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G.F. Unger ist der erfolgreichste deutschsprachige Western-Autor. Mit einer Rekordauflage von über 250 Millionen Exemplaren gehört er zur internationalen Spitzenklasse der Spannungsliteratur. Und das zu Recht!
Niemand vermag es wie er, die unermesslichen Weiten des amerikanischen Westens und die Stärke der unerschrockenen Männer, die sie erschlossen, zu beschreiben. Erleben Sie den amerikanischen "Wilden Westen", wie nur G.F. Unger ihn schildern kann: hart, authentisch, leidenschaftlich.
Dieser Sammelband enthält die Folgen 2440 bis 2442:
2440: Pferdesoldaten
Master Sergeant Jim Oates galt als bester Patrouillenführer des Apachenlandes - bis das Gold ihn lockte und die Frau, die er liebte, von den Apachen geraubt wurde ...
2441: Pat Logans Ehre
Ich verdankte einem Yankee-Captain mein Leben, und ich versprach ihm, meine Schuld irgendwann bei ihm abzutragen. Verdammt, was sollte mir mein Versprechen noch leidtun!
2442: Stunde der Vernichtung
US Marshal Pernel Wittaker sucht einen flüchtigen Zahlmeister der Armee und Mary Stone ihre verschollene Schwester. Beide führt ihr Weg nach Lucky Ben, dem Vorhof zur Hölle ...
Der Inhalt dieses Sammelbands entspricht ca. 192 Taschenbuchseiten.
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Seitenzahl: 458
Veröffentlichungsjahr: 2021
G. F. Unger
G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 31
Cover
Impressum
Pferdesoldaten
Vorschau
Pferdesoldaten
Der Galgen ist mitten auf dem Paradeplatz aufgebaut.
Zwei Corporals führen den Verurteilten hin. Der Apache geht mit erhobenem Kopf. Dennoch wirkt er nicht wie ein großer Häuptling. Dies wird Master Sergeant Jim Oates mit seltsamer Deutlichkeit klar, während er zusieht, wie sie Saguaro die Schlinge umlegen. Und er denkt: Warum ist die verdammte Armee eigentlich davon überzeugt, dass der Hombre dort unter dem Galgen der große Saguaro ist?
Dumpfer Trommelwirbel setzt ein. Die angetretenen Kompanien starren bewegungslos auf den Apachen unter dem Galgen.
Der Adjutant öffnet einen Aktendeckel und beginnt vorzulesen.
»… ist der Angeklagte – bekannt unter dem Namen Saguaro – vom Kriegsgericht für schuldig befunden worden, einen Aufstand verursacht zu haben, dem siebenundfünfzig weiße Zivilisten und neunundvierzig Soldaten zum Opfer fielen. Wegen dieser Straftat wird der Angeklagte zum Tode durch den Strang verurteilt. Das Urteil ist am 17. August 1876 in Camp Yuata zu vollstrecken. Die andere Gefangenen, die an dem Aufstand beteiligt waren, haben der Hinrichtung beizuwohnen und sind danach in die San-Carlos-Reservation zu überführen, wo sie mehrjährige Kerkerstrafen abzuleisten haben. Colonel B. Bishop, Vorsitzender des Kriegsgerichts, Kommandeur von Camp Yuata.«
Der Adjutant schließt den Aktendeckel und salutiert.
Master Sergeant Jim Oates sieht, wie der Colonel das Zeichen gibt. Da wird auch schon die Falltür geöffnet. Zwei Sekunden später hängt der Verurteilte mit gebrochenem Genick in der Schlinge …
Master Sergeant Jim Oates betrachtet die anderen Gefangenen. Es sind fünf. Sie stehen bewegungslos da. Ihre Handgelenke sind durch Handschellen zusammengeschlossen.
Doch die fünf Apachen wirken sehr stolz, würdig und gefasst. Es ist, als ginge von dieser bewegungslosen Gruppe eine starke Kraft aus, ein Strom von Unbeugsamkeit, die alles überdauern und überwinden kann, was auch kommen mag.
Die fünf Apachen sind sich ähnlich wie Brüder. Sie waren Unterhäuptlinge oder führende Krieger des Aufstandes. Jeder von ihnen sieht imposanter und beachtlicher aus als Saguaro, den man eben henkte. Jeder von ihnen hätte eher der rote Apachenmessias sein können, jener Wundermann, zu dem die Krieger aller Stämme eilten und an den sie glaubten.
Aber alle gefangenen Indianer haben jenen als Saguaro bezeichnet – jenen dort am Strick.
Er hat auch selbst zugegeben, es zu sein.
Nun ist er tot. Die Apachen können nicht länger an seine Unverwundbarkeit glauben. Die Kunde von seinem Tod wird sich unter den Stämmen herumsprechen.
All die großen und kleinen Kriegshorden werden in ihre verborgenen Dörfer heimkehren – die jungen Krieger, die aus scheinbar friedlichen Dörfern oder aus Reservaten kamen, werden sich ebenfalls wieder dort einfinden.
Ein Apachenaufstand wird beendet sein – bis die Roten wieder einen neuen Wundermann und Messias bekommen, einen Burschen, der ihnen alles verspricht, was sie sich an Freiheit und Größe erträumen.
Sergeant Jim Oates weiß das alles.
Er ist schon lange genug in diesem Territorium und weiß, dass es immer Burschen gibt, die wie Kometen aufsteigen, die eine Weile Glück haben und eine Menge Wirbel machen.
Sergeant Jim Oates betrachtet intensiv die fünf Apachen. Er denkt daran, dass sie vor drei Wochen die große Aurora-Mine überfielen, die Leute dort niedermachten und die Goldausbeute von Monaten raubten.
Das Gold wurde bisher nicht gefunden. Es blieb verschwunden.
Wenn man die fünf Rothäute zum Reden bringen könnte, denkt der Sergeant. Irgendwo im Indianerland haben sie das Gold verborgen. Das wäre etwas für einen Sergeant, der am Ende seiner Dienstverpflichtung steht und seinen Vertrag mit der Armee nicht verlängern will.
Die einzelnen Kommandos rücken nun ab. Auch Jim Oates führt seine Abteilung zu den Ställen und Corrals hinüber und lässt absitzen.
Er übergibt sein Pferd einem Soldaten und wendet sich einem der drei anderen Sergeants zu, die zu seiner Abteilung gehören.
»Ihr drei haarigen Affen könnt mir jetzt den Buckel runterrutschen«, sagt er. »Und du, Barney, wirst von nun an meine Stelle einnehmen. Du wirst der neue Master Sergeant dieser Strolche sein. Ich wünsche dir viel Spaß!«
Nach diesen Worten geht er davon – ein großer, sehniger Bursche mit langen, etwas krummen Beinen, die in eleganten Offiziersstiefeln stecken, obwohl das gegen die Vorschrift ist.
Er ist ein rothaariger Mann, der die gebräunte Haut eines Apachen hat. In seinem harten Gesicht sind ein paar Narben. Und seine harten grauen Augen brachten schon manchen Offizier zum Stottern.
Als er die Kommandantur erreicht, die nichts anderes als eine Steinhütte mit einem Zeltplanendach ist, erwartet ihn der Kommandantur-Sergeant Scott schon ungeduldig und sagt: »Warum lässt du den Colonel so lange warten? Du hattest doch den Befehl, dich unmittelbar nach dem Wegtreten zu melden. Oder hast du vielleicht keine Lust mehr?«
»Nein«, sagt Jim Oates. »Und ihr könnt mich alle mal! Es ist jetzt schon einige Minuten nach zwölf Uhr mittags. Eigentlich bin ich schon Zivilist, mein Bester. Die Armee kann mich bis in die Steinzeit und wieder zurück. Hast du das richtig verstanden, Scotty?«
Der grinst. »Geh nur hinein, Master Sergeant. Geh hinein, Heldenvater! Der Colonel will dir zum Abschied noch eine wonnige Freude bereiten. Geh nur, alter Junge.«
Oates sieht ihn mit einem schrägen Blick an und murmelt im Vorbeigehen: »Ich glaube, dass ich mit dir die ganze Zeit zu sanft umgegangen bin, Scotty. Wenn dein Grinsen reine Schadenfreude sein sollte, dann bekommst du es noch von mir.«
Nach diesen Worten tritt er ein.
Im Vorraum hockt der Adjutant, Lieutenant John Britt. Er wirkt müde und ausgebrannt. Seine rotumränderten Augen verraten einige schlaflose Nächte.
Er starrt den Sergeant Jim Oates wortlos an und macht nur eine leichte Kopfbewegung zur Tür, die aus Brettern von Konservenkisten zusammengenagelt ist.
Jim Oates hat eine Spur von Verachtung in seinem Blick, als er am primitiven Schreibtisch des Adjutanten vorbei zur Tür geht. Der Lieutenant spürt diese Verachtung genau. Sein Gesicht wird dunkler. In seinen blauen Augen glitzert es böse.
Aber Oates klopft schon an die Tür und tritt ein.
Der Colonel steht am Fenster, von dem aus er den ganzen Paradeplatz bis zu den Quartieren, den Ställen und den Corrals überblicken kann.
Der Colonel, ein harter Mann, war während des Bürgerkrieges General. Seit mehr als zwanzig Jahren kämpft er gegen Indianer – gegen Apachen, Comanchen, Cheyennes und Sioux.
Langsam wendet er sich dem Sergeant zu.
»Sie mögen mich wohl nicht, Sergeant?«
»Nicht sehr, Colonel.«
»Warum nicht?«
»Ich habe noch nie einen Offizier gemocht, Sir. Es war überhaupt falsch, dass ich zur Armee ging. Dieser Fehler kostete mich zwölf Jahre meines Lebens. Sonst noch etwas, Sir?«
Der Colonel lächelt schmal.
»Dennoch sorgten Sie für die blutjungen Lieutenants, die ohne Indianererfahrung an die Grenze kamen und Patrouille reiten mussten, wie ein Vater für hilflose Kinder. Dennoch passten Sie auf, dass diese jungen Leute keine Fehler machten, dass sie überleben und lernen konnten.«
»Wegen der armen Hunde, die unter ihrem Befehl standen«, erklärt Oates mit kehliger Stimme. »Nur wegen dieser armseligen Hunde, die jede Dummheit der Armee ausbaden mussten. Colonel, meine Dienstzeit ist beendet. Kann ich jetzt gehen? Hat der Adjutant meinen Entlassungsschein bereit?«
Der Colonel grinst wie ein Frontoffizier, ja, fast wie ein Sergeant.
Dann tritt er an seinen Schreibtisch und nimmt ein Papier auf.
»Hier ist der Schein, Sergeant. Aber er ist noch nicht gültig.«
»Doch – er muss gültig sein! Seit mehr als zehn Minuten muss er gültig sein. Wenn ich wollte, Colonel, könnte ich Ihnen vor die Füße spucken oder Sie aus Ihrer feinen Paradeuniform boxen. Kein Militärgericht könnte mich noch belangen. Geben Sie her! Ich habe meinen Vertrag mit der Armee gehalten. Jetzt soll ihn auch die Armee halten. Oder?«
»Es gibt eine Klausel«, sagt der Colonel. »Zu Kriegszeiten verlängert sich eine Dienstverpflichtung. Und auch sonst muss erst ein erteilter Auftrag erfüllt werden. Man kann nicht einfach mitten in der Erledigung aufhören, wenn die Dienstzeit abgelaufen ist.«
»Ich habe keinen Auftrag. Und der Kriegszustand ist mit Saguaros Hinrichtung beendet. Colonel, wollen Sie mich reinlegen?«
Der Colonel schüttelt leicht den Kopf.
»Ihre Dienstzeit endet erst«, sagt er, »wenn Sie mit den Gefangenen die San-Carlos-Reservation erreicht haben und alle anderen Soldaten und sonstigen Personen sicher in Fort Apache eingetroffen sind. Es handelt sich um einige Zivilisten und degradierte und verurteilte Soldaten. Sergeant, nennen Sie mir einen Mann in Camp Yuata, den ich mit den fünf Apachen, zwei degradierten und zu je zehn Jahren Zwangsarbeit verurteilten Soldaten, fünf Zivilisten, einer weißen Frau und einer Eskorte von nur zwölf Mann nach Fort Apache und der San-Carlos-Reservation schicken könnte. Nennen Sie mir diesen Mann, Sie würden mich sehr glücklich machen.«
In des Colonels Stimme kam zuletzt eine hilflose Wut.
Jim Oates spürt plötzlich, dass der alte Colonel in diesem Moment ebenso sauer auf die Armee ist wie er, Jim Oates.
Plötzlich ist etwas zwischen ihnen. Es ist die alte Gemeinsamkeit, die in solchen Situationen alle Männer der Armee zu Partnern macht.
»Ich kenne keinen anderen Mann außer mir, der das schaffen könnte, Sir«, sagt Oates bitter. »Und wenn der Apache, den wir vorhin aufknüpften, gar nicht Saguaro war, sondern einer der fünf Gefangenen dieser Saguaro sein sollte, dann kann auch ich die Sache nicht schaffen. Denn dann warten Saguaros wilde Jungs nur darauf, dass sie ihn mir wieder abnehmen können. Und zuvor werden sie uns alle totschlagen.«
Der Colonel nickt.
»Sie vermuten also auch, dass wir den falschen Saguaro hängten, Sergeant Oates?«
»Es könnte immerhin sein. Von den sechs Gefangenen schien er der Geringste zu sein. Niemand von uns kannte Saguaro. Wir wussten nur, dass es einer der Gefangenen sein musste. Und erst als wir drohten, dass sie alle aufgeknüpft würden, meldete er sich freiwillig. Colonel, er kann sich für den wirklichen Saguaro – den sie für den neuen Messias halten – geopfert haben. An dieser Sache stinkt etwas.«
Der Colonel nickt.
»Vielleicht«, sagt er. »Aber das wird sich schon bald herausstellen, wenn Sie mit den Gefangenen unterwegs sind. Und dann werden Sie dafür sorgen, dass Saguaro doch noch stirbt! Auf jeden Fall gebe ich Ihnen den ausdrücklichen Befehl, die Gefangenen bei Fluchtversuchen zu erschießen!«
Oates grinst bitter zu diesen Worten.
»Das ist wieder typisch für die Armee«, sagt er. »Ein Roter wurde gehängt, von dem man offiziell glaubt, dass er Saguaro ist und der sich selbst als Saguaro ausgegeben hat. Aber plötzlich sind wir unserer Sache nicht mehr sicher, glauben, dass man uns angeschmiert hat. Und nun soll ein Sergeant, der schon bald nicht mehr zur Armee gehört, die Sache ausbügeln. Zum Teufel, Colonel!«
»Ja, zum Teufel!«, sagt auch der Colonel. »Sie brechen in einer Stunde auf, Sergeant! Ihre Reiter können Sie sich selbst aussuchen.«
»Wenigstens diese Freude machen Sie mir, Sir«, sagt Oates und salutiert mit unvermuteter Exaktheit. Seine fast herausfordernde Lässigkeit ist verschwunden.
☆☆☆
Eine knappe Stunde später inspiziert Jim Oates seine zwölf Reiter, die Sergeant Tom Barney meldet, wobei er ein Gesicht macht, als wollte er den ranghöheren Master Sergeant im nächsten Moment anspringen.
Bei drei Reitern findet Jim Oates in den Feldflaschen Whisky statt Wasser, und bei zwei weiteren Reitern sind die Wasserflaschen mit Tequila gefüllt. Aber sonst ist alles an Reitern und Pferden in Ordnung.
Er tritt zurück und grinst schief.
»Ihr Strolche wart sicher schon mächtig froh, mich loszuwerden, was? Auch ich glaubte, dass die Armee mir endlich den Buckel runterrutschen könnte. Wir wurden also alle enttäuscht. Das gibt uns etwas Gemeinsames. Ich will euch nur ein paar Worte sagen. Es kann sein, dass unser Ritt ein schöner Ausflug wird. Dann könnt ihr mir dankbar sein, dass ich euch für ein paar Tage aus dem eintönigen Einerlei von Camp Yuata herausholte. Es kann aber auch sein, dass die Roten uns draußen die Haut abziehen wollen, wobei sie sich diesmal aus bestimmten Gründen besondere Mühe machen werden. Wenn das zutrifft, freut euch darüber, dass Onkel Oates euch führt. Denn das wird einigen von euch Säufern und Exbanditen die Chance geben, mit heiler Haut davonzukommen. Aber auch nur dann, wenn ihr immer genau das tut, was ich euch sage – nicht mehr und nicht weniger. Vergesst es nicht, Jungs! Ich bin euer Onkel, euer Vater und eure Mutter. Auch das Denken übernehme ich für euch. Ihr braucht nur immer das zu tun, was ich von euch verlange. Habt ihr nun die Rede eines Master Sergeants gut verstanden?«
Er grinst sie ohne Fröhlichkeit an.
Und sie grinsen auf die gleiche Art zurück.
Sie lieben ihn nicht, denn sie spürten stets seine Verachtung. Als Master Sergeant stand er zwischen ihnen und den Offizieren. Er hatte mit keiner dieser beiden Gruppen etwas gemein. Vielleicht war er sogar noch einsamer als der Colonel.
Sergeant Tom Barney, der eigentlich sein Nachfolger bei diesem Kommando werden sollte, sagt schließlich: »Master Sergeant, wir wissen es zu schätzen, dass du uns für dieses Vergnügen ausgesucht hast. Wir sind sehr froh und lieben dich dafür noch mehr als früher.«
Er erwidert nichts, sondern sitzt auf und nickt Barney zu.
Dieser lässt ebenfalls aufsitzen und folgt ihm mit den elf Reitern. Vor der Kommandantur nehmen sie noch einmal Aufstellung. Jim Oates meldet das Kommando beim Colonel ab.
»Viel Glück!«, sagt der Colonel. »Wir werden uns auf keinen Fall mehr wiedersehen, Oates. Viel Glück! Sobald man in Fort Apache die Erledigung Ihres Auftrages bestätigt, gilt Ihr Entlassungsschein.«
Oates nickt.
Dann zieht er sein Pferd herum und führt die Abteilung an den beiden wartenden Wagen vorbei zum westlichen Ausgang des Camps.
Es sind zwei Bagagewagen der Armee.
In einem sitzen die fünf mit Handschellen gefesselten Apachen.
In dem anderen Wagen hocken zwei gleichfalls mit Handschellen gefesselte Soldaten, die ebenfalls dem Provost-Corporal und dessen zwei Fahrern unterstehen.
Auf dem Bock dieses Wagens sitzt noch eine Frau.
Sie sitzt sehr gerade, sehr stolz, hat ihr Kinn hoch erhoben und sieht in die Ferne, als könnte sie dort ihre Zukunft erblicken und nicht nur wilde Hügel, rote Felsen und in weiter Ferne das mächtige Mogollon Rim mit seinem dunklen, geheimnisvollen Grün, aus dem die roten Felsen leuchten.
Jim Oates streift im Vorüberreiten zuerst die fünf Apachen, dann die beiden Fahrer und den Provost-Corporal mit einem schnellen Blick.
Dann betrachtet er etwas länger die beiden gefesselten Soldaten. Sie grinsen ihn herausfordernd, böse und aufsässig an.
Aber er erwidert ihren Blick nur ausdruckslos.
Zuletzt scheint sein dunkles, narbiges Gesicht noch ausdrucksloser zu werden, als er die Frau betrachtet.
Sie wendet plötzlich den Kopf und erwidert seinen Blick. Ihre grünen Augen sehen ihn fest und gerade an. Unter dem dünnen Kopftuch leuchtet ihr bernsteinfarbenes Haar.
Zuerst sieht es ganz so aus, als wollte er nicht anhalten.
Doch dann zügelt er sein Pferd und winkt Sergeant Barney zu, weiterzureiten.
Während die Zweierreihe der Soldaten an den Wagen vorbereitet, lenkt Oates seinen Wallach etwas näher heran und sagt: »Mrs Britt, wollen Sie Ihren Entschluss nicht ändern? Noch haben Sie die Chance, hier bleiben zu können. Wenn wir erst draußen sind, gibt es keine Umkehr mehr. Und auf eine Frau warten im Apachenland schlimmere Dinge als der Tod.«
Georgia Britt, die ihren Mann, den Lieutenant und Adjutanten, verlässt, sieht ihn fest an.
»Das weiß ich, doch ich will mit.«
Da nickt er und lässt seinen Braunen anspringen.
Zwischen den Mannschaftsquartieren und den Magazinen und Werkstätten hindurch führt er sein Kommando in das wilde Land. Die Zivilisten schließen sich zu Pferd jetzt erst an.
Es sind neunundzwanzig Menschen: Master Sergeant Jim Oates, Sergeant Tom Barney und elf Reiter, der Provost-Corporal Drago Higgins und zwei Fahrer, zwei Arrestanten der Armee, fünf gefangene Apachen, fünf weiße Zivilisten und Georgia Britt.
So ziehen sie hinaus in ein wildes, mitleidloses Land, in dem es nur Jäger und Gejagte gibt, in ein Land mit gewaltigen Sonnenuntergängen, mit glühenden Tagen und eiskalten Nächten, in ein schweigendes Land – in ein feindliches Land.
Camp Yuata ist kein befestigtes Fort mit Palisaden oder Wällen.
In der Nähe gibt es einige Camps von »zahmen« Indianern. Auch ein paar Apachenfamilien sind dabei.
Diese Indianer stehen am Weg und lassen die Kolonne an sich vorbeiziehen.
Jim Oates bleibt etwas zurück, bis er neben dem Wagen reitet, in dem die fünf gefangenen Apachen sitzen.
Sie sitzen stolz auf den Holzbänken des Mannschaftswagens und starren geradeaus.
Jim Oates beobachtet die zahmen Indianer. Ein paar sind darunter, denen er zutraut, dass sie vor wenigen Tagen noch nicht so friedlich aussahen.
Sie starren auf die Gefangenen. Ihre Blicke scheinen sich an ihnen festzusaugen. Aber sonst ist an ihnen nichts zu erkennen. Sie stehen nur stumm und bewegungslos da und starren.
Oates will wieder nach vorn reiten. Er verspürt eine leichte Enttäuschung. Aber was hat er eigentlich erwartet? Glaubte er vielleicht, dass diese scheinbar zahmen Indianer den großen Saguaro unter den fünf Gefangenen erkennen und es laut verkünden würden?
Sein Blick fällt auf die fünf Zivilisten, die den beiden Wagen in einigem Abstand folgen. Er verhält sein Pferd, bis sie neben ihm reiten. Er kennt sie alle mehr oder weniger gut. Sam Stanley und Billy Ringloke sind Skalpjäger, die den von ihnen ermordeten Apachen die Skalpe nehmen und dafür Prämien kassieren.
Robert Gannaway ist ein Rancher, dem die Apachen den Besitz abbrannten, die Familie töteten und alle Rinder abschossen. Seitdem ist er ständig betrunken.
Slim Bridger und Sloan Slade sind eines Tages verwundet nach Camp Yuata gekommen, um sich an diesem einigermaßen sicheren Ort auszukurieren. Sie sind Revolverhelden, wahrscheinlich sogar Banditen. Jim Oates glaubt, dass sie vielleicht von Tucson aus einen Mann verfolgt und irgendwo im Apachenland gestellt hatten. Oder sie waren angeworben worden, jemanden umzubringen. Wahrscheinlich haben sie den oder die von ihnen Verfolgten eingeholt, gestellt und getötet – irgendwo in dem schweigenden Land, in dem es keine Zeugen gibt. Sie selbst sind dabei verwundet worden und brauchten ein Obdach.
Jim Oates betrachtet nacheinander die fünf Reiter.
Sie erwidern mehr oder weniger herausfordernd seine Blicke. Einige grinsen. Sloan Slade sagt: »He, Pferdesoldat, du kannst dich bei uns bedanken, dass wir mit euch reiten. Wir sind so viel wert wie der ganze Rest deiner Abteilung. Ohne uns wärst du nur halb so stark. Ist dir das eigentlich klar? Wir sind fünf Mann mit neun Colts und fünf Gewehren. Aber wenn es Schwierigkeiten gibt, muss ja wohl erst mal die Armee kämpfen, nicht wahr? Sollen wir dann auf die Gefangenen achten?«
Oates betrachtet sie von der Seite mit einem schrägen Blick. Sie reiten in einem losen Rudel zu seiner Rechten, der einstige Rancher Robert Gannaway zuletzt. Aber er unterscheidet sich nicht viel von ihnen. Er ist ein Mann, der nie wieder neu anfangen wird. Die letzten Wochen haben ihn verändert.
»Ich will euch etwas sagen, Jungs«, murmelt Jim Oates. »Ihr seid ab sofort Pferdesoldaten wie wir alle und führt meine Befehle aus. Oder ihr schleicht euch und reitet euren eigenen Weg. Und noch eines, Jungs! Ich habe meinen Entlassungsschein in der Tasche. Er hat Gültigkeit, sobald wir Fort Apache erreichen. Ihr könnt euch nicht mal mehr bei der Armee mit Erfolg über mich beschweren. Habt ihr mich richtig verstanden?«
Sie schweigen und grinsen.
»Aber auf die Flagge vereidigen wirst du uns doch wohl nicht?«, fragt Billy Ringloke plötzlich.
Oates schüttelt den Kopf.
»Es wurden schon viele Strolche von der Armee auf die Flagge vereidigt«, sagt er. »Ihr wärt so ziemlich die schlimmsten. Doch ihr werdet auch ohne Fahneneid gute Pferdesoldaten sein. Eure Klugheit wird es von euch verlangen. Na schön, wir werden uns schon noch kennenlernen. Ringloke und Sie, Gannaway, reiten als Vorhut eine Viertelmeile voraus. Und wer mich noch einmal so plump-vertraulich anredet oder Pferdesoldat nennt, den schlage ich von den Beinen. Ich bin Master Sergeant Jim Oates.«
Als er verstummt, lacht oder grinst keiner mehr.
Vom Sattel aus sieht er zu Ringloke und Gannaway hinüber. In seinem kalten, harten Blick ist etwas, das die Männer warnt. Sie haben schon eine Menge von diesem harten Sergeant gehört.
Jetzt fällt es ihnen wieder ein.
Sie begreifen auch, warum der Colonel nicht einen seiner restlichen Offiziere, sondern diesen Sergeant mit der Abteilung losschickte.
Ringloke und Gannaway gehorchen plötzlich. Sie geben ihren Pferden die Sporen, überholen die Kolonne und gewinnen Vorsprung.
Oates reitet zur Spitze der Kolonne, bis er Sergeant Tom Barney zu seiner Linken neben sich hat.
»Warum vertraust du diesen Zivilisten unsere Vorhut an?«, fragt Barney. Er ist böse, dass er mitreiten muss, weil Oates ihn unter einem halben Dutzend anderer Sergeants dazu auserwählte.
»Das sind jetzt Pferdesoldaten wie wir«, sagt Oates. »Hast du schon mal darüber nachgedacht, was fünf solche Strolche zu einer Mannschaft vereint haben könnte, die bereit ist, mit uns zu reiten? Und die soeben eine Menge heruntergeschluckt hat, nur um bei dieser Abteilung bleiben zu können?«
Tom Barney ist ein löwenhafter Typ, blond und massig. Er starrt Oates an.
»Nun, die Angst vor den Apachen …«, beginnt er.
Dann sieht er Oates grinsen.
»Angst?«, fragt Oates. »Diese Skalpjäger und Killer kennen keine Angst. In dieser Beziehung fehlt ihnen etwas. Die glauben an ein unabänderliches Schicksal, dem sie nicht entrinnen können. Deshalb nehmen sie alles so, wie es kommt. Barney, ich will dich aufklären, damit du Bescheid weißt, wenn es mich erwischen sollte. Es könnte sein, dass im Fort der falsche Saguaro gehängt wurde. Aber auf jeden Fall wissen unsere fünf roten Gefangenen, wo sie das Gold der Aurora-Mine ließen. Unsere fünf zivilen Pferdesoldaten sind vielleicht hinter diesem Gold her. Aber dazu müssten sie einen oder zwei von unseren Gefangenen in die Hand bekommen. Auch ein Apache redet, wenn man seine Füße in ein Feuer legt. Begreifst du jetzt ungefähr, was passieren könnte, Barney?«
Tom Barney staunt.
»Ist das nicht etwas zu verrückt, Jim?«, fragt er. »Musst du denn überall nur das Schlechte suchen?«
»Wir werden sehen«, sagt Oates und grinst.
☆☆☆
Sie legen in dieser heißen und staubigen Hälfte des Tages noch fünfzehn Meilen zurück. Als die Sonne den Himmel in ein feuriges Meer verwandelt und sich von Osten her die blauen Schatten der Nacht herabsenken, erreichen sie unterhalb vom Wagon Peak den kleinen See und die Wagon Meadows.
Es ist ein schöner grüner und schattiger Ort, reichlich mit Wasser gesegnet.
Der Tag verging ohne Zwischenfall. Es gab keine Apachen zu sehen, keine Rauchsignale stiegen auf. Und auch Blinkspiegel, die die Apachen seit einiger Zeit benutzten, blitzten nirgendwo in den Bergen auf.
Der Sergeant stellt eine Menge Posten auf und steht dann in der beginnenden Nacht lange am Rand des Camps und lauscht und wittert wie ein Wolf.
Tom Barney tritt neben ihn.
»Riechst du etwas, Oates?«, fragt er.
»Apachen«, erwidert Oates. »Ich wette mit dir um meinen Entlassungsschein, dass wir einige Apachen mit Steinen treffen könnten, hätten sie sich nicht so gut versteckt. Sie sind dicht bei unserem Camp. Man soll das Feuer löschen. Ich glaube zwar nicht, dass sie uns schon hier, so dicht bei Camp Yuata, angreifen werden, doch sie schießen vielleicht ein paar Pfeile ab und …«
Er hat noch nicht ausgesprochen, als auch schon ein wilder, böser und schmerzerfüllter Schrei ertönt.
Gewehre und Revolver krachen.
Männer fluchen wild.
Dann wird es still – unheimlich still.
Schließlich kommt ein seltsames Geräusch auf. Es ist ein Laut, den man nie vergisst. So atmet ein Mann stöhnend zum letzten Mal aus.
Jim Oates geht schnell hinüber und ruft dabei: »Löscht das Feuer! Das Feuer löschen!«
Dann kniet er bei einem Soldaten, der auf dem Rücken liegt und dem ein Pfeil aus der Brust ragt – genau dort, wo das Herz sein muss.
»Es ist Riley Wilcox«, sagt eine heisere Stimme. »Das ist ein bitterer Anfang, Sergeant. War das ein Zufallstreffer, oder hat die Rothaut dort draußen so gut gezielt?«
»Das werden wir herausfinden, wenn es den zweiten Mann von uns erwischt«, erwidert der Sergeant. »Wir können nichts anderes tun, als wachsam sein. Sergeant Barney!«
»Hier!«
»Der Tote wird hier beerdigt! Und ihr anderen behaltet möglichst die Nasen unten und die Sattelpferde dicht bei euch. Für die Apachen sind die Pferde zu kostbar, um sie einfach abzuschießen, also geben euch die Pferde Deckung. Das ist alles, Leute.«
Ein paar Flüche werden laut.
Alle wissen nun, wie höllisch gefährlich ihr Camp ist.
Draußen sind vielleicht nur zwei oder drei schleichende Apachen. Aber es ist nicht ausgeschlossen, dass sie mit ihren Pfeilen noch weitere Opfer finden.
Oates geht langsam durch das Camp. Als er den Wagen der Armeearrestanten erreicht, findet er sie an je eines der Räder angeschlossen. Er kennt ihre Namen.
Cash Shennahan hat einen Offizier halb totgeschlagen, als dieser ihn auf Wache schlafend erwischte und in der Tasche des Schläfers eine leere Schnapsflasche fand.
Der andere Gefangene war sogar mal Sergeant. Lot Kilham wollte mit der Kasse des Zahlmeisters nach Mexiko desertieren.
Der Exsergeant Lot Kilham sagt böse: »He, Oates, dieser Weg nach Fort Apache wird mit Toten gepflastert sein. Alle fünf Meilen ein Toter. Es wäre keine schlechte Idee, uns die Fesseln abzunehmen und mit Waffen auszurüsten. Ich sage dir, Oates, es wird bald die Zeit kommen, dann brauchst du uns. Dann zählt nur noch das Durchkommen. Und dann sind alle schwarzen und weißen Schafe gleich. Wetten?«
»Vielleicht gewinnst du die Wette, Kilham«, murmelt Oates und geht auf die andere Seite hinüber. Dort steht der Wagen, in dem die gefangenen Indianer transportiert werden.
Man hat sie mit Handschellen aneinandergefesselt. Der äußere rechte und der äußere linke Gefangene wurden am Wagenrand festgemacht. So bilden sie vom Vorder- zum Hinterrad eine makabre Girlande.
Jim Oates sieht in der Dunkelheit ihre schmalen Augen glänzen.
Er sagt in ihrer Sprache, die er gut beherrscht: »Ruft euren Vettern dort draußen zu, dass ich einen von euch erschießen werde, sollte noch einer von meinen Soldaten durch einen heimtückischen Pfeil sterben. Ich bluffe nicht! Einer von euch soll es laut rufen! Jetzt sofort!«
Aber sie schweigen. Sie tun so, als wäre er nicht vorhanden.
Da sagt er nichts mehr.
Als er zu den fünf Zivilisten kommt, lacht der Skalpjäger Sam Stanley leise vor sich hin.
»Ich habe jedes Wort verstanden«, sagt er. »Wirst du wirklich einen der Roten erschießen, wenn es noch einen von uns erwischen sollte, Sergeant?«
Jim Oates erwidert nichts.
Aber er macht einen langen Schritt und tritt dem am Boden hockenden Sam Stanley so kräftig gegen die Brust, dass Stanley sich fast überschlägt und mit dem Hinterkopf gegen einen Felsen knallt.
»Ich habe wohl schon gesagt, dass man mir nicht so plump-vertraulich kommen soll«, murmelt Oates. Er geht langsam weiter. Niemand hinter ihm sagt etwas. Er hat diesem primitiven Rudel auf primitive Art gezeigt, dass er in diesem Corral der Bulle ist. Diese primitive Art verstehen sie. Es ist die einzige Art, die sie respektieren.
Ein paar Schritte weiter kommt Jim Oates zu einem verwitterten Felsen, der die Form und Größe eines ruhenden Rindes hat.
Hier wurde für Mrs Georgia Britt ein kleines Zelt aufgestellt. Es ist lächerlich klein, doch es verschafft Georgia Britt inmitten der Männer eine eigene Welt.
Jim Oates will vorbei, doch dann bemerkt er, dass der Zelteingang geöffnet ist. Er sieht die Umrisse von Georgia Britt.
Er hält an.
»Alles in Ordnung, Madam?«, fragt er.
»Gewiss«, erwidert sie. »Und damit es Sie beruhigt, Sergeant, Sie werden mich auf diesem Ritt nie klagen hören. Niemals!«
In ihrer Stimme ist ein Klang von Härte, aber auch von Einsamkeit und einem daraus erwachsenen Mut.
Der Sergeant hockt sich neben ihr nieder.
»Sie haben doch eine Waffe?«, fragt er.
»Einen 36er Revolver«, erwidert sie. »Und ich kann damit besser schießen als mancher Mann.«
Er nickt.
Dann fragt er trocken: »Würden Sie sich damit auch selbst erschießen, um nicht den Apachen in die Hände zu fallen?«
»Darüber dachte ich soeben nach«, erwidert sie.
»Und?« In seiner Stimme liegt eine deutliche Spannung.
»Ich gebe mich nicht auf, solange ich lebe«, sagt sie ruhig. »Und ich würde alles tun, um möglichst lange zu leben – alles! Ich würde sogar als weiße Frau unter und mit Apachen leben. Ich würde alles ertragen, denn ich würde bis zuletzt hoffen. Ich liebe das Leben zu sehr, Jim Oates. Ich würde mich nicht mal entehrt fühlen, nur etwas beschmutzt. Und wem gelingt es schon, unbeschmutzt durchs Leben zu gehen? Ihnen?«
»Nein«, sagt er rau. »Ich glaube«, fährt er sanfter fort, »dass Sie ein tüchtiges Mädchen waren – bis Sie auf die Idee kamen, einen Offizier der US-Kavallerie zu heiraten. Aber Sie sind mutig genug, um diesen Irrtum zu korrigieren. Von tausend Frauen würden neunhundertneunundneunzig an Ihrer Stelle aus den verschiedensten dummen Gründen bei diesem Irrtum geblieben sein bis an ihr Lebensende. Madam, ich werde alles tun, um Sie durchzubringen. Aber versprechen kann ich es nicht.«
Er will gehen.
Doch da fragt sie plötzlich: »Jim Oates, warum sind Sie Sergeant in dieser Armee? Warum wurden und blieben Sie ein Sergeant der Pferdesoldaten?«
Er verharrt. Sie glaubt zu spüren, dass er jetzt scharf nachdenkt und nach Erklärungen sucht.
Dann sieht sie seine weißen Zahnreihen in der Dunkelheit blitzen.
»Ach«, meint er, »ich war damals ein Säufer. Und mir war alles vollkommen gleichgültig. Ich war einer von diesen Strolchen, die bei der Armee am besten aufgehoben sind.«
Er ahnt, wie sie im Dunkeln den Kopf schüttelt.
»Ich glaube nicht, Sergeant«, murmelt sie, »dass Sie jemals in Ihrem Leben ein Strolch waren. Aber auf jeden Fall waren Sie aus irgendeinem Grund in einer schlechten Verfassung. War es wegen einer Frau?«
Er antwortet nicht sofort. Wieder denkt er lange nach. Aber es ist plötzlich etwas Gemeinsames zwischen ihm und ihr.
»Ja«, sagt er dann. »Sie war so schön wie Sie, Mrs Britt. Ich war damals noch recht jung – ein texanischer Cowboy, der kaum mehr als seinen Namen schreiben konnte. Sie war reich, gebildet und – ach, sie nahm mich mit in den Osten. Und dort wurde mir klar, was für eine traurige Niete ich war. Ich hätte nicht mal das Geld verdienen können, das sie für ihre kleinen persönlichen Einkäufe ausgab. Ich war nur ein texanischer Tiger, den sie sich aus dem wilden Texas mitgebracht hatte. Und was bedeuteten Sie für den Lieutenant John Britt, Georgia? Warum laufen Sie ihm weg?«
Seine beiden Fragen – obwohl sie unvermutet kamen – erschrecken sie nicht. Auch sie denkt eine Weile nach.
Endlich murmelt sie: »Ich war ein Mädchen aus den Saloons. John und ich glaubten, es würde nie herauskommen. Aber es kam heraus. John hatte eine erstklassige Chance. Er war Jahrgangsbester der Offiziersschule in West Point. Er hat einen General zum Onkel, dessen Einfluss groß ist. Seine Laufbahn war vorgezeichnet. Aber dann bekam eine der Offiziersfrauen heraus, dass ich mal für unrasierte und betrunkene Männer auf der Bühne sang und tanzte, dass ich in den Saloons die Karten austeilte und etwas war, was diese Damen als Flittchen bezeichneten. Da war es aus mit John Britts chancenreicher Laufbahn. Sein Onkel und seine anderen Gönner ließen ihn fallen. Er wurde nach Camp Yuata versetzt. Und er wird nach diesen zwanzig Jahren vielleicht als Captain seinen Dienst quittieren müssen, weil er nicht Major werden kann und für einen Captain nicht mehr die körperlichen Voraussetzungen erfüllt. Nach zwanzig Jahren Dienst im Arizona-Territorium ist ein Mann zu verbraucht, um noch Feldkommandos zu führen. Ich habe also John Britts Karriere ruiniert, seine ganze Zukunft erledigt. Er wusste, dass er ein Grenzoffizier bleiben würde – für immer. Und er begann mich dafür zu hassen. Ja, ich verlasse ihn. Die Scheidung wird gewiss nur eine Formsache sein, denn eine Frau, die böswillig einen Feldoffizier verlässt, muss ja schuldig sein. Nun, Jim Oates, jetzt wissen wir über uns Bescheid, nicht wahr? Wir sind beide irgendwie die gleichen Deserteure. Oder nicht?«
»Sie sind ein prächtiges Mädel«, murmelt er. »Und vielleicht ist Lieutenant John Britt nur noch zu jung – so wie ich damals. Vielleicht hat er noch nicht begriffen, dass er auf die Armee spucken und etwas anderes anfangen müsste. Wären Sie dann bei ihm geblieben und hätten ihm dabei geholfen, Georgia?«
»Nein«, sagt sie knapp. »Und Ihre Frau damals, Jim Oates, die half Ihnen auch nicht – oder wollte sie es?«
»Wir passten nicht zusammen«, erwidert er.
»Aber es tat Ihnen weh – und Sie wurden ein Trinker, dem alles gleich war und der zur Armee ging?«
»Ja, ich war betrunken, als ich die Verpflichtung unterschrieb«, murmelt er. »Doch ich hielt den Vertrag mit der Armee. Ich lernte sie verachten und blieb ihr dennoch treu. Das ist das Verrückte. Georgia, ich wünsche Ihnen Glück.«
Nach diesen Worten geht er davon.
Sie verharrt noch eine Weile bewegungslos. Dann seufzt sie leise.
☆☆☆
Als sie aufbrechen, schickt Jim Oates die beiden Revolvermänner Slim Bridger und Sloan Slade als Vorhut voraus. Sie gehorchen ihm ohne ein Widerwort.
Er führt sein Kommando weiter auf die Bear und Red Mountains zu, zwischen denen hindurch sich der gefährliche Weg nach Fort Apache und zum San-Carlos-Reservat schlängelt.
Der erste Überfall kommt gegen Mittag, als die Hitze besonders schlimm und die Müdigkeit kurz vor der Mittagsrast am größten ist.
Sie müssen durch einen schmalen Canyon. Ihnen bleibt keine andere Wahl.
Die Apachen sind ganz plötzlich da. Es gab vorher nicht die geringsten Anzeichen, keine Warnung – nichts.
Die Indianer springen aus dem Gestrüpp am Rand der Canyonwände. Sie kommen hinter den roten Felsen hervor und tauchen aus dem dichten Grün auf.
Oben auf den Rändern des Canyons erscheinen Scharfschützen, die den Angriff der Nahkämpfer unterstützen.
Es wird schlimm.
Aber schon bald wirbelt der Staub so hoch auf, dass die Scharfschützen von den Canyonrändern kaum noch Freund und Feind unterscheiden können.
Die Soldaten kämpfen zuerst verzweifelt, dann mit zunehmendem Selbstvertrauen und immer größerem Erfolg. Ihre Revolver krachen, und als ihre Waffen leer geschossen sind, nehmen sie ihre Kavalleriesäbel. Sie schlagen sich den Weg frei, dem die beiden Wagen folgen.
Die Nachhut aber bilden die fünf Zivilisten. Mit ihren neun Revolvern richten sie die Hölle an. Mögen sie auch Strolche, Banditen, Skalpjäger und ganz gewiss keine Ehrenmänner sein – als Kämpfer geben sie bei diesem Angriff den Ausschlag.
Ihre Colts krachen noch, als die Soldaten schon mit den Säbeln kämpfen müssen. Sie verschwenden keine einzige Kugel. Fast jeder Schuss von ihnen trifft.
Der Sergeant führt sein Kommando aus dem Canyon hinaus und lässt auf der Ebene halten.
Drei Soldaten fehlen.
Sie stürzten im Canyon getroffen von den Pferden und sind verloren. Vier Soldaten sind mehr oder weniger schlimm verwundet. Auch zwei der Zivilisten bluten.
Der Fahrer, neben dem Georgia Britt sitzt, fällt jetzt stöhnend von seinem Sitz nach hinten in den Wagen.
Georgia lädt noch ihren Revolver auf. Sie hat ihn leer geschossen und merkte nichts vom Zustand des Fahrers.
Jim Oates nickt dem Provost-Corporal zu. »Jetzt fährst du den Wagen, Higgins! Vorher schließt du die Soldaten und Arrestanten Cash Shennahan und Lot Kilham los! Sie treten ab sofort wieder in Dienst! Habt ihr das verstanden, ihr zwei?«
Seine Frage ist an die Arrestanten gerichtet, die vom Wagen aus zu ihm herübergrinsen.
»Yes, Sir!«, sagt Shennahan sofort. »Ohne uns geht es nicht mehr. Haben Sie keine Angst, Sergeant, dass wir zu den Apachen überlaufen?«
»Nein. Wir ziehen jetzt weiter bis zu der Baum- und Felsengruppe dort eine Viertelmeile voraus. Da halten wir Mittagsrast und kümmern uns um unsere Verwundeten und Toten. Vorwärts!«
Die Hitze ist erbarmungslos. Menschen und Tiere sind froh über den Schatten, den die paar Bäume und Felsen spenden. Zwischen den Felsen gibt es sogar eine kleine, aber spärliche Quelle. Das sich sammelnde Wasser wird stündlich nur etwa sechs Wasserflaschen füllen können. Sie können also ihre Wasservorräte nicht ergänzen.
Die Luft flimmert vor Hitze.
Von den Apachen ist nichts zu sehen.
Aber sie sind da. Das ist sicher.
Sergeant Oates hockt dicht beim Felsen unter einem Busch, hat den verbogenen und fast wie ein Cowboyhut wirkenden Feldhut über die Augen gezogen und schläft.
Er holt in dieser kurzen Stunde Mittagsschlaf seine Nachtruhe nach.
Fast alle Soldaten schlafen nach einer Weile. Hunger hat kaum jemand.
Irgendwann ist Georgia Britt mit dem Verbinden und Versorgen der Wunden fertig. Sie nimmt die Decke, legt sie in den Wagenschatten und streckt sich darauf aus.
Nur zwei Posten wachen über dem Camp. Sie befinden sich auf zwei Felsen und können von dort weit in die Runde sehen.
Nicht einmal ein Kaninchen könnte sich unbemerkt dem Rastplatz nähern.
So unsicher die vergangene Nacht für jeden Menschen im Camp war – jetzt ist es anders.
Deshalb schlafen sie alle.
Auch der Provost-Corporal Drago Higgins schläft. Er hat die fünf indianischen Gefangenen nach bewährter Art als menschliche Kette zwischen den Wagenrädern befestigt. Und da die Handschellen absolut zuverlässig sind, braucht er sich keine besonderen Sorgen zu machen.
Die beiden äußeren Indianer, deren Handgelenke mit den Handschellen an den Radspeichen befestigt sind, müssten die Radspeichen herausbrechen, um frei zu kommen. Doch dann wären die fünf Gefangenen immer noch miteinander verbunden.
Der ehemalige Kopfgeld- und Skalpjäger Sam Stanley verlässt plötzlich den Platz, an dem er kauerte und döste. Es sieht so aus, als suchte er den Schatten des Wagens. Er rollt sich unter den Wagen, bis er dicht hinter den fünf Gefangenen liegt.
Sam Stanley bleibt eine Weile bewegungslos im Wagenschatten liegen.
Sein Freund und Partner Billy Ringloke, der nicht weit entfernt mit dem Exrancher Gannaway unter einem Busch etwas Schatten fand, hebt den Kopf und blickt herüber. Dann sichert er in die Runde und nickt leicht.
Stanley sieht es zwischen den Gefangenen hindurch. Er beginnt zu sprechen und benutzt dabei das hier im Grenzland zwischen Weißen und Indianern übliche Durcheinander von englischen, spanischen und indianischen Sprachbrocken.
Was er sagt, hört sich etwa so an: »Hoi, ihr Hundefresser, ihr steckt ganz hübsch in der Klemme. Und einer von euch ist der große Saguaro persönlich. Aber so groß, dass er zaubern kann, ist er auch wieder nicht. Er muss es sich gefallen lassen, dass man ihn angebunden hat wie einen Esel. Wenn der Sergeant mit seinen Pferdesoldaten und uns noch mehr in die Klemme gerät, lässt er euch erschießen oder besorgt das selbst. Ihr seid wie fünf Fische in einem Tümpel, dessen Wasser verdunstet, und deshalb müsst ihr ohne Hilfe bald tot in der Sonne stinken.«
Sie geben ihm zuerst keine Antwort, und ein unerfahrener Mann hätte an seiner Stelle jetzt angenommen, gar nicht verstanden worden zu sein. Er hätte die Roten für taub und stumm gehalten oder sich gefragt, welche Sprache er wohl sprechen musste, um verstanden zu werden.
Aber Sam Stanley lacht nur leise.
Er weiß, dass die fünf roten Hombres eine Art Apachenpoker mit ihm spielen. Aber da er eine Weile mit einem Apachenmädchen lebte, kennt er sich aus. Er bleibt still liegen, atmet sogar tiefer, als schliefe er ein.
Dann hört er eine kehlige Stimme fragen, »Willst du uns helfen, du Borracho? Und warum? Du bist doch ein Skalpjäger, der Mexikanerskalpe für Apachenskalpe ausgibt. Du bist zu feige, um richtige Apachen zu jagen, Mexikaner lassen sich leichter töten. Was willst du?«
»Das Gold der Aurora-Mine, die ihr überfallen und ausgeraubt habt, bevor die Armee euch überraschend in der Falle hatte und es für euch nur die Möglichkeit gab, zu sterben oder sich zu ergeben. Das Gold der Mine wurde nicht bei euch gefunden. Also habt ihr es versteckt. Wir wollen es haben. Dann helfen wir euch.«
»Wie, du cucaracha blanca?«
Sam Stanley lacht leise. »Du schimpfst mich einen Borracho, einen Saufbold, und jetzt nennst du mich eine weiße Kakerlake. Glaubst du, dass dies die richtige Art ist, mit einem Geschäftspartner zu verhandeln? Wir machen ein Geschäft, Hombre, sonst nichts. Ihr braucht unsere Hilfe, und wir wollen das Gold. Wer von euch ist Saguaro?«
Er bekommt auf seine Frage keine Antwort.
»Na schön«, meint er, »du, der du mit mir sprichst, bist es bestimmt nicht. Denn der richtige Saguaro ist gewiss zu stolz, um mit einem Skalpjäger zu reden. Das überlässt er einfacheren Hombres. Wir werden dich heute nach Mitternacht freilassen. Dann kannst du aus dem Camp schleichen und dafür sorgen, dass man das Gold herbeischafft. Wir erreichen in zwei Tagen die Bonita-Quelle. Das Gold soll zehn Schritte östlich der Quelle am Fuß des roten Felsens vergraben werden. Wenn wir es im Laufe der Nacht dort finden, lassen wir auch die restlichen vier Burschen von euch frei. Wir bekommen diese stählernen Armbänder leicht auf. Wir besitzen den gleichen Schlüssel wie der Corporal der Pferdesoldaten. Also, Hombres, was ist?«
Sie antworten wieder eine lange Zeit nicht.
Sie denken nach.
Dabei blicken sie auf die Stelle, wo Sergeant Jim Oates hockt und sein Mittagsschläfchen hält.
Sie überlegen lange.
Wahrscheinlich kommen sie zu der Erkenntnis, dass dieser rothaarige und dunkelgesichtige Sergeant mit seinen Pferdesoldaten noch eine Menge Apachen töten wird.
Vielleicht wird er auch sie noch in letzter Sekunde töten, sodass ihre Krieger sie nur als tote Männer befreien können.
Ja, diesem Sergeant trauen sie eine Menge zu.
Vielleicht sollte man mit diesem Borracho wirklich ein Geschäft versuchen. Denn das Gold könnte man danach vielleicht zurückbekommen.
Der Sprecher sagt nach einer langen Pause: »Also abgemacht, wir werden ein Geschäft machen, Gringo.«
☆☆☆
Der Tag vergeht ohne weitere Zwischenfälle. Nicht ein einziger Apache ist zu sehen. Der heiße Tag nähert sich dem Ende, während sie durch die Bear und Red Mountains reiten.
Die alte Straße ist staubig und führt durch wildes Land mit Dutzenden von Winkeln, die sich für Hinterhalte eignen.
Die beiden Reiter der Vorhut wechseln sich stündlich mit anderen Reitern ab. Aber es geschieht nichts.
Sollten die Apachen nach dem ersten Angriff genug haben? Kostete sie dieser Angriff zu viele Tote?
Jim Oates glaubt es nicht.
Er reitet mal vor dem Zug, dann daneben, dann ganz hinten.
Immer, wenn er an dem Wagen vorbei muss, in dem Georgia Britt mitfährt und sich um die Verwundeten kümmert, nickt er ihr zu oder lächelt beruhigend.
Sie erwidert sein Lächeln ernst, doch auf eine Art, als wären sie schon seit vielen Jahren miteinander vertraut und als brauchte er keine großen Zeichen von ihr. Er spürt dennoch, dass sie eine Frau ist, die mehr geben könnte, als sie nimmt, und dass sie viel Wärme besitzt.
Er denkt manchmal: Dieser Lieutenant John Britt ist ein Narr. Er hätte seinen Abschied nehmen können. Keiner zwang ihn dazu, bei der Armee zu bleiben, für die seine Frau wegen ihrer Vergangenheit nicht gut genug war. Dieser Narr lässt sich von der Armee wie der letzte Dreck behandeln. Georgias Stolz war größer als seiner, denn sie lief fort. Wenn wir lebend an unser Ziel kommen, werde ich sie fragen, ob sie nicht mit mir ein Stück gemeinsam des Weges ziehen will. Sie und ich, oha, wir könnten gute Weggefährten werden.
Sie finden gegen Abend einen guten Platz für die Nacht. Es ist eine kleine Felsengruppe an einem Creek, dessen Wasserfall einige Meilen weiter nördlich vom Mogollon Rim niederkommt.
Die Felsen muten wie eine versteinerte Büffel- oder Pferdeherde an, in der einige Tiere hoch auf der Hinterhand stehen.
Der Sergeant gibt ruhig seine Anweisungen und teilt die Wachen ein.
Sie wagen es, ein Kochfeuer zu machen, denn sie brauchen ein kräftiges Essen. Nachdem die Hitze des Tages schwindet, stellt sich auch der Hunger ein. Aber sie lassen das Feuer bald wieder ausgehen. Es ist still im Camp. Auch die Pferde machen nur wenige Geräusche. Der Sergeant geht immer wieder seine Runde, verharrt oft lange bei den Posten und lauscht, wittert und starrt in die langsam heller werdende Nacht.
Als er bei Tom Barney ankommt, fragt dieser nach einer Weile: »Was meinst du, General? Sind sie draußen? Haben sie uns eingekreist? Oder sind wir allein auf weiter Flur?«
»Allein?«, fragt Jim Oates bitter. »Aus diesem Camp käme nicht mal eine Katze unbemerkt hinaus. Sie haben uns eingekreist und warten auf Verstärkung. Ihre Verluste sind zu hoch. Sie brauchen Hilfe. Aber es ziehen überall Kriegshorden durchs Land wie Wolfsrudel. Nur so können sie die Armee aufsplittern und einen Guerillakrieg führen. Ich wette, dass schon einige Rudel unterwegs sind, um die Horde hier zu verstärken. Wenn sie zur Stelle sind, werden uns die Roten wieder angreifen. Das kann schon in der Morgendämmerung sein.«
»Vielleicht hätten wir die Wagen zurücklassen und einen Gewaltritt riskieren sollen«, murmelt Tom Barney.
Er kann undeutlich erkennen, wie Oates den Kopf schüttelt.
»Wir kommen nicht durch«, sagt er dann. »Wir müssen über den Poker Pass zur Straße nach Fort Bowie, die von Fort Apache her nach Süden verläuft. Auf dieser Straße müssen wir durch den Black River nach Fort Apache nach Norden. Es ist ein Umweg. Doch es ist der einzige Weg, auf dem wir stets einigermaßen freies Schussfeld haben. Die Apachen können niemals näher als dreißig Sprünge von uns entfernt auftauchen. Für diesen Umweg sind unsere Tiere nicht zäh genug. Wir müssen zwei Tagesritte näher an Fort Apache heran, bevor wir den Gewaltritt wagen können. In Luftlinie ist es ja alles sehr nah, aber in diesem Land muss man manchmal mächtige Umwege machen. Wem sage ich das eigentlich?«
Er geht davon.
Später hockt er sich einen Moment zu Georgia.
»Wie geht es Ihnen, Georgia?«
»Werden wir es schaffen, Jim Oates?«, fragt sie zurück.
»Vielleicht«, sagt er. »Morgen biegen wir nach Süden ab. Es ist ein großer Umweg, doch wir müssen durch offenes Gelände reiten, sonst geraten wir in eine schlimmere Klemme als heute kurz vor Mittag. Vielleicht wären Sie doch besser in Camp Yuata geblieben, bei Lieutenant John Britt.«
»Warum sagen Sie das, Jim?«, fragt sie ohne Bitterkeit, und sie hat eine Spur von nachsichtiger Geduld in ihrer Stimme.
»Verzeihen Sie mir«, sagt er. »Doch ich beginne immer mehr darüber nachzudenken, was für ein großer Hammel dieser Lieutenant John Britt ist. Zum Teufel mit der Armee, wenn man ein Mädel wie Sie zur Frau bekommt! Dann lohnt es sich doch, etwas in Gang zu bringen.«
»Was denn, Jim Oates?«
»Nun, eine Goldmine zu finden, eine Bank zu berauben, eine Ranch zu gründen, eine Eisenbahn zu bauen – oder wer weiß noch was. Irgendetwas, das für hohen Einsatz großen Gewinn bringen muss. Und Sie würden helfen, Georgia, oder?«
»Vielleicht«, sagt sie. »Jim, Sie haben sich wohl immer eine Frau gewünscht, die mit Ihnen etwas riskiert. Es war für Sie grundfalsch, sich eine reiche Prinzessin zu nehmen. Warum taten Sie das?«
»Sie wollte mit mir in einer einsamen Hütte leben und Rinder züchten«, erwidert er. »Aber nach acht Wochen war es ihr nicht mehr danach. Würden Sie mit einem Mann in einer einsamen Hütte leben, Georgia?«
»Nein«, sagt sie. »Wenn ich das gewollt hätte, wäre ich nicht in die Saloons und Tingeltangels gegangen. Als ich John Britt kennenlernte, saß ich in einer Überlandpost und sah aus wie eine Lady. Er konnte nicht wissen, zu welcher Sorte ich gehörte. Als ich es ihm später sagte, da wollte er es nicht mehr wissen. Nein, Jim, ich würde nicht in einer einsamen Hütte leben können. Das konnte ich auch in Camp Yuata haben. Sie überschätzen mich, Jim. Ich war ein Mädchen aus dem Tingeltangel. Und eine Bastardhündin bleibt eine Bastardhündin.«
Er lacht leise zu diesen bitteren Worten.
»Georgia – wenn wir durchkommen …«
»Keine Pläne«, unterbricht sie ihn. »Keine Pläne, Sergeant!«
Er kommt plötzlich wieder zur Besinnung. Ja, er erkennt, dass er soeben einige Wünsche spürte, weil er all die Jahre einsam war.
»Sicher«, murmelt er. »Das ist wohl besser so.«
Dann geht er weiter.
☆☆☆
Es bleibt ruhig und still bis zwei Stunden mach Mitternacht.
Dann erst stellt der Provost-Corporal Drago Higgins fest, dass einer der indianischen Gefangenen fehlt.
Er alarmiert das Camp.
Doch der Gefangene ist fort. Seine Handschellen, mit denen er links an eine Radspeiche und rechts an einen anderen Gefangenen geschlossen war, wurden offenbar mit einem Schlüssel geöffnet. Die Handschellen der vier anderen Gefangenen sind noch ordnungsgemäß geschlossen.
Der Sergeant Jim Oates steht vor einem neuen Problem.
Es ist ihm klar, dass der Indianer befreit wurde.
Aber von wem?
Der Provost-Corporal schwört, dass er dieser Narr nicht war. Man hätte ihm auch die Handschellenschlüssel nicht stehlen können, da er sie an einer Kette am Hals trage und sie immer noch vorhanden wären.
Sergeant Oates sagt nichts. Aber er weiß, dass man solche Handschellen auch mit einem Stück Draht öffnen kann, wenn man sich einigermaßen mit Schlössern und ganz besonders mit Handschellenschlössern auskennt.
Aber Apachen kennen sich bestimmt nicht damit aus. Das ist unwahrscheinlich.
Also wurde der Apache von einem Soldaten oder einem Zivilisten befreit.
Als der Sergeant mit seinen Gedanken so weit ist, vollzieht sich ein weiteres Denken von diesem Moment an in der richtigen Richtung.
Er hat alles begriffen.
Er verdoppelt nur die Wachen und fragt den Provost-Corporal, ob er weiß, was ihm blühte, wenn noch ein weiterer Gefangener verschwinden würde.
Dann legt er sich wieder hin und schläft bis zum Morgengrauen. Er muss damit rechnen, dass die Apachen einen Angriff wagen.
Doch es erfolgt kein Angriff. Jim Oates hatte das erwartet, wenn er sich auch auf das Gegenteil vorbereitete. Da kein Angriff erfolgt, glaubt er nun noch fester an seine Vermutungen.
Rund um das Camp scheinen überhaupt keine Apachen mehr vorhanden zu sein. Dennoch sind sie da.
Der Aufbruch vollzieht sich bald darauf ohne jeden Zwischenfall.
Diesmal bestimmt der Sergeant zwei Soldaten als Vorhut, und als die Kolonne in Marsch ist, bleibt er zurück, bis er neben den fünf Zivilisten ist, die wie immer am Schluss reiten.
Dafür, dass sie von hinten stets einen guten Überblick haben, schlucken sie gern den Staub. Außerdem ritten bisher stets zwei von ihnen als Vorhut.
Sie begreifen, dass der Sergeant mit ihnen reden will. So nehmen sie ihn in die Mitte und bilden um ihn ein loses Rudel.
Er blickt nach rechts auf Sam Stanley und nach links nach Sloan Slade, die Steigbügel an Steigbügel neben ihm reiten. Er lächelt sie hart und ohne Freundlichkeit an. Dann sagt er: »Das habt ihr gut gemacht, Jungs! Wer von euch ist denn der Künstler, der es mit einer Haarnadel, einer verbogenen Uhrfeder oder gar mit einem Universalschlüssel schaffte? Sagt es mir schon! Wer war dieser Künstler?«
Sie grinsen zurück.
»Aber Sergeant«, meint Sam Stanley, »wie können Sie nur solche Dinge von uns denken? Warum sollten wir denn einen von diesen roten Affen befreien? Vielleicht war es sogar der echte Saguaro, wenn man in Camp Yuata den falschen hängte. Wie kämen wir dazu, solch eine Sache zu riskieren?«
Er grinst sie noch stärker an. Doch in seinen grauen Augen ist Härte.
»Wegen des Goldes«, entgegnet er, »das die Roten aus der Aurora-Mine raubten. Bevor die Armee sie einkreiste und sie sich ergaben, versteckten sie es gut. Es sind für mehr als hunderttausend Dollar in Gold. Ihr habt einen Gefangenen befreit, damit er es für euch heranschafft. Denn ihr verspracht sicher, dann auch die vier anderen zu befreien. Jungs, ich bin mir vollkommen über euch klar. Ich weiß, dass ihr es wart, und ich kenne auch euer Motiv. Mich interessiert nur, wer der Kunstschlosser ist.«
»Und dann?«, fragt Sam Stanley lauernd.
Abermals grinst der Sergeant.
»Vielleicht will ich einen Anteil«, sagt der Sergeant. »Ich habe meinen Entlassungsschein schon in der Tasche. Ich könnte rund zwanzigtausend Dollar nicht weniger gut gebrauchen als jeder von euch. Vielleicht halte ich aber auch meinen Vertrag mit der Armee so sehr ein, dass ich das Gold sicherstellen möchte. Deshalb müsste ich das, was ihr in Gang brachtet, gutheißen. Irgendwie werdet ihr zum Gold kommen – und dann habe ich die Wahl. Ich kann mitmachen oder euch das Gold abnehmen und verhindern, dass ihr die Gefangenen laufen lasst. Wir alle sind Pferdesoldaten, und ich allein führe euch. Ohne mich könnt ihr nichts machen. Wo sollen denn die Apachen das Gold hinbringen? Welchen Platz habt ihr ausgemacht? Ich könnte mich immerhin zu einem ganz anderen Weg entschließen. Wohin müssen wir denn reiten? Müssten wir auf dem geraden Weg nach Fort Apache bleiben?«
Sie überlegen. Und sie begreifen, dass er sie durchschaut hat und es leicht für ihn ist, einen weiten Umweg zu machen. Sie aber haben sich auf gut Glück für die Bonita-Quelle entschieden.
Der Exrancher Robert Gannaway drängt sein Pferd plötzlich von hinten zwischen Oates’ und Stanleys Tier.
»Wir müssen zur Bonita-Quelle, Sergeant«, sagt er. »Und ich will, dass wir die Apachen reinlegen. Sie, Sergeant, wären dumm, wenn Sie zwanzigtausend Dollar sausen ließen.«
»Ja, dann wäre ich dumm«, erwidert Oates und reitet nach vorn.
Die vier Revolvermänner nehmen Gannaway in die Mitte.
»Du verdammter Kuhzüchter!«, zischt Sloan Slade wütend. »Warum hast du auch noch zugegeben, was er vermutete? Und warum …«
»Ach, wir müssen zur Bonita-Quelle«, unterbricht ihn Stanley. »Der Sergeant wäre vielleicht einen anderen Weg geritten. Aber wir mussten den Apachen einen Ort nennen. Nun sind wir wenigstens sicher, dass wir zur Bonita-Quelle reiten. Was dort sein wird, werden wir schon sehen. Wir wollen das Gold, und wir wollen kämpfen. Wir fürchten uns nicht vor den Roten. Ein paar von uns werden schon davonkommen. Lohnt sich dieses Glücksspiel vielleicht nicht?«
Als er verstummt, hat keiner etwas dagegen zu sagen.
☆☆☆
An diesem Tag sehen sie keinen einzigen Apachen.
Auch Fährten entdecken sie nicht.
Sergeant Jim Oates denkt fortwährend darüber nach. Er weiß, dass dies eine Art Apachenpoker ist. Der besondere Witz an der Sache ist, dass sich vor ihnen ein paar Berge und Hügelrücken befinden, die man Poker Mountains nennt.
Der Sergeant ahnt schon, dass dort die Apachen mit ihnen Poker spielen werden.
Glauben sie daran, dass auch die vier anderen Gefangenen freigelassen werden, sobald die Weißen das Gold besitzen, oder bluffen sie ebenfalls nur und wollen die Pferdesoldaten in Sicherheit wiegen?
Beides kann möglich sein.
Sie werden es erst wissen, wenn sie an der Bonita-Quelle ankommen.
Immer, wenn der Sergeant im Laufe dieses Tages seine Abteilung an sich vorbeiziehen lässt, sieht er auch die Gefangenen an.
Sie starren mit schmalen Augen zurück und wirken beherrscht und stolz. Es geht eine Strömung von Drohung und Unheil von ihnen aus.
Immer wieder versucht Jim Oates abzuschätzen, wer wohl Saguaro sein mag.
Die vier sind ungefähr gleichaltrig, von fast gleicher Größe und gleichem Körperbau, gedrungen, untersetzt, drahtig und nicht schwerer als hundertzwanzig bis hundertvierzig Pfund. Sie tragen ihr Haar schulterlang, Stirnbänder, Lederwesten, Leinenhemden, Leinenhosen und Apachenstiefel. Da sie ihre Hemden über den Hosen hängen haben, glaubt man, sie trügen kurze Röckchen. Bunte Halstücher, Amulette, Halsketten, Ringe und Bänder geben ihnen ein heidnisches Aussehen.
Der Sergeant schätzt sie auf etwa dreißig Jahre. Das ist für Apachen ein ziemlich reifes Alter, da ihre Lebenserwartung nicht so hoch ist wie die der Weißen. Dreißigjährige Apachen sind mit vierzigjährigen Weißen zu vergleichen.
Aber wer von ihnen ist Saguaro?
Der Sergeant gäbe viel darum, das zu erfahren.