter einem halben Dutzend Mädchen.
Sie ist die Chefin. Auch sie muss hinunter.
Sie erhebt sich und macht sich fertig für die lange Nacht. Wie immer wird sie durch alle Räume wandern und die männlichen Gäste verzaubern. Aber sie wird keine bevorzugen, alle gleich behandeln.
Als sie fertig ist und sich in ihrem schulterfreien roten Abendkleid noch einmal vor dem Spiegel dreht, da stellt sie wieder einmal fest, dass sie nicht weniger reizvoll und schön als Vera ist, nur eben einige Jahre älter, drei oder vier vielleicht.
Aber sonst kann sie mit der schönen Vera durchaus konkurrieren.
Sie verlässt ihre beiden Räume und geht in das benachbarte Zimmer.
Vera sitzt dort bei Lampenschein am Tisch und hantiert mit einem Kartenspiel. Ganz offensichtlich macht sie ihre Finger geschmeidig, übt einige Tricks. Und auch sie ist schon für die lange Nacht reizvoll und verführerisch gekleidet.
Rosy betrachtet die Freundin aufmerksam: »Kannst du noch alle Tricks, Vera, mit deren Hilfe wir damals die Hammel rasierten?«
Vera lächelt zu ihr hoch. Ihre geschmeidigen Hände hantieren flink und geschickt mit den Karten. »Ich kann sogar noch ein paar Zaubertricks mehr«, spricht sie. »Ich könnte damit auf einer Bühne als Zauberkünstlerin auftreten. Hast du diesen Saloon ehrlich oder durch Falschspiel gewonnen, Rosy?«
Es ist eine glasharte Frage, aber so waren sie stets zueinander, immer klar und ehrlich wie Zwillingsschwestern.
Und so nickt Rosy.
»Ja«, flüstert sie, »ich brachte zuletzt eine Herzsieben ins Spiel. Diese Sieben fehlte zum Flush. Der Verlierer wollte dann als mein Liebhaber hier bleiben. Aber da war Jim Sackett. Er jagte ihn zum Teufel. Er musste ihm die Schulter zerschießen, sodass er seinen Revolverarm nie wieder gebrauchen kann. So war das, Vera. Wir sind beide erbarmungslose Raubkatzen. Und dennoch können wir wieder einen Mann mit dem Herzen lieben. Das ist ein Wunder. Oder ist es eine Schwäche? Wartest du immer noch auf deinen Geliebten?«
Vera streicht die ausgebreiteten Karten zusammen und mischt sie wieder. Dann beginnt sie die Karten auszulegen wie eine Wahrsagerin. Rosy steht neben ihr, hat eine Hand auf der Stuhllehne liegen und betrachtet neugierig die ausgelegten Karten.
Dann verkündet Vera ruhig: »Wenn die Karten nicht lügen, ist Jack Jennison schon unterwegs. Ja, er wird kommen. Und wenn er die ›Warrior‹ in der Werftbucht liegen sieht, dann kommt er hier an Land, so wie zuvor die Goldwölfe von der ›Montana Eagle‹. Er ist unterwegs.«
Sie streicht abermals die Karten zusammen.
Dann erhebt sie sich. »Gehen wir«, spricht sie herbe. »Du wolltest mir einen guten Spieltisch geben, Rosy, nicht wahr? Ich muss mir mein Reisegeld verdienen, obwohl ich eine reiche Frau wurde. Es ist schon ziemlich verrückt, dass ich einen Sarg voller Gold in einem Grab auf dem Friedhof liegen habe und knapp bei Bargeld bin. Leih mir etwas Spielkapital, Rosy, denn ich besitze nur noch wenig mehr als hundert Dollar. Leihe mir tausend. Du weißt, dass du sie wieder zurückbekommst.«
»Ich würde sie dir schenken, wenn du dich nicht an den Pokertisch setzen würdest, Vera. Das wäre es mir wert. Aber ich weiß ja, dass du dir nichts schenken lässt. Du kannst ja wohl auch nicht hier in deinem Zimmer hocken und tatenlos auf deinen Jack Jennison warten. Ich weiß, dass du für euch beide das Reisegeld verdienen willst. Denn eure Weiterreise mit dem Gold könnte vielleicht recht teuer werden.«
»So ist es, Rosy. Gehen wir hinunter.«
☆☆☆
Jim Sackett verließ Rosy Dunns Wohnung über die Außentreppe, die hinunter in den dunklen Hof führt. Unten verharrt er, wartet, bis sich seine Augen noch mehr an die Dunkelheit gewöhnt haben.
Vor ihm fallen einige Lichtbahnen aus der Küche des Hotel-Restaurants.
Er lauscht auf seinen Instinkt, aber der verrät ihm nichts.
Dennoch verharrt er noch eine Weile unter der Außentreppe und lehnt sich mit einer Schulter an die Hauswand. Jim Sackett denkt wieder einmal darüber nach, was ihn außer Rosy hier bindet. Und da findet er keinen anderen Grund.
Er ist äußerlich ein typischer Texaner angloamerikanischer Abstammung, also blond und blauäugig. Er ging fort aus Texas, weil er Ärger mit der Besatzungstruppe bekam. Und den hatten viele Texaner aus den verschiedensten Gründen.