G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 36 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 36 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

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G.F. Unger ist der erfolgreichste deutschsprachige Western-Autor. Mit einer Rekordauflage von über 250 Millionen Exemplaren gehört er zur internationalen Spitzenklasse der Spannungsliteratur. Und das zu Recht!

Niemand vermag es wie er, die unermesslichen Weiten des amerikanischen Westens und die Stärke der unerschrockenen Männer, die sie erschlossen, zu beschreiben. Erleben Sie den amerikanischen "Wilden Westen", wie nur G.F. Unger ihn schildern kann: hart, authentisch, leidenschaftlich.
Dieser Sammelband enthält die Folgen 2455 bis 2457:

2455: Die Tausend-Dollar-Mannschaft
2456: Die Ehre des Lawmen-Clans
2457: Tigerkatze

Der Inhalt dieses Sammelbands entspricht ca. 192 Taschenbuchseiten.
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Seitenzahl: 466

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Impressum

BASTEI LÜBBE AG Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Für die Originalausgaben: Copyright © 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2021 by Bastei Lübbe AG, Köln Coverillustration: © Prieto/Norma ISBN 978-3-7517-2508-8 www.bastei.de www.luebbe.de www.lesejury.de

G. F. Unger

G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 36

Inhalt

G. F. UngerG. F. Unger Western-Bestseller 2455 - WesternWaco und seine Männer wagen das Unmögliche: Mit einem Munitionstransport brechen sie von Laramie nach Fort Reno auf, das von tausend Indianern eingeschlossen ist ...Jetzt lesen
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Inhalt

Cover

Impressum

Die Tausend-Dollar-Mannschaft

Vorschau

Die Tausend-Dollar-Mannschaft

Die Sonne brennt heiß über Laramie. Waco Turpin sitzt auf einer Kiste vor dem Hauptgebäude der Handels- und Frachtkompanie, lehnt seine breiten Schultern gegen die Hauswand und schnitzt mit einem Messer an einem Stück Holz herum. Aber seinen scharfen und dunklen Indianeraugen entgeht nicht viel.

Ein ziemlich bejahrter Mann kommt aus dem Store und hockt sich nach Indianerart neben Waco Turpin auf die Fersen. Der Oldtimer ist in dunkles Leder gekleidet und trägt trotz der Sommerhitze eine Pelzkappe.

Zielsicher spuckt er eine Ladung braunen Saft auf eine Spinne und murmelt dann: »Da hast du aber mächtig Glück gehabt, Junge, dass du deinen Wagenzug durchbringen konntest. Der Tag ist nicht mehr fern, da sich alle Trecks, die nach Laramie wollen, mitten durch die Hölle kämpfen müssen. Oder bist du anderer Meinung, Waco?«

Waco sieht den alten Prärieläufer ruhig an und lächelt ernst.

»Warum sollte ich dir widersprechen, Bill? Da drüben ist das ganze Sioux-Volk versammelt – die Hunkpapas, die Minniconjous, die Brules, die Oglalas und Two Kettles. Und sogar von den Blackfeet sind welche da! Yeah, dann sehe ich überdies noch die Zelte der Cheyennes und der Arapahoes. Das genügt mir. Sie sind alle da, Bill – alle! Und wenn ihre Häuptlinge erfolglos verhandeln, so bricht die Hölle los. Dann bekommen wir den größten Indianerkrieg alter Zeiten …«

»Um meinen Skalp mache ich mir wenig Sorgen«, unterbricht ihn Bill Smith und nimmt seine Pelzmütze ab. Er wischt sich über seine spiegelnde Glatze und grinst Waco an …

»Aber ich kenne tausend Indianer, die sich Hoffnungen auf einen Ehrenplatz in ihrem Himmel machen, wenn sie deinen Schopf bekommen könnten, Waco«, sagt der Oldtimer.

Waco Turpin grinst zurück, nimmt seinen schwarzen Stetson ab, streicht über sein langes, blauschwarzes Haar und murmelt: »Richtig, ich wollte mir schon in Kansas City die Haare stutzen lassen. Ich werde das jetzt tun.«

Er erhebt sich – ein großer, hagerer und sehniger Mann mit breiten Schultern und langen, leicht gekrümmten Beinen, die in ledernen Hosen stecken. Die Nähte der Hosen und des ledernen Jagdhemdes sind mit Fransen verziert.

Waco trägt einen gekreuzten Revolvergurt mit zwei Colts. Er nimmt seinen langen Arm hoch, steckt das blinkende Messer in die Nackenscheide und sieht noch einmal auf das bunte Gewimmel jenseits des Flusses.

Ja, er sieht wirklich ein zwar wildes, aber wundervolles Bild. Scheckige Pferde, blitzende Lanzenspitzen, Kriegsbeile, bunte Perlenstickereien, weiße Adlerfedern, bunte Decken und Schärpen, bunte Zelte und nackte, bemalte Oberkörper.

Waco Turpin seufzt seltsam.

»Bill«, sagt er mürrisch, »Bill, sie werden erfolglos verhandeln. Wenn ein Indianer mit einem Weißen verhandelt, so wird er zumeist betrogen, Auch die großen Häuptlinge Crazy Horse, Red Cloud und alle anderen werden betrogen – das ist sicher. Nun, ich lasse mir die Haare schneiden.«

Mit langen und geschmeidigen Schritten geht er davon.

»Lass dir den Schädel kahl scheren, Waco! Dann ist dein Skalp für eine Weile bedeutend sicherer!«

Bill Smith ruft es ihm grimmig nach.

Aber Waco Turpin geht ruhig weiter – ein großer Mann mit dunklen Haaren, dunklen Augen und einem scharfen und gut geformten Gesicht, in dem jedoch ein hartes Leben voller Kämpfe seine Zeichen eingebrannt hat.

Bevor er den Barbiersalon erreicht, begegnet er einem riesenhaften Sergeant.

»Hallo, Waco«, sagt der blonde Riese und bleibt stehen.

»Hallo, Jim«, murmelt Waco gedehnt und betrachtet interessiert das farbenprächtige und vollkommen zugeschwollene Auge des Sergeants. Er entdeckt auch noch weitere Spuren von harten Fäusten in Jim Murphys rundem Gesicht und fragt sanft: »Was war das?«

Jim Murphys Gesicht wird sofort grimmig. Er betastet vorsichtig sein angeschwollenes Kinn und streicht sich über seine misshandelte Nase. Sein noch gesundes Auge blitzt zornig.

»Das waren wilde Büffel!«, knurrt er. »Das waren zweibeinige Büffel, die man mit Dynamit, Schlangengift, rohem Fleisch und glühenden Kohlen gefüttert und dann auf die Menschheit losgelassen hat. Und einige dieser Büffel sind noch nicht einmal reinrassig, sondern verdammte Kreuzungen zwischen Büffeln, Grizzlys, Tigern und Wölfen. Die verdammteste Bande von Menschenfressern ist gestern in unsere Kantine eingebrochen und hat wenige Minuten später alles zu Kleinholz verarbeitet. Ich war wachhabender Sergeant, und ich musste nicht nur die gesamte Wache, sondern auch noch den ersten Zug alarmieren. Aber dann haben wir es geschafft, Waco!«

Er macht eine Pause und fährt dann fort: »Und wenn du mich fragst, wo du deine Mannschaft finden kannst, so sage ich dir, dass sie im Gefängnis sitzt! Wir haben die ganze verdammte Höllenbande in Ketten gelegt. Bei Gott, Waco, du weißt, dass ich dein Freund bin, aber ich werde nicht dulden, dass du diesen Menschenfressern auch nur die geringste Erleichterung verschaffst. Hast du mich verstanden?«

»Ihr werdet bald andere Sorgen haben.« Waco grinst bitter, und in seinen dunklen Indianeraugen funkelt ein grimmiger Humor, weil er an seine höllische Mannschaft denkt. »Die roten Gentlemen vor dem Fort werden euch bald solch großen Kummer bereiten, dass ihr recht gerne an die Prügel zurückdenken werdet, die ihr wieder einmal von einer prächtigen Frachtfahrermannschaft bezogen habt. Ich habe ja immer behauptet, dass nur verdammte Jammerlappen, die nicht selbst auf sich aufpassen können, zur Armee gehen. Und ihr habt die ganze Wache und den ersten Zug gebraucht, um acht prächtige Frachtwagenfahrer in Ketten zu legen. Oha, da habt ihr den Beweis, was ihr für Jammerkerle seid!«

Sergeant Jim Murphy richtet sich kerzengerade auf, legt eine seiner schaufelartigen Hände hinters Ohr und beugt den Kopf vor.

»Wie war das, Mr Turpin? In der Armee sind nur alles Jammerlappen? Und diese acht verrückten Ungetüme sollen prächtige Frachtwagenfahrer sein? Habe ich richtig gehört?«

»Genau richtig, Sergeant Jim Charly Murphy! Und wenn ich bei meinen Leuten gewesen wäre, hätten wir die ganze Garnison verprügelt, verstanden?«

»Aaah«, grollt Jim Murphy, »aaah, du Gorillahäuptling! Das werden wir jetzt gleich klären. Du siehst in mir den Vertreter der glorreichen Armee vor dir, die du beleidigt hast. Pass auf!«

Die beiden letzten Worte knurrt er scharf und greift dann an.

Obwohl er beidhändig nach Wacos Kopf schlägt, trifft er diesen nicht und rennt wuchtig in Wacos Rechte hinein.

Es ist ein mächtiger Schlag, denn Waco wiegt fast hundertneunzig Pfund. Und Sergeant Jim Murphy bringt noch zwanzig Pfund mehr auf die Waage.

Es ist also ein wuchtiger Zusammenprall, als Wacos Faust Jim Murphys Kinn trifft. Waco spürt diesen Zusammenprall bis ins Schulterblatt.

Murphys Kopf zuckt zurück. Und dann marschiert er selbst drei Schritte rückwärts und setzt sich mit einem Krach auf die Bretter des Gehsteiges. Dort bleibt er eine Weile sitzen, wackelt mit dem Kopf und betastet sein Kinn.

Und er hört Waco lässig sagen: »Da siehst du selbst, was das faule Leben in der Armee aus einem Mann macht. Jim, es gab eine Zeit, wo ich dich dreimal treffen musste, bevor du dich nach Ruhe sehntest. Du bist wirklich nicht mehr recht in Form, Mister Sergeant.«

Jim seufzt schwer, schüttelt den Kopf und richtet sich langsam auf. »Ich werde es noch einmal versuchen«, knurrt er und greift abermals an.

Diesmal trifft er Waco mit der Rechten auf die Rippen. Waco geht rückwärts und stöhnt unwillkürlich, denn Jims Fäuste sind wie Huftritte.

Und Jim setzt sofort nach, schlägt nach Wacos Kopf, trifft nur dessen Ohrläppchen und stürmt abermals in die eisenharte Faust.

Alles wiederholt sich, nur muss sich Jim Murphy jetzt länger am Boden ausruhen. Und Wacos spöttische Worte sind noch schärfer.

»Du bist das richtige Sinnbild der Armee, Mister Sergeant. Du bist die vollendete Verkörperung der glorreichen Armee, mein Junge. Du bist nämlich so stur wie ein Büffel und ohne Einfälle. Ich wette, dass du jetzt gleich nochmals in meine Faust rennen wirst.«

»Ich habe heute nur eine verdammte Pechsträhne«, knurrt Jim Murphy und erhebt sich wieder. Einige Sekunden wartet er schwankend auf das Gleichgewichtsgefühl – und als es wieder da ist, stürmt er abermals vorwärts.

Aber jetzt hat er doch einen Einfall. Als Wacos Faust kommt, nimmt Jim den Kopf weg.

Und dann rennt Waco in die Faust, die fast so groß wie eine Kokosnuss ist.

Am Boden sitzend und sich das Kinn betastend, hört nun Waco Jims zufriedene Worte: »Steh nur auf, Bruderherz, damit ich es gleich noch einmal machen kann. Komm nur, du Chef einer Bande von Steinzeitmenschen! Ich werde dir jetzt zeigen, wie prächtig die Armee zuschlagen kann!«

Schmerzvoll grinsend erhebt sich Waco Turpin.

»Ich hätte nie gedacht, Mister Soldat, dass du wirklich auf den Einfall kommen könntest, mal etwas anderes zu tun, als mir immer dein Kinn hinzuhalten. Pass auf!«

Nun springt er den Gegner an, taucht unter Jims Fäusten weg und rammt ihm die Linke in den Magen.

Dann gleitet er zurück, und als Jim auch sofort die erwartete Verbeugung macht, weil die Faust wie ein Huftritt seinen Magen traf, richtet Waco ihn mit einem Aufwärtshaken wieder gerade.

Jims Arme rudern durch die Luft, und er selbst schwankt auf den Absätzen. Und als er sich wieder nach vorn legt, bekommt er zum dritten Male die Faust auf den Punkt.

Zuerst setzt er sich krachend hin wie schon zuvor. Aber dann legt er auch seinen mächtigen Rücken auf die Bretter und breitet die Arme aus.

Waco Turpin starrt jetzt ziemlich freudlos auf den blonden Riesen nieder, der einer seiner wenigen Freunde ist.

Warum kriegen wir immer wegen der verdammten Armee Streit miteinander?, denkt Waco gerade, als eine schneidende Stimme hinter ihm sagt: »Sie sind verhaftet! Nehmen Sie die Hände hoch, Sie verdammter Rowdy! Das wird Sie teuer zu stehen kommen! Sie haben einen Dienstgrad der Armee auf offener Straße angefallen und misshandelt! Dafür werden Sie eingesperrt!«

Waco nimmt nicht die Hände hoch – aber er wendet langsam den Kopf. Und er sieht einen Captain hinter sich, der einen Reitercolt auf ihn gerichtet hält. Ein Stück seitwärts des Offiziers steht ein leichter Wagen, in dem ein Mädchen sitzt.

Es ist für Waco sofort klar, dass der wütende Captain hinter ihm den Wagen angehalten hat, dem Mädchen die Zügel in die Hände drückte und sofort eingriff.

Waco kennt fast alle Offiziere auf tausend Meilen in der Runde, aber diesen Mann kennt er nicht.

Es ist ein großer, schlanker und gut aussehender Offizier, und da er unmöglich älter als Waco sein kann, jedoch bereits Captain ist, muss er außer der Reihe befördert worden sein. Waco kennt eine ganze Menge Lieutenants, die bedeutend älter als dieser Captain sind.

Er sieht eine Weile in die rauchgrauen Augen des Captains hinein und erkennt darin tanzende Lichter. Das gebräunte Gesicht ist sehr männlich und hübsch – aber es zeigt einen arroganten, unduldsamen und im Moment fast gierigen Ausdruck.

Waco wird sich schnell darüber klar, dass dieser Mann stets und immer von einem ungeheuren Ehrgeiz angetrieben wird. Er kennt diese Sorte. Sie ist hart zu ihren Untergebenen, und sie tut sich gerne bei Sonderunternehmungen hervor, meldet sich für jede verlorene Sache und hat zumeist das Glück, selbst mit heiler Haut davonzukommen.

Das ist ein Mann, der mutig ist – und der jedes Mittel anwendet, um seine Karriere zu fördern.

Wacos Blick schweift zur Seite und richtet sich auf das Mädchen im Wagen. Nun blitzt es interessiert in Wacos dunklen Augen, und als er erkennt, wie ihn die schönen grünblauen Augen des Mädchens verächtlich mustern, lächelt er breit.

Er hebt die Hand, um nach seinem Hut zu greifen, doch er wird sich zu spät bewusst, dass er ihn verloren hat. Seine Handbewegung wirkt aber doch grüßend.

Und er sagt zu ihr hinüber: »Madam, wenn ich gewusst hätte, dass Sie diese Szene mit ansehen müssten, hätte ich den Sergeant nicht verprügelt. Gerade die Frauen unseres Landes dürfen an der Stärke unserer Armee keine Zweifel bekommen. Bitte entschuldigen Sie, Lady!«

Das Mädchen bewegt sich nicht. Sie sieht ihn nur seltsam an, hält mit fester Hand die Zügel des unruhigen Gespanns und wartet.

Waco erkennt ihre frische Schönheit – aber auch ihren Stolz. Er ahnt, dass es sich um die Tochter eines hohen Offiziers handeln muss. Und sie hat kupferrotes Haar, dessen Fülle sichtlich mit viel Mühe in ihrem Nacken gebändigt wurde.

»Ich habe Ihnen gesagt, Bursche, dass Sie die Hände hoch nehmen sollen«, schnarrt der Captain, tritt näher an Waco heran, drückt ihm die Coltmündung in die Seite und entwaffnet ihn mit schnellen Bewegungen. Waco lässt es geschehen, aber er hebt immer noch nicht seine Hände.

Sein Lächeln ist spöttisch, aber bevor er etwas sagen kann, regt sich der Sergeant auf den Brettern und setzt sich auf.

»Stehen Sie auf, Soldat!«, schnappt der Offizier sofort.

Jim Murphy wackelt erst eine Weile mit dem Kopf und betastet sein Kinn.

»Oahua, oha, Mann o Mann«, stöhnt er bitter, »es ist immer noch ganz! Oha, was habe ich doch für ein prächtiges Kinn! Was ist denn eigentlich los?«

»Stehen Sie auf, bevor ich auch Sie einsperren lasse!«, ruft der Offizier scharf.

Es haben sich natürlich eine Menge Zuschauer angesammelt, die nun einen Kreis bilden.

»Stehen Sie auf«, bellt der Captain so richtig scharf. »Übernehmen Sie diesen Gefangenen, Sergeant. Sie liefern ihn bei der Wache ab und melden sich sofort zum Rapport!«

Jetzt kommt Jim Murphy hoch. Mühsam strafft er sich und salutiert ziemlich zackig.

»Sir, ich habe Ihnen zu melden, dass ich den Befehl habe, diesen Rowdy dem Oberst vorzuführen!«

»Aaah, was will der Kommandeur von diesem Burschen?«

»Er hat es mir nicht gesagt, Sir! Darf ich jetzt meinen Befehl ausführen? Der Oberst wartet!«

»Sie melden sich nachher trotzdem zum Rapport, Sergeant!«

»Yes, Sir!«

Jim Murphy tritt vor und nimmt von dem Captain Wacos Waffen an sich. Er reicht sie Waco, grüßt den Captain noch einmal stramm und wendet sich wieder an Waco.

»Vorwärts, Bursche! Hoffentlich lässt dich der Oberst aufhängen«, sagt er und gibt Waco einen aufmunternden Stoß.

Waco bückt sich nach seinem Hut, schwingt ihn in Richtung des Mädchens und sagt im Weggehen über die Schulter zum Captain: »Irgendwann werden wir schon mal wieder das Vergnügen haben, Mister. Sie sind …«

»Halts Maul!«, grollt Jim Murphy an seiner Seite und stößt ihn in die Rippen.

Als sie sich durch den Kreis der Zuschauer gedrängt haben und nebeneinander über den Exerzierplatz gehen, beginnen sie beide zu fluchen.

»Dieser scharfe Hundesohn verschafft mir zehn Tage Arrest, weil ich mich von dir habe verprügeln lassen. Verdammt, konntest du mir nicht mal einen Gefallen tun und dich auf die Bretter legen, sodass der Armee nicht die Schande passiert wäre, dass ihr bester Sergeant von einem schäbigen Zivilisten geschlagen wird?«

Jim Murphy knurrt es bitter.

Waco aber knurrt: »Fast hätte ich diesen scharfen Heldenführer neben dich auf die Bretter gelegt. Er weiß noch gar nicht, wie nahe er daran war, einige von seinen prächtigen Zähnen zu schlucken. Oha, wenn der noch lange lebt, bekommt unsere Nation eines Tages mal einen prächtigen General! Wie heißt denn dieser Sir?«

»Timberlee, Milton Timberlee. Er kommt von Arizona herauf. Und er hat sich im Süden gegen die Apachen bewährt. Das ist ein scharfer Hund, Junge – und ein Indianerfresser«, gibt Jim bitter zur Antwort.

Sie kommen am großen Kantinenbau vorbei.

Waco bleibt sofort stehen und betrachtet die Sache. Obwohl die meisten Zerstörungen schon beseitigt sind, erkennt er noch viele Zeichen seiner Mannschaft. Die Tür fehlt vollständig, alle Fenster sind eingeschlagen. Das Geländer auf der Veranda ist zerbrochen, und soeben tragen einige Barkeeper zerbrochene Tische und Stühle heraus.

»Ich habe Zahnschmerzen«, knurrt Jim Murphy an Wacos Seite.

»Ich werde dem besten Sergeant der Armee jetzt einen Whisky ausgeben.« Waco grinst freundlich.

Jim macht sofort eine abweisende Gebärde.

»Es gibt eine ganze Menge Gründe, Waco, warum ich mir von dir keinen Whisky ausgeben lasse. Die Zeiten sind für immer vorbei! Überdies würde die scharfe Nase des Colonels sofort den Whiskyduft aus meinem Mund wittern. Komm nur, du Sohn eines Tigers, komm nur mit mir! Ich bin der gute Onkel Jim, und ich führe dich zum Häuptling der Pferdesoldaten. Bestimmt will er dich wegen deiner verdammten Mannschaft aufhängen lassen. Und das freut mich!«

Er setzt sich in Bewegung, zieht Waco am Arm mit und seufzt, als er an die Einladung zum Whisky denkt, die er eben ausgeschlagen hat.

Bevor sie das Kommandanturgebäude erreichen, bleibt Waco plötzlich stehen.

»Das hätte ich bald vergessen, Junge.«

»Was?«

»Den herrlichen Rotschopf im Wagen!«

»Ah, du meinst das Mädel – jaaa! Aber nicht für dich – auch nicht für ein solch armes Schwein wie mich. Das ist Jane Payne, die Tochter von Major Howard Payne. Die gibt sich nicht mit Halbindianern und versoffenen Sergeants ab. Denk nicht mehr an sie, Waco.«

Sie gehen an der Wache vorbei ins Gebäude, und der Regimentssergeant springt sofort wie eine Feder hinter seinem Schreibtisch hoch und knurrt: »Verdammt, Jim! Der Alte hat schon gefragt, ob du Waco aus Kansas herbeiholen müsstest. Geht rein!«

Er öffnet ihnen, meldet und zieht sich schnell zurück.

Nun meldet Sergeant Jim Murphy, dass er den Befehl ausgeführt hat und Mr Waco Turpin zur Stelle sei.

Als er abtreten will, beugt sich der viereckige Colonel hinter dem Tisch mit einem Ruck vor.

»Sergeant«, sagt er kühl, »als ich Sie wegschickte, hatten Sie nur ein verfärbtes Auge und ein leicht angeschwollenes Kinn. Aber jetzt sieht Ihr Kinn so aus, als hätte ein Pferd mehrmals dagegen getreten. Wie ist Ihre Meldung, Sergeant?«

Unter den buschigen Augenbrauen starrt er Jim Murphy eiskalt an. Und Jim schluckt mühsam, erweist eine vollendete Ehrenbezeugung und stottert dann: »Yes – yes, Sir! Ich – ich – hatte Zahnschmerzen! Und da habe ich meinen alten Freund Waco gebeten, mir was ans Kinn zu schlagen, damit der Zahn …«

»Raus!«, unterbricht ihn der Colonel – und Jim Murphy verschwindet wie ein Blitz.

☆☆☆

Der Colonel und Waco sehen sich eine Weile schweigend an. Und plötzlich lächeln sie beide.

»Setzen Sie sich, und rauchen Sie eine meiner Zigarren, Waco.«

Der tut es, und als er festgestellt hat, dass die Zigarre gut ist, sagt er wie beiläufig: »Colonel, Sie wissen, dass es die beste Frachtmannschaft ist, die es überhaupt gibt. Und wenn solche Eisenfresser nach tausend harten Meilen endlich wieder einen freien Tag haben, so schlagen sie leicht über die Stränge – vor allem wenn sie überdies noch gereizt werden. Colonel, was muss ich tun, um meine Jungs wieder aus dem Gefängnis zu bekommen?«

Der kantige Offizier lächelt stärker, und in den Augenwinkeln seiner eiskalten Augen verrät sich ein mühsam verborgener Humor.

»So«, sagt er, »sie wurden also gereizt? Wilde Büffel fühlen sich immer und ständig gereizt. Das ist jetzt bereits das dritte Mal, dass diese Ungetüme die halbe Garnison verprügelt und großen Sachschaden angerichtet haben. Nach den Schätzungen meines Zahlmeisters beläuft sich der Schaden wieder einmal auf rund tausend Dollar. Sie wissen doch wohl schon, Waco, wie man Ihre Mannschaft überall nennt?«

»Yeah – die ›Tausend-Dollar-Mannschaft‹. Die prächtigen Jungs tun eben nichts unter tausend Dollar. Es ist ihr Stil. Aber diesen kleinen Fehler gleichen sie durch ihre Tüchtigkeit wieder aus. Colonel, ich werde die tausend Dollar sofort bezahlen. Kann ich meine Boys dann wieder mitnehmen? Da sie sich nun ausgetobt haben, werden sie einige Tage so sanft und fromm wie neu geborene Lämmer sein.«

Colonel James C. Tomson schüttelt den eisgrauen Kopf.

»So einfach ist das nicht! Elf meiner besten Soldaten liegen im Lazarett. Ein halbes Dutzend Reiter können für einige Tage nur leichten Innendienst verrichten. Ich muss diesen acht grimmigen Winterriesen endlich einmal eine höllische Lektion erteilen, Waco. Ich behalte diese verdammte Höllenmannschaft ein halbes Jahr im Kerker. Haben Sie mich verstanden? Und Ihnen, als Boss dieser Steinzeitmenschen, muss ich den Vorwurf machen, dass Sie nichts unternommen haben, um …«

»Ich war nicht im Fort, Colonel – ich war jenseits des Flusses.«

»Bei Ihrem roten Pflegevater Weißer Biber, ich weiß.« Der Colonel nickt und schickt dann die Frage hinterher: »Was halten Sie von der Lage, Waco?«

Wacos dunkle Augen werden schmal. Er presst die Lippen gegen die Zähne und zeigt ein freudloses Lächeln.

Dann murmelt er: »Ich habe von einer starken Truppe gehört, die auf dem Bozeman-Weg eine Reihe von Forts errichten soll. Die Armee will durch das Vertragsland der Indianer eine Straße nach Montana bauen, die von Laramie aus die Route des Bozeman-Weges benutzt. Und ihr habt die Truppe auf den Weg geschickt, bevor ihr euch von den Indianern eine Erlaubnis geben ließet. Die ganze Sioux-Nation mit ihren größten Häuptlingen ist hier. Sie wollten mit euch verhandeln, aber ihr habt sie vor vollendete Tatsachen gestellt. Wenn ihr die Truppe nicht sofort zurück nach Laramie beordert, wird es Krieg geben. Einen verdammten Indianerkrieg wird es geben!«

Wacos Stimme wurde immer schärfer und wütender.

Und als er verstummt, nickt der Colonel bitter.

»Yeah, es wird Krieg geben. Colonel Carrington ist mit seiner Truppe nach Fort Reno unterwegs. Von diesem Fort aus wird er den Powder River überschreiten und weiter nördlich einen neuen Posten errichten. Fort Reno ist also die Ausgangsbasis. Und vor zwei Stunden erreichte mich die Nachricht, dass die Munitionsvorräte des Forts in die Luft gegangen sind. Das halbe Fort ist mit in die Luft geflogen. Und wenn die roten Gentlemen ihren Krieg beginnen, sind mehr als tausend weiße Soldaten am Powder River so gut wie ohne Munition. Waco, Sie können sich ausrechnen, wie viele unter diesen Umständen ihre Skalpe retten werden!«

»Yeah, das kann ich mir ausrechnen!« Waco Turpin grinst bitter.

Der Colonel erhebt sich und tritt ans Fenster.

»Vielleicht ziehen die Indianer schon nach einer Stunde ab – aber vielleicht dauert das Palaver noch einige Tage an. Ich weiß nicht, was die Unterhändler der Regierung erreichen werden – und ich bezweifle, dass sie Crazy Horse vom Krieg abhalten können. Ich weiß nur eines, Waco: Was auch geschehen mag – ich muss Munition nach Fort Reno schaffen lassen!«

»Sicher, sonst verlieren noch vor dem Winter tausend arme Hunde ihre Skalpe! Aber was hat das mit mir und meiner Mann – aaah, Colonel, ich und meine Leute sollen die armen Idioten sein, die …«

»So ist es, Waco! Ich kann hier beim besten Willen nur eine einzige Kompanie entbehren. Und ich brauche zu dieser Kompanie die besten Frachtwagenfahrer der Welt. Wollen Sie den Armeekontrakt für acht schwere Wagenladungen Munition haben, Mr Turpin? Oder wollen Sie zusehen, wie da draußen am Powder River tausend Jungs ohne Munition fünftausend roten Tigern gegenüberstehen?«

»Colonel, Sie sind nicht fair! Sie verlangen von mir und meiner Mannschaft, dass wir die Suppe auslöffeln helfen, die sich die Armee selbst eingebrockt hat. Aaah, Sie können einen Frachtwagenzug aus Militärfahrzeugen zusammenstellen lassen!«

»Selbst wenn ich das könnte – so hätte ich immer noch nicht die besten Frachtwagenfahrer der Welt! Und es gibt auch noch andere Gründe, warum ich Sie bitte, Waco. Sie sind in den Zelten der Hunkpapas aufgewachsen. Weißer Biber war Ihr Pflegevater, und er liebte Sie so sehr, dass er Sie freiwillig einem Missionar und damit der weißen Rasse wiedergab. Es ist doch eine Tatsache, dass sämtliche Sioux-Stämme Ihre Frachtwagen in Frieden ziehen lassen. Und dann gibt es noch einen dritten Grund, Waco: Die Roten wissen, dass die Armee bisher ihre Munition stets durch Militärfahrzeuge transportieren ließ. Offiziell werden Sie Proviant und Werkzeuge transportieren. Und überdies reist Miss Jane Payne mit Ihnen. Das wird die Roten noch mehr täuschen. Für alle Welt sieht es so aus, als reise die Tochter eines hohen Offiziers zu ihrem Vater. Die Militäreskorte ist ganz selbstverständlich. Und Ihre Frachtwagenkolonne hat sich nur angeschlossen. So wird es aussehen. Waco, nur Sie, als einstiger Pflegesohn des Weißen Bibers, haben eine Chance. Und selbst dann, wenn diese Chance erlischt, sind Sie und Ihre Leute immer noch die besten Frachtwagenfahrer der Welt.«

Er sieht Waco fordernd an.

»Oha«, knurrt dieser zornig, »ich habe schon immer gewusst, dass die größten Torheiten nur in der Armee vollbracht werden. Sie wollen ein Mädchen mitten in den Krieg schicken? Sie wollen dieses Mädel zu den tausend armen Hunden schicken, die wahrscheinlich noch vor dem Winter ihre Skalpe verlieren?«

»Ich schicke sie nicht, Waco! In Fort Reno sind noch viele andere weiße Frauen und Mädchen – Offiziersfrauen und –töchter. Und Miss Payne würde sich einige Begleiter mieten und auf eigene Faust zu ihrem Vater reiten. Wenn die Munition in Reno ist, ist es dort so sicher wie hier.«

»So sicher ist es hier in Laramie nun auch wieder nicht«, knurrt Waco, »aber immer noch sicherer als auf dem Weg zum Powder River, wenn die rote Hölle losbricht. Colonel, lassen Sie das Mädel hier. Binden Sie die Kleine an – oder sperren Sie das dickköpfige Girl ein!«

»Sie hat eine Bescheinigung vom Oberkommando, dass sie zu ihrem Vater darf. Und das Oberkommando ist so weit von hier entfernt, dass es sich der Illusion hingibt, es würde keinen Indianerkrieg geben. Ich habe nicht das Recht und die Machtbefugnis, Miss Payne festzusetzen. Und ich müsste sie festsetzen, wenn ich sie daran hindern wollte, nach Fort Reno zu reisen. Das ist alles, Waco! Wollen Sie den Kontrakt haben? Ich lasse nicht nur Ihre Leute mit einem Generalpardon frei, sondern verzichte überdies auf die tausend Dollar Schadenersatz für den angerichteten Schaden.«

»Colonel, Sie sind ein Erpresser!«

»Ich will tausend meiner Kameraden eine faire Chance geben«, knurrt der Colonel wütend.

Waco wischt sich über das Gesicht.

»Verdammt, ja, Colonel – tausend arme Idioten, die gewöhnt sind, ohne Widerspruch den blödesten Befehl auszuführen und dann auch noch stolz darauf sind – ja, tausend arme Idioten sind in Gefahr.«

»Mäßigen Sie sich, Turpin. Es ist schwerer für einen Mann, wenn er gehorchen muss – als zum Beispiel so wild und zügellos zu sein wie Ihre Männer. Diese Burschen …«

»Halt, Colonel! Sie sind wild und rau – aber sie sind nicht zügellos. In allen steckt ein goldener Kern. Ja, und stolz sind sie, sehr stolz! Sie sind stolzer als die ganze Armee! Und weil sie wild sind, schlagen sie zu, wenn jemand ihren Stolz beleidigt. Nun, wir wollen uns nicht streiten, Colonel. Ich will die Tausend-Dollar-Mannschaft fragen, ob sie für tausend arme Blueboys ihre Skalpe riskieren will. Und wenn wir fahren, so kosten zweitausend Pfund Fracht tausend Dollar Frachtgeld. Das ist unser Preis! Und sagen Sie mir jetzt nicht, dass wir aus der Not der Armee Geschäfte machen wollen. Dies ist die Tausend-Dollar-Mannschaft, und tausend Dollar ist ihr Frachtsatz für eine Tonne. Daher haben wir auch unseren Namen. Denn wir befördern nur sehr wertvolle Güter und bringen sie auch ans Ziel – mit oder ohne Armee.«

»Ich weiß, ich weiß«, murmelt der Colonel, »ihr tragt den Namen nicht nur, weil ihr stets für tausend Dollar Schaden anrichtet, wenn ihr eine Rauferei beginnt. Ich lasse die Verträge fertig machen.«

Waco öffnet die Tür.

Der Colonel ruft seinem Sergeant zu: »Bringen Sie Mr Turpin zu seiner Mannschaft!«

☆☆☆

Vor der eisernen Tür bleiben sie stehen, und der Sergeant knurrt die beiden Posten an: »Haltet eure Gewehre schussfertig! Diese wilden Büffel stürmen sonst heraus und reißen noch das ganze Fort in Stücke!«

Dann schiebt der Sergeant den großen Schlüssel in das Schloss und schließt umständlich auf.

Dabei hören sie, Waco und der Sergeant, den wilden Gesang aus der großen Sammelzelle.

Es ist ein urweltartiger Gesang:

»… unsere Brüder starben!

Auf dem Weg nach Laramie!

Es waren die besten Brüder!

Wir vergessen sie nie!

Und alle Mädels weinten!

Auf dem Weg nach Laramie!

Sie weinten um unsere Brüder!

Und vergessen sie nie!

Unsere Brüder auf dem Weg nach Laramie!

Hoaheh, auf dem Weg nach Laramie!«

Sie beenden das Lied im selben Moment, als sich die Tür öffnet und ihr Boss Waco Turpin eintritt.

Hinter Waco wird die Tür sofort wieder verschlossen und verriegelt.

Und dann ist es einige Atemzüge lang sehr still.

Aber dann erklingt die tiefe Bassstimme von Wacos Wagenboss Pierce Brock.

»Jetzt sind wir also vollkommen auf den Hund gekommen, Brüder! Seht ihn an! Seht ihn an! Da kommt unser Häuptling! Und ich hätte nie geglaubt, dass er sich von einem einzigen Sergeant und zwei bewaffneten Armleuchtern einsperren ließe. Oahua, nicht einmal der beste Mann unseres Vereins konnte es schaffen, diese verdammte Burg abzureißen! Waco, ich habe eine Wette verloren! Ich habe zwanzig Dollar darauf gewettet, dass du uns noch heute aus diesem Zwinger holen würdest. Oahua, es gibt nichts Schlimmeres für einen Mann, als wenn er von seinem eigenen Boss so grausam enttäuscht wird!«

Pierce Brock lehnt an der Wand neben dem vergitterten Fenster. Waco sieht den rothaarigen Riesen aufmerksam an.

Pierce Brock ist fast nackt. Von seiner einstigen Kleidung hängen nur noch einige Fetzen um seinen Riesenkörper. Und es ist wirklich fast der rot beharrte Körper eines zweibeinigen Büffels. Überall sind Kratzer, Risse, Beulen und blutunterlaufene Stellen an Pierce.

Waco schüttelt traurig den Kopf und sieht sich den nächsten Mann an. Es ist Tom Farel, und er hockt auf dem Stroh am Boden, hält seinen verbundenen Kopf mit beiden Händen fest, wiegt sich rhythmisch und ächzt immer wieder: »Oh – diese Bienen – diese verdammten Bienen in meinem Schädel! Singt doch wieder, Brüder, damit ich meine Bienen nicht so summen höre!«

Aber plötzlich macht er die Augen auf und sieht Waco. Sofort verzerrt er sein zerschlagenes Gesicht zu einem Willkommensgrinsen und stöhnt: »O Boss, es ist gut, dass ich dich noch einmal sehen kann, bevor der Kopf auf meinen Schultern endlich auseinander platzt.«

Dann schließt er wieder die Augen und wiegt sich weiter.

Waco sieht Chap Trop an. Der hat zwei dick angeschwollene Augen, durch deren Schlitze er nur mühsam sehen kann. Chaps Nase liegt ganz auf der linken Seite. Aber er grinst, zeigt zwei frische Zahnlücken und lispelt: »Du brauscht disch nischt zu schämen, Bosch – wir habensch den Hundeschöhnen gescheben.«

»So seht ihr auch alle aus«, knurrt Waco grimmig und sieht Jake Longhorse an, der nur einen Stiefel anhat und die zerstampften Zehen des linken Fußes mit einem nassen Lappen kühlt.

»Wir hatten jeder erst drei Whisky getrunken und waren noch nicht richtig in Form«, verkündete Jake freundlich, und obwohl er ebenfalls ein Riese ist, hat er ein unschuldiges Kindergesicht, in dem kein Härchen sprießt.

Sam Sanders Oberkörper ist nackt, und ein großes Pflaster bedeckt sein linkes Ohr.

»Boss«, fragt er sanft, »hast du vielleicht von einem Corporal gehört, der an einem halben Ohr erstickt ist?«

»Nein«, sagt Waco um noch einen Ton bitterer und sieht Kansas Pete an, der auf dem Bauch liegt.

»Was ist mit Pete?«, fragt er.

»Jemand hat ihn über den Schanktisch gezogen – und zwei Pferdesoldaten haben ihm mit den Säbeln den Hintern verhauen«, erklärte Pierce. »Aber dann hat er sich frei gemacht und hat sie alle drei zusammengeschlagen und durch das Fenster geworfen«, fügt er stolz hin zu.

»Und ihre verdammten Säbel habe ich zerbrochen«, ächzt Kansas Pete zufrieden.

Als Waco seinen finsteren Blick auf Ring Wayne richtet, grinst dieser freundlich, so gut er es mit seinen gespaltenen Lippen vermag, und sagt milde: »Du darfst uns nicht böse sein, Boss. Es waren zu viele Pferdesoldaten, und der ganze Streit hat auch nur deshalb begonnen, weil wir ihnen ein Lied vorsangen. Sie müssen das Lied vollkommen falsch verstanden haben. Aaah, diese Boys von der Armee haben überhaupt keinen Humor!«

Waco nickt bitter und murmelt: »Es war sicherlich das Lied von Corporal Newman.«

»Yeah«, grinst Ring, »und wir hatten eine prächtige neue Strophe gedichtet. Willst du sie mal hören, Boss? Los, Jungs! Zwei, drei! Es lebe Corporal Newman! Er ist die Ordonnanz von dem Major! Und er …«

»Ruhe«, ruft Waco scharf, als der ganze Chor brüllend einfällt und bei den nächsten Worten schon bestimmt etwas sehr Unanständiges singen wird.

Sie verstummen sofort, und Waco sieht den letzten Mann an, der auf den Namen Silvertip Frank hört.

Auch Frank trägt die Zeichen eines wilden Kampfes, aber er tritt vor, hebt mit seltsamer Gebärde seine riesigen Hände und sagt salbungsvoll: »Also hören wir aus dem Mund unseres ›Großen Coup‹, was der mächtige Häuptling der Pferdesoldaten über uns beschlossen hat. Wir werden es mit Würde und Stolz zu tragen wissen, Brüder! Denn unser Häuptling, den seine roten Brüder ›Großer Coup‹ nennen, ist wieder in unserer Mitte. Unser Stamm ist nicht mehr ohne Kopf! Oh, welch Lustgefühl wäre jetzt in uns, wenn ›Großer Coup‹ beim Kampf unser Führer gewesen wäre. Dann würden wir jetzt unseren Sieg über die Pferdesoldaten von Laramie feiern – und es wäre ein Jubel unter den Menschen wie nie zuvor an einem Tag!«

Es ist sehr still, und plötzlich beginnt Tom Farel bitter zu schluchzen.

»O Vater, verzeihe deinen missratenen Söhnen«, ächzt er.

»Jetzt werde ich euch mal etwas sagen«, beginnt Waco bitter, und in seinen schwarzen Augen tanzen plötzlich helle Lichter. »Es wird der Tag kommen, wo ich euch Mann für Mann zum Teufel in die Hölle zurückjagen werden. Denn aus der Hölle seid ihr entsprungen. Sie wollten dort eine solch lausige Bande verrückter Rowdys nicht haben. Und ich weiß nicht, ob ich euch überhaupt noch haben will! Lieber dressiere ich mir einige Grizzlybären und ein paar Büffel! Wollt ihr denn eines Tages für immer im Kerker bleiben? Nun, ihr seid wahrscheinlich die besten Frachtwagenfahrer der Welt – aber sonst taugt ihr nichts – gar nichts! Nun, passt auf: Der Colonel will euch ein halbes Jahr einsperren und einige tausend Dollar Strafe und Schmerzensgeld zahlen lassen. Ich werde meine Wagen und alle Gespanne verkaufen müssen, um euch das Geld borgen zu können. Und dann werde ich mein Pferd satteln und in eine andere Gegend reiten – weit weg, damit ich keinen von euch mehr sehe. Denn eines Tages werdet ihr einige Männer totschlagen, weil ihnen eure Lieder nicht gefallen. Und ich muss das dann verantworten, weil ich euer Boss bin! Oha, ich hätte Lust, euch der Reihe nach zu verprügeln!«

Als Waco verstummt, ist es sehr still. Und dann seufzt einer nach dem anderen.

Sie lassen die Köpfe hängen, und nur Tom Farel, der eine ziemliche Gehirnerschütterung haben und deshalb nicht ganz richtig im Kopf sein muss, fleht weinerlich: »O Waco, wir sind verlorene Kinder ohne dich! Denn nur du führst uns immer wieder aus tiefster Dunkelheit heraus zum Licht!«

»Ich habe schon mal gesagt, dass er wieder ganz vernünftig reden würde, wenn ich ihm eine Kopfnuss geben darf«, sagt Silvertip Frank bittend.

»Nein, dann stirbt er«, entscheidet Pierce und sieht Waco an. »Nun, Boss, was müssen wir tun, um noch einmal eine Chance zu bekommen.«

Waco Turpin grinst.

»Ich will es euch sagen. Wir werden unsere Frachtwagen mit Munition beladen und damit zum Powder River fahren – mitten durch fünftausend wütende Indianer hindurch, die uns sofort in Stücke reißen, sobald sie erst einmal gewittert haben, dass wir Munition für Fort Reno in unseren Wagen fahren. Aber wir werden es dennoch versuchen, weil sonst tausend arme Hunde bis zum Winter am Powder River ihre Skalpe verlieren. Ich habe eine Menge Sorgen wegen dieser Sache, Männer – aber um euch mache ich mir keine Sorgen. Für euch wäre es nur eine gerechte Strafe, wenn eure ungewaschenen Skalpe eines Tages vor den Zelten der roten Gentlemen im Winde flatterten.«

»Das wirst du nicht erleben«, sagt Pierce grinsend, »denn wenn wir für die Armee Munition fahren, wird die Armee eine große Armee als Begleitschutz mitschicken.«

Er starrt Waco triumphierend an.

Waco grinst scharf.

»Sicher, wir bekommen fünfundvierzig Pferdesoldaten mit. Und ich denke mir, dass wir nicht nur auf unsere Wagen, sondern auch noch auf die blauen Boys aufpassen müssen. Wenn ich nur schon wüsste, wer das Begleitkommando führen wird.«

Er grinst nun richtig hinterhältig und schadenfroh.

»Jetzt nehme ich euch mit. Wir trinken keinen Tropfen Whisky. Und ihr macht bis zum Nachmittag alle Wagen fertig. Und wenn einer glaubt, dass er gestern so viel Prügel erhalten hat, dass er jetzt krank spielen kann, bringe ich ihn schon wieder auf die Beine.«

Als er verstummt, tritt Kansas Pete an Tom Farel heran, zieht ihn auf die Beine und sagt: »Also müssen wir es mit ihm doch auf die raue Art versuchen!«

Dann gibt er ihm einen leichten Kinnhaken und legt ihn auf die Erde. Sie bilden eine Gruppe um den Bewusstlosen und warten.

»Wenn er jetzt überhaupt nicht mehr richtig im Kopf wird oder gar stirbt, so bringe ich dich um«, knurrt Pierce Brock Kansas Pete an.

Aber da regt sich Tom Farel schon, richtet sich auf, greift nach seinem verbundenen Kopf, gähnt plötzlich und schlägt die Augen auf.

»Habe ich lange geschlafen?«, fragt er.

»Seht ihr, jetzt ist er wieder normal.« Pete grinst zufrieden. »Es ist immer so mit ihm, wenn er was auf den Kürbis bekommen hat. Dann muss man durch eine neue Erschütterung die Sägespäne in ihm wieder in die richtige Lage bringen. Können wir diesen Ort verlassen, Boss?«

Waco wendet sich zur Tür und ruft: »He, aufmachen! Ich führe sie jetzt hinaus! Und sie sind alle sehr friedlich!«

Die Tür öffnet sich ganz vorsichtig, und als Waco seine Mannschaft aus der großen Sammelzelle in den Gang führt, steht dort der ganze Wachzug bereit.

»Ich weiß nicht«, knurrt der Sergeant. »warum ihr wieder mal eure Hälse retten konntet, aber …«

»Du armer, kleiner und unwissender Söldner«, sagt Silvertip Frank auf seine milde Art, als er an ihm vorbeigeht. »Die Unwissenheit in dir ist ein nobles Geschenk deines Herrn.«

Er bleibt stehen und hebt den langen, dicken Zeigefinger.

»Ich will es euch sagen – wir werden freigelassen, weil wir die prächtige Tausend-Dollar-Mannschaft sind. Und wir sollen euren roten Freunden das Lied von Corporal Newman vorsingen. Daraufhin wird sich um ganz Laramie ein Jubel erheben, wie ihn die Welt bis zum heutigen Tage noch nicht …«

»Frank!«, ruft Waco von vorn.

»Ich komme schon, Boss!«

Und dann gehen sie über den Exerzierplatz – acht riesige Frachtkutscher, die zusammen zwanzig Zentner wiegen – und ihr Boss, dem man durchaus zutraut, dass er diese acht Ungetüme mit der bloßen Faust beherrscht. Sie sind zerrissen und zerschlagen, lechzen nach einem scharfen Trunk und einer kräftigen Mahlzeit – und sie hören die Spottworte und die Flüche der Soldaten. Sie grollen und fluchen. Aber sie folgen Waco folgsam wie ein Rudel Büffel einem schwarzen Tiger.

So kommen sie in den weiten Hof der Handels- und Frachtkompanie, wo ihre acht mächtigen Frachtwagen und der Küchenwagen stehen.

Smoky, der Koch, der so klein und krumm wie ein missratener Gartenzwerg aussieht, steht vor der langen Wohnbaracke und ruft mit seiner wunderschönen Baritonstimme: »Heiliger Rauch, da kommen sie wieder! Wer hätte das gedacht? Konnten die Blauröcke eure schmutzigen Lieder nicht mehr hören – oder habt ihr …«

»Spute dich. Smoky! Jeder von uns will einen ausgewachsenen Ochsen am Spieß gebraten haben! Spute dich, du krummbeiniger Pfannenschwenker!«

Pierce Brock ruft es grimmig.

Dann bleiben sie alle stehen und sehen Waco an.

»Ihr habt vier Stunden Zeit«, sagt er zu ihnen. »Dann habt ihr die Wagen und die Gespanne in einer Verfassung, dass wir damit quer durch die Hölle fahren können. Und für diese Fahrt nimmt jeder Mann ein Sattelpferd mit, das er hinten an seinen Wagen bindet und jederzeit zur Hand hat. Ich gehe jetzt zum Colonel, und wenn ich zurückkomme, werde ich es riechen, wenn einer Whisky getrunken hat. Dann werde ich diesen Hundesohn verprügeln und wieder in die Zelle sperren lassen. Habt ihr mich verstanden, ihr Bullen?«

Sie nicken alle und seufzen schwer.

Als Waco davongeht, knurrt Kansas Pete grimmig: »Manchmal frage ich mich, warum er so hart mit uns umspringen kann und wir es einfach hinnehmen.«

»Weil er unser lieber Vater ist – nicht an Jahren, sondern an Weisheit. Und weil er der einzige Mann auf dieser Erde ist, vor dem wir Respekt haben, Bruder«, erwidert ihm Silvertip Frank salbungsvoll.

Dann gehen sie an die Arbeit.

☆☆☆

Als Waco wieder beim Colonel eintritt, findet er dort den Captain vor, den er eben erst so unliebsam kennen lernte.

»Das ist Waco Turpin«, sagt der Colonel zufrieden und stellt Waco dem Captain vor.

»Wir kennen uns bereits flüchtig.« Waco grinst und schaut fest in die rauchgrauen Augen des Captains, in denen er nichts anderes als eine arrogante und kühle Zurückhaltung erkennt.

»Yeah, wir kennen uns bereits«, sagt auch der Captain und bewegt sich nicht.

Der Colonel betrachtet die beiden Männer eine Weile forschend. Dabei wird sein Blick eisig und hart.

»Es sieht nicht so aus, als ob sich die Gentlemen besonders sympathisch wären«, knurrt er dann grimmig. »Und deshalb will ich es von Anfang an ganz eindeutig klarstellen: Captain, Sie hören jetzt meinen Befehl!«

»Yes, Sir!«

»Mr Waco Turpin hat den Auftrag, einen Munitionstransport bis nach Fort Reno durchzuführen. Und Sie, Captain, haben den Befehl, diesen Transport mit allen Mitteln – und wenn nötig bis zum letzten Mann! – zu sichern und zu beschützen. Überdies haben Sie aber auch die Aufgabe, Miss Jane Payne zu ihrem Vater zu bringen. Die Dame reist auf eigene Verantwortung und gegen meinen Rat. Wenn es in meiner Macht stünde, so hätte ich Miss Payne diese Reise verboten. Und jetzt hören Sie meinen zweiten Befehl, Captain! Sie haben in allererster Linie stets an das Gelingen des Munitionstransportes zu denken – selbst dann, wenn die eigenwillige Dame dadurch in große Gefahr geraten sollte. Jeder Frachtwagen mit Munition ist wichtiger für Sie als Miss Paynes Leben. Haben Sie mich verstanden, Captain?«

»Ganz eindeutig, Sir! Vielleicht gestatten Sie mir eine Frage, Colonel?«

»Fragen Sie.«

»Weiß Miss Payne, dass ich im Falle einer Gefahr …«

»Sie weiß es, Captain! Haben Sie sonst noch Fragen?«

»Nein, Sir!«

Der Colonel wendet sich nun an Waco.

»Hier liegt der Kontrakt zur Unterschrift, Mr Turpin. Wann brechen Sie auf?«

»Meine Wagen fahren nach Anbruch der Dunkelheit vor das Munitionsmagazin. Es wäre gut, wenn schnell verladen würde. Dann brechen wir sofort auf und fahren die ganze Nacht und den ganzen Tag durch. Wir werden am Bull Hill das erste Camp aufschlagen. Dort kann das Begleitkommando zu uns stoßen. Ich möchte nicht unter Bewachung aus dem Fort fahren und die Indianer schon jetzt für unseren Treck interessieren. Es soll so aussehen, als hätte uns die Truppe zufällig eingeholt. Die roten Gentlemen werden früh genug auf die richtige Idee kommen und uns das Leben schwer machen. Das ist alles, Colonel.«

Waco tritt an den Schreibtisch, liest die Frachtverträge durch und unterschreibt.

Als er sich aufrichtet, reicht ihm der Colonel die Hand.

Sie sprechen kein Wort.

An der Tür dreht sich Waco noch einmal um und sieht in die arroganten Augen des Captains hinein.

»Morgen Abend am Bull Hill also, Mister«, sagt er lächelnd.

☆☆☆

Es ist lange nach Mitternacht, als sie abfahren. Die Nacht ist ohne Mond und Sterne. Der Westwind jagt Wolken über das Land, und manchmal klatscht ein Regenschauer nieder.

Aber die Indianerfeuer jenseits des Flusses brennen, und hundert brettharte Hände erzeugen rhythmisches Trommeln. Irgendwo dort drüben sitzen die großen Häuptlinge Crazy Horse, Red Cloud und Man Afraid mit den niedrigen Häuptlingen zu Rat. Und morgen werden sie mit den Regierungsbeauftragten vielleicht schon die letzten Worte sprechen.

Wahrscheinlich wird es dann Krieg geben.

Und Waco Turpin führt seinen Frachtwagenzug nach Norden.

Er reitet einsam an der Spitze – ein großer, hagerer Mann auf einem hässlichen Pferd, lässig im Sattel, wachsam aber und mit scharfen Augen.

Dann kommen die acht Maultiere des ersten Wagens. Tom Farel knallt mit der zwanzig Fuß langen Treiberpeitsche und ruft die Namen seiner Maultiere.

»Betty, Daisy! Aaah, Kate, wirst du wohl, du verdammtes Mädchen! Mary, ich schlag dir was zwischen die Ohren, du Biest, wenn du Rose noch mal beißt!«

Und dann folgt Wagen um Wagen, jeder schwankend, mit eisenbeschlagenen Reifen und von der Sonne gebleichten Planen. Waco hört die rauen Stimmen von Chap Trop, Jake Longhorse, Sam Sander, Kansas Pete, Ring Wayne, Silvertip Frank – und von Smoky, dem Koch – und Pierce Brock, der zwar Wagenboss ist, aber selbst den letzten Wagen fährt.

So ziehen sie hinaus in das wilde Land – acht schwere Frachtwagen und zehn Männer –, die Tausend-Dollar-Mannschaft, die beste und raueste Frachtwagenmannschaft zwischen dem Rio Grande und der Nordgrenze.

Wie wird es ausgehen?

Nur eines ist sicher: Wenn es einen Indianerkrieg gibt – und wenn die Roten erfahren, dass diese Frachtkolonne Munition für die Truppen am Powder River fährt –, wird dies eine Fahrt durch die Hölle.

Jeder Mann der Mannschaft weiß es.

Und doch folgen sie Waco Turpin.

Denn auf dieser Erde ist er der einzige Mann, den sie lieben und achten. Wenn er sie führt, fahren sie überall hin.

Als es am Morgen etwas aufklart und sie an einem Creek für den Morgenkaffee rasten und die Maultiere tränken, nähern sich drei Indianer.

Und einer der Roten trägt das Zeichen eines kleinen Häuptlings.

Stolz kommen sie ins Camp geritten, und als die Sonne einen Moment durch ein jagendes Wolkenloch bricht, leuchten bunte Farben an ihnen.

Waco dreht seiner Mannschaft den Rücken und tritt den Roten entgegen.

Denn der riesige Mann mit dem Häuptlingsschmuck ist sein einstiger Pflegevater Weißer Biber.

»How, Hokahe – sei willkommen, mein Vater«, sagt er ernst und schaut fest in die ernsten Augen hinein.

Der Riese gleitet leicht vom Pferd, lässt seine beiden Begleiter zurück und tritt dicht an Waco heran.

»Du bist mein weißer Sohn – und du nahmst keinen Abschied und ziehst auf einem gefährlichen Weg.«

»So ist es, Vater – es ist mein Weg.«

»Und du kehrst nicht um?«

»Als Knabe lebte ich in deinem Tipi, Vater – und du lehrtest mich, dass ein Häuptling nie von seinem Wege abweichen soll. Und der weiße Missionar, zu dem du mich dann brachtest, weil deine Liebe zu mir so groß wie der Himmel war, lehrte mich das Gleiche. Es ist mein Weg, Vater.«

»Es wird Krieg geben, Sohn. Und du wirst sicherlich bald am Can Wakan Sha stehen, dem roten, heiligen Pfahl, an dem sich Krieger und Häuptlinge als Männer bewähren müssen, wenn sie tausend Qualen erdulden. Willst du das?«

»Ich bin furchtlos – denn ich lebte in deinem Tipi! Es ist mein Weg, Vater!«

Er sagt es ernst und führt dabei seine Hand an die Stirn.

Der Häuptling der Hunkpapas macht eine segnende Bewegung.

»Dann kann ich dir nicht helfen. Eines Tages werden sich unsere Seelen in Wanagi Yata treffen. Wir werden dort eine gute Jagd haben. Du bist schon tela nun vela – schon tot, obwohl noch lebendig. Mein Herz ist bei dir.«

Er wendet sich ab, schwingt sich auf sein scheckiges Pferd und reitet mit seinen beiden Begleitern davon. Er sieht sich nicht mehr um, sondern verschwindet schnell hinter der nächsten Bodenwelle.

Waco steht immer noch auf dem Fleck, als seine Männer einen Kreis um ihn bilden.

»Hat er dir gesagt, dass seine stinkenden Vettern sich schon auf unsere Skalpe freuen?«, knurrt Pierce Brock und fährt sich grinsend in sein rotes Haar.

»Es wird Krieg geben«, erwidert Waco.

Sein scharfer Blick fliegt über die Männer, von denen jeder größer und schwerer ist als er.

»Wir sind noch nicht weit vom Fort entfernt – wer will, der kann mit seinem Wagen umkehren, bevor die Hölle losbricht. Aber am Powder River warten tausend arme Hunde auf Munition. Was ist nun?«

»Es wird ein prächtiger Spaß werden«, beginnt Silvertip Frank salbungsvoll. »Und wenn wir wohlbehalten unser Ziel erreichen, so wird sich ein ungeheurer Jubel erheben wie nie zuvor auf dieser Erde.«

Die anderen beginnen zu grinsen, und Pierce Brock knurrt giftig: »Also fahren wir! Und wenn es schlimm mit den Roten wird, so lassen wir Frank eine Rede halten. Und dann wird sich unter den roten Gentlemen ein Jubel erheben wie nie zuvor!«

Er starrt Silvertip Frank grimmig an und stapft zu seinem Wagen zurück.

Smoky wirft das Geschirr in eine Wanne, diese in den Küchenwagen und sitzt mit einem Sprung auf dem Bock.

Und dann ziehen sie weiter.

Bei Sonnenuntergang tränken sie ihre Pferde in dem kleinen See am Fuß des Bull-Hügels.

Als sie ihre mächtigen Abendportionen verdrücken, trifft die Soldatenabteilung ein. Sie haben einen Wagen bei sich, und ein einzelner Reiter kommt an das Feuer der Frachtkolonne geritten, hält an, setzt sich bequem im Sattel zurecht und fragt: »Na, ihr armen Schweine, wie ist euch denn zumute? Es gibt nämlich Krieg, ihr Peitschenschwinger! Crazy Horse hat die Verhandlungen abgebrochen und ist mit seinen rothäutigen Vettern abgezogen. Irgendwo werden diese Gentlemen ein Empfangskomitee für alle friedlichen Reisenden unserer Hautfarbe bereithalten. Wie gefällt euch das, ihr netten Burschen?«

Der Sprecher wischt sich über das grinsende Gesicht, und im roten Feuerschein funkeln die gelben Sergeantstreifen auf seinem Arm.

Es ist Sergeant Jim Murphy.

Waco winkt ihm vom Feuer aus mit dem Kaffeebecher zu.

»Nur Mut, Mister Soldat, nur Mut! Zuerst holen sie sich eure schönen Haare. Und wenn sie mit euch fertig sind, so denken wir uns schon etwas aus. Wir fühlen uns aber vorläufig in eurem trefflichen Schutze so sicher wie hinter der Schürze einer guten Mammi. Es leben die heldenhaften Pferdesoldaten von Laramie!«

Und dann fallen die rauen und kräftigen Stimmen seiner Mannschaft in das Lied ein:

»Es lebe Corporal Newman!

Er ist Ordonnanz bei dem Major!

Und er …«

»Halt! Haltet ein! Denkt an die Lady in unserem Camp!«, brüllt Jim Murphy.

Dann flucht er bitter in das Gelächter hinein und reitet zurück.

Waco aber sagt zu seinen Leuten: »Rollt euch in die Decken. Die nächsten drei Tage sind noch ungefährlich, und wir brauchen nur eine Maultierwache aufzustellen. Aber dann werden wir wohl verdammt wenig Schlaf bekommen.«

☆☆☆

»Smith«, knurrt Captain Timberlee grimmig, »Sie sind mein Scout. Und ich will sehr schnell von Ihnen wissen, wie viele Indianer vor uns sind und ob sie uns den Weg verlegen werden. Reiten Sie endlich, Smith, und sehen Sie sich nach den Roten um!«

»Nur langsam, Mister«, knurrt der Prärieläufer, »nur immer langsam. Ich bin schon ziemlich alt geworden und nur aus einem einzigen Grund erreichte ich meine fünfzig Lenze – ich bin kein Narr. Verstehen Sie, Captain? Ich bin kein blutiger Narr! Wir haben einen ziemlich hellen Tag mit guter Sicht. Wenn ich jetzt am hellen Tag die Kolonne verlasse, so habe ich bald ein ganzes Rudel roter Wölfe auf den Hacken. Captain, was haben Sie schon davon, wenn Sie mich hinter dem nächsten Hügel ohne Skalp finden? Was haben Sie davon? Dann kann ich Ihnen nichts mehr über Indianer erzählen, gar nichts! Warten Sie nur, bis es dunkel wird. Dann wird sich Mr Smith umsehen. Hihihi, in der Nacht sind alle Katzen grau – was, Waco?«

Er zwinkert diesem zu.

Doch Waco starrt den Captain an. Er kennt ihn inzwischen schon gut genug, um zu wissen, was jetzt kommt. Und er hat sich nicht getäuscht.

Obwohl sich Timberlee nur mit Mühe stramm im Sattel hält, macht er nach Bill Smiths Erklärung sofort eine heftige Handbewegung und schnarrt arrogant: »Als ein Armeescout haben Sie meine Befehle auszuführen, verstanden! Und wenn Sie zu feige sind, um das Land vor uns zu erkunden, so reiten Sie nach Laramie zurück. Ich schicke dann einen meiner Soldaten. Haben Sie mich verstanden, Smith?«

»Captain, er kann jetzt nicht den Treck verlassen. Wenn er sich weiter als drei Meilen von uns entfernt, verlegen sie ihm den Weg zurück«, murmelt Waco.

»Überdies werden uns die Roten noch nicht angreifen«, erklärt Bill Smith. »Mit uns beginnen sie erst später, und je weiter wir in Nordrichtung ziehen, umso sicherer haben sie uns. Die lassen sich Zeit, Captain. Sie beobachten uns nur. Ein Tagestreck vor uns zieht ein Wagenzug nach Norden. Wenn wir die Asche dieser Wagen finden, dann wissen wir, dass die Reihe an uns kommen wird. Aber erst werden sie den Wagenzug vor uns überfallen. Der ist eine leichtere Beute. Ich werde erst nach Anbruch der Dunkelheit reiten, Captain.«

Nun aber wird Timberlee erst so richtig hart.

»Ein Wagenzug ist vor uns?«, schnappt er.

»Sicher, er ist einen Tag vor Turpins Frachtwagen aufgebrochen. Es sind Siedler und Pioniere, die nach Montana ziehen. Und sie haben sich beeilt, weil sie glauben, noch vor dem Krieg mit den Roten das Powder-River-Land hinter sich bringen zu können. Aber sie sind zwei Wochen zu spät aufgebrochen. Sie sind verloren.«

Bill Smiths Stimme klirrt zuletzt vor Bitterkeit.

»Aber wenn wir mit ihnen zusammen nach Norden ziehen, so erhöht sich unsere Kampfkraft«, schnarrt der Captain. »Zum Teufel, Smith, reiten Sie dem Wagenzug nach und halten Sie ihn auf. Die Leute sollen warten, bis wir aufgeschlossen haben!«

»Wenn ich jetzt reite, habe ich die Chance von eins zu hundert, dass ich lebendig den Wagentreck erreiche«, knurrt Bill Smith. »Ich werde in der Nacht reiten. Dann schaffe ich’s!«

Er sieht den Captain böse an.

Und der sagt ganz kalt: »Smith, ich brauche Sie nicht mehr als Scout. Sie haben mir zu wenig Mut – die Chance von eins zu hundert muss für einen Scout genügen. Ich werde einen von meinen Soldaten schicken!«

Er will seinem Pferd die Sporen geben, aber Bill Smith bellt bitter: »Nun gut, Sie – Sie – aaah, ich werde reiten. Der arme Junge, den Sie schicken würden, hätte nicht mal die Chance von eins zu tausend. Ich werde es also versuchen. Aber dann können Sie, Captain, und die ganze Armee mir den Buckel hinauf- und wieder herunterrutschen! Verdammt, Sie brauchen wirklich keinen Scout! Sie sind schlauer und kennen die Indianer besser als Jim Bridger!«

Mit diesen Worten reitet er davon und lässt Waco und den Captain zurück.

Und bevor auch der Offizier nach vorn reitet, um sich wieder an die Spitze zu setzen, sagt Waco zu ihm: »Das war närrisch, Timberlee. Sie wissen ganz genau, wie sehr dieser alte Präriehase im Recht ist. Nun, vielleicht schafft er es. Ich wünsche es wirklich für Sie, Timberlee, dass die alte Büffelhaut es schafft. Denn sonst haben Sie ihn durch Unvernunft und mit einem verrückten Befehl in den Tod geschickt. Und selbst, wenn er die Wagen erreicht, so werden die Leute nur ein Hindernis für uns sein! Ruhig, Captain! Ich bin noch nicht fertig! Ich weiß genau, dass es unsere Pflicht ist, diesen Leuten zu helfen! Aber wenn wir dadurch in Schwierigkeiten kommen, so warten tausend brave Jungs am Powder River vergebens auf Munition. Dann sterben tausend Jungs! Und wenn sie tot sind, bricht die Hölle für alle weißen Menschen zwischen Laramie und der Nordgrenze erst richtig los. Timberlee, ich würde mein Leben einsetzen, um diesem Treck vor uns zu helfen. Das ist keine Phrase! Das ist mein blutiger Ernst. Aber was sind fünf oder sechs Dutzend Land suchende und so verdammt uneinsichtige Teufel gegen die Hölle, die im Powder-River-Land ausbricht, wenn wir den Munitionstransport nicht durchbringen? Das ist meine Meinung! Herrgott, es ist bitter, sich so hart entscheiden zu müssen, aber wir dürfen uns mit dem Frachtwagenzug vor uns nicht belasten. Wir sind schwerfällig genug, und wir werden bald sehr schnell sein müssen. Captain, Sie können von mir aus bei dem Wagentreck bleiben, aber ich werde sehr bald ein anderes Marschtempo einschlagen, wenn es notwendig sein wird! Und dann werde ich mich um nichts am Weg kümmern – nur um meine Wagen und darum, dass ich die Ladung ans Ziel bringe. Timberlee, ich bekomme immer mehr den Eindruck, als versuchten Sie, den Helden zu spielen. Hören Sie auf damit! Ich will Ihnen Ihre soldatischen Qualitäten nicht absprechen, und ich will daran glauben, dass Sie mit Ihren vierzig Reitern vierhundert Sioux zum Teufel jagen können. Aber Bill Smith und ich, wir wissen besser als Sie, wie wir diesen Treck hier ans Ziel bringen. Sie sind zum Kämpfen da. Überlassen Sie das Denken erfahrenen Leuten. Wir sind hier nicht in Arizona! Und jetzt habe ich Ihnen Worte genug geschenkt!«

Er reitet schneller, doch schon bevor er den letzten Wagen erreicht, jagt Timberlee an ihm vorbei.

Der riesige Pierce Brock, der den letzten Wagen fährt, sitzt lässig auf seinem Sitz. Neben ihm lehnen ein Winchestergewehr und eine Schrotflinte. Die langen Zügel hält er in der Linken, während die Rechte mit der zusammengerollten fünfundzwanzig Fuß langen Peitsche spielt. Mit dieser Peitsche kann Pierce Brock den vordersten Maultieren einen Brummer von den Ohrenspitzen knallen.

»Und wie soll es weitergehen, Waco?«

»Wer weiß es, Pierce? Aber irgendwie ist die Tausend-Dollar-Mannschaft immer durchgekommen. Bald werdet ihr zeigen müssen, dass ihr nicht nur in den Saloons kämpfen könnt.«

»Das haben wir schon oft gezeigt, Waco – und du weißt es!«

»Sicher.«