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G.F. Unger ist der erfolgreichste deutschsprachige Western-Autor. Mit einer Rekordauflage von über 250 Millionen Exemplaren gehört er zur internationalen Spitzenklasse der Spannungsliteratur. Und das zu Recht!
Niemand vermag es wie er, die unermesslichen Weiten des amerikanischen Westens und die Stärke der unerschrockenen Männer, die sie erschlossen, zu beschreiben. Erleben Sie den amerikanischen "Wilden Westen", wie nur G.F. Unger ihn schildern kann: hart, authentisch, leidenschaftlich.
Dieser Sammelband enthält die Folgen 2416 bis 2418:
2416: Cattle Trail
Ich hatte fünftausend Rinder beim Kartenspiel gewonnen, und als mir meine alten Kriegskameraden wieder über den Weg liefen, entschloss ich mich, die Herde von El Paso nach Kansas zu treiben ...
2417: Einer kommt wieder
Der Raubrancher Nelson Miles ließ meine Brüder und mich kleinmachen und jagte uns von unserem Land. Ich war noch ein Junge, aber für mich stand fest, dass ich eines Tages zurückkehren würde ...
2418: Die Montana-Herde
Ein Spitzenwestern, vollgepackt bis zum Rand mit atemloser Spannung! Die Montana-Herde Adam Lee hat nur eine Chance, seine Herde vor dem Schneesturm zu retten: Er muss sie auf die Morgan-Weide treiben. Doch Big Josua Morgan und seine wilden Söhne sind schlimmer als jeder Blizzard ...
Der Inhalt dieses Sammelbands entspricht ca. 192 Taschenbuchseiten.
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Seitenzahl: 473
Veröffentlichungsjahr: 2022
G. F. Unger
G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 37
Cover
Impressum
Cattle Trail
Vorschau
Cattle Trail
Ich fühlte mich in diesen Tagen – und vor allen Dingen in den Nächten – als Lucky Cuss, als glücklicher Kerl, der auf so etwas wie eine Goldader gestoßen war.
Aber die Goldader war ein Mann, ein mächtiger Bursche von der Sorte, die man Cattle Kings nannte. Dieser Bursche saß schon einige Nächte mit mir in einer Pokerrunde im Cattlemen’s Saloon zu El Paso. Die drei anderen Mitspieler wechselten jede Nacht. Sie waren nur Statisten.
Er aber wollte mich mit den Karten schlagen, koste es ihn, was es wolle. Denn er fühlte sich von mir herausgefordert. In der ersten Nacht hatte er eine Menge an mich verloren. Deshalb wollte er immer wieder Revanche und verlor ständig mehr. Das machte ihm zu schaffen und wurde für ihn zu einem riesigen Problem. Denn er war ein Großer, ein Mächtiger, der niemals aufgab.
Irgendwann in der vierten Nacht hatte er kein Geld mehr.
Ich sagte zu ihm: »Mister Alvarez, Sie können gegen mich einfach nicht gewinnen. Das ist nun mal so. Dagegen können Sie nichts machen. Und gewiss gibt es auf unserer Erde Männer, gegen die auch ich niemals gewinnen könnte. Und niemand weiß, warum das so ist. Hören wir also auf. Ihr Geld ist alle, nicht wahr?«
Er starrte mich unter seinen buschigen Augenbrauen hinweg böse an. Und er war ein großer, bulliger und eisenharter Mann, einer von der Sorte, die lange Schritte macht. Deshalb wurmte es ihn ja auch so, dass er an mich fast seine Hosen verlor.
»Spieler«, knurrte er, »Sie werden mir Revanche geben, so lange ich darauf bestehe. Und ich bestehe auch jetzt darauf.«
Normalerweise hätte ich solch einem Burschen gesagt, dass er sich zum Teufel scheren solle. Doch ich ließ es bleiben, denn er war nicht allein. Er hatte zwei hartgesichtige Revolverschwinger bei sich, die ihn begleiteten wie eine Leibgarde einen King.
»Na gut«, sprach ich freundlich, »was können Sie denn als Einsatz bringen, Mister Alvarez? Ich bin ja kein Unmensch. Wollen Sie auch noch Ihre Herden und Ihre Ranch an mich verlieren?«
Ich hätte es besser nicht gesagt. Denn er fasste es sofort als Herausforderung auf. Und wäre er ein Stier gewesen, so hätte er mich jetzt auf die Hörner zu nehmen versucht.
Er fragte knurrend: »Spieler, was ist zurzeit ein Longhorn auf dem Huf hier in Texas wert?«
Ich grinste. »Nichts«, erwiderte ich, »gar nichts. Nicht mal die Rinderhaut bringt so viel, wie das Abhäuten und der Transport kosten würden. Die Longhorns in Texas haben sich wie die Karnickel vermehrt während des Bürgerkriegs. Aber sie sind weniger wert als Karnickel.«
Da schüttelte er den Kopf.
»Bald werden sie eine Menge wert sein, weiter im Norden, wo es Eisenbahnlinien gibt und die Rinder nach dem Osten verladen werden. Dort wartet man schon auf Rindfleisch. Alles verändert sich. Man hat Kühlanlagen erfunden. Und so wird man bald die Rinderhälften bis hinüber nach Europa transportieren. He, Spieler, lesen Sie denn keine Zeitungen?«
Er fragte es mit einem Klang von Verachtung in der Stimme, so als hielte er mich für einen Analphabeten. Aber er wusste genau, dass ich wahrscheinlich gebildeter war als er. Ja, er wusste es sicher. Aber er wollte mich beleidigen.
Ich blickte über die Schulter zur Bar hinüber.
Ja, dort standen seine beiden Revolverschwinger.
Mit denen und auch mit ihm würde ich kämpfen müssen.
Wir waren nicht allein im Cattlemen’s Saloon zu El Paso. Es waren noch eine Menge andere Leute im Spielraum. Und fast alle hatten unser Spiel in respektvoller Entfernung beobachtet.
So mancher hatte Freude darüber verspürt, dass ich diesem Jason Alvarez die Haut abzog wie einem Hammel.
Aber er war kein Hammel. Und das konnte nun mein großes Problem werden.
»Also gut«, sagte ich, »bewerten wir jedes Longhornrind mit einem Dollar hier in Texas. Oder ist das nicht fair?«
Er nickte. »Doch, hier in Texas ja. Ich schreibe Ihnen einen Schuldschein über tausend Rinder. Und dann spielen wir weiter.«
Leute, was hätte ich tun sollen? Ich war gewiss kein Feigling. Und weil ich wusste, wie schnell ich mit dem Revolver war, hätte ich seine beiden Revolverschwinger gewiss geschafft, vielleicht sogar auch ihn.
Aber auch ich würde etwas abbekommen.
Drei waren zu viel für mich.
Doch das war noch nicht alles, was mich kneifen ließ. Ich hätte töten müssen. Und das wollte ich nicht.
Nun, er stellte den Schuldschein über tausend Rinder aus, den ich präsentieren konnte nach eigenem Belieben. Das verlangte ich ausdrücklich, und er schrieb es auch hin. Dann ging das Spiel weiter. Sein Spielkapital betrug tausend Dollar.
Als draußen der Morgen graute, besaß ich tausend Rinder.
Er erhob sich mit einem Ruck, und er strömte Gift und Galle aus, so böse und wütend war er.
Massig beugte er sich über den Tisch und sah die anderen drei Mitspieler gar nicht an, als er sagte: »Morgen will ich Revanche.«
Dann ging er mit seinen beiden Revolvermännern.
Ich blieb noch sitzen. Und die drei anderen Spieler betrachteten mich mitleidig. Einer sagte: »Das war eine spannende Nacht. Und wir waren dabei. Noch unseren Enkeln werden wir von jenem Spieler erzählen, der dem mächtigen Big Jason Alvarez die Haut abziehen konnte. Aber wenn Sie ihn nicht noch mehr verärgern wollen, dann sollten Sie ihn gewinnen lassen. Dann ist er wieder glücklich.«
Sie erhoben sich nach seinen Worten. Ich blieb noch eine Weile allein am Tisch sitzen und betrachtete die Karten.
Ja, verdammt, ich war nach dem Krieg ein Spieler geworden. Und bis zu dem Zeitpunkt hatte ich mich als Glückspilz betrachtet. Jetzt aber war ich nicht mehr dieser Meinung. Ich fühlte mich in einer Falle. Und wenn ich aus ihr herauswollte, würde ich kämpfen und wahrscheinlich sogar töten müssen.
Ich erhob mich, trat an die Bar und nahm noch einen Drink.
Dann ging ich hinaus und hinüber zum Hotel.
Am liebsten wäre ich zum Mietstall gegangen, hätte mein Pferd gesattelt und die Flucht ergriffen. Das wäre klug und vernünftig gewesen.
Aber ich wusste, ich würde nicht aus der Stadt kommen. Er war ein mächtiger Mann und wollte mich erst mit den Karten besiegen. Vorher kam ich nicht weg.
Zorn stieg in mir hoch, böser, kalter Zorn. Und so war ich mächtig wütend, als ich endlich in mein Zimmer trat.
Aber dann sah ich Sally in meinem Bett liegen. Sie bewohnte eigentlich das Zimmer nebenan, aber sie fühlte sich wohler in meinen Armen und besuchte mich über den Balkon. Wir lagen dann stets von Morgengrauen bis Mittag im selben Bett und beschenkten uns gegenseitig mit all den Zärtlichkeiten, wie sie seit Adam und Eva zwischen den Geschlechtern üblich sind.
Sie war eine Spielerin, wie ich ein Spieler war. Und sie teilte im Rio Saloon die Karten beim Faro oder Black Jack aus, lächelte dabei die Spieler an und verleitete sie so immer wieder dazu, ihr Glück zu probieren.
Eigentlich war sie eine Tochter aus gutem Haus und auf einem noblen Internat erzogen worden. Ihr Vater war ein reicher Baumwollpflanzer gewesen, der etwa vierhundert Sklaven für sich arbeiten ließ. Dann – als der Süden den Krieg verlor – wurde er von seinen Sklaven totgeschlagen, seine Frau – Sallys Mutter – wurde vergewaltigt. Sally hatte sich damals verstecken können und war dann in einer schwarzen Nacht davongeschlichen. Wir hatten uns beim Frühstück hier im Hotel kennengelernt.
Und nun beschenkten wir uns also. Das mochte unmoralisch sein, doch es gehörte nun mal zum Leben.
Als ich mich neben ihr aufs Bett legte, nachdem ich mich leise entkleidet hatte, da erwachte sie, rollte sich in meine Arme. Dann beschenkte sie mich, ließ mich ihr Verlangen und ihr Feuer spüren.
Wir hatten beide eine lange Nacht hinter uns.
Doch der Hunger nach körperlicher Liebe hielt uns wach.
☆☆☆
Am frühen Nachmittag ritten wir aus wie immer in den vergangenen Tagen. Denn wir hatten frische Luft sehr nötig, verbrachten wir doch die Nächte in verräucherten Spielräumen.
Sally sprach nach einer Weile des schweigsamen Nebeneinanderreitens: »Man spricht von dir und Big Jason Alvarez und von dem Ärger, den du mit ihm bekommen wirst. Auch in der Spielhalle, in der ich die Karten austeile, redet man von eurem Spiel. Dieser Alvarez ist ein Bursche, der alles haben will und einfach nicht verlieren kann. Er will auch mich haben.«
Als ich das hörte, hielt ich an.
»He, wie kommt er auf dich? Wie und wo seid ihr euch begegnet?« Ich fragte es staunend.
»Im Store«, erwiderte sie. »Und er machte mir das Angebot, bei ihm auf der Ranch zu leben. Er sagte mir, dass ich es bei ihm sehr viel besser hätte als in der Spielhalle. Er würde gerne einen oder zwei Söhne haben. Aber diese zu zeugen müsste ihm auch Spaß machen. Und da wäre ich seiner Meinung nach genau die richtige Frau. Mit mir würde es ihm gewaltig Spaß machen. Und ich hätte ausgesorgt für mein ganzes Leben. Was meinst du, Mike? Für viele Frauen auf dieser Erde wäre das gewiss ein tolles Angebot – oder? Und wenn er erst herausfindet, dass ich es mit dir treibe, dann wird er sich dir gegenüber zum zweiten Mal als Verlierer fühlen. Mike, ich mache mir Sorgen um dich hier in El Paso. Doch ich würde sofort mit dir von hier weggehen, ganz gleich wohin. Ist das kein Angebot?«
Ich staunte nochmals gewaltig.
Aber dann schüttelte ich den Kopf und sprach: »Ich sagte es dir ja schon im Morgengrauen im Bett. Wir sind Glücksjäger und taugen beide nicht viel. Aus uns würde nichts, gar nichts. Könntest du mir treu sein, sogar dein Leben für mich geben?«
»Könntest du das umgekehrt?«, fragte sie ziemlich biestig zurück.
»Siehst du.« Ich grinste. »Zwischen uns ist keine Liebe mit dem Herzen, nur das Verlangen nach zärtlichen Stunden. Wir wollen nur gegenseitig unser Feuer spüren, uns beschenken und sozusagen dem Himmel näher bringen. Und wenn irgendwann unser Feuer und gegenseitiges Verlangen erlöscht, dann …« Ich brach ab und winkte resignierend ab.
Aber sie war wütend und sprach spröde: »Du verdammter Kartenhai, was bildest du dir eigentlich ein? Ich werfe mich dir fast an den Hals, und du behandelst mich wie eine streunende Katze. Geh zum Teufel, Mike Starr!«
Sie gab ihrem Leihpferd die Sporen und galoppierte davon.
Ja, sie war wütend. Und ich Narr ließ sie reiten, folgte ihr nicht, um sie wieder zu versöhnen.
Aber vielleicht war es besser so. Ich hatte andere Sorgen. Dieser Jason Alvarez würde in der kommenden Nacht wahrscheinlich wieder tausend Rinder an mich verlieren. Ich war mir da ziemlich sicher. Mein Instinkt sagte es mir. Es war sein Schicksal, mit Karten nicht gegen mich gewinnen zu können. Doch er wollte es nicht akzeptieren.
☆☆☆
Als es Nacht wurde, saß ich wieder mit Big Jason Alvarez am Spieltisch. Die drei anderen Spieler waren nicht die von gestern. Sie hatten schon auf uns gewartet und wollten nur dabei sein bei diesem Spiel.
Big Jason Alvarez starrte er mich unter seinen buschigen Augenbrauen hinweg drohend an und sagte knurrig: »Ich werde also wieder einen Schuldschein über tausend Rinder wie gestern ausstellen. Gut so?«
Ich nickte nur und gab ihm dann tausend Dollar, kaufte also gewissermaßen von ihm weitere tausend Rinder, mit denen ich nichts anfangen konnte. Er aber hatte wieder Spielkapital.
Ziemlich borstig fragte ich ihn: »Alvarez, wie viele Rinder besitzen Sie eigentlich? Wie viele muss ich Ihnen noch abkaufen, um Ihnen dann den Kaufpreis wieder abnehmen zu können?«
Er grinste grimmig und erwiderte: »Was weiß ich – es können fünfzigtausend oder hunderttausend sein. Ich habe ein halbes Dutzend Brennmannschaften auf meinen Weidegebieten. Die bränden jeden Tag insgesamt fast tausend Tiere. Während des Krieges wurden die Rinder nicht gebrändet. Sie vermehrten sich nur. Doch alle hier stammen von der Stammherde ab. Und Maverickjäger werden an den Hälsen hochgezogen, bis sie nicht mehr zappeln. So ist das hier.«
Er verstummte grimmig.
Nun, lieber Leser meiner Geschichte, es war wie in den vergangenen Nächten. Er konnte auch diesmal nicht gegen mich gewinnen. Als draußen die Nacht zu sterben begann, da hatte ich ihm das Geld wieder abgewonnen. Und so besaß ich nicht nur zweitausend Rinder, sondern auch wieder all meine Dollars.
Er saß dann da und starrte mich an.
Dann sprach er: »Ich denke immer an die Geschichte von dem Feldherrn, der schon einige Schlachten verloren hatte und eigentlich aufgeben wollte mit seinem Heer. Kennen Sie diese Geschichte, Spieler?«
»Wer kennt die nicht.« Ich grinste. »Als der Feldherr in seinem Zelt lag, da kroch immer wieder eine Ameise an der Zeltwand hoch. Er schnippte sie mit dem Finger ständig herunter, aber sie versuchte es immerzu aufs Neue. Endlich gab er auf und ließ sie hochkrabbeln. Und da begriff er, dass auch er nicht aufgeben sollte, sondern immerzu angreifen müsste. Und das tat er dann auch mit seinem Heer und gewann den Krieg. Und Sie, Alvarez, halten sich also für solch einen Feldherrn und mich für eine Ameise?« Ich verstummte voller Spott.
Aber er erwiderte: »So ist es genau. Und morgen spielen wir wieder. Ich kann noch mehr als fünfzigtausend Rinder einsetzen.«
Er erhob sich mit einem Ruck und ging. Seine beiden Revolverschwinger folgten ihm.
Die drei anderen Spieler an unserem Tisch blieben noch sitzen wie ich. Sie sahen mich forschend an. Dann sagte einer: »Mann, in Ihrer Haut möchte ich nicht stecken. Big Jason Alvarez wird nicht aufgeben. Der glaubt wirklich, er wäre solch ein Feldherr und Sie eine Ameise. Aber er wird Sie nicht krabbeln lassen und selbst aufgeben. Der wird Sie zertreten. Es war eine interessante Nacht hier an diesem Pokertisch. Allzu viel haben wir nicht verloren. Wir waren ja nur Statisten und Zuschauer.«
Die beiden anderen nickten und erhoben sich mit dem Sprecher.
Ich blieb noch sitzen und dachte nach, fragte mich, wie es weitergehen sollte und wann Alvarez endlich aufgeben würde.
Und noch etwas fragte ich mich, nämlich: Würde Sally Woodward auch diesmal in meinem Bett auf mich warten oder war es aus mit uns?
Nun, ich würde es gleich herausfinden.
Also erhob ich mich und trat bald darauf hinaus in die sterbende Nacht, sog die frische Luft tief in mich ein.
Und als ich auf mein Zimmer kam, da war mein Bett leer.
Sally Woodward hatte also noch ihren Stolz.
Irgendwie gefiel es mir.
☆☆☆
Nun, es ging noch drei Nächte so weiter.
Dann besaß ich Schuldscheine über fünftausend Rinder und hatte keinen einzigen Dollar verloren.
Big Jason Alvarez aber hasste mich nun wie der Teufel, der ihm seine Seele stehlen wollte – oder gar schon gestohlen hatte.
Ja, er hasste mich, wie ein Verlierer einen Gewinner nur hassen kann.
Seine Wut und sein Hass trafen mich in dieser fünften Nacht, da er erneut tausend Rinder verlor, wie ein heißer Atem, den er über den Tisch strömen ließ.
Und so wurde mir klar, dass ich die Flucht ergreifen musste. Dieser Mann würde mich von nun an auf andere Weise besiegen wollen.
Und so entschloss ich mich im Morgengrauen dieser Nacht.
Ich ging nicht zum Hotel zurück, wo ja ohnehin keine Sally mehr auf mich in meinem Bett wartete. Ich würde in meinem Zimmer meine wenigen Siebensachen einfach zurücklassen. Mein ganzes Geld trug ich bei mir, hatte es in einem Geldgürtel und in den Taschen, sogar in den Stiefelschäften. Und auch die fünf Schuldscheine über insgesamt fünftausend Alvarez-Longhorns trug ich in der Brieftasche bei mir.
Damit machte ich mich im Morgengrauen auf den Weg zum Mietstall und hoffte, dass ich mich davonschleichen könnte wie ein Fuchs mit seiner Beute.
Der Stallmann schlief noch in seinem kleinen Verschlag. Ich hörte sein sägendes Schnarchen, holte mein Pferd aus der Box und legte ihm den Sattel auf.
Das Pferd hatte ich hier gekauft, um ausreiten und auch jederzeit von hier weg zu können. Ich war ja mit einer Postkutsche gekommen, wie Sally auch. Als ich das Tier aus dem Stall führte, um draußen aufzusitzen, war das kein Pferdediebstahl.
Ich blieb keinem hier in El Paso etwas schuldig.
Als ich aufsitzen wollte, da sah die beiden Gestalten. Sie traten rechts und links hinter zwei abgestellten Planwagen hervor.
Es waren Big Jason Alvarez’ Revolverschwinger. Ich musste nicht zweimal hinsehen, um es zu begreifen. Ich hatte sie ja all die Nächte ausgiebig betrachten können.
Und so saß ich nicht auf, sondern trat von meinem Pferd weg.
»Hallo, Amigos«, sagte ich freundlich. »Dies wird heute ein besonders schöner Morgen mit einem strahlenden Sonnenaufgang. Man sollte sich an einem solchen Morgen seines Lebens freuen. Denn es ist hart, an einem solchen Morgen zu sterben.«
Sie lachten hart. Einer sagte: »Spieler, drohst du uns gar?«
»Ich drohe niemals«, erwiderte ich. »Ich nenne die Dinge nur beim Namen. An solch einem Morgen sollte man nicht sterben wollen.«
»Dann schaff den Gaul wieder in den Stall zurück und geh in dein Hotel, damit du heute Abend wieder ausgeschlafen bist, wenn Alvarez mit dir spielt.«
Ich schüttelte den Kopf.
»Nein«, sagte ich, »jetzt ist Schluss. Ich habe ihm immer wieder Gelegenheit zur Revanche gegeben. Jetzt reite ich meines Weges.«
Nun waren sie an der Reihe mit dem Kopfschütteln. Es war ja alles so einfach und klar.
Einer sagte: »Amigo, wir haben persönlich nichts gegen dich. Aber wir wollen unseren Job behalten. Es ist ein guter Job. In dieser miesen Zeit jetzt nach dem Krieg sind solche Jobs dünn gesät. Also, bleib hier in El Paso, bis Alvarez genug von dir hat. Wenn du einigermaßen klug wärst, hättest du ihn gewinnen lassen. Man kann einen solchen Mann nicht so verärgern.«
Er verstummte richtig gönnerhaft, als wäre er ein guter Freund mit einem guten Rat.
Ich aber sagte: »Jungs, ich werde reiten. Und ihr könnt mich nicht aufhalten.«
Da schnappten sie nach ihren Revolvern. Sie wollten mir wahrscheinlich nur zeigen, wie schnell sie ziehen konnten. Aber darauf konnte ich mich nicht verlassen. Ich zog so schnell wie immer und schoss sie von den Beinen.
Die Schüsse hallten durch El Paso und weckten an diesem grauen Morgen sicherlich eine Menge Schläfer.
Ich saß auf und ritt davon. In mir war ein bitteres Bedauern. Aber was hätte ich anderes tun können?
☆☆☆
Wohin sollte ich reiten? Das war die Frage, die ich mir stellte. Ich hatte von großen Silberfunden gehört. Eine Campstadt, die sich Silver City nannte, war entstanden, so etwa hundertachtzig Meilen nordwestlich von El Paso entfernt.
Nun, ich machte mich also dorthin auf den Weg. Unterwegs würde ich mich besser ausrüsten. Geld besaß ich ja genug. Mir würde es an nichts mangeln. Ich musste nur aufpassen, dass man mich unterwegs nicht ausplünderte. Denn das Land war kurz nach dem Krieg voller Banditen.
Ich besaß nur einen Colt, nicht mal ein Gewehr.
Nun, ich hatte damals wahrscheinlich eine Menge Glück, denn ich kam am nächsten Tag ungeschoren nach Mesilla. Doch ich hielt mich dort nicht lange auf, kaufte mir nur alle notwendigen Dinge, natürlich auch ein gutes Gewehr. Es war einer dieser neuen Spencer-Karabiner, mit dem man siebenmal eine Patrone in den Lauf repetieren konnte.
Dass ich mich in Mesilla nicht lange aufhielt, hatte natürlich mit meiner Sorge zu tun, dass Big Jason Alvarez mir einige Kopfgeldjäger nachgeschickt haben könnte. Denn dass ich ihm entkommen war, sah er gewiss als eine weitere Niederlage an. Also hatte er bestimmt eine Prämie auf meinen Skalp ausgesetzt.
Als ich daran dachte, musste ich lachen. Denn dieser Alvarez hatte ja wohl kein Bargeld mehr, nur noch Rinder. Der konnte vorerst keine Prämien in Bargeld zahlen. Dennoch musste ich damit rechnen, dass er Mittel und Wege finden würde, mir seine Macht zu zeigen.
Nun, ich ritt also weiter und bewegte mich durchs Land wie ein misstrauischer Wolf. Und in der Nacht, als ich ein feuerloses Camp aufschlug, fern von einer Wasserstelle und gut verborgen, da dachte ich wieder einmal über mein Leben nach.
Geboren wurde ich als Sohn reicher Eltern in einem Herrenhaus in Alabama. Wir besaßen mehr als dreihundert Sklaven, denen wir unseren Reichtum verdankten. Und weil diese Sklaven für uns so wertvoll waren, behandelten wir sie, wie man wertvolles Eigentum behandelt, damit es seinen Wert behält.
Als ich alt genug war, kam ich nach West Point auf die Militärakademie. Denn das gehörte zum feudalen Lebensstil unserer Gesellschaft. Schließlich hielten wir uns für die Aristokratie des Südens. Wir waren die Herren. Ich wurde also Offizier.
Dann brach der Krieg zwischen Nord und Süd aus. Auch mein Vater war Reserveoffizier. Er stellte mit seinen Nachbarn ein Regiment auf und führte es als Colonel in die Schlacht am Bull Run. Dort fiel er beim ersten Angriff unserer Kavallerie. Ich ritt als einer seiner Offiziere an seiner Seite, als die Kugel ihn vom Pferd stieß.
Als der Krieg dann bei Appomattox beendet wurde, war ich Captain.
Daheim war alles zerstört, meine Mutter war gestorben. Und unsere einstigen Sklaven fühlten sich als die neuen Herren. Sie waren zu dumm, um zu begreifen, dass sie nun in Freiheit für sich selbst sorgen mussten und es ihnen deshalb bald sehr viel schlechter gehen würde. Denn von der Freiheit allein wird man nicht satt. Dies ist nur durch Arbeit möglich. Und zur Arbeit zwangen wir sie ja damals. Aber dieser Kreislauf war nun unterbrochen. Sie waren frei.
Einige von ihnen hätten mich gerne totgeschlagen, denn ich war ja einer, von dem sie sich ausgebeutet fühlten und der ihnen die Freiheit genommen hatte.
Nun, ich machte mich davon und wurde ein Spieler, ein Abenteurer und Glücksjäger.
Alles war anders geworden, und ich glaubte nicht mehr an eine heile Welt. Alle Werte hatten sich verändert.
Immer wieder in dieser Nacht in meinem einsamen Camp, da zogen all die Bilder und Erinnerungen an meinen Augen vorbei.
Was wartete in der Zukunft auf mich? Gab es für mich ein Schicksal, dem ich nicht entkommen konnte? Oder konnte ich meine Zukunft beeinflussen?
☆☆☆
Nun, lieber Leser meiner Geschichte, ich kam schließlich nach Silver City. Es war eine ziemlich wilde Campstadt inmitten von Silberminen und mehr als tausend Claims. Auch etwas Gold und Kupfer wurden gefunden.
Ich saß bald wieder in einer Spielhalle inmitten von Pokerrunden und gewann oder verlor. Aber unter dem Strich gewann ich mehr, als ich zu meinem Lebensunterhalt nötig hatte.
Manchmal fragte ich mich, wie lange ich dieses Leben als Spieler noch führen wollte. Ich besaß genug Geld, um etwas anderes anfangen zu können.
Dann wieder fragte ich mich – wenn ich an Big Jason Alvarez dachte -, warum dieser Mann gegen mich mit Karten nicht gewinnen konnte. Andere Spieler konnten es. Ich erlebte es immer wieder in Silver City. Aber er hatte es nicht vermocht. Nun, ich dachte mit der Zeit immer seltener an Jason Alvarez. Nur manchmal, da wurde mir wieder bewusst, dass ich eigentlich fünftausend Longhorns besaß.
Aber ich wusste, dass ich mich dort im Rinderland von Jason Alvarez bei El Paso besser nicht blicken ließ, um die Rinder zu beanspruchen.
Alvarez war mir gewiss immer noch böse, wollte meinen Skalp oder würde mir die Haut abziehen, vielleicht auch sein Brandzeichen auf die Hinterbacken aufdrücken lassen.
Nun, ich hatte bald genug von Silver City und hielt es für besser, weiterzuziehen. Und so beschloss ich, mich auf den Weg zum Mississippi zu machen. Ich hatte das Verlangen nach Luxus auf einem der noblen Mississippi-Raddampfer. Dort hatte man als erfolgreicher Spieler ein schönes Leben. Diese Saloon-Steamer waren schwimmende Paläste mit Passagieren von besonderer Lebensart. Es gab dort auch schöne Frauen, Eleganz und ein völlig anderes Niveau als in Campstädten wie Silver City.
Ich bestieg also eine Postkutsche nach Osten und war bereit für die lange Reise, die ja einige Tage und Nächte dauern würde. Dass ich am zweiten Tag eine gewaltige Überraschung erleben würde, konnte ich nicht ahnen.
Und dabei würde sich an diesem Tag mein ganzes Leben verändern.
☆☆☆
Wir rollten durch die Furt des Brazos River und kamen recht gut zum gegenüberliegenden Ufer, als wir von einigen Reitern umzingelt wurden, die aus den Büschen rechts und links des Weges auftauchten.
Es waren abgerissene Burschen, von denen noch einige die verblichenen Uniformen der Konföderiertenarmee trugen. Und es war sofort klar, dass sie uns in der Kutsche nicht freundlich gesinnt waren.
Der Fahrer und dessen Begleitmann hoch oben auf dem Bock versuchten gar nicht erst, die Helden zu spielen.
Die Kutsche hielt an, und die beiden Männer oben streckten die Hände gen Himmel.
Eine nicht mal unfreundlich klingende Stimme rief in den schönen Vormittag: »Leute, wir sollten uns friedlich einigen! Deshalb solltet ihr aussteigen und uns eure Dollars geben. So einfach wäre das zu erledigen. Oder wollt ihr keine friedliche Einigung? Wir können auch schießen. Na, wie wollt ihr es da drinnen haben?«
Wir waren neun Passagiere in der schönen Abbot&Downing Stagecoach, nämlich sechs Männer und drei Frauen.
Und eine der Frauen kreischte nun: »Ihr verdammtes Pack! Ihr Strolche und Banditen! Ist denn für euch der Krieg immer noch nicht beendet?«
»Nein, Lady«, erwiderte der Sprecher draußen, »für uns noch nicht. Denn wir sind immer noch die großen Verlierer. Also raus mit euch!«
Ich seufzte, denn mir war nun klar, dass ich um mein ganzes beim Poker in den letzten Monaten gewonnenes Geld erleichtert werden würde.
Und dann würde ich wieder bei Null anfangen müssen.
Und so blickte ich durchs Fenster, wagte es also, meinen Kopf ins Freie zu halten.
Und da sah ich die Straßenräuber genauer. Zuerst wollte ich es nicht glauben. Und dann fielen mir vor Staunen fast die Augen aus dem Kopf.
Schließlich aber begriff ich, dass ich nicht träumte.
Denn die Bande kannte ich, besonders ihren Anführer. Der war nämlich mal der Master Sergeant meiner Schwadron gewesen.
Und mit einem Mal waren da wieder die Erinnerungen an Erlebnisse, die ich schon fast verdrängen konnte und die nur noch manchmal in mir hochkamen. Jetzt aber war alles wieder deutlich, so als wäre es gestern passiert.
Ich sagte zu den Passagieren: »Leute, bleibt ruhig sitzen. Ich gehe jetzt hinaus und kläre das.«
Ich drängte mich durch den Wagenschlag hinaus.
Und als ich draußen vor ihnen stand, da erkannten sie mich.
Sie staunten mich an, als wäre ich ein Bulle mit zwei Köpfen.
Dann stöhnte einer: »Heiliger Rauch, das ist ja unser Captain, o Himmel!«
Ich erkannte den stöhnenden Sprecher, obwohl er jetzt einen gewaltigen Vollbart trug. Es war der Ex-Corporal Rusty Short.
Aber ich wandte mich an meinen ehemaligen Sergeant Tom Haggerty.
»Habt ihr ein Pferd für mich?«, fragte ich.
Haggerty nickte nur. Dann rief er in die Büsche: »Bringt dem Captain ein Pferd!«
Ein Mann kam mit einem Pferd an der Leine herausgeritten. Auch diesen Burschen erkannte ich wieder. Er war der Koch meiner Schwadron gewesen und hieß Jim Skale.
»Das ist aber ein Zufall«, sagte er und grinste, als er die Leine des Pferdes bei mir zu Boden fallen ließ.
Ich wandte mich und sprach zum Fahrer hinauf: »Ihr könnt weiter. Dies alles war nur ein Spaß. Die Mannschaft gehört zu mir. Die wollten mich und euch nur erschrecken. Fahrt los!«
Er ließ sich das nicht noch mal sagen, sondern gehorchte auf der Stelle. Doch sein Begleitmann warf noch meine große Reisetasche vom Wagendach zu mir herunter und grinste dankbar auf mich nieder.
Ich aber wandte mich an Haggerty und die anderen Reiter. »He, ihr seid verdammt tief gesunken, Jungs. Da habt ihr aber Glück gehabt, dass ich in der Kutsche saß, nicht wahr?«
Sie starrten mich immer noch ungläubig an. Einer von ihnen – er hieß Sly Boone – sagte heiser: »He, Ringo, kneif mich mal in den Arm. Ich will aufwachen.«
»Nein, er ist es«, sprach ein anderer Reiter. »Der da ist unser Captain, mit dem wir einige Male durch die Hölle ritten. Der lebt wirklich noch. Er ist es. Und er hat offenbar jetzt das Kommando übernommen.«
»So ist es, ihr Banditen«, erwiderte ich, nahm meine Reisetasche, hängte sie ans Sattelhorn und saß auf.
»Na los, dann kommt, Jungs! Wo ist die nächste Stadt?«
»Sieben Meilen weiter«, erwiderte Haggerty. »Und was wollen wir dort? Die jagen alle Satteltramps zum Teufel und haben einen harten Sheriff. Wir aber besitzen schon lange keinen Cent mehr. Und Arbeit gibt es in dem verdammten Texas auch keine.«
»Kommt nur mit«, erwiderte ich und blickte dabei in die Runde. »Ihr habt mich ja nun wieder. Heute ist euer Glückstag. Reiten wir!«
Sie glaubten mir jedes Wort, so wie früher.
Ich ritt an, und ich brauchte mich nicht umzusehen, sondern wusste, dass sie mir folgten, wie sie mir durch den ganzen verdammten Krieg gefolgt waren.
Und zuletzt hatten sie mich halb tot zu einem Lazarett der Unionstruppen geschleppt. Damals wäre ich verreckt, wenn sie mich liegen gelassen hätten. Ich kam dann später vom Lazarett in ein Offiziersgefangenencamp, sie aber in ein anderes Lager.
Jetzt waren wir wieder beisammen. Und sie waren dabei, Banditen zu werden. Ich verspürte sofort wieder die Verantwortung von damals.
Sie waren mit mir durch alle Höllen geritten. Viele von uns waren gefallen. Sie hatten überlebt. Ich schuldete ihnen mein Leben. Ja, sie hätten mich liegen lassen können mit meiner schweren Verwundung.
Ich würde ihnen später etwas sagen müssen. Doch nicht jetzt. Erst musste ich sie wieder in einen menschenwürdigen Zustand bringen.
Und so ritt ich an ihrer Spitze. Sie folgten mir in Zweierreihe.
Meine Gedanken jagten sich. Denn da war die Frage: Wie konnte ich etwas für sie tun, was sie nicht als Almosen oder als Dankbarkeit empfanden? Sie waren tief gesunken und hatten vielleicht schon etwas von ihrem Stolz verloren.
Sergeant Haggerty kam neben mich geritten, als ich kurz über die Schulter winkte. Er fragte: »Sir?«
»Was hattet ihr vor mit der Beute?« So fragte ich.
»Wir wollten nur etwas Reisegeld«, erwiderte er. »Wir wollten nach Norden, dort vielleicht Büffeljäger werden oder beim Bau der Eisenbahn arbeiten. Es soll weiter im Norden eine Eisenbahn gebaut werden. Doch der Weg bis Omaha oder Cheyenne ist tausendfünfhundert Meilen weit – vielleicht sogar zweitausend. So genau weiß das keiner von uns. Wir brauchten Proviant, Kleidung, Campausrüstung. Hier in Texas gibt es keine Chance für Satteltramps.« Er verstummte grimmig.
Ich erwiderte: »Ihr wart doch früher alle mal Cowboys, Weidereiter.«
»Richtig«, erwiderte er.
Ich wusste plötzlich, was zu tun war. Aber ich sagte noch nichts, sondern ritt an ihrer Spitze weiter in Richtung Stadt, zu der ein Wagenweg führte. Und sie folgten mir. Ja, sie vertrauten mir immer noch wie früher. Es war eigentlich ein schönes und gutes Gefühl. Es machte mich stolz.
Haggerty sagte nach einer Weile: »Die haben uns vor zwei Tagen nicht in die Stadt gelassen. Warum sollten sie es heute tun?«
»Weil wir ihnen als Gäste willkommen sein werden«, erwiderte ich. »Wie heißt denn die Stadt?«
Er grinste in seinem hageren, stoppelbärtigen Gesicht. Sein Haar und auch sein Bart waren feuerrot.
»Amity«, grinste er, »dieses verdammte Drecknest nennt sich Amity. Wie kann sich solch ein Nest Amity nennen und so unfreundlich sein?«
Ich zuckte mit den Schultern. »So ist die Welt«, erwiderte ich.
Dann ritten wir schweigend weiter.
Nun, wir erreichten endlich die kleine Stadt Amity.
Und gleich am Stadtschild, wo die Stadtgrenze begann, da empfingen uns drei Männer mit Schrotflinten. Unser Kommen war offenbar gesichtet und gemeldet worden.
Einer der drei Männer trug einen Blechstern. Er war also der City Marshal. Und er richtete die Schrotflinte auf mich und mein Pferd, denn ich ritt ja an der Spitze.
»Halt!« So rief er mir zu.
Ich hielt an und war ihm so nahe, dass ich ihm über den Kopf meines Pferdes hätte vor die Füße spucken können.
»Das ist aber keine freundliche Begrüßung«, sagte ich.
»Richtig«, erwiderte er. »Wir sind unfreundlich zu allen Satteltramps, die wie Heuschrecken einfallen und uns auszuplündern versuchen. Wir haben schon genug hergegeben. Fast jeden Tag kommen welche, auch in den Nächten. Sie stehlen uns sogar die Hühner. Und die da habe ich schon vor einigen Tagen nicht in die Stadt gelassen. Warum sollte ich es heute tun?«
»Weil sie zu mir gehören«, erwiderte ich. »Und weil ich alles mit Yankeedollars bezahlen kann. Oder ist diese Stadt nicht an zahlenden Gästen und Kunden interessiert? Dann aber würde sie ihrem schönen Namen keine Ehre machen.«
Er betrachtete mich nun genauer und konnte erkennen, dass ich gewiss kein armseliger Satteltramp war wie die Reiter hinter mir. Gewiss, ich war mit Staub bedeckt. Aber alle meine Sachen waren gut. Auch mein Pferd und der Sattel waren erstklassig. Ich trug silberne Sporen, war gut ausgerüstet.
»Sind Sie der Boss dieser Reiter?« So fragte er.
Ich nickte nur und sprach dann: »Ich will meine Männer neu einkleiden und ausrüsten. Auch baden müssten sie mal. Oder habt ihr keinen Barbier in eurer Stadt mit einem Badeschuppen?«
»Wir haben alles«, erwiderte er. »Für zahlende Gäste haben wir alles.«
Und dann gaben er und die beiden anderen Männer uns den Weg in die Stadt frei.
☆☆☆
Ich wartete in der Hotelhalle auf meine Männer. Ja, sie waren wieder meine Männer, meine Reiter, so wie vor fast zwei Jahren bis zum Ende des Krieges.
Ich hatte in der Hotelhalle die neuesten Zeitungen in die Hände bekommen. Sie waren erst an diesem Tag mit der Postkutsche gekommen. Und was ich in den Zeitungen aus Kansas gelesen hatte, musste ich wie ein Wink des Schicksals ansehen. Denn da stand etwas von einer Eisenbahnstadt zu lesen, die sich Abilene nannte. Sie entstand am Ende eines Schienenstrangs und wartete auf Longhornherden, die dort nach Osten verladen werden sollten. Im Osten brauchte man Fleisch.
Ich las es mehrmals, und dabei wurde mir bewusst, dass ich ja fünftausend Longhorns besaß. Und eine Mannschaft besaß ich ebenfalls.
Heiliger Rauch, dachte ich, was fügt sich da zusammen wie ein Mosaik!
Und dann kamen meine Männer in die Hotelhalle. Mehr als zwei Stunden waren vergangen. Ich erkannte sie kaum wieder. Sie waren nicht nur gebadet, rasiert und hatten die Haare gestutzt bekommen – nein, sie alle trugen nagelneues Zeug. Ich hatte nicht gespart. Sie waren gekleidet wie Weidereiter, Cowboys also.
Zuerst trat Haggerty ein, dann kamen Sly Boone, Vance Hill, Rusty Short, Les Higgs, Ringo Sloane und Jim Skale.
Und alle grinsten sie und drehten sich vor mir, als wären sie Mädchen in einem Bordell, von denen ich mir eine aussuchen sollte.
Haggerty fragte: »Captain, gefallen wir Ihnen nun besser?«
»Jungs«, sagte ich, »wenn ich ein Mädchen wäre, ich wüsste nicht, für wen von euch ich mich entscheiden sollte.«
Sie grinsten immer noch, aber einigen von ihnen knurrten die Mägen. Man konnte es hören. Und so erhob ich mich.
»Kommt«, sagte ich, »drüben im Speiseraum warten sie schon mit dem Essen auf uns. Gehen wir.«
Sie folgten mir im Gänsemarsch.
Und dann gab es Hammelbraten und eine Menge mehr.
Als wir dann beim Nachtisch waren, da sagte ich zu ihnen: »Jungs, es gibt eine Chance für euch. Traut ihr euch zu, fünftausend Longhorns nach Kansas zu treiben? Es sind mehr als tausend Meilen. Ich bin kein Rindermann, kein Cowboy. Ich habe also keine Ahnung. Deshalb frage ich euch. Also, was ist? Traut ihr euch?«
Sie staunten mich an.
»Fünftausend Longhorns …«, so murmelte einer.
Ein anderer fragte: »Und wozu?«
Da erklärte ich ihnen alles und las ihnen sogar aus der Zeitung vor. Dann ließ ich sie eine Weile nachdenken, bevor ich ihnen sagte, was für einen Haken die ganze Sache hatte. Und so sprach ich: »Mir gehören also fünftausend Longhorns. Aber der Mann, auf dessen Weide sie Gras fressen, wird sie nicht so einfach herausgeben. Da könnte es Schwierigkeiten geben. Aber wenn wir sie auf diesem neuen Cattle Trail, der eigentlich Chisholm Trail heißt, nach Abilene schaffen, dann gibt es dafür eine Menge Geld. Ich kann uns ausrüsten für dieses lange Treiben. Es wird uns an nichts fehlen. Aber ohne euch würde ich nicht nach El Paso reiten und es versuchen, auch nicht mit einer anderen Mannschaft. Jetzt müsst ihr euch entscheiden. Ihr seid mir bis jetzt nichts schuldig. Was ich hier für euch tat, habt ihr euch verdient. Ohne euch wäre ich damals verreckt. Wir könnten von hier aus unsere eigenen Wege reiten. Aber wir könnten auch zusammen etwas unternehmen. Überlegt es euch.«
Nach diesen Worten ging ich hinaus, um in der Hotelhalle an der Rezeption unser Essen zu bezahlen. Alle anderen Rechnungen hatte ich bereits beglichen, und im Store hätten sie mir fast die Hand geküsst.
Ich hatte kaum bezahlt, da kamen sie.
Tom Haggerty sagte: »Captain, wir würden gerne für Sie reiten. Und fünftausend Longhorns würden wir auch bis nach Alaska treiben und aus Ihnen einen erstklassigen Treiber machen.«
Ich sah sie alle der Reihe nach an. Dann sagte ich: »Also reiten wir nach El Paso zu Big Jason Alvarez. Der wird sich nicht sehr freuen - und ohne euch würde ich mich nicht mit ihm anlegen. Doch ihr müsst wissen, dass es ziemlich rau und rauchig werden wird.«
Da grinsten sie.
»Es war mit Ihnen immer rau und rauchig während des ganzen Krieges«, sprach Tom Haggerty.
»Und deshalb lieben wir Sie ja so sehr, Captain«, kicherte Jim Skale wie eine alte Jungfer bei einem unsittlichen Antrag.
Wir gingen hinaus. Draußen warteten unsere Pferde, und jedes Tier hatte eine dicke Sattelrolle hinter dem Zwiesel festgeschnallt, in der sich die Ausrüstung befand.
Wir saßen auf und ritten aus der Stadt.
☆☆☆
Wir waren bis gegen Mitternacht geritten und hatten dann unser Camp aufgeschlagen. Ich übernahm im Morgengrauen die letzte Wache und sah nach den Pferden im Seilcorral. Unser Koch, Jim Skale, kam schon in Gang, begann Kaffee zu kochen.
Jim Haggerty, der einmal Vormann auf einer großen Ranch bei San Antonio gewesen war, schlürfte wenig später vorsichtig den heißen Kaffee vom Becherrand und sah dabei über das Feuer hinweg zu mir herüber.
Dann sprach er: »Captain, es handelt sich also um fünftausend Rinder. Und wir sollen sie bis nach Kansas treiben?«
Ich nickte und sprach dann: »Wenn wir sie haben.«
Er grinste und erwiderte: »Gehen wir davon aus, dass wir sie bekommen. Aber wenn es so ist, dann sind wir zu wenige Treiber. Wir sind acht Mann, und einer von uns ist der Koch. Wir anderen können also nur der harte Kern einer größeren Treibmannschaft sein. Captain, Sie müssen noch zwei Dutzend Treiber auf Ihre Lohnliste setzen. Fünftausend Longhorns sind so schlimm wie fünftausend störrische Weiber.«
Ich nickte und erwiderte: »El Paso ist voller Excowboys. Es werden sich mehr anbieten, als wir benötigen. Lasst uns erst mal in El Paso sein.«
Sie nickten, vertilgten, was Jim Skale gekocht hatte und bekamen allmählich eine bessere Stimmung.
☆☆☆
Fünf Tage später kamen wir nach El Paso. Die Grenzstadt zu beiden Seiten des Rio Grande hatte sich nicht verändert. Ich gab meinen Reitern frei und stattete jeden mit ein paar Dollars aus, sodass sie sich etwas Spaß kaufen konnten. Ich wusste, so etwas brauchten sie. Denn die nächsten Wochen und sogar Monate würden sie verdammt wenig Freude bekommen.
Ich fragte mich, ob Sally noch in El Paso war und immer noch im Rio Saloon beim Faro oder Black Jack die Karten austeilte.
Nun, ich suchte noch nicht nach ihr. Ich ging zum Sheriff’s Office.
El Paso hatte einen anderen Sheriff. Darüber wunderte ich mich nicht, denn in dieser wilden Grenzstadt hielt es ein Sheriff nicht lange aus.
Der Sheriff hieß jetzt Al Mahoun.
»Na, was wollen Sie?« So fragte er, so als fühlte er sich gestört. Denn er war dabei, einen Stapel Steckbriefe durchzusehen.
Ich legte ihm die fünf Schuldscheine hin, die Jason Alvarez über jeweils tausend Rinder ausgestellt hatte, die mir zu jedem von mir festgelegten Termin zur Verfügung standen.
Er las die Scheine sorgfältig durch und sagte dann: »O weia – nun, Mister Starr, ich habe natürlich von diesem langen Pokerspiel gehört, das vor meiner Zeit hier stattgefunden hat. Und ich kenne auch Big Jason Alvarez. Wollen Sie sich wirklich mit ihm anlegen? Und erwarten Sie dabei meine Hilfe?«
Ich grinste ihn an und erwiderte: »Ich kam her, um herauszufinden, auf welcher Seite Sie stehen werden.«
»Auf keiner«, schnappte er. »Ich habe hier in El Paso selbst genug Ärger am Hals. Und was dort draußen auf den weiten Weidegebieten der Alvarez Ranch geschieht, darum kann ich mich nicht auch noch kümmern.«
»Gut«, erwiderte ich und sammelte die fünf Scheine wieder ein. »Dann weiß ich Bescheid. Ich wünsche Ihnen ein langes Leben bei guter Gesundheit, Sheriff.«
Nach diesen Worten ging ich ins Hotel und fragte dort den Portier, der mich sofort wiedererkannte, nach Sally Woodward.
»Die fuhr eines Tages mit einer Postkutsche weg«, sagte er. »Die Geschäfte in den Spielhallen von El Paso gehen nicht gut. Es fehlen die Yankeedollars. Es kommt nicht genug Geld nach El Paso. Sie ist weg.«
Ich verspürte ein Bedauern, doch dann wischte ich es weg und machte mich an die Arbeit. Also ging ich in den Cattlemen’s Saloon und ließ von einem der Barkeeper mit Seife an den großen Spiegel schreiben: Treiber für den Cattle Trail gesucht!
Und dann setzte ich mich in die Ecke und wartete, legte ein Notizbuch, das ich im Store gekauft hatte, vor mich hin.
Ich musste nicht lange warten, dann kamen sie.
Zuerst ließ ich mir ihre Handrücken zeigen. Und wer dort keine alten Lassonarben vorweisen konnte, den schickte ich wieder weg. Mit den anderen unterhielt ich mich ein wenig. Und ich wusste, ich konnte mich auf meinen Instinkt verlassen, was Männer betraf. Ich hatte ja fünf Jahre lang während des Krieges welche geführt und beurteilen gelernt.
Natürlich würden auch ein paar Nieten unter der Mannschaft sein, doch ich bekam schnell zwei Dutzend zusammen, auch zwei Frachtfahrer.
Aber das alles war ja erst der Anfang. Ich hatte noch gewaltig viel zu tun, und ich möchte den Leser meiner Geschichte nicht damit langweilen und all die vielen Einzelheiten schildern. Denn eigentlich zählt ja nur das Ergebnis all meiner Aktivitäten.
Nun, dieses Ergebnis konnte sich sehen lassen. Denn sie alle hier in El Paso waren gierig auf Yankeedollars. Und davon hatte ich genug gewonnen in den vergangenen Wochen da und dort, besonders aber in Silver City, wo sich das Silber der Minen in viele blanke Dollars verwandelte.
Wir versammelten uns an diesem grauen Morgen im Hof des Mietstalls, zu dem auch der Wagenhof mit vielen Koppeln und Corrals gehörte.
Sie kamen alle mehr oder weniger angeschlichen. Manche waren noch halbe Schnapsleichen. Sie hatten das Handgeld für die Sünden ausgegeben, die man sich in El Paso kaufen konnte.
Auch die neu angeworbenen Reiter fanden sich ein.
Im Hof standen die drei Wagen. Einer war der Küchenwagen, die beiden anderen transportierten den Proviant, das Werkzeug und die Habe der Treiber, vor allen Dingen ihre Deckenrollen, Ersatzsättel, sogar eine kleine Feldschmiede.
Das alles hatte mich eine Menge Geld gekostet.
Tom Haggerty und die Männer meiner Kernmannschaft staunten.
»Sie waren ja mächtig aktiv, Captain«, knurrte Haggerty. »Warum haben Sie mich nicht informiert, damit ich Ihnen helfen konnte? Haben Sie vergessen, dass ich mal der Master Sergeant Ihrer Schwadron war?«
»Aaah, ihr solltet noch mal richtig Spaß haben«, sagte ich und grinste. »Denn jetzt wird es ernst. Nun gibt es keinen Spaß mehr. Hoffentlich hat sich keiner von euch bei den Mädchen die Lustseuche geholt. Dann muss er unterwegs ziemlich leiden.«
Sie grinsten, aber einige kamen mir vor, als verspürten sie nun einige Sorge.
Ich aber wandte mich an unseren Koch Jim Skale und deutete auf den Küchenwagen. »Als ich das alles kaufte, habe ich mich von einem alten Koch beraten lassen. Es wird nichts fehlen. Übernimm es!«
Ich wandte mich in die Runde.
»Also los! Vorwärts! In die Sättel! Die Wagen fahren am Schluss!«
Und dann zogen wir aus El Paso, waren unterwegs zu Big Jason Alvarez, um auf dessen weiten Weidegebieten meine fünftausend Rinder zu sammeln und zu einer Treibherde zu formieren.
☆☆☆
Es war am späten Vormittag – und wir waren schon an die zehn Meilen unterwegs und sahen überall Rinder mit dem Alvarez-Brand -, als wir auf den ersten Weidereiter der Riesenranch stießen.
Der Cowboy staunte erst aus der Ferne eine Weile. Gewiss boten wir einen imposanten Anblick.
Hinter mir ritten mehr als dreißig Mann, denen die drei Wagen folgten.
Ich winkte den Reiter heran, und als er bei mir war, da erkannte er mich. Wahrscheinlich hatte er mich mit seinem Boss am Spieltisch gesehen.
Und wenn das so war, dann wusste er gewiss auch über die Schuldscheine Bescheid. Denn das hatte sich damals mit Sicherheit herumgesprochen.
Er sagte frech: »Aaah, Sie sind das, Spieler. Ich habe Sie zuerst gar nicht erkannt. Was wollen Sie auf der Alvarez-Weide? Sind Sie vielleicht der Boss dieser Mannschaft?«
»Und wie, mein Junge«, erwiderte ich. »Reite zu deinem Boss und richte ihm aus, dass ich mir meine fünftausend Rinder hole. Wenn ich sie beisammen habe, bekommt er von mir eine Quittung. Reite los, mein Junge, und mach den Mund wieder zu, bevor die Fliegen darin summen.«
Er machte wirklich schnell den Mund zu, sprach kein Wort mehr, sondern riss sein Pferd auf der Hinterhand herum und jagte davon.
Ich wandte mich an Haggerty. »Wenn dieser Jason Alvarez jetzt wütend ist, dann könnte es mächtigen Ärger geben. Ihr solltet bereit sein.«
»Das sind wir, Captain.« Er grinste.
Wir zogen an diesem Tag weiter und fanden am frühen Nachmittag ein hübsches Tal mit einem kleinen See. Es gab auch einige Wäldchen.
In diesem Tal grasten gewiss an die tausend Rinder in Rudeln da und dort. Sie ruhten auch in den Waldstücken und zwischen den hohen Büschen.
Ich sah, dass es in diesem Tal nur drei Zu- und Ausgänge gab, die leicht zu sperren waren.
Und so fragte ich Haggerty: »Ist das hier richtig?«
Auch er hatte sich umgesehen. Er nickte sofort.
»Ja, hier kann man binnen weniger Tage eine Herde von fünftausend Longhorns sammeln. Müssen wir ihnen einen anderen Brand aufbrennen?«
»Nein«, erwiderte ich. »Ich habe ja die fünf Schuldscheine, aus denn hervorgeht, dass mir fünftausend Alvarez-Rinder gehören.«
Er nickte und übernahm nun das Kommando. Denn er war ja der erfahrene Cattleman, nicht ich. Er wusste, wie man eine große Treibherde sammelte.
☆☆☆
Es war fast Abend, und Jim Skale hatte das Abendessen schon fertig in den Töpfen, Pfannen und holländischen Öfen, da kam Big Jason Alvarez angeritten.
Er hatte fast ein Dutzend Reiter bei sich. Mehr hatte er gewiss in der Eile nicht zusammenholen können von seinen weiten Weidegebieten, Vorwerken und Grenzhütten. Seine Weidegebiete und Grenzen umfassten gewiss an die zweihundert Quadratmeilen. Vielleicht waren es sogar noch mehr. Er war ein Cattle King, ein mächtiger Bursche also.
Und so glaubte er wohl, dass ein Dutzend Reiter hinter ihm genügend Eindruck machten, zusätzlich zu seiner Persönlichkeit.
Ich trat ihm entgegen und wusste meine Männer hinter mir.
Er hielt seinen riesigen Rappen so dicht vor mir an, als wollte er mich umreiten. Doch ich riss meinen Hut vom Kopf und gab dem Rappen damit was auf die Nase. Und so stieg er hoch und warf den schwergewichtigen Alvarez fast aus dem Sattel. Nun hielt er Abstand.
Er schäumte vor Wut, hielt sich jedoch unter Kontrolle. Denn er hatte begriffen, dass er hier alles mit Zinsen zurückbekommen würde.
Und so sagte er rau: »Spieler, eines sollten Sie begreifen. Ich mache auf jeden Fall größere Haufen als Sie. He, was versprechen Sie sich von dieser Frechheit? Glauben Sie, dass Sie damit durchkommen können?«
»Ich hole mir nur meine Rinder«, erwiderte ich. »Dazu habe ich ein Recht. Wollen Sie mir mein Eigentum vorenthalten? Ich kaufte damals fünftausend Rinder von Ihnen. Also, was wollen Sie?«
Er schluckte mühsam. Und er wusste, dass er vorerst nichts machen konnte, gar nichts. Und so begriff er, dass ich ihm abermals eine Niederlage zugefügt hatte, diesmal nicht mit den Karten, aber auf andere Weise.
Er fraß alles in sich hinein und sprach kein einziges Wort mehr. Er zog sein Pferd herum und ritt auf der eigenen Fährte wieder zurück. Seine Reiter folgten ihm schweigend – und nicht wenige waren sicher froh, dass es keinen Gewaltausbruch gegeben hatte.
Ich wandte mich meinen Männern zu und begriff, warum er so schnell gekniffen hatte. Denn sie alle hatten hinter mir eine Linie gebildet und waren bereit gewesen, sogar die Neuen zeigten dies deutlich.
Ich verspürte keinen Triumph. Das wäre dumm gewesen. Ich wusste zu gut, dass Alvarez sich noch eine ganze Menge einfallen lassen konnte.
☆☆☆
Einige Tage und Nächte vergingen. Wir schwärmten nach allen Richtungen aus und fanden überall Rinderrudel, die wir in das Tal trieben, in dem wir die Herde sammelten.
Doch wir mussten immer weitere Wege reiten, um Rinder zu finden. Gewiss, das Land war voll davon. Doch wir suchten nur starke und gesund wirkende Tiere, die ein so langes Treiben überstehen konnten. Die Rudel hielten sich oft im dichten Buschwerk verborgen und ließen sich nur schwer heraustreiben.
Ich lernte in diesen Tagen eine Menge über Rinder und übte immer wieder mit dem Wurfseil, machte sogar sichtliche Fortschritte.
Überhaupt fühlte ich mich sehr wohl als Herdenboss inmitten meiner Mannschaft. Vorerst hatten wir noch mit keinen Schwierigkeiten zu kämpfen. Selbst das Wetter war auf unserer Seite.
Doch ich war nicht blauäugig genug, um zu glauben, dass es lange so bleiben würde. Meine Mannschaft würde noch viele Bewährungsproben bestehen und viele Schwierigkeiten überwinden müssen.
Ich dachte an diesen Tagen und Nächten immer wieder an Big Jason Alvarez, der gegen mich schon mehrmals verloren hatte, zuerst mit den Karten und dann, als ich zurück nach El Paso kam, noch einmal, weil meine Mannschaft stärker war und er kneifen musste. Was würde er tun? Das war die ständige Frage in mir. Ja, was würde er gegen mich in Gang bringen?
Seine Schwäche war, dass er wahrscheinlich keine Barmittel besaß. Er konnte keine starke Revolvermannschaft bezahlen mit Prämien oder Revolverlohn. Und ob ihm so viele Männer so treu waren, dass sie für ihn zu kämpfen und zu sterben bereit waren, durfte bezweifelt werden.
Ich begann mich in seine Lage zu versetzen. Und dabei musste ich berücksichtigen, dass er ein Mann war, der über Leichen ging. Ich hatte diese Erfahrung ja schon gemacht. Und so wurde mir immer klarer und bewusster, dass es für einen Mann seines Charakters und in seiner Situation nur eine einzige Möglichkeit gab, vom Verlierer zum Sieger zu werden.
Er musste mich abschießen oder abschießen lassen.
Denn ohne mich brach alles zusammen, was ich gegen ihn in Gang gebracht hatte. Dann konnte er die Rinder behalten. Doch die Rinder waren ihm gewiss nicht so wichtig wie ein Sieg über mich.
Wahrscheinlich würde er einem Killer nicht mal eine Abschussprämie zahlen müssen. Denn ich trug ja immer noch genügend Geld an mir herum, teils in großen Scheinen im Geldgürtel auf der bloßen Haut, teils in meinen Taschen und auch sonst noch überall verteilt, sogar im Sattelpolster.
Ich sah mich also vor in diesen Tagen.
Dennoch ließ es sich nicht vermeiden, dass ich manchmal weit und breit allein war mit einem Rinderrudel, das ich zum Tal der Sammelherde trieb.
Vielleicht war es dumm von mir, mich so in Abschussgefahr zu begeben, doch auch ich besaß meinen Stolz. Ich wollte und konnte mich nicht im Camp verkriechen. Und überdies wollte ich ein Cattleman werden, ein Cowboy und Rinderzüchter. Ich wollte meinen Reitern gegenüber in dieser Hinsicht zumindest gleichwertig werden. Denn ich wusste genau, unterwegs auf dem Cattle Trail durfte ich kein Greenhorn in Bezug auf Rinder mehr sein. Ich brauchte den Respekt meiner Reiter, nicht nur jener Männer, mit denen ich durch den Krieg geritten war und die keine Soldaten unter meinem Befehl mehr waren, sondern wieder Cowboys.
Es war alles anders geworden für mich.
☆☆☆
Es war dann an einem Vormittag, da geschah es.
Ich trieb einige Longhorns aus einer tiefen, mit Buschzeug gefüllten Senke, als von oben die Kugel kam. Sie kam herangerauscht fast wie eine kleine Granate. Und oben donnerte das Gewehr. Es war eine schwere Buffalo Sharps.
Die Kugel kam von rechts und riss mir quer vor der Brust die Kleidung auf, streifte meine Haut, sodass ich einen Schmerz wie von einem Peitschenhieb verspürte.
Ich ließ mich aus dem Sattel fallen, als wäre ich voll getroffen worden. Denn das war meine einzige Chance.
Ich wusste genau, wie schnell man eine Buffalo Sharps nachladen konnte.
Überdies konnte ich sicher sein, dass der heimtückische Schütze zu mir kommen würde, um mich auszurauben. Ich war sicher, dass ihm jemand – wahrscheinlich Alvarez – gesagt hatte, dass bei mir reiche Beute zu holen sei.
Und so lag ich also neben meinem leise schnaubenden Pferd im Gras und wartete. Die Minuten vergingen. Würde er kommen?
Ich lag auf dem Bauch, hatte mein Gesicht jedoch zur Seite gewandt. Und meinen Revolver hielt ich unter mir verborgen.
Der Schmerz der Streifwunde ließ nach. Die Wunde blutete gewiss kaum.
Verdammt, wann kam er endlich? Oder kam er gar nicht?
Endlich hörte ich sein Pferd.
Als das Tier dicht bei mir verhielt, da war in mir die bange Frage, ob er zur Sicherheit nochmals schießen würde, bevor er absaß, um mich auf den Rücken zu drehen.
Aber er schoss nicht, sondern saß ab. Ich hörte seine Sporen klingeln. Dann schob er einen Fuß unter meinen Körper und rollte mich auf den Rücken.
Und da machte ich endlich die Augen auf und ließ ihn in die Mündung meines Revolvers sehen.
Er war ein kleiner, unscheinbarer Bursche, eigentlich farblos wirkend und von unbestimmbarem Alter. Er hatte sein Gewehr schon im Sattelfutteral, und sein Revolver steckte vorn im Hosenbund. Er wollte wahrscheinlich die Hände frei haben, um mich zu durchsuchen wie ein Leichenfledderer.
»Oooh«, machte er. Dann murmelte er: »Ich war mir meines Schusses sicher. Da hast du aber mächtig Glück gehabt.«
In seinen Augen erkannte ich Tücke. Sie kamen mir wie die Augen eines Coyoten vor.
Ich sagte: »Hat Alvarez dich auf mich angesetzt?«
»Warum sollte ich dir das sagen?« So fragte er.
»Weil du gleich tot bist«, erwiderte ich.
Er grinste und zeigte braune Zähne. Dann zischte er: »Alvarez wird einen anderen Mann auf dich ansetzen. Dann sehen wir uns in der Hölle.«
Er griff nach seinem Colt, obwohl er wusste, dass er keine Chance hatte.
Ich schoss ihn mitten in die Stirn. Er fiel nach hinten auf den Rücken.
Langsam erhob ich mich und war voll bitterem Zorn. In mir war der heiße Wunsch, Alvarez zu töten. Doch ich bekam meinen Zorn wieder unter Kontrolle.
Ich stand noch bei dem toten Killer, als ich Hufschlag hörte. Sie kamen von zwei Seiten. Es waren zwei von meinen Männern. Sie hatten das Krachen der Sharps gehört und kamen nachsehen.
Als sie mich auf den Beinen stehen sahen, ritten sie langsam herbei.
Einer war Sly Boone, der andere einer der neuen Reiter.
Sly sagte grimmig: »Alvarez?«
Ich nickte nur.
Da sagte Sly: »Und? Sammeln wir die Mannschaft und reiten wir zu ihm? Räuchern wir ihn aus, verdammt?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Wir haben unsere Herde schon fast zusammen. In zwei oder drei Tagen können wir aufbrechen. Ich will jetzt keinen Krieg hier.«
»Dann bekommen wir ihn gewiss unterwegs«, knurrte Sly Boone.
☆☆☆
Es war dann drei Tage später, als wir mit der Herde auf den Trail gingen, der ja eigentlich noch gar kein Cattle Trail war.
Unsere Herde würde die erste große Herde sein, die nach Norden zog.
Noch niemals zuvor war eine so große Herde von fünftausend Rindern vom Rio Pecos aus nach Norden aufgebrochen.
Ich sah mir das von einem Hügelkamm aus an.
Die gewaltige Herde war schon die vergangenen zwei Tage und Nächte unruhig gewesen und stand vor dem Ausbrechen.
Wir mussten die Zahl unserer Nachreiter rings um die Herde verstärken.
Die Rinder hatten keine Weide mehr gefunden. Und die große Wasserstelle war zertrampelt und nur noch ein versautes und stinkendes Schlammloch.
Meine Reiter hatten die Herde umstellt. Nur der Weg nach Norden war frei.
Die Herde brüllte, war dicht vor einer Stampede.
Wir hatten einen mächtigen Leitbullen ausgesucht, den ein alter Cowboy, den sie Reb Thunder nannten, an einem Seil führen würde, der am Nasenring des Bullen befestigt war.
Es war ein glücklicher Umstand, dass wir diesen mächtigen Bullen irgendwo im tiefen Dickicht fanden. Er musste schon vor langer Zeit ausgebrochen und von weither zugewandert sein.