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G.F. Unger ist der erfolgreichste deutschsprachige Western-Autor. Mit einer Rekordauflage von über 250 Millionen Exemplaren gehört er zur internationalen Spitzenklasse der Spannungsliteratur. Und das zu Recht!
Niemand vermag es wie er, die unermesslichen Weiten des amerikanischen Westens und die Stärke der unerschrockenen Männer, die sie erschlossen, zu beschreiben. Erleben Sie den amerikanischen "Wilden Westen", wie nur G.F. Unger ihn schildern kann: hart, authentisch, leidenschaftlich.
Dieser Sammelband enthält die Folgen 2431 bis 2433:
2431: Lonestar Jim
Die Townwölfe von Warsun halten ihn für einen einfachen Town Marshal, den sie wieder in die Wüste schicken können. Doch Jim Ward ist mit einem Geheimauftrag in die Stadt gekommen ...
2432: Quinncannons Ranch
Die Maverickjäger trieben eine Riesenherde vom Pecos nach Dodge City. Doch niemand von ihnen ahnte, dass sie nicht auf eigene Rechnung, sondern für Quinncannons Ranch ritten ...
2433: Satteltramps
Der Rinder-King lässt die Satteltramps von seinem Land jagen - doch dann muss er erkennen, dass sie die Einzigen sind, die sein Weide-Kingdom vor dem Untergang bewahren können ...
Der Inhalt dieses Sammelbands entspricht ca. 192 Taschenbuchseiten.
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Seitenzahl: 468
Veröffentlichungsjahr: 2021
G. F. Unger
G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 28
Cover
Impressum
Lonestar Jim
Vorschau
Lonestar Jim
Sam Troop löst das Reserverad. Dann bückt er sich steif und holt den Hebebaum unter dem Wagen hervor. Er sieht sich nach einem Stein um und findet einen, der gewiss gut einen Zentner wiegt. Doch der alte Mann schleppt ihn noch ohne große Anstrengung. Er legt ihn sich zurecht, setzt den Hebebaum an und nickt seiner Tochter zu.
»Also, Jenny, nimm das verdammte Rad herunter, und setz das neue ein. Du wirst es schaffen – du bist so stark wie ein großer Junge. Los, Jenny!«
Und er drückt mit ganzer Kraft und seinem vollen Gewicht auf den Hebebalken. Er hebt den schweren Planwagen hoch, sodass das Vorderrad frei wird. Die Adern an seinem Hals treten hervor, und dann erzittern plötzlich seine Arme. Aus Mund und Nase kommt Blut. Der große alte Mann fällt, von der Hebelwirkung hochgeworfen, schlaff in sich zusammen.
Jenny braucht einen Augenblick, um das Schreckliche zu begreifen. Ihr Vater ist tot! Sie bedeckt ihr Gesicht mit beiden Händen. Ihre Schultern beben.
»Dad – o lieber Dad«, weint sie. Sie erinnert sich, dass er sich immer einen raschen Tod gewünscht hat. Und jetzt hat er ihn bekommen. Durch die Anstrengung muss dem alten Mann die Hauptschlagader geplatzt sein.
Jenny ist jetzt ganz allein – nur sie ist noch übrig von dem kleinen Wagenzug, der nach Warsun wollte. Und sie weiß, dass sie verloren ist, wenn sie hier untätig bei ihrem Vater sitzen und weinen würde. Sie muss handeln.
Als sie aufblickt, sieht sie fünf Comanchen-Krieger …
Jenny bückt sich langsam und zieht den Colt des Vaters aus dem Waffengurt. Sie bleibt in kniender Stellung und wartet.
Die fünf roten Reiter bewegen sich immer noch nicht.
Die tief stehende Sonne beleuchtet ihre nackten und mit Ocker und Kobalt beschmierten Oberkörper.
So starren sie sich eine Weile an – die fünf Krieger und das Mädchen. Jennifer stößt seufzend den Atem aus, und sie wundert sich, warum die Roten noch warten.
Schließlich schiebt sie den Colt in den Hosenbund, erhebt sich und ergreift die Schaufel. Sie beerdigt ihren Vater und häuft über dem Grab einen Hügel an. Dabei beobachtet sie unaufhörlich die fünf Indianer.
Plötzlich hört sie von Osten her den Hufschlag eines beschlagenen Pferdes. Der Wagen versperrt ihr die Sicht. Sie tritt deshalb vom Pferd weg und hinter das Ende des Wagens.
Und da sieht sie den Reiter kommen – einen Weißen, obwohl sein Gesicht fast so dunkel getönt ist wie ein unbemaltes Indianergesicht.
Aber er trägt die Tracht eines Weidereiters, und da sein Hut an der Windschnur auf seinem breiten Rücken hängt, sieht Jennifer das feuerrote Haar des Fremden in der Abendsonne leuchten. Es ist fuchsrotes Haar – und es leuchtet wie ein Signal.
Es ist ein großer, sehniger und hart wirkender Mann auf einem hässlichen Rappen.
Ganz langsam kommt er herangeritten und scheint die fünf Indianer gar nicht zu beachten.
Jennifer Troop weiß jetzt, warum die fünf Roten noch gewartet haben.
Sie seufzt etwas erleichtert, aber dieses Gefühl ist nur ganz kurz in ihr. Sie erinnert sich, dass der Wagenzug, den ihr Vater führte, von mehr als hundert Kriegern immer wieder angegriffen wurde, dass sie auf einer wasserlosen Ebene umzingelt wurden und dann in der Nacht einen Durchbruch machten. Und nur sie und ihr Vater konnten durchbrechen. Alle anderen Wagen blieben zurück als Beute der Roten.
Der fremde Reiter ist nun ganz nahe. Jennifer sieht in zwei klare, eisgraue und ruhige Augen.
Der Fremde hält an, hebt leicht die Linke und nickt.
Seine Stimme ist sanft und lässig.
»Nun, Junge«, sagt er, »diese fünf dort oben sind nur die Späher einer großen Kriegshorde. Selbst wenn du eine Goldladung im Wagen hättest, müsstest du alles zurücklassen. Das sind ehrgeizige Comanchen, die eine begonnene Arbeit richtig zu Ende führen. Wahrscheinlich werden sie nicht eher damit aufhören, bis sie auch uns erwischt haben. Setz dich aufs Pferd, Junge!«
Er reitet langsam auf die andere Seite des Wagens, sieht dort das Grab und das beschädigte Rad.
»War das dein Vater, Junge?«
»Yeah«, murmelt Jennifer, wendet ihm den Rücken zu und geht zu dem Pferd. Als sie aufsitzt, beobachtet sie der Mann, und er zuckt zusammen, weil er erst jetzt erkennen kann, dass sie ein Mädchen ist.
»Oh, bitte um Entschuldigung, Lady«, sagte er verblüfft und starrt sie verwundert an. Dann wischt er sich übers Gesicht und schüttelt leicht den Kopf. Sein Blick ist ernst und voller Wärme.
»Dieses Land ist hart zu Frauen«, murmelt er. »Aber Sie müssen alles zurücklassen, Miss. Es wird Nacht. Vielleicht entkommen wir der Bande. Reiten wir!«
Er setzt sein Pferd in Bewegung und wieder schenkt er den fünf Roten auf der Bodenwelle keinen einzigen Blick.
Jennifer Troop folgt ihm.
Bald reiten sie Steigbügel an Steigbügel nach Norden. Sie reiten viele Meilen.
Am Himmel sind kalte Sterne.
Irgendwo jagt ein Wolfsrudel in der Nacht.
Jennifer folgt dem Fremden, und sie verspürt das gute Gefühl eines festen Vertrauens in sich.
Als sie einmal rasten, um ihre Pferde verschnaufen zu lassen, sagt sie leise: »Ich bin Jennifer Troop, Mister. Wir wollten nach Warsun. Dort hat mein Bruder eine Frachtlinie errichtet, während mein Vater in Santa Fe noch wichtige Geschäfte abwickelte. Wir wollten in Warsun noch einmal neu beginnen, weil Vater auf dem Santa Fe Trail durch Banditen und Indianer große Verluste erlitt. Ja, wir wollten noch einmal neu beginnen – in einem neuen Land.«
»Es gibt überall Banditen, Indianer und Verdruss. Man muss überall kämpfen und für seine Rechte eintreten. Aber ich habe gehört, dass die Frachtzugtrecks auf dem Santa Fe Trail immer wieder vernichtet werden«, antwortet er.
Er dreht sich eine Zigarette und sieht in der Sternennacht auf das Mädchen nieder.
»Mein Name ist Jim Ward«, sagt er schließlich. »Ich bin ebenfalls nach Warsun unterwegs. Seltsamer Name für eine Stadt, nicht wahr? Kriegssonne! Nun, vielleicht sind Sie in drei Tagen bei Ihrem Bruder, Jennifer, wenn wir Glück haben. Sie sind ein tapferes Mädchen. Reiten wir! Ich muss unsere Fährte noch mehr verwischen, damit die roten Gentlemen morgen etwas zu tun bekommen. Wahrscheinlich werden sie uns den Weg verlegen wollen, und wir müssen einen großen Bogen schlagen. Nun, Jennifer …«
Er steckt die Zigarette an, und er schützt dabei das kleine Flämmchen so geschickt, dass man den Widerschein auf seinem Gesicht nur sehr schwach sieht.
»Ich wundere mich immer noch«, murmelt das Mädchen ernst, »dass es die fünf Krieger nicht allein versucht haben.«
»Sie kennen mich – sie kennen mich gut«, erwidert Jim Ward sanft. »Ich habe einige Herden von Texas nach Abilene gebracht, und dann habe ich Wagenzüge nach Kansas City und nach Fort Laramie geführt. Yeah, sie kennen mich gut.«
Er drückt die Zigarette aus und tritt an sein Pferd.
Auch Jennifer sitzt auf.
Bevor sie jedoch anreitet, fragt sie: »Und was führt Sie nach Warsun, Jim Ward?«
»Die Stadt hat mich angeworben. Ich habe einen Vertrag mit der jungen Stadt. Ich bin der neue Marshal. Und ich habe noch einen Namen: Man nennt mich auch Lonestar Jim.«
Das Mädchen macht einen schnellen Atemzug.
»Ich habe einige Legenden von Ihnen gehört, Jim«, murmelt sie. »Sie sollen ein einsamer Wolf sein, der sich immer wieder einen Stern ans Hemd steckt und ganz allein für eine Sache kämpft. Sie sollen so einsam unter den Männern sein, Jim, wie ein einzelner Stern am Himmel. Sie sind also Lonestar Jim!«
Sie sieht, wie im Sternenlicht seine weißen Zähne aufblitzen.
☆☆☆
Sie reiten die ganze Nacht und den halben Tag. Dann verbergen sie sich und schlafen bis zur Dunkelheit.
Sie reiten dann nochmals eine Nacht und tauchen in eine enge Schlucht ein.
Hier ist Wasser, etwas Gras, und Büsche und Felsen geben immer wieder Deckung und Schutz.
Das Mädchen schläft nach einer kalten Mahlzeit sofort ein. Die Tage im Sattel wären auch für harte Männer genug gewesen. Ihre Pferde sind sehr erschöpft.
Als Jennifer Jim Wards Hand auf der Schulter spürt, öffnet sie die Augen.
Sie will etwas fragen, aber die Hand liegt nun auf ihrem Mund.
Jim Ward liegt dicht neben ihr und flüstert kaum hörbar: »Ruhig bleiben, Jenny, sie haben uns gestellt. Es sind unsere fünf alten Freunde. Aber heute werden sie versuchen, uns aufzuhalten, damit wir der großen Kriegshorde nicht entkommen. Wir müssen kämpfen, Mädel.«
Erst nach diesen Worten nimmt er seine Hand von ihrem Mund.
Jennifer erschaudert leicht. Dann setzt sie sich langsam auf.
Es ist Spätnachmittag.
Zwischen zwei Felsen hindurch kann das Mädchen ein Stück der Schluchtsohle übersehen, aber dort ist nirgendwo Bewegung.
Hinter ihr, in einer Aushöhlung der Schluchtwand, bewegen sich leise die beiden erschöpften Pferde.
Das Mädchen hebt den Blick und sucht den oberen Rand der gegenüberliegenden Schluchtwand ab.
Und da sieht sie den aufsteigenden Rauchpilz.
Jim Ward kauert immer noch neben ihr.
»Yeah, das ist es«, sagt er sanft. »Sie haben herausbekommen, dass wir hier in der Schlucht stecken. Einer ist auf die jenseitige Hälfte des Plateaus geklettert und gibt dort Rauchsignale, damit die Horde sich mehr beeilt. Und die anderen vier stecken irgendwo hier in nächster Umgebung. Jenny, haben Sie Angst?«
Sie sieht den Mann kurz an, und sie begreift plötzlich, welch ein furchtloser Kämpfer er ist. Obwohl er ernst und angespannt wirkt, strömt eine starke Zuversicht von ihm aus.
Es kommt ihm wahrscheinlich nie in den Sinn, denkt sie, dass er einmal unterlegen sein und getötet werden könnte.
Eine feste Zuversicht ist plötzlich in ihr.
Sie schüttelt den Kopf und beantwortet seine Frage: »Jim, Sie sind bei mir, wie könnte ich da Furcht haben! Und ich bin mit der Waffe vertraut.«
Sie ergreift den Waffengurt des Vaters und hängt ihn sich schräg über die Schulter, sodass der Kolben der Waffe wie aus einem Schulterholster zwischen Arm und Rippen sichtbar und greifbar ist.
Jim Ward rollt schnell die Decken zusammen.
Gebückt gleiten sie zu den Pferden.
Das Mädchen sieht sofort, dass die Tiere bereits gesattelt und reitfertig sind. Dies muss Jim Ward getan haben, als sie noch schlief.
Jim schnallt die Decken hinter dem Sattel fest.
»Wir müssen also hier raus, bevor die ganze Bande hier angelangt ist. Nehmen Sie die Pferde rechts und links kurz an den Zügeln. Bleiben Sie immer zwischen den Tieren in Deckung. Ein Indianer tötet nur ungern ein Pferd, denn es ist für ihn immer der höchste Besitz. Folgen Sie mir in zwanzig Schritten Abstand, Jenny! Jetzt!«
Er zieht mit einem schnellen Griff sein Gewehr aus dem Sattelschuh, nimmt es in die Linke und geht davon.
Er hat einen leichten und gleitenden Schritt. In den Schultern ist er sehr breit, aber in den Hüften schmal. Seine Beine sind lang und leicht gekrümmt. Sein schwarzer Stetson hängt wieder auf seinem Rücken. Und das rote Haar leuchtet wie ein Fanal.
So geht er davon.
Das Mädchen schluckt schwer, nimmt die beiden Pferde kurz an den Zügeln und folgt dem Mann.
So kommen sie aus der Felsgruppe heraus und wenden sich auf der Schluchtsohle nach rechts.
Jennifer behält ständig den Mann im Auge, und sie kann erkennen, wie wachsam und lauernd er sich bewegt.
Wie ein schleichender Wolf oder ein Tiger, denkt sie, und sie wundert sich, dass er nur wenig den Kopf bewegt.
Die Schlucht geht plötzlich in einen Canyon über, der mit Felsgruppen, Waldinseln und viel Buschwerk angefüllt ist. Ein silberner Creek sucht sich seinen Weg.
Die Hänge steigen in Terrassen an, und der Wald reicht bis hinauf zu den oberen Rändern.
Irgendwo ertönt die Stimme einer Wachtel.
Jim Ward, der sich in diesem Moment noch inmitten der Schluchtmündung befindet, springt plötzlich wie ein Hirsch vorwärts und in den Canyon hinein. Dann hechtet er über einen hüfthohen Felsbrocken hinweg und verschwindet raschelnd in einem Busch.
»Bleib in der Schlucht!«, klingt seine Stimme scharf zu Jennifer herüber.
Und das Mädchen hört plötzlich das scharfe Zischen einiger Pfeile, und die Kugel eines Sharps-Gewehrs schlägt an die obere Kante des Felsbrockens.
Das Mädchen drängt die Tiere gegen die Felswand der Schlucht, beobachtet jedoch weiterhin gespannt die Dinge im Canyon.
Die Schluchtmündung liegt wie eine Bühne vor ihr – und in dem Canyonausschnitt, der gewissermaßen den Hintergrund der Bühne bildet, spielt sich nun alles ab.
Die Pfeile zischen immer noch scharf, man hört es ganz deutlich. Sie fahren von drei verschiedenen Seiten immer wieder in den Busch hinein, in den Jim Ward über den Stein hinweg hechtete.
Von weiter oben am Rand des Canyonhanges kracht in kurzen Abständen das Gewehr.
In Jennifer steigt plötzlich die heiße Furcht auf, dass Jim Ward schon getroffen worden ist.
Sie stößt einen leisen Ruf aus, lässt die Pferde los und nimmt die neue Winchesterbüchse des Vaters aus dem Sattelfutteral.
Als sie damit die Deckung der Pferde und der Schluchtwand verlassen will, hört sie die scharfen Schüsse von Jims Winchester. Es sind drei Schüsse, die ungewöhnlich schnell hintereinander folgen.
Und nach dem dritten Schuss ertönt ein schriller Schrei, der jäh abbricht.
Dann ist es still.
Jennifer zögert einen Moment, dann bewegt sie sich schnell und erreicht das Ende der Schlucht. Bevor sie sich hier dicht an der Felswand hinter einen Stein kauern kann, singt pfeifend eine Kugel heran und schlägt dicht neben ihrem Kopf gegen die Wand.
Steinsplitter verletzen sie leicht an der Wange. Sie spürt das Blut – aber sie kauert nun hinter einer guten Deckung und schiebt den Gewehrlauf über den Stein.
Nochmals schlägt eine Kugel über ihr gegen die Felswand. Der Schütze muss sich ihr genau gegenüber auf der mittelsten Terrasse des Canyonhanges befinden.
Plötzlich hört sie wieder Jim Wards Winchester bellen – zweimal kurz hintereinander.
Oben auf der Terrasse taumelt ein Roter hinter einem Baum hervor und dreht sich halb zur Seite.
Bevor er wieder in Deckung springen kann, aus der ihn der Schmerz einer Verwundung trieb, kracht Jim Wards Gewehr schon wieder.
Der Comanche fällt kraftlos zusammen.
»Oh!«, seufzt das Mädchen, und dann sieht sie Jim Ward aus dem Busch kommen.
Geduckt gleitet er leichtfüßig über den Boden. Er hat sein Gewehr zurückgelassen und hält nur den Colt in der Hand.
Pfeile schwirren an ihm vorbei und bohren sich irgendwo in den Boden.
Die beiden Bogenschützen befinden sich nicht in Jennifers Blickfeld.
Aber sie sieht, wie Jim Ward plötzlich anhält, auf ein Knie fällt und in rasender Folge seinen Colt leert. Es ist kaum eine Pause zwischen den einzelnen Schüssen.
Ein stöhnender Laut von irgendwoher ist zu hören.
Jim rollt sich über den Boden und findet hinter einem kleinen Baum dicht am Ufer des Creeks notdürftig Deckung. Aber es zischen keine Pfeile mehr heran.
Jennifer atmet befreit auf.
Sie begreift alles.
Dieser Mann ist furchtlos vor ihr in den Canyon gelaufen und hat darauf vertraut, dass die Indianer erst zu schießen beginnen, wenn auch das Mädchen mit den Pferden die Schlucht verlassen hat. Und damit sie es nicht tat und die Roten endlich ihre Stellungen verraten sollten, sprang Jim Ward plötzlich wie ein Hirsch davon und warf sich in einen Busch.
Und dann kämpfte er es aus.
Jennifer kann ihn einigermaßen beobachten. Sie weiß, dass er seinen Colt neu lädt.
Und sie muss seine Furchtlosigkeit bewundern. Er ist in Richtung der beiden letzten Gegner losgerannt. Er muss gewusst haben, dass sie ihm ihre Pfeile entgegenschicken würden.
Dennoch tat er es, bis er ihre Position genau erkannt hatte. Und dann war er schon so nahe, dass ihm sein Colt genügte.
»Lonestar Jim«, flüstert das Mädchen, »du bist wirklich ein Mann, der nur seinem Stern vertraut und ganz allein gegen jede Gefahr angeht.«
Sie beobachtet, wie er sich erhebt und mit dem Colt in der Hand zu jenem Busch zurückgeht, in dem er sein Gewehr ließ.
Er beobachtet dabei ständig die oberen Ränder der Schluchtmündung, die den steilen Hang des Canyons wie ein gewaltiger Riss durchbricht.
Erst als er den Colt geholstert hat und sein Gewehr wieder in den Händen hält, ruft er zu dem Mädchen hinüber: »Kommen Sie jetzt mit den Pferden, Jenny!«
Sie gehorcht.
Als sie bei ihm ist, sagt er schnell: »Weiter! Gehen Sie immer weiter mit den Tieren. Und warten Sie erst nach hundert Yards auf mich.«
Wieder gehorcht sie schweigend. Als sie sich einmal nach ihm umsieht, sieht sie, dass er rückwärts gehend folgt.
Lonestar Jim lässt die oberen Ränder der Schluchtmündung immer noch nicht aus den Augen und hält das Gewehr halb im Anschlag.
Das Mädchen denkt jetzt ebenfalls an den fünften Indianer, der oben auf dem Plateau ist und der dort das Signalfeuer angezündet hat.
Nachdem sie hundert Yards gegangen ist, hält sie mit den Pferden an.
Jim Ward geht jetzt seitwärts.
Und als er bei ihr ist, taucht auf dem Schluchtrand die Gestalt eines bemalten Kriegers auf. Er schüttelt drohend sein Gewehr – und verschwindet wieder.
Jim Wards Lächeln ist hart und bitter, als er das Mädchen ansieht.
»Reiten wir!«, sagt er. »Die Bande hat es tatsächlich fertig bringen können, uns den Weg nach Warsun zu verlegen. Aber jetzt schaffen wir die Sache. Wir haben Glück gehabt, Jenny.«
Sie sitzen auf und reiten davon.
Eine Stunde später öffnet sich der Canyon auf eine weite Ebene.
Sie reiten noch einige Meilen sehr schnell.
Dann kommt die Nacht und breitet wieder ihren schwarzen Mantel aus.
☆☆☆
Als die ersten Sonnenpfeile von Osten her zur Erde fallen, rasten sie auf der kahlen Wasserscheide eines Passes. Sie blicken in ein mächtiges Tal nieder, das von einer langen Hügelkette in zwei fast gleiche Hälften der Länge nach geteilt wird.
Am Südhang der langen Hügelkette, die das Tal in zwei Hälften teilt, liegt die Stadt Warsun.
Der Mann und das Mädchen blicken lange schweigend hinunter. Dann hebt Jim Ward die Hand und zeigt.
»Von Osten her wird die Eisenbahnlinie durch die Hügel getrieben werden. Jenny, bevor ich meinen Vertrag mit der Stadt machte, habe ich mich über die Verhältnisse dort genau erkundigt. Zwei Städte sind dort unten. Am Südhang der Hügel sehen wir Warsun, aber auf der anderen Seite, unseren Blicken durch die Hügelkette verborgen, liegt Faro City. Beide Städte bewerben sich darum, Sitz der zukünftigen Countybehörde zu werden. Denn die neue Countyhauptstadt wird auch den Bahnhof bekommen, da der Schienenstrang entweder südlich oder nördlich der Hügelkette verlegt werden wird. Dort unten im Tal ist also Politik im Spiel, Jenny. Und ich soll als Marshal von Warsun dafür sorgen, dass die Stadt von allen Bewohnern des Landes ohne jeden Kummer besucht werden kann, dass der Handel gedeiht und dass es keine wilde Stadt bleibt, in die sich friedliche Menschen gar nicht hineinwagen. Nun, wir werden sehen.«
Er lächelt freudlos, und in seinen eisgrauen Augen ist ein hartes Leuchten.
Jennifer nickt. Auch sie deutet hinunter.
»Yeah«, sagt sie, »mein Bruder gründete dort unten eine Frachtlinie. Wenn Warsun einen Bahnhof bekommt, so wird unsere Frachtlinie das ganze Land mit Gütern und Waren aller Art versorgen.«
»Und wenn der Bahnhof auf der anderen Seite – in Faro City – gebaut wird?«, fragt Jim sanft.
»Dann wird mein Bruder keine Konzession erhalten – dann wird die Konkurrenz auf der anderen Seite mit ihrer Linie das weite Land versorgen«, murmelt das Mädchen.
Jim Ward lächelt wieder freudlos.
»Dann müssten Sie doch eigentlich wünschen, Jenny, dass ich diese wilde Stadt dort unten bändige und zum friedlichsten Ort des ganzen Landes mache, sodass sie die meisten Stimmen bei der Wahl erhält und Countysitz wird.«
Sie sieht ihn ernst an, und zum ersten Mal wird er sich darüber klar, dass sie in einem netten Kleid und ohne die Staubmaske im Gesicht, mit langem Haar und all den Dingen eines Mädchens, gewiss eine kleine Schönheit sein dürfte.
Er betrachtet den Schwung ihrer Lippen und die Bogen ihrer Augenbrauen. Ihre Wangenknochen stehen etwas zu stark hervor, und ihre Lippen sind voll und herb zugleich. Manchmal sind ihre Augen blau, aber oft haben sie einen grünlichen Glanz.
Da ihr aber Hose, Hemd und Jacke viel zu weit sind, kann niemand eine Frau darunter vermuten.
Sie erwidert seinen Blick, lächelt und zeigt ihm weiße und feste Zähne.
»Warum sehen Sie mich so an, Jim?«, fragt sie. »Ja, vielleicht müsste ich Ihnen dankbar sein, wenn Sie auf die raue Art diese Stadt da befrieden. Aber ich wünsche von Herzen, Sie wären nicht der Marshal dort. Warum haben Sie mich so angesehen, Jim? Wir sind jetzt schon drei Tage zusammen – aber Sie haben mich noch nie …«
»Ich habe eben festgestellt, dass Sie zumindest sehr hübsch sein müssten, wenn Sie erst Ihre Haare nicht mehr unter dem Hut verbergen und nicht mehr diese viel zu große Männerkleidung tragen. Hoffentlich kann Ihr großer Bruder Sie so lange beschützen, bis ich die Stadt gebändigt habe.«
Als er diese Worte gesprochen hat, sieht sie ihn seltsam an.
Als sie dann spricht, klingt ihre Stimme zwar fest, aber er kann erkennen, wie sie unter der Schmutzschicht im Gesicht rot wird.
»Jim«, sagt sie fest, »Sie werden mich wahrscheinlich gar nicht wiedererkennen. Und vielleicht werden Sie sich sogar in mich verlieben. Alle Männer verlieben sich in mich!«
Die letzten Worte sagt sie fast trotzig.
Aber er schüttelt langsam den Kopf.
»Ich kann keine Frau an mich binden, Jenny, und Sie haben keinen Grund, mir für etwas zu danken. Sie sind in Ordnung, Jenny. Sie sind tapfer, gut und prächtig – aber vielleicht werden Sie eines Tages innerlich vor mir erschaudern, wenn ich mit dem Colt durch die wilde Stadt gehe, wenn ich töte oder wenn ich gekämpft habe. Vielleicht sehen Sie mich blutend durch den Staub kriechen, oder wie ich ohne Mitleid andere Männer zurechtstutze. Das gefällt keinem Mädchen. Wir waren drei Tage gute Kameraden. Lassen wir es dabei!«
Er erhebt sich langsam und tritt an sein Pferd.
Aber sie sagt mit leiser Stimme zu ihm: »Sie werden sich eines Tages ändern und noch einmal von vorn beginnen, Jim. Das weiß ich genau.«
Dann geht auch sie zu ihrem Pferd.
Sie sitzen auf und reiten auf die Passstraße.
Sie folgen ihren Windungen und gelangen immer tiefer ins Tal hinunter.
Gegen Mittag durchfurten sie einen Creek, halten kurz an und lassen die Pferde saufen. Aber sie halten sich nicht länger auf, da sie noch bei Tageslicht Warsun erreichen wollen.
Eine halbe Meile vor der Stadt hält Jim Ward zum letzten Mal an.
»Jetzt müssen Sie allein weiter, Jenny«, sagt er etwas rau. »Viel Glück, Mädel. Vielleicht kann ich Sie bald mal in einem richtigen Kleid bewundern. Ihr Bruder wird jetzt meine Stelle einnehmen und Sie beschützen.«
Er lächelt ihr ernst zu, hebt grüßend die Hand und treibt sein Pferd von der Straße.
Jennifer Troop sieht ihm nach.
Sie begreift, dass er einen Bogen um die Stadt schlagen und sie von der Seite her durch eine der kleinen Gassen erreichen will.
Sie seufzt nochmals bitter und murmelt: »Lonestar Jim, ich liebe dich! Oh, du einsamer Wolf! Wenn es doch recht bald so wäre, dass auch du mich lieben müsstest!«
Aber Lonestar Jim verschwindet nun hinter einer Baumgruppe, um unbemerkt in die Stadt zu kommen und sich dort den Stern ans Hemd stecken zu können, bevor er kämpfen muss.
☆☆☆
Zwischen dem Mietstall und der Schmiede führt eine schmale Gasse zur Main Street der Stadt.
Jim Ward lenkt sein narbiges Pferd von der Gasse durch ein Seitentor in den Hof des Mietstalls und durch das geöffnete Doppeltor in den Stall hinein.
Ein alter Mann sitzt auf einer Futterkiste und näht an einem alten Sattel, der vor ihm auf einem Bock liegt. Er hebt den Kopf und sieht schweigend zu, wie Jim absitzt und sein Bündel abschnallt.
Dann sagt er plötzlich: »Sie sehen wie ein Mann aus, der sein Pferd selbst versorgt. Die dritte Box auf der linken Seite ist noch frei. Sie sind doch Lonestar Jim, nicht wahr? Die ganze Stadt ist mächtig gespannt auf den neuen Marshal. Sie sind der Dritte, Mister – und die Wetten stehen schlecht für Sie. Und auf der anderen Seite der Hügel liegt Faro City. Von dort kommen immer wieder einige zweibeinige Tiger in unsere Stadt und machen ihre rauen Späße. Passen Sie nur auf sich auf, Lonestar Jim.«
»Danke für den Rat.« Jim lächelt. Er greift in die Tasche und gibt dem Alten zwanzig Dollar. »Die bekommen Sie jeden Monat nebenbei, wenn es meinem Pferd in diesem Stall besonders gut geht und wenn Sie mein Sattelzeug in Ordnung halten, Oldtimer.«
Ohne auf eine Antwort zu warten, geht er hinaus.
Der Alte sieht ihm nachdenklich nach, betrachtet dann den Doppeladler in seiner Hand und murmelt: »Zwanzig Dollar nebenbei! Es wäre wirklich schade, wenn dieser zweibeinige Tiger abgeschossen würde. Vielleicht sollte ich etwas auf ihn achten, damit er mir noch oft ein Goldstück geben kann. Aber ich bin ja nur der alte Andy Scott.«
Indes tritt Jim Ward durch das offene Haupttor auf die Straße.
Er bleibt stehen und sieht sich um. Das Gewehr hält er in der Rechten, und sein Bündel hat er sich über die linke Schulter geworfen und hält es am Riemen fest.
So steht er nun und gewinnt seinen ersten Eindruck von der Stadt.
Genau gegenüber liegt der General Store. Die Futtermittelhandlung, der Barber Shop und die Sattlerei liegen daneben. Dann folgt der erste Saloon.
Queen’s Hall, steht auf dem bunten Schild.
Rechts von der Futtermittelhandlung schließt sich das Saatgeschäft an. Dann durchbricht eine Gasse die Häuserfront. Das Eckhaus ist besonders ansehnlich.
Warsun Bank – Steward Brown, steht auf dem Schild.
Einige Menschen bewegen sich auf der Straße. Fuhrwerke sind da und dort abgestellt.
Rechts von der Bank liegt das Post Office.
Weiter unten kommt eine Postkutsche sechsspännig aus einem Hof gefahren und hält vor dem Post Office an.
Jim Wards Blick ist scharf und prüfend. Er sieht die Häuser, die Menschen und die Pferde an den Haltebalken.
Die Mittagszeit ist gerade vorbei, und die Stadt ist ruhig und wirkt sehr friedlich.
Er setzt sich in Bewegung, überquert die Fahrbahn und nähert sich dem Eingang der Queen Hall.
Als er nur noch zehn Schritte davon entfernt ist, treten dort einige Männer heraus.
Sie versperren Jim den Weg und sehen ihm entgegen.
Drei Schritte vor dem ersten Mann hält Jim an.
Er sieht in Burt Wagoners kalte Augen und lächelt scharf und blitzend.
»Nun, Burt, die Welt ist sehr klein, nicht wahr?«
Burt Wagoner ist groß, dunkel und schwergewichtig. In den letzten drei Jahren hat er noch mehr Gewicht angesetzt. Aber er wirkt noch arroganter, noch selbstbewusster und noch unduldsamer. Er wirkt ganz wie ein selbstherrlicher Boss, der nur an verschiedenen Fäden zu ziehen braucht, um seine Puppen tanzen zu lassen.
Er trägt ein strichfeines Bärtchen über der Oberlippe und einen Anzug aus bestem Tuch. Auf seiner dunkelgrünen Seidenkrawatte glänzt eine große Perle.
Er sieht Jim Ward eine Weile schweigend an. Seine Augen glühen kurz auf, werden scharf und stechend – und dann ausdruckslos wie die eines Spielers, der seine Gedanken verbergen will.
Endlich nickt er, zieht eine lange Zigarre aus der äußeren Brusttasche seines feinen Rockes, beißt die Spitze ab und spuckt sie Jim vor die Füße.
»Yeah«, sagt er langsam und sanft, »die Welt ist klein. Sie ist nicht groß genug für uns beide, Jim. Du hättest dir eine andere Stadt aussuchen sollen. Dies ist nicht Tombstone, wo du mächtiges Glück hattest.«
»Willst du jetzt schon Verdruss, Burt? Dann fang an! Du hast ja ein paar prächtige Jungs hinter dir. Mach schon, wenn du es jetzt gleich haben willst!«
Jim wirft ihm mit diesen Worten die Herausforderung mitten ins Gesicht. Er behält sein Bündel über der linken Schulter, aber er klemmt sein Gewehr unter die linke Achselhöhle und berührt mit den Fingerspitzen der Rechten lässig den tief an seiner Seite hängenden Colt.
Sein scharfer Blick trifft die Männer hinter Burt Wagoner, und er erkennt sie sofort als Hartgesottene. Es sind Spieler, richtige scharfe Kartenhaie, und zwei davon sind ehemalige Preisboxer, die sich jetzt als Schläger und Rauswerfer in Wagoners Saloon ihr Brot verdienen.
In Wagoners Augen glüht es wieder heiß und verlangend auf. Er macht zwei tiefe Atemzüge. Aber dann grinst er und schüttelt den Kopf.
»Nein«, sagt er. »Heute nicht, Lonestar Jim! Den Zeitpunkt werde ich mir aussuchen. Erst will ich eine Weile zusehen, wie du mit all dem anderen Kummer fertig wirst. Aber wenn du am Leben bleiben solltest und wenn deine Nerven nicht mehr so gut sind wie heute, nun, dann werde ich kommen. Dann werde ich dich zerbrechen und auf Händen und Füßen aus dieser Stadt kriechen lassen. Ich habe Zeit, Jim. Ich kann erst noch eine Weile zusehen. Ich bin nur herausgekommen, um zu sehen, ob du noch der alte Tiger bist, als den ich dich in Erinnerung habe. Du bist es noch! Aber dies hier wird die letzte Stadt sein, in der du herumstolzierst!«
»Geht mir aus dem Weg. Macht Platz.«
Jims Stimme klingt nicht lauter als zuvor, aber es ist ein klirrender Ton darin. Er schreitet vorwärts – und Burt Wagoner weicht vor ihm zur Seite.
Die Männergruppe öffnet sich.
Jim geht hindurch.
Einer der beiden schwergewichtigen Schläger knurrt: »Boss, ich könnte ihn binnen zwei Minuten auf die richtige Größe zurechtstutzen. Lass mich doch machen, Boss!«
»Das hat Zeit«, knurrt Wagoner und geht in seinen Saloon zurück. Jim aber, der sich gar nicht umgedreht hat, geht weiter.
Bald darauf erreicht er das Hotel und geht hinein.
Ein Schwarzer steht hinter dem Pult in der Halle, aber aus dem Hintergrund erscheint ein kleiner Mann, dessen Haar ihm wie eine weiße Bürste auf dem schmalen Kopf steht.
»Mister Jim Ward?«, fragt der Mann.
»Wer hat wohl sonst solch rote Haare?«, fragt Jim lächelnd und nimmt endlich sein Bündel ab.
Der kleine und drahtige Mann tritt schnell heran und schüttelt ihm die Hand.
»Ich bin Tobias Southman«, sagt er. »Endlich sind Sie eingetroffen, Ward! Es wird von Tag zu Tag schlimmer in der Stadt! Die Hundesöhne von Faro City schicken immer wieder ihre Banditen herüber. Von den Siedlern und Farmern, deren Stimmen wir so dringend benötigen, wagt sich schon niemand mehr nach Warsun, weil sie hier nur Verdruss erleben. Wirklich, Jim Ward! wir hätten keine Woche länger auf Sie warten können. Schneeball wird Ihnen ein gutes Zimmer geben und ein warmes Bad bereiten. Ich sehe indes in meinem Store kurz nach dem Rechten und komme dann mit den anderen Gentlemen, damit wir Sie zum Marshal ernennen. Bis gleich, Jim Ward!«
Er klopft Jim herzlich auf die Schulter und geht eilig hinaus.
Der Schwarze kommt hinter dem Pult hervor, nimmt Jims Bündel und sagt in tadellosem Englisch: »Man nennt mich hier Schneeball – aber ein Nigger kann sich seinen Namen nicht aussuchen in diesem Land. Ich führe Sie, Mister Ward.«
»Und wie heißt du wirklich?«, fragt Jim, indem er dem Schwarzen folgt.
»Hannibal Cäsar«, sagt der Schwarze ernst und sieht schnell misstrauisch über die Schulter.
Aber Jim Ward grinst nicht.
Tiefernst sagt Jim: »Es kommt nicht auf den Namen an, Hannibal, überhaupt nicht. Der Mann selbst ist wichtiger. Und dabei spielt auch die Hautfarbe keine Rolle.«
Der Schwarze erwidert nichts, aber als sie in Jims Zimmer sind und Jim sein Bündel öffnet, steht er noch einige Sekunden an der Tür und betrachtet den neuen Marshal aufmerksam.
»Ist noch etwas?«, fragt Jim freundlich.
»Nein – nein«, murmelt der Schwarze. »Ich wundere mich nur, denn es kam noch nie ein Mann in diese Stadt, der mich nicht einen verdammten Nigger nannte, dem man Beine machen müsste.«
»Jeder Mensch hat sein Los zu tragen – der eine schwer und der andere leicht. Du musst damit fertig werden, Hannibal, wenn du in dieser Stadt leben willst. Vielleicht wird es mal eine friedliche Stadt, in der auch ein Mann wie du ohne Kummer leben kann.«
»Ja«, nickt der Schwarze, »wenn Sie lange genug am Leben bleiben, wird diese Stadt vielleicht ganz ordentlich. In zehn Minuten habe ich genug warmes Wasser in der Wanne, Mister. Das Bad ist drei Türen weiter.«
Er sieht Jim noch einmal forschend an und geht schnell hinaus.
Während Jim frische Wäsche aus dem Bündel nimmt, sein Rasierzeug zurechtlegt und kurz seine Waffen prüft, hört er, wie der Schwarze draußen mehrmals mit schweren Eimern aus der Küche Wasser ins Badezimmer bringt.
Einige Minuten steht Jim am Fenster und sieht auf die Straße hinunter.
Auf der gegenüberliegenden Seite liegt das Stadtgefängnis mit dem Marshal’s Office. Von dort aus wird er bald seinen Einfluss auf diese Stadt ausüben.
Er denkt einen Moment an Jennifer Troop – und er hofft von ganzem Herzen, dass sie bei ihrem Bruder gut aufgehoben und in Sicherheit ist.
Ob sie sich jetzt wohl ein Kleid angezogen hat?, fragt er sich in Gedanken.
Der Schwarze klopft an die Tür.
Wenige Minuten später sitzt Jim bis zum Hals in der Wanne und erzeugt viel weißen Schaum.
Als er später sauber und rasiert nach unten in die Halle kommt, erwarten ihn dort drei Männer.
Tobias Southman kennt er schon, und dieser stellt ihm die beiden anderen Männer vor.
»Das ist Richter Lot Lowell. Er hat diese Stadt gegründet und ist zugleich auch Bürgermeister. Und dies ist Mister Steward Brown, der hier die Bank leitet. Nach den Stadtgesetzen haben wir das Recht, unter anderem auch den Marshal zu ernennen. Und diese Ernennung soll jetzt erfolgen.«
Jim sieht sich die beiden anderen Männer genau an. Nach kurzem Verhandeln wird Jim mit den Männern einig und heftet sich den Stern an die Brust.
☆☆☆
Es ist später Nachmittag geworden, als Jim Ward die Queen’s Hall betritt. Am langen Schanktisch stehen einige Männer – zumeist Reiter, die aus den Bergen hereingekommen sind. An verschiedenen Tischen sitzen Pokerrunden beisammen – und fast alle Männer im Raum gehören zu der Sorte jener schattenhaft Treibenden, die ziellos durch das Land reiten.
Jim kann keinen Farmer oder Siedler entdecken – nur jene hartgesichtigen und scharfäugigen Reiter, die wachsam und gefährlich sind, die nicht gefragt werden wollen. Aber auch schwarz gekleidete Spieler sind dazwischen.
Aus einem Nebenraum, der wohl als Spielsaal dient, klirrt eine Roulettekugel im kreisenden Rad.
Einige Saloonmädchen bewegen sich gelangweilt im Raum umher.
Es ist noch nicht viel Betrieb.
Der Vorhang einer kleinen Bühne ist zugezogen. Auf dem kleinen Podium steht ein Klavier.
Jim sieht das alles mit einem raschen Rundblick – und wenn vor seinem Eintritt ein leises Raunen im Saloon war, jenes summende Geräusch, das eine Anzahl Menschen erzeugt, so ist es jetzt ganz plötzlich still.
Alle sehen ihn an.
Und alle sehen seinen Stern, und sie wissen, dass er der neue Marshal ist.
Sein rotes Haar ist das beste Erkennungszeichen.
Er geht langsam den Gang entlang auf den langen Schanktisch zu.
Hinter der Bar stehen drei Barkeeper.
Aber an der Ecke lehnt Burt Wagoner, als hätte er dort auf Jim gewartet. Er raucht eine dicke Zigarre und sieht ihm entgegen.
Jim hält einige Schritte vor ihm an.
Ihre Blicke begegnen sich wieder einmal – und alles, was in ihnen ist, bleibt tief in ihnen verborgen.
Aber sie hassen sich.
Jim Ward tötete in Tombstone Burt Wagoners Bruder. Und für Jim ist Burt Wagoner nichts anderes als ein skrupelloser Verbrecher.
Burt Wagoner beginnt zuerst.
»Also trägst du jetzt den Stern, Jim Ward? Ich habe mir schon ausrechnen können, dass dich der erste Weg zu mir führen wird. Was soll es sein, Mister Marshal?«
»In Tombstone habe ich dich aus der Stadt gejagt«, erwidert Jim ruhig. »Und hier werde ich es wieder tun, wenn du dich nicht ganz genau nach den Polizeigesetzen richtest, über die ich als Marshal in dieser Stadt verfüge.«
»Ich höre es mir an.« Burt Wagoner grinst und nimmt langsam die Zigarre aus dem Mund.
Jim erwidert das Grinsen nicht – aber in seinen Augenwinkeln entstehen Fältchen des Spottes.
»Um ein Uhr ist Polizeistunde. Dann wird der Saloon geschlossen. Die Gäste haben ihre Waffen sofort abzugeben. Wenn in diesem Haus geschossen oder jemand durch Schusswaffen verletzt wird, so schließe ich den Laden entweder für einige Tage oder für immer. Das ist vorläufig alles.«
Er sieht Wagoner hart an.
Der nickt nur.
»Ich habe es gehört, Lonestar Jim. Und meine Gäste haben es ebenfalls gehört. Also, Gentlemen, gebt eure Waffen bei den Barkeepern ab.«
Niemand bewegt sich im Raum. Nach einigen Sekunden lacht jedoch eine heisere Stimme.
Drei Männer, die in der Ecke an einem Tisch saßen, erheben sich, weichen auseinander und verhalten dann.
Eine Stimme sagt klirrend: »Nun, das werden wir also jetzt gleich klären. Das ist also der große Lonestar Jim! Aber wir drei sind die prächtigen Lorimer-Jungs. Wir haben uns immer sehr wohl in dieser Stadt gefühlt, und das soll auch in Zukunft so bleiben. He, Lonestar Jim! Wir pfeifen auf deine neuen Methoden! Geh zur Hölle! Wir sind drei freie, wilde und prächtige Brüder. Und wenn jemand von uns verlangt, dass wir unsere Colts ablegen, so muss er uns erst in Stücke schießen! Los, Lonestar! Versuch es doch mal mit uns! Wir können dich schon jetzt nicht mehr ertragen, und wir wollen gleich einmal ausprobieren, wie gut und großmächtig du in Wirklichkeit bist!«
Jim sieht die drei Lorimer-Brüder an. Er nickt freudlos, er weiß, was vor ihm liegt.
Nun gibt es nur zwei Möglichkeiten für ihn: aufgeben oder kämpfen.
Er ist eingekeilt.
Jim überlegt das alles blitzschnell – und plötzlich verlässt ihn jeder Gedanke an die eigene Sicherheit. Er ist plötzlich furchtlos.
Er wird kämpfen, ja er wird kämpfen.
Er dreht sich blitzschnell um, setzt sich in Bewegung und geht den Gang entlang zur Schwingtür. Es sieht so aus, als würde er kneifen und wortlos den Saloon verlassen.
Eine Stimme kichert: »So groß ist er also doch nicht, dieser Lonestar Jim! Seht, da zieht er mit eingezogenem Schwanz ab!«
Andere Stimmen beginnen zu lachen.
Aber als Jim nur noch drei Schritte von der Schwingtür entfernt ist, klirrt die Stimme des blonden Dan Lorimer scharf und wild: »Halt, Lonestar! So kommst du nicht davon!«
Und da wirbelt Jim Ward geduckt herum. Sein Colt liegt in seiner Hand.
Die drei Lorimers stehen ihm nun nicht mehr in breiter Front gegenüber, sondern fast in einer Reihe – und nur das wollte er erreichen, als er vom Schanktisch zur Tür ging.
Er spürt den Rückschlag seiner Waffe in der Hand. Er sieht in zwei Mündungsfeuer, fühlt eine Kugel an der Wange und ein leichtes Zupfen an der Schulterspitze. Dabei schießt er immer wieder, gleitet dabei zur Seite und zwischen die Tische.
Pulverrauch ist plötzlich im Raum.
Ein Mann fällt schwer auf die mit Sägespänen bestreuten Bretter. Ein anderer liegt rücklings über einem Tisch.
Und Dan Lorimer steht schwankend, hält sich mit der Linken an einem Tisch fest und will die Rechte mit dem Colt nochmals heben. Aber die Waffe entfällt seinen Fingern.
Es ist so still, dass man Dan Lorimers geflüsterte Worte hören kann.
»Du – hast uns – einen guten – Trick gezeigt, Lonestar …«
Dann fällt er um.
Und der Pulverrauch breitet sich aus – und es ist immer noch still. Jim hält seinen Colt noch in der Hand. Eine einzige Kugel ist noch drin. Er wartet.
Aber niemand bewegt sich. Selbst Burt Wagoner, der sich hinter die Ecke des Schanktisches geduckt hat, hält sich bewegungslos, nachdem er sich erhoben hatte.
»Einer soll den Doc holen!«, sagt Jim hart und ruhig.
Mit der Linken deutet er auf Burt Wagoner.
»Der Saloon ist geschlossen, Wagoner. Ich bin hier angegriffen worden. In zehn Minuten komme ich zurück. Wenn dann der Saloon noch geöffnet ist, sperre ich Sie ein.«
Er tritt seitwärts durch die Schwingtür.
Schnell geht er über die Straße und erreicht dann die Tür des Marshal’s Office.
Dann setzt er sich an den narbigen Schreibtisch, lädt seinen Colt auf und lässt die Waffe vor sich auf dem Tisch liegen.
Mit gesenktem Kopf starrt er auf die Platte.
Er wird sich bewusst, wie dicht der Tod bei ihm war, und er stützt den Kopf in beide Hände.
Er hebt den Kopf im selben Moment, da jemand an die offene Tür klopft und eintritt.
Es ist ein großer, braunhaariger und rotgesichtiger Mann, jung, hübsch und energisch.
»Hallo, ich bin Eliot Troop, Marshal. Sie haben meine Schwester hergebracht. Ich bin gekommen, um Ihnen zu danken. Wenn ich im Saloon gewesen wäre, so hätten Sie es etwas leichter gehabt. Hören Sie, Jim, bei mir arbeiten fünf gute Frachtfahrer und vier Männer, die abwechselnd die Postkutsche fahren. Wenn Sie eine Mannschaft brauchen, um in dieser Stadt aufzuräumen, so sind wir zur Stelle. Das wollte ich Ihnen sagen, Lonestar Jim. Sie können hier nicht ohne Freunde sein.«
Er tritt an den Schreibtisch und streckt Jim die Hand hin.
Aber der erhebt sich, geht um den Tisch herum und tritt dicht an den jungen Mann heran.
Plötzlich packt er ihn an den Rockaufschlägen, zieht ihn näher heran und sagt ihm hart ins Gesicht: »Lassen Sie das, Eliot! Ich würde mir lieber beide Hände abhacken lassen, als dass ich Sie in meinen Kampf hineinziehe. Gehen Sie!«
»Ich verstehe«, murmelt der junge Boss der Fracht- und Postlinie. »Ich verstehe das schon. Nun, Sie sind Lonestar Jim. Sie wollen keine Freunde. Und wegen Jenny wollen Sie, dass ich mich nicht in Gefahr begebe. Aber Jenny ist noch stolzer als ich. Sie würde mich anspucken, wenn ich zusehe, wie Sie allein …«
»Raus, Junge«, knurrt Jim und wendet sich um. »Raus! Und wenn du jemals an meine Seite treten solltest, um mir zu helfen, werde ich dich niederschlagen. Du bist der letzte Mann in dieser Stadt, von dem ich mir helfen lasse. Jenny ist wichtiger als ich. Sie darf niemals in diesem wilden Land ohne Schutz sein. Geh endlich!«
»Yeah, ich gehe, Jim. Aber ich möchte dein Freund sein. Vielleicht wirst du eines Tages meine Hilfe nicht zurückweisen können. Jenny liebt dich!«
☆☆☆
Draußen wird es Abend. Eliots Schritte verklingen. Und in der Stadt ist es merkwürdig ruhig.
Jim sieht zur Queen’s Hall hinüber.
Dort ist alles dunkel. Das Lokal ist wirklich geschlossen. Er verzieht freudlos die Lippen und setzt sich in Bewegung. Seine Augen sind rastlos – sie prüfen alle Dinge der Umgebung.
Er macht nun seinen Rundgang und gleicht dabei einem wachsamen Wolf, der in einen Ranchhof eingedrungen ist.
Männer kommen ihm entgegen, und sie alle weichen zur Seite und machen ihm Platz, sobald sie seinen Stern in den Lichtern glänzen oder blinken sehen.
Aber niemand grüßt ihn. Sie geben ihm nur schweigsam den Weg frei und starren ihn an.
So geht er die Straße hinauf, sieht in die Geschäfte hinein und studiert lange alle Häuser.
Zwei Häuserblocks weiter sieht er den zweiten großen Saloon der Stadt. Vor diesem Saloon stehen zwei brennende Teerfässer am Rande des Gehsteigs und verbreiten rotes Licht und stinkenden Qualm.
Jim Ward hält an und liest die Worte auf dem bunten Schild:
Special Saloon
Noel Maxwell
Musik – Tanz – Freiimbiss
Dann starrt er auf die brennenden Teerfässer, deren Flammen fast die Stützbalken des überdachten Gehsteigs erreichen.
Plötzlich geht er über die Straße und betritt den Saloon.
Er ist voller Männer, da die Queen Hall geschlossen ist.
Jim bleibt neben dem Eingang stehen und sieht sich um. Er wird sofort erkannt. Fünfzig Augenpaare sehen ihn an.
Aber er sieht, dass alle Männer im Lokal ihre Waffen abgelegt haben.
Er beobachtet, wie ein Barkeeper soeben zwei Reitern, die vor Jim eingetreten sind, die Waffen abverlangt und sie hinter den Schanktisch in ein ausgeräumtes Flaschenregal legt.
Und dann sieht er Burt Wagoner mit einem geschmeidigen Mann aus der Tür des Hinterzimmers in den Saloon treten.
Auf der Bühne tanzt ein blondes Mädchen und singt mit etwas heiserer Stimme. Dann kommen noch fünf andere Tänzerinnen auf die Bühne marschiert.
Jim sieht immer noch zu den beiden Männern hinüber.
Jetzt entdeckt Burt Wagoner ihn und macht den anderen Mann auf ihn aufmerksam. Sie sehen beide zu ihm herüber – und Jim setzt sich in Bewegung.
Wagoners Augen blicken ihn mit kaltem Hass an – aber der andere Mann lächelt ihn verbindlich an.
Er sagt: »Sie sind etwas hart, Marshal – aber ich gebe mir alle Mühe, Ihren Wünschen nachzukommen. Sie sehen, dass alle Gäste ihre Waffen abgeben mussten. Meine Leute werden auch streng darauf achten, dass keine Prügelei und Kämpfe entstehen. Ich bin Noel Maxwell. Eben habe ich Burt Wagoner gut zugeredet und zu ihm gesagt, dass Sie ihm sicherlich nach dieser Lektion bald wieder die Erlaubnis geben, seinen Saloon zu öffnen. Es ist wirklich besser, wenn man mit einem Mann wie Lonestar Jim gütlich auskommt.«
Er lächelt Jim gewinnend an – aber der verzieht keine Miene.
»Die Queen’s Hall bleibt geschlossen«, sagt er sanft. »Burt Wagoner kann das Lokal verkaufen oder verpachten. Er selbst wird es nicht mehr öffnen. Ich mache keine halben Sachen, Maxwell. Achten Sie hier nur auf Ruhe und Ordnung – sonst hat diese Stadt überhaupt kein Vergnügungsleben mehr.«
Noel Maxwell zuckt leicht zusammen. Seine dunklen Augen werden für einen Moment schmal und stechend. Er ist nur mittelgroß, aber so geschmeidig wie ein Panther. Vielleicht ist er sogar noch gefährlicher als Burt Wagoner.
Plötzlich hat er sich wieder in der Gewalt und lächelt verbindlich.
»Sie wollen also das Vergnügungsleben abwürgen, damit keine wilden Burschen mehr nach Warsun kommen, nicht wahr?«
»Ich sorge dafür, dass die Stadt friedlich wird«, murmelt Jim und wendet sich wieder ab.
Burt Wagoner knurrt hinter ihm her: »Ich wette tausend Dollar gegen einen Hosenknopf, dass dieser Hundesohn nicht lange leben wird.«
Jim Ward wendet sich sofort.
»Meinen Sie mich, Wagoner?«
»Sicher, Sie Narr!«
»Zweimal fünfzig Dollar Strafe wegen Beleidigung bekomme ich von Ihnen, Wagoner, oder ich sperre Sie für zwanzig Tage ein. Wollen Sie zahlen oder mitkommen?«
Es ist wieder still geworden. Jims Worte klangen fest durch den ganzen Baum.
Die Bühne ist leer – und die Musikanten machen eine Pause.
Alle Augen richten sich auf Wagoner.
Der will in Flüche ausbrechen, aber Noel Maxwell legt ihm schnell die Hand auf den Arm.
»Zahle nur, Burt – du musst dich besser beherrschen. Zahle die Strafe, Burt.«
Der schüttelt sich wie unter einem Schauer, so sehr ist die Wut in ihm. Aber dann holt er fünf Dollarstücke aus der Tasche. Er sagt kein Wort dabei.
Jim nimmt das Geld.
»Ich denke wirklich, dass Sie in Zukunft höflich sein werden, Wagoner«, sagt er und geht langsam aus dem Saloon.
Gebanntes Schweigen begleitet ihn hinaus.
☆☆☆
Jim kommt an eine Gassenmündung, will sie überqueren – aber er ist in seinen Gedanken so sehr bei Jennifer Troop, dass er wirklich sehr überrascht ist, als ihn zwei Männer aus der dunklen Gasse heraus anspringen.
Die beiden Kerle verstehen diese Arbeit vorzüglich – und sie lauern sicherlich nicht zum ersten Mal einem Mann auf, um ihn mitleidlos zusammenzuschlagen.
Es sind zwei große und schwergewichtige Burschen, die zusammen mehr als vier Zentner wiegen. Ihr Angriff ist eine Wucht.
Sie lauern zu beiden Seiten der Gasse.
Als Jim mitten in der Gassenmündung ist, springen sie vor.
Jim sieht den mächtigen Burschen vor sich auftauchen – und da dieser schon zu nahe ist und Jim den Colt nicht mehr ziehen kann, wirft er sich dem Kerl entgegen.
Er duckt dabei eine schwere Rechte ab, prallt mit dem Kerl zusammen und stößt ihm den Kopf unters Kinn. Dabei schlägt er ihm rechts und links die harten Fäuste in die Seiten – aber dann erhält er den höllischen Schlag von hinten.
Es muss eine kurze Eisenstange sein, die ihn trifft, und gewiss sollte sie seinen Kopf treffen. Aber er bewegte sich zu schnell, sodass der gemeine Schlag nur den Muskelstrang auf seiner Schulter trifft.
Der Schmerz ist höllisch. Jim hat das Gefühl, als wäre sein Schlüsselbein getroffen worden. Sein rechter Arm und die ganze Schulter sind gelähmt.
Instinktiv wirft er sich zur Seite, denn er braucht nicht erst nachzudenken, um zu wissen, dass gleich der zweite Schlag kommen wird.
Er landet schwer am Boden, rollt sich weiter in die Gasse hinein, weil der Weg zur Straße gesperrt ist, richtet sich in Hockstellung auf und sieht auch schon die beiden Gestalten, die ihm knurrend gefolgt sind und sich nun auf ihn werfen wollen.
Aus der Hocke wirft er sich vorwärts. Seine schmerzende Schulter rammt gegen ein Knie.
Der Mann stürzt knurrend über ihn, fällt mit dem Oberkörper auf Jims Beine und umklammert diese sofort, indes Jim sich unter ihm wegrollen will.
Er kann den Mann von seinem Rücken herunterrollen, aber der Kerl hält mit beiden Armen Jims Waden umklammert und schnauft dabei wütend: »Los, Tim, los!«
Jim liegt immer noch auf dem Bauch, rollt sich jedoch mit einem Ruck zur Seite und versucht dabei mit aller Kraft, seine Beine aus der Umklammerung freizubekommen.
Er schafft es nicht.
Eine Stiefelspitze streift Jims Ohr. Sie sollte gewiss seinen Kopf treffen.
Diese beiden Schläger wollen ihn hier wahrhaftig in Stücke schlagen.
Der zweite Mann wirft sich nun mit der ganzen Wucht seines Gesichts auf Jims Rücken und Kopf.
Jim spürt den dumpfen Schmerz, als sein Gesicht gegen den Erdboden gestoßen wird.
Sein rechter Arm ist immer noch gelähmt. Der zweite Mann kniet jetzt darauf und beginnt beidhändig nach Jims Kopf und Nacken zu schlagen.
Er windet sich und kämpft am Boden wie ein verzweifelter Wurm. Harte Fäuste treffen ihn immer wieder.
Irgendwie bekommt er plötzlich seine Beine frei. Er tritt blitzschnell und mehrmals mit aller Kraft aus – und er trifft auf einen Widerstand.
Es gelingt ihm, den rechten Arm unter dem Knie des anderen Mannes wegzuziehen und sich wegzurollen, bis er gegen die Wand eines Hauses prallt.
Auf Händen und Knien erwartet er den nächsten Angriff.
Einer der Schläger kommt auch knurrend und geduckt heran. Jim wirft sich herum, springt auf und gleitet zur Seite. Der knurrende Mann streift ihn anstürmend, wird von der Wucht des Angriffes an Jim vorbei getragen und stolpert über Jims Fuß.
Der Kerl kracht fluchend gegen die Hauswand – und als er sich herumwirft, trifft ihn Jim mit der Linken unterhalb der Gürtelschnalle.
Sein rechter Arm ist plötzlich wieder bewegungsfähig. Seine sehnigen Schultermuskeln haben die Lähmung überwunden.
Jim richtet den Burschen, der eine tiefe Verbeugung macht, mit einem rechten Aufwärtshaken wieder gerade. Er hört, wie der Mann mit dem Kopf gegen die Hauswand kracht.
Er wirft sich gegen ihn – er kümmert sich gar nicht um den zweiten Mann, dem er sicherlich am Boden den Fuß ins Gesicht stoßen könnte. Jims Gefühl sagt ihm, dass er vielleicht noch ein oder zwei Sekunden Zeit haben wird, bevor sich der zweite Mann wieder an der Sache beteiligen kann.
Er wirft sich also gegen den ersten Kerl und trifft ihn jetzt beidhändig am Kopf.
Wieder spürt er, wie seine Fäuste den Kopf des Mannes an die Wand krachen lassen.
Er packt nun selbst knurrend mit beiden Händen zu, krallt die Finger in den dichten Haarschopf des anderen, zieht ihn herunter und den ganzen Mann quer über die Gasse. Er hört, wie der Bursche drüben gegen die Wand kracht und zu Boden geht.
Aber dann bekommt er von der Seite her einen Schlag, der ihm die Wange über dem Knochen aufreißt und ihn zur Seite schwanken lässt.
Er entgeht einem zweiten Schlag durch intensives Abducken, und mit dem Schmerz zuckt der Gedanke durch sein Hirn, dass dieser Bursche gewiss mit einem Schlagring arbeitet.
Seine Rechte fährt nach dem Colt, aber die Waffe hat er während des Herumrollens natürlich verloren.
Der große und schwere Bursche greift ihn wieder knurrend an, schlägt beidhändig, trifft jedoch nicht richtig.
Jim Ward hat nicht viel Zeit zur Verfügung. Bald wird der andere Kerl wieder mit dabei sein.
Die beiden Burschen sind hart und geben so schnell nicht auf, wenn sie auf einen harten Mann treffen. Sie sind es gewöhnt, Schläge hinzunehmen, wenn sie dafür selbst auch Schläge austeilen können. Dieser Kampf hat an den Kräften der drei Männer gezehrt.
Jim fängt einen rechten Schwinger mit der Schulter ab – und taucht unter dem linken Schwinger weg.
Dann ist er nahe genug an dem Mann, stampft seinen Absatz auf den Fuß des Mannes, schlägt links auf die Leber und rechts in die Achselhöhle des Gegners hinein.
Er weicht einen halben Schritt zurück, hält an und schlägt wieder nach.
Er trifft richtig, gleitet zur Seite – und der Mann taumelt gebückt an ihm vorbei.
Noch im Fallen schmettert ihm Jim eine Rechte an den Kopf – und er hört ihn stöhnend zu Boden fallen.
Der Kampf ist aus.
Jim taumelt zur Wand, lehnt sich daran und bekämpft seine Not.
Er möchte ebenfalls zu Boden gehen, sich hinlegen und ausruhen. Er spreizt die Beine, um sich besser im Gleichgewicht halten zu können – und dabei stößt sein linker Fuß gegen einen harten Gegenstand. Er ahnt, dass es sich um seinen verlorenen Colt handelt.
Langsam bückt er sich und hält sich dabei mit der Linken an der Wand fest. In seinem Kopf ist ein dumpfes und schmerzvolles Dröhnen.
Er spürt das warme Blut über Wange und Hals in seinen Hemdkragen laufen. Überall an seinem Körper sind Schmerzen.
Er ist fertig.
Seine tastenden Finger finden die Waffe. Er richtet sich auf, spannt den Hammer und wartet.
Seine körperliche Not wird erträglicher. Er bekommt wieder genügend Luft – und das dumpfe Dröhnen in seinem Kopf legt sich.
Zehn Schritt rechts von ihm befindet sich die Gassenmündung.
Auf der Hauptstraße hat sich vor der Gasse ein Halbkreis von Zuschauern gebildet.
Und sie alle haben nur zugesehen, wie der Marshal dieser Stadt mit diesen zwei Raufbolden im Halbdunkel der Gasse kämpfte.
Niemand hat eingegriffen, und wenn Jim Ward in Stücke geschlagen worden wäre, so hätte ihm niemand geholfen.
Ja, er ist allein in dieser Stadt.
Er trägt für tausend Dollar im Monat den Stern. Sein Gehalt ist hoch – aber kann eine Geldsumme die Dinge aufwiegen, die er immer wieder auf sich nehmen muss?
Er wartet also mit schussbereitem Colt – und er hört die beiden Kerle stöhnen und seufzen. Er kann sie einigermaßen gut erkennen, denn da sich seine Augen an das Halbdunkel gewöhnt haben, genügt das schwache Licht, welches von der Main Street in die Gasse fällt, vollkommen.
Als sich die beiden Schläger bewegen und sich auf die Füße quälen, da knurrt er scharf: »Wir sind noch nicht fertig, Jungs! Ihr seid verhaftet! Steht auf und geht vor mir her zum Gefängnis. Wenn ihr noch einmal etwas versuchen solltet, werde ich schießen. Habt ihr mich verstanden?«
»Oh, du Hundesohn!«, keucht eine bittere Stimme.
»Hat er überhaupt noch seinen Colt?«, stöhnt der andere Mann.
Als Antwort drückt Jim ab. Der Feuerstrahl blendet die beiden Schläger, und die Kugel splittert kleine Holzteilchen aus der Hauswand.
»Jetzt wisst ihr es, Freunde«, knurrt Jim. Er ist fest entschlossen, die Angelegenheit unerbittlich durchzuführen. Er muss mitleidlos durchgreifen, wenn seine Position in dieser Stadt fester und stärker werden soll. Er muss seine Gegner in dieser Stadt immer wieder auf die Knie zwingen und ihnen eine heilige Furcht vor ihm einhämmern.
»Los, vorwärts!«, sagt er hart.
Die Kerle bewegen sich schwankend und brummend wie zwei Bären. Sie gehen tatsächlich vor ihm her. Er folgt ihnen. So kommen sie aus der Gasse.
Dann hat Jim mit seinen Gefangenen das Marshal’s Office erreicht.
»Macht auf, geht hinein und schnurgerade von der Tür bis zur gegenüberliegenden Wand!«, ruft er ihnen scharf zu.
Sie zögern – aber dann gehorchen sie.
Jim tritt hinter ihnen ein.
Im Raum ist es ziemlich dunkel, doch durch die beiden Fenster fällt von der Straße her genügend Helligkeit herein, sodass Jim die Umrisse der beiden Männer erkennen kann.
Sie sind wirklich bis zur gegenüberliegenden Wand gegangen und haben sich dort aufgestellt. Sie atmen immer noch schwer.
Jim tritt langsam an den Schreibtisch und zündet dort mit der Linken die Lampe an. Seine Finger sind steif, und die Knöchel der Hände sind aufgeschlagen.
Er tritt an das Schlüsselbrett, nimmt zwei von den fünf Schlüsseln, schiebt den Colt ins Holster und kehrt zur Lampe zurück. Er nimmt sie in die Linke und sieht die beiden Burschen wieder an.
»Vorwärts, in die Zellen!«