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G.F. Unger ist der erfolgreichste deutschsprachige Western-Autor. Mit einer Rekordauflage von über 250 Millionen Exemplaren gehört er zur internationalen Spitzenklasse der Spannungsliteratur. Und das zu Recht!
Niemand vermag es wie er, die unermesslichen Weiten des amerikanischen Westens und die Stärke der unerschrockenen Männer, die sie erschlossen, zu beschreiben. Erleben Sie den amerikanischen "Wilden Westen", wie nur G.F. Unger ihn schildern kann: hart, authentisch, leidenschaftlich.
Dieser Sammelband enthält die Folgen 2449 bis 2451:
2449: Stirb langsam, Spade
Als Hernán de Salvador und seine Pistoleros mich in der Falle hatten, schien es keine Chance mehr für mich zu geben ...
2450: Ohne Kämpferlohn
Um nicht von den Donovans zerbrochen zu werden, ritt Eliot Murray als Junge fort - doch als Mann kehrte er zurück und stellte sich der Satans-Sippe ...
2451: Der Weg nach El Paso
Ich hatte mich von Banditen überraschen und mir das Gold abnehmen lassen, das ich nach El Paso bringen sollte. Und ohne die schöne Sue Freeman wäre ich verloren gewesen ...
Der Inhalt dieses Sammelbands entspricht ca. 192 Taschenbuchseiten.
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Seitenzahl: 466
Veröffentlichungsjahr: 2021
G. F. Unger
G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 34
Cover
Impressum
Stirb langsam, Spade
Vorschau
Stirb langsam, Spade
Das Erwachen war schlimm. Sie traten mich von zwei Seiten. Mein Schädel schien explodieren zu wollen. Ich musste mich übergeben.
Wie aus weiter Ferne hörte ich eine heisere Stimme sagen: »Hört auf! Sonst ist er tot, bevor er weiß, von wem er es bekam. Aber er muss wissen, wer ihn bestrafte! Er muss es wissen, bevor er stirbt, dieser Cabron!«
Der Sprecher sprach jenes Mexiko-Spanisch, welches ich fast so gut wie ein echter Mexikaner beherrschte.
Sie ließen von mir ab. Und weil ich mich langsam erholte, wusste ich bald, in wessen Hände ich wie ein dummer Hammel gefallen war.
Ja, es war dieser Hernán Salvador mit seinen Freunden. Sie hatten mich eingeholt …
Ich kroch zur Wasserstelle und erfrischte mich, wusch mein Gesicht und legte mir dann das nasse Halstuch auf die Beule am Kopf. Jemand musste mir einen Gewehrlauf über den Kopf geschlagen haben.
Sie ließen mir Zeit, sodass ich mich einigermaßen erholen konnte.
Doch meine Rippen schmerzten. Einige waren gewiss angeknickt durch die bösartigen Tritte. Mein Kopf schmerzte.
Ich sah die Kerle an.
Es waren fünf, und man konnte es wahrscheinlich so ansehen, dass es sich um eine Art »Fürstensohn« mit seinen »Spielgefährten« handelte.
Ja, das war gewiss kein übertriebener Vergleich. Denn Francisco de Salvador lebte drüben in Mexiko wie ein Fürst in seinem Reich, welches so groß war, dass es sich auch über die Grenze hinweg auf amerikanisches Territorium erstreckte.
Und dieser Hernán war sein Sohn.
Während der großen Hochzeitsfeier in Santa Rosa hatte ich ihn nur für einen besonders eitlen Burschen gehalten, einen dieser mexikanischen Dandys, die sich nobel herausputzen und hinter denen in Wirklichkeit nicht viel steckt.
Doch jetzt wusste ich besser Bescheid.
Er grinste mich an – und dieses Grinsen war nicht freundlich, denn ich hatte ihm mit der Faust die Lippen gespalten.
Ich sagte: »Nun, jetzt sind wir wohl quitt, nicht wahr? Jetzt sollten wir uns wieder vertragen.«
Er grinste stärker. Auch seine Freunde und Begleiter grinsten. Ich sah sie mir an und erkannte an ihnen die Zeichen meiner Fäuste.
Ich begann zu begreifen, in welcher Klemme ich war.
Denn dieser Hernán war mein Todfeind. Er konnte mir nicht verzeihen.
»Quitt? Das sind wir erst, wenn du in der Hölle bist. Du hast uns verprügelt wie dumme Jungs. Du konntest das nur, weil wir betrunkener waren als du – aber das wissen die Leute von Santa Rosa nicht. Zumindest werden sie dies nicht als Entschuldigung gelten lassen. Nein, man wird sich bald im ganzen Land erzählen, dass bei der Hochzeit in Santa Rosa ein verdammter Gringo El Toros Sohn Hernán de Salvador und seine vier Begleiter verprügelt hat, als wären sie nur dumme Hosenvollmacher. Meinem Vater wird das zu Ohren kommen. Es geschieht nichts in diesem Land, was ihm nicht früher oder später bekannt wird. Du wirst zur Hölle fahren müssen, mein starker Amigo.«
Nun wusste ich es. Und ich begriff, dass er nicht bluffte.
Er war der selbstherrliche Sohn eines Despoten, und er war verrückt vor Hass.
Er wandte sich ab, zog dabei seinen Colt und erschoss meine Pferde. Er ließ dabei nicht das geringste Zögern erkennen.
Nun begriff ich, was ihm fehlte. Denn ein Bursche, der es fertigbringt, unschuldige Tiere zu töten – nun, dem fehlt jedes Gefühl für Schonung und Duldung. Solch ein Bursche gebraucht seine Stärke nicht, um Schwache zu schützen, sondern geht rücksichtslos seinen Weg.
Er tötete mein Sattelpferd und dann die drei anderen Tiere mit vier raschen Schüssen. Ja, schießen konnte er.
Er lud dann seinen Revolver nach und wandte sich mir wieder zu.
»Zieh dich aus«, sagte er. »Ich will dich nackt sehen, mein starker Amigo. Oder sollen dir meine Muchachos die Kleider vom Leib reißen?«
Also gehorchte ich.
Was blieb mir übrig?
Einer von ihnen machte ein Feuer. Das war leicht, denn in der näheren Umgebung gab es einige trockene Büsche und anderes verdorrtes Zeug. Sie warfen all mein Zeug in das Feuer – auch meinen Sattel und meine Waffen, meine gesamte Ausrüstung.
Das Feuer rauchte mächtig. Manchmal war der Rauchpilz schwarz und fett.
Ich sah zu ihm empor und dachte daran, dass es in diesem Land streifende Apachen gab, auch Banditen. Und wenn solche Burschen diesen schwarzen Rauchpilz sahen, dann würden sie sich fragen, was es mit ihm für eine Bewandtnis hatte.
Aber was ging mich das an? Und was konnte mir das noch helfen?
Nichts mehr konnte mir helfen, gar nichts mehr.
Ich überlegte, ob ich die fünf Kerle angreifen sollte, um ihnen wenigstens noch einmal einen letzten Kampf zu liefern. Doch auch dazu war es schon zu spät.
Sie wandten sich ihren Pferden zu, strebten also auseinander und saßen geschmeidig auf. Sie nahmen ihre Lassos von den Sattelhörnern.
Und dann bestraften sie mich.
Als ich endlich zerschunden am Boden lag, sprach Hernán de Salvador auf mich nieder: »Nun, jetzt hast du wohl genug für alle Zeit. Stirb langsam, Spade. Nicht wahr, dein Name ist Spade? Stirb also langsam, Spade. Und denk an mich dabei.«
Dann ritten sie fort.
Und ich verlor für eine Weile das Bewusstsein.
☆☆☆
Die Sonne war schon verschwunden – doch das Abendrot stand noch am westlichen Himmel, als ich erwachte, zur Quelle kroch und meine Wunden kühlte. Sie hatten mich mit den Lassoenden gepeitscht und immer wieder umgeritten, bis ich wehrlos am Boden lag.
Das Wasser tat gut. Es erfrischte, kühlte und linderte die vielen Striemen und Wunden. Ich fluchte und stöhnte abwechselnd.
Dann wurde mir klar, dass ich nicht an dieser Quelle bleiben konnte.
Denn ich war nackt und wehrlos. Zu einer Quelle in diesem Land aber kam auch vierbeiniges und zweibeiniges Raubwild, also Wölfe, Pumas oder gar Apachen.
Hernán de Salvador hatte mir ein langsames Sterben gewünscht. Nun, sein Wunsch konnte in Erfüllung gehen in dieser Nacht.
Ich überlegte, wohin ich gehen sollte und wie ich am schnellsten unter Menschen gelangen könnte.
Wahrscheinlich war der Weg zurück nach Santa Rosa für mich die einzige Möglichkeit. Ich war all die Meilen geritten. Vielleicht konnte ich sie zu Fuß schaffen. Aber ich war nackt. Die Sonne würde mich verbrennen. Wenn ich mich also auf den Weg machen wollte, dann musste dies sofort geschehen. Ich musste die kühle Nacht ausnutzen.
Doch wollte ich überhaupt nach Santa Rosa zurück?
Ich kauerte nackt an der Quelle, kühlte meine Wunden und dachte nach. Nein, ich wollte nicht nach Santa Rosa.
Denn die Banditen waren gewiss nicht weit geritten.
Mir selbst war das ja auch sehr schwer gefallen nach dem langen Fest und dem bösen Rausch. Nein, ich konnte wetten, dass sie nur noch wenige Meilen geritten waren. Sie waren mir näher als Santa Rosa in der anderen Richtung.
Und so machte ich mich auf den Weg.
Es gab keine andere Möglichkeit, wollte ich überleben.
Ja, ich musste – nackt und ohne Waffen, wie ich war – gegen diese fünf Schufte mein Glück versuchen. Die einzige Chance, die ich hatte, war, dass sie dies von mir niemals erwarten würden. Es war auch anzunehmen, dass sie nicht weniger tief und fest schlafen würden als ich am Nachmittag, als sie mich überrumpelten.
Ich ging Schritt für Schritt, Meile um Meile.
Manchmal wollte ich aufgeben, doch ein grausam gegen mich selbst gerichteter Wille beherrschte mich.
Hernáns letzte Worte waren immerzu in meinem Sinn.
»Stirb langsam, Spade«, hatte er gesagt.
Nun, vielleicht würde ich langsam sterben auf diesem Weg.
Ich quälte mich weiter und weiter – und dann endlich witterte ich das Feuer.
Ich ging sofort dicht bei einem Busch in die Hocke und verhielt im Mondschatten. Rauch! Das war ein scharfes Signal. Es konnten nur die fünf rauen Burschen sein, deren Feuer ich witterte.
Was nun?
Ich war einige Meilen gelaufen, und ich war ein kranker, zerschundener Mann, nackt und ohne Waffen.
Indes ich so hockte, hörte ich in einiger Entfernung einen Wolf heulen. Und dann war da auch plötzlich der scharfe Ruf eines Nachtfalken. Und abermals hörte ich einen Wolf – nur aus einer anderen Richtung als beim ersten Mal.
Ich wusste Bescheid, denn ich war erfahren genug in diesem Land. Ich hatte Wildpferde gejagt, nach Gold gesucht, war Fahrer oder Begleitmann auf Postkutschen und Scout bei der Armee gewesen. Ich kannte mich aus in diesem Land – und mit den Apachen.
Die beiden Wölfe, die ich heulen hörte, und auch der Nachtfalke, das waren Apachen. Einer hatte das Feuer gewittert wie ich, und nun rief er das Rudel herbei.
☆☆☆
Das Feuer brannte in einer Senke.
Ich sah die fünf Narren rings um das Feuer liegen. Sie waren so selbstherrlich und von sich eingenommen, dass sie wohl gar nicht auf die Idee kamen, jemand könne sie angreifen im Land von El Toro Francisco de Salvador.
Ich glitt leise wie ein Schatten hinunter in die Senke.
Zuerst holte ich mir einen Colt, den einer der schnarchenden Schläfer griffbereit neben sich liegen hatte.
Nun fühlte ich mich schon nicht mehr ganz so nackt.
Als ich mir überlegte, wessen Kleidung mir passen würde und ob einer der Kerle vielleicht einen Poncho oder Mantel in seinem Sattelgepäck hatte, bewegte sich der Mann, dessen Colt ich in der Hand hielt.
Er öffnete die Augen, richtete sich auf, sah mich dabei im Mond- und Sternenschein an und staunte. Dann öffnete er den Mund, um ein Gebrüll auszustoßen. Doch das musste ich verhindern. Ich hieb ihm den Revolverlauf über die Stirn – und so seufzte er nur und legte sich wieder lang hin.
Ich verharrte, hielt den Atem an und lauschte.
Und wieder hörte ich die Wölfe heulen und den Jagdruf des Nachtfalken. Die Apachen waren näher gekommen. Sie kreisten das Camp ein. Ich musste mich beeilen, sonst kam ich nicht mehr davon.
Ich nahm also dem Burschen, dem ich etwas über die Birne gezogen hatte, den Sattel weg, den er als Kopfkissen benutzte. Am Sattel war auch noch das Gewehrfutteral mit einem guten Spencerkarabiner. Ich fand auch einen Poncho, also einen deckenähnlichen Umhang, der in der Mitte ein Loch hatte, durch welches ich den Kopf stecken konnte.
Ich tat es, und nun fühlte ich mich noch etwas besser.
Wenn nur meine Füße und die anderen verwundeten Teile meines Körpers nicht so gebrannt und geschmerzt hätten! Es war kaum auszuhalten.
Ich sattelte ein Pferd und löste die Leinen, mit denen die fünf Pferde an ein ausgespanntes Lasso gebunden waren. Es gab ja einige starke Büsche und kleine Bäume in der Senke.
Als ich in den Sattel stieg, erlebte ich ein völlig ungewohntes Gefühl, denn ich hatte noch niemals mit dem nackten Hintern in einem Sattel gesessen.
Eigentlich war mir nach einem grimmigen Fluch zumute. Doch ich brachte es fertig, in dieser Situation zu grinsen.
Denn mir ging es doch eigentlich wieder recht gut.
Ich hatte einen Colt in der Hand und ein Pferd unter dem – wenn auch nackten – Hintern.
Die fünf Kerle beim Feuer aber würden bald sterben. Denn sie schliefen immer noch, und die Apachen waren nun schon sehr nahe.
Ich selbst würde mir vielleicht sogar den Weg gegen diese Apachen freischießen müssen.
Ja, die fünf Hombres dort am Feuer waren so gut wie tot.
Als ich dies dachte, verspürte ich auch schon die Hemmung.
Meine Ehre ließ es nicht zu, selbst Todfeinde in solch einer Situation ungewarnt zu lassen.
Und so stieß ich einen scharfen Ruf aus und rief dann nach diesem Warnschrei die Worte: »Apachen! Passt auf, es sind Apachen da!«
Dann erst ritt ich los.
Und hinter mir wurden sie wach und heulten auf. So müde sie auch waren nach der langen Hochzeit und ihrem Rausch, dem Ritt danach und dem »Spaß« mit mir – so dumm und närrisch waren sie doch nicht, dass ich ihnen jetzt nicht alle Lebensgeister alarmiert hatte.
Apachen!
Ich hielt den Colt bereit. Dass er geladen und schussbereit war, darauf musste ich vertrauen. Aber ich konnte das auch bald ausprobieren, denn die Apachen hatten das Camp schon eingekreist. Es waren nicht viele Krieger, und dennoch geriet mir einer in den Weg. Er sprang mich von der Seite an.
Ich hielt ihn mitten im Sprung mit einer Revolverkugel auf und wusste deshalb, dass die Kanone funktionierte. Er ritzte mich noch mit der Messerspitze tief in den Oberschenkel – doch auf eine Wunde mehr oder weniger kam es bei mir nicht mehr an. Ich war ohnehin am ganzen Körper gezeichnet.
Ich sauste davon.
Hinter mir war die Hölle los. Schüsse krachten.
Ich ritt ein Stück in die Nacht und hielt dann an.
Sie kämpften immer noch miteinander. Und dann hörte ich Hufschlag. Ich begriff sofort, dass Hernán und seine Begleiter offenbar den ersten Angriff mehr oder weniger erfolgreich abgewehrt und nun die Flucht ergriffen hatten.
Das mussten sie, denn sie waren nicht zahlreich genug, um die Senke an den oberen Rändern verteidigen zu können. Sie wussten auch, dass die Apachen zwar in kleineren Rudeln durch das Land streiften, sich aber sehr schnell zu einer großen Kriegshorde sammeln konnten. Und wenn sie sich in dieser Senke von den Apachen festnageln ließen, hatten sie bald keine Chance mehr zum Entkommen.
Ich sah sie dann auch in der Nacht.
Es waren noch drei Reiter. Zwei der fünf Giftpilze hatten die Apachen also erwischt. Ich freute mich nicht darüber – nein, wirklich nicht.
Sollte ich nun meines Weges reiten? Ich hatte ein Pferd, Waffen, einen Sattel und einen kratzigen Poncho. Aber es behagte mir nicht sehr, dass ich nackt war unter dem Poncho.
Hernán war mir eine Menge schuldig.
Ich kannte die Richtung, in die jene drei Reiter flüchteten. Hoffentlich war Hernán einer der drei Reiter gewesen. Ich hielt mich etwas seitlich von ihrer Fährte, ritt jedoch in der gleichen Richtung.
Und als ich einmal zwischen einigen roten Felsen und bei Büschen verhielt und in der hellen Nacht Ausschau hielt, da sah ich endlich auch die Apachen. Sie saßen nun auf ihren Pferden und hatten die Verfolgung aufgenommen. Es waren fünf.
Ich ritt wieder los.
Denn in diesem Spiel wollte ich der Joker sein.
☆☆☆
Es war schon im Morgengrauen, als einer der Verfolgten plötzlich vom Pferd fiel und über den Boden rollte. Aber als er dann still lag, schoss er noch einmal mit dem Colt und holte einen der Apachen vom Pferd.
Die anderen Apachen ritten weiter. Aber indes sie an ihm vorbeijagten, schossen sie auf ihn. Als ich mich näherte, erwartete ich einen toten Weißen und einen ebenso toten Indianer zu sehen. Doch nur der Apache war tot. Der mexikanische Pistolero lebte noch, obwohl von einigen Kugeln durchbohrt.
Er starb langsam, und ich erinnerte mich daran, dass auch ich hatte langsam sterben sollen, wäre es nach dem Willen dieser Kerle gegangen, die mich an der Quelle in ihre Gewalt bekamen.
Ich saß ab und kniete bei dem Sterbenden nieder.
Er sah zu mir auf und erkannte mich. Ja, er grinste. Er tat es wahrhaftig, wenn auch verzerrt und bestimmt nicht glücklich.
»Hernán«, sagte er mühsam, »ist ein Schwein, und wir alle müssen dafür büßen. Wenn wir damals nicht über die Apachenmädchen hergefallen wären in jenem kleinen Dorf am …« Mehr sagte er nicht mehr. Er starb von einem Atemzug zum anderen.
Aber ich wusste nun besser Bescheid.
Die Apachen kannten keinen Spaß, wenn es um ihre Frauen und Mädchen ging. Jetzt wusste ich auch, warum die kleine Kriegshorde bis zum letzten Mann hinter Hernán her sein würde – bis zum allerletzten Mann. Und offenbar war Hernán de Salvador einer der beiden noch flüchtenden Weißen.
Ich hätte gern eine Hose und ein Paar Stiefel gehabt.
Ja, ich hätte mich nicht geniert, beides dem Toten abzunehmen.
Doch der Mann war sehr viel kleiner als ich.
Ich ritt also weiter, saß mit nacktem Hintern im Sattel und hatte nichts über meinem Körper als einen kratzigen Poncho.
Als dann das Morgengrauen in einen hellen Tag überging, hörte ich die Schüsse. Und ich wusste, dass die vier Apachen nun den prächtigen Hernán und seinen letzten Begleiter gestellt hatten.
Ich ritt langsam näher, kam um einige rote Felsen herum und sah sie dann.
Hernán und sein Mann hatten nur kümmerliche Deckung, nämlich ihre offensichtlich toten Pferde, ein paar kleine Steine und Büsche. Es war eine wirklich miese Deckung. Aber das hatten die Apachen natürlich gewollt, als sie die Pferde der Flüchtenden erschossen.
Nun hatten sich die vier Apachen verteilt. Ich konnte sie von meinem etwas erhöhten Standort beobachten. Sie waren schon aus den Sätteln und schlichen zu Fuß vorwärts – nein, sie glitten vorwärts wie angreifende Wölfe.
Hernán und sein letzter Mann waren verwundet. Ich konnte sie sehen. Die Apachen schlichen aus vier Richtungen auf sie zu, legten sich dann in Deckung und begannen zu schießen.
Natürlich schossen Hernán und sein letzter Mann zurück. Ich sah sogar, wie einer der Apachen getroffen wurde und nicht mehr mitmachte.
Aber die drei anderen suchten sich bald noch bessere Positionen und schossen weiter. Dann erwischte es Hernáns Begleiter – und dann versuchte Hernán fast in das Pferd hineinzukriechen, hinter dem er Deckung gesucht hatte. Am liebsten hätte er sich gewiss ein Loch gegraben und in eine Maus verwandelt.
Ich nahm das Gewehr, welches ich mit dem Sattel, dem Pferd, dem Colt und dem Poncho gestohlen hatte. Das war ein gutes Gewehr, das sah ich sofort, ein erstklassiger, siebenschüssiger Spencer-Karabiner, mit dem man noch auf dreihundert Yards etwas treffen konnte, wenn man ein guter Schütze war.
Ich war einer.
Gleich mit dem ersten Schuss erwischte ich den mir am nächsten befindlichen Apachen. Er sprang steil in die Luft und fiel dann um.
Die beiden anderen warteten nicht länger. Sie begriffen sofort, dass sie ganz miese Karten hatten. Ich lag einige Yards höher als sie alle. Ich konnte das ganze Gelände übersehen.
Die beiden roten Burschen glitten davon. Sie erreichten ihre Pferde, warfen sich auf deren Rücken und sausten davon. Ich hätte sie noch mit Kugeln verfolgen können. Vielleicht hätte ich auch getroffen. Doch ich wollte nicht.
Langsam ritt ich hinunter zu Hernán de Salvador und seinem letzten Mann. Sie lebten beide noch, doch sie waren angeschossen. Hernán ging es noch etwas besser als seinem Begleiter. Ich grinste auf sie nieder.
»Nun sagt mal selbst«, sprach ich heiser, »ob ihr meine Hilfe verdient habt! Habt ihr das? He, sagt es mir!«
Hernán sagte nichts. Er lag da, stöhnte, verdrehte die Augen und knirschte nur mit den Zähnen.
Doch sein Begleiter, dem es noch schlechter ging, weil er zwei Kugeln abbekommen hatte, sagte dankbar und glücklich: »Si, Señor, wir haben es wahrhaftig nicht verdient. Sie sind ein echter Caballero. Das muss ich zugeben.«
»Und ihr habt immer noch Glück«, sagte ich. »Denn wenn ihr nicht angeschossen wärt, sondern kämpfen könntet, dann müsstet ihr mir jetzt Genugtuung geben. Dann würde ich euch zum Duell fordern und in die Hölle schicken.«
Schon während ich die letzten Worte sprach, hörte ich Reiter kommen und wandte mich im Sattel um.
Es waren zwei Reiter. Sie ließen ihre Pferde aus dem Galopp in Trab und dann in Schritt fallen. Denn sie hatten gesehen, dass alles schon vorbei war und sie ihre müden Pferde schonen konnten.
Oh, ich sah sofort, dass da zwei besondere Hombres angeritten kamen. Das hatte ich nicht nur im Gefühl, sagte mir nicht nur mein Instinkt – nein, man konnte es sehen.
Sie ritten Dreihundert-Dollar-Pferde. Und wenn man bedenkt, dass man in diesem Land schon für zwanzig Dollar ein brauchbares Pferd bekommen konnte, dann weiß man einigermaßen, was ein Dreihundert-Dollar-Pferd war.
Es waren zwei hagere, zähe und helläugige Burschen, etwas älter schon als ich, doch kaum älter als dreißig.
Es waren Revolverfalken.
Sie sahen mich fest und kühl an, aber sie nickten mir nicht unfreundlich zu, nur zurückhaltend. Über meinen Aufzug grinsten sie nicht, nein, das taten sie mir nicht an.
Einer wandte sich Hernán zu.
»Das waren Locos Apachen«, sagte er. »Und Locos Apachen hielten bisher mit uns Frieden, weil das für beide Seiten Vorteile brachte. Was also hast du ihnen angetan, dass sie so wild wurden und dich zu killen versuchten, dich, El Toros Sohn? Gib Antwort!«
Ich staunte. Denn dieser Mann redete mit Hernán wie mit einem dummen Jungen und so, als könne er ihm Befehle erteilen.
Aber Hernán gab ihm auf die Frage keine Antwort. Er sagte vielmehr zerknirscht: »Ich verblute. Wollt ihr euch nicht um mich und Paco kümmern? Sollen wir verbluten? Es wird El Toro gar nicht gefallen, dass ihr erst noch eine Weile zuseht, wie mir das Blut ausläuft. Schließlich werdet ihr von meinem Vater bezahlt! Oder?«
Er fragte es ziemlich giftig. Aber er hatte Angst. Er machte sich Sorgen. Ich begriff mehr und mehr, dass dieser Giftpilz wahrscheinlich nur im Land umherritt, um einen Verdruss nach dem anderen anzustiften und seinem Vater Sorgen zu machen.
Und ich begriff, dass El Toro Francisco de Salvadors Männer keine gewöhnlichen Reiter waren. Ich hatte von ihnen schon gehört. Man nannte sie El Toros Caballeros, also Ritter, und sie durften in seinem Machtbereich an seiner Stelle Befehle geben. Man hatte ihnen absolut den gleichen Respekt und Gehorsam zu erweisen wie El Toro Francisco de Salvador selbst.
Ja, ich hatte von ihnen gehört. Jeder von ihnen war ein besonderer Mann und eine ganze Mannschaft wert.
Nun sah ich gleich zwei von ihnen.
Sie dachten nicht daran, sich besonders zu beeilen, um Hernáns Wunden zu verbinden. Sie wandten sich nun an mich.
Und ich hielt noch den Colt in der Hand. Das tat ich ganz zwangsläufig, denn ich hatte keinen Gürtel, nicht mal einen Hosenbund, hinter den ich die Waffe hätte schieben können.
Aber sie achteten scheinbar gar nicht auf diesen Colt. Einer sagte mit einem glucksenden Unterton in der Stimme: »Hübsche Mode, Mister. Sitzen Sie tatsächlich mit dem nackten Po im Sattel? Kann man das so einfach? Oder haben Sie schon Schwielen?«
Ich grinste ohne Freundlichkeit.
»Macht nur eure Witze«, erwiderte ich. »Irgendwann lache auch ich vielleicht mal über euch.«
Wir starrten uns nun an – und weil sie erfahrene Burschen waren, begannen sie zu wittern, dass ich zu ihrer Sorte gehörte.
Und plötzlich nahmen sie auch den Colt in meiner Hand sehr wichtig. Einer sagte: »Kann das Ding losgehen?«
»Vielleicht«, erwiderte ich. »Das kommt drauf an. Denn mit diesem da müsste ich noch abrechnen. Vielleicht habe ich ihn nur deshalb nicht den Apachen überlassen. Würdet ihr ihn beschützen, auch wenn er im Unrecht ist?«
Ich meinte Hernán.
Meine Frage klang lauernd, und so hatte ich es auch gewollt. Sie sollten begreifen, dass sie sich ihre Antwort gut überlegen mussten. Da sie bestimmt keine Lügner waren – denn dazu waren sie gewiss zu stolz und war ihre Selbstachtung zu groß -, würden sie sich entscheiden müssen.
Sie betrachteten mich noch einmal eingehend. Sie sahen, wie zerschunden ich war und dass meine Füße blutige Klumpen waren. Sie sahen auch, dass ich auf einem Pferd der Salvador-Mannschaft saß.
Hernán stöhnte am Boden: »Ich verblute!«
Doch jener Bursche, der es von den anderen Reitern bisher als Einziger überlebt hatte und sehr viel schlimmer verwundet war, sagte heiser und gepresst: »Als wir die Siebensachen dieses Hombres verbrannten und der Rauch schwarz gen Himmel stieg, haben wir gewiss die Apachen angelockt, die ohnehin nach uns suchten, weil Hernán einfach verrückt ist – einfach verrückt.«
Als er dies gesagt hatte, verlor er die Besinnung.
Die beiden Reiter stiegen nun ab, ohne mir noch einen weiteren Blick zu schenken oder mir eine Antwort auf meine Frage zu geben.
Sie begannen sich um die beiden Verwundeten zu kümmern. Ich blieb auf dem Pferd hocken und sah zu. Es tat mir gut, sitzen zu können und nicht auf meinen schmerzenden Füßen stehen zu müssen. Und immer noch hielt ich meinen Colt bereit.
Erst nach einer Weile sagte einer der beiden harten Burschen über die Schulter: »Mach dir keine Sorgen, Amigo. Immerhin hast du El Toros einzigem Sohn das Leben gerettet. Wir sahen es mit eigenen Augen. Was Hernán dir auch angetan haben mag, du wirst entschädigt werden. Sein Vater ist ein echter Hidalgo. Der zahlt alles mit Zinsen zurück – das Gute und das Schlechte.«
☆☆☆
Die beiden Revolverfalken hießen Al Sacketter und John Hannagan. Sie waren auf einem »Inspektionsritt« durch Francisco de Salvadors gewaltig großes Gebiet. Dann waren sie auf die Fährten der Apachen gestoßen, und weil sie ebenfalls die schwarze, satte Rauchsäule sahen, wollten sie nachsehen, was da verbrannt worden war.
Nun, wir blieben noch zwei Tage und Nächte, bis sich Hernán und Paco so weit erholt hatten, dass wir sie im Sattel transportieren konnten.
Inzwischen hatten Al Sacketter und John Hannagan auch ausführlich gehört – Paco erzählte es ihnen, nicht ich -, was geschehen war. Sie behandelten mich wie ihresgleichen. Sie hatten begriffen, dass ich zu ihrer Sorte gehörte und sie an meiner Stelle nicht anders gehandelt hätten.
Ich ritt mit ihnen.
Denn ich hatte Forderungen an El Toro. Sein Sohn war mir vier Pferde, einen guten Sattel und Kleidung schuldig. Ich war sehr gut ausgerüstet gewesen. Dafür, dass ich seinem Sohn das Leben rettete, als die Apachen ihn schon fast erledigt hatten, wollte ich nichts haben.
Ich ritt also mit ihnen, und ich trug jetzt außer dem Poncho immerhin schon richtiges Unterzeug, also Unterhose und Hemd. Mehr konnten mir Sacketter und Hannagan leider aus ihrem Gepäck nicht geben. Dass ich keine Stiefel besaß, machte mir nicht so viel aus, denn sie hätten mir drei Nummern zu groß sein müssen. Meine Füße sahen noch schlimm aus. Alle Dornen hatte ich nicht entfernen können. Einige eiterten. Schnitte und Risse mussten erst noch verheilen. Ich trug meine armen Füße in Lappen eingewickelt.
Mit Hernán und Paco sprach ich unterwegs kein Wort. Aber die beiden Schufte konnten sowieso nicht viel sagen. Es ging ihnen schlecht.
An einem Nachmittag dann – wir hatten schon die unsichtbare Grenze zwischen amerikanischem Territorium und Mexiko passiert – sah ich dann El Toro Francisco de Salvadors Residenz.
Die Hacienda auf dem Hügel schien für einen König gebaut, und sie stammte gewiss noch aus der Spanierzeit.
Ja, dort wohnte ein Fürst.
Ich war gespannt auf diesen El Toro Francisco de Salvador, den mächtigsten Mann in diesem Land auf hundert Meilen in der Runde.
☆☆☆
Ein Junge brachte mich dann zum Gästehaus.
Und hier traf ich Dee Lane.
Verdammt noch mal, wie schämte ich mich plötzlich meines ganzen Aufzugs. Ich war ja lächerlich gekleidet.
Und Dee Lane wirkte auf mich so, dass es mir den Atem verschlug und ich mein Herz klopfen spürte. Sie war rothaarig und hatte grüne Augen. Sie hatte alles so, wie ich es mir bei einer Frau wünschte. Sie war das genaue Bild meiner Träume.
Ich hätte niemals geglaubt, dass es so eine Frau in Wirklichkeit geben würde. Aber da stand sie auf der Veranda und lächelte mich an.
Der Junge, der mich geführt hatte, sagte zu ihr: »Señora, Señor Sacketter bittet Sie, diesen Gast zu betreuen. Señor Sacketter sagte, dass der Patron ihm sehr verpflichtet ist.«
»Schon gut, Chico«, erwiderte sie in spanischer Sprache, die auch der Junge gesprochen hatte, wobei er vielleicht glaubte, ich verstünde sie nicht wie so viele andere Gringos.
Er lief wieder davon.
Und ich war mit ihr allein.
»Ich bin Dee Lane«, sagte sie. »Mein Mann ritt für Don Francisco. Seit seinem Tod führe ich das Gästehaus und bin verantwortlich für die Betreuung wichtiger Gäste. Sie sind einer. Sonst hätte Al Sacketter Sie nicht geschickt. Treten Sie ein, Mister. Sie sind willkommen.«
»Ich bin Spade«, sagte ich. »Cass Spade.«
Dann trat ich näher an sie heran und hielt ihr meinen nackten Unterarm hin. »Kneifen Sie mich bitte mal, Mrs Lane, damit ich sicher bin, nicht zu träumen.«
Aber sie lachte nur und schüttelte leicht den Kopf. Aus der Nähe erkannte ich einige feine Linien um ihre Mundwinkel und Augen, die mir verrieten, dass sie nicht viel jünger sein konnte als ich und ihre Wege auf dieser Erde gewiss nicht leicht gewesen waren.
»Sie träumen nicht«, sagte sie dann nur und wandte sich um, um vor mir ins Haus zu gehen.
Oha, dieser Lane, dessen Frau sie gewesen war, hatte gewiss den größten Fang auf dieser Erde machen können, den ein Mann nur bekommen konnte. Doch jetzt war er tot.
☆☆☆
Beim Essen leistete sie mir Gesellschaft. Ich war der einzige Gast im Gästehaus der Hacienda. Ich fühlte mich sehr viel besser nach dem heißen Bad. Besonders meinen Füßen hatte es gut getan.
Nun trug ich auch wieder richtige, mir passende Kleidung. Nur wegen meiner immer noch wunden Füße musste ich Sandalen tragen.
Dee Lane wusste inzwischen auch Bescheid über mich.
Sie sagte mir auch, woher ihr Wissen stammte.
»Paco, der Ihnen sein Leben verdankt, ist der Bruder meiner Hilfe«, sagte sie. »Juanita pflegt ihn jetzt. Er hat ihr schon alles erzählt. Von ihr weiß ich, wie Hernán mit Ihnen umgesprungen ist. Und zum Dank dafür retteten Sie ihn und Paco vor den Apachen.«
Als sie »zum Dank dafür« sagte, bekam ihre Stimme einen sarkastischen Beiklang. In ihren Augen war plötzlich ein Funkeln.
Ich ahnte, dass sie Hernán nicht mochte. Aber gab es auf dieser Welt überhaupt einen Menschen, der das tat?
Wir plauderten über viele Dinge, indes ich saß und sie mir Gesellschaft leistete. Sie war eine vollendete Gastgeberin. Und immer wieder spürte ich, dass sie mich zu beurteilen versuchte. Ihr weiblicher Instinkt tastete an mir, versuchte in mich einzudringen.
Ich grinste kauend.
»Ach«, sagte ich, »geben Sie es auf, Schwester, mehr über mich herausspüren zu wollen. Ich bin nur ein Sattelstrolch wie viele andere. Wie war denn Ihr Mann? Die ganze Zeit frage ich mich, was für ein Mann er gewesen sein mag. Denn er muss schon ein besonderer Bursche gewesen sein. Nur ein besonderer Bursche konnte eine Frau wie Sie bekommen. Oder?«
Ja, es war ein plötzlicher Angriff von meiner Seite. Aber ich musste es fragen. Ich hielt es nicht mehr länger aus. Und ich war es gewöhnt, stets jeden Stier an den Hörnern zu packen.
Sie lächelte nicht mehr. Sie wirkte jetzt sehr ernst, fast abweisend.
»Mein Mann Jim Lane«, sie sah mich an, »war äußerlich ein Bursche wie Sie, Cass Spade. Äußerlich! Denn wie Sie sonst sind, weiß ich nicht. Deshalb kann ich keine Vergleiche ziehen. Mein Mann suchte damals nach einer Chance. Und so kamen wir hierher. Bei Don Francisco hat jeder eine Chance, der ihm lange genug dient und das überlebt. Dann bekommt er irgendwo in einem Zipfel seines Machtbereiches eine Ranch und Starthilfe. Doch erst muss er sich das verdienen. Mein Mann hatte kein Glück. Er musste ein paar Banditen jagen, die eines von Don Franciscos Dörfern ständig beunruhigten, bestahlen und erpressten. Er tötete drei der Banditen – doch dann ritt er in den Hinterhalt des vierten. Das war sein Risiko. Er schaffte es nicht, Don Francisco lange genug zu dienen und belohnt zu werden wie ein Ritter von seinem König. Er war äußerlich wie Sie, Cass Spade.«
Nach diesen Worten ließ sie mich allein.
☆☆☆
Ja, er war ein zweibeiniger Toro. Bei seinem Anblick dachte man unwillkürlich an einen dieser schwarzen Kampfstiere, die damals mit den Spaniern in dieses Land kamen.
El Toro – der Kampfstier.
Gewiss, sein Haar war an vielen Stellen schon grau. Doch er war immer noch ein Mann voller Selbstbewusstsein, Kraft, Energie, Ungeduld. Er war nicht sehr groß, doch prächtig proportioniert.
Er stand neben dem großen Kamin, in dem man einen Ochsen hätte am Spieß drehen können, und stopfte eine wertvolle Tabakspfeife.
Schließlich nickte er. Und dann kam die knappe Frage: »Und warum konnten Sie nicht zusehen, wie die Apachen meinen Sohn und Paco töteten?«
Ich grinste und erwiderte: »Ja, darüber denke auch ich nach. Und ich finde keine richtige Antwort. Doch ich sage Ihnen, Señor, dass ich Ihren Hernán zum Revolverduell gefordert hätte, wenn er noch kampffähig gewesen wäre. Ich hätte ihn im Duell abgeknallt wie einen tollen Hund. Denn Letzteres ist er. Das ist er wahrhaftig. Auf den können Sie bestimmt nicht stolz sein.«
Sein Gesicht wurde dunkler. Seine Augen funkelten. Was ich ihm sagte, gefiel ihm gar nicht. Er sah einen Moment aus, als wollte er losbrüllen.
Doch dann bekam er sich auch schon wieder unter Kontrolle.
»Ein stolzer Mann sind Sie, Señor«, sprach er beherrscht. »Ein Caballero, ein wirklicher Caballero, den nur ein Dummkopf falsch behandeln konnte. Hernán ist noch jung. Und ihm fehlte die Mutter. Aber er wird reifen, sich ändern, erkennen und begreifen. Er ist mein Sohn, er ist alles, was ich habe. Ich bitte Sie für sein Tun um Entschuldigung, Señor Spade. Natürlich bekommen Sie Ihren Schaden ersetzt. Und überdies bitte ich Sie, sich zu überlegen, ob Sie nicht in meine Dienste treten könnten. Sie wissen vielleicht, dass einige überragende Männer für mich reiten, wirkliche Caballeros. Denken Sie darüber nach, Señor Spade. Und fühlen Sie sich hier wie daheim. Sie sind mir ein willkommener Gast. Sie können bleiben, solange Sie wollen – auch wenn Sie nicht in meine Dienste treten möchten. Doch wenn Sie Letzteres tun, dann werden Sie das nicht zu bedauern haben.«
»Und Hernán?«
Dies fragte ich, und er wusste, wie ich es meinte. Er lächelte schmal und erwiderte: »Hernán muss noch viel lernen. Auch die Dankbarkeit gegenüber einem Lebensretter. Hernán steht in der Rangordnung unter meinen Caballeros. Jeder von ihnen kann ihm Befehle erteilen. Er muss sich erst bewähren. Ich werde Sie morgen fragen, wie Sie sich entschieden haben.«
Er trat zu mir und gab mir die Hand, und obwohl er mehr als einen Kopf kleiner war als ich und zu mir aufblicken musste, fühlte ich mich ganz und gar nicht größer als dieser Mann.
Ich ging. Und ich glaubte damals eigentlich, dass ich bei diesem Mann mein Glück machen konnte.
Ja, so war es wohl anzusehen.
☆☆☆
Ja, ich nahm El Toro Francisco de Salvadors Angebot am nächsten Tag an. Ich wurde sein Reiter und damit einer der Männer, die man im ganzen Land El Toros Caballeros nannte.
Ich lernte auch die anderen kennen. Al Sacketter und John Hannagan kannte ich ja schon. Eine ganze Woche hatte ich Zeit, mich auf der großen Hacienda, im Dorf und in der näheren Umgebung umzusehen. Ich studierte auch im Büro all die Landkarten und Pläne. Ein kleines Haus – es war eine zweiräumige Adobehütte, die gut und bequem eingerichtet war – wurde mir zur Verfügung gestellt.
Ich fragte Dee Lane, ob ich sie manchmal besuchen dürfe. Sie nickte mir nur zu und lächelte. Dann sagte sie, dass sie mich – wenn ich auf der Hacienda weilte – stets zum Essen erwarten würde.
Ich freute mich darüber.
Doch schon am nächsten Tag musste ich reiten. Ich war der Begleiter von Al Sacketter und John Hannagan. Es war mein erster Ritt für Don Francisco.
Wir ritten nach Norden über die Grenze, von der niemand so richtig wusste, wo sie eigentlich verlief.
Unterwegs erklärten Al und John mir dann unseren Auftrag.
Al Sacketter begann mit den Worten: »Es hat sich eine ganze Menge verändert weit im Norden, genauer gesagt in Kansas. Es entstanden dort an der Kansasbahn große Verladebahnhöfe für Rinder. Man hat die ersten Rinderherden von Texas nach Kansas getrieben, genauer gesagt nach Dodge City und Abilene. Riesenherden waren das. Tausende Rinder gehörten zu einer Herde. Man trieb diese Herden den Chisholm Trail hinauf. Die meisten Herden kamen an und verwandelten sich in Kansas in blanke Dollars. Man zahlte bis zu dreizehn Dollar für jeden Stier, also gut zehn Dollar mehr, als er in Texas wert war. Ein gutes Geschäft, nicht wahr?«
Er verstummte nach diesen Worten.
Ich aber begann nachzudenken. Und da wurde mir alles binnen einer Minute von selbst klar. Und so sagte ich schlicht: »Der ganze Rindersegen auf dieser Weide ist plötzlich ein Vermögen wert, ein Riesenvermögen. Don Franciscos Herden haben ihren Wert vervierfacht. Man muss sie nur nach Kansas bringen.«
Ich schwieg nach diesen Worten, dachte noch einmal nach. Sie ließen mir Zeit. Und dann hatte ich es auch schon.
Ich sprach weiter: »Don Francisco hat viele Rinderherden auf seinem Gebiet zu beiden Seiten der Grenze. Die meisten Rinder tragen keine Brandzeichen. Es lohnte sich nicht, sie zu bränden. Aber jetzt ist es anders. Jedes Tier ist in Kansas um die dreizehn Dollar wert. Jetzt wird jeder Mann, der gut mit einem Lasso und einem Brandeisen umgehen kann, scharf auf ungebrannte Rinder sein. He, das wäre es dann wohl, warum wir reiten müssen – oder?«
Sie grinsten und nickten.
»Dein Kopf ist in Ordnung, Cass«, sagte Al Sacketter. »Das hast du dir alles haargenau ausrechnen können. Weißt du auch was von einem gewissen Mister Maverick?«
»Sicher«, sagte ich. »Das war ein Advokat, der mal eine Rinderherde bekam und diese nicht brändete. Diese ungebrannten Rinder zerstreuten sich dann, und ein anderer Mann, der sie kaufte, ließ von seinen Reitern dann alle ungebrannten Rinder einsammeln, deren sie nur habhaft werden konnten. Sie behaupteten, dass es Maverick-Rinder wären. Es gab damals eine Menge Ärger deshalb. Nun, heute nennt man jedes ungebrannte Rind, welches dem Muttertier entwöhnt ist, ein Maverick. Es gibt jedoch einen Unterschied zu damals. Die heutigen Mavericks gelten als herrenlos. Jeder kann ihnen sein Brandzeichen aufdrücken.«
»Richtig«, nickte John Hannagan. »Doch auf der Salvador-Weide gibt es keine herrenlosen Mavericks. Es sind Salvador-Rinder. Sie alle stammen von der Urherde der Salvadors. Und jetzt sind wir unterwegs, um das allen Maverickjägern klarzumachen. Verstehst du, Compadre?«
Ich nickte nur. Ja, ich wusste Bescheid. Wir ritten in einen Krieg. Wir sollten Don Francisco de Salvadors Eigentum schützen.
☆☆☆
Zwei Tage später sahen wir am Abend das Camp der Maverickjäger, das Don Francisco schon vor Tagen gemeldet worden war.
Die Maverickjäger hatten schon eine recht ansehnliche Herde in einer Senke gesammelt. An einem Feuer waren sie immer noch dabei, Rinder zu bränden.
Wir zählten die Reiter. Ein halbes Dutzend war ständig im Sattel. Sie trieben ungebrannte Rinder ans Feuer oder gebrändete Tiere zu der Herde in der Senke. Am Feuer selbst waren drei Mann tätig. Und drüben in ihrem Camp war ein Koch dabei, ihnen das Abendbrot zu bereiten.
Es waren also insgesamt zehn Mann.
Al Sacketter und John Hannagan sahen mich noch einmal prüfend an. Dann ritten wir hinunter.
Und als wir beim Feuer anlangten, waren dort sieben Mann versammelt – vier Reiter, die noch in den Sätteln hockten, und die drei Männer, die das Bränden besorgten.
Sie wirkten sehr selbstsicher, zugleich aber waren sie neugierig. Sorgen machten sie sich überhaupt keine. Denn wir waren ja nur drei Reiter. Was sollten ihrer Meinung nach schon drei Reiter gegen sie ausrichten können?
Nichts, gar nichts!
Als wir bei ihnen anhielten, wurden einige von ihnen schon etwas wachsamer und nachdenklicher. Denn sie erkannten, dass wir harte Nummern waren. Auch sahen sie das Brandzeichen unserer Pferde. Es war ein sogenanntes »Spanish Bit«, also eine Kandare, wie sie die Spanier und Mexikaner schon immer benutzt hatten. Dieses »Spanish Bit« war stilisiert, sodass es fast wie ein verschnörkeltes S aussah, was dann für Salvador stand.
Nun, sie kannten dieses Brandzeichen. Und deshalb wurden sie wachsamer. Aber sie überschätzten immer noch ihre Überzahl und fühlten sich sehr sicher.
Einer sagte: »Nun, wir freuen uns über jeden freundschaftlichen Besuch. Wer seid ihr denn? In diesem menschenleeren Land tut es richtig gut, mal andere Gesichter zu sehen. Gleich gibt es Abendbrot. Vielleicht laden wir euch ein.«
Er sprach die letzten Worte lauernd, und er wirkte sehr schlitzohrig dabei. Er hielt sich gewiss für einen schlauen und erfahrenen Burschen. Er war zweifellos der Anführer.
Al Sacketter machte es dann kurz. Er tändelte nicht lange herum, sondern sagte: »Wir geben euch eine Chance, weil ihr die ersten Rinderdiebe seid und es sich vielleicht noch nicht unter euch allen herumgesprochen hat, dass in El Toro Francisco de Salvadors Land niemand ungestraft Rinder stehlen darf. Ihr habt also großes Glück. Und nun lasst alles stehen und liegen und schleicht euch! Haut ab!«
Sie wollten nicht glauben, dass man so mit ihnen reden könnte.
Sie staunten. Und sie blickten in die Runde, um herauszufinden, ob wir vielleicht gar nicht allein waren, sondern noch ein paar Gewehre im Hinterhalt liegen hatten.
Aber sie sahen nichts – nur uns.
Da begannen sie zu grinsen. Ihr Sprecher und Anführer lachte und sagte dann: »Fühlt ihr euch nicht ein wenig zu groß in euren Hosen, um solch eine Lippe zu riskieren? Sollen wir euch mal Beine machen?«
Es war eine unmissverständliche Drohung. Wir mussten jetzt kämpfen oder uns davonschleichen. Sie waren bereit.
Wir sahen sie uns noch einmal an, Mann für Mann.
Sie starrten zurück.
Und der Atem von bevorstehender Gewalttat wehte.
Ich wurde selbst davon überrascht, wie schnell Al Sacketter und John Hannagan handelten.
Al Sacketter sagte noch: »Ihr Narren!«
Dies war zugleich sein Kommando. Er und Hannagan zogen sofort. Ich sah es aus den Augenwinkeln rechts von mir, denn ich hielt links von ihnen. Ich beeilte mich mächtig, sie im Ziehen einzuholen, doch ich schaffte es nicht. Sie waren so schnell, dass ich sie nicht mehr einholen konnte. Hätten wir zur gleichen Zeit gezogen, so hätte ich sie um keinen einzigen Sekundenbruchteil schlagen können.
Sie schossen zuerst. Und ich schoss einen Sekundenbruchteil später ebenfalls.
Dann war die Hölle los.
Die Maverickjäger zogen ebenfalls. Sie brüllten dabei auf, voller Schrecken und zugleich auch Wut. Ja, sie nahmen den Kampf an. Wir kämpften um El Toros Rinder und zugleich um unser Leben.
Mein Pferd brach unter mir getroffen zusammen, doch ich sprang rechtzeitig ab und schoss die letzten Kugeln.
Dann sprang ich zu meinem toten Pferd und zog dort das Gewehr aus dem Sattelfutteral, um wieder bewaffnet zu sein.
Doch es war schon vorbei. Der Pulverrauch verzog sich, und indes ich meinen Colt lud, sah ich mich um.
Zwei Reiter flüchteten. Die anderen lagen am Boden. Auch die drei Männer am Feuer, die das Bränden besorgt hatten, lagen am Boden.
Mein Pferd war tot.
Al Sacketter und John Hannagan saßen noch im Sattel.
Auch sie luden ihre Revolver neu. Sacketter war angeschossen. Aber er blieb im Sattel und lud seine Waffe. Er war also immer noch kampffähig. John Hannagan war unverwundet wie ich.
Eine heisere Stimme sagte: »Verdammt, ihr habt es uns aber gegeben! Oh, wir hätten wissen müssen, dass ihr drei ganz schnelle Schießer seid! Sonst wärt ihr nicht allein gekommen. Oje …«
Ich ging zu meinem toten Pferd und nahm dem Tier den Sattel mit all dem Gepäck ab. Dann suchte ich mir ein lediges Pferd, dessen Reiter stöhnend am Boden lag. Ich nahm dem Tier den Sattel ab und legte ihm meinen eigenen auf.
John Hannagan rief zum Koch hinüber: »He, Pfannenschwenker, du kannst sie alle in den Wagen laden. Ihr müsst morgen von hier weg sein. Die Grenze vom Salvador-Land ist der Red Creek im Norden, die Berge dort im Westen und das Mesaland im Osten. Wir geben euch zwei Tage Zeit, dieses Land zu verlassen.«
Nach diesen Worten wandte er sein Pferd.
Wir folgten ihm und ritten davon.
Al Sacketter hing ziemlich schief im Sattel. Und hinter der nächsten Bodenwelle, die uns deckte, da konnte er nicht mehr.
Er hielt an, rutschte aus dem Sattel und legte sich auch schon der Länge nach auf den Boden.
Wir saßen ab. Hannagan fluchte bitter. Er hatte bald auch alle Hände voll zu tun, um Al Sacketter vor dem Verbluten zu retten. Denn die Kugel hatte ein böses Loch in ihn gerissen.
☆☆☆
Wir mussten über Al Sacketter eine Segeltuchplane ausspannen, damit er Schatten hatte in den nächsten Tagen. Wir konnten ihn nicht transportieren, weil er dabei noch mehr Blut verloren hätte.
In der zweiten Nacht sah es so aus, als würde er sterben. Doch dann schaffte er es irgendwie und kam über den kritischen Punkt hinweg. Wir konnten nicht allzu viel für ihn tun, nur seine Wunde sauber halten und das Fieber bekämpfen.
Am dritten Tag ging es ihm besser. John Hannagan ließ mich mit ihm allein, um nachzusehen, ob die von uns bestraften Maverickjäger auch wirklich abgezogen waren mit all ihren Verwundeten und Toten.
Irgendwann öffnete Al Sacketter die Augen. Er sah mich an. Ich hockte neben ihm unter dem Schutzdach und blickte auf ihn nieder. Sein Blick wurde klarer. Ich sah ihm an, dass er sich erinnerte und bald wieder alles wusste.
Ich nickte ihm zu und sagte: »Du bist über den Berg, Amigo. Jetzt schaffst du es bestimmt. Da bin ich sicher.«
Er nickte nur leicht.
»Jedes Glück geht mal zu Ende«, murmelte er heiser. »Ihr werdet mich nicht zum Hauptquartier bringen. Das wäre ein zu weiter Weg. Nein, ich will nach Rosalia zu Dolores. Denn ich musste ihr schwören, zu ihr zu kommen, wenn ich nicht mehr für El Toro reiten will oder muss.«
Ich nickte nur, und ich hatte die Landkarte gut im Gedächtnis. Ich kannte das Salvador-Gebiet fast so gut, als wäre ich schon ewig darin umhergeritten. Und so wusste ich, dass Rosalia ein kleiner Ort war, etwa zwanzig Meilen südöstlich von unserem Notcamp.
»Ich werde es bei Dolores gut haben«, murmelte Sacketter. »Sie wartet nur auf den Tag, da ich bei Salvador aufhören kann, weil ich für ihn genug geleistet habe und er meine Treue endlich belohnen muss. Jetzt ist dieser Moment gekommen. Ich bin am Ziel.«
☆☆☆
Einige Tage später brachten wir ihn nach Rosalia zu Dolores. Sie war eine Frau, wie ein Mann sie sich nur wünschen kann. Vielleicht würde sie in einigen Jahren ein wenig füllig werden wie die meisten Mexikanerinnen.
Und sie liebte Al Sacketter. Dies wurde mir klar, als sie sich um ihn zu kümmern begann.
Er war wach und flüsterte: »Da bin ich also, Dolores. Jetzt ist das lange Reiten vorbei. Jetzt werde ich bleiben. Und wir werden es gut haben.«
»Ja«, erwiderte sie. »Don Francisco wird deine Treue belohnen. Täte er es nicht, so würden bald keine Männer von deiner Sorte mehr für ihn reiten, kämpfen, Blut vergießen und sterben. Würde er euch nicht nobel belohnen, wäre er nicht größer als jeder andere Mann.«
In ihrer Stimme war Bitterkeit. Und ich begriff sie gut.
Ich dachte an Dee Lane. Deren Mann war für Salvador gestorben. Nun führte sie für Salvador das Gästehaus, hatte ein Heim, Sicherheit und gewiss ein gutes Auskommen. Wäre sie fortgegangen, so hätte sie dies gewiss nicht arm tun müssen. Ja, Salvador zahlte für die Treue. Und er konnte das nur, solange er ein Fürst blieb in diesem Land.
Das war der Kreis, der sich immer schließen musste.
Ich begriff es, und ich dachte immer noch darüber nach, als ich mit John Hannagan heimwärts ritt zu Salvadors Hauptquartier.
☆☆☆
Dee Lane erwartete mich in der Tür meines kleinen Hauses. Denn man hatte uns schon kommen sehen, als wir noch zwei Meilen entfernt waren. Man hatte unsere Rückkehr gemeldet – und sicherlich wusste Salvador schon, dass Al Sacketter nicht mit uns heimkam.
Ein Junge kam gesprungen und nahm mir mein Pferd ab.
Ich trat zu Dee Lane. Sie sah zu mir empor.
»Glück gehabt, nicht wahr?«, sagte sie leise.
Ich nickte, sah auf sie nieder und in ihre Augen und erkannte, dass sie auf mich gewartet hatte. Meine Heimkehr erinnerte sie gewiss stark an die Heimkehr ihres Mannes – und an das Warten auf ihn. Vielleicht hatte sie dann auch stets das Gefühl gehabt, dass er wieder einmal »Glück« gehabt hatte.
Sie legte mir kurz ihre Hand gegen die Brust. Es war eine Willkommensberührung.
Dann sagte sie schlicht: »Man sah euch schon aus der Ferne kommen. Ich habe in deinem Haus auf deinem Herd zu kochen begonnen. Das Essen wird fertig sein, wenn du gewaschen und umgezogen bist. Don Francisco lässt euch nach der Heimkehr zumindest eine Stunde Zeit, bevor er den Bericht erwartet.«
Ich nickte wieder, und es war etwas Vertrautes zwischen uns, so als würden wir uns schon sehr lange kennen. Mir war danach, diese Dee Lane zu küssen. Ich brauchte nur meine Hände auszustrecken, um sie in meine Arme nehmen zu können.
Aber ich tat es nicht. Ich wusste, es war noch zu früh.
Wir mussten uns Zeit nehmen. Sie war kein Flittchen. Deshalb hatte sie einen Anspruch darauf, dass wir uns Zeit nahmen, uns erst besser kennenlernen konnten und unsere Gefühle gründlich prüfen. Das war sie wohl ihrer Selbstachtung schuldig.
Ich hob nur meine Hand und strich mit dem Finger über die Rundung ihrer Wange bis abwärts zu ihrem Kinn.
»Ich danke dir«, sagte ich. »Ein Mann kehrt gern heim, wenn er erwartet wird und sich jemand um ihn kümmert. Dee, du bist wie ein Licht in dunkler Nacht.«
Sie schluckte etwas mühsam. Aber dann sagte sie hart: »Vielleicht halte ich es diesmal nicht durch, Cass Spade. Ich kann vielleicht nicht immer wieder warten und warten, bis sie eines Tages auch dich tot zurückbringen, so wie meinen Mann damals. Verstehst du? Vielleicht werde ich eines Tages fortlaufen.«
Ich legte meine Hand gegen ihre Wange.
»Dann suche ich dich, bis ich dich gefunden habe«, sagte ich. »Und mich wird man nicht tot heimbringen – mich nicht. Ich passe gut auf mich auf.«
Sie wandte sich ab.
Denn meine letzten Worte waren ziemlich dumm. Ich wusste, dass es mich erwischen würde, wenn das Schicksal es so wollte. Da konnte ich aufpassen auf mich, so viel ich wollte, es würde wenig nützen.
Später dann, als ich gewaschen und umgezogen mit ihr am Tisch saß und wir das gute Essen aßen, welches sie gekocht hatte wie eine liebende Frau dem heimgekehrten Mann, da erzählte ich ihr alles. Ich schloss mit den Worten: »Für Al Sacketter hat es sich also gelohnt. Und es ist doch so, dass man auf dieser Erde nichts geschenkt bekommt – oder? Dee, dein Mann damals hatte Pech. Al Sacketter hatte Glück. Auch ich werde Glück haben. Man muss an das Glück glauben. Setze doch mal ein paar Chips auf mich, Dee.«
Sie lächelte und nickte.
☆☆☆
John Hannagan holte mich dann ab. Wir gingen zu de Salvador. Er empfing uns in seinem großen Arbeitszimmer, an dessen Wänden die Bilder seiner Vorfahren hingen.
John Hannagan erstattete Bericht. Als er fertig war, kam de Salvador um seinen riesigen Schreibtisch herum und gab uns seine Hand. Er sagte nichts dabei, aber es war, als wenn ein Fürst seinen Rittern dankte.
Dann waren wir entlassen.
Ich ging heim. Dee war fort. Sicherlich war sie wieder im großen Gästehaus, wo sie ja ihre Aufgaben hatte. Es sah auch so aus – wie ich im Vorbeigehen feststellen konnte -, als wären einige Gäste zu Besuch.
Ich legte mich auf das Lager, und ich fühlte mich müde und ausgebrannt, war aber dennoch voller Zuversicht und unbestimmter Hoffnung.
Jemand klopfte von draußen gegen die nach innen offen stehende Tür. Auf meinen Ruf trat ein kleiner, alter, vertrocknet aussehender Mann ein. Er trat an den Tisch und stellte dort einen Beutel hin. Er war doppelt so groß wie ein Tabaksbeutel, und es klirrte darin.
»Mit den besten Grüßen vom Patron«, sagte er und ging weiter. Offenbar war er der Buchhalter, Geldverwalter oder so etwas Ähnliches.
Ich erhob mich, nahm den ledernen Beutel und schüttelte den Inhalt auf den Tisch. Ja, es waren Silberpesos. Sie waren so gut wie Dollars.
Salvador belohnte uns nobel.
Ich wusste inzwischen, dass er weiter im Süden einige Silber- und Goldminen besaß. Ja, er konnte uns leicht einige Handvoll Silberpesos schenken für unsere Dienste.
☆☆☆
Schon drei Tage später musste ich wieder reiten. Es sollte ein routinemäßiger Inspektionsritt werden. Ich hatte eine bestimmte Route einzuhalten und ein halbes Dutzend Dörfer zu besuchen. John Hannagan erklärte mir alles ganz genau, gab mir Verhaltensregeln mit auf den Weg und sagte zum Schluss: »Dass du schon allein reiten darfst, ist ein großer Vertrauensbeweis. Denn du vertrittst einen König, daran musst du immer denken. Dieser Ritt wird nicht unter einer Woche zu schaffen sein, selbst wenn es keine besonderen Vorkommnisse geben sollte. Viel Glück.«
Er gab mir dann ein kleines goldenes Ding. Er selbst und auch Al Sacketter hatten solch ein Ding schon bei unserem gemeinsamen Ausritt am Hut getragen. Es war eine Art Anstecknadel, eine Art Sheriffabzeichen. Nur war es kein Stern, sondern eine stilisierte Kandare, ein Spanish Bit, welches wie ein verschnörkeltes S aussah, also wie das Brandzeichen von Salvador.
Es war das Abzeichen seiner Stellvertreter. Und es galt in seinem Machtbereich wie ein Sheriffstern.
Ich steckte es mir an den Hut.
Dann verabschiedete ich mich von Dee Lane. Einen Moment sah es so aus, als wollte sie sich an mir festhalten, sich auf die Zehenspitzen stellen und mir einen Kuss geben. Ich erkannte es in ihren Augen. Aber dann ließ sie es. Sie legte nur kurz ihre Hand gegen meine Brust. Ich spürte es wie einen warmen Strom, der von ihr zu mir überging. Ich wandte mich ab und saß auf.
Dann ritt ich davon.
Ich sah mich nicht um, aber ich spürte ihre Blicke, die mich verfolgten, solange ich von ihr zu sehen war. Nein, ich sah mich nicht um. Das Wegreiten wäre mir sonst noch schwerer gefallen.
Ich musste mich auf meinen Auftrag konzentrieren. Ich hatte meine Bewährungsprobe zu bestehen. Nun war ich ein richtiger Stellvertreter Salvadors in einem weiten Land. Salvador hatte gewiss nicht nur Freunde. Und seine Feinde würden auch meine Feinde sein.
Ich war allein und musste dennoch eine ganze Mannschaft aufwiegen.
☆☆☆
In Fuente Hernandes hatte ich nur einen Streit zu schlichten, bei dem es um Wasser ging. Einer der Bauern mexikanischer Abstammung hatte den kleinen Creek einer Quelle abgeleitet, wodurch zwei Nachbarn kein Wasser mehr bekamen.
Ich sprach ein Machtwort und ritt dann weiter nach Paloma Blanca.
Und hier kam ich wie gerufen, denn im einzigen Gasthaus des kleinen Ortes saßen ein paar Strolche, ließen sich seit zwei Tagen und Nächten schon bedienen und beantworteten jede Bitte, erst einmal zu zahlen, mit Drohungen und Flüchen.
Der Bürgermeister des kleinen Dorfes sagte warnend zu mir: »Es sind Pistoleros, Bandoleros aus dem Krieg. Sie betteln nicht, nein, sie nehmen sich, was sie brauchen. Und je mehr wir ihnen geben, umso frecher werden sie. Es sind fünf. Doch zwei oder drei sind immer betrunken. Sie lösen sich ab.«
Ich nickte nur, ritt vor das Gasthaus und stieg ab.
Drinnen sangen betrunkene Stimmen.
Ich trat ein und sah sie. Ja, sie hatten sich breit gemacht. Und sie fühlten sich als Herren dieses kleinen Dorfes. Sie waren hier auf keinen Widerstand gestoßen. Das nutzten sie aus. Doch sie waren zumindest schon eine Nacht und einen Tag zu lange hier. Sie hätten einkalkulieren müssen, dass selbst solch ein abgelegenes Dorf wie dieses hier Hilfe herbeirufen konnte.
Sie starrten mich an, indes ich langsam eintrat. Ihr Gesang war verstummt. Obwohl sie angetrunken waren, warnte sie ihr Instinkt vor mir. Sie spürten die von mir ausgehende Strömung deutlich.
Einer sagte angriffslustig: »He, Amigo, wie geht es denn so?«
Sie waren gut im Raum verteilt. Zwei standen an der Bar. Einer spielte Billard. Der vierte Mann klimperte leise auf einer Gitarre. Und der fünfte Bursche lag mit dem Oberkörper über einem Tisch und schlief, wobei er seine Arme als Kopfkissen benutzte.
Der Wirt stand hinter dem Schanktisch – ein blasser Mann, der sich fürchtete.
Im Nebenraum, aus dem Essensdüfte kamen, arbeiteten zwei Frauen.
»Gleich gibt es was zu essen«, sagte der Sprecher von vorhin. »Wir haben uns ein schönes Ferkel zubereiten lassen – mit allen Schikanen auf mexikanische Art, schön scharf und pikant. Du kannst mit uns essen, Bruder.«
Wieder war er so plump vertraulich – und zugleich auch herausfordernd.
Ich nickte dem Wirt zu.
»Haben sie schon bezahlt? Die sind doch schon zwei Tage und zwei Nächte hier. Zahlten sie schon?«
Der Wirt sah auf das goldene Abzeichen an meinem Hut und wusste, wer ich war, obwohl er mich niemals zuvor gesehen hatte.
Dann schüttelte er den Kopf.