G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 44 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 44 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

3 spannende Westernromane lesen und sparen!

G.F. Unger ist der erfolgreichste deutschsprachige Western-Autor. Mit einer Rekordauflage von über 250 Millionen Exemplaren gehört er zur internationalen Spitzenklasse der Spannungsliteratur. Und das zu Recht!

Niemand vermag es wie er, die unermesslichen Weiten des amerikanischen Westens und die Stärke der unerschrockenen Männer, die sie erschlossen, zu beschreiben. Erleben Sie den amerikanischen "Wilden Westen", wie nur G.F. Unger ihn schildern kann: hart, authentisch, leidenschaftlich.
Dieser Sammelband enthält die Folgen 2479 bis 2481:

Der Inhalt dieses Sammelbands entspricht ca. 192 Taschenbuchseiten.

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Seitenzahl: 449

Veröffentlichungsjahr: 2022

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G. F. Unger
G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 44

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben

Für die Originalausgaben:

Copyright © 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2022 by Bastei Lübbe AG, Köln

Coverillustration: © Prieto/Norma

ISBN 978-3-7517-3003-7

www.bastei.de

www.luebbe.de

www.lesejury.de

G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 44

Cover

Titel

Impressum

Inhalt

G. F. Unger Western-Bestseller 2479

Ironman

G. F. Unger Western-Bestseller 2480

Westlich des Pecos

G. F. Unger Western-Bestseller 2481

Die Unbeugsamen

Guide

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Contents

Ironman

Ich hatte ein Rudel zugerittener Wildpferde bei der Agentur der Post- und Frachtlinie abgeliefert und genau vierhundert Dollar dafür kassiert. Damit begab ich mich in den Lonestar Saloon und ließ mir Bier und ein Steak bringen. Als ich den ersten Bissen kaute, kamen sie herein. Es war ein Schwarm fluchender Männer, die außer sich waren vor wilder Erregung. Aber dann kamen noch zwei Männer, die bald schon die ganze Sache unter Kontrolle bekamen. Einer dieser Männer wirkte würdig, weise und ganz so, als wäre ihm auf dieser Erde nichts mehr fremd. Der andere Mann trug einen Stern, doch er hinkte, ging an einer Krücke. Entweder hatte er sich vor einiger Zeit das Bein gebrochen oder eine Kugel eingefangen.

Und dieser Mann sagte laut: »Seid ruhig, Leute! Fluchen und Toben hilft nichts. Nur Taten helfen. Allerdings dürfte das im Augenblick ziemlich schwierig sein. Ihr seht ja, dass ich nicht reiten kann. Deshalb kann ich auch kein Aufgebot über den Pecos führen, selbst wenn wir imstande wären, ein Aufgebot zu bilden, das gewillt wäre, sich mit der wilden Horde dort drüben anzulegen. Also, klären wir das jetzt mal, Leute. Wer würde mitreiten? Wer wäre bereit?«

So war das also.

Ich kaute bedächtig an meinem Steak, beobachtete die Männer scharf und wartete ab. Denn jetzt war ich verdammt neugierig geworden …

Ich hatte eines begriffen: Etwas war geschehen, und es musste etwas Schlimmes sein. Wenn die Leute dieser Stadt keine Pfeifen waren, mussten sie ein Aufgebot in die Sättel bringen und durch den Pecos ins Land der Banditen reiten, in das sich nicht einmal die Texas Rangers wagten, es sei denn, sie ritten mit hundert Mann.

Der Pecos war die Grenze zwischen Ordnung auf der einen und dem Gesetz der Banditen auf der anderen Seite. Alle Geächteten, Banditen, Deserteure und sonstige Gesetzlosen waren in Sicherheit vor dem Gesetz, sobald sie den Pecos überquert und sich dem Gesetz der wilden Horde unterworfen hatten.

So einfach war das.

Manchmal kamen solche Gesetzlosen durch die kleine Stadt hier und stellten irgendetwas an.

Und auch diesmal musste es so gewesen sein.

Die Frage des Sheriffs stand noch immer im Raum.

Ja, wer war bereit, hinüberzureiten?

Ich zählte die Anwesenden. Es waren mehr als drei Dutzend, und es kamen immer noch mehr herein. Die Nachricht sprach sich offenbar immer noch herum und breitete sich außerhalb der kleinen Stadt aus.

Aber es meldete sich niemand. Keiner wollte das große Wagnis eingehen.

Einer sagte schließlich: »Verdammt, wenn wir da hinüberreiten, um den verdammten Frauenschänder zu erwischen, dann kommt wahrscheinlich nur die Hälfte von uns wieder zurück. Und viele von uns haben Frauen und Kinder. Wir müssen die Armee um Hilfe bitten. Der Gouverneur …«

Nun ging seine Stimme unter im aufbrausenden Stimmengewirr. Sie riefen und brüllten durcheinander, fluchten und schimpften. Und dennoch war es nichts anderes als Hilflosigkeit, so drohend es sich auch anhörte.

Sie taten mir leid. Nein, ich verachtete sie nicht, denn ihre Feigheit war begründet. Sie waren Bewohner dieser Stadt, Handwerker und Geschäftsleute. Sie waren redliche Leute, und einige von ihnen hatten sogar während des Krieges als Soldaten gegen die Nordstaaten gekämpft.

Sie alle wollten Frieden und Sicherheit. Ihre Frauen würden sie nicht reiten lassen.

Nach einer Weile wurde es still.

Nun sprach der andere Mann, der mit den weißen Haaren und klugen Augen so weise und erfahren wirkte. Ich wusste, dass er hier der Richter war. Sein Name war John Field. Er sagte: »Bürger von Jacinto, was ist geschehen? Es kam ein steckbrieflich gesuchter Verbrecher durch unsere Stadt. Er ging in den Store und traf dort auf die junge Witwe Sarah Gates, deren Mann aus dem Krieg so krank heimkehrte, dass er ein Jahr später starb. Dieser Verbrecher schändete Sarah Gates und schlug sie fast tot, weil sie sich mit aller Kraft wehrte. Danach raubte er ihr ganzes Geld und ihren ganzen Schmuck und ritt aus der Stadt, bevor jemand von uns etwas von der schrecklichen Tat bemerken konnte, denn es war um die Mittagszeit. Nur wenige von uns sahen ihn kommen und dann wieder fortreiten. Doch einer erkannte ihn. Es handelt sich um den steckbrieflich gesuchten Jesse McLowry, der vor einiger Zeit aus dem Zuchthaus Yuma entkommen konnte, was allein schon für die Härte und Gefährlichkeit des Mannes spricht. Nun ist er jenseits des Pecos. Wenn wir ihn nicht wieder auf diese Seite des Pecos holen können, bleibt sein Verbrechen ungestraft. Dann können wir ihn nicht hängen. Denkt mal darüber nach, was aus dieser Stadt werden soll, wenn die Bösen hier ungestraft ihre Untaten verüben können. Dann wird unsere Stadt bald einem Wurm gleichen, der sich am Boden krümmt und den jeder zertreten kann. Ich will euch sagen, was wir tun müssen.«

Nach diesen Worten machte der Richter eine Pause.

Sie alle hatten sich ihm zugewandt, und sie drehten mir dabei den Rücken zu. Die meisten dieser Männer hatten mich in der Ecke hinter dem Tisch noch gar nicht wahrgenommen. Auch der Agent der Post- und Frachtlinie, dem ich meine Pferde verkauft hatte, war unter ihnen. Er sah einmal über seine Schulter zu mir herüber. Offenbar staunte er missbilligend, weil er mich essen sah. Aber er hatte ja auch nicht meinen Hunger.

»Richter, dann sagen Sie uns endlich, was wir tun müssen, verdammt!« Eine heisere Stimme rief es aus dem Hintergrund der Versammelten.

Wieder wurde es still.

Dann aber sprach die Stimme des Richters trocken: »Wir müssen eine hohe Belohnung aussetzen, eine sehr hohe. Und wir müssen einen richtigen Ironman finden, einen Burschen wie aus Eisen, der hinüberreitet und Jesse McLowry herbringt. Dann werden wir ihn hängen. Und dann wird jeder Verbrecher begreifen, dass unsere Stadt nicht wehrlos ist wie ein Wurm. So einfach ist das.«

Wieder redeten sie durcheinander.

Dann hob einer der Männer die Hand. Es war der Bürgermeister. Und er sagte laut genug: »In der Stadtkasse sind zurzeit eintausendfünfhundertsiebzig Dollar. Die könnten wir als Kopfgeld aussetzen.«

»Und zweitausend Dollar sind von der Regierung ausgesetzt, seit McLowry aus Yuma ausgebrochen ist. Er erschlug einen Wärter. Das ergibt zusammen eine hübsche Summe als Prämie, für die sich ein Ironman interessieren könnte.«

Der Richter sprach die letzten Sätze, nachdem der Bürgermeister endete.

Die Versammlung verharrte einige Sekunden schweigend.

Dann rief eine Stimme erleichtert: »Nun, dann ist ja alles geklärt, nicht wahr, Richter? Sie und der Sheriff werden für diese hohe Kopfgeldprämie gewiss einen Ironman finden. Dann läuft ja alles in unserem Sinne, nicht wahr?«

Nach diesen Worten ging der Mann. Er trug die Lederschürze eines Schmiedes. Auch ihn kannte ich. Er hatte schon mal mein Pferd beschlagen.

Ihm schlossen sich andere Männer an. So schnell wie sie in den Saloon kamen, so schnell strebten sie wieder hinaus – und alle waren sie erleichtert über die Lösung. Denn nun fühlten sie sich nicht mehr verpflichtet, über den Pecos ins Land der Banditen zu reiten.

Sie glaubten, dass mit Geld alles zu regeln wäre.

Es blieben der Richter, der Sheriff und der Wirt zurück – und plötzlich sahen sie zu mir her.

Ich kaute die letzten Bissen und spülte mit Bier alles hinunter.

Dann begann ich mir eine Zigarette zu drehen.

Dabei dachte ich an Sarah Gates, die junge Witwe.

Ich hatte stets bei ihr eingekauft, wenn ich in dieser Stadt war, mich auch in ihrem Store für jede Wildpferdjagd ausgerüstet. Zumeist ritt ich mit zwei Helfern und drei Packtieren ins Wildpferdgebiet.

Ja, ich kannte sie, und nur weil sie noch zu sehr um ihren Mann trauerte, hatte ich noch nicht versucht, sie für mich zu gewinnen. Denn sie gefiel mir sehr. Sie sah so aus wie die Frau meiner Träume. Ich hätte sie jetzt gleich nach dem Essen aufgesucht im Store, um sie wiederzusehen und mit ihr zu reden. Da ich vier Monate weg war, hätte es sein können, dass sie nicht mehr so sehr um ihren verstorbenen Mann trauerte und ich eine Chance bei ihr bekommen hätte.

Aber nun war alles anders.

Ich hatte ja gehört, was mit ihr geschehen war. Sie tat mir so leid. Aber was geschehen war, konnte nicht mehr rückgängig gemacht werden. Sie musste da irgendwie hindurch.

Gewiss konnte ich ihr dabei nicht helfen. Wir waren ja nur sehr oberflächlich miteinander bekannt, obwohl sie gewiss stets gespürt hatte, dass ich sie mochte und nur nicht aufdringlich sein wollte.

Als ich meine Zigarette anzündete, traten der Sheriff und der Richter zu mir an den Tisch und sahen auf mich nieder. Ich stieß einige Qualmwolken aus und sah dann durch den Rauch zu ihnen hoch.

»Was wollt ihr?« So fragte ich, obwohl ich wusste, was sie von mir wollten.

»Jake Ringold, Sie sind ein Ironman«, sprach der Richter. »Sie sind ein Mann wie aus Eisen, Stahl und zähem Leder. Sie sind ein Ironman. Wollen Sie uns den Kerl herholen?«

Als er verstummte, sprach Sheriff Abe Scott, indes er sich auf die Krücke stützte und so sein linkes Bein entlastete: »Dreitausendfünfhundertsiebzig Dollar Prämie insgesamt. Wie viele Wildpferde müssen Sie dafür fangen und zureiten, Jake Ringold?«

Ich grinste und erwiderte: »Dreihundertsiebenundfünfzig, wenn die Preise nicht besser werden, Abe.«

Sie schwiegen und sahen mich nur an.

Dann murmelte der Sheriff: »Sarah Gates wird vielleicht sterben. Sie mochten Sarah, nicht wahr, Jake Ringold?«

Ich stieß wieder einige Rauchwolken aus. Dann sagte ich. »Also gut, ich hole ihn. Es darf nicht sein, dass er davonkommt. Es darf nicht sein.«

Sie nickten grimmig.

Dann sprach der Richter: »Sie reiten als Sheriff. Ich nehme Sie unter Eid. Und dieser Eid gilt auch dann, wenn Sie den Stern in der Hosentasche tragen müssen, um nicht erkannt zu werden als Gesetzesmann.«

Ich nickte. »Und wie erkenne ich den Mistkerl?«

»An zwei Dingen«, erwiderte der Sheriff. »Er ist auf besondere Art tätowiert. Und überdies nahm er die kostbare Uhr von Sarahs Mann mit. Diese Uhr spielt jede Stunde eine kleine Melodie – auch wenn er sie in der Tasche trägt, hört man es genau.«

»Und die Tätowierungen?« So fragte ich neugierig.

»Auf jeder seiner Arschbacken ist ein Pumakopf zu bewundern, fast so gut wie von einem Künstler auf Leinwand gemalt.« Wieder war es der Sheriff, der dies sagte.

»Aber er läuft nicht jenseits des Pecos mit nacktem Hintern herum«, knurrte ich und begann zu ahnen, dass es noch eine Menge Schwierigkeiten geben würde, bevor ich den Kerl hierher nach Jacinto brachte.

Aber dass ich ihn herschaffen würde, nun, daran zweifelte ich nicht. In jedem Fall würde es leichter sein, ihn zu fangen, als dreihundertsiebenundfünfzig Wildpferde.

☆☆☆

Eine gute Stunde später ritt ich auf meinem grauen, narbigen Wallach durch den Pecos, dessen Wasser hier bei der Furt meinem Pferd nur bis zum Bauch reichte. Ich sah ziemlich abgerissen aus, denn ich hatte mich ja in Jacinto nach der langen Pferdejagd noch nicht wieder mit sauberem Zeug eingekleidet, auch nicht gebadet. Mein Hunger war größer gewesen.

Nun war es mir recht, dass ich so abgerissen aussah, ganz wie ein Bursche, der schon viele Tage und Nächte im Sattel saß, weil er es eilig gehabt hatte, von irgendwo möglichst schnell zu verschwinden und seine Fährte zu verwischen.

Meinen Stern trug ich in der Tasche, eingewickelt in ein schmutziges Taschentuch. Ich wusste zu gut, dass es schlimm für mich sein würde, wenn man im Land westlich des Pecos erfahren sollte, dass ich ein Bursche war, der mit einem Stern in der Tasche ritt.

Nun, ich hielt dann am Westufer des Pecos noch einmal an und blickte zum Ostufer hinüber, so wie es wahrscheinlich jeder Reiter getan hätte, der sich nach Verfolgern umsah, denen er auf dieser Seite des Pecos entkommen zu sein glaubte.

Nach einer Weile ritt ich weiter und erreichte den bewaldeten Kamm der Hügel des Pecos Valley.

Oben saßen zwei Reiter im Schatten der Bäume. Ihre Pferde standen hinter ihnen mit hängenden Zügeln. Es waren erstklassige Rinderpferde, die gelernt hatten, sich nicht von der Stelle zu bewegen, wenn die Zügelenden am Boden lagen.

Einer der Männer war ein Mexikaner, der andere ein gelbhaariger und sommersprossiger Bursche, den man auf den ersten Blick für einen noch nicht erwachsenen Jungen hielt.

Aber ich kannte ihn. Wir hatten in El Paso schon mal zusammen gewürfelt und gepokert und uns auch schon mal in Dolly Mollys Etablissement getroffen, wo es die schönsten Mädchen weit und breit gab. Er war älter, als er aussah.

Ich nickte ihm zu und sagte: »He, Lefty, so sieht man sich wieder. Wie war denn die Chinesin damals?«

Er grinste und klatschte in die Hände.

»Das war eine Japanerin«, sagte er, »und sie konnte alles, einfach alles, Pferdejäger. Was suchst du hier diesseits des Pecos? Doch wohl keine Wildpferde?«

Ich schüttelte den Kopf und blickte über die Schulter zurück zum Pecos hinunter. Dann sah ich jenen Lefty und den Mexikaner wieder an und grinste.

»Ach, ich wollte schon immer über den Pecos«, erwiderte ich. »Vielleicht ist die Luft hier für mich gesünder. Wohin führt dieser Weg?«

Sie grinsten mich an. Ja, sie glaubten, dass ich auf der Flucht war, und sie hatten volles Verständnis dafür, dass ich nicht mit ihnen darüber reden wollte. Das wollte gewiss niemand in solch einer von ihnen vermuteten Situation. Und dies wurde von allen Menschen in diesem Land respektiert.

Lefty sagte: »Dieser Weg führt nach San Pablo. Es ist ganz hübsch dort, wenn du ein paar Dollars ausgeben kannst.«

»Ich kann«, sagte ich und ritt weiter.

»Amüsier dich gut«, rief Lefty mir nach. »Kommt noch jemand hinter dir?«

»Ich hoffe nicht«, rief ich über die Schulter zurück.

Dass sie mich reiten ließen, war mir eine Beruhigung. Denn ich wusste, sie saßen hier als Wächter bei der Furt. Ich war für sie nur einer der Reiter, die über den Pecos kamen, um unterzutauchen.

Und Lefty kannte mich als Wildpferdjäger.

Ich fragte mich, wie weit es bis nach San Pablo sein würde. Ich hatte vergessen zu fragen. Aber es war ja wohl egal, wie weit es war. Irgendwann würde ich hinkommen und dann nach diesem Burschen suchen, der eine Uhr in der Tasche hatte, die jede Stunde eine kleine Melodie spielte – und auf dessen Hinterbacken je ein Pumakopf tätowiert war.

Natürlich hätte ich jenen Lefty und den Mexikaner fragen können, wer in den vergangenen acht Stunden vor mir durch die Pecos-Furt geritten war. Ich hätte nach einem braunhaarigen, gelbäugigen und bullig wirkenden Burschen fragen können.

Aber damit hätte ich schon den Verdacht erweckt, dass ich hinter ihm her war. Hier in diesem Land schützten sie sich alle gegenseitig und lebten nach bestimmten Regeln. Es war zwar ein Land der Gesetzlosen, Geächteten und vom Gesetz Verfolgten, aber auch sie lebten nach einer gewissen Ordnung. Ich wusste es, denn ich hatte viel davon gehört.

Es gab hier sogar Sheriffs, Town Marshals und sogar Richter.

Nur amtierten diese Männer nicht nach den Rechten der Verfassung, sondern nach den Regeln und der Ordnung der Gesetzlosen, die sich westlich des Pecos eine Zuflucht schufen.

Der große Trick war, dass sie allen Aufgeboten oder Gesetzesmännern aus diesem Grund verbieten konnten, in ihrem Gebiet tätig zu werden, weil ja hier schon Behörden etabliert waren, die man nur um Amtshilfe zu bitten brauchte. Allerdings brachte diese Amtshilfe niemals Erfolge. Sie wurden stets nur zum Schein tätig.

So also lagen die Dinge.

Ich war deshalb nicht überrascht, dass ich nach etwa zwölf Meilen, als mich die von Osten kommende Nacht eingeholt hatte und am Himmel im Westen das letzte Violett verschwand, die Lichter einer Stadt erkannte.

Es war eine zwar kleine, doch sehr lebendige Stadt, zur Hälfte mexikanisch, denn es gab hier eine alte Mission mit einem Glockenturm, die gewiss noch von den Spaniern damals errichtet wurde, als sie hier überall nach Gold suchten und ihre Padres die Heiden bekehren wollten.

Es gab Lokale verschiedenster Art.

Ich hielt vor einem Saloon an und drängte die Sattelpferde an einem Haltebalken auseinander, um Platz für meinen Wallach zu schaffen.

Dabei dachte ich: Vielleicht ist er hier in diesem Saloon. Er ist angloamerikanischer Abstammung, also wird er nicht in einer Fonda oder Bodega sein, höchstens in einem Putahaus. Aber wenn er keinen Wein und keinen Tequila und Mescal säuft, sondern lieber Brandy oder Whisky, dann werde ich ihn in solch einem Saloon finden. Mit den Gedanken im Kopf ging ich hinein.

Es war voll. Eine Drei-Mann-Kapelle spielte. Es gab Tanzmädchen. Drei Barmänner bedienten die durstigen Kehlen. Auch die Tische waren besetzt. Man spielte da und dort Karten.

Ich drängte mich zwischen die durstigen Kehlen an die Bar und bestellte einen Brandy und ein Bier. Mein Nebenmann zur Rechten sah mich prüfend an und witterte dann mit vibrierenden Nasenflügeln. Ich wusste, er roch den Staub und den frischen Pferdeschweiß an mir trotz der schlechten Luft hier im Raum.

»Gerade erst angekommen, Bruder?« So fragte er, nachdem ich das Bier in mich hineingegossen hatte.

Ich nickte.

»Es ist ganz hübsch hier«, sagte er und grinste. »Nur wenn man pleite ist, muss man stets sehr weit reiten, um sich Bucks zu besorgen. Denn hier sind die Regeln zu beachten.«

Seine letzten Worte waren eine Warnung, die man wahrscheinlich jedem Neuankömmling zukommen ließ.

Wir würfelten dann um die nächsten Drinks. Er gab mir noch einige Tipps und Verhaltensmaßregeln.

Und die ganze Zeit überlegte ich, wie ich diesen Jesse McLowry finden konnte, diesen Mistkerl, der eine Uhr in der Tasche haben musste, die jede Stunde eine kleine und zarte Melodie spielte, und auf dessen Hinterbacken Pumaköpfe tätowiert waren.

Selbst wenn er in dieser kleinen Stadt war, musste mir schon ein kleines Wunder zu Hilfe kommen. Denn Fragen stellen, dies durfte ich nicht. Wer hier nach einem Mann fragte, der musste schon sein Freund, sein Partner oder guter Bekannter sein. Denn sonst war das gejagte Wild bald gewarnt und wurde selbst zum Jäger.

Ich war müde und ausgebrannt und begriff, dass ich mir Zeit nehmen musste. Also sollte ich mir ein Quartier für mich und meinen Wallach suchen.

Und so verließ ich bald den Saloon, brachte mein Pferd in den Mietstall und fand dann in der alten Mission Unterkunft in einer der einfachen Kammern, die wie Zellen waren und in denen einst die Jesuiten-Padres hausten. Ich bekam im Gastraum auch noch ein Abendessen.

Wenig später lag ich auf dem schmalen Lager und schlief ein.

☆☆☆

Am nächsten Tag war ich unterwegs in der kleinen Stadt, die El Pablo hieß. Ich hatte eine Beschreibung von Jesse McLowry, so wie sie auf seinem Steckbrief stand, bevor man ihn damals nach Yuma schaffte, wo er fünfzehn Jahre bleiben sollte.

Aber diese Beschreibung passte auch auf viele andere Männer.

Seine besonderen Merkmale waren seine Hinterbacken. Aber wie konnte ich mir Hunderte oder gar Tausende von Hintern ansehen?

Das war in bescheidener Zahl nur in der Badeanstalt beim Barbier möglich. Und überdies hätte ich bei den Mädchen in den Bordells fragen können. Letzteres aber wäre schon wieder gefährlich gewesen.

Ich beschloss es also gegen Mittag in der Badeanstalt zu versuchen, nachdem ich mir zuvor in einem Store neues Zeug kaufte.

Wenn dieser Jesse McLowry hier in El Pablo war, so musste er wenige Stunden vor mir hier angekommen sein. Vielleicht sehnte er sich auch nach einem Bad und nach einem Haarschnitt.

Im Hinterhof des Barbierladens gab es sechs Holzfässer. Darin saßen die badenden Kunden. Unter einem großen Waschkessel, der auf großen Steinen stand, brannte ein Feuer. Ein riesiger Neger hielt alles in Gang, füllte Wasser in den Kessel und von dort – wenn es warm genug war – in die Holzfässer der Badenden. Manche rauchten Zigarren. Fast alle hatten sie Flaschen bei sich im Badefass, die sie schwimmen ließen, aber immer wieder hochnahmen, um daraus zu trinken.

Ich musste mit drei anderen Burschen eine Weile warten. Wir unterhielten uns über Belangloses, und keiner von uns sprach über sich. Es ging niemanden etwas an, woher man kam und was man hier tat.

Ich sah jedoch stets unauffällig, doch sehr genau auf die Hinterbacken der Badenden, wenn sie aus den Holzfässern stiegen, um sich abzutrocknen. Gewiss, einige der Burschen waren tätowiert. Doch keiner hatte Pumaköpfe auf den Hinterbacken.

Vielleicht war dieser Jesse McLowry gar nicht in El Pablo – und wenn, dann hatte er vielleicht schon gebadet oder fühlte sich in seinem Dreck und Gestank so wohl, dass er nur dann badete, wenn er einen Fluss auf seinem Pferd durchschwimmen musste oder mal durch ein Gewitter ritt.

Meine Hoffnungen waren also nicht besonders groß. Ich war mir darüber klar, dass ich auf ein kleines Wunder wartete. Aber wie oft geschehen schon kleine Wunder?

Endlich wurde auch für mich ein Fass gefüllt, und ich durfte hinein mit einem Stück Fliederseife.

Nun, es war herrlich im heißen Wasser, das mich den letzten Dreck aus den Poren schwitzen ließ. Aber trotz dieses Wonnegefühls vergaß ich nicht, die Augen offen zu halten und auf die Hinterbacken der Badenden zu sehen, sobald sie in die Badefässer stiegen oder diese verließen, um sich abzutrocknen.

Ich lauschte immerzu auf meinen Instinkt, der mich stets richtig geführt hatte. Und dieser Instinkt ließ mich hier verweilen. Er trieb mich nicht fort. Es war mir immerzu so, als müsste ich hier bleiben und warten, obwohl mein Verstand mir das Gegenteil riet. Aber ich konnte nicht ewig in dem Badefass und dem zuletzt nach Fliederseife duftenden Wasser bleiben. Als ich das Gefühl hatte, schrumpelig zu werden, stieg ich aus und trocknete mich ab.

Einer der Barbiergehilfen kam und warf einen Blick auf meine langen Haare, die nun schon fünf Monate nicht gestutzt worden waren.

»Schneiden?« So fragte er.

Ich nickte und bekam wenig später einen Haarschnitt, sodass ich nochmals in diesem Badehof verweilen konnte, um mir nackte Hinterbacken zu betrachten.

Es war schon eine merkwürdige Jagd, auf der ich mich befand.

Aber wie anders konnte ich mein Wild erkennen?

Nun, lieber Leser meiner Geschichte, ich will diese Schilderung nicht zu sehr ausdehnen. Ich konnte mich jedenfalls nicht ewig in der Badeanstalt des Barbiers aufhalten. Das hätte mich letztlich noch in den Verdacht gebracht, lieber nackte Männer zu sehen anstatt nackte Frauen.

Trotzdem ging ich auch in den nächsten fünf Tagen in die Badeanstalt.

Am sechsten Tage fragte mich der Neger, indes er mir heißes Wasser nachgoss: »Sir, haben Sie keine Angst, dass Ihnen Schuppen wachsen? Ich habe noch niemals einen so ausdauernden Badegast bedient.«

»Das mag sein, mein Freund«, erwiderte ich. »Aber ich habe Rheuma. Das heiße Wasser ist eine Wohltat für mich. Da würde ich mich sogar mit Schuppen auf der Haut abfinden.«

Er nickte ernst. Dann ließ er mich wieder allein.

Ich aber dachte: Heute sitze ich zum letzten Mal in diesem Badefass. Vielleicht bekomme ich zwar keine Schuppen wie ein Fisch, dafür aber einen Biberschwanz.

Ich hatte es kaum gedacht, da sah ich es.

Ja, da war es zu sehen auf einem der Hinterbacken eines Mannes, der in eines der Badefässer stieg. Es gab keinen Zweifel, da war die saubere Tätowierung eines Pumakopfes auf den Batzen. Er war am ganzen Körper tätowiert, überall.

Oha, verdammt, da hatte mich mein Instinkt am Ende doch richtig beraten!

Ich sah mir den Burschen an. Ja, es konnte dieser Jesse McLowry sein. Er war ein bulliger Typ, braunhaarig und gelbäugig. Wenn er jetzt noch jene Uhr besaß, die jede Stunde eine zarte Melodie hören ließ, dann hatte ich den Mann gefunden, den sie in Jacinto hängen wollten.

In meinen Gedanken seufzte ich, denn ich wusste nun, da ich ihn sah, dass er eine besonders hartgesottene und gefährliche Nummer war. Diesen Burschen nach Jacinto zu schaffen würde ein höllisch schweres Stück Arbeit sein. Ich musste vorsichtig sein wie kaum zuvor in meinem Leben.

Ich wartete dann wie einer der Müßiggänger draußen auf der Straße, bis er aus der Badeanstalt kam. Ja, nun kannte ich ihn endlich, aber hundertprozentig war ich mir ja immer noch nicht sicher.

Erst etwa eine Stunde später stand ich neben ihm an einer Bar. Er war nun in Gesellschaft zweier Männer, die nicht weniger hartgesotten und gefährlich wirkten als er. Die beiden anderen Kerle waren seine Brüder. Er nannte sie Bart und Ted. Und sie hatten hier auf ihn gewartet, nachdem sie ihm in Yuma zur Flucht verhalfen. Irgendwo hatten sie sich getrennt, um drei Fährten zu hinterlassen in der Gila Wüste zwischen Yuma und Nogales.

Sie tranken ziemlich viel. Dann sagte jener Jesse McLowry: »Und jetzt geh ich zu Lily. Ich bleibe bei ihr bis morgen Vormittag. Dann können wir reiten. Mein Pferd muss noch beschlagen werden. Bringt es zum Schmied.«

Er ging. Ich folgte ihm. Denn ich wollte wissen, wo ich ihn diese Nacht finden würde.

Dann aber musste ich zur Schmiede gehen, um dort sein Pferd zu sehen. Denn dieses Tier würde ich brauchen für seinen Transport. Ich dachte nicht im Traum daran, eines für ihn zu kaufen oder gar zu stehlen. Nein, er sollte auf seinem eigenen Tier zum Galgen reiten.

☆☆☆

Es war etwas nach Mitternacht, als ich in das Putahaus ging, in dem jene Lily wie andere Mädchen Gäste empfing. Auch McLowrys Brüder waren hier zu Gast. Sie hockten an der langen Bar mit durstigen Mädchen, mit denen sie offensichtlich schon oben waren und jetzt nur noch zum Abschied einen Drink nahmen.

Ich sah, dass sie schon ziemlich betrunken waren. Als sie endlich aufbrachen und zum Ausgang schwankten, da wandte sich eines der Mädchen zu mir um und lächelte mich an.

»Hallo, Großer«, sagte sie, »soll ich dir Gesellschaft leisten oder bin ich nicht der Typ, den du haben möchtest?«

»Oh, du bist hübsch und niedlich«, erwiderte ich und grinste auf sie nieder.

»Dann komm«, erwiderte sie und nahm mich an der Hand. »Es ist auch hübsch oben in meinem Zimmer. Ich mache dir das Tor zum Paradies weit auf. Du musst nur hindurchgehen. Komm, Großer. Wie ist dein Name?«

»Jake«, sagte ich und grinste. »Und deiner, Süße?«

»Mary Lou.«

Wir gingen also nach oben in ihr Zimmer. Es war wirklich hübsch, auch sauber.

Sie verhielt mitten im Zimmer vor mir und sah zu mir hoch.

»Du riechst nach Fliederseife«, sagte sie. »Möchtest du lange bei mir bleiben, vielleicht bis zum Frühstück, ja? Du gefällst mir. Und dann müsste ich nicht mehr hinunter.«

Ich wusste, ich musste nun Farbe bekennen.

Und so nahm ich erst einmal zwei Zwanzig-Dollar-Stücke und ließ sie in ihren Ausschnitt fallen, der mir ihre festen Brüste mehr als nur zur Hälfte zeigte.

Dann sagte ich: »Mary Lou, ich würde gern mit dir bis zum Frühstück zusammen sein. Aber es geht nicht. Bei Lily ist ein Kerl, den ich haben möchte.«

»Jesse McLowry«, sagte sie, und ihre Stimme klang plötzlich spröde und kalt. Auch in ihren blauen Augen war nun abschätzende Kühle.

Ich nickte.

»Er hat in Jacinto mein Mädchen halb totgeschlagen und vergewaltigt«, sprach ich zu ihr nieder. »Trink eine halbe Flasche Wein – von dem roten, den ich da auf dem Tisch sehe – und leg dich schlafen. Du kannst später sagen, dass ich dich zum Trinken zwang, bis du nicht mehr wusstest, was geschah. Gut so?«

Sie sah zu mir hoch – lange, kritisch und prüfend, misstrauisch.

»Oh, Großer«, murmelte sie dann, »weißt du denn, auf was du dich einlässt? Dieser Jesse McLowry hat drei Brüder. Zwei sind so wie er, aber der dritte – er heißt Morgan McLowry – ist der Boss in dieser Stadt und fast im ganzen Land westlich des Pecos. Wer einem McLowry etwas antut, der bekommt alles dreifach zurück. Reite lieber aus der Stadt und bilde dir ein, dass du Jesse McLowry nicht finden konntest. Es wäre besser für dich.«

Aber so eindringlich auch ihre Stimme klang und sie auch mit ihrem Blick auf mich einzuwirken versuchte, ich schüttelte stumm den Kopf. Und in meinen Augen erkannte sie meinen unumstößlichen Entschluss und meine Härte.

»Ironman«, murmelte sie, »oh, du Ironman. Ich kenne deine Sorte. Ich wünschte, auch mich hätte damals solch ein Bursche …«

Sie brach ab und wandte sich dem Tisch zu. Aus der Rotweinflasche goss sie ein Glas voll und hob es an die Lippen.

»Lilys Zimmer ist gleich links neben diesem«, sprach sie noch. Dann trank sie gierig wie eine Verdurstende.

Sie ging zum Bett, nachdem sie zuvor das zweite Glas gierig geleert hatte. Es war schwerer spanischer Wein. Aber weil sie noch nicht zu betrunken war, begann sie zu weinen.

Ich ging hinaus und schloss leise die Tür.

Als ich in Lilys Zimmer trat, hielt ich den Colt in der Faust.

Aber es war keine Vorsicht nötig. Jesse McLowry lag auf dem Bett und schnarchte wie ein Eber im Kober.

Das Mädchen Lily stand am offenen Fenster und atmete die frische Nachtluft, die ein leichter Wind von draußen hereinblies. Sie trug nur ein kurzes Hemdchen.

Als sie sich zu mir umwandte und schon den Mund öffnete, um mir zu sagen, dass ich mich zum Teufel scheren solle, legte ich den Zeigefinger auf die Lippen.

Sie schwieg abwartend. Ich schloss die Tür und näherte mich Lily. Ich sagte auf sie nieder: »Lily, ich will nur den da. Sein großer Bruder will ihn auf der Stelle sehen.«

»Aaah, der ist halb tot«, erwiderte sie. »Der kann nicht mal mehr lallen. Dieser Narr geht betrunken mit mir aufs Zimmer und säuft hier oben noch weiter. Ja, mir ist es recht, wenn du ihn mitnimmst. Du wirst ihn tragen müssen. He, dich kenne ich noch gar nicht. Bist du neu hier?«

Ich nickte nur, trat zum offenen Fenster und blickte hinaus und hinunter.

Drunten sah ich niemanden im Hof. Nur einige Wagen und Pferde standen dort. Auf einem Wagen war Heu. Er stand unter dem Fenster.

Ich holte den schnarchenden Jesse McLowry vom Bett, trug ihn zum Fenster und ließ ihn fallen. Der Heuwagen stand nicht dicht genug unter dem Fenster, sodass Jesse McLowry nicht richtig auf ihn fiel. Aber dennoch wurde sein Sturz gebremst und abgemildert.

»Ich besuche dich bald mal privat«, sagte ich zu Lily und folgte diesem Jesse McLowry, der unten halb unter den Wagen gerollt war und immer noch schnarchte.

Alles war plötzlich so einfach.

Die Pferde hatte ich schon vorhin in den Hof gebracht. Nun musste ich Jesse McLowry nur noch aufladen und konnte mit ihm nach Jacinto reiten

Als ich mich nach ihm bückte, um ihn mir aufzuladen, da hörte ich aus seiner Tasche das zarte Klingeln der Taschenuhr und dann die Melodie.

☆☆☆

Bis zur Furt waren es etwa zwölf Meilen.

Im Osten kam das erste Grau hoch und ließ die Sterne verblassen, als ich den Pecos erreichte. Ich musste durch die Furt, denn überall sonst war Treibsand. Es gab nur wenige Übergänge durch den Pecos.

Das war es ja, was die Banditen westlich des Pecos zu gut schützte. Sie vermochten alle Zugänge in ihr Gebiet so leicht zu bewachen und unter Kontrolle zu halten.

Jesse McLowry lag noch immer quer über seinem Sattel. Er hatte sich mehrmals unterwegs erbrochen und gestöhnt. Wahrscheinlich hatte er sich auch in die Hosen gemacht. Dieser Sohn von tausend Vätern war so betrunken wie eine ganzer Indianerstamm und hatte sein Blut in Alkohol umgewandelt.

Ich blieb ganz ruhig, als ich den Fluss im letzten Schein der verblassenden Sterne noch ein wenig schimmern sah und zwei Reiter von rechts aus dem Schatten einiger Bäume auf den Weg geritten kamen.

Sie warteten auf mein Kommen. Als ich nahe genug war, hielt auch ich an.

»He, ist Lefty nicht hier?« So fragte ich.

»Nein«, erwiderte einer der Reiter. »Ich bin Larry, nicht Lefty. Sag mal, wer bist du denn? Und wen hast du da quer über dem Sattel des anderen Gauls?«

Ich lachte scheinbar sorglos und auch ein wenig verächtlich. Dann erwiderte ich: »Aaah, das ist nur Jesse McLowry. Der ist zu betrunken, um im Sattel sitzen zu können. Der hat sich so sehr beschlaucht, dass ihm das Feuerwasser aus den Ohren lief. Ich werde ihn erst mal im Pecos baden. Vielleicht wird er dadurch wieder nüchtern. Dann kann er auf seinem Hintern reiten. Also Freunde, lasst mich durch.«

Ich wollte anreiten, aber sie wichen nicht zur Seite.

Und jener Larry sagte: »Warte. Wir haben noch einige Fragen. Denn aus unserem Land wird niemand – und schon gar nicht Jesse McLowry – hinaustransportiert, wenn er so stinkbesoffen ist. Also wirst du hier bei uns warten, bis Jesse wieder nüchtern ist.«

Ich sagte ruhig, indes ich mich in den Steigbügeln aufstellte und die langen Zügel von McLowrys Pferd losließ: »Jungs, ich lasse mir von euch keine Befehle erteilen. Und ich habe auch keine Zeit mehr für lange Reden. Gebt den Weg zur Furt frei oder …«

Ich kam nicht weiter. Sie hatten an meiner Stimme erkannt, dass ich nicht bluffte. Und so zogen sie.

Vielleicht wollten sie mich nur einschüchtern und mir zeigen, wie schnell sie waren. Aber sie zogen – und dies bewirkte meine Reflexe. Es geschah ganz instinktiv, schneller als jeder Gedanke. Weil sie zogen, zog auch ich. Es war nicht mehr aufzuhalten.

Ich war um jenen Sekundenbruchteil schneller als sie, auf den es so sehr ankam. Als ich den Burschen links von mir mit meiner Kugel traf – es war jener Larry, der eine Winzigkeit schneller war als sein Partner –‍, da bekam dieser Partner seine Chance. Denn er konnte auf mich abdrücken, indes ich meinen Revolver von Larry auf ihn richten musste.

Aber er traf mich nicht richtig. Er wollte zu schnell sein. Seine Kugel fetzte nur durch den Ärmel meines Hemdes.

Und fast im selben Moment traf ich auch ihn.

Ja, ich war schnell mit dem Revolver, obwohl ich kein Revolverheld, sondern ein Wildpferdjäger war. Aber wer im Apachenland Wildpferde jagte, der musste auf allen Gebieten besser sein als der Durchschnitt. Das gehörte zum Überleben in diesem Land.

Die beiden Kerle schwankten in den Sätteln. Alle Pferde standen ruhig, tanzten nicht. Sie waren an Revolverfeuer gewöhnt.

Larry stöhnte und ließ den Colt fallen, um mit beiden Händen das Sattelhorn umklammern zu können. Dann aber ritt er vorwärts und an mir vorbei in Richtung El Pablo.

Im Morgengrauen sah ich sein verzerrtes Gesicht. Er sah starr geradeaus, und ich wusste, er wollte nach El Pablo, weil er nur dort Hilfe bekommen konnte.

Sein Partner aber fiel nun aus dem Sattel. Er landete schwer am Boden. Wahrscheinlich war er tot.

In mir stieg Bitterkeit hoch. Ich ließ meinen Colt ins Holster gleiten. Oha, verdammt noch mal, so einfach war es also doch nicht, Jesse McLowry nach Jacinto zu bringen und die hohe Prämie zu kassieren. Es hatte nur am Anfang so einfach ausgesehen.

Jener Larry war nun an mir vorbei.

Ich beugte mich zur Seite tief aus dem Sattel nieder, um die Zügel von McLowrys Pferd aufzunehmen, die ich ja mit deren Enden zu Boden fallen ließ. Als ich mich mit ihnen aufrichtete und anreiten wollte, bekam ich es.

Ein Gewehr feuerte rechts von mir aus dem Grau unter den Bäumen, von wo ja auch die beiden Reiter gekommen waren. Die Kugel traf mich in die Seite, traf mich mit einem Schlag, den ich wie einen Huftritt spürte. Ich schwankte – und dann fiel ich vom Pferd, schlug hart am Boden auf, und weil ich auch noch mit dem Kopf aufschlug, was wie ein Keulenhieb wirkte, verlor ich mein Bewusstsein.

Doch ich blieb nicht lange bewusstlos. Der Schmerz in oder an meiner Seite machte mich schnell wieder wach.

Da war also noch ein dritter Mann mit im rauen Spiel, den die beiden anderen unter den Bäumen zurückgelassen hatten.

Ich wusste, er würde kommen.

Vorsichtig tastete ich nach meinem Revolver.

Zwischen dem sich nähernden Reiter und mir stand mein Pferd. Es deckte mich ein wenig, denn ich war nach der dem Schützen abgewandten Seite aus dem Sattel gefallen. Die Schmerzen an meiner Seite waren immer noch höllisch. Manchmal wollte mir die Luft wegbleiben, denn ich vermochte nur ganz flach zu atmen.

Als ich den Reiter unter dem Bauch meines Pferdes hindurch gut genug erkennen konnte, da schoss ich und sah, wie meine Kugel ihn aus dem Sattel stieß. Ich hörte seinen Aufprall am Boden.

Nun endlich kam ich hoch. Zuerst an den Steigbügeln meines Pferdes, dann am Sattel und schließlich am Sattelhorn zog ich mich hoch. Und die Luft fehlte mir immer noch, weil ich vor Schmerzen nicht zu atmen wagte.

Aber verdammt, ich war ein Ironman, ich war härter und zäher als sie alle.

Und so kam ich in den Sattel. Das Blut lief mir aus der Wunde. Nun spürte ich es endlich. Das Hemd klebte an meinem Körper über der Wunde.

Ich bekam irgendwie die Zügel des anderen Pferdes in die Hand und ritt durch die Furt des Pecos.

Bis nach Jacinto war es nicht weit. Ja, das würde ich schaffen.

☆☆☆

Die Sonne war noch nicht aufgegangen, als ich nach Jacinto kam. Und ich hatte mir sogar zuvor den Stern aus der Hosentasche geholt und an die Brusttasche meines Hemdes gesteckt.

Als ich vor dem Stadthaus verhielt, in dem sich auch das Gefängnis befand, da holte ich meinen Colt heraus und schoss die letzten drei Kugeln in den Himmel. Das Krachen der Waffe weckte die noch schlafende Stadt.

Und dann fiel ich aus dem Sattel – diesmal nicht von einer Kugel, sondern vor Schwäche. Wahrscheinlich hatte ich zu viel Blut verloren.

Ich wusste nicht mehr, was geschah.

Mein letzter Gedanke war: Jetzt können sie ihn hängen.

Denn ich hatte ihnen ja Jesse McLowry gebracht. Jawohl, er lag immer noch betrunken quer über seinem Pferd, dieser Mistkerl.

☆☆☆

Irgendwann war mein Kopf wieder in der Lage, sich an alles zu erinnern und sich auch bewusst zu werden, dass ich aufgewacht war, also noch lebte.

Als ich die Augen öffnete, sah ich Sarah Gates.

Ja, sie war es, nicht irgendein Bild meiner Einbildungskraft. Sie saß an meinem Bett. Dann beugte sie sich vor und ließ mich aus einer Schnabeltasse trinken.

Ich ließ dann ein Krächzen hören und stellte fest, dass bei jedem tieferen Atemzug meine linke Seite böser schmerzte als die rechte.

»He, Sarah«, sagte ich heiser. »Es ist schön, dich zu sehen.«

Sie blickte ernst auf mich nieder. In ihrem hübschen und rassigen Gesicht waren noch ein paar blaue Flecke. Jesse McLowry musste sie mit Fäusten geschlagen haben. Aber er würde dafür und auch für seine andere Tat hängen. Das war gerecht.

Ihr ernstes Gesicht veränderte sich nun zu einem kaum merklichen Lächeln. »Ich danke dir, mein Freund«, murmelte sie. »Du befindest dich in meinem Haus, in einem der Zimmer über dem Store. Unser Doc hat dich gut versorgt. Und es war selbstverständlich, dass ich deine Pflege übernahm. Ich bin es dir schuldig, Jake Ringold.«

»Nein«, murmelte ich, »du bist mir nichts schuldig. Ich holte ihn nach Jacinto zurück, weil es eine hohe Fangprämie gab. Du bist mir gar nichts schuldig, Sarah.«

Sie schüttelte unwillig den Kopf. Aber dann murmelte sie sanft: »Wir wollen nicht darüber streiten, Jake, nicht wahr? Mit dir möchte ich am wenigsten streiten. Ich will dir eine Suppe holen. Du musst Hunger haben.«

Sie ließ mich nochmals den Tee trinken, dann erhob sie sich und ging zur Tür. Als sie von dort noch einmal zurückblickte, fragte ich: »Wie lange war ich ohne Bewusstsein?«

»Vier Tage«, erwiderte sie. »Du hattest starkes Fieber und wilde Träume. Ich hole jetzt die Suppe.«

»Haben sie ihn schon gehängt?« So fragte ich, denn jetzt war mir alles wieder gegenwärtig.

Sie wandte sich mir wieder zu.

»Nein«, erwiderte sie und lehnte sich von innen mit dem Rücken gegen die noch geschlossene Tür, so als suchte sie einen Halt. »Nein«, wiederholte sie. »So schnell geht das nicht nach Recht und Gesetz. Und überdies gibt es nicht wenige Leute unter den Bürgern dieser Stadt, die wollen ihn gar nicht hier hängen. Die haben Angst vor der wilden Horde, vor seinen Brüdern. Die Stadt hat schon eine Drohung erhalten. Ich glaube nicht, dass sich hier jemand findet, der ihm den Strick um den Hals zu legen wagt. Aber das macht nichts. Ich werde ihn erschießen.«

Nach diesen Worten, die sie mit fast tonloser Stimme sprach, ging sie.

Ich aber wusste nun, dass die Dinge noch längst nicht ausgestanden waren. Ich hatte ihnen zwar einen steckbrieflich gesuchten Mörder, einen flüchtigen Zuchthäusler und Frauenschänder gebracht – aber nun zögerten sie, ihn aufzuhängen.

Ich musste ausruhen, Kräfte sammeln.

Doch was würde dann sein?

Zum Glück konnte ich noch nicht darüber nachdenken.

☆☆☆

Als ich das nächste Mal wach wurde, war mein Kopf klarer. Und die Schmerzen, die ich spürte, stammten nicht von meiner Wunde, nein, es war ein wilder, gieriger Hunger, der in mir biss wie ein ausgehungerter Wolf.

Ich war nicht allein. Sarah Gates saß wieder an meinem Bett. Auf dem Nachtschränkchen stand eine Schüssel, aus der es nach Fleischsuppe duftete.

Aber es waren noch zwei Personen im Zimmer. Einer war der Doc, ein ziemlich alter Bursche schon. Er saß auf der anderen Seite des Bettes.

Am Fußende stand der Sheriff. Er hatte keine Krücke mehr unter der Achselhöhle, sondern stützte sich nur noch auf einen Stock.

Sie betrachteten mich ernst.

Dann begann Sarah Gates mich wortlos ein wenig mit dem Oberkörper höher zu betten und aus der Schüssel mit der Fleischsuppe zu füttern.

Zwischen zwei Schlucken sagte ich: »Na los, dann sagt es endlich. Ihr habt doch etwas auf dem Herzen und zögert, es zu sagen. Raus damit! Was ist los?«

Immer noch zögerten sie.

Dann sagte der Doc: »Die Kugel drang von der Seite her ein und glitt auf dem Rippenbogen ab. Sie knickte die Rippe und riss über ihr eine Furche wie von einem Schwerthieb. Ich habe alles zusammengenäht. Wenn wir Sie in die Kutsche bringen, werde ich noch einen korsettartigen Verband anbringen. Dann wird es gehen. Sie sind ja ein harter Bursche, Wildpferdjäger, ein Ironman, wie man so sagt, nicht wahr?«

»In die Kutsche bringen?« So fragte ich zwischen zwei Löffeln.

»So ist es«, sagte da der Sheriff. Und nach einer kleinen Pause fügte er hinzu: »Wir haben nur die Wahl, ihn laufen zu lassen oder ihn und Sie fortzubringen. Wenn er hier in Jacinto bleibt, kommt die wilde Horde herüber und holt ihn heraus. Und dabei macht sie unsere Stadt klein. Auch ich muss mit nach El Paso, ebenso der Richter und Sarah. Nur in El Paso können wir den Mistkerl anklagen oder zumindest dem Gesetz und dem Henker übergeben. Hier geht das nicht. Die Stadt ist zu klein und zu schwach. Wir müssen fort. In einer Stunde ist es Nacht. Dann brechen wir auf.«

Er verstummte wie ein Mann, der alles gesagt hat, und hinkte dann hinaus.

Nur der Doc und Sarah blieben. Sarah fütterte mich schweigend. Der Doc aber machte einige Binden für den Korsettverband bereit.

Ich schwieg noch, schluckte nur und dachte nach. Über die Stadt. Und weil ich drüben gewesen war im Land der Banditen und Gesetzlosen, konnte ich die Furcht der Leute hier besser verstehen.

Jesse McLowry hatte drei Brüder. Zwei waren primitiv wie er, aber der Dritte war anders. Ich hatte ihn nicht gesehen, nur von ihm gehört. Er war einer der großen Burschen dort drüben.

Und nicht nur, weil Jesse sein Bruder war, würde er ihn hier herausholen und vor dem Strick retten wollen. Es ging um mehr, nämlich darum, dass ich Jesse McLowry mitten aus El Pablo herausgeholt hatte. Wenn man ihn hier hängen konnte, würde sich drüben keiner mehr in Sicherheit fühlen können.

Darum also ging es.

Ich sah in die leuchtend blauen Augen von Sarah Gates. Ja, sie hatte wunderschöne blaue Augen. Es war ein dunkles Blau. Auf ihrer Nase waren einige Sommersprossen, auch auf ihren Wangenknochen.

Sie sagte plötzlich: »Es wäre alles ganz einfach, wenn ich ihn erschießen würde. Doch das lassen sie nicht zu. Auch dazu sind sie zu feige. Eine Stadt, die ihre Frauen nicht beschützen oder zumindest nicht die Bösen bestrafen kann, ist es nicht wert zu bestehen. Tut mir leid um Sie, Jake. Sie haben alles getan, was Sie zu tun versprachen. Aber die Stadt versagt nun aus Furcht.«

Ich sagte nichts. Was sollte ich auch sagen?

Es war mir klar, dass die Stadt auch mich nicht würde beschützen können. Ich musste froh sein, dass sie mich mit dem Gefangenen in einer Kutsche fortbrachten.

Dass sie Jesse McLowry nicht einfach freiließen, das ließ der Stadt noch einen letzten Rest von Selbstachtung.

Sie richteten meinen Oberkörper auf. Der Doc sagte dabei:

»Keinen Muskel anspannen, keine Anstrengung. Die Nähte sind noch zu frisch. Es könnte sonst alles aufreißen. Sie müssen entspannt bleiben, mein Junge.«

Da mein Oberkörper entblößt war, begann er mit Sarahs Hilfe nun den Korsettverband anzulegen. Draußen wurde es dämmrig. Sarah zündete eine Lampe an und ging dann nach unten, um mir neue Sachen herauszusuchen.

Der alte Doc verharrte noch am Bett und sah auf mich nieder. Dann sagte er: »So sind die Menschen nun mal. Am besten für alle wäre es gewesen, Sie hätten es nicht geschafft, den Mistkerl herzubringen. Dass Sie es schaffen würden, Ironman, damit rechnete keiner. Nun gut, ruhen Sie sich noch etwas aus. Wir tragen Sie dann hinunter in die Kutsche.«

Nach diesen Worten ging auch er.

☆☆☆

Es war eine neunsitzige Abbot&Downing-Postkutsche. Sie halfen mir auf die hintere Sitzbank und stützten mich mit einem Kissen, sodass ich es dort so bequem wie möglich hatte.

Dann brachten sie Jesse McLowry in die Kutsche.

Er sah mich hinten halb liegen und halb sitzen und sagte: »Sie werden dir die Haut abziehen, Pferdejäger. Ich wette, ihr kommt in dieser Kutsche nicht weit mit mir, ihr Narren.« Er stieß ein wildes Lachen aus.

Der Sheriff knurrte böse: »Halts Maul, McLowry! Oder ich stopfe es dir mit dem Revolverlauf. Halt dein verdammtes Maul, bis ich dich was frage. Das ist meine einzige Warnung.«

Er schwieg wahrhaftig. Denn in der Stimme des Sheriffs war kalte Wut. Er war kein Feigling, dieser Sheriff Abe Scott, nein, das war er wahrhaftig nicht.

Es stieg nun auch der Richter in die Kutsche, zuletzt Sarah Gates. Und dann fuhren wir los.

Oben auf dem Bock saß ein Fahrer, der das Gespann sofort traben ließ. So sausten wir aus der Stadt nach Norden, ja, nach Norden. Denn wir befanden uns ja südöstlich von El Paso. Wir mussten am Ostufer des Pecos entlang bis in die Gegend des El Capitan Peak und dann über den Pecos nach Westen durch die Guadalupe Mountains.

Es waren mehr als zweihundert Meilen.

Und wir hatten keine Chance. Ich wusste es. Denn was der Sheriff und der Richter da versuchten, war mehr oder weniger ein verzweifelter Versuch.

Ich fiel für einige Zeit in eine Art Dämmerzustand. Dies hatte ich von den Apachen gelernt. Und so wurde ich nicht gewahr, dass wir eine ganze Menge Meilen zurücklegten, ohne eingeholt zu werden.

Als wir die erste Station erreichten und der Kutscher nach einem frischen Gespann brüllte, weil es seiner Meinung nach um Minuten ging, da meldete ich mich in der Kutsche zu Wort.

Ich sagte knapp: »Wir steigen aus!«

Sie schwiegen einige Atemzüge lang.

Dann fragte der Sheriff ebenso knapp: »Und was bringt das?«

Ich erwiderte: »Wir sind in dem Land, wo ich seit Jahren Wildpferde jage. Hier kenne ich mich aus. Es ist ein wildes, unübersichtliches Land mit tausend verborgenen Winkeln. Wenn unsere Verfolger hier nicht absteigen, sondern der Kutsche weiter folgen, weil sie glauben, diese in den nächsten zehn Meilen eingeholt zu haben, dann …«

Ich brauchte nicht weiterzureden, denn es war alles klar. Abe Scott war kein Dummkopf, sondern ein erfahrener Sheriff.

»Aber dann müssen Sie reiten, Jake Ringold«, warnte er.

»Richtig«, erwiderte ich und erhob mich von der Rückbank der Kutsche und begann durch die hintere Tür hinauszuklettern. Ich biss die Zähne zusammen, aber es war zu ertragen.

Auch die anderen waren ausgestiegen.

Jesse McLowry sagte böse: »Das wird euch nichts nützen. Meine Brüder …«

Weiter kam er nicht, denn der Sheriff schlug ihm dem Revolverlauf quer über die Stirn, Nasenbein und Mundwinkel.

McLowry fiel auf die Knie, stöhnte vor Schmerz. Der Sheriff sprach auf ihn nieder: »Ich hab dir doch gesagt, du sollst dein verdammtes Maul halten.«

Er trieb ihn hoch und vor sich her zur Scheune hinüber, die im Mond- und Sternenschein gut zu erkennen war.

Wir folgten ihm. Jesse McLowry trug Handschellen. Sarah ging neben mir und wollte mich stützen. Aber ich sagte zur Seite: »Es geht schon, Sarah, es geht schon.«

»Ironman«, erwiderte sie, »oh, du Ironman.«

Wir verschwanden in der offenen Scheune, indes der Fahrer und der Stationsmann ein frisches Gespann einschirrten.

Dann sauste die Kutsche weiter. Wir aber hockten in der Scheune und warteten darauf, den Hufschlag einer rau reitenden Mannschaft zu hören.

Ich lag entspannt da. Das Heu war weich. Es duftete. Draußen war eine mond- und sternenhelle Nacht. Aber hier drinnen in der Scheune herrschte ziemliche Dunkelheit.

Mehr als eine Stunde verging.

Dann aber war es zu hören.

Ja, da kam eine wild und rau reitende Mannschaft. Da kam eine wilde Horde.

Der Sheriff, der draußen gewartet und dem Stationsmann gesagt hatte, wie er sich verhalten solle, kam am Stock zu uns in die Scheune gehinkt.

»Da kommen sie«, knurrte er. »He, Jake Ringold, hoffentlich halten Sie gleich durch auf einem Pferd, wenn Sie uns in dieses verdammte Land führen.«

Ich gab ihm keine Antwort. Wir alle schwiegen und lauschten. Der Hufschlag in der Nacht kam näher und näher. Ja, sie ritten rau und verwegen, wollten die Kutsche einholen.

Gewiss dachte jeder von uns die gleichen Gedanken, nämlich: Hoffentlich reiten sie vorbei und sehen nicht in der Scheune nach.

Denn jedem von uns war klar: Wenn nur einer der Reiter einen forschenden Blick in die Scheune warf, dann konnte es sein, dass er uns entdeckte.

Ich sagte heiser: »Sheriff, McLowry darf seinen Mund nicht aufmachen.«

Sheriff Abe Scott knurrte nur: »He, McLowry, ich werde dir nicht den Mund zuhalten. Aber wenn du ihn aufmachen solltest, um zu brüllen, dann bist du der erste Tote von uns allen.«

McLowry ließ ein Stöhnen hören. Aber er sagte nichts, machte den Mund wahrhaftig nicht auf. Er hatte endgültig begriffen, dass der Sheriff nicht bluffte. Gewiss litt er unter Schmerzen, denn der Revolverlauf des Sheriffs hatte ihm das Nasenbein gebrochen und auf der Stirn eine Platzwunde erzeugt.

Wir hörten Sarah Gates flüstern: »Ich werde ihn töten, Sheriff. Ja, ich habe eine Waffe in der Hand. Ich ziele auf ihn. Mir steht es zu, ihn zu töten.«

Sie tat mir leid. Denn sie war voller Hass. Er hatte ihr Schlimmes angetan. Sie fühlte sich entehrt, beschmutzt, gedemütigt. Wahrscheinlich hatte sie nur deshalb noch nicht versucht, ihn zu töten, weil sie ihn hängen sehen wollte.

In ihr musste alles hart und gnadenlos geworden sein. Deshalb tat sie mir leid. Denn eine Frau, in der nur noch Hass war, konnte nichts mehr von all den guten Dingen geben, die das Leben lebenswert machten.

Die Reiter waren plötzlich auf dem Platz vor dem Stationshaus, der Scheune und den Corrals. Sie ließen ihre Pferde tanzen. Aus dem Innern der Scheune heraus sahen wir sie im Mond- und Sternenschein. Staub stieg hoch und hüllte sie ein wie Nebel.

Eine raue Stimme tief: »He, Mann, wann kam die Kutsche hier durch?«

»Eine Stunde ist es her, etwa eine Stunde!« So hörten wir den Stationsmann antworten, obwohl schon länger als eine Stunde vergangen war. Doch der Sheriff hatte ihm aufgetragen, in dieser Art zu antworten. Den Verfolgern der Kutsche musste es möglich erscheinen, die Kutsche noch einholen zu können, bevor die Pferde der Reiter zusammenbrachen.

Der Stationsmann hatte es kaum gerufen, da tönte ein wilder Schrei. Es war der Befehl zum Anreiten.

Und so trieben sie ihre Tiere wieder an. Es waren mehr als zwei Dutzend Reiter. Sie folgten der Kutsche. Der Hufschlag entfernte sich mehr und mehr, wurde immer leiser. Nur der Staub hielt sich noch eine Weile in der stillen Nachtluft.

Wir atmeten auf.

Der Sheriff und der Richter gingen hinaus zum Stationsmann, um Pferde satteln zu lassen und selbst dabei zu helfen. Ich hörte den Richter sagen: »Barney, wir brauchen die zähesten Pferde. Ich stelle Ihnen für die Post- und Frachtlinie dafür eine Quittung aus.«

Ich war nun mit Sarah Gates und Jesse McLowry allein in der Scheune. Sarah sagte mit kalter Stimme: »McLowry, vielleicht sollte ich dich doch jetzt erschießen. Es wäre für uns alle am besten.«

»Dann schieß doch«, keuchte McLowry. »Aber dann hast du keine Chance mehr, mich hängen zu sehen. Schieß doch.«

»Nein, Sarah«, mischte ich mich ein. »Tu es nicht. Ich verspreche dir, dass er hängen wird nach Recht und Gesetz für all seine Taten. Ich schwöre es dir. Du musst ihn nicht töten, um dich wieder besser zu fühlen.«

Sie stieß ein Stöhnen aus, und ich wusste, sie kämpfte jetzt einen Kampf mit sich selbst.

Zum Glück schwieg McLowry und reizte sie nicht mit Worten. Es dauerte nicht mehr lange, dann führten die Männer die Pferde vor die Scheune. Ich musste auf die Beine und in den Sattel kommen.

☆☆☆

Es war von Anfang an die Hölle, so wie ich es erwartet hatte. In den Sattel kam ich noch recht gut. Aber dann …

Doch ich musste durchhalten, koste es, was es wolle.

Ich führte unsere kleine Gruppe, die nun zu einer Gemeinschaft wurde, in mein Land hinein. Es war schon lange nach Mitternacht.

Nach etwa drei Meilen kamen wir zum Lost Creek. Es war ein scheinbar flacher und sandiger Creek, harmlos inmitten sandiger Hügel.

Aber der sandige Grund war Treibsand. Es gab nur wenig Durchgänge. Ich kannte sie. Als wir drüben waren, schickte ich den Sheriff und den Richter wieder zurück auf die andere Seite, damit sie unsere Fährte verwischten und eine neue zogen, die zu einer Stelle des Creeks führte, wo die Treibsandzone begann. Sie mussten dann im flachen Wasser des Creek-Ufers wieder zu unserer festen Furt reiten und zu uns kommen.

Ich machte mir nicht viele Hoffnungen, dass die Verfolger nun blindlings in den Treibsand reiten würden, aber es konnte durchaus sein, dass sie – wenn sie es eilig hatten – zumindest mit den ersten Reitern hineingerieten und sie dadurch eine Weile aufgehalten wurden.