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G.F. Unger ist der erfolgreichste deutschsprachige Western-Autor. Mit einer Rekordauflage von über 250 Millionen Exemplaren gehört er zur internationalen Spitzenklasse der Spannungsliteratur. Und das zu Recht!
Niemand vermag es wie er, die unermesslichen Weiten des amerikanischen Westens und die Stärke der unerschrockenen Männer, die sie erschlossen, zu beschreiben. Erleben Sie den amerikanischen "Wilden Westen", wie nur G.F. Unger ihn schildern kann: hart, authentisch, leidenschaftlich.
Dieser Sammelband enthält die Folgen 2359 bis 2361:
2359: Powder River Trail
Sie fahren mit ihren Wagen mitten durch das Cheyenne-Land am Powder River, und auch der blutrünstige Häuptling Black Dog kann den Frachtwagenboss Ringo Rock nicht aufhalten ...
2360: Der wirklich Starke
Der Vormann Dan Lee ist blind in der Treue zu seinem Rancher. Doch als er dessen teuflisches Spiel erkennt, erweist sich, wer der wirklich Starke im Two-Fork-Land ist ...
2361: Stirb schnell, Bruder!
Es war in Nogales, als mich die schöne Jessica Blaine mit meinem lange verschollenen Bruder verwechselte - und von da an führte mich mein Weg mitten durch die Hölle ...
Der Inhalt dieses Sammelbands entspricht ca. 250 Taschenbuchseiten.
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Seitenzahl: 463
Veröffentlichungsjahr: 2019
G. F. Unger
Western-Bestseller Sammelband 4
Cover
Impressum
Powder River Trail
Vorschau
Powder River Trail
Ringo Rock kennt dieses Land, denn er wurde in Wyoming geboren. Sein riesiger Minniconjou-Wallach steht unterhalb eines Hügelkamms. Der große Mann sitzt bewegungslos im Sattel und späht in die Runde. Er lässt sich Zeit, denn nichts ist hier gefährlicher als ungeduldige Hast. Ringo Rock wittert wie ein misstrauischer Wolf. Nur manchmal wirft er einen Blick in die Senke hinunter. Dort sind die rauchenden Trümmer einiger Conestoga- und Merville-Wagen zu sehen. Und einige mit Pfeilen bespickte Körper liegen im grünen Gras verstreut. Die Toten sind nackt und skalpiert. Ringo Rock hat das alles schon einige Male gesehen. Es passiert immer wieder in diesem Land, und je weiter man sich dem Powder River nähert, umso schlimmer wird es.
Ein anderer weißer Mann wäre an seiner Stelle sofort hinuntergeritten. Oder er hätte die Flucht ergriffen. Die Furcht wäre ihm in die Knochen gefahren. Ringo Rock aber sitzt regungslos auf seinem narbigen Riesenwallach und lauscht auf den Atem und auf die geheimnisvollen Signale des Landes.
Der Wind kommt von Norden. Im Nordwesten entfernt sich eine Staubsäule. Das sind Reiter. Aber im Süden und Osten sind ebenfalls Staubfahnen.
Und hier, im näheren Umkreis von zwei oder drei Meilen, rührt sich nichts. Hier sind keinerlei Zeichen. Nur die Trümmer der Wagen qualmen in der Senke, durch die sich der Powder River Trail nach Norden zieht …
Hier sind keine Zeichen.
Gar nichts!
Aber das ist für Ringo Rock das schlimmste Zeichen überhaupt.
Deshalb hält er sich in Deckung des Hügelkammes, bleibt regungslos im Sattel und versucht herauszufinden, wo sich die Kriegshorde versteckt hält.
Es kann nur ein kleiner Rest des großen Ungewitters sein, das über die Wagen dort unten hereingebrochen ist. Aber sie sind da. Sie sind irgendwo.
Die Sonne sticht heiß hernieder.
Ringo Rock schluckt trocken. Dann starrt er auf die Ohrenspitzen seines grauen Wallachs. Sie zittern.
»Nun gut, Colonel«, sagt Ringo Rock sanft zu seinem Pferd, »nun gut, dann werden wir eben sehen, ob wir sie schlagen können, nicht wahr?«
Er macht eine leichte Körperbewegung – und das riesige Tier setzt sich sofort wieder in Bewegung. Es läuft so leicht und mühelos wie ein langbeiniger Büffelwolf.
Der Mann ist in befranstes Leder gekleidet – aber er trägt einen Stetson-Hut und Cowboystiefel, diese jedoch ohne Sporen. Er hat zwei Colts im Kreuzgurt und eine gute Winchester-Büchse – das neueste Modell hier an der Grenze – griffbereit vor sich im Sattelschuh.
Unter der breiten Hutkrempe spähen zwei rauchgraue Augen. Hohe Wangenknochen und eine gerade Nase werden von einem rötlichen Stoppelbart eingerahmt.
Das ist Ringo Rock – sechseinhalb Fuß groß, knapp zweihundert Pfund schwer und dreiunddreißig Jahre alt, von denen er zehn Jahre bei den Indianern lebte.
Er ist der Mann, der ein Frachtfuhrunternehmen gegründet hat und der nun vor der schwierigen Aufgabe steht, bis zum Winter einen Armeekontrakt zu erfüllen, der ihn entweder zum wohlhabenden Mann machen – oder ihm und seinen Leuten den Tod bringen wird.
Und jetzt reitet er, obwohl er mit Sicherheit weiß, dass Indianer in der Nähe sind, aus seiner Deckung hervor und zu den rauchenden Trümmern eines überfallenen Wagenzuges hinunter.
Es ist nicht sein Wagenzug. Seine eigenen Mannschaften sind nicht unterwegs. Sie sind in Fort Laramie und warten auf seine Rückkehr.
Nein, das dort unten war ein Treck mit Siedlern.
Sein Wallach schnaubt unruhig, als er den ersten leblosen Körper passiert. Es ist eine Frau. Sie muss um ihr Leben gerannt sein. Ringo Rock blickt schnell wieder weg und schluckt schwer. Das, was er sieht, kann auch ein harter Mann, der sich fest in der Hand hat, nur schwer ertragen.
Er reitet näher an die Wagen heran, umkreist sie und findet auch das Dutzend toter Kavalleristen. Man hat ihnen die blauen Uniformen ausgezogen, aber Ringo Rock kennt Sergeant Pat Longfish persönlich.
Und jetzt ist Pat Longfish tot.
Alle sind tot.
Hier ist kein Leben mehr.
Das wollte Ringo Rock genau wissen. Es war seine Menschenpflicht, nachzusehen, ob vielleicht nicht doch ein armer Teufel noch am Leben war und Hilfe brauchte.
Der Mann starrt auf die bunt gefiederten Pfeile und auf die abgeschlagenen Armstümpfe der Toten.
Cheyennes, denkt er bitter.
Das waren Black Dogs Hundesoldaten!
Dann sieht er sich um.
Und er erblickt sie sofort.
Sie kommen drüben über den Hügel und bilden auf dessen Rücken eine Kette. Es sind zwölf.
Und der dreizehnte Mann reitet ein Stück vor der Kette seiner Krieger. Er trägt ein schwarzes Hundefell und die drei Federn, an denen man die Dog Soldiers der Cheyennes gut erkennen kann.
Es ist Black Dog.
Ringo Rock sieht sich um. Er rechnet schon damit, dass rings um ihn weitere Indianer auftauchen, aber die Hügelkämme im Norden, Osten und Süden bleiben leer.
Ringo Rocks Zähne werden sichtbar, als er die Lippen zurückzieht. Es ist ein grimmiges Zähneblecken.
Er will sein Pferd herumziehen und sich auf den Weg machen, damit ihm die roten Gentlemen nicht zu dicht auf den Pelz rücken, da sieht er, wie Black Dog die Hand hebt. Seine Reiter bleiben zurück, und er selbst kommt langsam auf Ringo Rock zugeritten.
Sie kennen sich gut. Als Ringo Rock noch ein Knabe war und in den Zelten der Hunkpapa-Sioux lebte, trafen sich die Stämme manchmal an den Ufern des Platte River. Auch Black Dog war damals noch ein Knabe.
Er grinst den Weißen an, als er dicht vor ihm sein scheckiges Pferd verhält.
»Hokahey, Big Fox«, sagt er freundlich. »Ich werde deinen Skalp schon noch bekommen.«
Ringo Rock grinst zurück und sagt noch freundlicher: »Gute Jagd, Black Dog! Eines Tages werde ich dich in das Schattenreich schicken.«
Black Dog nickt freundlich und wünscht nun ebenfalls »gute Jagd«.
Nachdem sie sich auf diese Art begrüßt haben, starren sich beide eine Weile an. Dann deutet der Indianer langsam auf die rauchenden Trümmer und die verstreut im Gras liegenden Toten.
»Das war ich!«
»Die Seelen dieser Menschen werden bald aus dem Schattenreich auf dich nieder spucken«, murmelt Ringo Rock grimmig. »Und der Adler-Häuptling, der Colonel, wird mit vielen Pferdesoldaten kommen und dich an einen Baum hängen.«
Black Dog schüttelt unmerklich den Kopf. In seinen dunklen Augen beginnt es zu glühen.
»Es ist Krieg, es ist schon lange Krieg. Und der Krieg wird anhalten, so lange weiße Männer in dieses Land kommen. Big Fox, ich weiß viele Dinge. Ich weiß, dass du der Mann bist, der bis zum Winter genügend Proviant, Kleidung und andere wichtige Dinge zu den friedlichen Dörfern schaffen soll. Du willst viele Wagenzüge durch dieses Land führen, deren Ladungen für die Abtrünnigen unserer Stämme bestimmt sind. Der große Soldatenhäuptling hat versprochen, dass er alle zahmen Indianer beschützen wird, dass sie Proviant und Kleidung und viele andere Dinge erhalten, wenn sie friedlich in ihren Dörfern bleiben und sich nicht darum kümmern, dass die Weißen ihr Land in Besitz nehmen, die Büffel töten und überall Forts errichten. So ist es doch?«
Ringo Rock nickt.
»So ist es! Für alle friedlichen Indianer sorgt die Regierung der Vereinigten Staaten. Sie bekommen alles Notwendige, um in Ruhe leben zu können. Sie werden nicht hungern. Es wird ihnen im Winter gut gehen. Sie teilen mit uns ihr Land. Also teilen wir mit ihnen alles, was zum Leben notwendig ist. Aber du willst das nicht Black Dog?«
»Niemals! Wir sind die Herren in diesem Land! Wir wollen euch nicht. Immer haben eure großen Häuptlinge gelogen! Wir wollen Krieg, bis kein Weißer mehr in unserem Lande ist. Das will ich! Das will Red Cloud! Das will Crazy Horse! Und das will Tatanka Yotanka, den ihr Sitting Bull nennt. Krieg!«
»Aber viele andere große Häuptlinge wollen Frieden«, murmelt Ringo Rock bitter.
»Auch sie werden den Krieg wollen, wenn sie erst erkennen, dass sie die versprochenen Wagenladungen nicht erhalten. Auch sie werden kämpfen, wenn sie sehen, dass ihr nicht stark genug seid, um eure Wagenzüge ans Ziel zu bringen. Sie werden ihre Dörfer abbrechen und sich mit uns vereinigen. Sie werden ausspucken und sagen, dass sie dumm waren, weil sie friedlich blieben und darauf warteten, dass ihr ihnen Proviant und Kleidung bringt. Ihre Frauen werden weinen, weil keine Wintervorräte vorhanden sind, da man sich auf das Wort und die Stärke der Weißen verlassen hatte. Dann werden sie bei uns Hilfe suchen. Wir werden sie ihnen geben. Und dann wird es kommen, dass zehnmal tausend Krieger vereint sind und wie ein Ungewitter über euch herfallen. Das wollte ich dir sagen, Big Fox!«
»Vetter«, erwidert Ringo Rock grinsend, »was geschieht aber, wenn ich dich jetzt töte?«
»Das wirst du nicht tun, denn ich bin zu dir gekommen, um mit dir zu reden. Du sollst dem Soldatenhäuptling in Fort Laramie berichten, was jedem Wagenzug droht, der durch dieses Land zieht. Du sollst es ihm sagen. Wir wissen, dass er nicht so viele Soldaten zur Verfügung hat. Und wenn er welchen befiehlt, euch gegen uns zu beschützen, so reichen die anderen nicht mehr aus, um Crazy Horse und Red Cloud aufzuhalten. Bevor es Frühling wird, steht kein Fort mehr von Fort Laramie bis zum Powder River. Und ich wollte dich warnen. Du verlierst deine Wagenzüge und deine Männer. Dann bist du wieder arm. Und eines Tages werde ich auch deinen Skalp bekommen. Heute nicht! Du bist der einzige Mann, dem der Soldatenhäuptling in Fort Laramie glauben wird, dass es aussichtslos ist, die friedlichen Dörfer versorgen zu wollen. Und nun reite!«
Der Rote wendet sein Pferd. Seine drei Federn wippen. Ringo Rock erkennt an den Einschnitten in diesen Federn, dass Black Dog schon sehr viele Feinde skalpiert hat.
Aber das weiß er ohnehin schon.
Er verspürt das Verlangen, den Burschen vom Pferd zu schießen. Vielleicht würde es ihm dieses eine Mal nichts ausmachen, einen Menschen in den Rücken zu schießen.
Aber dann würden ihn die zwölf anderen Krieger jagen. Er hätte natürlich eine kümmerliche Chance, aber …
Er zögert noch und sieht sich schnell um.
Doch da erkennt er, wie schlau Black Dog ist. Ringsum auf den Hügelrücken sind jetzt rote Reiter aufgetaucht. Es sind nicht viele. Der größte Teil von Black Dogs Kriegshorde ist schon abgezogen. Aber die zurückgebliebenen Krieger reichen vollkommen aus, um ein prächtiges Kesseltreiben zu veranstalten, bei dem er nur die Chance hat, einige der Roten erschießen zu können, bevor er selbst getötet wird.
Black Dog hat seine Falle gut gestellt. Es ist ihm auch sicherlich von Herzen schwergefallen, auf Ringo Rocks rötlichen Skalp zu verzichten. Aber da dieser Indianer nicht nur teuflisch, sondern auch sehr klug ist, verzichtet er für heute auf Rocks Kopfhaar. Es ist ihm lieber, dass Rock um seine Wagenzüge Angst bekommt und um militärischen Schutz bittet. Dann muss die Armee ihre Truppe, die dabei ist, eine Kette von Forts zu errichten, schwächen. Und dann bekommen Crazy Horse, Red Cloud und die anderen Häuptlinge der sieben Sioux-Stämme eine bessere Chance, mit den Forts und den Truppen fertig zu werden.
Da Ringo Rock dies alles erkennt, beschließt er, lieber davonzureiten und sich die Kugel für Black Dog aufzuheben.
Er reitet nach Süden. Er kommt dicht an einigen Roten vorbei, die ihn sofort mit einigen unmissverständlichen Worten verhöhnen.
Er grinst sie grimmig an und ruft zurück: »Sicher, wir treffen uns bald wieder, liebe Vettern. Wir bekommen noch viel Spaß, ihr Armabschneider!«
Armabschneider ist übrigens keine Beleidigung, denn das Wort Cheyenne bedeutet genau das und nichts anderes.
So reitet er auf seinem riesigen Wallach davon, wütend und verbittert. Und sie lassen ihn reiten.
☆☆☆
Drei Stunden später erreicht Ringo Rock die Station am Wica Creek. Sie ist eine der vielen kleinen Stationen am Powder-River-Weg. Hier wechseln die Kuriere der Armee ihre Pferde, und hier schlagen auch die Wagentrecks ihre Camps auf.
Zu diesem kleinen Armeeposten, der meist mit einem Sergeant und sechs Reitern besetzt ist, gehört auch ein kleiner Handelsstore, der Büffeljäger, Trapper und zahme Indianer versorgt.
Jetzt ist nichts mehr davon vorhanden.
Nur rauchende Trümmer sind noch da.
Ringo Rock wischt sich über das Gesicht. Er atmet langsam aus und späht in die Runde. Er sieht nichts, gar nichts.
Es ist wie vor drei Stunden, als er bei den rauchenden Trümmern des Wagentrecks war.
Dort sah er auch nichts – aber er wusste, dass die Roten in der Nähe waren.
So ist es auch hier.
Er weiß, dass ihn zumindest einige gut verborgene Späher beobachten. Aber sie haben Befehl, ihn unbehelligt reiten zu lassen. Er ist von Black Dog dazu ausersehen worden, die Kunde nach Fort Laramie zu bringen.
Er knurrt grimmig und reitet weiter. Sie überqueren eine Ebene, tauchen zwischen Hügeln unter und erreichen dann den Fuß einer meilenlangen Felswand, die von einigen engen Schluchten durchbrochen wird.
Ringo Rock reitet auf die Hauptschlucht zu, durch die der Powder-River-Weg führt.
Aber bevor er die Mündung erreicht, tauchen dort vier Cheyenne-Krieger auf.
Sie versperren ihm den Weg. Einer hält ein nagelneues Gewehr im Anschlag. Die drei anderen halten ihre kurzen Kriegsbogen bereit.
Er reitet langsam näher heran.
Das ist Little Horse, ein Häuptling der Dog Soldiers, der »Hundesoldaten«, wie man die Polizei der Cheyennes nennt. Jede Indianernation hat ihre eigene Militärpolizei. Bei den Sioux-Stämmen sind es die Oglala Bad Faces.
Ringo Rock reitet dicht genug heran, um nicht zu laut rufen zu müssen.
Little Horse sagt mit hintergründiger Freundlichkeit zu ihm:
»Hugh, hokahey, stinkender Fuchs! Es macht mir Freude, dich zu sehen! Dein Skalp sieht immer noch prächtig aus!«
Ringo Rock, den die Cheyennes und die Sioux Big Fox, also Roter Fuchs nennen, grinst auf gleiche Art zurück, nur kann er seinen Mund nicht von einem Ohr zum anderen auseinanderziehen. Aber er gibt sich alle Mühe, möglichst breit zu grinsen.
Und er erwidert die Begrüßung des Roten mit gleicher Freundlichkeit.
»Hokahey, großes Maul! Ich sehe von hier aus die Läuse in deinem Skalp herumspazieren! Warum versperrst du mir den Weg?«
Das Grinsen des Roten verschwindet wie der Sonnenschein, wenn sich eine jagende Wolke vor die Sonne schiebt. Er schielt nach rechts und links und muss erkennen, dass sich seine drei roten Vettern mit Mühe ein Grinsen verkneifen. Das ärgert ihn sichtlich, aber er beherrscht sich und hebt nur die Gewehrmündung etwas an.
»Wir dürfen dich noch nicht töten«, sagt er kehlig. »Black Dog will, dass du die Kriegsbotschaft zum Adlerhäuptling ins Fort bringst. Doch du musst jetzt einen Umweg machen. Du musst den Weg durch eine andere Schlucht nehmen, Hopo! Geh!«
Ringo Rock hört es. Er starrt zur Schlucht hinüber, und er denkt schnell darüber nach, was die Roten für einen Grund haben könnten, ihn zu einem Umweg zu zwingen.
Zugleich spürt er aber auch, wie die kalte Wut in ihm aufsteigt. Er hat die Toten des Wagentrecks gesehen – und dann die Leichen der verstümmelten Besatzung der kleinen Station.
Er beugt sich im Sattel vor.
»Habt ihr die Station am Wica Creek überfallen?«
»Das war ich.«
Little Horse grinst. Und das ist sein letztes Grinsen auf dieser Welt. Während er sein neues Winchestergewehr in der Hand hält, die Mündung auf Ringo Rock richtet und eine Kugel an Ringos Kopf vorbeijagt, zieht der Weiße ganz plötzlich seinen rechten Colt. Die Waffe taucht so plötzlich in seiner Hand auf, dass es wie Zauberei wirkt.
Ringo schießt weiter.
Ein Pfeil fährt durch seine Hutkrone, und ein zweiter streift seine Schulterspitze.
Little Horse liegt mit seiner neuen Winchester-Büchse am Boden. Einer seiner Vettern kann sich schwer angeschossen auf seinem Mustang halten und jagt schräg an Ringo Rock vorbei nach Norden.
Die beiden anderen Getreuen des Unterhäuptlings liegen verwundet am Boden.
Ringo Rock aber steckt den leer geschossenen Colt weg und nimmt die linke Waffe in die Hand.
Dann reitet er zu Little Horse hin, beugt sich weit aus dem Sattel und nimmt das neue Gewehr des Roten vom Boden auf.
Er sieht auf die Verwundeten nieder und fragt: »Wie geht es euch?«
Aber sie grinsen zu dem Reiter hinauf.
Einer sagt: »Es war uns eine Ehre, von dir, Big Fox, der du mit dem kleinen Gewehr zaubern kannst, verwundet zu werden. Unsere Vettern sind nicht weit. Wir werden leben. Aber du bist auch bald so tot wie Little Horse.«
»Jeder tut, was er kann«, murmelt Ringo Rock bitter. »Grüßt Black Dog von mir. Sagt ihm, dass ich ihn bald ins Schattenreich schicken werde. Und wenn ich ihn vorher aus dem Kreis seiner drei Frauen und aus seinem Tipi holen muss. Sagt es ihm!«
»Das tun wir, Big Fox.«
Nach diesem kurzen Wortwechsel reitet Ringo Rock weiter. Er trabt vorsichtig in die Schlucht hinein – und als er sie zwei Meilen weiter verlässt, da sieht er sieben schaukelnde Conestoga-Schoner und einen schweren Merville-Frachtwagen auf sich zukommen.
Jetzt begreift er, warum ihn Little Horse und dessen drei Vettern überreden wollten, einen anderen Weg zu nehmen. Wäre er durch eine der anderen Schluchten geritten, so hätte er diesen Treck nicht zu Gesicht bekommen.
An der Spitze reitet ein hagerer Riese, dem ein Spitzbart wie ein Eiszapfen am Kinn hängt. Dieser Mann hebt seinen Arm, als Ringo Rock so plötzlich auftaucht, und die ganze Kolonne hält an.
Der Wind bläst den aufgewirbelten Staub nach vorn. Als die Sicht wieder besser ist, hält Ringo Rock seinen Riesenwallach dicht neben dem Führer des Trecks an.
»Mister«, sagt er trocken, »ihr habt euch eine schlechte Zeit ausgesucht. Wenn ihr jetzt sofort umkehrt, so habt ihr noch ein paar kümmerliche Chancen, eure Skalps zu retten. Ich habe vor vier Stunden eine Menge Leute gesehen – die einen waren tot – und die anderen lebten. Das Schlimme ist nur, dass die Lebenden alle rothäutig waren. Kehrt um und macht schnell! Ihr habt ja nicht mal eine Soldatenabteilung bei euch!«
Er verstummt bitter und späht die lange Wagenschlange entlang. Es sind gute Fahrzeuge, mit prächtigen Maultiergespannen mit Siedler- und Pionierfamilien von echtem Schrot und Korn.
Sie kommen jetzt alle nach vorn und bilden um ihn und ihren Treckboss einen Halbkreis. Auch ein schlankes Mädchen in Männerkleidung kommt auf einer roten Stute herangeritten. Ringo Rock sah sie bei den halbwüchsigen Burschen, die drüben eine Pferderemuda und eine kleine Rinderherde bewachten.
Das Mädchen verhält hinter dem Halbkreis der Menschen ihre Stute und starrt über die Köpfe hinweg auf Ringo Rock. Sie ist so braun und dunkelhaarig wie eine Indianerin. Aber ihre Augen sind so blau wie Kornblumen.
Sie ist schön.
Inzwischen hat der graubärtige Führer des Trecks den Leuten bekannt gegeben, was Ringo Rock ihm sagte. Alle starren nun den großen Mann auf dem narbigen, grauen Riesenwallach an.
Eine Stimme fragt: »Wer sind Sie überhaupt, Mister? Wie können wir wissen, da Sie die Wahrheit sagen?«
Ringo zieht sein Pferd zur Seite und reitet auf den Sprecher zu.
»Mein Name ist Ringo Rock, Freund. Ich bin hier im Land ziemlich bekannt. Und ich sage Ihnen nochmals: Kehren Sie um und halten Sie erst an, wenn Ihr Gespann nicht mehr ziehen kann. Das ist mein Rat! Ob ihr ihn befolgt, ist eure Sache.«
Er drängt sein Pferd weiter und durch den Halbkreis der Menschen. Als er an dem Mädchen vorbeikommt, hält er unwillkürlich an und greift an seinen Hut.
Sie lächelt ihn ernst an. Ihre Augen forschen. Jetzt erkennt er auch, dass sie ziemlich groß für ein Mädchen ist.
Sie trägt einen Waffengurt wie ein Mann mit einem Colt im Holster. Im Sattelschuh steckt ein neuer Winchester-Karabiner. Hinter dem Sattel hat sie ein Bündel festgeschnallt.
Dieses Bündel veranlasst Ringo Rock zu der Frage: »Gehören Sie zu keinem der Wagen, Miss?«
»Ich reite nur mit, weil ich zum Powder River will«, sagt sie und nennt ihren Namen nicht.
Er möchte sie gerne fragen, was sie dort am Powder River zu suchen hat, aber nun stimmen hinter ihm die Männer ab. Wahrscheinlich ist sein Name den meisten der Leute doch bekannt, denn bis auf zwei Männer sind alle dafür, umzukehren.
Ringo Rock wendet sein Pferd und betrachtet die beiden Männer, die weiterfahren wollen. Es sind bärtige Riesen, und er hat sie beide schon in Fort Laramie gesehen. Das sind keine Siedler.
»Wir sind Händler – uns tun die Roten nichts! Wir tauschen schon eine lange Zeit mit ihnen. Uns tun sie nichts! Sie wären ja Narren, wenn sie sich das Tauschgeschäft entgehen ließen. Ihr könnt ja umkehren, Leute, aber wir fahren weiter!«
Der Sprecher wendet sich ab und zieht seinen Partner am Arm mit. Sie gehen zu dem schweren Frachtwagen, vor dem sechs starke Maultiere angeschirrt sind.
Sie beachten Ringo Rock gar nicht. Sie tun so, als wäre er überhaupt nicht vorhanden.
Ringo wirft einen flüchtigen Blick auf das neue Winchestergewehr, das er vor einer guten Stunde erbeutet hat. Gewehre dieses Modells sind vorläufig hier an der Grenze so selten wie Schimmel unter einer Pferdeherde.
Ringo Rock hat schon eine ganze Weile darüber nachgedacht, wie Little Horse wohl in den Besitz einer solch kostbaren und modernen Waffe gelangt sein mag.
Jetzt denkt er wieder darüber nach – und weil er ein Mann ist, der jede nur sich bietende Möglichkeit nutzt, um ein Rätsel zu lösen, denkt er auch über die beiden Burschen nach, die auf ihren schweren Frachtwagen klettern und langsam aus der Reihe ausscheren. Er kennt die Namen dieser beiden Männer nicht – aber er erinnert sich ganz gut, dass er sie in Gesellschaft zweifelhafter Burschen dann und wann in den Saloons gesehen hat.
Er treibt seinen Wallach plötzlich vorwärts und versperrt den Führungspferden des Gespanns den Weg.
»Einen kleinen Moment!«, ruft er scharf.
Der Fahrer zieht die Zügel an und beginnt zu fluchen. Sein Partner nimmt das Gewehr von den Knien und richtet wie beiläufig die Mündung über die Köpfe der Maultiere hinweg auf Ringo Rock.
»Aus dem Weg!«, ruft er. »Wir fahren weiter! Und kein großmäuliger Frachtfahrerboss kann uns verbieten, nach eigenem Ermessen zu handeln!«
Ringo Rock starrt in die Mündung des Gewehrs.
Und auch dieses Gewehr ist eine nagelneue Winchester-Büchse.
Nun ist sein Misstrauen geweckt. Er wittert jetzt regelrecht, dass hier vielleicht eine krumme Sache im Gange ist, die noch krummer ist als das Bein eines Indianerhundes.
Er zieht sein Pferd herum und reitet an der Flanke des Gespannes entlang. Er legt den Lauf der erbeuteten Waffe über das Sattelhorn – und auch seine Mündung zeigt nun deutlich auf gleiche Art auf den Sprecher wie dessen Mündung auf ihn.
»Freund«, sagt er und verhält mit einer leichten Körperbewegung sein Pferd, »Freund, ich hätte noch eine kleine Frage!«
Die beiden bärtigen Kerle starren ihn an. Er sieht in ihre Augen und erkennt dort den Ausdruck von Sorge – aber auch von böser Härte und Rücksichtslosigkeit.
»Was soll das für eine Frage sein?«, knurrt der Mann, der die Zügel in der Hand hält, und wirft seinem Partner einen schnellen Blick zu.
»Was habt ihr im Wagen? Was wollt ihr bei den Roten eintauschen?«
Ringo Rock fragt es schnell.
In den schmal gewordenen Augen der beiden Männer glitzert es auf.
Ringo kennt das. Er hat schon Männer gesehen, die sich in die Enge getrieben wussten und die dann so bösartig wie in die Enge getriebene Wölfe wurden.
»Es geht dich einen Dreck an, Ringo Rock! Wir sind nicht deine Frachtfahrer! Wir sind selbständig! Wir geben keinem großmäuligen Wagenboss, der in einem stinkenden Indianerdorf aufwuchs, Auskünfte über unsere Tauschwaren! Fahr los, Reb!«
Die letzten Worte gelten dem Fahrer.
Der schüttelt die langen Zügel und brüllt sofort: »Vorwärts, ihr Biester! Hooo!«
Und da drückt Ringo ab.
Als der Wagen nämlich anruckte, war die Mündung des Gewehrs plötzlich nicht mehr genau auf ihn gerichtet. Diese Chance nutzt er aus. Er drückt ab – und die Kugel prellt dem Mann die Waffe aus den Händen.
Da der andere Mann jedoch das Gespann nun noch wilder antreibt, reißt Ringo Rock sein Pferd herum und gibt einen zweiten Schuss auf das linke Führungstier ab.
Es fällt wie vom Blitz getroffen. Das ganze Gespann verwirrt sich. Der Wagen hält ruckartig an, und die beiden Männer auf dem Fahrersitz werden so tüchtig durchgerüttelt, dass sie sich festhalten müssen und ihre Colts nicht so schnell herausbekommen.
Ringo Rocks Wallach steht wie ein Standbild. Ringo hat den Kolben des Gewehres unter den Arm geklemmt und die Mündung auf die beiden bärtigen Burschen gerichtet.
»Nur ruhig jetzt!«, sagt er scharf.
Die Kerle zögern.
Ringo Rock hört die Stimmen der anderen Männer hinter sich durcheinanderrufen. Er hört einige Frauen überrascht schreien.
Und dann hört er die Stimme des Mädchens sagen: »Er wird einen guten Grund haben, Leute! Lasst ihn nur machen! Warum geben die beiden Gents denn eigentlich keine Auskunft über ihre Wagenladung?«
Dann wird es still.
Ringo beobachtet wachsam die beiden Männer.
»Aus was besteht die Ladung also? Vielleicht aus Gewehren? Ihr seid so sicher, dass euch die Roten nicht die Skalpe nehmen. Was habt ihr im Wagen?«
Die beiden Männer starren ihn an. Sie antworten nichts. Sie schielen immer wieder auf die drohende Mündung.
Ringo Rock wendet nicht den Kopf, als er sagt: »Jemand soll in den Wagen klettern und nachsehen! Los, Leute, jemand soll sofort nachsehen!«
»Geben Sie uns nur nicht auch noch Befehle, Mister«, sagt die Stimme des spitzbärtigen Treckbosses.
Aber dann kommt der Mann in Rocks Blickfeld. Er reitet ans Wagenende heran und schwingt sich vom Sattel aus hinten in den Wagen hinein.
Eine Weile ist es still. Dann hört man, wie der Mann irgendwelche Kisten rückt. Holz splittert.
Dann erklingt die nun wütende Stimme durch die Wagenplane: »Bei Gott, in den unteren Kisten sind Gewehre! Nagelneue Winchester-Gewehre, wie nicht einmal wir welche besitzen! Vierundzwanzig Winchester-Büchsen in zwei Kisten! Und Munition! Alles andere ist harmlos – einige Säcke mit Zucker, Mehl und Salz, Stoffe, Äxte, Messer, Sägen und Töpfe.«
Der Mann kommt wieder zum Vorschein. Als Beweis hält er in jeder Hand ein Winchestergewehr.
»Das genügt«, sagt Ringo Rock. »Wir nehmen die beiden Gentlemen mit nach Fort Laramie. Der Colonel wird sich sehr für die Waffenlieferungen interessieren! Entwaffnet sie, Leute!«
Bei diesen letzten Worten erwachen die beiden erstarrten Kerle wieder zum Leben. Sie wissen ganz genau, was ihnen in Fort Laramie blüht. Und deshalb kämpfen sie nun wie gestellte Wölfe.
Sie springen vom Wagen. Einer wirft sich zwischen die Maultiere. Der andere springt vor Ringos Pferd und schnappt dabei nach dem Colt.
Da trifft ihn eine Kugel aus dem Gewehr, das er vielleicht selbst vor einiger Zeit an Little Horse verkauft hat.
Ringo Rock hört einige Colts krachen – und er weiß, dass die wütenden Grenzer und Pioniere mit dem Burschen kämpfen, der zwischen die Maultiere sprang, und ihn nicht entkommen lassen.
Es gibt nichts, was schlimmer ist hier an der Grenze als ein Weißer, der den Indianern moderne Waffen verkauft.
☆☆☆
Eine Viertelstunde später ist der Wagentreck wieder unterwegs. Sie fahren schnell und treiben die Gespanne mächtig an. Jemand fährt den Wagen, in dem sich die Gewehre befinden.
Ringos Gegner ist nur verwundet. Er befindet sich in guter Obhut, denn er soll der Armee seine Geschichte erzählen.
Der andere Mann, der zwischen die Tiere sprang, wurde getötet.
Ringo reitet ein Stück rechts hinter dem letzten Wagen.
Sie sind noch keine Meile weiter, da kommt das Mädchen durch die Staubfahne geritten und hält sich an seiner Seite.
Ihr Gesichtsausdruck ist ernst.
»Jetzt ist der Verkehr auf dem Powder River Trail wohl für lange Zeit unterbrochen?«, fragt sie fast ärgerlich.
Der Mann betrachtet sie von der Seite her und studiert sie nochmals eingehend. Ja, sie ist eine rassige und etwas eigenwillige Schönheit.
Da wird er sich bewusst, dass sie auf eine Antwort auf ihre Frage wartet, und er fühlt auch, wie sie ihn unauffällig beobachtet und genau abschätzt.
»Yeah«, murmelt er, »der Weg zum Powder River dürfte jetzt für jeden Zivilverkehr gesperrt sein. Die Armee wird es nicht dulden, dass …«
»Ach, die Armee – diese verdammte sture, arrogante und kleinliche Armee«, unterbricht sie ihn bitter.
»Sie haben schlechte Erfahrungen mit der Armee, Miss? Oder sind Sie verheiratet, Madam?«
»Mein Name ist Tracy Jones – und ich bin nicht verheiratet«, murmelt sie. Dann sieht sie ihn scharf an. »Ich habe schon von Ihnen gehört, Ringo Rock. Sie haben den begehrten Armeekontrakt bekommen, um den sich sogar die ganz großen Frachtkompanien beworben haben. Wird die Armee Ihnen Schutz geben können?«
Er zuckt mit seinen breiten Schultern.
»Das weiß ich noch nicht. Ich komme von einem langen Erkundungsritt zurück. Ich war in den friedlichen Dörfern. Ich habe mit den friedlichen Häuptlingen gesprochen. Sie erwarten von der Regierung, dass diese ihre Versprechen hält. Nun, wir werden sehen, Miss. Was wollen Sie am Powder River? Dort gibt es nur Forts und einige wenige Siedlungen. Was wollen Sie dort?«
Sie erschrickt sichtlich bei seinen so plötzlichen Fragen.
Aber dann fasst sie sich wieder und lächelt auf eine seltsame Art.
»Ich muss hin. Ich muss ins Indianerland, koste es, was es wolle!«
»Da werden Sie bis zum nächsten Sommer warten müssen«, erwidert er trocken. »Jetzt ist der Weg zum Powder River wohl für alle Zivilisten, und vor allen Dingen für Frauen, gesperrt.«
»Nicht für mich!«, ruft sie spröde. »Ich muss ins Indianerland!«
Dann gibt sie dem Tier die Sporen und verschwindet in der Staubfahne, die hinter den sehr schnell fahrenden Wagen zurückbleibt.
Ringo Rock denkt einige Minuten über das seltsame Mädchen nach.
»Vielleicht hat sie einen Bruder – oder ihren Verlobten – oder gar ihren Vater bei der Armee«, murmelt er. Etwas anderes fällt ihm nicht ein.
☆☆☆
Fort Laramie ist zurzeit das große Tor und die feste Basis vor der Grenze. Dicht vor den Palisaden verlässt Ringo Rock die Wagenschlange, überholt sie und hält bald sein großes Pferd vor der Kommandantur an.
Es ist kurz vor Anbruch der Dunkelheit. In den Gebäuden brennen schon Lampen und Lichter.
Bevor Ringo Rock aus dem Sattel rutscht, verhält er einen Moment regungslos und lauscht auf den gewaltigen Lärm, der aus der großen Marketender- und Kantinenbaracke tönt.
Ringo Rock hört das Kampfgebrüll seiner Frachtfahrermannschaft.
»Braaah! Braah! Uaaa!«
Die Wache des Forts läuft über den Exerzierplatz.
Ringo Rock grinst – und er grinst, obwohl er weiß, dass sich bald einige Burschen seiner Mannschaft im Gefängnis befinden werden.
Der Posten vor der Kommandantur grinst auch und sagt zu dem Reiter hinauf: »Diese Büffel versuchen es immer wieder. Wann werden sie einsehen, dass sie die prächtige Armee nicht schlagen können?«
Ringo Rock grinst vom Pferd auf den Corporal nieder.
Bevor er antworten kann, tritt der Regimentssergeant aus der Tür. Er wirft nur einen kurzen Blick über den Platz und wendet sich dann an Ringo Rock.
»Mister«, sagt er freundlich, »diese verrückte Mannschaft ist eine der sieben Plagen Gottes. Wie konnten Sie die Höllenblase nur so lange allein lassen? Na, der Colonel wird Ihnen ein paar nette Worte über diese großen Affen sagen.«
Ringo Rock seufzt. Er rutscht aus dem Sattel, lässt die Zügel einfach fallen und sagt zu den beiden Soldaten: »Ich habe eine tüchtige Mannschaft, und eines Tages werden sie euch Pferdesoldaten schlagen. Ich gehe also jetzt zum Colonel. Und ihr beide solltet meinem Pferd nicht näher als zwei Yards kommen. Dieser Wallach heißt zwar Colonel, aber er hat was gegen die Armee.«
Die beiden Soldaten starren das graue Riesenpferd an. Und dieses schielt tückisch und hebt die Oberlippe, sodass man die langen Zähne sehen kann.
Indessen steht Ringo Rock vor Colonel Carrington.
»Ihre Mannschaft«, beginnt der Colonel, »ist eine Bande von …«
»Moment, Colonel!«, unterbricht ihn Ringo Rock respektvoll, aber doch energisch. »Ich habe Ihnen wichtige Neuigkeiten zu berichten!«
Und dann erzählt er und endet mit den Worten: »Für mich sieht es also so aus: Die Sioux unter Crazy Horse, Red Cloud und den anderen großen Häuptlingen kämpfen nördlich des Powder River gegen unsere dortigen Truppen. Sie wollen die Kette von Forts zerstören und alle Weißen vernichten. Und damit sie mehr Chancen haben, arbeitet ihr Vetter Black Dog mit seinen Cheyennes einstweilen auf dem Powder-River-Weg für sie. Black Dogs Hundesoldaten sollen den Verkehr unterbinden, den Nachschub unterbrechen und vor allen Dingen verhindern, dass wir die friedlichen Dörfer mit den vertraglich zugesicherten Dingen beliefern. Sie wissen noch besser als ich, Colonel, was geschehen wird, wenn die friedlichen Dörfer bis zum Anbruch des Winters nicht die versprochenen Lieferungen erhalten haben. Wie sieht es also mit der Hilfe der Armee aus, damit ich den Vertrag erfüllen kann?«
Der Colonel seufzt. Er wendet sich ab und tritt an die Landkarte. Er starrt auf die Fähnchen, die den Powder-River-Weg und dessen Stützpunkte bezeichnen. Dann klatscht er mit der flachen Hand auf die Stelle nördlich des Powder River.
Endlich kommt er zurück und deutet auf einen Sessel. »Setzen wir uns, Mister Rock.«
Sie tun es.
»Ich kann Ihnen pro Wagen einen Soldaten mitgeben.«
»Oha, ich habe dreißig schwere Frachtwagen. Und überdies soll ich auch noch dreitausend Rinder mitnehmen! Und Sie wollen mir nur dreißig Soldaten …«
»Ich habe nicht mehr – das heißt, ich kann nicht mehr entbehren. Rock, Ihre Leute haben in den letzten Wochen immer wieder gezeigt, wie kampf- und rauflustig sie sind. Warum zählen Sie nur die Soldaten? Sie haben doch drei Dutzend wilde Burschen zur Hand. Und dazu kommt doch noch die Treibmannschaft der Rinderherde. Das sind zwölf wilde Texaner …«
Ringo Rock erhebt sich.
»Dann werde ich von dem Vertrag zurücktreten. Ich will nicht eifriger sein als die Armee. Zum Teufel, ich bin dann zwar ruiniert, aber ich bin nicht so verrückt, dass ich meine Leute für die Armee skalpieren lasse. Machen Sie den Powder-River-Weg frei! Jagen Sie Black Dog und seine fünfhundert Cheyennes. Dann werden meine Wagen rollen. Sonst suchen Sie sich einen anderen Narren. Aaah, ich werde mit dem Indianerkommissar sprechen!«
»Mister Taylor ist nach Washington gereist – und jetzt im Kriegszustand hätte er ohnehin nichts zu sagen«, winkt der Colonel ab.
Er springt wieder auf und wandert schnell im Zimmer umher.
»Ich will Ihnen etwas erklären, Rock, was unter uns bleiben muss. Für das, was ich jetzt sage, habe ich keine Beweise – aber es sieht fast so aus, als ob der Generalstab in Washington ein tüchtiges Stück zu weit von hier entfernt sitzt. Und es sieht so aus, als ob man an einer Befriedung der Indianer gar kein Interesse hätte, sondern lieber einen blutigen Krieg riskiert, um sie für immer und für alle Zeiten endgültig schlagen zu können. Und deshalb ist es der Armee verdammt egal, ob die friedlichen Dörfer in den Krieg eingreifen oder nicht. Haben Sie das verstanden, Rock?«
»Genau! Die Armee will einen blutigen Krieg! Und sie fragt nicht nach den vielen Opfern, die zuerst einmal dafür sterben müssen, dass man später die Roten vernichtend schlägt!«
»Dann haben Sie es begriffen, Rock. Aber wie gesagt, sind das nur Ihre und meine persönlichen Meinungen. Wenn Sie mich öffentlich darauf festnageln wollten, würde ich abstreiten, mit Ihnen dieses Gespräch geführt zu haben. Aber jetzt etwas anderes, Ringo Rock! Ich habe meine Befehle. Die Begleitquote für Wagentrecks ist nun einmal nur ein Soldat pro Wagen, wenn es mehr als sechs Fahrzeuge sind. Ich kann Ihnen da nicht helfen. Aber wenn Sie die Hälfte Ihrer Wagen mit Nachschub für die Truppe am Powder River beladen, so könnte ich Boten nach Fort Phil Kearney senden. Vielleicht kommt einer durch und setzt Major Hancock davon in Kenntnis, dass Nachschub unterwegs ist. Dann wird er Ihnen ein Kommando entgegenschicken müssen, auf das Sie auf halbem Wege stoßen. Aber Sie müssen eben etwas wagen und riskieren, Ringo Rock! Erinnern Sie sich doch mal an Waco Turpin und dessen schon legendäre Tausend-Dollar-Mannschaft! Die haben vor zwei Jahren ganz allein acht Frachtwagen voll Munition mitten durch fünftausend feindliche Rothäute hindurch zum Powder River geschafft und erst durch diese Tat ermöglicht, dass sich die Truppen dort den ersten Winter halten und dann weitere Stützpunkte errichten konnten. Sie haben mehr Männer zur Verfügung, als Waco Turpin sie hatte. Und Ihnen wird auch die Armee tatkräftiger helfen. Sie müssen sich entscheiden, Ringo Rock! Ihre Leute sind von derselben Sorte wie Turpins Burschen. Ich kann Ihnen nicht anders helfen!«
Ringo Rock erhebt sich und geht zur Tür. Dort bleibt er mit gesenktem Kopf stehen. Er denkt immer noch angestrengt nach.
Ja, er kennt die tollkühne Legende von Waco Turpin und dessen berühmter Tausend-Dollar-Mannschaft. Er hat Turpin und verschiedene seiner Männer sogar persönlich gekannt. Turpins ehemaliger Wagenboss Pierce Brock ist jetzt sein Vormann.
Ja, er kennt ganz genau die Geschichte dieser Mannschaft, ihre Taten und ihr großes Glück.
Er zuckt mit den Schultern.
»Vielleicht wage ich es, Colonel. Ich muss darüber nachdenken und mit meinen Männern reden.«
»Sie sind kein schlechterer Mann als Waco Turpin«, murmelt der Colonel. »Versuchen Sie es. Den Generälen in Washington werden Sie wahrscheinlich keinen großen Gefallen tun. Aber den armen Burschen am Powder River halten Sie wahrscheinlich zweitausend Krieger vom Leibe, wenn Sie es schaffen sollten. Und noch etwas, Rock. Bei den Sioux gibt es eine starke Gruppe weißer Renegaten – es sind Deserteure und Verbrecher, die sich zu den Roten gerettet haben. Die beiden Burschen, die Sie beim Waffentransport erwischt haben, gehörten sicherlich zu dieser Gruppe. Diese Weißen haben irgendwo im Indianerland reiche Goldvorkommen entdeckt und wollen mit allen Mitteln verhindern, dass die Armee weiter vordringt. Ein gewisser Stewart Jones ist der Anführer dieser Renegaten. Vielleicht bekommen Sie auch mit diesen Burschen zu tun, wenn Sie auf den Trail gehen, Rock.«
Der ist unmerklich zusammengezuckt. Als der Colonel den Namen Jones ausspricht, denkt Rock sofort an das Mädchen Tracy Jones, das unter allen Umständen ins Indianerland möchte.
Er dreht sich um und lehnt sich an die Tür.
»Was ist das für ein Mann, dieser Jones, Colonel?«
»Er war Lieutenant in Custers Regiment. Einer seiner Vorgesetzten erwischte ihn mit dessen Frau. Sie schossen es aus. Stewart Jones schoss schneller. Dann musste er flüchten. Er schaffte es von Fort Riley in Kansas bis ins Big-Horn-Land. Auf seine Art muss er ziemlich tüchtig sein, denn er hat alle weißen Renegaten zu einem festen Verein zusammengeschweißt. Und dieser Verein wird den Indianern helfen, das Land zu behalten, weil er erst in Gemeinschaftsarbeit das Goldvorkommen ausbeuten will.«
»Hat dieser Stewart Jones eine Schwester?«
»Das weiß ich nicht, Ringo Rock.«
»Danke, Colonel. Was ist mit meinen Leuten, die Sie in der Zwischenzeit einsperren ließen?«
»Zurzeit lasse ich sie aus den Zellen.«
»Danke!«
Ringo Rock geht, und er denkt jetzt nicht über seinen Armeekontrakt nach und über die schwierige Aufgabe, die vor ihm liegt, wenn er sich dafür entscheidet – er denkt an das Mädchen, das sich Tracy Jones nennt. Er fragt sich, ob die Namensgleichheit nur Zufall oder ob sie Stewart Jones’ Schwester ist.
Als er sich auf sein großes Pferd setzt, grinst der Posten zu ihm hinauf und deutet mit dem Daumen zur Kantine hinüber: »Sie haben sieben Frachtfahrer weggeschleppt und ins Loch geworfen.«
Ringo nickt.
Na wartet, denkt er. Ihr werdet bald andere Arbeit bekommen und euch mit Burschen von roter Hautfarbe herumschlagen müssen. Und das kann euch nicht schaden.
Als er diese Gedanken zu Ende gedacht hat, erkennt er mit einem Mal, dass er innerlich schon entschlossen ist, alles zu wagen und auf den gefährlichen Trail zu gehen – trotz Black Dog und seinen Dog Soldiers und trotz Crazy Horse und fünftausend wilden Sioux.
Dabei denkt er an Waco Turpin, der es damals auch gewagt hat und Sieger blieb.
Langsam reitet er ins Camp.
Die schweren Frachtwagen sind zu einem Kreis aufgefahren. In den Corrals bewegen sich die großen Maultiere und auch Pferde. Einige Zelte stehen in der Wagenburg, und neben einem großen Feuer hat der Koch seine holländischen Öfen aufgebaut.
Die Mannschaft hat sich beim großen Feuer versammelt, als Ringo Rock vom Corral zurückkommt. Er baut sich vor ihnen auf und stemmt die Fäuste in die Seiten.
Bevor er zu reden beginnen kann, nähern sich sporenklirrende Schritte. Eine Gruppe von Männern kommt von einem zweiten Camp herüber, dessen Kochfeuer keine hundert Yards von der Wagenburg entfernt in die Nacht leuchtet.
Es sind acht Männer. Sie tragen hochhackige Cowboystiefel, Leder-Chaps, ärmellose Lederwesten und flache Stetson-Hüte mit dem bekannten Texaskniff. Sie tragen Waffengürtel mit großen Colts.
Das sind Rinderleute aus Texas – Treibherdencowboys und Revolvermänner aus Texas. Sie sind auf ihre Art genauso wild wie die Frachtfahrer, nur noch stolzer als diese, kühler und beherrschter. Sie sind scharfgesichtig, hartäugig und zäher als Wüstenwölfe.
Alamo Haynes, ihr Boss, tritt ans Feuer, und sie selbst bilden hinter ihm eine schweigsame Gruppe.
Dann wird es still.
Alamo Haynes sieht Ringo Rock einige Sekunden lang forschend an. Haynes ist so groß wie Rock, aber sehniger und noch hagerer als dieser. Haynes ist der typische Texaner – weißblond, helläugig, lässig und stolz.
Dann fragt er gedehnt: »Nun, Ringo?«
Der nickt ihm zu.
»Black Dog und fünfhundert Hundekrieger wollen uns den Weg verlegen«, sagt er ruhig. »Ich habe mit dem roten Bastard selbst gesprochen, und rings um uns rauchten Wagentrümmer und lagen skalpierte Menschen herum. Er sagte es mir – und dann ließ er mich reiten, weil er ganz genau wusste, dass ich es trotzdem wagen werde und ihm reiche Beute ins Land bringe, um die er nur zu kämpfen braucht. Ich will es euch genau erklären, damit keiner von euch auf die Idee kommt, die roten Gentlemen seien dumm.«
Dann berichtet er den wortlos lauschenden Männern beider Mannschaften von seinem weiteren Erkundungsritt.
Er verstummt, und er fühlt die Blicke der Männer fast körperlich auf sich lasten. Er sieht das Glitzern in ihren Augen – und er hört ihre scharfen Atemzüge.
Er sieht Alamo Haynes an.
Das hagere Gesicht des Texaners wirkt leblos. Die Augen sind so schmal, dass nichts in ihnen zu erkennen ist.
Aber die Stimme ist sanft – von einer tödlichen Sanftheit.
Alamo Haynes fragt: »Und was wirst du tun, Ringo Rock?«
»Vielleicht bin ich ein Narr«, murmelt dieser und wischt sich über das Gesicht. Er nimmt den Hut ab, dreht ihn in seinen Händen und starrt auf die beiden Löcher, die der Pfeil erzeugte.
»Vielleicht bin ich ein Narr. Aber es gibt da einige Dinge, die wichtig sind. Ich will sie euch aufzählen: Also, ich war in den friedlichen Dörfern. Die Häuptlinge vertrauen mir, dass sie ihre versprochenen Lieferungen bekommen, und setzen deshalb ihren ganzen Einfluss ein und ihre Häuptlingswürde aufs Spiel, um ihre Dörfer friedlich zu halten. Das ist der eine Grund. Der zweite Grund ist, dass ich nicht nur meine ganzen Ersparnisse investiert, sondern auch noch eine Menge Geld zu hohen Zinsen aufnehmen musste, um diesen Wagenzug ausrüsten zu können. Wenn ich jetzt aufgebe, brauche ich zehn Jahre, um meine Schulden bezahlen zu können. Und dann ist da noch ein dritter Grund: Wenn wir die Lieferungen nicht durchführen, nehmen die friedlichen Dörfer am Krieg teil. Das sind dann zweitausend verrückte Krieger mehr gegen die Armee. Die Armee hat aber im Powder-River-Land noch nicht so fest Fuß gefasst, dass ihre kleinen Forts den geschlossenen Ansturm sämtlicher Stämme überstehen können. Und in den Forts am Powder River und weiter im Norden längs des Bozeman-Wegs leben schon Frauen und Kinder. Und deshalb möchte ich es wagen – und alles riskieren, wenn meine Mannschaft nur mitmachen will. Ich kann keinen Mann zwingen, mit mir seinen Skalp zu riskieren. Das muss jeder mit sich selbst ausmachen!«
Nach dieser eindringlichen Rede Ringo Rocks wird es wieder still.
Alamo Haynes hat indessen sein Rauchzeug hervorgeholt. Seine langen, sehnigen Finger drehen zauberhaft schnell eine Zigarette. Als er dann raucht, bleibt sein hageres Gesicht immer noch ausdruckslos.
Er sagt sanft – und es ist wieder eine tödliche Sanftheit: »All right, Ringo. Wir haben dreitausend Rinder von Dodge City heraufgetrieben, weil uns das Indianerbüro den doppelten Preis zahlt, wenn wir sie zu den Roten bringen. Auch ich habe mein ganzes Geld in diese Sache gesteckt, und meine Reiter sind am Gewinn beteiligt. Wenn du es wagst, Ringo – und wenn meine Mannschaft bei mir bleibt – nun, dann treibe ich diese Herde und folge deinem Wagenzug!«
Die härteste Frachtfahrermannschaft und die härteste Treibermannschaft haben sich hier in Fort Laramie in Wyoming getroffen. Sie stehen gemeinsam an einem Feuer und hören die Entscheidung ihrer Bosse.
Nun liegt es an ihnen.
Sie haben es alle gehört.
Pierce Brock, der riesenhafte Vormann von Ringo Rocks Mannschaft, tritt einen halben Schritt vor.
»Ich habe das alles schon einmal mitgemacht.« Er grinst grimmig. »Ich gehörte zu Waco Turpins haarigen Affen, die vor zwei Jahren Munition zum Powder River brachten. Ich bin auf diesem Trail damals allen neunschwänzigen Teufeln schon mal begegnet. Und wir haben uns durch alle sieben Höllen hindurchgekämpft. Boss, ich fahre den ersten Wagen auf diesem verdammten Powder River Trail, nicht wahr?«
Und dann treten auch die anderen vor und erklären sich mit grimmigem Humor bereit.
Alamo Haynes wirft den Zigarettenstummel ins Feuer.
»Maultiertreiber und Treibherdenmänner konnten sich noch nie gut verstehen«, murmelt er sanft – aber alle hören es. »Aber dieses Mal wird es anders sein, nicht wahr? Ihr seid schon eine prächtige Mannschaft dickschädliger Büffel. Und wir machen mit! Ich habe euch mit einem Mal richtig gern. Ich weiß nicht, warum ich früher großspurige Frachtfahrer nicht leiden konnte. Ihr gefallt mir mächtig!«
Nach diesen Worten hebt er lässig zum Gruß die Hand.
»In drei Tagen brechen wir auf«, sagt Ringo Rock.
☆☆☆
Ja, am 17. August 1868 bricht der Treck auf. Es ist fast auf den Tag genau zwei Jahre später als der Aufbruch der Tausend-Dollar-Mannschaft unter Waco Turpin.
Nur, diesmal ist der Treck bedeutend größer und dadurch schwerfälliger.
An der Spitze reitet Captain Phil Scott mit Sergeant Mac McKeene und dreißig grünen Rekruten, die nach kurzer Ausbildung die Truppen im Powder-River-Land verstärken sollen.
Dann kommen zweiunddreißig schwere Frachtwagen und der Küchenwagen. Jeder Frachtwagen wird von acht großen Maultieren gezogen.
Es folgt eine Remuda von Ersatztieren und einigen Pferden.
Den Schluss macht Lieutenant Emmet Bennet mit dreißig Infanteristen.
Diese dreißig »Marschiere-viel-Soldaten«, wie die Indianer sie nennen, trafen am Tag zuvor unerwartet in Fort Laramie ein und sollen ebenfalls die Truppen am Powder River verstärken. Deshalb haben sie den Befehl bekommen, den Treck zu begleiten.
Aber auch diese Soldaten sind grüne Rekruten.
So entfernt sich der Treck langsam von Fort Laramie und windet sich wie eine lange Schlange den Powder-River-Weg nach Norden.
Ringo Rock reitet neben Pierce Brocks Wagen.
Sein riesiger Vormann ist in guter Stimmung. Manchmal singt Pierce Brock mit mächtiger Stimme das alte Kampflied von Waco Turpins legendärer Tausend-Dollar-Mannschaft.
»Und da haben wir dem Teufel ins Maul gespuckt!
Und keiner von uns hat mit der Wimper gezuckt!
Denn uns alle hat selbst der Teufel nicht gewollt!
Oheee – oheee!
Wenn der Wagen nur rollt!
Wenn er nur rollt!«
Ringo Rock lächelt grimmig. Er nickt Pierce zu und bleibt zurück.
Er lässt die lange Wagenschlange an sich vorüber, und seine scharfen und kundigen Augen erkennen, dass Fahrer, Tiere und Wagen in bester Verfassung sind.
Captain Phil Scott ist seinem Dienstgrad gemäß schon einige Jahre zu alt. Er müsste schon längst Major sein, und er weiß das so genau, dass er Tag und Nacht daran denkt.
Phil Scotts Ziel sind die Eichenblätter eines Majors. Und er weiß, dass er sie bekommen wird, wenn er mit diesem Treck lebend das Ziel erreicht und sich als erstklassiger Offizier und Beschützer erweist. Er ist auch fest davon überzeugt, dass er dies ist, und er träumt nicht nur im Schlaf davon, dass er einmal mit seinen Reitern eine großartige Heldentat vollbringen wird, die in der Geschichte der Armee auf ein Ehrenblatt niedergeschrieben wird.
Ganz genau gesagt: Captain Phil Scott hält sich für ein bisher verkanntes kavalleristisches Genie. Und er lauert nur auf die Gelegenheit, dies endlich beweisen zu können.
Vor allen Dingen ärgert und wurmt es ihn mächtig, dass ihm der Colonel den Rat gegeben hat, stets auf Ringo Rock zu hören.
Das hätte der Colonel nicht sagen sollen. Denn Captain Phil Scott hasst einfach alle Leute, die man ihm als Vorbild oder als erfahrener hinstellt.
In Bezug auf Ringo Rock ist sein Standpunkt: Ich bin Offizier, und er ist ein Maultiertreiber, der lange Jahre in einem stinkenden Indianerzelt lebte und vielleicht nicht einmal lesen und schreiben kann.
Und deshalb starrt er Ringo Rock jetzt von der Seite her an und fragt arrogant: »Sie gehören also auch zu jener Sorte, die sich vor diesen roten Bastarden fürchtet, nicht wahr? Nun, ich werde unterwegs hoffentlich Gelegenheit haben, Ihnen mal zu zeigen, wie richtige Kavallerie mit einigen hundert roten Affen umspringt. Mit diesen Reitern da hinter mir jage ich die ganze Cheyenne-Bande bis zum Nordpol hinauf, wenn es sein muss. Diese Männer wurden von mir ausgebildet.«
Er schnarrt es stolz.
Ringo Rock wendet sich um und sieht auf die Doppelreihe der Reiter.
»Oh, zum Teufel!«, entfährt es ihm. »Das werden vielleicht einmal gute Kämpfer werden. Aber vorläufig, Captain – vorläufig sind die meisten noch grüne Jungs. Und dort vor uns wartet Black Dog mit fünfhundert Dog Soldiers. Wenn wir drei Tage weiter sind, dann wird Black Dog sich etwas ausdenken, Mister. Und er wird sich etwas ausdenken, was Sie und Ihre Soldaten weit genug von diesem Treck weglockt. Und wenn Sie so dumm sind und sich mit diesem Haufen mehr als fünf Meilen von uns entfernen, werden sich die Roten auf euch stürzen wie Hornissen auf einen armen Hund. Dann sehen wir euch nie wieder, Mister.«
»Nennen Sie mich nicht Mister. Ich bin Captain. Und sagen Sie mir nicht, was ich zu tun habe. Geben Sie mir keine Ratschläge. Ich bin vierzehn Jahre Soldat und habe mich aus dem Mannschaftsstand hinaufgedient. Sagen Sie mir nicht, wie ich mein Kommando zu führen habe, Sie – Sie Maultiertreiber!«
Ringo Rock bleibt ruhig. Er schüttelt mitleidig den Kopf.
»Ich habe es geahnt«, murmelt er. »Ich habe es geahnt, als ich Sie das erste Mal sah. Sie sind einer von den kompletten Narren, die sich von einem Zivilisten nichts sagen lassen und wegen außergewöhnlicher Leistungen befördert werden wollen. Nun gut!«
Er reitet an. Und er ist keine drei Yards weiter, als der Offizier ihm nachruft: »Wohin wollen Sie? Bleiben Sie bei Ihrem Treck!«
Ringo Rock zügelt sein Pferd und wartet, bis sie wieder Steigbügel an Steigbügel sind.
»Passen Sie auf, Mister«, sagt er höflich. »Sie führen Ihre Abteilung, und Sie sollen meine Wagen schützen. Ich aber führe den ganzen Treck. Sagen Sie mir nicht, was ich zu tun habe. Ich will es Ihnen sagen: Ich reite so weit voraus, bis ich die ersten Indianer sehe. Das kann zwei, drei oder vier Tage dauern. Wenn ich wieder zu diesem Treck stoße, werde ich wissen, was Black Dog vor uns aufgebaut hat!«
»Ich habe selbst zwei gute Scouts vorausgeschickt«, schnarrt der Captain. »Und Ihre Bande von Frachtfahrern ist so undiszipliniert und unzuverlässig, dass …«
»Meine Mannschaft ist jetzt unterwegs – und da gibt es keine besseren Männer. Mein Vormann führt die Kolonne so gut wie ich. Und auf Ihre Scouts, Captain, möchte ich mich nicht verlassen. Ich kenne die beiden Burschen nämlich. Also!«
Vier Stunden später – es ist schon Nachmittag – holt Ringo Rock die Treibherde ein. Er überholt sie und lenkt sein Pferd bald neben den hässlichen Pinto von Alamo Haynes.
Haynes nickt ihm zu und grinst dann flüchtig.
»Ihr treibt die Rinder mächtig schnell«, sagt Ringo Rock. »Die Wagen sind noch mehr als zwanzig Meilen hinter euch. Habt ihr keine Angst, dass euch die roten Knaben einen Streich spielen?«
»Ich habe schon Angst, aber ihr werdet in den nächsten Tagen aufholen, nicht wahr? Und ich wollte nach Anbruch der Dunkelheit losreiten und mich etwas nach den Roten umsehen. Es ist ja gut, wenn man ungefähr weiß, wo sie auf uns warten.«
Ringo Rock grinst nun zurück.
»Dann reiten wir gemeinsam, denn aus genau demselben Grund habe ich meine Wagen und diesen Narren von Captain verlassen. Alamo, mit diesen Pferdesoldaten werden wir noch Kummer bekommen.«
Nach diesen Worten reiten sie schweigsam an der Spitze der Herde nach Norden. Sie betrachten prüfend das Land und suchen ständig die fernen Hügel ab.
Aber es ist nichts zu sehen.
Kurz vor Anbruch der Nacht kommt die Herde in einer weiten Mulde zur Ruhe. Ein Bach ist vorhanden.
Als es dann richtig dunkel ist und sie zu Abend gegessen haben, satteln Ringo und Alamo ihre Pferde und verlassen das Camp.
Die Männer am Feuer starren ihnen nach.
»Die sind beide aus einem Holz«, sagt der schon grauhaarige, aber stahlharte Jack Callaghan.
☆☆☆
Die beiden Männer reiten die ganze Nacht. Sie sprechen während der langen Stunden kein Wort. Sie verstehen sich auch so, denn wie es schon Jack Callaghan, Alamo Haynes’ Vormann, sagte, sind sie wirklich aus einem Holz.
Es ist so, als würden sie sich schon tausend Jahre kennen.
Als dann die graue Morgendämmerung im Osten über die Hügel gekrochen kommt, da finden Ringo und Alamo die beiden Scouts des Captains mitten auf dem Powder-River-Weg.
Es ist noch nicht hell, aber das fahle Grau reicht schon aus, um erkennen zu lassen, wie die beiden Scouts gestorben sind. Es muss ein sehr langsames Sterben gewesen sein, denn die beiden armen Teufel sind mit Lanzen an den Erdboden festgenagelt worden.
»Hölle!«, stößt Alamo heiser hervor.
»Das ist Black Dogs erstes Zeichen«, murmelt Ringo Rock bitter. »Und er hat die beiden armen Teufel mitten auf dem Weg festgenagelt. Alamo, ich kenne die beiden Männer, Schwarzfuß-Tate war ein Halbblut. Er war früher ein guter Scout, aber seit fast einem Jahr lebte er nur noch vom Whisky. Er bekam ihn von Bill Peters – von diesem anderen Mann hier. Und dafür diente er ihm wie ein Hund. Wenn Peters ihn nicht so mit Whisky vergiftet hätte, wäre Schwarzfuß-Tate niemals in diese Falle gerannt. Sie würden beide noch leben.«
»Und so etwas stellt die Armee als Scouts ein?«, knurrt Alamo bitter.
Nach diesen Worten machen sich die beiden Männer an die Arbeit.
Als dann die Morgennebel steigen und sie davonreiten, um sich ein günstiges Versteck für den langen Tag zu suchen, da bleibt ein einsames Doppelgrab zurück.
Ringo Rock und Alamo Haynes aber verbringen den langen, heißen Tag auf der abgeplatteten Kuppe eines Hügels. Auf dieser Hügelplattform ist überdies auch noch eine tiefe Mulde, in der sie ihre Pferde unterbringen. Am Grund dieser Mulde befindet sich ein Wassertümpel. Der Boden dort ist anscheinend felsig, sodass sich das Regenwasser für längere Zeit hält.
Die Männer verzehren einen Teil des mitgebrachten Proviants und wechseln sich dann ab im Schlafen und Beobachten.
Es ist schon Nachmittag, als Ringo Rock von Alamo geweckt wird.
»Da sind Rothäute«, sagt der Texaner wortkarg. »Und in der Ferne kann man schon die Staubwolke meiner Herde erkennen.«
Bald liegt Ringo neben dem Sattelgefährten auf dem Rand der Kuppe. Sie sind gut gedeckt, und sie beobachten zwei Rote, die auf ihren gefleckten Mustangs von Norden her den Powder-River-Weg entlangkommen. Diese beiden Späher sind bis auf ihren Lendenschurz nackt. Dafür sind sie jedoch umso mehr mit Zinnober, Kobalt und Ocker beschmiert. Ihre Pferde sind mit allerlei buntem Zierrat behangen.
»Gleich werden sie auf das Doppelgrab stoßen und unsere Fährten finden«, murmelt der Texaner bitter. »Sie brauchen nur noch über diese Bodenwelle und …«
Er hat kaum ausgesprochen, da biegen die beiden Roten vom Weg ab und schlagen die Richtung zu dem Hügel ein, auf dem die Freunde liegen.
»Sie kommen zu uns.« Ringo grinst. »Sie wollen von diesem feinen Aussichtspunkt aus beobachten. Von hier aus können sie ja auch gut die Stelle sehen, wo sie gestern die beiden armen Teufel am Boden festgenagelt haben. Und sie können auch weit genug nach Süden spähen und alles beobachten.«
Der Texaner nickt. »Wir werden sie töten müssen.«