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G.F. Unger ist der erfolgreichste deutschsprachige Western-Autor. Mit einer Rekordauflage von über 250 Millionen Exemplaren gehört er zur internationalen Spitzenklasse der Spannungsliteratur. Und das zu Recht!
Niemand vermag es wie er, die unermesslichen Weiten des amerikanischen Westens und die Stärke der unerschrockenen Männer, die sie erschlossen, zu beschreiben. Erleben Sie den amerikanischen "Wilden Westen", wie nur G.F. Unger ihn schildern kann: hart, authentisch, leidenschaftlich.
Dieser Sammelband enthält die Folgen 2467 bis 2469:
Der Inhalt dieses Sammelbands entspricht ca. 192 Taschenbuchseiten.
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Seitenzahl: 478
Veröffentlichungsjahr: 2022
G. F. Unger
G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 40
Cover
Impressum
Double U Ranch
Vorschau
Double U Ranch
Es war an einem späten Nachmittag, als ich nach Ute City kam.
Mein Weg war lang gewesen, und auch an diesem Tag war ich viele Meilen geritten. Mein schwarzweiß gefleckter Pinto hatte ein Eisen verloren und lahmte leicht. Deshalb bog ich in den Hof der Schmiede ein, saß ab und trat in das halb offene Gebäude, wo der Schmied bei der Arbeit war.
Ich wartete, bis er fertig war und das noch heiße Hufeisen in den Wasserbehälter warf.
Dann betrachtete er mein Pferd, das hinter mir stand und mir den Atem in den Nacken blies. »Ich habe es schon gesehen«, sprach er. »Der Pinto braucht vorne links ein neues Eisen. Sie sind weit geritten, Cowboy?«
»Was sonst?«, fragte ich zurück. »Sehe ich anders aus als ein Cowboy?«
Sein Blick glitt an mir nieder und blieb dann kurz auf meine Hüfte gerichtet. Dort hing sonst mein schwerer Revolver. Doch den hatte ich mitsamt Gurt und Holster eingewickelt und in meiner dicken Sattelrolle verborgen. Denn ich wollte nicht als Revolvermann erkannt werden.
Und ein Revolvermann war ich nun mal …
Zum Glück trug ich eine ziemlich neue Hose, sodass die Stelle, wo sonst das Holster rieb, nicht sichtbar abgeschabt war.
Der Schmied nickte und sagte: »Also gut, dann mache ich dem Pinto jetzt sofort ein neues Eisen für einen halben Dollar.«
Doch ich schüttelte den Kopf und erwiderte: »Wenn ich es selbst schmieden und anschlagen dürfte, dann könnte ich vielleicht einen Vierteldollar sparen – oder?«
Er starrte mich an.
Dann nickte er und erwiderte: »Also gut, ich mag Cowboys, die ihre Pferde selbst beschlagen können.«
Wir waren uns also einig, und so machte ich mich wenig später an die Arbeit.
Er sah mir zu, stopfte dabei seine Tabakpfeife und paffte dann fast so stark wie der Kamin seiner Schmiedeesse.
Aber ich musste mich meiner Arbeit nicht schämen. Er hätte es kaum besser machen können.
Inzwischen war ein Mann gekommen, der mir ebenfalls zusah. Dieser bullige Mann trug unter seiner offenen Weste auf der Hemdtasche einen Messingstern. Wahrscheinlich war er der Marshal von Ute City.
Als ich mir im Wassertrog die Hände wusch, da fragte er: »Auf der Durchreise?«
Ich sah ihn an und starrte nicht zu lange in seine flintsteinharten Augen. Denn ich wusste, er würde sonst spüren, dass ich ein zweibeiniger Wolf war, kein harmloser Cowboy. Ich hob die Schultern und ließ sie wieder sinken.
»Das kommt darauf an«, erwiderte ich. »Wenn ich hier eine Arbeit finde …«
»Er könnte bei mir als Gehilfe arbeiten«, sprach der Schmied. »Ich konnte sehen, wie er mit dem Hammer umgeht. Der hat das richtig gelernt. Und ich wette, der beherrscht sogar eine richtige Feuerschweiße, ohne das Eisen verbrennen zu lassen. Oder irre ich mich da, Cowboy?«
Ich schüttelte den Kopf und erwiderte: »Aber mit dem Lasso bin ich besser.«
Sie starrten mich beide eine Weile schweigend an. Dann fragte der Marshal: »Und mit dem Colt?«
»Trage ich einen?« So fragte ich zurück, nahm fünfundzwanzig Cents aus der Tasche und legte sie auf den noch warmen Amboss.
Dann fragte ich den Marshal: »Würde ich hier irgendwo eine Arbeit als Weidereiter oder Raubzeugjäger bekommen? Mit dem Gewehr bin ich nämlich fast so gut wie mit dem Wurfseil.«
Wieder sahen sie mich forschend an, und ich spürte nicht nur den Anprall von Neugierde, sondern auch von Misstrauen.
Der Marshal stieß dann einen Laut aus, der sich wie ein kurzes Lachen anhörte und sprach dann: »Versuchen Sie es auf der Uvalde Ranch, Cowboy. Da brauchen sie immer wieder neue Reiter.«
»Danke«, erwiderte ich. »Und wie weit ist es zur Uvalde Ranch?«
»Elf Meilen den Canyon hinauf, der auf der Mesa ausläuft. Dort liegt die Double U Ranch von Ulynes Uvalde. Reiten Sie nur hin.«
In der Stimme des Marshals war ein seltsamer Klang. Es mochte eine Mischung aus grimmigem Lachen und bitterem Sarkasmus sein.
»Das schafft mein Pinto heute nicht mehr«, erwiderte ich. »Aber morgen reite ich hinauf. Ist es eine große Ranch?«
Nun starrten sie mich an, als hätte ich sie beleidigt oder gar verhöhnt. Der Marshal knurrte dann: »Mann, Sie müssen von sehr weit herkommen. Oder Sie wollen mich verarschen. Aber das wird sich noch herausstellen. Und dann …« Er sprach nicht weiter, sondern wandte sich ab und ging.
Ich sah den Schmied an und fragte: »Was ist hier los? Habe ich etwas falsch gemacht? Oder was ist?«
Der Schmied zögerte. Dann murmelte er: »Sie können im Heu meines Mietstalls schlafen, Cowboy. Und wenn Sie Ihr Pferd füttern, kostet das einen weiteren Vierteldollar. Oder wollen Sie im Hotel übernachten?«
Ich grinste nur als Antwort.
Da sprach er weiter: »Was hier los ist, wollen Sie wissen? Oha, Sie sind nicht der erste Reiter, der hier ankommt und sich als Cowboy ausgibt. Sie reiten dann alle zur Double U Ranch und verschwinden dort für immer. Vielleicht sollten Sie morgen nicht hinaufreiten, Cowboy. Wie ist denn Ihr Name?«
»Ach, ich bin Jim Walker«, erwiderte ich. »Und Ihr Name steht ja auf dem Schild zu lesen. Jorge Madden, nicht wahr?«
Er nickte. Seine Nasenflügel vibrierten, als versuchte er etwas zu wittern. Dann sprach er: »Walker, wenn Sie den Marshal verarscht haben sollten, dann …« Er sprach nicht weiter.
Auch ich sagte nichts mehr, sondern brachte mein Pferd in einen der Corrals und mein Gepäck in den Mietstall.
Als ich mich an einem der Wassertröge wusch, war es Abend geworden. Überall gingen die Lichter an. Der kleine Ort wirkte so still und friedlich.
Ich machte mich dann auf den Weg zum Saloon. Denn aus alter Erfahrung wusste ich, dass man in einem Saloon fast alles über eine Stadt und deren Umgebung erfahren konnte. Und manchmal brauchte man gar keine Fragen zu stellen, musste nur beobachten und die richtigen Schlüsse aus den empfangenen Zeichen ziehen.
Ich erreichte den Anfang des Plankengehsteigs und ging auf diesem weiter. Zuerst kam ich an einem Store vorbei, dann an einem Schneiderladen und einer Sattlerei. Schräg gegenüber sah ich dann den Mesa Saloon.
Das Schild mit dem Namen war von zwei Laternen beleuchtet. Und aus den Fenstern fielen Lichtbahnen über die Fahrbahn.
Ich wollte den Gehsteig verlassen und schräg hinüber auf die andere Straßenseite, doch da hörte ich den Hufschlag von galoppierenden Pferden und wusste, dass eine hart und rau reitende Mannschaft in die Stadt hereingejagt kam. Ich hörte die wilden Schreie, und so war mir klar, dass es sich wahrscheinlich um ein Wettreiten handelte.
Wer zuerst an der Bar stand, der hatte gewonnen.
Dies war manchmal so üblich unter rauen Mannschaften im Rinderland, wenn sie mal Stadturlaub bekamen. Diese rauen Burschen mussten sich immer etwas beweisen. So auch jetzt.
Die Reiter wirbelten mit ihren Pferden eine Menge Staub auf, warfen sich johlend aus den Sätteln und stürmten durch die Schwingtür in den Saloon.
Ja, sie waren eine wilde und raue Mannschaft. Sie erfüllten den Saloon mit ihren Stimmen. Auch einige Mädchenstimmen waren zu hören. Ein Klavier begann zu klimpern.
In dem Saloon kam plötzlich alles in Betrieb. Vorhin noch wirkte die kleine Stadt still und friedlich. Doch jetzt kam es mir so vor, als würde sie vergewaltigt.
Ich wartete, bis der Staub sich etwas gelegt hatte, dann ging ich hinüber.
Die Sattelpferde der Mannschaft trugen zwei Sterne als Brandzeichen, also den Double-Star-Brand. Es musste also hier eine Double U Ranch und eine Double Star Ranch geben. Aber der Schmied und der Marshal hatten mir nur die Double U Ranch für die Jobsuche genannt.
Ich trat langsam ein, und ich war unbewaffnet. Mein Gewehr hatte ich bei meinem Gepäck im Mietstall zurückgelassen. Einige Sekunden lang verhielt ich und wartete, bis sich meine Augen an die veränderten Lichtverhältnisse gewöhnt hatten.
Die rauen Burschen standen alle an der Bar, einige Mädchen zwischen ihnen. Sie waren dabei, sich möglichst schnell mit Feuerwasser zu füllen, und flößten es auch den Mädchen ein.
Dann sah ich den Marshal. Er saß mit einigen anderen Männern in der Ecke beim Poker und kümmerte sich nicht um die wilde Horde an der Bar. Das Klavier hämmerte immer noch.
Die rauen Burschen begannen mit den drei kreischenden Mädchen abwechselnd zu tanzen. Und jene, die nicht tanzten, die füllten sich mit Schnaps, als wollten sie sich das Gesöff aus den Ohren wieder rauslaufen lassen.
Ich trat an das Schanktischende und wartete geduldig, bis der Barmann – wahrscheinlich war er der Wirt und Besitzer – zu mir kam.
Er sah mich scharf und forschend an, fragte: »Fremd hier? Ich sah Sie noch nie.«
Ich nickte nur, bestellte ein Bier und trat dann mit dem Glas in der Hand an den Freiimbisstisch und nahm eine Scheibe kaltes Bratfleisch auf einer Brotscheibe.
Ja, ich hatte einen bösen Hunger.
Der Wirt kam noch mal zu mir und sagte: »Satt essen ist nicht bei nur einem Glas Bier, Cowboy.«
Ich nickte und warf einen Vierteldollar auf den Tisch.
Er ging wieder, aber ich blieb nicht lange allein. Ein großer, rothaariger Bursche löste sich von der lärmenden Mannschaft an der Bar, trat zu mir an den Freiimbisstisch und sah mich mit seinen blassblauen Augen an.
»Wer bist du denn?« So fragte er grob.
Aber ich fragte zurück: »Und wer bist du, dass du mir Fragen stellst?«
Da grinste er scharf und gefährlich, sprach dann: »Pass auf, mein Freund, wir mögen in diesem Land keine fremden Reiter. Ich bin der Vormann der Double Star Ranch. Und jetzt gibt Antwort.« Seine Stimme klang hart.
»Ich suche Arbeit als Weidereiter oder Raubwildjäger, vielleicht auch als Zureiter, wenn es Wildpferde zuzureiten gäbe.«
»Bei mir nicht«, erwiderte er barsch und verließ mich wieder, nachdem er einen Blick auf meine Hüfte warf, wo man normalerweise einen Revolver trug.
Ich ahnte, dass er und ich noch aneinandergeraten würden irgendwann, wenn ich im Land blieb.
Ich kaufte mir noch ein Bier und bediente mich abermals am Freiimbisstisch. Dann war ich einigermaßen satt und ging wieder, machte einen Spaziergang von einem Stadtende zum anderen. Ich merkte mir alle Gassen, Geschäfte und Häuser.
Im Saloon war es immer noch laut. Und auch das Dutzend Sattelpferde mit dem Double-Star-Brand stand noch davor. Sie lärmten drinnen mit den kreischenden Mädchen. Und das Klavier hämmerte.
Dem Marshal, der im Saloon in der Ecke inmitten einer Pokerrunde hockte, dem machte der wilde Lärm offenbar nichts aus. Oder lag es nur daran, dass er sich mit der Double-Star-Mannschaft nicht anlegen wollte?
Ich dachte wieder an den rothaarigen Vormann der Mannschaft, dessen Namen ich noch nicht kannte. Der Mann hatte seinen Instinkt gegen mich strömen lassen. Was hatte ihm sein Instinkt gesagt? Was für eine Witterung hatte er von mir bekommen?
Was war in diesem Land los? Was war im Gang?
Ich konnte etwas spüren, aber es gab niemanden, den ich fragen konnte. Das war mir klar. Ich war ein Fremder, und obwohl ich keinen Revolver trug, spürte ich das Misstrauen.
Ich hatte mich als Cowboy getarnt, doch ich sah gewiss nicht wie ein harmloser und durchschnittlicher Weidereiter aus, der auf der Suche nach Arbeit war. Ja, ich wirkte ziemlich hart und zäh, war groß und schlank, bewegte mich trotz meines Gewichtes von fast hundertachtzig Pfund sehr leicht, so leicht wie ein Wolf oder ein Berglöwe. Ich hatte breite Schultern, eine schmale Taille und lange, leicht gekrümmte Beine, die sich wie eine Klammer um einen Pferdeleib pressen ließen, damit ich im Sattel bleiben konnte auf einem bockenden Wildhengst.
O ja, ich sah nicht durchschnittlich aus. Und das war mein Problem, denn man nahm mir meine scheinbare Harmlosigkeit nicht ab.
Und vor mir waren andere Männer hergekommen und dann spurlos verschwunden. Das war es.
Ich verspürte die Müdigkeit eines langen Ritts. Und so sehnte ich mich nach dem weichen Stroh- oder Heulager im Mietstall.
Oh, ich hätte mir auch im Hotel ein gutes Zimmer mieten können. Doch das hätte nicht zu einem umherziehenden Cowboy gepasst, der einen Job suchte, ebenso wenig wie ein gutes Abendessen im Restaurant.
Ich machte mich also auf den Weg zum Mietstall.
Am nächsten Morgen würde ich den Canyon hinauf zur Mesa reiten, um die Double U Ranch zu besuchen. Und als ich daran dachte, da erschien das Bild jener Frau vor meinen Augen, wegen der ich in dieses Land gekommen war.
Gay Merrity hieß sie damals. Und jetzt trug sie den Namen Uvalde.
Wie sehr musste sie sich verändert haben!
Ja, ich war neugierig auf sie. Und viele Erinnerungen waren in mir.
☆☆☆
Im großen rechten Torflügel war noch eine kleine Tür, durch die man in den Vorraum des Stalls gelangen konnte.
Hier saßen zwei bullige, schwergewichtige Burschen auf der großen Futterkiste und hatten ein Halmaspiel zwischen sich. Es sah sehr friedlich aus, so als vertriebe sich der Stallmann mit einem Freund ein wenig die Zeit.
Doch ich hatte die beiden Bullen vorhin an der Theke im Saloon gesehen. Sie gehörten zur lärmenden Double-Star-Mannschaft.
Im schwachen Schein zweier Laternen grinsten sie mich an.
Ich hielt inne und fragte: »Habt ihr was auf dem Herzen?«
Nun lachten sie leise, wirkten richtig amüsiert, als wären sie voller Vorfreude auf einen Spaß. Ich warf einen Blick dorthin, wo mein Gepäck lag und sah, dass sie es schon durchsucht hatten. Sie hatten sich nicht einmal die Mühe gemacht, alles wieder so zu ordnen, wie sie es vorgefunden hatten.
Einer sagte: »He, wo hast du deinen Revolver?«
Sie hatten ihn also nicht gefunden, denn ich hatte die Waffe nicht in meiner Satteltrolle gelassen, sondern sie im Heuhaufen in der Ecke versteckt.
»Habe ich einen Revolver?« So fragte ich zurück.
Nun erhoben sie sich und traten langsam auf mich zu.
»Zieh dich aus«, verlangte ihr Sprecher. »Wir wollen deine Kleidung durchsuchen. Mal nachsehen, ob du wirklich nur ein armer, harmloser Cowboy bist, der im Stall schlafen muss und einen Job sucht. Oder zeigst du uns deinen Stern freiwillig, den du vielleicht in der Hosentasche trägst?«
Nun war es heraus. Sie wollten wissen, ob ich ein Gesetzesmann war.
Ich schüttelte den Kopf. »Jungs, legt euch nicht mit mir an«, warnte ich sie und wusste, dass meine Warnung sie nur herausfordern würde.
Und so war es auch. Denn sie ließen ein zufriedenes Knurren hören. Dann war es wieder ihr Sprecher, der sagte: »Nun, dann werden wir dich erst mal so richtig platt machen.«
Sie waren Schläger, die sich auf primitive Art darauf freuten, einen Mann zu zerhämmern, der sich ihnen nicht ergab. Sie trugen zwar Revolver, aber sie waren mit den Fäusten gewiss besser als mit den Waffen.
Und weil sie zu zweit waren, jeder von ihnen noch etwas schwerer als ich, fühlten sie sich mir haushoch überlegen. Denn ich trug ja keine Waffe, hatte nur meine Fäuste wie sie.
Ihre Hirne waren gewiss sehr viel kleiner als ihre Fäuste. Doch sie hatten klare Befehle erhalten.
Sie sprangen also auf mich zu.
Wahrscheinlich waren sie aufeinander eingespielt und wussten, wie sie einen Mann zerschlagen konnten, bis er sich ihnen unterwarf.
Doch ich war sehr viel schneller als sie. Und ich sprang ihnen entgegen und rammte zwischen ihnen hindurch. Ihre Fäuste trafen mich nicht, radierten nur an meiner Kleidung. Und so stolperten sie bis zum Stalltor, das dann ihren Schwung aufhielt.
Als sie sich vom Tor abstießen wie von einer Wand und sich nach mir umwandten, da waren sie immer noch guter Dinge. Denn ihrer Meinung nach hatte ich keine Chance gegen sie.
Ich aber war inzwischen zu einem der starken Holzpfosten geglitten, die das Stalldach trugen.
Denn dort an diesem Pfosten hing nach der einen Seite Zaumzeug, auf der anderen aber eine Maultiertreiberpeitsche. Sie war eines dieser bösen Dinger, mit denen die Maultiertreiber wie Künstler umgehen konnten. Am Ende der aus Lederstreifen geflochtenen Peitschenschnur war ein Metallknaller befestigt, mit dem man einem Menschen glatt ein Ohr abschlagen konnte.
Ich nahm die zusammengerollte Peitsche mit einem schnellen Griff vom Haken und schüttelte sie nicht nur aus, sondern schlug ihr Ende um die Beine des einen Burschen in Höhe seiner Kniekehlen.
Er stolperte mir entgegen, wollte mir dann mit seinem Kopf vor die Füße fallen. Doch ich riss mein Knie hoch und traf ihn damit mitten ins Gesicht.
Nun hatte ich es nur noch mit dem anderen Burschen zu tun.
Aber mit dem kam ich gut zurecht, weil ich schneller war und härter schlug als er.
Und da lagen sie nun.
Für alle Fälle nahm ich ihnen die Revolver weg, damit sie in ihrem Zorn keine Dummheiten versuchen konnten.
Ich setzte mich dann beim Halmaspiel auf die Futterkiste und wartete, bis sie wieder einigermaßen beisammen waren, also wieder denken und reden konnten.
Sie setzten sich auf und staunten mich an.
Ich nickte ihnen zu und fragte: »Ihr seht doch wohl ein, Jungs, dass ich keine andere Wahl hatte? Nun seid ihr wohl mächtig böse auf mich?«
Sie knurrten und hätten es gerne noch mal versucht, aber sie sahen mich erwartungsvoll grinsen und ließen es bleiben.
Nach einer Weile sprach einer heiser: »Aber eines wissen wir nun. Du bist gewiss kein umherziehender Cowboy – du nicht. Denn du verstehst dich auf einen ganz anderen Job. Jetzt weiß Brosius Kelly Bescheid.«
»Und wer ist Brosius Kelly?« So fragte ich.
Nun staunten sie wieder.
»Das ist der Vormann der Double Star«, knurrte einer.
»Und wem gehört die Ranch?« Ich wollte es nun genau wissen.
Sie gaben das Staunen endgültig auf. Zumindest darin hatte ich sie überzeugt, dass ich völlig fremd hier war.
»Die Double Star gehört einer großen und mächtigen Gesellschaft im Osten, der Double Star Enterprise. Sie besitzt Schiffe auf allen großen Strömen, Eisenbahnlinien, Minen und wer weiß noch was. Ihr Bevollmächtigter hier ist Mister Otis Longfellow, und der wird jetzt deinen Skalp haben wollen, ganz gleich, ob du einen Stern in der Tasche trägst oder nicht.«
Ich nickte nachdenklich. Denn langsam begann ich so etwas wie ein Bild zu sehen. Ich fragte: »Warum fürchtet die Double Star das Gesetz? Um was geht es hier?«
Da grinsten sie breit. Einer sagte: »Das wissen wir selbst nicht so genau. Aber wahrscheinlich will die Double Star Enterprise die Double U Ranch schlucken. Hat man dich dort nicht zu Hilfe geholt?«
Ich gab ihm keine Antwort, aber ich erhob mich von der Futterkiste und öffnete den Deckel.
Es war ein großer Kasten, groß genug, um für einen langen Winter die Mais- und Hafer-Vorräte aufzunehmen.
Jetzt war kaum noch etwas Futter drinnen.
Ich machte eine einladende Bewegung.
»Steigt ein, Jungs. Dies ist für diese Nacht euer Bettchen. Ihr habt beide Platz, wenn ihr euch beieinander legt wie ein Liebespaar und in die Arme nehmt. Und da ihr gewiss beide stinkt, merkt ihr das gar nicht vom anderen. Vorwärts!«
Nun klang meine Stimme scharf.
Aber sie wollten nicht, starrten mich böse an.
»Ihr zwei Pfeifen könnt es ja noch mal versuchen«, lud ich sie ein.
Sie starrten auf ihre Colts, die ich mir hinter den Hosenbund geschoben hatte. Aber ich knallte mit der Peitsche über ihre Köpfe.
Sie zitterten vor Wut und Scham. Denn sie waren ja immer noch zu zweit gegen mich. Doch sie wollten es nicht nochmals versuchen.
»Wir bekommen deinen Skalp schon noch«, knurrte einer. Der andere hielt sich die gebrochene Nase, sagte nichts mehr.
Nun, sie gaben auf und stiegen in die Kiste. Dort mussten sie sich tatsächlich wie ein Liebespaar umarmen und dicht aneinanderpressen.
»Du verdammter Hurensohn«, knirschte einer, »du wirst nicht immer gewinnen. Denn nun wissen wir über dich besser Bescheid. Dich unterschätzt keiner mehr.«
Ich verlor kein Wort mehr, sondern warf den Deckel zu, schob dann den Holzpflock in die Öse. Sie würden von innen den Deckel nicht aufbekommen, zumal sie so eng beieinander lagen, dass sie ihre Kräfte gar nicht einsetzen konnten.
Für mich war es an der Zeit zu verschwinden. Und so packte ich mein auseinander gerissenes Gepäck zusammen, holte auch meinen Revolver aus dem Heu und verließ den Stall.
Da stand plötzlich der Schmied vor mir. Er war noch angekleidet, trotz der späten Nachstunde, hatte also noch nicht im Bett gelegen.
Er fragte: »He, was haben Sie denn mit den beiden Bullen gemacht?«
»Die liegen in der Futterkiste und haben sich lieb«, erwiderte ich. Dann aber fragte ich ruhig: »Mister Madden, auf welcher Seite stehen Sie? Und auf welcher Seite steht die Stadt mit ihrem Marshal?«
Er starrte mich im aus dem Stall fallenden Lichtschein an und erwiderte schließlich: »Es ist eine kleine Stadt, die überleben möchte. Es ist eine kleine Stadt voller Feiglinge. Und ich gehöre dazu.«
Nach diesen Worten wandte er sich um und verschwand in seinem kleinen Wohnhaus, wo wahrscheinlich seine Familie wohnte.
Ich war plötzlich sicher, dass er die beiden Bullen nicht so bald aus der Kiste befreien würde. Und so ging ich zum Corral hinüber, wo mein Pferd stand. Ja, ich wollte noch in dieser Nacht den Canyon hinauf zur Mesa, auf der sich die Uvalde Ranch befand.
Ich konnte das Ziel nicht verfehlen. Denn es sollte ja immer nur den Canyon hinauf nach Norden gehen. Und in gut zehn Meilen sollte man oben auf der Mesa sein, einem Hochplateau. Ich war neugierig auf Gay und die Ranch.
Und so ritt ich etwa fünf Meilen und fand dann zwischen einigen Felsen und an einer Wasserstelle einen Platz zum kampieren.
Im Canyon waren Rinder. Ich hörte sie dann und wann, während ich in meinen Decken lag und zum Sternenhimmel hinaufblickte.
Manche Menschen sollten in den Sternen lesen und in die Zukunft voraussehen können. Ich fragte mich in dieser Nacht, ob mir das recht wäre.
Und da kam ich zu der Erkenntnis, dass es für mich besser wäre, wenn mir mein Schicksal bis zuletzt unbekannt sein würde. Zwar glaubte ich, dass jedem Menschen sein Schicksal irgendwie schon bei seiner Geburt vorbestimmt ist, doch ich ließ mich lieber überraschen.
Nur eines wusste ich: Was auch kommen oder auf mich warten würde, ich würde mich stellen. Denn noch niemals in meinem Leben – schon als kleiner Junge nicht – war ich feige gewesen. Ich war niemals davongelaufen, auch dann nicht, wenn es so aussah, als würde ich verlieren.
Und vielleicht hatte mich das zu einem Revolvermann werden lassen.
Wo andere Männer kniffen, da blieb ich dabei. Und das war auch während des Krieges so, als ich Offizier der Konföderiertenarmee gewesen war.
Bevor ich einschlief, dachte ich wieder an Gay Merrity, die jetzt Uvalde hieß. Und ihrem Mann Ulynes Uvalde gehörte die Ranch.
Warum hatte sie mich zu Hilfe gerufen? Wie konnte sie so sicher sein, dass ich auch kommen würde? Sie hatte sogar gewusst, wo sie mich finden konnte mit ihrem Brief. Aber das war wohl sehr einfach gewesen, denn ich hatte einen Ruf und war zuletzt Sheriff in Golden gewesen, einer Goldgräber- und Minenstadt in Colorado, ein sogenannter Revolversheriff.
☆☆☆
Es war zwischen Mitternacht und Morgen, als ich erwachte. Hufschlag hatte mich aufwachen lassen, aber vielleicht war es mehr mein Instinkt, der mich erwachen ließ. Und nun hörte ich den Reiter.
Ja, es war ein einzelner Reiter, der den Canyon hinauf und an meiner Lagerstätte vorbei nach Norden ritt. Seine Geräusche und die des Pferdes waren nicht laut, aber die Canyonwände warfen in der stillen Nacht selbst die kleinsten Geräusche zurück.
Und so begann ich über den Reiter nachzudenken.
Dabei musste ich mich zwangsläufig fragen, was Brosius Kelly und die Double-Star-Mannschaft wohl getan oder in Gang gebracht haben mochten, nachdem der Schmied endlich in den Mietstall gegangen war und die beiden Bullen aus der Futterkiste herausgelassen hatte.
Ja, was hatte die Star-Mannschaft unternommen?
Ich hatte sie in ihrem Stolz verletzt. Und sie wussten nun, wie sehr sie mich unterschätzt hatten. Ihre beiden Schläger hatten ihre Arbeit nicht erledigen können. Ich hatte sie zurechtgestutzt.
Etwas Derartiges ertrug eine solche Mannschaft nicht.
Ich stellte mir diesen Brosius Kelly vor.
Der würde den Nimbus seiner Mannschaft, also ihr Ansehen und ihr Prestige im Land auf besondere Art zu wahren versuchen. Und als ich mir dessen bewusst wurde, da wusste ich auch, dass da dicht an meinem Camp wahrscheinlich ein Revolvermann vorbeiritt.
Er würde nicht im Canyon nach mir suchen, sondern am Nordende des Canyons auf mich warten. So einfach war es. Ich würde auf meinem müden Pferd erst nach Sonnenaufgang dort ankommen.
Es war eigentlich alles ganz einfach zu erraten oder vorauszusehen.
Ich schlief wieder ein. Ja, meine Nerven waren gut. Aber ich war ja ein Revolvermann. Und nach Sonnenaufgang würde ich am Ende des Canyons auf einen meiner Sorte treffen.
☆☆☆
Er wartete tatsächlich am Ende des Canyons auf mich.
Als er aus einer Felsengruppe heraus auf den Weg ritt, hielt ich an. Ich trug nun auch wieder meinen Revolvergurt mit dem schweren Revolver im Holster. Denn ich war zu der Überzeugung gekommen, dass es keinen Sinn mehr hatte, mich als einfachen Cowboy zu tarnen.
»Hallo, mein Freund«, sagte ich, »ich habe Sie schon in der Nacht gehört, als Sie an meinem Camp vorbeiritten.«
Er nickte nur. Er war ein hagerer aschblonder und schrägäugiger Mann, der eine lauernde Gefährlichkeit ausströmte.
»Sie haben Brosius Kelly und die Star-Mannschaft mächtig geärgert«, sprach er mit einer leisen, doch sehr präzisen und metallisch klingenden Stimme ohne jede Hast.
Ich nickte nur.
Und da sprach er weiter: »Es ist mein Job.«
Er brauchte mir nicht zu erklären, was sein Job war. Denn wir gehörten ja zur gleichen Gilde.
Ich fragte: »Was ist hier im Gang? Ich habe immer noch keinen Durchblick.«
Er lächelte schmallippig. Dann deutete er zum östlichen Canyonrand hinauf. »Das Geheimnis liegt dort oben. Doch Sie werden es nicht ergründen können. Wie ist Ihr Name?«
»Walker, Jim Walker. Und Ihrer?«
»John Ringold. Ich hörte schon von Ihnen, Jim Walker. Nun gut, dann sind wir uns wohl ebenbürtig. Tragen wir es also aus. Es ist mein Job, Sie nicht zur Uvalde Ranch kommen zu lassen.«
Er glitt mit einer schnellen Bewegung aus dem Sattel wie ein Comanche.
Ich verharrte noch einige Sekunden, und ein Gefühl der Bitterkeit stieg in mir hoch. Da war es also wieder. Ich hatte es schon einige Male erlebt und mir einen bitteren Ruhm erworben.
»Auch ich hörte schon von Ihnen, John Ringold«, erwiderte ich. »Ihren letzten Revolverkampf hatten Sie in Durango.«
Er nickte nur, stellte sich breitbeinig hin und rückte seinen Revolver zurecht.
Ich glitt ebenfalls aus dem Sattel und trat ihm gegenüber, sodass uns nur noch etwa zehn Schritte voneinander trennten.
Er starrte mich mit seinen gelben Wolfsaugen an und sprach: »Wenn du mir dein Wort gibst, dass du aus dem Land verschwindest und dich hier nie wieder blicken lässt …«
Ich schüttelte den Kopf.
Da nickte er und sprach: »Wenn über uns der Falke wieder pfeift …«
Ich nickte nur. Mehr brauchte er nicht zu sagen. Wir kannten das Ritual. Es würde auch hier nach den alten Regeln ablaufen.
Und dann pfiff über uns hoch in der Luft der Falke.
Wir zogen und feuerten in Sekundenbruchteilen.
Dann sah ich ihn fallen, indes er seine zweite Kugel abfeuerte. Doch die fuhr nur von meinen Füßen in den Boden.
Er hatte meine Kugel im Herzen, ich seine in der Seite dicht über dem Gürtel. Der Schmerz kam erst jetzt. Und als ich meine Hand auf die Stelle drückte, da spürte ich zwar mein warmes Blut, wusste aber, dass die Kugel mich nur gestreift hatte.
Langsam trat ich zu John Ringold aus Durango. Ja, er war tot.
☆☆☆
Es war schon früher Mittag, als ich die Uvalde Ranch in Sicht bekam auf der Ute Mesa, die ein großes, grünes Plateau war, mit Hügeln und umschlossen von Bergketten.
Es gab einen Torbogen, durch den man einreiten konnte.
Oben am Querbalken war das Double U eingebrannt.
Ich hielt an und betrachtete mir alles eine Weile. Meine blutende Wunde an der Seite hatte ich versorgt. Für solche Fälle hatte ich stets Verbandszeug in einer meinen Satteltaschen. Aber Gay würde mir die Wunde zunähen müssen. Sie hatte es schon einmal getan, damals am Mississippi.
Nun, ich betrachtete also ohne Hast die große Ranch.
Und einen kurzen Moment dachte ich auch wieder an jenen John Ringold, den ich hatte töten müssen, weil er mich daran hindern wollte, hierher zu gelangen.
Ich hatte ihn quer auf sein Pferd gelegt, festgebunden und das Tier in Richtung Stadt gejagt. Es würde ihn dorthin zurückbringen.
Und dann würde die Double Star wissen, zu welcher Sorte ich gehörte. Denn der Einschuss in John Ringolds Herz war vorn, und sein Colt, den ich ihm mitgab, hatte zwei abgeschossene Patronen in der Trommel.
Die Ranch war groß, um das Haupthaus gruppierten sich zahlreiche andere Gebäude. Es gab ein langes Bunkhouse, Werkstätten, Scheunen, Magazine, Schuppen und Corrals.
In einem Corral wurden Pferde zugeritten. Dort saßen einige Zuschauer auf der obersten Corralstange und feuerten den Reiter an, bis dieser im hohen Bogen abgeworfen wurde.
Zwischen den Zuschauern saß auch eine Frau auf der Stange.
Nun sah sie sich nach mir um. Auch die anderen Zuschauer taten es, indes der abgeworfene Cowboy unter der Stange hindurch aus dem Corral kroch.
Die Frau war Gay.
Sie war zwar einige Jahre älter, aber noch schöner geworden. Damals war sie noch etwas mädchenhaft gewesen. Jetzt war sie eine reife Frau in meinem Alter, die längst schon das Leben kannte und der gewiss nichts mehr fremd war.
Sie erkannte mich und sprang von der Corralstange. Nun sah ich, dass sie Hosen trug wie ein Mann und Sporen an den Stiefeln.
Sie kam mit einem freudigen Ruf auf mich zugelaufen.
Ich schwang mich etwas mühsam vom Pferd, denn meine Wunde an der Seite schmerzte.
Aber sie kam in meine Arme.
Ich blickte über ihren Kopf hinweg auf die Männer. Auch sie waren von der Stange zu Boden gesprungen und sahen zu uns her.
Es waren typische Cowboys, das sah ich sofort.
Gay sah zu mir hoch und rief ziemlich laut: »Da bist du ja, Jim! Ich danke dir, dass du so schnell gekommen bist!«
Dann löste sie sich von mir und wandte sich ihren Reitern zu.
»Das ist er, Jungs! Das ist mein Freund aus alten Zeiten, Jim Walker.«
Sie traten langsam näher. Ihre Blicke prüften mich.
Dann sagte einer: »Ma’am, er ist angeschossen. Sehen Sie, da an seiner Seite ist Blut.«
Sie sah nun auch meine blutgetränkte Seite. Sie selbst hatte sich ihre Kleidung etwas mit meinem Blut besudelt, als sie sich in meine Arme warf.
»Hattest du Schwierigkeiten, herzukommen, Jim?« Ihre Frage war hart mit glasklarer Stimme gestellt.
»Da war ein Revolvermann, der sich John Ringold nannte«, erwiderte ich.
Sie schwiegen eine Weile, warteten, dass ich noch etwas sagte. Doch ich hatte alles gesagt. Und da fragte Gay: »Was ist mit ihm?«
»Er lebt nicht mehr«, erwiderte ich. »Und du könntest etwas für meine Wunde tun. Sie müsste genäht werden.«
Da nickte sie heftig. »Komm«, stieß sie hervor und eilte mir voraus. Über die Schulter rief sie zurück: »Versorgt sein Pferd!«
Ich folgte ihr und spürte die Blicke der Cowboys, die mir folgten. Und eines war mir jetzt bereits klar: Diese Reiter fühlten sich wie die Ritter einer Königin.
☆☆☆
Eine Stunde später ging es mir besser. Meine Wunde war versorgt.
Nun saßen wir uns am Tisch in der Küche gegenüber. Sie hatte mir ein prächtiges Steak gebraten mit Bratkartoffeln und Gemüse.
Ja, es schmeckte mir prächtig.
Immer wieder sahen wir uns an. Ich hatte noch keine Fragen gestellt, denn ich wusste, sie würde von sich aus reden.
Sie begann dann mit den Worten: »Du hast mir also nicht übel genommen, dass ich damals am Mississippi nicht bei dir blieb? Denn du bist hergekommen, als mein Brief dich erreichte.«
Ich nickte nur kauend und schwieg immer noch. Dabei eilten die Erinnerungen durch meinen Kopf.
Ja, damals am oder auf dem Mississippi …
Ich hatte auf der Seite der Rebellen gekämpft, war Offizier in der Südstaatenarmee gewesen und gehörte zu den Verlierern.
Doch dann hatte ich einen Job auf einem dieser Luxus-Steamer bekommen als Bordpolizist. Ich hielt das alles unter Kontrolle. Falschspieler und Banditen ließ ich über Bord werfen.
Die schöne Gay Merrity gehörte zu der Zeit zu einer Schauspielertruppe. Und wenn sie nicht auf der Bühne eine Rolle spielte, teilte sie die Karten aus beim Faro oder Black Jack.
Wir verliebten uns damals auf den ersten Blick, und so wurden wir an Bord ein Paar. Ich hatte eine schöne Kabine mit einem Doppelbett. Als Sicherheitschef an Bord hatte ich einen sehr wichtigen Job und erhielt das Gehalt eines Ersten Offiziers.
Nun, wir beschenkten uns immer wieder mit Zärtlichkeit und Liebe. Das ging einige Monate so. Doch dann begann Gay sich zu verändern. Sie wurde nachdenklicher, und ich wusste, sie dachte über unsere Zukunft nach. Das tun ja wohl fast alle Frauen in ihrem Alter. Das war normal.
Als ich sie fragte, was in ihr vorginge, da schwieg sie eine Weile. Dann aber erwiderte sie langsam und wie vorsichtig suchend: »Ich – nun, ich habe immer wieder über unser Leben hier an Bord der Queen of Orleans nachgedacht und …« Dann verstummte sie.
Ich aber musste sie nicht fragen, was sie nach diesem »Und« sagen wollte, aber nicht konnte, weil es mich enttäuschen würde.
Und so sprach ich damals für sie weiter: »… du siehst keine Zukunft für uns bei diesem Leben.«
Sie nickte stumm und murmelte: »Wer sind wir schon? Du warst Offizier in einer besiegten Armee und bist jetzt ein Revolvermann. Und ich stelle nur meine Schönheit zur Schau, singe und tanze auf einer Bühne und teile zwischendurch die Karten aus. Ich möchte in ein anderes Leben mit einem festen Platz. Kannst du das verstehen, Jim?«
Ich nickte langsam. »Du willst dir einen Burschen angeln, der dir das bieten kann«, stellte ich fest.
»Was ist falsch daran?«, fragte sie trotzig zurück.
»Aber wir lieben uns«, erwiderte ich.
Da nickte sie. »Ja, ich liebe dich, Jim Walker. Aber meine Vernunft ist noch etwas stärker als meine Liebe. Und deshalb will ich wieder frei sein. Denn ich will dich nicht betrügen. Du sollst vorher wissen, dass wir nur noch Freunde sein können.«
Nun, all dies ging mir durch den Kopf, indes ich das Steak aß. Ja, es schmeckte mir immer noch. Aber in mir stieg Zorn hoch.
Und so sprach ich zwischen zwei Bissen, indes ich Messer und Gabel sinken ließ: »Und was für einen Grund hätte ich, dir jetzt zu helfen? Denn du hast mich um Hilfe gebeten.«
»Und du bist gekommen.« Sie lächelte ernst. »Vielleicht hättest du damals nicht so schnell von Bord gehen sollen, Jim. Dann wäre mir gewiss klar geworden, dass mir ein Leben mit dir wichtiger gewesen wäre als der Wunsch nach Sicherheit und einem festen Platz mit einem Mann, der etwas aufgebaut und geschaffen hat und der kein riskantes Leben als Revolvermann führt. Du warst sehr schnell verschwunden.«
Nach diesen Worten schwieg sie. Ich leerte den Teller. Sie goss mir starken Kaffee ein. Dann aber sprach sie ziemlich spröde: »Es gibt einen Grund, warum du mir helfen wirst, Jim Walker.«
»Sooo?« Ich dehnte das Wort.
Da erhob sie sich und sprach: »Komm, Jim, komm mit mir.«
Ich folgte ihr aus der Küche durch eine Tür, die in einen Garten hinter dem Ranchhaus führte.
Und da sah ich das kleine Mädchen. Es spielte mit Puppen und einem kleinen Puppenwagen. Es gab auch ein Schaukelpferd.
Das Kind mochte etwa vier Jahre alt sein. Es war blond und sah mit grünblauen Augen zu mir hoch. Dabei fragte die Kleine: »Ist dieser Mann ein neuer Reiter, Mom?«
Sie fragte es ernst, und ihre Augen prüften mich.
»Das ist Stella«, murmelte Gay neben mir. »Sieh sie dir gut an, Jim.«
Und zu der Kleinen sprach sie ruhig: »Stella, dies ist Jim. Der ist mehr als nur ein guter Reiter. Er ist dein Onkel. Du musst Onkel Jim zu ihm sagen.«
»Guten Tag, Onkel Jim.« Die Kleine lächelte zu mir hoch – und in meinem Kopf begann ich zu rechnen. Stella reichte ihr Händchen zu mir empor. Als ich es nahm, da machte sie einen Knicks. Ja, sie war verständig und gut erzogen, obwohl sie noch so winzig war.
Ich ließ mich auf die Knie nieder, und dann sahen wir uns aus nächster Nähe an.
Es war ein seltsames Gefühl in mir. Irgendwie sagte mir mein Instinkt etwas, doch ich weigerte mich, es zu glauben.
Doch Gay murmelte neben mir, wobei sie ihre Hand leicht mit den Fingerspitzen auf meine Schultern legte: »Ulynes Uvalde nahm mich damals zur Frau, obwohl ich schwanger war. Er wurde Stella ein guter Vater. Jetzt ist er tot. Sie haben ihn in den Wild Valleys umgebracht. Jetzt stehst du in der Pflicht, Jim Walker.«
Sie sprach alles leise zu mir nieder, indes ich vor der kleinen Stella kniete und in ihre forschenden Augen sah.
Meine Gedanken und Gefühle jagten sich.
Heiliger Rauch, dachte ich, was ist das!
Doch dann konnte ich nicht anders. Ich musste die kleine Stella in meine Arme nehmen. Und als ich sie hielt, da spürte ich, dass ihr das gefiel. Sie fühlte sich offensichtlich geborgen in meinen Armen.
»Bleibst du bei uns, Onkel Jim?«, fragte sie an meinem Ohr.
»Ja, ich bleibe bei euch«, hörte ich mich flüstern.
☆☆☆
Dann saßen wir uns wieder in der Küche gegenüber. Durch die offene Tür zum Garten sah ich Stella spielen. Ich hörte ihr Stimmchen fast jubelnd zu den Puppen sagen: »Onkel Jim ist gekommen. Er wird bei uns bleiben. Ich mag ihn.«
Gay goss mir einen Drink ein. Es war bester Bourbon.
»Den kannst du jetzt wohl gebrauchen«, sprach sie mit einer etwas spröde klingenden Stimme.
Ich starrte in ihre schwarzen Augen, die zu ihrem goldfarbenen Haar einen seltsamen Kontrast bildeten. Auch ihre Wimpern und Augenbrauen waren dunkel. Ja, sie war schöner geworden seit damals.
Ich kippte den Drink und starrte wieder in ihre Augen.
»Also gut«, murmelte ich dann. »Ich zahle meine Schulden. Solange du willst, werde ich Onkel Jim sein. Jetzt erzähle mir die ganze Geschichte. Was ist hier im Gang?«
Sie nickte. Dann begann sie zu sprechen: »Ich lernte Ulynes Uvalde damals in Saint Louis an Bord der ›Queen of Orleans‹ kennen. Und als er in Westport von Bord ging, da nahm er mich mit hierher auf seine Ranch. Er war fünfzehn Jahre älter als ich, und ich fühlte mich bei ihm geborgen und beschützt. Er war gut zu mir, ein starker Mann, ein Boss, einer wie kaum ein anderer unter zehntausend Männern. Und er hatte diese Ranch aufgebaut, die Double U Ranch auf der Ute Mesa. Über das Kind freute er sich. Ich habe ihn glücklich gemacht. Doch dann …« Sie brach ab.
Ich wartete geduldig und drehte mir vom Rest meines Tabaks eine Zigarette.
Dann sah sie mich mit funkelnden Augen fest an und deutete nach Osten, so als könnte sie durch die Hauswand etwas sehen.
»Dort im Osten erhebt sich das Wild-Valley-Gebiet. Immer wieder wanderten Rinder dorthin von der Mesaweide ab. Es ist ein unübersichtliches Gebiet mit vielen verborgenen Winkeln. Diese Cimarrons vermehrten sich, und so lebt inzwischen dort in den Wild Valleys eine ständig wachsende Herde. Cimarron, dies bedeutet ja so viel wie entlaufener Sklave. Und entlaufene Rinder nennt man ebenso.« Gay machte wieder eine Pause, und ihr Blick starrte ins Leere, so als würde sie irgendwelche Bilder sehen können.
Ich wartete geduldig – und ich dachte immerzu: Stella ist meine Tochter. Ich habe eine Tochter. O Himmel, was hast du mit mir vor!
Gay sprach dann weiter: »Wir schickten Reiter hinauf ins Wild-Valley-Gebiet. Sie sollten eine Grenzhütte errichten und sich einen Überblick verschaffen, auch damit beginnen, alle ungebrändeten Rinder zu bränden mit unseren Double U. Doch weil wir von unseren Reitern nichts mehr hörten, ritt Ulynes hinauf. Auch er kam nicht mehr zurück. Ich ließ erfahrene Scouts kommen, Revolvermänner und Raubzeugjäger, also Reiter, die unseren Cowboys überlegen waren, wenn es darum ging, in einem unübersichtlichen Gebiet nach Verschollenen zu suchen. Sie fanden meinen Mann Ulynes Uvalde auch. Er hatte sich, schwer angeschossen, verkrochen und musste noch einige Tage gelebt haben, bevor er starb. Man hatte ihn in den Rücken geschossen, als er nach unseren Cowboys suchte. Doch von ihnen fanden wir keine Spur. Und so wurde uns klar, dass es dort oben in den Wild Valleys ein böses Geheimnis geben musste. Ich war nicht mehr bereit, weitere Männer zu opfern. Und inzwischen entstand auch noch ein anderes Problem.«
Als sie eine Pause machte, da fragte ich ahnungsvoll: »Die Double Star Enterprise?«
Sie nickte heftig. »Ja, sie wollen die Uvalde Ranch, möchten herauf auf die Mesa. Ich soll verkaufen und wegziehen. Und sie bedrohen meine Reiter. Ich habe jetzt hier auf der Ranch nur normale Cowboys, wirkliche Weidereiter, keine Revolverschwinger. Sie sind der rauen Star-Mannschaft unterlegen und wagen sich kaum noch in die Stadt. Selbst auf der Weide wurden sie schon bedroht. Man hat ihnen ein Ultimatum gesetzt. Sie sollen verschwinden. Man will, dass ich bald allein hier auf der Ranch bin, will mich auf diese Weise zerbrechen und zur Aufgabe zwingen. Aber es wird eines Tages die Ranch unserer Tochter sein. Also bist du in der Pflicht, Jim Walker!«
Sie verstummte hart. Und sie war eine Frau, die kämpfen wollte.
Ich nickte nach einer Weile und murmelte: »Sobald mein Bein einigermaßen wieder zu gebrauchen ist, reite ich hinauf in die wilden Täler und sehe mich dort um.«
Sie nickte und erhob sich. Auch ich tat es. Und dann verharrten wir einige Atemzüge lang dicht voreinander.
Ja, plötzlich war wieder etwas zwischen uns. Ich konnte es spüren. Und es war ja auch so, dass ich in den vergangenen Jahren immer wieder an sie gedacht hatte. Doch ich forschte nie nach ihr, wollte sie stets vergessen, obwohl mir dies nie ganz gelang.
Jetzt war alles wieder da in mir. Ich erinnerte mich an unsere Zeit als Liebespaar. Doch dann veränderte sie alles.
Und was war jetzt in ihr? Spürte sie Gleiches wie ich? Oder war sie inzwischen noch härter geworden, noch realistischer?
Verdammt, ich war der Vater ihrer Tochter. Doch wahrscheinlich gab mir das nicht das Recht, mich hier festzusetzen wie ein Kuckuck im Nest.
Sie wandte sich um und sagte: »Komm, ich zeige dir jetzt dein Quartier. Es gibt im Bunkhouse eine Kammer, einen separaten kleinen Raum, in dem der Vormann untergebracht war. Doch auch Herb Lane ist im Wild-Valley-Gebiet verschollen. Komm, Jim.«
Ich folgte ihr hinaus, dann über den Hof zum langen Bunkhouse.
Die Männer beim Corral sahen zu uns herüber. Es waren fünf.
Und so fragte ich: »Wie stark ist die Mannschaft? Sind das alle?«
»Nein, ein halbes Dutzend ist draußen auf der Weide verteilt«, erwiderte sie. »Doch es waren mehr, als Ulynes noch lebte. Einige sind fortgeritten, nachdem sie in Ute City verprügelt wurden.«
Wir betraten nun die kleine Kammer.
»Es sind hier noch die Sachen von Herb Lane«, sprach Gay. »Ich habe sie noch nicht weggeräumt, denn ich hoffte immer noch, dass Herb Lane noch lebte und nicht tot irgendwo dort oben liegen würde wie mein Mann Ulynes.«
Sie betonte die Worte »mein Mann«, als würde sie ihm selbst noch in ihrer Erinnerung Respekt erweisen. Und so begann ich zu glauben, dass er ein besonderer Mann gewesen war.
Konnte ich ihm überhaupt das Wasser reichen? Und konnte ich mit meinem Colt die Double U Ranch retten?
Ich hatte also zwei Aufgaben. Ich musste herausfinden, was dort oben in den Wild Valleys im Gang war, warum dort Männer verschwanden und Ulynes Uvalde in den Rücken geschossen wurde. Und ich musste die Double U Ranch gegen die Double Star Enterprise verteidigen.
Man hatte mein Gepäck in die Kammer gebracht.
Ich begann mich einzurichten. Einer der Cowboys brachte mir eine Kiste und sagte: »Die Rancherin will, dass die Siebensachen von Herb Lane hier in die Kiste getan werden.«
Ich nickte nur und sagte: »Dann tu es auch. Wie ist dein Name?«
»Man nennt mich hier Blinky«, erwiderte er. Er war noch jung, wahrscheinlich der jüngste Reiter auf der Ranch.
Ich sah, wie er seinen Blick auf meinen Colt richtete.
Vielleicht hätte er gerne gefragt, wie viele Männer ich schon mit dieser Waffe getötet hatte. Doch er traute sich nicht.
Er räumte die Sachen des verschollenen Vormanns Herb Lane in die Kiste und wollte damit hinaus.
Doch ich fragte: »Blinky, würdet ihr für die Double U richtig kämpfen, auch gegen ein Rudel Revolverschwinger, also eine Revolvermannschaft?«
Er hielt inne und sah mich an.
Dann sprach er: »Wir alle verehren die Lady. Ja, sie ist eine Lady. Wir würden für sie und ihr Kind kämpfen. Doch sie hat es uns verboten. Sie will nicht, dass noch welche von uns sterben oder spurlos verschwinden. Sie hat uns gesagt, dass jemand kommen würde, der das Kämpfen übernimmt. Und das sind wohl offensichtlich Sie, Mister Walker. Oder irre ich mich?«
Seine Frage war irgendwie herausfordernd. Er war ein noch junger Bursche, doch gewiss schon hart und entschlossen. Nur einen Mangel hatte er in der Situation, in der sich die Ranch und Gay Uvalde befanden: Er war kein Revolvermann. Und nur solche konnten Gay helfen. Deshalb hatte sie ihren Cowboys das Kämpfen verboten. Sie wollte keinen dieser gewiss braven und treuen Burschen opfern.
Bei mir war es anders. Von mir verlangte sie das Gegenteil. Und dabei war ich der Vater ihrer Tochter.
Ich sagte zu Blinky: »Du irrst dich nicht, Blinky.«
Er sah mich staunend an und murmelte dann: »Aber Sie sind ohne uns verdammt allein, Mister Walker.«
Ja, er sagte immer wieder respektvoll Mister Walker, so als wäre ich hier der Boss, der Rancher.
Als ich nichts mehr sagte, da ging er mit der Kiste hinaus.
☆☆☆
Einige Tage vergingen. Ich humpelte umher, sah mir alles an, lernte die Männer der Mannschaft kennen – und immer wieder beschäftigte ich mich mit der kleinen Stella, die ja meine Tochter war und die mich Onkel Jim nannte.
Die Tage vergingen also, und ich spürte, wie sehr sie alle auf der Ranch auf etwas warteten. Mit Gay sprach ich in diesen Tagen nur wenig. Ja, ich hielt mich von ihr fern. Sie war ja noch nicht lange Witwe. Ich musste sie in Ruhe lassen, durfte mich nicht aufdrängen. Und überdies würden wir von der Mannschaft beobachtet werden.
Es würde also an Gay liegen, ob wir uns irgendwann näher kamen.
Dennoch konnte ich mir nicht vorstellen, eines Tages von hier wieder wegzureiten, sollte ich überleben und die Dinge für Gay und die Double U Ranch zum Guten gewendet haben.
Denn hier war meine kleine Tochter. Ich würde sie gerne weiterhin beschützen als ihr Onkel Jim und sie aufwachsen sehen.
Es war dann so weit, dass Gay mir die Fäden aus der genähten Wunde zog. Als sie fertig war, sagte sie: »Du hast eine gute Heilhaut, Jim. Und ich sehe da einige Narben an deinem Oberkörper. Wie steht es mit den Narben auf deiner Seele?«
Ich schwieg eine Atemzüge lang und dachte an mein bisheriges Leben.
»Meine Seele …«, murmelte ich dann, »oh, meine Seele, die wird gewiss nicht in den Himmel kommen, sondern in der Hölle braten.«
»Nein«, widersprach sie. »Es muss in diesem Land Männer geben wie dich.«
Nach diesen Worten ging sie aus meiner Kammer, deren Tür offen stand. Einige der Cowboys standen draußen und hatten zugesehen.
Blinky war dabei, und indes ich mein Hemd anzog und auch den Hosengürtel schloss, fragte Blinky: »Mister Walker, jetzt können Sie gewiss wieder reiten und müssen nicht befürchten, dass die Narbe wieder aufplatzt.«
»So ist es, Blinky«, erwiderte ich.
Von draußen aber ertönte nun der Ruf: »Reiter kommen! He, da kommt Longfellow mit einem Rudel Revolverschwinger geritten! Holt euch die Gewehre!« Zuletzt gellte die Stimme des Cowboys.
Aber dann hörten wir Gay rufen: »Halt, Männer! Keine Waffen!«
Ich hörte sie fluchen, indes ich mir den Revolvergurt mit der schweren Waffe im Holster um die Hüften schlang.
Dann trat auch ich heraus und sah den Reitern entgegen.
Ich sah diesen Otis Longfellow nun zum ersten Mal und wusste sofort, wer von den drei Reitern er war.
Er saß bullig und schwergewichtig auf einem riesigen Rappwallach – wie ein Boss, dessen Wille allein galt und sonst nichts.
Seine beiden Begleiter waren Leibwächter. Und sie gehörten zur Gilde der wirklichen Revolverkämpfer. Und einer von dieser Sorte – John Ringold – hatte ich schon töten müssen.
Sie kamen langsam auf den Hof geritten. Auf der Veranda des Ranchhauses stand Gay. Sie hielt die kleine Stella an der Hand.
Ich schlenderte langsam über den Hof und verhielt am Fuße der Verandatreppe.
Longfellow und die beiden anderen Reiter hielten an.
Aber als Longfellow absitzen wollte, da tönte Gays Stimme fest: »Bleiben Sie im Sattel, Mister Longfellow. Sie sind hier nicht erwünscht. Also reiten Sie wieder fort.«
Aber der bullige Mann lächelte nur, zog seinen Hut und schwenkte ihn grüßend. Dann klatschte er mit der anderen Hand gegen seine Satteltasche, die vor seinem Knie hing und sprach ruhig: »Lady, ich bin gekommen, um Ihnen die Double U Ranch abzukaufen. Wir müssen nur noch über den Preis verhandeln. Heute ist die Frist abgelaufen, die ich Ihnen setzte.«
Nach diesen Warten sah er auf mich.
»Ich habe schon von Ihnen gehört, Jim Walker. Aber so gut Sie auch sein mögen mit einem Revolver, jetzt sollten Sie besser kneifen.«
Ich schüttelte nur stumm den Kopf und wartete. Dabei sah ich auf die beiden Revolvermänner.
Sie blickten kühl zurück. Ich sah ihnen an, dass sie nicht wild oder verrückt nach einem Revolverkampf waren, wie es bei ruhmsüchtigen Revolverhelden oft der Fall war. Nein, sie gehörten nicht zu dieser Sorte. Doch sie würden ihren Job verrichten, für den sie angeworben worden waren.
»Verschwinden Sie, Mister Longfellow«, sprach Gay klirrend und entschieden.
Dann ging sie mit der kleinen Stella ins Haus hinein. Sie konnte dem Kind nicht noch mehr zumuten. Denn die Kleine hatte große Augen bekommen und spürte eine aufsteigende Furcht in sich.
So manches kleine Mädchen hätte jetzt zu weinen begonnen.
Als sie verschwunden waren, sagte ich: »Longfellow, Sie haben es gehört. Die Lady lehnt ab und will Sie nicht länger auf ihrer Ranch dulden. Also reiten Sie endlich wieder fort.«
Ich sah nun, wie ein böser Zorn in ihm hochkam. Er sagte: »Walker, Sie sind ein verdammter Narr und verdammt allein. Denn die Cowpuncher beim Bunkhouse da drüben werden nicht kämpfen. Gegen meine beiden Begleiter haben Sie keine Chance. Also geben Sie auf. Ich werde jetzt hinein zu Mrs Uvalde gehen und …«
»Nein«, unterbrach ich ihn. »Sie werden verschwinden. Sofort!«
Indes ich sprach, trat ich einige Schritte auf die drei Reiter zu. Sie saßen noch in den Sätteln, und ich wusste, wenn die beiden Revolvermänner erst abgesessen waren, dann wurden meine Chancen geringer. Ich musste etwas tun, konnte nicht länger warten.
Und so wartete ich nur, bis Longfellow den Kopf schüttelte und seinen beiden zweibeinigen Tigern einen kurzen Befehl zuzischte.
Sie wollten sich von den Pferden schwingen und nahmen schon einen Fuß aus dem Steigbügel.
Und das war der Sekundenbruchteil, auf den ich gewartet hatte.
Ich zeigte ihnen jetzt den alten Trick, denn ich stieß den Schrei eines angreifenden Pumaweibchens aus.
Es war ein bis ins Mark klingender Schrei, ein kreischendes Fauchen. Ich hatte es von einem Apachenscout in der Gilawüste gelernt. Und ich hatte damals lange geübt.
Schon einmal rettete mir dieser Pumaschrei das Leben.
Sie flogen alle drei von den Pferden, ja auch Longfellow, obwohl der noch beide Füße in den Steigbügeln hatte.
Denn die Pferde überschlugen sich vor Schreck fast nach hinten und kamen mit der Vorderhand hoch, schlugen mit den Hufen durch die Luft, als würden sie von einem Puma angesprungen.
Die drei Männer landeten schwer, rollten durch den Staub des Hofes. Und als sie hochkamen, da hatte ich meinen Revolver schussbereit in der Faust. Ich hatte gar keine andere Wahl, denn sie waren ja in der Überzahl.
Sie kamen zwar schnell auf die Füße, doch dann versuchten sie nichts mehr. Einem war sogar der Colt aus dem Holster gerutscht, weil er die Waffe zu locker darin stecken hatte, um leichter ziehen zu können.
Sie verharrten.
Und dann gab ich ihnen meine Befehle.
Wenig später ließ ich sie ohne Waffen wieder aufsitzen. Denn ihre Pferde waren von unseren Cowboys eingefangen und zu ihnen gebracht worden.
Als sie in den Sätteln saßen, da sprach ich noch: »Longfellow, ich sage es Ihnen nur einmal. Wenn Sie der Double U Ranch Schaden zufügen, dann komme ich und zerstöre die Double Star Ranch. Haben Sie verstanden?«
Er saß schwergewichtig auf seinem großen, schwarzen Pferd. Beim Sturz hatte er sich verletzt, aber er ertrug die Schmerzen.
Er nickte stumm, doch er drohte nicht.
Dennoch wusste ich, dass er nun meinen Skalp haben wollte.
Sie ritten schweigend davon.
Hinter und neben mir kamen die Cowboys der Ranch herbei und verhielten.
Gay kam aus dem Haus.
Eine Weile herrschte Schweigen.
Ich sagte: »Das war’s vorerst mal. Er wird dieser Ranch vorerst nichts tun. Erst wird er versuchen, mich zu erledigen. Er wird gewiss nicht die Ranch zerstören, die er für die Double Star Enterprise erwerben soll. Ich werde morgen hinauf in die Wild Valleys reiten.«
Damit hatte ich alles gesagt. Ich ging zum Corral, um meinen Pinto zu satteln. Denn ich wollte die drei Geschlagenen noch ein Stück durch den Canyon abwärts begleiten.
☆☆☆
Es war dann schon spät in der Nacht, als ich zurückkam.
Blinky kam vom Bunkhouse herübergelaufen, um mir das Pferd abzunehmen.
Er sagte: »Sir, ich werde den Pinto bestens versorgen. Mrs Uvalde wartet mit dem Abendessen auf Sie. Ich soll Ihnen das ausrichten.«
Ich nickte nur und ging zu einem der Tränketröge, um mich ein wenig zu waschen.
Als ich in die Küche des Ranchhauses trat, stand Gay am Herd.
»Ich habe es gleich fertig, Jim«, sagte sie über die Schulter. »Setz dich und gieß dir schon mal Kaffee ein. Es dauert nur noch eine Minute.«
Ich gehorchte und sah ihr zu. Ja, es war eine Freude, ihr zuzusehen, obwohl sie mir ja den Rücken zuwandte. Ihre Art, sich zu bewegen, ihr geschicktes Hantieren, dies alles war für mich ein erfreulicher Anblick. Ja, ich genoss es, ihr zuzusehen.
Wenig später saßen wir uns beim Essen gegenüber. Manchmal begegneten sich unsere Blicke.
»Vielleicht verlange und erwarte ich zu viel von dir«, sprach sie. »Aber ich habe keine andere Wahl. Und so ist es vom Schicksal wohl so gewollt, dass der Vater meiner Tochter ein schon legendärer Revolverkämpfer ist. Ich muss es von dir verlangen, so hart es auch sein mag.«
Ich nickte nur und aß schweigend mein Abendessen weiter.
Was sollte ich auch sagen? Es gab nichts zu sagen. Denn sie hatte recht. Was ich tat, war meine Pflicht gegenüber meiner kleinen Tochter, für die Ulynes Uvalde der Vater geworden war.
Gay fragte: »Wie lange wirst du wegbleiben, Jim?«
»Bis ich das Geheimnis gelöst habe«, erwiderte ich. »Die Ranch ist vorerst nicht in Gefahr. Longfellow wird nicht zerstören, was er kaufen oder auf andere Art an sich bringen will. Das hat jetzt Zeit für ihn. Er wird erst Jagd auf mich machen. Und da ist es nur gut, dass ich nicht hier bei euch auf der Ranch bin. Ich werde mich gut ausrüsten und ein Packtier mitnehmen.«
Als ich verstummte, da sah ich, dass sie hart schlucken musste.
Dann aber sprach sie: »Jim, ich werde dir das Gewehr von Ulynes mitgeben. Es ist eine Buffalo Sharps mit einem Zielfernrohr aus Germany. Damit kann man noch auf eine halbe Meile ein Ziel treffen, das nicht größer ist als ein Huhn.«
»Gut«, erwiderte ich, »gut, Gay, sehr gut.«
Ich war nun fertig mit dem Essen und erhob mich mit einer schnellen Bewegung.
Ja, es war Zeit zu gehen.
Vor dem Bunkhouse saßen einige Gestalten auf der Bank.
Ich hielt vor ihnen an und sprach ruhig: »Ich reite morgen in die Wild Valleys hinaus. Und ihr macht eure Rancharbeit wie immer. Ich brauche ein gutes Packtier und Proviant, Ausrüstung für zwei Wochen etwa. Ihr wisst ja selbst, was alles ich haben muss. Also stellt mir das beladene Packtier und meinen gesattelten Pinto hier vors Bunkhouse.«
☆☆☆
Als ich im Morgengrauen ohne Frühstück aufsaß, da hatte zuvor alles bereitgestanden, so wie ich es hatte haben wollen.
Mein Sattelpferd hatte ein zweites Sattelfutteral. Im linken steckte ein Spencer-Karabiner, im rechten aber war die schwere Buffalo Sharps.
Als ich am Ranchhaus vorbeiritt, trat Gay heraus. Sie hatte sich den Morgenmantel eng um ihre schlanke Gestalt gewickelt.
Sie rief mir nichts zu, sondern schwieg. Dennoch wusste ich, dass sie jetzt vielleicht für mich betete.
Ich ritt in den grauen Morgen über die Ute Mesa nach Osten. Nebel stiegen noch. Es gab ja auf der Mesa einige Creeks, auch kleine Seen und viele Wasserstellen. Überall sah ich im heller werdenden Tag Rinder.
Ich ritt stetig.
Als die Sonne über dem Wild-Valleys-Gebiet hochkam, da erreichte ich das Camp der Brennmannschaft. Es waren drei Cowboys. Ich kannte sie bereits. Sie zogen mit dem Brennwagen umher und brändeten die Jungtiere.
Ich sah ihnen eine Weile zu, indes ich mir am Feuer ein verspätetes Frühstück bereitete, das zugleich auch ein frühes Mittagessen war.