G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 41 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 41 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

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G.F. Unger ist der erfolgreichste deutschsprachige Western-Autor. Mit einer Rekordauflage von über 250 Millionen Exemplaren gehört er zur internationalen Spitzenklasse der Spannungsliteratur. Und das zu Recht!

Niemand vermag es wie er, die unermesslichen Weiten des amerikanischen Westens und die Stärke der unerschrockenen Männer, die sie erschlossen, zu beschreiben. Erleben Sie den amerikanischen "Wilden Westen", wie nur G.F. Unger ihn schildern kann: hart, authentisch, leidenschaftlich.
Dieser Sammelband enthält die Folgen 2470 bis 2472.

Der Inhalt dieses Sammelbands entspricht ca. 192 Taschenbuchseiten.

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Seitenzahl: 466

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Impressum

BASTEI LÜBBE AG Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Für die Originalausgaben: Copyright © 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2022 by Bastei Lübbe AG, Köln Coverillustration: © Faba/Norma ISBN 978-3-7517-3000-6 www.bastei.de www.luebbe.de www.lesejury.de

G. F. Unger

G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 41

Inhalt

G. F. UngerG. F. Unger Western-Bestseller 2470 - WesternSkrupellose Rustler bedrohen die Existenz der Rancher im Powder Valley. Doch zwischen den beiden Männern, die den Viehdieben Einhalt gebieten könnten, herrscht Todfeindschaft ...Jetzt lesen
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G. F. Unger Western-Bestseller 2472 - WesternEin höllischer Rindertrail lag hinter uns. Doch das alles war nur ein Zuckerschlecken gegen das, was uns in Longhorn City erwartete ...Jetzt lesen

Inhalt

Cover

Impressum

Powder Valley

Vorschau

Powder Valley

Die kleine Stadt Valley City ist an diesem Tag voll von Menschen. Sie wurden zur Hochzeit eingeladen, und es war für alle eine große Überraschung, dass sich Reva Consul so plötzlich entschieden hatte, Kirby Padden zu heiraten. Denn eigentlich schien es für alle Leute ausgemacht, dass sie Steve Braddoks Mädel war.

Plötzlich kommt Steve Braddok in die Stadt galoppiert. Er hält vor dem Longhorn Saloon und fragt die dort versammelte Männergruppe: »Ist Kirby Padden dort drinnen?«

»Ja, er ist dort drinnen und nimmt Abschied vom Junggesellenleben«, antwortet einer der Männer. »Du wirst doch mit Kirby keinen Streit anfangen wollen, nur weil er dir das Mädel weggeschnappt hat?«

»Gebt mir den Weg frei, Jungs«, erwidert Steve Braddok, und seine Stimme klingt merkwürdig sanft – viel zu sanft …

Sie blicken ihn vorsichtig an, und sie zögern immer noch. Aber sie kennen ihn zu gut und wissen genau, dass er sich gleich mitten durch ihre Gruppe hindurch den Weg freimachen wird. Man kann Steve Braddok nicht auf diese Art in den Weg treten.

Und so murmelt Peter Scott bitter: »Nun gut, Steve, es ist ja wirklich nicht unsere Sache. Und früher oder später musste es ja wohl mal zwischen dir und Kirby passieren, dass …«

Er verstummt, denn er möchte es nun doch nicht aussprechen. Doch jeder Mann der Gruppe hier vor dem Saloon weiß Bescheid. Jeder kennt die Rivalität zwischen Kirby Padden und Steve Braddok, denn sie ist schon so alt, wie dieses Land hier von Menschen besiedelt ist.

Und als Steve Braddok die Schwingtür des Saloons aufstößt und darin verschwindet, da drängt sich die Männergruppe hinterher, denn einen Kampf lässt man sich in diesem Land als Zuschauer nur ungern entgehen. Und ein Kampf zwischen Kirby Padden und Steve Braddok – nun, davon wird man sich gewiss noch in zehn Jahren erzählen, und man würde mehr als einen Monatslohn geben, um ihn nicht zu versäumen.

Als Steve Braddok die Schwingtür hinter sich zufallen lässt, müssen sich seine Augen erst an das fast dämmrig wirkende Tageslicht im Saloon gewöhnen.

Die Männer am Schanktisch erkennen ihn sofort. Doch er braucht einige Atemzüge, bis er Kirby Padden entdecken kann. Da die anderen Männer inzwischen etwas von Padden abrückten, stehen sie sich nun von Mann zu Mann auf etwa acht Schritte Abstand gegenüber.

Kirby Padden ist gewiss nicht größer als Steve Braddok, doch er wirkt massiger, wuchtiger. Er wiegt zumindest zwanzig Pfund mehr, also gut zweihundert Pfund. Er ist muskulöser, ganz und gar ein kraftstrotzender, angriffslustiger, selbstbewusster Büffelbulle, der vor nichts Respekt hat, alles im ersten Ansturm überrennen möchte und der dennoch die Beharrlichkeit einer Bulldogge aufbringen kann, wenn er mit dem ersten Ansturm nicht zum Ziel kommt.

Er lehnt mit dem Rücken am Schanktisch, hat einen Ellbogen aufgestützt und hält in der anderen Hand ein noch halb gefülltes Whiskyglas.

»Nun, Steve«, sagt er, »es ist mir eine Freude, dass auch du hergekommen bist, um mir Glück zu wünschen. Lass dir von Mike Mannen ein Glas geben. Und dann werden wir auf meine schöne Braut und auf meine Hochzeit trinken, nicht wahr? Oder warum bist du sonst hergekommen, Freund Steve?«

Er fragt es lauernd. Er hat einen runden Kopf, Sommersprossen, steingraue Augen und herausfordernd rote Haare. Seine etwas zu vollen und eine außergewöhnliche Vitalität verratenden Lippen sind ständig zu einem siegesgewissen Lächeln gekräuselt.

Steve Braddok betrachtet ihn auf eine Art, die Neugierde und eine leichte Verwunderung verrät.

Dann sagt er in die gespannte Stille: »Sicher, Kirby, ich wünsche dir viel Glück – dir und deiner Braut und baldigen Frau. Ihr sollt lange leben, viele Kinder und Enkel haben und immer miteinander glücklich sein. Das alles wünsche ich dir. Doch deshalb bin ich nicht hergekommen, Freund Kirby.«

Dieser stellt langsam das Glas seitlich auf den Schanktisch. Dann tritt er einen Schritt vor, stellt sich breitbeinig hin, senkt etwas seinen runden Kopf mit dem roten, borstigen Haar und blickt auf Steve Braddok.

»Nun, weshalb bist du dann hergekommen, Steve?«, fragt er langsam.

»Deine Jungs haben Linc Daniels in der Klemme«, erwidert Steve Braddok schwer. »Sie haben ihm das Pferd unter dem Sattel weggeschossen und ihn auf einen Hügel am Old Squaw Creek gejagt. Er verteidigt sich dort oben. Kirby, es wird Tote geben, wenn du deine Männer nicht zurückpfeifst. Linc Daniels ist nicht der Mann, dem man ungestraft die Haut abziehen kann.«

»Er ist dein Freund, nicht wahr, Steve?«

»Er ist mein Freund.«

»Und wenn ich meine Reiter nicht zurückpfeife?« Kirby Padden stellt diese Frage lauernd.

Steve Braddok nickt leicht. »Dann bekommst du deinen Krieg, Freund Kirby«, sagt er dann sanft. »Gleich hier!«

Er sieht den anderen durchdringend an.

»Also los!«, sagt er dann. »Du musst dich jetzt entscheiden, Kirby Padden. Nach Sonnenuntergang werden deine Männer den Hügel stürmen, auf dem Linc Daniels liegt. Dann wird es Tote geben. Ich bin zwanzig Meilen geritten, um das zu verhindern. Und ich will die zwanzig Meilen in Begleitung deines Boten gerne wieder zurückreiten, um noch vor Sonnenuntergang zur Stelle zu sein. Das ist alles, Kirby!«

Dieser steht mit gesenktem Kopf da und überlegt. Dann murmelt er: »Dieser Linc Daniels – er ist ein Satteltramp. Er gehört nirgendwohin im Powder Valley. Aber er ist immerzu unterwegs. Ich wette, dass er Rinder stiehlt. Und ich habe überall bekannt machen lassen, dass niemand mehr ohne meine Erlaubnis über meine Weide reiten darf. Wer es dennoch tut, den sehe ich als Viehdieb oder als Spion von Viehdieben an, der herausfinden soll, wo meine Herden stehen. Ich habe das alles laut genug im Land verkündet und gewarnt. Wenn meine Männer Linc Daniels in der Klemme haben, dann wird er wohl auf meiner Weide herumgeritten sein – als Spion von Viehdieben. Steve, wenn er dein Freund ist, dann hättest du dafür Sorge tragen müssen, dass er entweder aus dem Land verschwindet oder ein anderes Leben beginnt.«

»Du redest zu viel, Kirby.«

»Ich trage heute zu meinem Hochzeitstag keine Waffe«, erklärt Kirby sofort. »Und ich möchte mich auch heute nicht mit dir prügeln. Ich könnte ein blaues Auge bekommen, und ich möchte doch in der Hochzeitsnacht so schön wie möglich sein. Steve, es ist heute nichts für dich drin. Geh zum Teufel!«

Er wendet sich wieder zum Schanktisch, um das Glas aufzunehmen.

Steve Braddok aber sieht die anderen Männer der Reihe nach an. Es sind samt und sonders Rancher.

Da ist Ambrose Consul, Paddens zukünftiger Schwiegervater, dem die Halbmond-Ranch gehört.

Und da sind die Rancher Al Dunhill, Jim Brewster und Sam Slaterlee. Es gehören noch einige kleinere Rancher dazu, die alle mehr oder weniger im Schatten der Großen leben.

Steve blickt sie an und sagt: »Ihr alle kennt Linc Daniels. Wenn es in diesem Land irgendwo ein schwieriges Pferd zuzureiten gilt, dann holt man Linc. Gewiss, er ist ein Satteltramp. Er ist nirgendwo zu Hause. Dass man ihn nun in der Klemme hat, bedeutet nichts anderes, als dass Kirby Padden den Krieg im Land will. Er kann ihn haben. Und ihr alle seid dabei mit drin. Na, gut!«

Er wendet sich um und geht zur Tür. Die Männer, die nach ihm hereingekommen sind, wichen ohnehin nach beiden Seiten aus, um aus der voraussichtlichen Schusslinie sein zu können.

Als Kirby Padden sagte, dass er heute nicht kämpfen will, ging ein deutlich hörbares Aufatmen durch die Zuschauer.

Doch nun, da Steve Braddok gesprochen hat, ist ihnen allen plötzlich klar, wohin die Dinge in diesem Land getrieben sind.

»He, Steve«, sagt Al Dunhill scharf. »Du wirst doch wegen Linc Daniels keinen Krieg machen?«

»Er ist mein Freund. Und er liegt umzingelt auf einem Hügel und wird getötet, sobald es Nacht sein wird. Dies aber ist erst der Anfang. Kirby Padden macht jetzt lange Schritte, und er macht auch einige Umwege. Ein solcher Umweg, der zu mir führen soll, ist zum Beispiel Linc Daniels. Deshalb kam ich her. Ich wollte Kirby Padden die Möglichkeit geben, ohne Umwege sein Ziel erreichen zu können. Aber er kneift. Nun gut!«

»Erst heirate ich Reva«, sagt Kirby Padden. »Und erst kommt die große Feier und die Hochzeitsnacht. Dann kannst du deinen Krieg bekommen, Steve. Und für diesen Linc Daniels tue ich nichts, gar nichts!«

Steve Braddok gibt keine Antwort. Er geht hinaus, nimmt sein Pferd und führt es zum Mietstall hinüber. Er kommt an Debbie Callaghans Modegeschäft vorbei, und Debbie tritt heraus.

Sie trägt ein grünes Kleid, das zu ihrem kupferroten Haar einen prächtigen Kontrast bildet. Ihre Augen haben die gleiche Farbe wie das grüne Kleid.

»Großer Mann, kann ich etwas für dich tun?«, fragt sie ruhig vom Gehsteig zu ihm nieder.

Er bleibt einen Moment stehen.

»Wenn du Frits Stonebreaker siehst, dann könntest du ihm ausrichten, dass Linc Daniels am Old Squaw Creek in der Klemme sitzt.«

Sie nickt ruhig, und sie lässt sich keine Bestürzung anmerken. Sie sagt nur etwas spröde: »Ich werde es ausrichten, Steve. Und viel Glück! Ich dachte schon, du wärest in die Stadt gekommen, um aus einem anderen Grund mit Kirby Padden Streit zu beginnen. Haben seine Leute Linc in der Klemme?«

»Ja«, sagt Steve und geht weiter.

Aber Debbie Callaghan sagt schnell und bitter hinter ihm her: »Er hat dich in der Klemme, Steve – dich! Ist dir das klar?«

Steve Braddok winkt nur leicht mit der Hand und blickt sich nicht mehr um. Er verschwindet in der Einfahrt zum Mietstall – und er kommt dann in einer verblüffend kurzen Zeit im Sattel eines kräftigen Braunen wieder auf die Straße und treibt das Tier zu einem scharfen Galopp an. Er reitet am Hotel vorbei und wirft einen Blick nach oben. Dort oben an dem großen Eckfenster sieht er eine Frau im Brautkleid. Sie ist schon fertig zur Hochzeit. Denn die Trauung findet in kaum zwanzig Minuten statt.

Reva Consul ist eine dunkle Schönheit, und in ihrem Brautstaat wirkt sie wie eine Prinzessin.

Sie blickt bewegungslos auf Steve Braddok nieder, ihre Blicke begegnen sich für zwei Sekunden.

Dann jagt Steve aus der Stadt. Und Reva wendet sich vom Fenster ab und einigen Frauen zu. Ihr Gesicht ist glatt und beherrscht. Doch in ihren dunkelblauen Augen ist ein harter und zugleich verloren wirkender Ausdruck.

Steve Braddok reitet so schnell er kann und rechnet sich aus, ob er noch vor Sonnenuntergang in den Hügeln beim Old Squaw Creek sein kann, um Linc Daniels beizustehen.

Indes er immer wieder das Pferd antreibt, denkt er an Linc, und er ist wütend auf ihn, weil Linc sich nun nach all den Jahren noch keinen festen Platz schuf und als Satteltramp gilt, der nur dann und wann als Zureiter arbeitet, wenn er mal ein neues Hemd, etwas Tabak oder andere Notwendigkeiten braucht.

Er weiß auch, dass Linc Daniels eine Menge Männer kennt, die irgendwo in verborgenen Camps leben, verborgene Pfade reiten und in den Nächten Vieh stehlen. Er weiß auch, dass Linc Daniels über Jeremy Mogellan gut Bescheid weiß, den größten und verwegensten Viehdieb auf dreihundert Meilen in der Runde. Linc Daniels hat viele Freunde und weiß viel über die Menschen in diesem Land.

Doch jetzt steckt er in der Klemme. Und er, Steve Braddok, muss ihn herausholen.

Steve denkt auch immerzu an die Worte, die Debbie Callaghan ihm nachgerufen hatte.

»Er hat dich in der Klemme, Steve – dich! Ist dir das klar?«

Das waren die Worte.

Und sie sind die pure Wahrheit.

Kirby Padden, der schon als Knabe sein Gegner und Rivale war, nahm ihm nicht nur das Mädchen weg. Er zwingt ihn nun auch noch dazu, für einen Freund mit einem etwas zweifelhaften Ruf Partei zu ergreifen. Und wahrhaftig, er hat ihn dadurch in eine Klemme gebracht.

Wäre Kirby Padden gleich gegen ihn, Steve Braddok losgegangen, so wäre Steve der Angegriffene gewesen. Nicht wenige Menschen in diesem Land hätten sich auf seine Seite gestellt. Es hätte sich schnell eine Braddok-Partei gebildet, denn es gibt nicht wenige Leute, die sich genau ausrechnen können, dass auch sie eines Tages an der Reihe sein werden, wenn Kirby Padden erst mit Steve Braddok fertig ist.

Doch jetzt ist es völlig anders.

Jetzt stellt sich Steve Braddok auf die Seite eines Satteltramps. Jetzt ist Kirby Padden nicht der Angreifer. Und niemand wird wegen eines Linc Daniels für Steve Braddok Partei ergreifen.

Steve staunt, wie schnell und klar Debbie Callaghan dies erkennen konnte und wie klipp und klar sie es ihm dann sagte. Aber sie ist immer ein guter Kamerad gewesen, auf den man sich verlassen konnte.

Steve Braddok erreicht nun die Weggabelung, die zu seiner SB Ranch führt. Er verhält sein Pferd und denkt einige Sekunden darüber nach, ob er erst zur Ranch reiten und seine Männer holen soll. Doch er verwirft die Idee wieder. Wenn er mit seiner Mannschaft eingreift, so bedeutet dies nichts anders als einen Angriff der SB Ranch gegen die Skull Ranch Kirby Paddens.

Steve Braddok ist sicher, dass Kirby Padden genau dies erwartet. Und vielleicht hat man Linc Daniels nur deshalb in der Klemme, um ihn, Steve Braddok, dort in den Hügeln am Old Squaw Creek in eine Falle zu locken.

Dies alles überdenkt Steve Braddok in den wenigen Sekunden. Er entschließt sich, weiterzureiten.

Doch da sieht er einen Reiter aus einer Bodensenke auftauchen. Es ist Jerry Mulberry, sein jüngster Cowboy. Jerry erkennt ihn sofort und treibt seinen Schecken schneller an.

Als er bei Steve ist, sagt er: »Ich bin unterwegs zur Stadt, um die Post und einen Sack voller notwendiger Dinge zu holen.«

»Das kannst du auch, Jerry«, spricht Steve knapp. »Nur brauche ich dein Pferd. Mach einen schönen Spaziergang und nimm dann aus dem Mietstall meinen Coleman mit zur Ranch zurück.«

Jerry staunt eine Sekunde. Dann wird ihm klar, dass Steve Braddok, sein Boss, ziemlich ungeduldig ist. Und so beeilt er sich, aus dem Sattel zu kommen und Steve die Zügel zuzuwerfen.

»Was ist denn los?«, fragt er.

»Linc Daniels steckt am Old Squaw Creek ohne Pferd in der Klemme«, erklärt ihm Steve und reitet an.

Jerry Mulberry ist ein noch junger, kaum mehr als mittelgroßer, doch sehr geschmeidiger und verwegener Bursche, der nur vor einem einzigen Mann Respekt hat – vor Steve Braddok. Jetzt starrt er ihm nach. Dann reißt er sich den Stetson vom Kopf und wirft ihn in den Staub des Weges.

»Oh, zum Teufel, warum nimmt er mich nicht mit? Wenn Linc in der Klemme steckt, dann bin ich doch der richtige Mann, um mit Steve zu reiten. Er aber nimmt mir das Pferd. Und nun kann ich fast vier Meilen zu Fuß laufen!«

Er kniet nieder, um sich die Sporen von seinen hochhackigen Stiefeln zu schnallen. Und dann macht er sich stolpernd und fluchend auf den Weg. Doch er braucht nicht lange zu laufen. Bald kommt ein Wagen und holt ihn ein.

Ann und Mary Slaterlee sitzen in dem Wagen, und sie fahren nun im Schritt neben dem wandernden Jerry Mulberry her, der seinen Hut abnimmt und grüßt.

»Wenn Sie genug gelaufen sind, dann steigen Sie hinten ein, Jerry«, sagt Mary ernst.

☆☆☆

Als Steve Braddok die Hügel beim Old Squaw Creek erreicht, ist die Sonne im Westen schon hinter den Black Mountains verschwunden, und überall aus den Canyons und Hügellücken kriechen die Schatten der Nacht hervor.

Steve Braddok reitet langsam und vorsichtig. Mehrmals hält er an und sitzt ab. Er geht dann immer ein Stück von seinen Pferden weg und lauscht aufmerksam. Doch sein Weg ist frei.

Und dann hört er das Krachen von Gewehren. Er weiß nun, dass Linc Daniels noch lebt, dass er immer noch auf jenem Hügel liegt und sich verteidigt.

Steve reitet aus der Hügelkette heraus. Vor ihm liegt ein Stück flache Weide, ein fast dreieckig wirkendes Stück, von zwei Seiten im Winkel eingesäumt vom Old Squaw Creek, der eine scharfe Biegung um einen Hügel macht, dessen Kanzel über dem Creek hängt.

Steve reitet zum Creek hinüber und in diesen hinein. Dann prüft er noch einmal den Wind. Der kommt aus der Richtung, aus der er selbst geritten kam.

Steve überlegt noch einen Moment. Was er wagen will, ist keine kleine Sache. Doch er kennt dieses Stück Weideland gut, und er kann sich ausrechnen, wie die Sache, die er in Gang bringen will, vonstatten gehen wird.

Auch ist der Wind nicht zu stark, sondern gerade richtig.

Steve gleitet aus dem Sattel und geht durch das kaum knietiefe Wasser zurück an Land. Er geht weit genug von dem grünen Streifen am Creek fort, bis er das trockene, braune und von der Sonne ausgelaugte Gras erreicht. Er kniet nieder und zündet es an.

Als er dann wieder im Creek ist und in den Sattel klettert, jagt der leichte Abendwind das Feuer schon vor sich her. Steve weiß, dass sich die Männer, die vor dem Feuer und vielleicht schon halb auf dem Hügel sind, deutlich gegen den Feuerschein abheben.

Oben beginnt wieder Linc Daniels’ Gewehr zu krachen. Und überall dort, wo das Feuer gegen den Grünstreifen beim Creek ankämpfen muss, entwickelt sich ziemlich viel Rauch.

Steve Braddok kann mit Sicherheit annehmen, dass jene Männer, die Linc Daniels eingekreist haben, nun zu ihren Pferden laufen. Bei einem Präriebrand trachtet jeder abgesessene Reiter zuerst einmal danach, sein Pferd unter sich zu bekommen. Nichts ist ihm dann wichtiger. Und erst dann, wenn er wieder im Sattel sitzt und in der Lage ist, einem schnellen Feuer entkommen zu können, erinnert er sich an seine Aufgabe und sucht vielleicht nach Möglichkeiten, diese zu erfüllen.

Steve Braddok reitet mit seinen beiden Pferden am anderen Ufer aus dem Creek und dann vorwärts. Er kommt nach etwa fünfhundert Yards an die Spitze der scharfen Biegung und verhält genau unterhalb des Hügels, der hier über dem Creek-Knick aufragt.

Drüben in dem Weidedreieck, das vom Creek begrenzt wird wie von den Schenkeln eines Zirkels, brennt nun das Feuer, rennt vom Wind getrieben gegen den Grünstreifen des Creek und entwickelt eine Menge Qualm. Steve Braddok erblickt dort drüben zwar keine Reiter, doch er weiß, dass der Hügel ihm die Sicht versperrt. Er kann damit rechnen, dass die Reiter vor dem Feuer über den Creek kommen und dann auf dieser Seite zurückreiten werden. Denn sie werden inzwischen begriffen haben, wie die Sache läuft.

Aber hoffentlich hat auch Linc Daniels die Sache begriffen.

Steve Braddok stößt dreimal kurz hintereinander den scharfen Schrei eines Nachtfalken aus.

Dieser Schrei wird sofort erwidert. Oben auf dem Hügel hebt sich für einen Moment Linc Daniels’ Gestalt ab. Dann wird er unsichtbar. Doch Steve weiß, dass er nun auf den Absätzen und dem Hosenboden das steile Stück heruntergesaust kommt und sich nach Möglichkeit mit den Händen an allen Büschen und Grasbüscheln festhält, die er auf seiner Rutschpartie ergreifen kann.

Der Hügel ist etwa fünfzig Yards hoch. Und Linc Daniels legt mit seiner Rutschpartie diese Strecke in weniger als zwanzig Sekunden zurück. Dann springt er von der letzten Terrasse etwa fünf Yards tief in den Creek der hier an der scharfen Biegung so tief ist, dass ein Mann schwimmen muss.

Linc taucht prustend wieder auf, arbeitet sich aus dem Wasser und fragt keuchend: »Steve, bist du der gute Onkel?«

»Komm nur, Mister Lincoln! Komm nur! Wir haben noch einen Vorsprung von dreihundert Yards.«

Steve Braddok übertreibt nicht. Denn er hört den trommelnden Hufschlag der reitenden Mannschaft, die vor dem Feuer über den Creek setzt und nun daran entlang kommt.

Linc Daniels ist mit drei Sprüngen aus dem Wasser, mit zwei weiteren Sprüngen das Ufer empor und mit einem indianerhaften Satz im Sattel von Jerry Mulberrys Pinto.

Und dann reiten sie los und verschwinden bald im Schatten der Hügel. Zweihundert Yards Vorsprung genügen in der Nacht und hier in diesem Hügelland, um einer Mannschaft entkommen zu können.

Als sie dann nach einigen Meilen ihre Pferde langsamer laufen lassen und einen Pfad erreichen, der aus den Hügeln hinaus und zur SB Ranch führt, sagt Linc Daniels heiser: »Nun gut, Freund Steve, ich habe eine Menge Schulden bei dir. Wenn ich dieses Pferd und diesen Sattel noch eine Weile behalten könnte …«

»Nein, Linc«, sagt Steve knapp. »So schnell lasse ich dich jetzt nicht aus meiner Reichweite. Du musst mit auf die Ranch – und nicht nur, weil dies Jerrys Pferd ist. Ich habe einige wilde Pferde im Corral und verlange, dass du sie zureitest und zur Arbeit abrichtest. Du bist mir jetzt etwas schuldig, Mister Lincoln, und ich will, dass du diese Schuld abarbeitest.«

Linc Daniels sagt darauf eine Weile nichts. Er reitet nur an Steves Seite.

»Du wirst dir eine Menge Läuse in den Pelz setzen, Freund Steve«, sagt er. »Die Skull-Mannschaft hat mich nicht zufällig getroffen. Sie hat mich gesucht und gejagt. Sie muss herausgefunden haben, dass ich vorgestern in Canyon City war. Und sie haben dann auf der Straße auf mich gelauert, als ich zurück wollte in dieses Land hier. Sie trieben mich von der Straße und jagten mich über die Weide. Steve, man wollte mir bewusst die Haut abziehen, mir, Linc Daniels, nicht irgendeinem, sondern mir, Linc Daniels! Wer hat die Nachricht zu dir gebracht, dass ich in der Klemme sitze?«

»Einer von den Bearnes-Jungs. Er schrie es mir zu und ritt wieder fort. Oh, ich bin mir darüber klar, dass dies alles im Grunde mir galt. Kirby Padden hat seine Wut lange genug bezähmt. Er will es jetzt wissen. Er sagt, dass man das Land von den Viehdieben und deren Freunden und Spionen säubern müsse. Und bei dieser Gelegenheit will er gleich einen hübschen Weidekrieg austragen. Linc, ich kann dich nicht länger allein im Land herumreiten lassen, es sei denn, du gibst mir dein Wort, dass du zumindest dreihundert Meilen reitest, bevor du länger als nur zu einer Rast und für einige Stunden Schlaf anhältst.«

Er kann sehen, dass Linc Daniels den Kopf schüttelt.

»Ich bin in diesem Land groß geworden«, sagt Linc dann. »Ich liebe dieses Land. Und solange ich kein Unrecht tue, kann ich in diesem Land herumreiten, wie ich will. Ich bleibe hier!«

»Dann bei mir auf der SB Ranch«, sagt Steve Braddok trocken. »In diesem Land ist die Zeit gekommen, dass kein Mann mehr allein und sorglos reiten kann. Ich war in der Stadt. Ich bat Kirby Padden darum, dich laufen zu lassen. Er war schon fertig für die Hochzeit. Und er wollte nicht den Befehl geben, dich laufen zu lassen.«

»Hast du mit Reva gesprochen? Hat sie dir erklärt, warum sie sich so plötzlich für Kirby Padden entschied, obwohl ihr zwei doch die ganze Zeit als Verlobte galtet? Hat sie dir erklärt, warum sie ihr Wort so plötzlich brach?«

In Linc Daniels’ Fragen liegt eine Menge Wildheit, die Steve Braddok erschreckt und zugleich alarmiert.

»Nein«, sagt er. »Ich weiß nicht, warum sich Reva plötzlich für Kirby entschied. Vielleicht glaubt sie nun doch mehr an ihn. Er hat ja schon immer um sie geworben, er will ja immer alles besitzen oder bekommen, was ich besitze oder was ich bekommen möchte.«

»Ja, er ist ein Wolf, der immer den Bissen schnappen will, den du dir ausgesucht hast«, murmelt Linc. »Aber du solltest Reva nicht verdammen. Es blieb Reva keine andere Wahl.«

»Was weißt du, Linc?«

»Reite zu ihr und frag sie selbst! Wie kann ich dir etwas sagen, was sie dir selbst noch nicht gesagt hat?« Er drängt sein Pferd an Steves Tier heran. »Verlange nicht von mir, dass ich bei dir auf der Ranch bleibe. Ich muss reiten.«

»Wohin, Linc – wohin?«

»Irgendwohin, Steve – irgendwohin!«

Steve begreift, dass Linc ihm nichts sagen will, und er ahnt nun auch, dass es einige Geheimnisse gibt.

☆☆☆

Steve Braddok erreicht die Stadt gegen Mitternacht, und er ist sattelmüde und steif. Seit dem Morgen ist er über siebzig Meilen geritten.

Er lässt das Pferd in dem halb offenen Schuppen hinter dem Gemüsegarten des Hotels und entfernt sich durch andere Gärten und Höfe.

Später dann verhält er in der dunklen Gassenmündung gegenüber dem Hotel, und er sieht, dass dort immer noch Hochbetrieb ist und man noch dabei ist, die Hochzeit zu feiern.

Ein mächtiger Mann feiert Hochzeit, und alle, die eingeladen wurden, kamen, um ihm und seiner jungen Frau Glück zu wünschen.

Steve Braddok denkt wieder daran, dass es Reva ist, die dort Hochzeit macht. Reva, deren Wort er hatte, die seine Frau werden wollte und die nun ohne eine Erklärung seinen Rivalen zum Mann nahm.

Aus dem Hotel kommen einige lärmende Gäste und streben schräg über die Fahrbahn der Valley Street dem Longhorn Saloon zu, der auch noch in vollem Betrieb ist.

Dann wird es wieder still.

Steve Braddok wagt es nun. Er zieht sich den Hut tief ins Gesicht und geht zum Seiteneingang des Hotels.

Er öffnet ihn, betritt den Gang und erreicht die Tür zur Hotelhalle. Er öffnet die Seitentür und sieht »Schneeball«, den Hausneger, hinter dem Anmeldepult. Der grauköpfige Schwarze lauscht auf den Lärm nebenan und steckt sich dann eine dicke und pechschwarze Zigarre an. Als er sie anzündet und seinen Blick hebt, sieht er Steve Braddok in der nur wenig geöffneten Seitentür. Er erkennt ihn sofort.

Als Steve winkt, kommt Schneeball, der George King heißt, sofort willig hinter dem Pult hervor.

Steve ist so ziemlich der einzige Mensch im Land, der ihn nicht Schneeball, sondern George nennt. Und deshalb ist George King sein treuer Freund.

»George«, sagte Steve, »ich muss mit Miss Reva sprechen. Ich gehe nun auf ihr Zimmer, und du musst es fertigbringen, ihr die Nachricht zu geben, dass ich sie sprechen muss. Und noch eins, George! Sag ihr, dass ich herunter und in den Saal komme und vor allen Leuten mit ihr spreche, wenn sie mich zu lange warten lässt. Wirst du das tun, George?«

Der Schwarze, der eine weiße Schürze trägt, hat sich mit dem Rücken vor die Tür gestellt, sodass Steve gedeckt wird. Nun sagt er sofort: »Ich werde alles versuchen, Sir, das ist klar. Doch es wird noch einige Zeit dauern. Wenn Sie jedoch länger als eine Stunde warten müssen, Mister Braddok, dann hat Mrs Padden die Nachricht zwar erhalten, kann oder will jedoch nicht kommen. Ich gehe jetzt zur Saaltür und versperre dort den Weg, bis Sie oben sind. Der Schlüssel hängt dort am Brett. Sie können ihn sofort …«

»Ich weiß, ich weiß«, unterbricht ihn Steve, und in seiner Stimme ist nun eine Ungeduld.

Aber keine zwei Minuten später ist er oben im Zimmer.

Er tritt ans Fenster und blickt auf die Straße, und er sieht dort einen Reiter kommen und vor dem Hotel absitzen. Es ist ein staubiger und ziemlich müde wirkender Cowboy Kirby Paddens – einer von seinen Revolver-Cowboys, mit denen er in letzter Zeit seine ohnehin schon raue Mannschaft verstärkte und denen er doppelten Lohn zahlt.

Aha, denkt Steve, jetzt bekommt er Nachricht, dass Linc Daniels entkommen konnte und ein Stück von seiner Weide abbrannte. Aber Linc wird Lonestar, meinen Vormann, inzwischen schon informiert haben. Wenn sie auf meiner Ranch nach Linc suchen sollten, so werden sie nicht überraschend kommen.

Er beugt sich weiter vor und sieht, dass der staubige Revolvereiter im Hotel verschwindet. Wahrscheinlich wird er Kirby Padden herausrufen lassen.

Steve Braddok grinst müde. Er geht zum Waschtisch in der Ecke, gießt Wasser in die Schüssel und beginnt, sich von dem Staub des langen Reitens zu säubern.

Dann streckt er sich auf dem Sofa aus und entspannt seinen müden Körper. Der ständige Lärm der Feier wirkt mit einem Mal einschläfernd auf ihn. Er versinkt in einen Halbschlaf, und er weiß nicht mehr, ob erst wenige Minuten vergingen oder eine volle Stunde, als sich die Tür öffnet und Reva ins Zimmer kommt.

Der Lichtschein, der hinter ihr vom Gang ins Zimmer fällt, beleuchtet sie einen Moment. Dann hat sie die Tür geschlossen und sich von innen dagegen gelehnt.

»Steve?«, fragt sie, und in ihrer Stimme ist ein spröder Klang.

Er setzte sich inzwischen auf, wischte sich über das Gesicht und hatte sofort wieder einen klaren Kopf.

»Ich danke dir, Reva, dass du gekommen bist«, sagt er ruhig. »Komm her und setz dich zu mir. Wir wollen ruhig und offen über die Sache reden. Komm her, Reva!«

In seiner Stimme ist eine unerschütterliche Ruhe und eine solche Bestimmtheit, dass Reva vielleicht allein deshalb willig gehorcht. Doch sie setzt sich ans andere Ende des Sofas.

»Zu was soll das gut sein, Steve?«, fragt sie bitter. »Ich wurde dir untreu. Ich brach mein Wort. Obwohl ich dir versprochen hatte, deine Frau zu werden, wurde ich dir untreu und entschied mich für Kirby Padden. Was gibt es da noch zu besprechen, Steve?«

Er beißt sich auf die Lippe, um eine ärgerliche und vielleicht auch verächtliche Antwort zu vermeiden. Dann sagt er mit einem Tonfall der Überzeugung: »Reva, ich glaube nicht, dass du Kirby Paddens Werben nachgegeben hast, weil du dich für den reicheren und mächtigeren Mann entschieden hast. Nein, ich glaube, dass es andere Gründe gibt. Und du solltest Vertrauen zu mir haben. Ich glaube auch, dass ich zumindest ein Anrecht auf die volle Wahrheit habe. Vertrau mir, Reva! Du kennst mich doch! Du weißt doch, dass du mir vertrauen kannst. Ich glaube nicht, dass du Kirby Padden liebst. Ich glaube auch nicht, dass du ihn aus Berechnung genommen hast. Es muss einen anderen Grund geben. Und da du mir gegenüber dein Wort gebrochen hast, habe ich ein Anrecht darauf, diesen Grund zu erfahren. Sei fair zu mir, Reva!«

»Ich kann dir meine Beweggründe nicht nennen«, sagt sie. »Doch ich hatte zwingende Gründe, die nichts mit dir zu tun haben. Es blieb mir keine andere Wahl. Natürlich liebe ich Kirby nicht! Aber er hat mir geschworen, dass er gut zu mir sein wird. Er liebt mich und wird gut zu mir sein. Mehr kann ich dir nicht sagen, Steve.«

Sie erhebt sich nun hastig, und als sie wieder zur Tür geht, sieht es wie eine Flucht aus.

Doch Steve ist schneller. Er erreicht sie noch vor der Tür und fasst sie am Arm. Und nun ist er ziemlich wütend. Seine Stimme klingt etwas schärfer und lauter, als er sagt: »So kannst du nicht davonkommen, Reva, so nicht!«

Bevor sie etwas erwidern kann, tönen draußen auf dem Gang – von der Treppe her – die festen und fast herrischen Schritte eines Mannes, der gewöhnt ist, überall fest und hörbar aufzutreten.

»Es sind Kirbys Schritte – er kommt!« Sie flüstert es erregt. »Er kommt zu mir! Du musst dich verstecken, Steve! Im Schrank! Unter dem Bett! Du musst dich …«

»Nein«, sagt er, »ich werde mich nie und nirgendwo vor Kirby Padden verstecken. Er nahm mir mein Mädel, und ich habe ein Recht darauf zu erfahren, warum sie mir untreu wurde. Ich werde Kirby selbst fragen, wie er dich in seine Hand bekam.«

Sie reißt sich los und öffnet die Tür. Ihr Plan ist es, Kirby Padden noch draußen auf dem Gang abzufangen. Er soll nicht ins Zimmer kommen können.

Doch er ist schon zu nahe. Er kann einen Blick durch die Tür werfen, die sich so plötzlich vor ihm öffnet.

Und er erblickt deutlich die Gestalt eines Mannes in diesem Zimmer.

»Braddok!« Er ruft es schnaufend und wild. Man hört seiner Stimme sofort den ausbrechenden Jähzorn an. Er ist auch angetrunken, doch nicht betrunken. Er hat gerade das Quantum an Alkohol, welches nötig ist, um ihn besonders gefährlich zu machen.

Dazu kommt, dass er soeben die Nachricht erhielt, dass Linc Daniels seinen Männern entwischt ist und dass einige Morgen seiner Weide abbrannten.

»Wer bedrängt hier meine Frau in ihrem Schlafzimmer?«, fragt er rau, schiebt Reva zur Seite und tritt langsam ein. Er lässt die Tür offen, da sie Helligkeit in den Raum lässt.

»Steve«, sagt er, »das hättest du nicht tun dürfen! Jetzt habe ich einen feinen Grund, dich in Stücke zu schlagen. Oder möchtest du lieber aus dem Fenster springen? Hoii, dann spring! Versuch es mal! Vielleicht brichst du dir nur ein Bein! Denn ich werde dir mehr zerbrechen, viel mehr!«

Steve Braddok weiß, dass nun ein Kampf unvermeidlich ist. Doch er versucht es nochmals friedlich.

»Padden«, sagt er. »Reva war mein Mädel. Und ich habe ein Recht darauf zu erfahren, warum sie dich genommen hat. Ich habe hier auf sie gewartet, um es zu erfahren. Doch sie sagte es mir nicht. Nun frage ich dich, Kirby! Sag es mir!«

»Es geht dich nichts an, Steve – gar nichts! Sie nahm mich aus Liebe! Ich gefiel ihr besser als du! Ich bin größer, mächtiger, besser! Ich kann dich schlagen, wann ich will und wie ich will. Sie hat erkannt, was schon viele Menschen in diesem Land erkannten: dass ich besser bin als Steve Braddok. Und jetzt komm her oder hüpfe durchs Fenster auf die Straße.«

Er zeigt Steve seine mächtigen Fäuste, und er ist im ganzen Land dafür bekannt, dass er gerne mit den Fäusten kämpft.

Er gilt auch als der stärkste Mann auf dreihundert Meilen in der Runde.

Steve Braddok hebt seine Fäuste und springt vorwärts. Sein Angriff kommt schnell, und obwohl Kirby Padden vorbereitet ist, wird er etwas überrascht. Er kann den Schlag unters Kinn nicht abwehren. Und als er rückwärts gegen die gegenüberliegende Wand des Ganges kracht, bekommt er die Linke auf die Leber und die Rechte nochmals als Aufwärtshaken unters Kinn.

Er lässt sich vorfallen, umklammert Steve Braddok mit seinen mächtig starken Armen und hält sich an ihm fest, bis er die Wirkung dieser ersten und deshalb besonders harten Schläge überwunden hat. Er schnauft dabei, und er achtet nicht darauf, dass Reva die Tür zuzieht, innen abschließt und sich somit isoliert.

Kirby Padden stößt einen knurrenden Laut aus wie ein Bär, als er Steve Braddok herumschleudert und dann loslässt. Dann senkt er den runden Kopf, schiebt die mächtigen Schultern vor und greift an.

Er ist mehr als zwanzig Pfund schwerer als Steve Braddok, und er hat kein Gramm überflüssiges Gewicht, denn er besteht nur aus starken Knochen und Muskeln.

Steve Braddok trifft ihn abermals, doch Kirby Padden beginnt jetzt beidhändig zu schlagen. Er achtet gar nicht mehr auf seine Deckung, vertraut darauf, eine Menge einstecken zu können. Er verlässt sich darauf, den Gegner zu treffen – bevor dieser ihn gefährlich erwischt.

Sie stehen Fuß bei Fuß im Schlagabtausch. Steve Braddok versucht standzuhalten, und er trifft Kirby Padden immer wieder hart und mit aller Kraft.

Doch es langt nicht. Kirby Paddens Substanz ist von besonderer Art. Seine physische Stärke ist fast unwahrscheinlich, und er schlägt bei aller Schnelligkeit so hart, dass Steve Braddok für einen Moment ein Gefühl der Panik verspürt und den Wunsch hat, sich umzudrehen und die Flucht zu ergreifen.

Es ist ein schreckliches Gefühl für einen Mann wie Steve Braddok.

Doch er besiegt dieses Gefühl der Furcht und all die Wünsche nach Schonung seines Körpers, nach Sicherheit. Der harte, stolze und nun auch wilde Wille beherrscht ihn bald wieder. Er schlägt noch wütender und härter zurück.

Und so stehen sie noch eine ganze Weile Fuß bei Fuß, schlagen keuchend und knurrend aufeinander los, fügen sich Schmerzen zu und spüren eine tiefe Befriedigung dabei, denn ihr Hass aufeinander ist alt. Er wurde geboren, als sie noch Knaben waren, und er wuchs dann mit den Jahren, da sie als junge Burschen und später als junge Männer immer wieder Zusammenstöße hatten.

Doch dann muss Steve Braddok weichen – zuerst langsam und nur Schritt für Schritt. Aber er muss weichen, nachgeben. Er kann diesen hämmernden Schlägen nicht länger standhalten, muss nun versuchen, sie zu vermeiden, muss abrücken, blockieren, pendeln. Seine Substanz ist nicht so mächtig wie die von Kirby Padden.

Padden stößt zwar schnaufende, doch unverkennbar triumphierende Laute aus, als er ihm folgt.

Und als er Steve mit einem Schwinger trifft, der Steve krachend gegen die Wand des Ganges schleudert, schnauft Padden fast jauchzend: »Heute bekommst du es! Heute gebe ich es dir zurück! Damals waren wir noch Knaben! Heute sind wir Männer! Heute zählt es richtig!«

Und nachdem er diese Worte schnaufte, greift er noch stürmischer und wilder an als zuvor.

Seine Fäuste schlagen zu wie Schmiedehämmer, und er nimmt all die Geraden und Linken, mit denen ihn Steve Braddok trifft. Er ist wie in einer Ekstase, ja, er ist begeistert, außer sich und feiert jetzt ein wildes Fest, eine Art Erlösung von dem Albtraum vieler Jahre, nämlich der ständigen Erinnerung an eine Niederlage.

Er treibt Steve Braddok bis auf den Treppenabsatz und schlägt ihn dann mit einem weiteren Schwinger gegen das Geländer. Es beginnt brechend zu krachen, und Steve muss sich nach rechts werfen, um nicht in die Halle hinunterzufallen. Doch so fällt er die Treppe hinunter. Er überschlägt sich auf den mit einem roten Teppich bespannten Stufen und rutscht dann weiter nieder bis vor das Anmeldepult in der Halle.

Der Lärm hatte längst eine Anzahl Gäste aus dem angrenzenden Saal in die Halle gelockt. Nun weichen sie zurück und betrachten staunend Steve Braddok, der sich mühsam erhebt.

Kirby Padden aber kommt langsam herunter, und er lacht dabei, schnaufend zwar, doch röhrend und gewaltig. Er lacht voll wilder Freude, und man hört diesem Lachen irgendwie an, dass es ihm wie einem Menschen ergeht, der glaubte, irgendeine schwere Aufgabe nicht bewältigen zu können, und dann feststellt, dass ja alles viel leichter ist und er sich unnötige Sorgen machte.

Als er die drittletzte Stufe erreicht hat, hält er inne, deutet mit dem dicken Zeigefinger auf Steve Braddok und sagt gewichtig: »Heute bekommst du es, Mister! Ich werde dir die Lust austreiben, um meine Frau herumzuschleichen! Sie wollte dich nicht! Sie wollte mich! Denn ich bin der bessere Mann von uns beiden! Steve, wenn du jetzt deine Absätze zeigst, wenn du jetzt davonläufst – nun, dann will ich dich noch einmal laufen lassen.«

Steve Braddok aber steht nun mitten in der Halle und schüttelt den Kopf. Er rechnet sich nun auch eine Chance aus und ist froh darüber, dass Padden ihn die Treppe hinunterstieß.

Denn hier in der Halle ist mehr Platz. Hier kann er besser ausweichen und mit einer völlig anderen Taktik kämpfen. Oben in dem engen Gang war der körperlich schwerere und auch stärkere Mann im Vorteil.

Kirby Padden beantwortet die Herausforderung damit, dass er die letzten drei Stufen zur Halle hinunter mit einem Sprung hinter sich bringt und wie ein Büffelbulle angestürmt kommt. Als er bei Steve Braddok ist, beginnt er nach diesem zu schlagen.

Doch hier in der Halle ist alles anders. Hier kann Steve ausweichen, kann den Gegner ins Leere stoßen lassen. Und er tut es mit leichtfüßiger Geschmeidigkeit. Obwohl er mit seinen hundertneunzig Pfund ein schwergewichtiger Mann ist, bewegt er sich nun, da er genügend Raum zur Verfügung hat, leichtfüßig und schnell.

Padden stürmt ins Leere. Und er bekommt von der Seite einen Schwinger auf Ohr- und Kinnwinkel.

Als er herumwirbelt, ist in seinen Augen ein staunender und zugleich besorgter Ausdruck.

Er hat begriffen, dass der Kampf erst richtig losgeht.

Und da ist auch wieder die Erinnerung an jene Stunde vor vielen Jahren da, die er fast schon für immer abgeschüttelt zu haben glaubte.

Er schnauft und greift wieder an.

Er weiß, dass der Kampf erst jetzt richtig beginnt.

Und auch die Zuschauer wissen es.

Die Nachricht verbreitet sich überall in Windeseile.

Der vom ganzen Land erwartete Kampf zwischen Kirby Padden und Steve Braddok wird endlich ausgetragen.

☆☆☆

Reva Padden – denn sie heißt ja nicht mehr Consul, sondern trägt Kirby Paddens Namen – warf sich auf das große Bett und begann bitterlich zu weinen.

Doch ihre eigene Not, ihr eigener Kummer und all die Bitterkeit in ihr werden bald verdrängt von dem Bewusstsein, dass dort draußen die beiden beachtlichsten Männer des Landes miteinander kämpfen.

Sie erkennt an den Geräuschen, dass einer von ihnen die Treppe hinunterfällt, polternd und krachend. Da wird sie sich über ihre Gefühle klar.

Sie fürchtet um Steve Braddok – nicht um Kirby Padden, dessen Frau sie ist. Sie ist betroffen über dieses Gefühl. Sie schämt sich und kämpft dagegen an.

Plötzlich begreift sie, dass sie sich etwas vorgemacht hat. Kirby hat sie erpresst. Er zwang sie, seine Frau zu werden.

Reva denkt an ihren Vater, an Ambrose Consul, den einstigen Spieler, der dann Rancher wurde. Sie denkt wieder daran, in welch einer Klemme ihr Vater sitzt und dass Kirby Padden ihm helfen will.

Also müsste sie sich doch wünschen, dass ihr Mann, Kirby Padden, den Kampf gewinnt. Doch sie kann es nicht. Sie kann es sich nicht wünschen.

»Ich hätte mich damals Steve anvertrauen müssen«, flüstert sie erstickt. »Ich hätte ihm sagen müssen, was aus meinem Vater geworden ist und wie sehr Kirby Padden uns alle in der Hand hat. Dann hätte sich Steve auf meines Vaters Seite gestellt …«

Sie verstummt in ihrem Selbstgespräch. Sie lauscht wieder auf die Geräusche des Kampfes, und plötzlich kann sie es nicht länger hier in der Ungewissheit des dunklen Zimmers aushalten.

Sie springt auf und läuft auf den Gang.

Sie erscheint oben auf dem Treppenabsatz und stützt sich auf das beschädigte Geländer.

Doch niemand von den Zuschauern blickt zu ihr empor.

Alle Augen sind wie gebannt auf die beiden Kämpfer gerichtet.

Sie haben sich schlimm zugerichtet, und es ist sicher, dass Kirby Padden keinen Spaß mehr an seiner Hochzeitsnacht haben wird. Sie sind beide im Gesicht gezeichnet, haben sich die Kleidung zerfetzt und bluten aus Rissen und Platzwunden und Abschürfungen.

Sie taumeln nur noch, denn der Luftmangel setzt ihnen zu und macht sie zu Betrunkenen.

Doch Steve Braddok ist immer eine Idee schneller und kann dann und wann noch einmal genau und präzise treffen. Seine Schläge haben zwar kaum noch Kraft. Doch Kirby Padden könnte jetzt von einem halbwüchsigen Burschen von den Beinen gestoßen werden.

Doch dazu langt Steve Braddoks Kraft nicht mehr.

Er schafft es nicht – dies wird klar. Obwohl Kirby Padden seine Fäuste nicht mehr hochbekommt und deckungslos und schwankend vor ihm steht, langt Steve Braddoks Kraft nicht mehr aus, um ihn endgültig von den Beinen zu bringen.

Er lässt seine Fäuste keuchend sinken.

Und dann stehen sie schwankend da und betrachten sich. Gewiss können sie sich nur unklar erkennen. Vor ihren Augen drehen sich feurige Kreise. Der Luftmangel macht sie fast ohnmächtig.

Und die Zuschauer, die als Hochzeitsgäste gekommen sind, stehen stumm und starr da und sehen sich das alles an. Sie begreifen, dass es keinen Sieger gibt.

Steve Braddok holt noch einmal zu einem Schwinger aus. Es geschieht sehr langsam und mühevoll, und es wirkt fast wie eine Parodie, wie ein Witz.

Aber es ist so furchtbar und schrecklich ernst.

Er trifft Kirby Padden klatschend und fast völlig ohne Kraft. Dieser Schlag ist nur noch eine leere Geste.

Padden taumelt rückwärts bis an die Wand. Die Zuschauer, die hier standen, wichen zur Seite.

Padden lehnt sich mit dem mächtigen Rücken gegen diese Wand, stellt die Beine auseinander und krächzt unverständliche Laute. Niemand versteht seine Worte, doch jeder weiß, dass er gesagt hat: »Nun versuche es mal, mich von den Beinen zu schlagen, Braddok.«

Ja, dies ungefähr hat er gesagt.

Und auch Steve begriff es.

Denn er schüttelt nun den Kopf und wendet sich langsam um. Schwankend und taumelnd geht er hinaus.

Die dichte Menschentraube, die hier in der Tür stand, weicht zurück und gibt ihm den Weg frei.

Die frische Luft tut ihm gut, und er kann gar nicht genug davon bekommen. Doch er fühlt nun, wie ihn eine Schwäche überkommt, wie seine Beine weich werden. Er hat den Wunsch, sich auf die schmutzigen Planken des Gehsteiges zu legen. Doch er kann es nicht. Er weiß, dass sie ihn alle beobachten.

Um zu seinem Pferd hinter dem Hotel zu kommen, müsste er durch eine Gasse gehen.

Doch an der Ecke steht Debbie Callaghan. Er erkennt sie sofort trotz seiner Not und obwohl sich vor seinen Augen feurige und dann wieder dunkelblaue Kreise drehen.

Sie steht ruhig da und sagt: »Komm zu mir, Steve! Ich habe heißes Wasser und einen starken Kaffee. Schlag nur nicht eine Schüssel heißes Wasser und einen Kaffee aus.«

Sie sagt es laut genug, sodass es auch die Zuschauer vor dem Hotel und dem Restaurant hören können.

Er steht eine Weile still da, und er muss sich bemühen, ihre Worte zu begreifen und darüber nachzudenken.

Doch dann sagt er heiser und stöhnend: »Ja, eine Schüssel Wasser brauche ich bestimmt – für meine zerschlagenen Hände. Debbie, ich bin dir sehr dankbar.«

»Dann komm nur, Steve«, sagt sie und geht neben ihm her.

Sie begeht nicht den Fehler, ihn stützen oder führen zu wollen. Sie geht nur neben ihm her, ohne ihn zu berühren. Und alle, die ihnen nachsehen, können beobachten, dass er allein und ohne ihre Hilfe aufrecht gehen kann.

Obwohl er sehr in körperlicher Not ist, begreift er, was sie für seinen Stolz tut. Und er ist ihr dankbar dafür.

Er folgt ihr dann durch ihren Laden in die kleine Küche und setzt sich dort an den Tisch. Er lehnt sich im Stuhl weit zurück und erträgt seine Schmerzen, die überall am ganzen Körper sind. Er weiß, dass er ziemlich schlimm aussehen muss.

»Ich bin vollkommen närrisch, dass ich dir Mühe mache und dich so belästige«, sagt er plötzlich mühsam und will sich erheben. Doch er schafft es nicht. Seine Beine sind wie gelähmt.

Debbie sagt vom Herd her, den sie angefacht hat: »Bleib dort sitzen, großer Mann, oder ich schlage dir die Nudelrolle auf den Kopf. Jetzt brauchst du deinen verrückten Stolz nicht länger zu zeigen. Jetzt kann uns niemand mehr sehen. Mister, ich weiß nicht, ob du gewonnen hast und wie Kirby Padden aussieht. Das ist mir auch vollkommen gleich. Ich sehe nur, dass du ein vollkommen erschöpfter, zerschlagener und kranker Bursche bist. Ich will dir helfen! Hast du verstanden? Du kommst hier so schnell nicht mehr raus. Ich bin für eine Weile stärker als du.«

Er erwidert nichts. Ihm fehlt die Kraft. Er ist vollkommen ausgebrannt, und in seine Glieder strömt Blei. Und überall sind gemeine Schmerzen.

Er erinnert sich an den Kampf und erschauert.

Und dann sieht er, wie Debbie das Wasser auf den Herd setzt und Handtücher und einen Verbandkasten auf den Tisch bringt.

Sie trägt ein wunderschönes Kleid. Er begreift, dass auch sie auf der Hochzeit war.

Sie holt aus ihrem Geschäft ein grünes Flanellhemd, ein Unterhemd und eine rehbraune Lederweste von bester indianischer Arbeit.

Jetzt bindet sie sich einen weißen Kittel um und nimmt eine Flasche Whisky aus einem Schrank, und Steve wundert sich einen Moment darüber, dass sie solch ein Männergetränk im Haus hat.

»Nun können wir anfangen, Steve«, sagt sie etwas herb.

Sie stellt eine Schüssel heißes Wasser auf den Tisch, gießt genügend Whisky hinein und beginnt erst einmal damit, mit einem Schwamm all das Blut abzuwaschen. Der Whisky brennt in all den Wunden, und er schnauft bitter und sagt: »Es ist eine Verschwendung. Ich sollte den Whisky lieber trinken. Er heilt auch von innen.«

Sie lacht leise, hantiert dann am Herd und holt zwei Tassen. Sie gießt den fertigen Kaffee hinein und füllt in Steves Tasse genügend Whisky dazu. Als sie das Getränk zum Tisch bringt und abstellt, sagt sie: »Dieser Kaffee würde einen drei Tage alten Toten wieder aufwecken. Also trinke ihn!«

Er nimmt seine Hände aus der Wanne mit heißem Wasser, und als er die Tasse ergreift, kann er sie kaum halten.

Das heiße und starke Gebräu tut ihm gut.

»Du kannst schon für einen kranken Hund sorgen, Debbie«, sagt er langsam.

»Sag jetzt nur nicht, dass ich ein guter Kerl bin«, unterbricht sie ihn und beginnt, ihm die Risse mithilfe von Pflastern zu verschließen.

Dann lässt er sich von ihr in die beiden Hemden helfen. Sie muss sie ihm dann in den Hosenbund stopfen, denn seine Finger sind fast unbrauchbar.

»Mit wem warst du denn zum Hochzeitsball?«, fragt er plötzlich.

Steve denkt darüber nach, wie lange er sie schon kennt, und er vergleicht sie mit Reva.

Nun, sie ist nicht so schön wie Reva, die immer wie eine Prinzessin aus dem Märchen wirkt. Nein, Debbie ist anders. Es geht eine Menge von ihr aus, was so lebendig und natürlich ist.

»Ich war mit Morg Sherman zum Ball«, sagt sie plötzlich. Und dann stellt sie die Frage: »Oder mit wem hätte ich noch gehen können? Wer von den Männern in diesem Land ist sonst noch so beachtlich außer dir, Steve, außer Kirby Padden, außer Lonestar, deinem Vormann – und außer Morg Sherman?«

Er denkt über ihre Worte nach, und er begreift, dass sie stolz ist.

»Frits Stonebreaker wäre noch zu nennen«, murmelt er, und er fragt sich jetzt, wo dieser Freund sein könnte.

»Frits Stonebreaker hat noch eine Braut in Germany«, sagt sie. »Ich nehme Bräuten nicht die Männer weg.«

»Ah«, murmelt er und macht nun den Versuch, sich zu erheben. Es gelingt ihm einigermaßen. Doch er spürt Schmerzen überall.

»Ich danke dir, Debbie«, murmelt er. »Aber ich darf dir ja nicht sagen, dass du ein prächtiges Mädel bist – nicht wahr?«

Sie kommt plötzlich zu ihm – dicht an ihn heran. Und sie sieht zu ihm auf. Sie ist mittelgroß, schlank und hält sich sehr gerade.

»Du darfst es so nicht sagen«, spricht sie. »Nicht aus Freundlichkeit oder aus Dankbarkeit. Wenn du mir sagen willst, dass ich ein prächtiges Mädchen bin, dann darf das nicht nur eine freundliche Redensart sein. Pass auf!« Nach dieser Warnung stellt sie sich auf die Zehenspitzen und küsst ihn.

Er ist überrascht und voller Schmerzen. Doch er spürt ihr lebendiges Feuer, und so fasst er sie und erwidert mit seinen zerschlagenen Lippen den Kuss.

Und da weicht sie plötzlich zurück.

»He, das hätte ich nicht geglaubt«, sagt sie.

»Was?«

»Du hast Reva ja gar nicht geliebt! Du hast dich ja gar nicht wegen Reva mit Kirby Padden geprügelt!«

»Nein! Und ob ich Reva liebte? Nun, ich glaube doch. Aber sie entschied sich für Padden. Und du bist ein prächtiges Mädchen, Debbie. Wenn du mich küsst, so könntest du mich immer zum Leben erwecken.«

Sie schüttelt staunend den Kopf.

»Ich glaube wahrhaftig, du meinst es ernst, wenn du sagst, dass ich ein prächtiges Mädel wäre. Ich habe es gespürt. So schnell kannst du dich also trösten.«

»Du bist kein Mädel, mit dem ein Mann sich tröstet«, murmelt er auf eine schwerfällige Art. »Du bist etwas vollkommen Neues! Du bist wie das andere Ufer eines Flusses. Man muss den Fluss durchfurten und alles hinter sich am anderen Ufer lassen. So ist das!«

Er wendet sich ab und geht hinaus.

Steve holt vorsichtig Luft. Dann geht er um das Hotel herum, findet sein Pferd und reitet aus der Stadt. Zwei Meilen weiter trifft er auf Morg Sherman, der von der Seite her mitten auf der Poststraße reitet und ihm den Weg versperrt.

Die Nacht ist hell genug, sodass sie sich erkennen können.

☆☆☆

»Ich möchte einige Worte mit dir reden, Steve«, sagt Morg Sherman, der Vormann der Consul Ranch, also der Vormann Ambrose Consuls, des Vaters von Reva.

»Ich bin nicht besonders dazu aufgelegt, mich über irgendeine Sache zu unterhalten«, sagt Steve Braddok gepresst. Er hat angehalten, und das Stillsitzen auf dem ruhig stehenden Pferd ist eine Wohltat für ihn.

»Ich muss aber jetzt einige Worte mit dir reden«, beharrt Morg Sherman, und in seiner kühlen und präzisen Stimme klirrt jetzt eine leidenschaftslose Härte.

»Dann mach es kurz«, brummt Steve Braddok, und er versucht, seinen Verstand wach zu halten und aufmerksam zu sein.

»So kurz wie möglich«, erwidert Sherman kalt und kommt näher herangeritten. Ihre Steigbügel berühren sich nun, und ihre Pferde stehen so, dass sie sich die Schwänze um die Nasen schlagen können.

»Kirby Padden hat Reva geheiratet und wird die Consul Ranch übernehmen«, sagt Morg Sherman kühl. »Aber ich werde die Ranch auch weiterhin leiten, so wie bisher. Ambrose Consul war schon immer eine traurige Null, und jetzt ist er völlig aus dem Spiel.«

»Welches Spiel? Was für ein Spiel?« Steve Braddok ist nun wieder wach und angespannt. Obwohl ihm der Kopf schmerzt, arbeitet sein Verstand nun einigermaßen klar.

Morg Sherman schweigt einige Atemzüge lang.

»Ich hatte bisher nie etwas gegen dich, Steve«, murmelt er dann. »Und ich habe vorhin in der Hotelhalle auch deinen Kampf mit Kirby Padden gesehen. Du bist schon ein Bursche, der sich behaupten kann. Ich war nie dein Feind.«

»Na gut«, murmelt Steve Braddok.

»Doch wenn du jetzt glaubst, dich mit Debbie darüber hinwegtrösten zu können, dass du Reva nicht bekommen konntest, dann werden wir Feinde«, sagt Morg Sherman unnatürlich sanft.

Steve Braddok betrachtet ihn im Mondlicht, so gut er kann. Morg Sherman ist etwa so groß wie er, doch noch hagerer und sehniger. Bei seinem Anblick denkt man unwillkürlich an einen Wüstenwolf, in dem auch eine unheimliche Zähigkeit und Ausdauer vorhanden sind.

Morg Sherman ist ein guter Rindermann. Er versteht etwas von der Führung einer Ranch. Doch er ist zugleich ein eiskalter Revolvermann. Dies stellte er in den letzten Jahren mehrmals unter Beweis.

Und jetzt sprach er eine Drohung aus.

Steve Braddok aber spürt schon wieder – so krank und zerschlagen er auch ist – seinen alten, verwegenen Stolz, der keine Herausforderung unbeachtet lassen kann.

Und so fragt er kühl: »Ist Debbie mit dir verlobt? Ist sie so mit dir versprochen, wie Reva mir versprochen war? Ja? Dann will ich deinen Anspruch respektieren. Denn ich bin nicht Kirby Padden.«

»Nein«, erwidert Morg Sherman. »Sie war mit mir zum Hochzeitsball. Doch als du dann Hilfe brauchtest, lief sie seitwärts aus dem Hotel und kam rechtzeitig aus der Seitengasse, um dir zu helfen. Sie hatte sicherlich schon immer eine Schwäche für dich. Und jetzt, wo du wieder frei bist, wo Reva dich sitzen ließ, da ist sie nicht zu stolz, um sich dir an den Hals zu werfen. Doch ich lasse das nicht zu, Steve. Wenn du Debbie Callaghan nicht aus dem Weg gehst, dann wird es dir leidtun. Und ich kann dich auch schlagen, wenn du nicht mehr so krank und elend bist, Steve. Ich bin in diesem Land mit dem Revolver nicht zu schlagen – von dir nicht, von Kirby Padden nicht – und auch nicht von Jeremy Mogellan.«

Er will nach diesen Worten anreiten.

Doch Steve fragt nun heiser: »Du sagtest etwas von einem Spiel, Morg Sherman. Und ich fragte dich, was für ein Spiel es wäre.«

»Das alte Spiel«, brummt Morg Sherman. »Das alte Spiel um Weideland, um Rinder und Macht. Du hast bisher noch kein Vieh verloren, Mister, nicht wahr? Jeremy Mogellan und die ganze wilde Horde respektieren dich. Das wird jetzt anders, Mister.«

Er reitet nach diesen Worten zur Stadt zurück.

Steve Braddok aber sitzt regungslos im Sattel, und er müht sich mit brummendem und schmerzendem Schädel um klare Gedanken.

Und dann fällt es ihm wie ein Vorhang von den Augen nieder. Er sieht die ganze Sache mit einem Mal mit fast unwirklicher Deutlichkeit. Denn es ist ja ziemlich einfach.

Gewiss, er verlor die ganze Zeit keine Rinder an die Viehdiebe. Und er war die ganze Zeit mit Reva verlobt, galt als Ambrose Consuls zukünftiger Schwiegersohn, und Morg Sherman war nicht sein Feind.

Jetzt ist er nicht mehr mit Reva verlobt. Jetzt wurde schlagartig alles anders.

Jetzt wird Ambrose Consul, der ja nur noch ein müder Schatten seines früheren Selbst ist, die Ranch an seinen Schwiegersohn abtreten.

Und jetzt hat er sich Morg Sherman, der für Kirby Padden die Consul Ranch weiter wie bisher leiten soll, zum Feind gemacht.

Sollte es wirklich von der Consul Ranch eine Verbindung zu den Viehdieben geben, die von Jeremy Mogellan angeführt werden?

»Heiliger Rauch«, flüstert Steve heiser, »was ist nur hier im Powder Valley los? Und was war ich die ganze Zeit für ein blinder, dummer Narr.«

☆☆☆

Die Sonne wärmt schon kräftig, als er die Ranch erreicht. Und seine Reiter können ihn im Sonnenlicht gut betrachten.