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G.F. Unger ist der erfolgreichste deutschsprachige Western-Autor. Mit einer Rekordauflage von über 250 Millionen Exemplaren gehört er zur internationalen Spitzenklasse der Spannungsliteratur. Und das zu Recht!
Niemand vermag es wie er, die unermesslichen Weiten des amerikanischen Westens und die Stärke der unerschrockenen Männer, die sie erschlossen, zu beschreiben. Erleben Sie den amerikanischen "Wilden Westen", wie nur G.F. Unger ihn schildern kann: hart, authentisch, leidenschaftlich.
Dieser Sammelband enthält die Folgen 2473 bis 2475:
Der Inhalt dieses Sammelbands entspricht ca. 192 Taschenbuchseiten.
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Seitenzahl: 449
Veröffentlichungsjahr: 2022
G. F. Unger
G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 42
Cover
Impressum
Kilkennys Entscheidung
Vorschau
KilkennysEntscheidung
Als ich wieder einmal im Staub lag, wollte ich gar nicht mehr aufstehen. Das Pferdebiest, welches mich abgeworfen hatte, tanzte auskeilend von mir weg in die andere Ecke des Corrals. Und so gab es eigentlich keinen Grund, mich hastig zu erheben. Nun kam es gewiss nicht oft vor, dass mich ein Wildpferd abwerfen konnte. Doch ich hatte an diesem Tag schon fünf wilde Biester zugeritten und mich mit dem sechsten wohl etwas übernommen. Ich grinste schief zu meinem Helfer empor. Sonora grinste zurück. Auch er hatte schon harte Arbeit geleistet.
»Machen wir Feierabend«, sagte ich. »Es kommt wohl nicht drauf an, ob wir einen Tag eher zum Tequila und den Chicas kommen oder nicht. Nicht wahr?«
»Si, Amigo.« Er nickte. »Was nützen einem die schönsten Conchitas, wenn man sich Arme und Beine und wer weiß was noch bricht. Morgen ist auch noch ein Tag. Si.«
Aaah, es war schön, so im Staub zu liegen. Auch war es an diesem Spätnachmittag nicht mehr so heiß. Aber dann sah ich, wie Sonora den Blick hob, wie er auf einen bestimmten und gar nicht weit entfernten Punkt blickte. Wie sein Grinsen plötzlich erstarrte, kalt und hart wurde – und wie sich seine Rechte unauffällig zum Revolvergriff bewegte …
Aber dann krachte ein Gewehr. Und die Kugel fetzte ein Stück von Sonoras Revolvergriff weg. Wahrscheinlich wurde auch sein Pferd von den Splittern verletzt, denn obwohl es an Gewehr- und Revolverfeuer gewöhnt war, stieg es wiehernd in die Höhe.
Sonora – einer der besten Reiter, die ich jemals sah – lag plötzlich neben mir im Staub.
»Bleibt nur schön friedlich!« Eine etwas heiser klingende Stimme rief es scharf zu uns herüber. »Unser Gewehrschütze schießt euch sonst die Ohren ab!«
Das glaubte ich ihm. Und auch Sonora war überzeugt. Denn sein Colt war ruiniert. Den musste er zum Büchsenmacher bringen und dort einen neuen Kolben anfertigen lassen.
Aber würde er überhaupt noch einen reparierten Colt brauchen?
Wir erhoben uns langsam. Und nun sahen wir auch den Gewehrschützen. Er befand sich in Luftlinie nur knapp fünfzig Schritt von uns entfernt. Dort war im Canyon an der Westwand eine große Felsnase. Er lag dort oben und hatte einen erstklassigen Überblick.
Überdies kamen noch vier Reiter auf uns zu.
Und der erste der Reiter war sicherlich der Mann, der den Gewehrschützen dort hinaufgeschickt hatte. Das musste ein kluger und erfahrener Mann sein.
Und so sah er auch aus. Er ließ mich bei seinem Anblick an eine große, schwarze Katze denken. Sein Pferd war gleichfalls schwarz, ein riesiger Wallach, der trotz seiner gewiss gut dreizehnhundert Pfund so leicht ging wie ein Wüstenwolf.
Verdammt noch mal, waren das Banditen, die uns um die Früchte einer wochenlangen Arbeit bringen wollten?
Sonora und ich, wir hatten uns ein hübsches Rudel Wildpferde gefangen. Es waren genau drei Dutzend. Und alle hatten wir schon mehr oder weniger zugeritten. Auch das Biest, welches mich soeben abgeworfen hatte, würde ich am nächsten Tag schon klein bekommen haben.
Und dann hätten wir uns auf den Weg nach El Paso gemacht, wo ich mit dem Agenten der Post- und Frachtgesellschaft einen Vertrag hatte. Dieser Agent wartete wahrscheinlich schon auf Nachschub. Die Überlandlinien brauchten für ihre Expresskutschen immer wieder Pferde. Überall auf den Relaisstationen mussten frische Gespanne bereitgehalten werden. Und je häufiger die Kutschen in beiden Richtungen verkehrten, umso mehr frische Gespanne wurden benötigt.
Es war eine gute Zeit für Wildpferdjäger.
Nun, kommen wir zu dem Mann zurück, der auf dem großen Pferd dahergeritten kam und bei dessen Anblick ich an eine große, schwarze Katze denken musste.
Er und seine Begleiter ritten Pferde mit den gleichen Brandzeichen. Das beruhigte mich etwas. Sie waren also keine Banditen, sondern eine Ranch-Mannschaft.
Das Brandzeichen war ein verschnörkeltes H. Es sah fast aus wie ein Spanish Bit, also eine spanische Kandare.
Aber ich erinnerte mich, dass es in dieser Gegend eine große Ranch geben sollte. Und ich hatte auch schon einige Geschichten über Elroy Hackmaster gehört. Diese Geschichten gab es zu beiden Seiten der Grenze.
Verdammt, waren wir bei der Wildpferdjagd in das Gebiet der Hackmaster Ranch geraten?
Und wenn das so war, dann kannte ich auch den Mann da auf dem Pferd.
Ja, es musste Big Cat Halsey sein, Hackmasters Erster.
Ich klopfte mir mit dem Hut den Staub ab, aber ich hütete mich, nach meinem Colt zu greifen. Deshalb hielt ich den Hut beim Klopfen auch in meiner Revolverhand.
Von dem Gewehrschützen sah ich nur den großen Hut, eine große Feder daran und ein wenig von seinem Gesicht mit dem Bart. Und natürlich das Gewehr.
Big Cat Halsey sah vom Sattel auf uns nieder. Er wirkte auf den ersten Blick etwas schwammig. Aber das täuschte. Es waren Muskeln, pralle, spielende Muskeln. Sein rundes Gesicht wurde von einem Schnurrbart wahrhaftig zu einem Katergesicht gemacht.
Big Cat Halsey grinste. »Na, ihr seid nicht gerade faul«, sagte er. »Ich werde euch eine Prämie zahlen – für jedes Pferd einen Dollar zusätzlich zum Lohn. Das ist gewiss großzügig. Wie lange wart ihr als Pferdefänger für uns tätig? Zwei Monate, ja? Unsere Reiter bekommen fünfundzwanzig im Monat. Euch gebe ich dreißig. Und natürlich zehn Dollar extra, weil ihr euch selbst verpflegen musstet. Ihr habt euch alles redlich verdient.«
Er holte Geld aus der Tasche seiner Jacke hervor, zählte ab, rechnete, zählte abermals ab und hielt mir dann das Geld hin.
»Na?«, fragte er, und in seinen Augen erkannte ich seine wilde Freude, seine Heimtücke und noch ein paar andere Dinge, die in mir alles alarmierten.
»Erkläre mir das noch genauer«, sagte ich. »Ihr seid von der Hackmaster Ranch, und du selbst bist wahrscheinlich Halsey. Also, das habe ich schon begriffen. Aber dass wir für euch gearbeitet haben …«
»Vielleicht nicht?«, schnappte er, und in seiner Kehle war ein fauchendes Lachen. »Habt ihr vielleicht nicht auf dem Gebiet der Hackmaster Ranch Pferde gefangen? Seid ihr etwa Pferdediebe, die wir hängen müssen?«
Er fragte es ganz glatt, freundlich und ohne besondere Betonung. Wahrscheinlich hätte er eine Menge harmloser Burschen damit getäuscht. Sie wären darauf hereingefallen, hätten die Gefahr gar nicht erkannt.
Aber ich sah in seinen Augen, dass er nicht bluffte. Der würde uns auch hängen, und ich hatte die Wahl. Jawohl, ich konnte es mir jetzt aussuchen.
Entweder nahm ich das Geld und verkaufte ihm die Pferde dann sozusagen für fünf Dollar das Stück – oder sie behandelten uns wie Pferdediebe.
Oh, ich hätte ihm erklären können, dass wir die Pferde gewiss nicht auf dem Ranch-Gebiet aufgespürt und gejagt hatten. Wir waren jenseits der Grenze gewesen, als wir die Tiere aus dem Canyon jagten. Und dann hatte es eine tagelange Jagd gegeben, die hier in diesem Sackcanyon endete. Weil wir ihn als natürlichen Corral benutzen konnten, waren wir hier geblieben.
So war das. Aber er hätte das alles nicht anerkannt. Er wollte unsere Pferde, und er war bereit, uns zu hängen oder zumindest erschießen zu lassen, sollten wir nicht auf sein Spiel eingehen.
Er war eine große Katze, die mit zwei Mäuserichen spielte.
Ich starrte noch mal drei Atemzüge lang in seine Augen. Dann nahm ich das Geld.
Sein Grinsen war wieder da. Er brachte ein Notizbuch zum Vorschein und fragte: »Wie sind eure Namen? Ihr müsst mir noch quittieren. Also, eure Namen.«
»Pat Kilkenny«, sagte ich.
»Sonora – einfach nur Sonora«, murmelte mein Helfer höflich.
Big Cat Halsey betrachtete ihn mit einem schrägen Blick.
Dann machte er auf dem Oberschenkel in seinem Buch eine Eintragung. Wir mussten zu ihm treten und unterschreiben. Ich staunte, dass Sonora tatsächlich seinen Namen schreiben konnte. Er malte ihn hin, wobei seine Zungenspitze mitschrieb.
»Jetzt könnt ihr reiten«, sagte Big Cat Halsey. »Ihr habt erstklassige Arbeit geleistet. Wenn ihr wollt, bekommt ihr wieder solch einen Job. Wollt ihr?«
»Vielleicht später«, sagte ich. »Erst wollen wir nach El Paso. Ich werde an dein Angebot denken, Halsey. Wahrscheinlich würde ich stolz sein, unter solch einem Vormann für solch eine großartige Ranch zu reiten. Ich habe schon viel über euch gehört.«
Ich sagte es todernst.
Und er passte auch genau auf, ob ich etwa grinste oder sonst etwas tat, was meine Worte zweideutig machen würde.
Doch ich war ernst wie in der Kirche.
Er nickte: »Ja, da kannst du auch stolz sein, wenn du in solch einer Topmannschaft reiten wirst.«
Er entließ mich mit einer Handbewegung.
Mich juckte es einen Moment in meiner Linken. Sie war meine Revolverhand. Ich hätte ihm gern mal gezeigt, wie schnell ich war. Vor ihm und seinen drei Hombres hatte ich gar nicht so große Angst.
Doch der Mann mit dem Gewehr auf der Felsnase hätte mich sofort erwischt.
Diesem Big Cat Halsey war aber auch noch ein weiterer Trick zuzutrauen. Der hatte gewiss auch noch einen fünften Mann dabei.
Nein, es war besser, sich bescheiden davonzuschleichen.
Hier nicht und jetzt nicht, dachte ich.
Und so packten Sonora und ich unsere Siebensachen zusammen, taten alles auf unser Packmaultier und stiegen in die Sättel.
»Amüsiert euch gut in El Paso«, sagte Big Cat Halsey hinter uns her – und es hörte sich an, als meinte er es wirklich so.
Wir hörten ihn dann noch lachen, nachdem wir schon ein Stück in der Dämmerung geritten waren.
Sonora begann zu fluchen. Aber er fluchte nicht lange, denn er war zu klug. Ein fluchender Mann ist wie ein kläffender Hund. Schweigen und Handeln ist besser.
»He, Compadre«, sagte ich zu ihm, »es war nicht ganz umsonst. Wir haben jeder sechzig Dollar Arbeitslohn, zehn Dollar für Verpflegung und achtzehn Dollar Prämie. Das sind immerhin achtundachtzig Dollar für jeden. Das ist doch besser als nichts.«
Zuerst glaubte er wahrhaftig, ich meinte es so, wie ich es sagte, und wäre ein bescheidener Bursche, dem der Schreck in der Hose saß und der froh war, so gut weggekommen zu sein.
Erst dann erkannte er meine kalte Wut.
»Wir haben jeder mehr als vierhundert Dollar bei dieser Sache verloren«, sagte er. »Das ist eine Menge Geld, nicht wahr? So kurz nach dem Krieg ist jeder Dollar so groß wie ein Wagenrad. Und wir lassen uns mehr als achthundert Dollar einfach so abnehmen. Wollen wir umkehren und es den Hundesöhnen zeigen?«
Er wollte also kämpfen. Doch ich schüttelte den Kopf. Obwohl es Nacht war, konnte Sonora das gewiss sehen. Denn er hatte die Augen einer Eule.
»Wozu?«, fragte ich. »Vorerst haben wir etwas Geld für einen Spaß in El Paso. Den Rest holen wir uns schon noch. Warum sollen wir kämpfen? Dieser Big Cat Halsey hat gewiss nicht nur den Gewehrschützen in der Hinterhand, der deinen Revolver ruinierte. Wie willst du mit diesem Colt überhaupt richtig schießen? Und mit dem Gewehr wärest du nicht schnell genug. Sie sind nicht nur fünf, sondern mindestens sechs Mann. Aaah, wir werden schon rausbekommen, was sie mit unseren Pferden machen. Freu dich auf dein Mädchen in El Paso, Amigo. Wir haben einen recht großen Vorschuss in der Tasche.«
Ich endete knirschend, und er wusste nun Bescheid.
Wahrscheinlich kannte er mich nun erst richtig.
Jetzt wusste er, dass man mir nicht mal einen Hosenknopf ungestraft wegnehmen konnte. Und so war es auch wirklich. Ich hatte schon als kleiner Junge gelernt, mir nichts wegnehmen zu lassen.
Dieser Big Cat Halsey hätte uns wahrscheinlich besser hängen sollen. Dieser Narr hatte uns ein Rudel Pferde gestohlen und uns dann laufen lassen.
Ja, er war ein Narr.
☆☆☆
Drei Tage später hatte ich El Paso auf allen nur möglichen Gebieten ausprobiert und setzte mich mit meinen letzten achtzehn Dollar an einen Pokertisch.
Sonora hatte ich längst aus den Augen verloren. Der hatte irgendwo im Mexikanerviertel eine Conchita gefunden, die ihm das Paradies auf Erden bereitete. Er ließ mir das durch einen Jungen sagen, der mich im Silverpeso leicht finden konnte, denn er brauchte nur nach einem Mann mit roten Haaren und hellen Augen zu suchen, der etwas mehr als sechs Fuß groß war. Davon gab es nicht viele in El Paso.
Sonora tröstete sich also.
Ich aber hatte das wahre Glück nicht gefunden und wollte mich nun in der hartgesottenen Pokerrunde behaupten.
Nun, das war nicht einfach. Doch nach acht Stunden hatte ich mehr als hundert Dollar. Und nun hätte ich mich eigentlich erheben sollen, um mit dem Vergnügen noch mal von vorn anzufangen.
Aber ich wollte nicht – jedenfalls nicht bei den Flittchen in den Tingeltangels. Und überdies hätten einige Burschen der Pokerrunde gemurrt, weil ich mich ohne Revanche mit meinem Gewinn nicht einfach davonschleichen konnte.
Ich spielte also weiter – die ganze Nacht durch.
Am nächsten Morgen besaß ich mehr als zweihundert Dollar.
Dafür konnte ich aber kaum noch aus meinen geröteten Augen blicken. Zwanzig Stunden Poker – und davor drei Tage und Nächte nichts anderes als Feuerwasser und Mädchen, he, das alles konnte auch einen zähen Burschen wie mich fast umbringen.
Ob Sonora in einem schönen Bettchen schlief und das Frühstück ans Bett gebracht bekam?
Bei diesem Gedanken bekam ich plötzlich große Sehnsucht nach einem Bett und langem Schlaf. Ich sagte das der Pokerrunde, und diesmal hatte niemand etwas dagegen, denn sie alle waren nicht munterer als ich. Auch hatten sie begriffen, dass sie mich nicht schlagen konnten. Sie wollten alle erst mal schlafen.
Nun, ich war zufrieden. Aus achtzehn Dollar hatte ich mehr als zweihundert gemacht. Die Sache war einträglicher gewesen als der Wildpferdfang, setzte man die Summe in Relation zum Zeitaufwand.
Ich sammelte gerade meine Dollars vom Tisch und freute mich schon auf das Bett, als – ja, als Big Cat Halsey kam.
Zuerst sah er mich gar nicht. Er kam also nicht meinetwegen, sondern nur, um seinen Durst zu löschen.
Doch noch bevor er am Schanktisch sein Bier bekam, sah er mich. Er begriff auch sofort, dass sich hier eine stundenlange Pokerpartie auflöste. Auch die anderen Spieler zählten noch ihr Geld, tranken noch was und machten Witze über ihr Pech im Spiel, dem doch eigentlich Glück in der Liebe folgen müsste.
Big Cat Halsey kam mit dem noch halb vollen Bierglas in der Hand zu mir herüber. Er grinste, prostete mir zu und sagte: »Na, Red, gut amüsiert? Und gewonnen hast du auch, wie ich sehe. Du hast wohl immer eine Menge Glück, Bruder? Probier es mal mit mir. Spielen wir mal um zehn Dollar. Wer die höchste Karte hat, gewinnt. Los, Junge!«
Ich trank den Rest aus meinem Glas. Mein Geld hatte ich schon weggesteckt, indes er an den Tisch getreten war.
Nun erhob ich mich, sodass nur der Tisch uns trennte.
Einen Moment dachte ich an die Launenhaftigkeit des Schicksals.
Es hatte ihn und mich nun zum zweiten Mal innerhalb einer Woche zusammengeführt, nachdem wir zuvor nichts von unserer Existenz wussten.
Ich erhob mich und sagte: »Mit dir spielen? He, das fehlte mir noch zu meinem Glück! Junge, ich spiele nur mit Gentlemen, mit richtigen, sauber gewaschenen, ehrenwerten Leuten. Wenn du über dich etwas nachdenkst, musst du doch selbst zugeben, dass du ein verdammter Drecksack und ganz bestimmt nicht ehrenwert bist.«
Natürlich war es blöd von mir, ihn nicht nur abzuweisen, sondern auch noch zu beleidigen. Doch ich hatte schon bei unserem Kennenlernen vor einer Woche von der ersten Sekunde an keine Furcht vor ihm gehabt. Ich war nur klug genug gewesen, mich nicht in einen aussichtslosen Kampf einzulassen.
Jetzt war es anders.
Aus welchen Gründen auch immer er hier hereingekommen war,
zufällig oder um einen Mann klein zu machen, jetzt brauchte ich nicht mehr damit zu rechnen, dass jemand mich aus dem Hinterhalt mit einem Gewehr abschoss.
Und ich spürte abermals keine Furcht.
Er warf mit der einen Hand das leere Glas nach meinem Kopf und wischte mit der anderen Hand den schweren Pokertisch zur Seite, so, als wäre er nur eine leere Kiste.
Und dann kam er auch schon.
Sie nannten ihn Big Cat, »Große Katze«. Und diesem Kriegsnamen machte er alle Ehre. Er war so schnell wie ein Puma. Und er war zugleich stark wie ein Büffelbulle.
Nun, ich konnte mich auch sehen lassen, wenn es um Schnelligkeit, Zähigkeit und Stärke ging.
Ich gab es ihm.
Jawohl, ich gab es ihm, obwohl er es mir schwer machte, mich auch einige Male am Boden hatte und es zweimal so aussah, als hätte er schon gewonnen.
Doch ich stand immer wieder auf, machte weiter – und dann zeigte es sich langsam, dass er unter Luftmangel litt. Ich merkte es an seinen Schlägen, denn die wurden immer harmloser.
Er ging fünfmal zu Boden, quälte sich fünfmal hoch – und blieb beim sechsten Mal endlich liegen.
Ja endlich!
Ich sah mich um, wollte erkennen, ob Freunde von ihm hereingekommen waren. Aber ich erkannte noch nichts. Vor meinen Augen waren nur Schatten, feurige Kreise – und erst dann begann ich alles undeutlich zu erkennen.
Aber dann kam ein Mann und reichte mir einen Colt. »Das ist dein Colt«, sagte er. »Den hast du verloren. He, ich hätte nicht geglaubt, dass Big Cat Halsey von einem Mann besiegt werden könnte.«
Er trat wieder zurück.
Ich hielt nun meinen Colt in der Hand. Dieser mir unbekannte Mann – er sah wie ein Cowboy aus – hatte mir wirklich einen großen Dienst erwiesen. Nun war ich wenigstens wieder bewaffnet.
Es war jetzt gewiss besser, zu gehen.
Und das tat ich.
Hinter mir wurde dann das Gemurmel der Gäste und Zuschauer lauter. Ich hörte noch eine Stimme rufen: »Wer war dieser Rotkopf? Heiliger Rauch, für diesen Kampf würde ich – könnte ich ihn noch einmal sehen – einen ganzen Monatslohn hergeben. Heiliger Rauch, wer war das? Der hat ja Big Cat …«
Mehr hörte ich nicht. Ich hatte auch viel zu sehr mit mir selbst zu tun, um auf das Gerede der Zuschauer zu achten.
Ich taumelte durch die Schwingtür hinaus und stützte mich draußen immer wieder an die Hauswände, stolperte über die Gassenmündungen.
Zweimal musste ich verschnaufen.
Dann kam ich an einen kleinen Platz, auf dem Straßen und Gassen mündeten. Hier war auch ein Brunnen. Der große Wassertrog daneben war gefüllt. Ich steckte meinen Kopf hinein und kühlte auch meine anschwellenden Hände.
Aaah, das tat gut.
Dann hörte ich jemanden kommen. Es musste ein Betrunkener sein, der ebenfalls seinen Kopf kühlen wollte.
Aber dann hörte ich ihn fluchen und seufzen.
Da sah ich im ersten grauen Morgenlicht, dass es Sonora war. Er musste rechts von mir aus einer Gasse des Mexikanerviertels gekommen sein.
Bei der Missionskirche begann die Glocke zu läuten. Jeder Glockenschlag war wie ein Schlag mit der Keule auf meinen armen Kopf. Ich hielt ihn fest, damit er nicht platzte.
Aber ich sah Sonora dabei an.
Als er seinen Kopf aus dem Wassertrog nahm, um Luft zu schnappen, staunte er.
»Ayayay, bist du vielleicht Kilkenny?«, fragte er unsicher, und seine Stimme klang gar nicht gut, eher gequält.
Ich tauchte erst noch einmal unter. Dann erst, nachdem ich eine Weile im Wasser prustete, sah ich ihn wieder an.
»Ich denke«, fragte ich, »du hast bei deiner Conchita den Himmel auf Erden?«
»Das hatte ich auch«, schnaufte er und betastete sein zerschlagenes Gesicht. »Ich hielt es für die große Liebe. Ich wohnte in ihrem Haus und spielte mit ihren Kinderchen. Das Kleinste sagte schon Papa zu mir. Aber dann sagte mir diese feine Chica einfach, dass ich endlich mal bezahlen müsste. Verstehst du? Bezahlen! Für Essen, Trinken, Liebe, Unterkunft – für alles sollte ich bezahlen. Als ich ihr sagte, dass meine Liebe ebenfalls teuer wäre und sich das alles doch wieder ausgliche, da rief sie ihre Brüder und auch die Brüder ihres verstorbenen Mannes. Sie verprügelten mich. Das war leicht, denn ich war betrunken. Sie nahmen mir alles, was mir zu nehmen war, und warfen mich hinaus auf die Gasse. Ich muss dort einige Stunden gelegen haben. Kilkenny, diese Welt ist verdammt schlecht. Was ist dir denn passiert?«
Er war plötzlich sehr aufmerksam. Das Wasser hatte ihn offensichtlich ernüchtert.
»Mir ist nichts passiert«, sagte ich. »Aber diesem Big Cat Halsey ist eine Menge geschehen. Der konnte nicht mehr aufstehen. Ich hab’s ihm gegeben, Sonora. Doch jetzt muss ich mich erst mal ausruhen. Gehen wir zu unseren Pferden in den Mietstall, ja?«
Er sah mich an, grinste, kam dann zu mir – und dann gingen wir Arm in Arm, gelangten irgendwann zum Mietstall und verkrochen uns auf dem Heuboden.
☆☆☆
Als ich erwachte, war es später Nachmittag. Ich erkannte das an der Sonne, die von Westen durch ein Loch im Dach schien. Sie stand schon ziemlich tief.
Neben mir schnarchten zwei Männer. Einer davon war Sonora. Dass Sonora schnarchte, war mir neu. Doch dann erinnerte ich mich daran, dass seine Nase ziemlich breit geklopft worden war. Deshalb schlief er nun wohl mit offenem Mund und schnarchte wie ein Eber.
Aber wer war der andere Bursche?
Ich wollte mich aufsetzen, doch dann merkte ich, dass dies gar nicht so einfach ging. Ich war verkrampft, steif. Ja, ich kam mir vor wie ein rheumakranker Greis. Und überall waren Schmerzen, sobald ich mich bewegte oder auch nur versuchte, meine Muskeln arbeiten zu lassen.
Schließlich schaffte ich es doch, mich aufzusetzen. Aber ich fluchte bitter, als ich meine Hände betrachtete. Die Knöchel waren angeschwollen, sodass ich die Finger kaum bewegen konnte.
Ich würde nicht mal mit Messer und Gabel essen können. Und einen Knopf zuknöpfen konnte ich gewiss nicht.
Ich sah den anderen Schnarcher an – und da machte er sofort den Mund zu und die Augen auf, so, als hätte ich ihn an der Schulter geschüttelt und angerufen.
Zuerst grinste er blöd.
Dann aber sagte er: »Na, jetzt geht’s wohl schon besser – oder?«
Ich erkannte ihn nun. Es war jener Bursche, der mir im Saloon den Colt gebracht hatte.
Ich nickte ihm zu und grinste.
»Mir geht es prima«, sagte ich. »Ich werde mich jetzt jede Woche einmal mit einem Burschen wie Big Cat Halsey prügeln, nur um danach immer wieder dieses schöne Glücksgefühl zu spüren, welches ich jetzt überall habe.«
Ich fluchte dann noch, aber das war nicht nötig, denn er wusste auch so, wie ich es meinte.
»Von der Sorte wie Halsey gibt es nicht viele«, sagte er. »Die hast du bald alle durch. Und Halsey prügelt sich nicht mehr mit dir. Der lässt dich jetzt verprügeln, sobald sich das machen lässt. Darauf kannst du wetten. Oder er wird bei deinem Anblick nach dem Colt greifen. Aber du bist gewiss nicht schlecht mit dem Colt, Bruder. Ich habe deine Waffe aufgehoben und eine Weile in der Hand gehalten, bevor ich sie dir geben konnte. Ich weiß, was das für eine Waffe ist. Keine normale Waffe. Nein! Das Ding hat keinen Abzug, kein Korn vorn auf dem Lauf. Und der Kolben ist ausgegossen. He, mit solch einem Ding schießen nur Künstler.«
Er betonte das letzte Wort und gab ihm damit die Zweideutigkeit.
Dann erhob er sich und kletterte die Treppe hinunter. Ich konnte ihm nur mühsam und voller Schmerzen folgen. Oh, mir war gar nicht gut. Doch ich musste etwas für meine Hände tun. Ich konnte nicht länger mit angeschwollenen Händen im Heu liegen.
Bei den Wassertrögen traf ich den Hombre wieder, sah zu, wie er sich frisch und munter machte, indes ich nur meine Hände in das kühle Wasser hielt.
Aaah, das tat gut.
»Du kennst Halsey wohl gut?«, fragte ich den Hombre, indes dieser sich mit seinem Halstuch abtrocknete.
»Und ob ich den kenne«, grinste er. »Ich bin mal für die Hackmaster Ranch geritten. Ein ganzes Jahr lang. Dann hat Halsey mich rausgeworfen. Jetzt frag mich mal, warum.«
»Warum?«, fragte ich auch schon.
»Ich sollte einem Siedler die einzige Milchkuh erschießen«, sagte er da ernst. »Es hatten sich einige Siedler auf der Weide niedergelassen, die Hackmaster für sich beansprucht. Halsey ritt mit einem halben Dutzend von uns los, um den Siedlern Beine zu machen. Ich sollte dann die Milchkuh erschießen. Und die Siedlerfamilie stand dabei. Ein verprügelter Mann, eine Frau mit einem Säugling auf dem Arm und drei anderen Kindern an der Schürze. Die Milchkuh war ihr kostbarster Besitz. Ich weigerte mich. Halsey erschoss dann selbst das Tier und jagte mich zum Teufel. Sie blieben mir sogar einen halben Monatslohn schuldig, die Schufte. Sonst noch Fragen?«
Er fragte es mich etwas spöttisch.
Ich nickte. »Wir werden zusammen zum Abendessen gehen«, sagte ich. »Und dabei kannst du mir alles über Halsey, seinen Boss Hackmaster und die Ranch erzählen. Denn du musst wissen, dass sie mir achthundert Dollar schulden.«
Ich steckte nach meinen Worten endlich auch meinen Kopf ins Wasser.
Als ich ihn herausnahm, weil mich die Atemnot plagte, sagte der Mann zu mir: »Das ist eine Menge Geld, Hombre. Wenn du diese Summe bekommen solltest, hab ich dann eine Chance, auch mein Geld zu erhalten? Mein Name ist Johnny Banks. Die schulden mir noch fünfzehn Dollar.«
Ich bewegte meine geschwollenen Hände im Wasser, ballte sie zu Fäusten und versuchte Fingerübungen zu machen wie ein Klavierspieler.
»Gehen wir essen«, sagte ich. »Und wenn du mir genug erzählst, leg ich die fünfzehn Dollar aus und kassiere sie dann mit meinen achthundert. Gehen wir essen, Amigo.«
☆☆☆
Als ich später dann wieder bei Sonora war, schnarchte dieser immer noch.
Ich hielt ihm den Mund zu. Und weil er durch seine angeschwollene Nase keine Luft bekam, wachte er endlich auf.
»Oh, Chica«, sagte er, »willst du mich nicht schlafen lassen?«
»Ich bin nicht deine Chica, von deren Brüdern und Schwägern du weich geklopft wurdest«, knirschte ich. »Ich bin der liebe Pat.«
»Ach, du«, maulte er. »Ich träumte gerade von Chica. Sie war wieder gut zu mir, und ich brauchte nichts zu bezahlen. Ich hatte alles umsonst. Ihre Kinderchen sagten Papa zu mir. Und ihre Brüder und Schwäger hatten mich als Familienoberhaupt anerkannt. Ay, was war das schön! Was willst du denn, du verdammter Ire?«
»Die achthundert Dollar holen«, sagte ich. »Das wären vierhundert für dich. Aber ich hole sie mir auch allein. Aber dann bekommst du nichts davon ab. Hast du mich verstanden, Träumerchen?«
Er hatte – und er wurde nun so schnell wach wie eine schlafende Katze, der man auf den Schwanz tritt.
Ja, er kam hoch und sagte: »Na, dann habe ich mich also doch nicht getäuscht, Compadre. Was ist ein schöner Traum von Chica gegen vierhundert Dollar und die Aussicht auf einen Spaß? Wo bekommen wir unser Geld?«
»Auf der Hackmaster Ranch«, sagte ich. »Und wir haben jetzt eine gute Chance, weil Big Cat Halsey noch in einem Hotelzimmer liegt und seine Prügel verdaut. Wir müssen jetzt reiten, so schwer es uns auch fällt.«
»Hast du was zu essen mitgebracht?«, fragte er nur.
Ich hatte.
☆☆☆
Nun, es war alles recht einfach. Denn der Weg war leicht zu finden. Wir mussten auf der Texasseite von El Paso am Fluss entlang. Zu unserer Linken erkannten wir am klaren Sternenhimmel die Guadalupe Mountains mit dem El Capitan Peak. Rechts neben uns war der Rio Grande. Wir mussten etwa zwanzig Meilen weit reiten. Dann bogen wir nach Osten ab und kamen weiter hinauf in grüne Hügel.
Als es Tag wurde, befanden wir uns auf einem bewaldeten Hügelkamm und sahen von einer Terrasse aus auf die Hackmaster Ranch nieder.
Jener Johnny Banks, dem ich die fünfzehn Dollar gab, die ihm Hackmaster schuldig blieb, hatte mir alles haargenau beschrieben.
Wir betrachteten eine Weile schweigend die große Ranch.
Jawohl, dies war die Ranch eines Rinderkönigs, eines Cattle Kings. Das Haupthaus war imposant, zweistöckig. Im Bunkhouse der Mannschaft hatten gewiss drei Dutzend Reiter Platz.
Dort unten war also ein Mann, der es geschafft hatte.
Wie viele Menschen mochte er dabei in den Dreck getreten und betrogen haben?
Sonora und ich, wir sahen die große Ranch allmählich dort unten in Gang kommen. Schornsteine begannen zu rauchen. Männer bewegten sich da und dort bei den Ställen und Corrals. Sie kamen aus ihren Quartieren, wuschen sich an den Wassertrögen beim Brunnen. Und aus den Mexikaner-Quartieren gingen sie in Gruppen hinaus auf die Felder und Äcker, denn auch diese gehörten zur Ranch.
Die Sonne kam hoch. Sonora und ich waren müde. Ich wollte mich schon für zwei oder drei Stunden aufs Ohr legen, da sah ich etwas, was mich wieder hellwach machte.
Elroy Hackmaster kam heraus.
Ich wusste sofort, dass er es war und keiner seiner Leute.
Denn erstens kam er aus dem Haupthaus auf die Veranda. Zweitens war eine Frau bei ihm. Und drittens wartete schon lange ein Mexikaner-Bursche mit einem wunderschönen, löwengelben Pferd.
Er blieb auf der Veranda stehen, nahm das Gesicht der Frau in beide Hände und küsste sie behutsam. Ja, es war eine herzliche Geste. Er war ein großer Mann von gewiss zweihundert Pfund. Sie aber wog kaum mehr als die Hälfte. Sie war zierlich, und ihr gelöstes Haar fiel lang herab. Es war noch roter als meines und glänzte in der ersten Morgensonne wie poliertes Kupfer.
Dieser Elroy Hackmaster war ein zweibeiniger Löwe. Ja, er war imposant wie seine Ranch. Und er hatte die schönste Frau, die ich jemals gesehen hatte. Obwohl sie nur einen Morgenrock trug und barfuß in den Pantoffeln stand, konnte es da keinen Zweifel geben.
Sie war schön.
Elroy Hackmaster trat zu seinem Pferd, saß auf und jagte davon. Es sah fast so aus, als wäre er wütend oder müsste sich durch einen wilden Ritt abreagieren.
Ich sah auf die Frau.
Sie stand noch immer mit hängenden Armen auf der Veranda und sah ihm nach. Ihre Schultern senkten sich für einen Moment. Es war eine Geste der Resignation.
Doch dann kehrte sie wohl wieder in die Wirklichkeit zurück. Sie wirkte plötzlich stolz und beherrscht, ganz und gar wie die Herrin auf einer Burg.
Dann sah sie sich um.
Ein paar Männer, die sie beobachtet hatten, wandten sich schnell wieder ihren Arbeiten zu.
Der Mexikanerjunge rannte zu den Corrals.
Von einer entfernten Weidekoppel wurde nun von einigen Reitern ein großes Rudel Pferde herbeigetrieben und auf drei Corrals verteilt.
Sonora begann zu fluchen.
Denn die Pferde dort unten, das waren unsere Tiere.
Offenbar sollten die Tiere in den Corrals nochmals zugeritten werden, sodass sie für die Rinderarbeit zu gebrauchen waren.
Ein gutes Rinderpferd aber musste man viele Monate abrichten und schulen. Pferde waren Gewohnheitstiere, denen man alles geduldig beibringen musste.
»Jetzt können wir also sehen«, brummte Sonora, »wie sie unsere guten Pferde für sich selbst abrichten. Ob die ganze Ranch auf solch billige Weise zusammengestohlen wurde?«
Ich gab ihm keine Antwort. Ich wollte schlafen, um am Abend besser für diesen Hackmaster gewappnet zu sein.
Denn dieser Bursche – das hatte ich schon von hier oben erkannt – war eine Nummer größer als sein Vormann. Mit dem würde ich es bedeutend schwerer haben – und dies auf jedem Gebiet.
☆☆☆
Uns entging an diesem Tag nicht die geringste Einzelheit auf der großen Ranch. Am späten Nachmittag sahen wir Elroy Hackmaster zurückgeritten kommen. Er ging federnd und geschmeidig die drei Verandastufen empor.
Oben wartete schon die schöne Frau auf ihn. Er nahm ihr Gesicht wieder in die Hände und küsste es.
Dann gingen sie hinein.
Auch Sonora hatte inzwischen einige Stunden geschlafen. Wir hatten unsere Pferde versorgt und uns selbst mit dem kühlenden Quellwasser gepflegt. Unsere Schwellungen waren etwas zurückgegangen. Auch meine Hände waren wieder besser zu gebrauchen.
Wenn ich zu Elroy Hackmaster kam, würde ich meinen Revolver in der Hand halten können.
Big Cat Halsey war noch nicht zurück. Der pflegte vielleicht noch seinen von meinen Fäusten so geprügelten Körper oder wollte sich so grün und blau geschlagen nicht vor seinem Boss und den Reitern der Ranch blicken lassen. Ich konnte das gut verstehen.
Der Abend kam. Wir aßen vom kalten Proviant, für den ich gesorgt hatte. Dann warteten wir auf die Nacht. Sie kam schnell. Die Hitze des Tages verwandelte sich in angenehme Kühle. Mond und Sterne wurden klar. Die strahlende Nacht begann.
Nun, Elroy Hackmaster würde gewiss nicht strahlen vor Freude, wenn wir mit ihm fertig waren.
Da wir uns von oben alles genau angesehen hatten, kannten wir uns unten schon gut aus. Wir wussten genau, welchen Weg wir mit unseren Pferden nehmen mussten, wo keine Wächter sein würden und wo wir unsere Tiere zurücklassen konnten.
Wächter waren nur bei den Corrals und Weidekoppeln. Und um das Mannschaftsrevier mussten wir einen Bogen schlagen. Denn dort würde vielleicht jemand auch noch später in der Nacht draußen Luft schnappen.
Etwa zwei Stunden vor Mitternacht schon wurde alles ruhig. Die Lichter verloschen da und dort, und auch die letzten Glühpunkte der Zigaretten verloschen.
Nur im Haupthaus brannte dann noch das Licht.
Sonora und ich, wir machten uns auf den Weg. Wir führten unsere Pferde vorsichtig hinunter und näher an die Ranch heran. Es gab da einen gewaltigen Walnussbaum, in dessen Schatten wir die Pferde ließen. Bis zum Haupthaus hinüber waren es nun nur noch fünfzig Schritte.
Wir brauchten nicht mal besonders leise zu sein, denn drinnen im Haus spielte jemand auf einem Klavier, und es war gewiss kein schlechtes Klavier, wie man es in den Saloons da und dort bewundern konnte – nein, es musste ein Flügel sein. Der Klang war viel schöner, voller und – nun, ich weiß nicht, wie ich es als Laie nachträglich beschreiben soll. Ich hatte jedenfalls noch niemals ein Klavier so schön und voll klingen gehört. Und da ich einmal irgendwo gelesen hatte, dass es so genannte Flügelklaviere geben soll – ich sah sie auch abgebildet -, da wusste ich sofort, dass es solch ein Ding sein musste, was wir da klingen hörten wie eine Himmelsmusik.
Denn es war nicht nur das Klavier allein. Nein, da saß ein Künstler vor den Tasten.
Wir traten ein, als kämen wir zu Besuch.
Wir staunten einige Sekunden.
Am Flügel saß die schöne Frau. Sie spielte selbstvergessen und schien dabei in einer völlig anderen Welt zu sein.
Elroy Hackmaster saß in einem mächtigen Sessel aus Büffelleder, hatte sich auf eine Lehne geneigt und stützte den Kopf in die Hand.
So lauschte er regungslos.
Ich trat hinter ihn und drückte ihm die Revolvermündung gegen den Nacken, der da und dort zwischen seinem löwengelben Haar sichtbar wurde.
Er zuckte nicht mal zusammen, wurde nur einen Moment steif und spannte die Muskeln an. Dann aber wurde ihm die Bedeutung des Druckes im Nacken auch schon klar. Er setzte sich langsam gerade, ließ die Hände rechts und links von sich auf den Sessellehnen und wandte den Kopf, um über die Schulter zu blicken.
Ich grinste auf ihn nieder – und ich wusste, dass ich nicht besonders gut aussah. Mein Gesicht war immer noch ziemlich zerschlagen und begann sich zu verfärben.
Er wusste sofort, wer ich war. Also hatte er schon von meinem Kampf mit seinem Vormann gehört. Sein Nachrichtensystem war also in Ordnung. In diesem Land und auch in El Paso geschah nichts, was er nicht erfuhr.
Das war mir recht, denn so brauchte ich nicht erst lange zu reden und Erklärungen abzugeben. Ich grinste also auf ihn nieder, nickte ihm freundlich zu und legte meinen Zeigefinger gegen die Lippen. Und deshalb störten wir die schöne Klavierspielerin nicht, sondern hörten uns alles bis zu Ende an.
Ich hatte damals keine Ahnung, was sie da spielte. Später dann wusste ich, dass es Stücke von Mozart waren, denn dessen Musik liebte sie besonders.
Als sie fertig war, verharrte sie noch einige Atemzüge mit gesenktem Kopf.
Ich sagte dann: »Das war sehr schön, Ma’am – wirklich wunderschön. Ich bin – was solche Musik betrifft – gewiss ein Wilder. Aber ich glaube, dass Sie eine große Künstlerin sind.«
Sie wandte sich auf ihrem Klavierhocker um – und sie erschrak nicht, staunte auch nicht länger als drei Sekunden, obwohl Sonora und ich unsere Colts schussbereit hielten. Ich glaubte, in ihren Augen ein Funkeln erkennen zu können, so, als wären Freude und Hoffnung in ihr. Doch da musste ich mich gewiss täuschen.
»Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, Ma’am«, sagte ich. »Wenn Sie sich raushalten, wird alles nur eine kleine geschäftliche Regelung zwischen Ihrem Mann und uns bleiben. Und wir wollten Sie gewiss nicht erschrecken.«
Sie sah mich seltsam an, schenkte Sonora nur einen kurzen Blick und richtete ihre Augen wieder auf mich.
»Sind Sie der Mann, von dem Big Cat Halsey vorgestern in El Paso verprügelt wurde?«, fragte sie schlicht.
Ihre Stimme gefiel mir. Sie war etwas kehlig, dunkel und zugleich auch fest. Sie hatte volle Lippen, eine kurze Nase und grüne Augen.
»Big Cat Halsey ist ein Pferdedieb, Ma’am«, sagte ich. »Ja, es ließ sich nicht vermeiden, dass wir uns prügelten.«
Sie nickte. Ihre Lippen waren geschlossen. Und dennoch verrieten sie mir eine Menge.
»In die Geschäfte meines Mannes mische ich mich nicht ein«, sagte sie. »Er würde das auch nicht dulden. Frauen haben den Männern von seiner Sorte das Leben zu verschönen. Doch teilhaben dürfen sie nicht.«
Sie ging zu einem der Sessel, bei dem ihr Glas stand. Sie nahm es und trank daraus.
Ich aber hatte inzwischen festgestellt, dass Elroy Hackmaster unbewaffnet war. Und so nahm ich den Revolver von seinem Nacken, ging um ihn und den Sessel herum und sah auf ihn nieder.
Er starrte mich wortlos an. Ja, es ging eine starke Kraft von ihm aus. Er war ein Boss, ein Mann, dem andere Männer gehorchten.
Er betrachtete mich eingehend und überstürzte nichts. Schließlich sagte er: »So schlecht kann Big Cat gar nicht gekämpft haben, wie ich an Ihnen sehe, mein Freund. Nun, kommen Sie zur Sache! Weshalb schleichen Sie sich hier herein? Und was haben Ihre Reden zu bedeuten?«
»Big Cat«, sagte ich, »hat uns ein Rudel erstklassiger Pferde gestohlen. Es waren die besten einer großen Herde. Wir sind jetzt gekommen, Mister, um den vollen Preis zu kassieren. Wir bekommen achthundert Dollar für die Pferde und fünfzehn Dollar rückständigen Lohn für einen gewissen Johnny Banks. Ich legte dieses Geld schon vor, damit ich den Weg nach hier gut beschrieben bekam. Alles klar, Mister?«
Er wollte etwas sagen, doch ich hob schnell meine Hand. »Halt! Einen Moment! Da ist noch etwas, Mister, was ich zu sagen vergaß. Die Pferde sind in Ihren Corrals. Wir beobachteten den ganzen Tag Ihre Zureiter bei der Arbeit mit diesen Tieren. Es sind wirklich gute Pferde, Mister. Sie bekommen diese Tiere für einen günstigen Preis. Also?«
Er grinste nun breit. Doch dieses Grinsen war eine Täuschung. In seinen Augen war keine Freude, auch kein Spott – nichts war da, was man mit dem Grinsen in Zusammenhang bringen konnte.
»Mein Geldschrank«, sagte er, »steht drüben im Ranch Office. Um Ihnen das Geld geben zu können, müsste ich ihn aufmachen. Aber weil mehr Geld drinnen ist, würdet ihr Banditen mich berauben. Also kann ich ihn nicht öffnen, will ich nicht mehr verlieren als achthundertfünfzehn Dollar. Es geht also nicht.«
Er sagte es ganz sachlich, so, als lehnte er es ab, eine Spende für ein Säuferasyl zu geben.
Ich sah ihn an, sagte nichts, sah ihn nur an. Aber ich wusste, dass er alles spüren konnte, was ich ihm nicht mit tausend Worten hätte sagen können. Aber wozu sollte ich ihm drohen? Wenn er der Mann war, für den ich ihn hielt, dann musste er spüren, dass ich nicht bluffte und es ihn teurer kommen würde als achthundertfünfzehn Dollar, wenn er jetzt nicht einlenkte.
Und so hob er die Hände leicht von den dicken Sessellehnen, ließ sie wieder darauf sinken und sagte ergeben: »Na schön, dann werden wir gleich mal sehen, was für Burschen ihr seid.«
»Ehrenwerter als Ihre Männer«, sagte Sonora. »Ihr Vormann hat uns mit Gewalt dazu gezwungen, mit einem Sechstel des Wertes der Pferde zufrieden zu sein. Wenn Sie auf diese Art Ihre große Ranch zusammengestohlen haben, dann können Sie stolz darauf sein. Gehen wir. Sonst verliere ich nämlich die Geduld.«
Hackmaster sah ihn noch einmal an, und es kam ein Ausdruck von Vorsicht in seine Augen.
»Ist das ein Apache, den die Missionare zivilisieren wollten?«, fragte er mich und nickte zu Sonora hin.
Aber er erwartete keine Antwort. Er erhob sich, trat zu seiner Frau und sagte: »Komm, Georgia. Diese Gentlemen lassen dich gewiss nicht allein hier sitzen. Also gehen wir.«
Er bot ihr seinen Arm. Sie nahm ihn.
Und dann gingen wir.
Zuerst mussten wir hinaus auf die Veranda, dann auf dieser entlang bis zur Südwestecke des Hauses. Das Ranch Office war drinnen dunkel. Sonora ging hinein, um drinnen die Lampe anzuzünden.
Dann folgten wir. Ich hatte Hackmaster ständig vor meinem Colt, und ich war so wachsam wie noch niemals zuvor. Von diesem Mann ging ständig der Strom einer Gefahr aus. Ich spürte es mit meinem Instinkt ganz sicher, dass er mich zu überrumpeln versuchen würde, gäbe ich ihm auch nur eine geringe Chance.
Er machte dann drinnen den Geldschrank ohne viel Umstände auf. Dazu musste er eine Zahlen- und Buchstabenkombination einstellen. Aber als er dann den Knebelgriff drehen wollte, um die Verriegelungen zu entriegeln, da sagte ich: »Halt, Mister! Das mache jetzt ich!«
Ich drängte ihn mit dem Revolverlauf zur Seite. Sonora bewachte ihn nun.
Dann öffnete ich den Schrank. Und ich hatte mich nicht getäuscht. Da lag wahrhaftig ein Colt griffbereit. Er hätte ihn sicherlich gegriffen und unter dem Ellbogen hindurch nach hinten auf mich geschossen. Ja, ich wusste, dass er es riskiert hätte. Ich nahm die Waffe und schob sie in meinen Hosenbund. Vielleicht würde ich sie noch brauchen, wenn hier die Hölle losbrach und wir nicht mehr wegkommen konnten.
Dann sah ich das Geld im Schrank. Heiliger Rauch, der Bursche war auch an Bargeld nicht arm. Was hier aufgestapelt war, schätzte ich auf insgesamt zwanzigtausend Dollar. Da waren Scheine aller gängigen Werte. Ich sah Stapel mit Zwanzig-Dollar-Goldstücken. Der Schrank hatte fünf Fächer. Es gab auch Papiere darin, welche gewiss wichtig oder sogar wertvoll waren. Und zwei typische Schmuckkassetten standen darinnen. Sie waren mit einer goldenen Krone und einem Monogramm geschmückt und sahen geradezu gräflich oder fürstlich aus.
Aber es juckte mich nicht in den Fingern.
Als ich einen Blick auf Sonora warf, da sah ich, dass es ihn sehr wohl juckte. Er starrte in meine Augen, forderte mich durch seinen Blick auf. Doch ich gab ihm kein Zeichen.
Ich holte achthundertfünfzehn Dollar heraus, machte dann den Schrank wieder zu und drehte am Knebelgriff, sodass sich die Riegel wieder zuschoben.
Dann sah ich Hackmaster wieder an.
»Wir sind fertig«, sagte ich. »Wollen Sie eine Quittung, dass Sie die Pferde nun redlich bezahlt haben?«
Er grinste.
»Wie geht’s denn weiter?«, fragte er nur.
»Sie werden sich unter unserer Aufsicht bei den Corrals vom Wächter ein Pferd geben lassen und mit uns kommen – so weit, bis wir sicher sein können, dass unser Vorsprung groß genug ist.«
Er nickte, trat an den Geldschrank und drehte an der Zahlen- und Buchstabenkombination. Er traute also der eigenen Frau nicht.
Aber er trat vor sie hin, nahm wieder ihr Gesicht in beide Hände und küsste sie auf die gleiche Art, wie wir es schon bei Tag vom Hügel aus gesehen hatten.
»Ich komme wieder«, sagte er. »Mach dir nur keine Sorgen, Liebling.«
»Die mache ich mir nicht«, erwiderte sie wie ein braves Kind.
Ich hatte ganz deutlich gesehen, dass sie seine Küsse nicht erwiderte. Sie stand ganz einfach da und ließ sich küssen.
☆☆☆
Als der Tag anbrach, waren wir schon zwanzig Meilen weiter. Wir hielten im Morgengrauen an und fröstelten in der Morgenkälte.
Bevor ich etwas sagen konnte, sprach Elroy Hackmaster. »Ich habe euch einen geschäftlichen Vorschlag zu machen, der euch tausend Dollar einbringen wird. Für jeden tausend Dollar Prämie.«
Nun staunten wir. Zugleich wurde zumindest mir klar, warum bisher alles so glatt und reibungslos gegangen war und er noch keine Tricks versucht hatte.
Er war zuletzt freiwillig mitgekommen.
Er wollte mit uns ein Geschäft machen.
Was für eines?
Sonora sagte mürrisch: »Kilkenny, mit diesem Hombre würde ich keine Geschäfte machen. Nicht einmal für zweitausend Dollar pro Mann. Überhaupt nicht! Dieser Hombre stinkt irgendwie nach Falschheit. Hörst du, Kilkenny?«
Ich hörte ihn genau. Doch ich dachte auch an die tausend Dollar. Vielleicht war es wirklich ein gutes Geschäft. Warum sollte man sich seinen Vorschlag nicht wenigstens mal anhören?
Und deshalb sagte ich zu Sonora: »Amigo, geschäftliche Vorschläge höre ich mir immer an. Nur Dummköpfe tun das nicht. Denn ob man einen geschäftlichen Vorschlag anhört oder ihn annimmt, das sind zwei sehr verschiedene Dinge. Oder?«
Ich grinste ihn an.
Er aber grinste skeptisch zurück.
»Es gibt Leute«, sagte er, »mit denen darf man nicht mal über Geschäfte reden. Und der da gehört dazu. Der hat schon eine Menge Freunde und Partner übers Ohr gehauen. Sonst wäre er nicht binnen weniger Jahre so groß geworden. Ich weiß ein wenig über ihn, Kilkenny. Mit wem er auch Geschäfte machte, er hatte stets den Vorteil. Vorsicht!«
Hackmaster sah Sonora an. Seine Augen funkelten.
»Ich sollte dich kennen«, sagte er. »Wie ist denn dein Name? Pedro? Juan? Pytaja? Du hast doch gewiss einen Apachen-Namen oder?«
»Du kannst mich mal«, sagte Sonora. »Du kannst mich kreuzweise. Es gefällt mir gut, dass ich eine Menge über dich, doch du nichts von mir weißt. Das gefällt mir gut. Nun, Kilkenny?« Er wandte sich fragend an mich, und ich schüttelte den Kopf und sah Hackmaster an.
Er deutete nach Süden.
»Ihr müsstet hinüber zu einem Mann reiten und diesem ein Bild stehlen. Wenn ihr mir dieses Bild bringt, zahle ich jedem von euch tausend Dollar. Das ist doch ein glattes, gutes, klares Geschäft – oder?«
Sonora lachte leise, aber voller Spott.
Ich aber fragte: »Ein Bild? Was für ein Bild und wem müssten wir es stehlen? Hältst du uns für Bilderdiebe, Hackmaster?«
Er knetete jetzt mit seinen großen, langen und geschmeidigen Händen das Sattelhorn.
»Es ist das Bild meiner Frau«, sagte er. »Der Mann, dem ihr das Bild stehlen sollt, hat es selbst geschaffen. Hört ihr? Geschaffen, sagte ich! Denn er ist als Maler ein wirklich Großer. Dieses Bild ist ein Meisterwerk.«
Er machte nun eine Pause.
Dann würgte er hervor: »Meine Frau ist nackt auf diesem Bild – splitternackt. Er hatte mir die Frau geraubt. Ich musste für Georgia Lösegeld zahlen. Und indes sie seine Gefangene war, hat er sie gemalt. Ich kann das Bild nicht in seinen Händen lassen. Denn verkaufen will er es mir nicht. Ich muss das Bild haben.«
Als er verstummte, sagte ich noch nichts. Erst musste ich nachdenken. Und irgendwie tat er mir leid.
Ein Mann hatte ihm die Frau geraubt, ein großer und mächtiger Mann jenseits der Grenze musste es sein. Denn sonst hätte Elroy Hackmaster ihn klein gemacht und nicht einen einzigen Dollar Lösegeld bezahlt. Aber das war noch nicht alles. Dieser Frauenräuber war ein begnadeter Künstler. Und er hatte seine Gefangene nackt gemalt, als Akt, wie man wohl sagt, wenn jemand den menschlichen Körper in aller Bloßheit – und vielleicht auch Schönheit – malt.
Hatte dieser Mann seine Gefangene dazu gezwungen?
Oder war sie freiwillig sein Modell gewesen?
Ich sah Elroy Hackmaster an und begriff, dass auch er sich die Frage stellte, nur sehr viel schärfer und dringender und immer wieder und wieder, vielleicht sogar Tag und Nacht.
Heiliger Rauch, es war für diesen Hackmaster vielleicht die Hölle. Aber er küsste mehrmals am Tag seine Frau, die sich dabei nicht rührte. Und vielleicht wollte er das Bild auch deshalb haben, um darauf den Gesichtsausdruck seiner Frau erkennen zu können.
Ja, eigentlich musste man einem Modell ansehen können, ob es sich freiwillig malen ließ und seinem Maler vielleicht sogar zugeneigt war – oder ob es sich als Gefangene fühlte, die hilflos alles über sich ergehen lassen musste.
Sonora sagte nun langsam: »Josua Cash-Murillo.«
Und als er es gesagt hatte, wusste ich es auch. Denn so einigermaßen kannte ich mich natürlich aus zu beiden Seiten der Grenze.
Ich fragte: »Hackmaster, ist er es, dem wir das Bild stehlen sollen?«
Er nickte. Dann zeigte er auf Sonora. »Jetzt habe ich es«, sagte er. »Der ritt auch mal für diesen Banditen. Damals nannte er sich noch General, machte Revolution und wollte die Welt verändern. Dieser da war einer seiner Tenientes. Jetzt weiß ich es wieder. Eines Tages werde ich auch noch auf seinen Namen kommen.«
Nun wusste auch ich etwas mehr über Sonora. Er war also mal in einer Revolutionsarmee Leutnant gewesen. Aber es konnte auch ebenso gut eine große Banditenbande gewesen sein, deren Anführer sich zum General ernannt hatte.
Ich kannte den Namen Josua Cash-Murillo. So hieß einer der größten Banditen der Grenze.
Und dieser Bursche sollte ein begnadeter Künstler sein?
Ich staunte nur.
Dann hob ich meine Zügel und schnalzte meinem Pferde. Denn für mich war die Sache gestorben. Für tausend Dollar wollte ich mich nicht in solch einen Verdruss einkaufen und dort drüben in Mexiko vielleicht die Haut abgezogen bekommen.
Aber bevor mein Pferd den ersten Schritt machte, sagte Elroy Hackmaster: »Dreitausend für jeden von euch. Dreitausend Dollar in Goldstücken bar auf die Hand bei Ablieferung des Bildes.«
Ich ließ die Zügel wieder sinken.
Und als ich auf Sonora sah, da erkannte ich am Funkeln seiner Augen, dass nun auch er interessiert war.
Mir fiel etwas ein, und so fragte ich auch schon: »Warum gerade wir, Hackmaster, warum wir? Anstatt uns mithilfe der Mannschaft zu jagen und den Versuch zu machen, dich für diese Niederlage zu rächen, versuchst du mit uns ein Geschäft zu machen. Warum wir?«
Da grinste er wieder schief.
»Ihr habt Format«, sagte er. »Als Big Cat Halsey euch in der Klemme hatte, gabt ihr scheinbar nach. Aber das war wohl schon der erste Trick. Dann wurde Big Cat Halsey von dir fast in Klumpen geschlagen, Kilkenny. Nun, das war schon eine Leistung. Das hätte auch ich nicht besser machen können. Wer Big Cat schlagen kann, der ist eine Klasse für sich. Nun, damit war die Sache für euch immer noch nicht erledigt. Ihr kamt zu mir und holtet euch den Rest des Geldes. Aber ihr seid keine Banditen, zumindest du nicht, Kilkenny. Der da hätte mich vielleicht bestohlen und nichts mehr in meinem Geldschrank gelassen. Doch du hast Ehre, Kilkenny. Du bist kein Dieb. Deinem Wort könnte ich vertrauen. Ihr seid also zwei besondere Burschen. Denn der da wird sich immer nach dir richten. Also, mein Angebot sind dreitausend Dollar für jeden von euch.«
Ich überlegte.
Hackmaster musste verrückt sein vor Eifersucht. In ihm musste Tag und Nacht eine heiße Flamme brennen. Er musste sich fortwährend fragen, ob seine Frau sich vielleicht doch freiwillig von diesem Josua Cash-Murillo nackt malen ließ.
Indes ich noch überlegte, sagte Sonora: »Für Fünftausend pro Mann würden wir es versuchen.«
Ich sah Sonora an. Seine Augen funkelten nun noch stärker. Es war eine wilde Freude zu erkennen. Dann sah ich Hackmaster an und nickte ihm zu. »Für fünftausend, also insgesamt zehn«, sagte ich.
Er zögerte, fragte sich, ob er unseren Preis vielleicht herunterhandeln könnte. Doch er sah in meine Augen. Da ließ er es.
Er nickte.
»Gemacht«, sagte er.
»Dein Wort will ich«, sagte ich. »Ich will, dass du uns dein Wort gibst, einen ehrlichen Handel mit uns zu machen.«
Er sah mich starr an.
»Ich gebe euch mein Wort darauf«, sagte er. »Und ich werde auch meinen Vormann Big Cat Halsey an die Kette legen, was euch betrifft. Ich bin nicht nachtragend und erkenne an, dass ihr Burschen seid, die sich die Butter aufs Brot zurückholten, was die Bezahlung der Pferde betrifft. Es ist alles klar zwischen uns.«
Ich sah ihn lange an – und ließ auch meinen Instinkt gegen ihn strömen. Auf meinen Instinkt konnte ich mich verlassen.
Aber es kamen keine Warnsignale zurück.
Ich glaubte plötzlich, dass er es ehrlich meinte, weil er klug genug war, eine persönliche Niederlage nicht zu einem Prestigefall werden zu lassen, der ihn daran hindern musste, unsere Hilfe zu bekommen.
Er sagte noch: »Dazu kommt, dass ihr dort drüben nicht als meine Freunde geltet. Dass Big Cat in El Paso von dir geschlagen wurde, wird man sich bald auch in Josua Cash-Murillos Gebiet erzählen. Bei euch wird man nicht denken, ihr wäret von mir geschickt. Ich schickte schon zweimal Männer aus. Aber sie hatten keinen Erfolg. Man empfing sie in San Toro von Anfang an misstrauisch. Sie konnten sich nicht das Vertrauen dieser Banditen erwerben. Aber euch …« Er wandte sich an Sonora. »Oder hattest du Streit mit Murillo? Bist du in Unfrieden von ihm fort?«
»Wer sagt denn, dass ich jemals bei ihm war? Vielleicht verwechselst du mich und war ich gar nicht Teniente bei ihm?«
Sonora sprach es grinsend.
Dann zog er sein Pferd herum und ritt fort. Ich tauschte mit Hackmaster nur noch einen Blick. Dann folgte ich Sonora. Denn der wusste offensichtlich, wohin wir reiten mussten.
San Toro, so hieß der Ort. San Toro, dies bedeutete so viel wie »Heiliger Kampfstier«.
Na schön, wir waren also nach San Toro unterwegs. Dort hatte der einstige Revolutionsgeneral und jetzige Banditenführer Josua Cash-Murillo sein Hauptquartier.
Wir ritten noch einige Meilen und hielten dann an, um uns Kaffee zu kochen und ein paar Maistortillas zu braten.