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G.F. Unger ist der erfolgreichste deutschsprachige Western-Autor. Mit einer Rekordauflage von über 250 Millionen Exemplaren gehört er zur internationalen Spitzenklasse der Spannungsliteratur. Und das zu Recht!
Niemand vermag es wie er, die unermesslichen Weiten des amerikanischen Westens und die Stärke der unerschrockenen Männer, die sie erschlossen, zu beschreiben. Erleben Sie den amerikanischen "Wilden Westen", wie nur G.F. Unger ihn schildern kann: hart, authentisch, leidenschaftlich.
Dieser Sammelband enthält die Folgen 2482 bis 2484:
Der Inhalt dieses Sammelbands entspricht ca. 192 Taschenbuchseiten.
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Seitenzahl: 469
Veröffentlichungsjahr: 2022
BASTEI LÜBBE AG
Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben
Für die Originalausgaben:
Copyright © 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Für diese Ausgabe:
Copyright © 2022 by Bastei Lübbe AG, Köln
Coverillustration: © Faba/Norma
ISBN 978-3-7517-3004-4
www.bastei.de
www.luebbe.de
www.lesejury.de
Cover
Titel
Impressum
Inhalt
G. F. Unger Western-Bestseller 2482
Fighter-Weg
G. F. Unger Western-Bestseller 2483
Gebrochener Sattel
G. F. Unger Western-Bestseller 2484
Der rote Bannister
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Contents
Fighter-Weg
Als sie aus der Postkutsche stieg, traf es mich wie ein Blitz. Denn sie strahlte etwas aus, das mich sofort beeindruckte. Dazu kam der Blick ihrer grünen, schrägstehenden Augen. Sie war eine Pantherkatze.
Und für diese Sorte hatte ich etwas übrig.
Sie trug ein grünes Reisekostüm, das ganz und gar ladyhaft geschnitten war, aber dennoch ihre blendende Figur betonte.
Heiliger Rauch, was für eine Frau!
Sie hatte nur wenig Gepäck. Es bestand aus einem Koffer und zwei Reisetaschen. Eine Tasche trug sie selbst. Den Rest brachte der Hotelbursche hinein. Ich hörte sie fragen: »Und wann fährt die Post nach Old Fox?«
»Morgen bei Sonnenaufgang, Ma’am«, erwiderte der Posthalter von Rainbow Creek. Und dann fügte er hinzu: »Es sei denn, die Kutsche wird wieder einmal …« Er zögerte, denn er war sich wohl bewusst, dass er die Lady erschreckte mit seiner Erläuterung. Doch als er ihre grünen Augen sah, wurde er sich schnell darüber klar, dass diese Klassefrau wohl nicht so leicht zu verunsichern war. Deshalb vollendete er hastig: »… von Banditen angehalten.«
Er drückte es trotzdem zurückhaltend aus. Denn ich wusste, dass dieses »Anhalten« zumeist ziemlich rau erfolgte und dass dann nicht allein die Passagiere ausgeraubt, sondern auch die Pferde mitgenommen wurden. Deshalb verzögerte sich die Weiterfahrt einer Kutsche in Rainbow Creek oft um einen ganzen Tag. Ich wusste das. Denn ich kannte dieses Land einigermaßen. Und nicht zuletzt aus diesem Grunde war ich hier.
Ich lehnte an der Ecke des Hotels und rauchte einen dieser langen, dünnen, schwarzen Zigarillos. Und ich hatte den hellwachen, abschätzenden Blick der Schönen aufgefangen.
Wer mochte sie sein?
Wohin wollte sie reisen?
Sie hatte Old Fox genannt. Das war früher mal ein Fort der Armee. Aber nun, da die Indianer besiegt und in Reservate gepfercht waren, brauchte die Armee viele dieser kleinen Forts nicht mehr.
So war aus dem einstigen Fort Old Fox eine kleine Stadt geworden, der freilich das besiedelte Umland fehlte, sodass sie nur vom Durchgangsverkehr lebte.
Die Kutsche fuhr weiter zum Wagenhof, wo sie ein frisches Gespann bekommen würde. Ausgestiegen war nur diese grünäugige Schöne. Nur sie wollte mit der kleinen Kutsche der wenig benutzten Seitenlinie weiterfahren.
Ich vergaß sie bald wieder.
Dann entdeckte ich die Manners-Brüder.
Und auf die hatte nicht nur ich, sondern schon ganz Rainbow Creek gewartet.
Sie kamen von Westen hereingeritten. Der Staub, den die Postkutsche aufwirbelte, hatte sich inzwischen wieder gelegt. Es war ein schöner Spätnachmittag im herbstlichen Wyoming, ein Tag, an dem sich alle ihres Lebens freuten.
Doch da kamen die drei Manners-Brüder.
Ich hatte sie noch nie gesehen, und dennoch erkannte ich sie nach der Beschreibung. Unverkennbar waren es Drillinge, und wenn man sich vorstellen sollte, dass sie einmal klein und winzig gewesen sein mussten, dann mochte man das gar nicht glauben. Denn sie waren Bullen, richtige Toros.
Ich seufzte tief und dachte bitter: Das also ist wieder einmal mein Job.
Sie hielten gegenüber vom Store an, saßen ab und banden ihre Pferde an die Haltestangen des einzigen Saloons. Dann stampften sie heftig auf, vertrieben so ihre Sattelsteifheit, zogen die Hosen hoch und rückten die Revolvergurte zurecht.
Einer von ihnen steckte noch seinen Kopf in den Wassertrog und setzte sich den Hut wieder auf das klatschnasse Haar.
Sie waren gut aufeinander eingespielt.
Einer wandte sich nach links, ein anderer nach rechts. Sie entfernten sich beide einige Schritte. Und es war klar, dass sie ihren Bruder gewissermaßen abschirmen wollten.
Dieser ging langsam über die Fahrbahn, bis er in deren Mitte anhielt. Er sah auf den Storeeingang und rief: »Komm raus, Walker! Hoi, komm raus! Oder wir holen dich! Los, du Wicht von einem Marshal! Lass mich nicht länger als zehn Sekunden warten!«
Jed Walker ließ sie nicht warten.
Denn er wusste mich in der Nähe. Dass er sich auf mich verlassen konnte, wussten er und die kleine Stadt ebenfalls. Denn ich hatte in dieser Hinsicht den Ruf absoluter Zuverlässigkeit.
Jed Walker war ein rundlicher, glatzköpfiger Mann. Wahrscheinlich hatte er in seinem Lagerraum gearbeitet. Denn er hatte einen Zuckersack als Schürze vor den Leib gebunden. Aber wie zu einer Amtshandlung hatte er sich den Stern eines Town Marshals angesteckt. Die Stadt war zu klein und deshalb auch zu arm, um sich einen hauptamtlichen Marshal leisten zu können. Jed Walker übte seine Tätigkeit ehrenamtlich aus. Und er war gewiss kein Revolvermarshal, sondern nur ein redlicher Bürger und Geschäftsmann.
Nun stand er vor drei bösen Pilgern. Denn die Männer hatten einen denkbar üblen Ruf. Sie galten als Banditen und Revolverhelden.
Dass sie nach Rainbow Creek gekommen waren, hatte seinen Grund.
Vor vier Tagen war hier ihr Bruder Blinky erschossen worden.
Walker starrte den Burschen an, der ihn herausgerufen hatte. Doch für einen winzigen Augenblick blickte er zur Seite und sah mich an der Ecke des Hotels. Das stärkte seinen Mut sichtlich. Denn er hob das Kinn und sah sein Gegenüber vom Rand des Plankengehsteigs kühl an.
»Wenn Sie einer der Manners-Brüder sind«, sagte er, »so lassen Sie sich sagen, dass Ihr Bruder Blinky seinen Tod selbst verschuldet hat. Er ließ sich von meiner Frau bedienen und kaufte Ware für siebenundfünfzig Dollar. Weil er jedoch nicht bezahlen konnte und meine Frau ihm keinen Kredit bewilligte, wurde er gemein. Er schlug sie ins Gesicht und wollte mit der Ware aus dem Store flüchten. Meine Frau rief um Hilfe. Ich war oben im ersten Stock, hörte die Schreie und trat ans Fenster. Ich hatte meine Schrotflinte schussbereit. Er wollte mit der Beute gerade davonreiten. Als ich ihn anrief, lachte er und zog seinen Colt. Als er auf mich anlegte, drückte ich beide Läufe ab. Das ist alles – abgesehen von den zwanzig Dollar für die Beerdigungskosten.«
Der Bursche staunte. Was er hörte, mochte er nicht glauben. Aber dann sagte er: »Du verdammte Laus von einem mickrigen Storehalter! Du hast wegen siebenundfünfzig Dollar unseren lieben Blinky getötet, unseren Prachtjungen, der schon als Kind süß wie ein Engel war. Weißt du eigentlich, warum wir hergekommen sind?«
Der Storehalter und ehrenamtliche Town Marshal erwiderte nichts. Aber er hatte jetzt Furcht. Am liebsten wäre er in seinen Store geflüchtet.
Doch das hätte ihm nichts genutzt. Die drei Banditen und Revolverhelden wären in der Lage gewesen, die ganze Stadt Rainbow Creek klein zu machen. Ich wusste inzwischen, dass in diesem kleinen Ort achtundvierzig Menschen lebten, darunter elf Kinder der verschiedensten Altersstufen. Es gab hier nur sieben kampffähige Männer. Einer von ihnen war der Storehalter. Die anderen sechs waren nicht zu sehen.
Denn sie hatten mich angeworben.
Für fünfhundert Dollar.
Das waren zwei Cowboy-Jahreslöhne.
Doch ich würde sie mir heute sauer verdienen müssen. Das wusste ich.
Der Storehalter gab immer noch keine Antwort.
Aber der Bursche wollte wohl auch keine. Denn er sagte: »Ich bin Job Manners, und ich werde dich jetzt gleich von den Beinen schießen. Meine beiden Brüder Tob und Bob passen auf, dass diese lausige Stadt sich nicht einmischt. Ay, wenn sie’s tut, machen wir sie klein. Dann gibt es Rainbow Creek nicht mehr. He, Walker, willst du dir nicht lieber selbst ‘ne Kugel durch den Kopf schießen? Du bist schon tot – tot – tot, und …«
Es wurde nun für mich allmählich Zeit einzugreifen. Denn der Bursche hatte sich in rachsüchtige Wut geredet. Dass er überhaupt so lange herumtändelte, lag sicherlich daran, dass ihn der Tod seines Bruders schmerzte und er sich abreagieren musste. Er wollte den Storehalter zittern sehen – vielleicht sogar um seine Haut winseln hören. Aber es konnte ebenso gut auch sein, dass er jetzt gleich blitzschnell zog und sofort schoss.
Ich stieß mich von der Hotelecke ab und ging ein paar Schritte auf dem Plankengehweg entlang, der hier vor dem Hotel zu einer Veranda ausgebaut war.
Als ich in die Nähe des einen Manners kam, der mich schon die ganze Zeit belauerte, hob dieser die Hand und sagte: »Halt, Buddy! Bleib stehen! Am besten wäre, wenn du ‘ne Staubfahne produzierst. Hau ab!«
Ich hielt inne.
Auch die beiden anderen Manners-Brüder sahen nun zu mir her.
Ich sagte laut genug: »Das ist heute kein besonders guter Tag für euch. Und ich will es euch gern ausführlich erklären.«
Nachdem ich das gesagt hatte, machte ich noch ein paar Schritte. Und so bekam ich endlich jenen Job Manners ins Schussfeld, der es auf Jed Walker abgesehen hatte. Denn auf diesen Mann musste ich zuerst schießen.
Wieder starrten sie alle zu mir her. Oh, sie witterten sicherlich schon die Gefahr. Sie waren erfahrene Wölfe. Und dennoch glaubten sie noch nicht, dass diese Gefahr allein von mir ausging.
»He, wer bist du denn?«, fragte Job Manners plötzlich rau. Und weil sich der Storehalter einige Schritte zurückzog und sich nun schon fast am Eingang des Stores befand, setzte er scharf hinzu: »He, bleib stehen, du Käsehändler!«
Jed Walker verharrte gehorsam. Und Job Manners wandte sich wieder an mich.
»Also, wer bist du?« Er wiederholte ungeduldig die Frage.
»Mein Name ist Spade«, sagte ich, »Lin Spade aus Laredo.«
Nun wussten sie Bescheid. Sie kannten mich nicht persönlich. Doch meinen Namen hatten sie schon gehört.
Job fragte mich: »Und du hast dich hier eingekauft?«
Ich nickte. »So ist es! Ich beschütze diese Stadt. Und nun könnt ihr es versuchen oder abhauen.«
Es war eine Herausforderung, doch ich wusste, dass die Manners jede Zurückhaltung als Schwäche auslegen würden.
Rechts von mir war ein offenes Hotelfenster. Ich erkannte eine leichte Bewegung im Speiseraum. Und ich riskierte einen schnellen Seitenblick.
Ja, hinter dem Fenster im Speiseraum des Hotels stand die schöne grünäugige Lady.
Sie hatte gewiss jedes Wort hören und alles beobachten können.
Ich konnte sie nur einen Sekundenbruchteil ansehen. Aber ich erkannte ihren prüfenden Blick.
Dann wandte ich meine volle Aufmerksamkeit wieder den Manners-Brüdern zu.
Und dazu war es auch höchste Zeit.
Denn sie hatten sich irgendwie verständigt.
Job Manners, der offensichtlich ihr Anführer war, sagte plötzlich heiser: »Na, dann fahr halt mit dieser Stadt zur Hölle, Lin Spade aus Laredo! Hoiii!«
Sein »Hoiii« war das Zeichen für die Brüder.
Sie schnappten die Colts heraus.
Und so schnell sie auch waren – ich schlug sie glatt.
Das Krachen unserer Colts füllte die staubige Fahrbahn zwischen den Häusern von Rainbow Creek.
Und als der letzte Schuss verhallt war, lagen sie im Staub.
Ich stand noch. Ich hatte nur zwei leichte Kratzer. Die Manners-Brüder – obwohl zu dritt – schossen zu hastig. Ich traf sie nacheinander.
Nun war es vorbei.
Die Leute aus Rainbow Creek kamen aus ihren Häusern. Einige waren bewaffnet.
Und es war so ähnlich wie nach einer Tigerjagd. Wenn die Bestie erlegt war, kamen die Dorfbewohner, die sich zuvor fürchteten, um sie zu schmähen.
Die drei Manners waren nicht tot. Aber ich hatte sie ziemlich schlimm angeschossen, sodass sie nicht mehr kämpfen konnten.
»Nehmt starke Knüppel und schlagt sie tot!«, kreischte eine Alte.
Ich musste nun die drei Manners schützen.
Der Storehalter und einige vernünftige Männer unterstützten mich dabei. Wir packten die Brüder auf ihre Pferde, banden sie fest und jagten sie davon. Es war anzunehmen, dass sie draußen vor der Stadt einige Freunde zurückgelassen hatten.
Ich war fertig hier in Rainbow Creek.
Mein Geld hatte ich verdient.
Ich würde noch vor Anbruch der Nacht weiterreiten.
Aber zuerst wollte ich noch das Abendbrot zu mir nehmen. Ich hatte den ganzen Tag nichts gegessen. Ein satter Magen macht träge.
So ging ich in das Hotel und betrat den Speiseraum.
Die grünäugige Schöne saß am Fenstertisch.
☆☆☆
Unsere Blicke begegneten sich. Ich nickte ihr zu und sagte: »Tut mir leid, dass sie dies alles miterleben mussten, Ma’am.«
Nach diesen Worten wollte ich an einen freien Tisch, um daran Platz zu nehmen.
Doch sie machte eine einladende Bewegung mit der Hand und sagte: »Hier ist der beste Platz, die Übersicht zu behalten. Und wenn es Ihnen nichts ausmacht, bei mir zu sitzen …« Sie verstummte mit einem Lächeln, zeigte weiße Zahnreihen zwischen einem ausdrucksvollen Lippenpaar.
Ich begriff in dieser Sekunde, dass es eine dieser selbstbewussten Frauen war, die etwas in Gang brachten, wenn ein Mann ihnen gefiel.
Ich trat zu ihr an den Tisch, warf meinen Hut auf einen freien Stuhl und setzte mich.
Der Tisch war wirklich gut gewählt. Es war der einzige im Raum, von dem man durch das Eckfenster die Straße beobachten konnte.
Die Bedienung kam. »Es gibt heute Hammelbraten und grüne Bohnen, dazu Apfelkuchen und Kaffee«, sagte sie.
Ich nickte stumm.
Die grünäugige Schöne betrachtete mich wieder. Ich spürte ihre Ausstrahlung. Sie war wie ein geheimnisvoller Zauber.
»Ein Revolvermann …«, sagte sie, machte eine Pause und fügte dann als Frage an: »… den man mieten kann?«
Ihre Stimme klang ruhig und melodisch, hatte ein dunkles, reizvolles Timbre.
Als sie verstummte, grinste ich. Oha, ich wusste, dass jetzt in meinem dunklen, verwegenen Gesicht zwei weiße Zahnreihen blitzten. Und bisher hatte mir noch keine Frau, auf die ich es abgesehen hatte, widerstehen können, wenn ich dieses Grinsen anknipste.
»Ach«, sagte ich, »dies ist mein Weg. Und auf was man auch trifft, man muss damit zurechtkommen. Denn manchmal trifft man auch auf wunderhübsche Dinge – zum Beispiel eine Frau wie Sie. Wenn ich Sie ansehe, habe ich tausend Fragen. Nur eines weiß ich genau.«
»Was?«, fragte sie knapp, fast hart. In ihren schrägen, grünen Katzenaugen war ein kühles Funkeln.
»Irgendwie«, murmelte ich, »sind wir zwei artverwandte Seelen. Sie sind eine Glücksjägerin, ich ein Abenteurer. Und Sie sind eine schwarze Pantherkatze, ich ein zweibeiniger Tiger. Das ist sicher.«
Sie senkte ihren Blick, blickte auf ihre auf der Tischkante ruhenden Hände. Es waren geschmeidige, ausdrucksvolle Hände.
Sie schwieg, doch sie sah mich wieder an und nannte ihren Namen.
Dee Winters, so hieß sie.
Die Bedienung brachte uns nun das Abendessen. Auch Dee Winters hatte schon bestellt.
Indes sie das Tablett absetzte, sagte die Bedienung: »Ma’am, Ihr Zimmer ist jetzt fertig. Sie können also nach dem Essen hinauf. Der Schlüssel hängt hinter dem Anmeldepult am Brett. Nummer fünf.«
Dann ging sie wieder davon.
Wir begannen zu essen.
Dee Winters kaute einige Bissen. Dann fragte sie: »Warum wurde aus dem Jungen, der ja auch Sie mal waren, Lin Spade, solch ein Fighter, dessen Schutz man sich kaufen kann?«
»Das erzähle ich Ihnen vielleicht, nachdem wir zusammen geschlafen haben, Dee.«
☆☆☆
Irgendwann zwischen Mitternacht und Morgen wurde ich wach. Ich hielt Dee Winters in meinem Arm. Ihr Gesicht war mir zugewandt. Ihr Kopf lag an meiner Schulter. Ihr Haar kitzelte meine Nase.
Sie wurde plötzlich ebenfalls wach.
Und sie küsste meine Wange.
»Wohin wolltest du von hier aus reiten?«
»Weiter oben in Montana kämpfen Schafzüchter und Rinderleute um die Weide. Seit es keine Büffel mehr gibt und die Indianer in Reservate eingesperrt wurden, machen die Weißen unter sich Krieg. Denn die alte Büffelweide wird jetzt aufgeteilt. Warum fragst du?«
»Reite für mich nach Old Fox«, sagte sie. »Du kennst sicherlich verschwiegene Pfade.«
»Zu welchem Zweck?«, fragte ich langsam. Ich begann endlich zu begreifen, dass diese Dee Winters von Anfang an mehr von mir wollte als nur Zärtlichkeit.
Sie lachte leise in meinem Arm, küsste wieder meine Wange.
»Du sollst meine Reisetasche nach Old Fox bringen«, sprach sie dann. »Sie ist voller Geld. Ich brauche dieses Geld in Old Fox. Aber ich bin sicher, dass man es mir unterwegs abnehmen will. Ich habe gestern noch ziemlich verzweifelt nach einem Ausweg gesucht – bis – ja, bis ich dich kämpfen sah. Da entschloss ich mich, mir deine Hilfe zu sichern.«
☆☆☆
Schon eine Stunde nach Sonnenaufgang ritt ich los in Richtung Westen. Denn dort irgendwo lag Old Fox City. Der Wagenweg dorthin war etwa hundertsiebzig Meilen lang. Die Postkutsche wechselte unterwegs fünfmal die Gespanne.
Mein Pferd hatte sich gut erholt in Rainbow Creeks Mietstall.
Die Reisetasche mit dem Geld befand sich in meiner geteerten Segeltuchplane, mit der meine Siebensachen eingehüllt waren. Das Bündel hinter meinem Sattel war dadurch recht umfangreich geworden. Doch das war nicht ungewöhnlich in diesem Land.
Ich dachte immer wieder an all die Dinge, welche Dee dazu bewegt hatten, mir zwanzigtausend Dollar anzuvertrauen. Ja, sie hatte mir alles genau erklärt.
Ich ritt Meile um Meile.
Und schon nach zehn Meilen etwa – als ich von einem Hügelsattel auf meiner Fährte zurückblickte –, sah ich meine Verfolger.
So einfach war das.
Sie waren in Rainbow Creek gewesen. Und sie hatten die Ankunft der Postkutschen beobachtet. Ihnen war nichts entgangen – auch nicht, was Dee Winters sich ausgedacht hatte. Wenn sie über mich Bescheid wussten, dann würden sie mehr als vorsichtig sein.
Ich grinste, denn ich zählte drei.
Und wenn ich mich schon nicht vor den drei Manners gefürchtet hatte, dann brauchte ich das gewiss auch nicht vor diesen drei Verfolgern tun. Überdies besaß ich ein Dreihundert-Dollar-Pferd. Ich konnte ihnen davonreiten, ich konnte auch in der Nacht einen Haken schlagen und hinter sie gelangen. Dies würde ich mir noch überlegen.
Ich ritt also ziemlich sorglos weiter und war guten Mutes.
Aber am Nachmittag, da sah ich die Rauchzeichen hinter mir.
Und nun wusste ich, dass mir die drei Verfolger bald gar nicht mehr folgen würden. Sie waren nur bis zu einem Punkt geritten, von dem aus sie mit Rauchsignalen mein Kommen melden konnten.
Nun war die Sache plötzlich anders.
Ich hatte von jetzt an die Gefahr vor mir.
Irgendwo erwarteten sie mich.
Und es gab keine Möglichkeit für Umwege. Denn die Zeit drängte. Die Tasche mit dem Geld musste morgen Mittag um vierzehn Uhr in Old Fox City sein.
Verdammt, ich ritt vielleicht schon bald in eine Kugel aus dem Hinterhalt.
Dee Winters hatte mir da eine Menge Verdruss aufgehalst.
Ich ritt bis zum Abend, und auf meinem erstklassigen Pferd hatte ich dann schon an die fünfzig Meilen hinter mir. Mein Weg kreuzte einmal den Wagenweg, und ich sah die Lichter einer Station in der Nacht.
Wahrscheinlich war die Postkutsche, in der Dee saß, schon durch und hatte dort das Sechsergespann gewechselt.
Ich überlegte. Mein Pferd war eines von jener Sorte, die nach fünfzig Meilen – wenn andere Gäule nicht mehr können – erst richtig anfängt zu laufen. Und auch mir fiel es nicht besonders schwer, hundert Meilen den Sattel zu quetschen.
Also ritt ich weiter und war der immer stärker werdenden Dunkelheit dankbar. Denn sie schützte mich vor Schüssen aus dem Hinterhalt.
Wer mich jetzt aufhalten wollte, musste mir sehr nahe kommen.
Ich fragte mich, wo die Kerle, welche durch Rauchsignale alarmiert wurden, auf mich lauern mochten.
Es gab nicht sehr viele Möglichkeiten in der Nacht.
Eine davon war der kleine Arapahoe Pass. Wenn ich noch rechtzeitig mit dem Geld in Old Fox City eintreffen wollte, musste ich über diesen Pass.
Meine einzige Chance war, dass die Kerle, die den Pass blockierten, nicht wissen konnten, wer da angeritten kam. Und so würden sie mich vielleicht unterschätzen.
Es war dann etwa Mitternacht, als ich zum Pass hinaufritt. Und nun strahlte auch ein silberner Mond, ließ die Schatten geheimnisvoll wirken.
Ich war bereit.
Und es war mein Trick, dass ich scheinbar arglos ritt.
Als ich dann zwischen den Felsen die Wasserscheide erreichte, da erwarteten mich drei Männer. Sie erhoben sich von großen Steinen, auf denen sie gesessen hatten. Hinter ihnen standen ihre Pferde.
Ich hielt an.
»Nanu, was treibt ihr denn hier?«, fragte ich scheinbar einfältig.
Sie lachten leise. Und ich dachte indes: Wieder drei – wie die Manners-Brüder. Aber wenn alle nach Old Fox führenden Wege von je drei Revolverschwingern blockiert werden, dann kommt eine ziemliche Anzahl zusammen. Wie mächtig sind also die Burschen, denen Dee in Old Fox bei der Versteigerung etwas wegschnappen will?
»He, Buddy, kommst du aus Rainbow Creek? Halt, pass auf! Überleg dir deine Antwort gut! Denn wenn du lügst, finden wir das schnell heraus. Und dann geht’s dir schlecht. Verstanden?«
Seine Stimme nahm mehr und mehr eine großspurige Schärfe an.
»Ja, ich komme aus Rainbow Creek«, sagte ich scheinbar eingeschüchtert. »Und ich möchte nach Old Fox«, fügte ich nach einer kleinen Pause hinzu. Dann stellte ich die Frage: »Was macht ihr denn hier mitten in der Wildnis auf diesem alten Indianerpass?«
Nun lachten sie wieder. Und sie fühlten sich jetzt so richtig in Siegerlaune. Ihr Sprecher sagte: »Du scheinst wirklich kein Dummkopf zu sein und begriffen zu haben, dass du dich in Freundschaft mit uns einigen solltest. Du bringst also Geld auf geheimen Wegen zur Versteigerung, ja?«
»So ist es«, nickte ich. »Und ihr wollt es mir sicherlich wegnehmen, nicht wahr? Wie Banditen wollt ihr es mir wegnehmen, ja? Aber was ist, wenn ich es euch nicht kampflos geben will?«
Nun staunten sie. Und wahrscheinlich hielten sie mich für reichlich naiv.
»Wenn du nicht sanft und gehorsam bist wie ein Lamm, machen wir dich alle«, sagte ihr Sprecher. »Dann musst du deinen Löffel für immer abgeben, verstehst du? Wie viel Geld hast du denn zu transportieren?«
»Zwanzigtausend Dollar«, erwiderte ich.
Sie staunten wieder. Dann sagte ihr Sprecher: »Also, dann steig ab und gib es uns. Vielleicht geben wir dir ein paar Scheine ab. Es sind doch Scheine? Denn Hartgeld wäre doch verdammt schwer. Na!«
Ich stieg scheinbar folgsam ab. Denn zu Pferd wären meine Chancen gegen sie nicht so gut gewesen.
Aber dann trat ich von meinem Pferd weg.
Nun ahnten sie schon was. Denn meine Handlungsweise war jetzt unverkennbar. Sie begriffen, dass ich das Sattelbündel nicht öffnen wollte.
»Bist du lebensmüde?« Ihr Sprecher fragte es ungläubig.
Ich aber spielte nicht länger die harmlose Pfeife. Als ich antwortete, klang meine Stimme pulvertrocken und kühl.
»Passt auf, Jungs. Bis jetzt war das ein kleiner Spaß für uns alle. Doch von nun an wird es ernst. Ich gebe euch die Chance, abzuhauen und so zu tun, als hättet ihr mich nie gesehen. Also schleicht euch! Haut ab, bevor …«
Sie ließen mich gar nicht weiterreden. Denn sie jaulten richtig auf vor wilder Freude. Sie waren Narren, gewohnt, in der Überzahl immer durchzukommen. Diese drei hirnlosen Revolverschwinger schnappten die Colts heraus.
Oha, sie waren längst nicht so schnell wie die Manners-Brüder. Gegen die waren sie nur zweitklassig. Ich schlug sie glatt – und als ich den Ersten traf, bevor bei ihnen überhaupt ein Mündungsfeuer zu sehen war, da gaben sie auch schon auf.
Jener, den ich getroffen hatte, musste ganz zwangsläufig seine Waffe fallen lassen. Denn mit einem zerschossenen Arm konnte er sie nicht länger halten. Seine beiden Partner aber ließen die Colts fallen wie heiße Steine. Und sie streckten die Hände gegen den Sternenhimmel und brüllten zweistimmig: »Hör auf! Oh, hör auf!«
Ich senkte den Revolver.
Und eine Weile schwiegen wir und lauschten auf das schmerzvolle Stöhnen des Verwundeten. Erst nach einer Weile sagte einer der beiden Hartgesottenen, die bisher geschwiegen hatten: »Du hast uns aber mächtig reingelegt, Mister. Da haben wir wie kleine Pinscher einen Tiger in den Schwanz beißen wollen. Das hat dir wohl mächtigen Spaß gemacht, ja?«
»Nein«, erwiderte ich und trat an mein Pferd. Ich saß auf und sagte vom Sattel zu ihnen nieder: »Ich nehme eure Pferde zwei Meilen weit mit.«
☆☆☆
Gegen Mittag des nächsten Tages sah ich Fort Old Fox in einem weiten Tal und noch nördlicher die kleine Stadt Old Fox City. In der klaren Wyoming-Luft konnte ich alle Einzelheiten gut erkennen.
Ja, dieses Tal dort unten war ein herrliches Stück Erde.
Und ich konnte mir vorstellen, dass bei einer gut besuchten Versteigerung der Preis leicht verdoppelt oder verdreifacht werden mochte. Denn bei solchen Landversteigerungen setzte die Regierung die Mindestsumme oft recht niedrig an.
Ich fragte mich, ob ich Dee Winters dort unten wiedersehen würde. Wenn nicht – was sollte ich dann tun?
Ich ritt jetzt wieder auf dem Wagenweg, auf dem auch die Überlandpost mit Dee Winters aus Rainbow Creek gekommen sein musste.
Immer wieder sah ich nach dem Stand der Sonne. Und ich wusste, dass es ziemlich knapp werden musste, sollte die Versteigerung pünktlich beginnen. Aber schneller konnte mich mein Grauer die letzten Meilen nicht mehr tragen.
Manchmal dachte ich: Dies war also wieder einmal solch ein Gewaltritt, um etwas zu gewinnen – oder zu kämpfen. Wie viele solcher Ritte hatte ich schon hinter mir? Und wie viele Fährten verfolgte ich? Ist das mein Leben? Ist das mein Weg, den ich immer wieder reiten muss – den Fighter-Weg?
Das kleine Armeefort kam immer näher. Ich erkannte nun all die Einzelheiten der Gebäude. Ja, dieses Fort dort konnte recht gut zu einer Ranch umgewandelt werden. Es war ja kein Palisaden-Geviert.
Ich erkannte einige Menschen. Sie waren auf Sattelpferden oder in leichten Wagen hergekommen, wahrscheinlich aus der nahen kleinen Stadt, die recht hübsch aussah, weil es zwischen ihren Häusern eine Menge Grün gab.
Als ich auf den einstigen Paradeplatz des Forts einbog und zur ehemaligen Kommandantur blickte, die durch einen Flaggenmast leicht erkennbar war, da sah ich Dee Winters. Außer ihr standen noch etwa ein halbes Dutzend Männer auf der Veranda. Dee Winters sah zu mir her. Sie winkte leicht.
Ich war froh, sie zu sehen – und ich wusste, dass jetzt auch ihr ein mächtiger Stein vom Herzen fiel.
Ich winkte zurück. Daran erkannte sie, dass alles in Ordnung war und ich das Geld ans Ziel gebracht hatte. Ich sah, wie sie das Kinn hob und einen Mann anblickte, der neben ihr stand und unser Winken misstrauisch beobachtet hatte.
Ich war nun am Ziel, hielt an und zog vor Dee meinen alten Hut.
Die Männer auf der Veranda beobachteten mich aufmerksam. Sie alle sahen mir den langen Ritt an.
Einer der Männer blickte einen Moment später auf seine Taschenuhr. Dann wandte er sich zur Seite an einen anderen Mann, der wie ein Schreiber aussah und auch eine Mappe mit irgendwelchen Papieren unter dem Arm trug.
»Die Landversteigerung ist eröffnet«, sagte der Mann mit der Uhr in der Hand. »Gehen Sie hinein, Perkins, wir kommen sofort nach.«
Ich saß indes ab, öffnete mein Bündel hinter dem Sattel, nahm die Reisetasche heraus und stieg auf die Veranda.
Die Männer waren schon hineingegangen. Nur Dee wartete noch vor der Tür. Sie küsste mich auf meine staubige Wange.
»Danke«, sagte sie. »Ich wusste, dass du es schaffen würdest. Meine Postkutsche wurde unterwegs von Banditen angehalten. Sie suchten nach Geld und fanden keins. Ich wäre mit der Kutsche hier ohne Geld angekommen. Gehen wir hinein.«
Ich folgte ihr.
Drinnen hatte man es höllisch eilig. Denn der Regierungsbeauftragte sagte gerade heiser, als wollte er alles möglichst schnell hinter sich bringen: »Zehntausend zum Zweiten! Zehntausend zum …«
»Elftausend«, sagte Dee Winters ruhig. »Sie haben’s aber eilig, Mister Conway.«
»Ich will mit der nächsten Post nach Cheyenne zurückfahren«, erwiderte der Regierungsbeauftragte barsch. Er sah auf den Mann, der offenbar einigen Einfluss besaß. Er hatte vorhin neben Dee gestanden. Nun wandte er sich an Dee und sagte: »Lady, treiben Sie den Preis doch nicht unnötig hoch. Ich kann Sie stets überbieten, das können Sie mir glauben. Also lassen Sie’s. Ich biete zwölftausend, Mister Conway.«
Der Versteigerer nickte. Er sah Dee Winters an, als hoffte er, dass sie sich die Worte des Mannes zu Herzen nahm.
Ich betrachtete den Mann von der Seite. Er wandte einen Moment den Kopf und erwiderte meinen Blick.
Ja, er war gewiss ein Boss, ein Bursche also, der die Befehle gab. Nach dem, was ich wusste, musste er der Beauftragte des Trusts sein, also jener Vereinigung, welche hier ein gutes Geschäft machen wollte.
Er hatte etwas Löwenhaftes an sich.
Plötzlich erwiderte er meinen Blick schnell und scharf.
Ich erkannte in seinen gelben Augen den heißen Zorn. Er brannte vor Wut. Doch er hielt sich unter Kontrolle.
Dee Winters sagte neben mir ruhig: »Dreizehntausend, Mister Conway. Und noch eine Frage. Es ist doch Vorschrift, dass sofort bar bezahlt wird, nicht wahr?«
»So ist es«, nickte der Versteigerer. »Das ist Vorschrift. Beim Zuschlag muss Bargeld auf den Tisch. Dreizehntausend zum …«
»Vierzehntausend«, unterbrach ihn der Trust-Beauftragte. Und er setzte hinzu: »Wir werden ja sehen, wie viel dieser Bursche da in seiner Tasche an Geld mitgebracht hat. Wir bekommen das schon heraus.«
»Sicher, Mister Means«, erwiderte Dee Winters.
Sie wandte sich an den Versteigerer, der sie fragend ansah.
»Machen wir’s einfach«, sprach sie weiter. »Immer wenn Mister Means eine Summe nennt, biete ich tausend Dollar mehr – es sei denn, ich schüttle den Kopf. Gut so, Mister Conway?«
Dieser nickte leicht. Aber in seinen Augen war ein Ausdruck von ernster Sorge.
Wir hörten jenen Mr Means, dessen Vornamen ich noch nicht kannte, mit den Zähnen knirschen. Unter seinem gelben Löwenbart verzogen sich seine fleischigen Lippen. Er zeigte zwei starke Zahnreihen.
»Fünfzehntausend«, sagte er, und es klang fast so, als müsste er zugleich mit seinen starken Zähnen Steine zu Staub zermahlen.
Conway sah Dee an. Diese schüttelte nicht den Kopf. Und so sagte Conway: »Sechzehntausend. Sechzehntausend zum …«
»Siebzehntausend«, knirschte Means.
Well, jener Means bot wenig später einundzwanzigtausend Dollar.
Und weil Dee nun zweiundzwanzigtausend hätte bieten müssen, was sie jedoch nicht konnte, schüttelte sie endlich den Kopf. Sie wandte sich an Means.
»Nun möchte ich sehen«, sprach sie kühl, »wie Sie einundzwanzigtausend Dollar auf den Tisch zählen. Haben Sie verstanden? Ich möchte es sehen. Denn das ist mein gutes Recht.«
Wieder knirschte Means mit den Zähnen, so als zermalmte er Kieselsteine.
Dann sprach er heiser: »Lady, Sie sind eine sehr schöne und reizvolle Frau. Ich bin schon sehr lange nicht mehr einem so reizvollen Geschöpf begegnet. Und ich bin ein Mann, der Schönheit bewundert und verehrt. Aber jetzt sage ich Ihnen eines: Hauen Sie ab! Verschwinden Sie! Weg hier – weg, weg, husch, husch!«
Sie erwiderte nichts.
Aber ich mischte mich ein und sagte: »Vorsicht, Mister Means – nur immer schön vorsichtig. Hat Ihnen niemand beigebracht, nicht so mit Ladys zu reden? Sie haben mein Wort, dass ich Ihnen was aufs Maul gebe, wenn Sie noch mal so rüpelhaft zu einer Lady reden.«
Er schnappte nach Luft – nicht deutlich sichtbar, aber doch erkennbar. Denn er war ein Boss, der niemals etwas zweimal sagen musste. Nun redete ich so respektlos daher. Dafür hasste er mich. Ich wusste, dass er mir die Haut abziehen lassen würde, geriete ich wehrlos in seine Gewalt. Einer seiner Begleiter – es waren zwei, und sie hielten sich bisher im Hintergrund – trat vor und wollte etwas sagen. Aber Means winkte kurz ab. Er wandte sich an den Versteigerer.
»Sie wollen wirklich Bargeld, Conway? Ich habe nur fünfzehntausend dabei. Aber ich kann einen Scheck auf die Cheyenne Bank ausstellen.«
»Das geht nicht«, sagte Conway. »Die Lady könnte sonst mit einer Anfechtungsklage durchkommen. Es muss bar bezahlt werden. Ich habe meine Vorschriften. Es geht nicht, Mister Means.«
Dieser sagte nichts mehr. Er ging hinaus. Seine Begleiter folgten ihm. Und Dee Winters stellte die Tasche auf den Tisch, um das Geld hinzublättern.
Zwanzigtausend Dollar waren es.
Für zwanzigtausend Dollar hatte sie ein altes Armeefort und ein ganzes Tal gekauft, aus denen man leicht ein kleines Königreich machen konnte. Der Besitz würde schon bald zehn- oder zwanzigmal so viel wert sein.
Mir wurde in diesem Moment jedoch klar, dass Dee Winters noch längst nicht gewonnen hatten.
☆☆☆
Als wir aus der alten Kommandantur traten, stand Means bei seinem Wagen.
Dee Winters aber sagte zu mir: »Binde dein Pferd hinter meinem Mietwagen an, Lin. Ich habe drüben in der Stadt ein schönes Zimmer im Hotel. Wir haben einen großen Coup gelandet, und ich bin dir von Herzen dankbar. Aber glaube nur nicht, dass ich allein deshalb zärtlich zu dir sein werde. Nein, ich würde dich auch dann wollen, wenn wir verloren hätten. Ich hab mich nach dir gesehnt. Du bist ein Mann, wie ich zuvor noch keinen kannte. Ich habe dich im Blut, verstehst du?«
O ja, das verstand ich gut. Denn auch ich hatte sie im Blut – selbst jetzt nach meinem Gewaltritt.
Als ich mein Pferd hinter ihren Wagen band, kam Means herbei.
Er beachtete mich nicht, sondern wandte sich an Dee, die schon im Wagen saß und die Zügel ordnete. Er sagte: »Gut gemacht, Lady. Sie nehmen mir doch meine Reaktion von vorhin nicht übel? Schließlich standen wir uns als Konkurrenten gegenüber, nicht wahr? Und da fallen schon mal harte Worte. Sie haben also einen großen Coup gelandet. Doch Sie beabsichtigen wohl nicht …«
»Nein«, unterbrach sie ihn. »Ich will hier keine Riesenranch aufbauen oder das Land in Parzellen aufteilen und an Siedler verkaufen. Ich werde das gesamte Old-Fox-Gebiet, das ich soeben ersteigert habe, in Cheyenne zum Verkauf anbieten. Wahrscheinlich stehe ich dann keine Woche als Besitzerin im Grundbuch.«
Means nickte.
»Ja«, sagte er, »das glaube ich auch. Und was für eine Preisvorstellung haben Sie? Wissen Sie, ich glaubte, hier nicht mehr als fünfzehntausend Dollar zu benötigen. Deshalb nahm ich nicht mehr Geld mit. Aber ich hätte sehr viel mehr mitbringen können.«
»Ich weiß«, erwiderte sie. »Ihr Name ist doch Allan Means, nicht wahr? Ich hörte schon von Ihnen und Ihren Hintermännern. Sie kaufen eine Menge Objekte, errichten ein Imperium. Wenn Sie das Old-Fox-Gebiet von mir kaufen wollen, müssen Sie fünfzigtausend Dollar zahlen. In Cheyenne, auf mein Konto. Wenn Sie also interessiert sind, dann besuchen Sie mich in Cheyenne im Wyoming Hotel. Gut so?«
Er nickte. Und als er zurücktrat, griff er sogar an seinen Hut.
Dee Winters besaß jetzt offensichtlich seinen ganzen Respekt. Denn sie hatte gegen ihn einen Coup gelandet. Dass sie so billig an das Objekt herankommen konnte, geschah nicht zuletzt mit seiner Hilfe. Denn all seine Handlanger, die jeden Konkurrenten ausschalteten, weil sie alle Wege kontrollierten und nichts durchließen, hatten ja gewissermaßen auch für sie gearbeitet.
Allan Means hatte den Fehler gemacht, sechstausend Dollar zu wenig mitzunehmen.
Er sah mich jetzt an. Und ich erkannte, dass er noch nicht fertig war mit mir. Denn ohne meine Hilfe hätte Dee ihn nicht schlagen können bei diesem großen Geschäft.
Wenn sie fünfzigtausend Dollar bekam, hatte sie dreißigtausend abzüglich einiger Spesen verdient. Das war stark. Sie hatte als Glücksjägerin eine Menge Format. Ja, sie war tatsächlich eine Pantherkatze, die nur große Beute machte.
Aber würde ihr das Glück auch weiter zur Seite stehen?
In Rainbow Creek hatte sie das Glück, auf einen Burschen wie mich zu treffen.
Hatte sie immer solches Glück?
☆☆☆
Es war am Morgen des nächsten Tages, als ich erwachte wie damals in Rainbow Creek mit Dee in meinem Arm. Und wieder kitzelte ihr Haar meine Nase.
Ich dachte nach.
Wir hatten gestern noch gebadet, gut gegessen und waren schlafen gegangen. Die Nacht war lang gewesen – und Dee gab mir all ihre Zärtlichkeit. Ja, sie schenkte mir das Paradies auf Erden.
Doch nun? Ja, wie würde es weitergehen? Würden wir uns heute schon trennen? Oder sollte ich sie noch bis Cheyenne begleiten?
Sie war eigentlich nicht mehr in Gefahr.
Wenn Allan Means für den Trust das Old-Fox-Gebiet von ihr kaufen wollte, mussten sie beide einige Formalitäten erledigen. Ohne Dee Winters’ persönliches Erscheinen war dies nicht möglich. Allan Means brauchte sie.
Und in Cheyenne gab es schon seit dem Bau der Union Pacific das Gesetz.
In Gefahr war eigentlich nur noch ich.
Oha, das wusste ich genau. Und ich fragte mich an diesem Morgen, ob ich nicht doch einen schlechten Handel machte. Für ein wenig Zärtlichkeit und Liebe bekam Dee Winters dreißigtausend Dollar.
Sollte ich einen Anteil verlangen?
Würde sie ihn mir geben?
Aber ich verwarf die Gedanken schnell.
Wahrscheinlich war ich ein verdammter Narr, ein richtiger Hammel, den sich eine schöne Abenteuerin auf ihre Weise einkaufte – wobei sie auch noch etwas Spaß hatte, denn ihre Leidenschaft war gewiss keine Heuchelei.
Sie seufzte leise in meinem Arm und rollte sich auf die andere Seite. Ja, sie schlief noch fest.
Ich konnte meinen Arm unter ihrem Hals wegziehen und stand auf.
Als ich ans Fenster trat, da sah ich, dass Old Fox City schon in Gang gekommen war. Es musste gegen acht Uhr morgens sein. Die Frauen gingen schon einkaufen. Und aus der Schmiede klangen Hammerschläge.
Ich wandte mich um.
Dee lag verführerisch im Bett. Selbst im Schlaf wirkte sie noch geschmeidig wie eine Katze. Ihr Feuer schien innerlich weiter zu glühen. Ich hatte es diese Nacht lodern lassen.
Aber jetzt – was war jetzt?
Immer wieder fragte ich es mich.
Ich kleidete mich an. Ich musste ohnehin nach meinem guten Pferd sehen. Das war ich ihm schuldig. Ich wollte auch zum Barbier und brauchte Tabak. Es gab also viele Gründe, die mein Aufstehen notwendig machten – und dennoch waren sie alle nicht besonders wichtig, nicht mal alle zusammengenommen.
Endlich begriff ich es. Irgendein Gefühl innerer Unruhe ließ mich nicht länger bei Dee im Bett bleiben.
Vielleicht ging es mir wie einem erfahrenen Wolf, der in seinem Bau unruhig zu werden beginnt, obwohl er dort nichts hören und sehen kann – oder gerade, weil das so ist.
Dee wachte nicht auf, so leise war ich.
In der Hotelhalle saßen zwei hartgesichtige Burschen. Sie taten betont gleichgültig, doch ich wusste, dass sie auf mich gewartet hatten.
Ich verspürte einen kalten Zorn.
Verdammt noch mal, ich suchte keinen Streit. Doch wenn dieser Allan Means ihn haben wollte, dann konnte er ihn bekommen.
Ich ging hinaus und wandte mich in Richtung Mietstall. Die Stadt war nicht groß, kaum mehr als eine Siedlung. Selbst Rainbow Creek, welches mich angeworben hatte vor einigen Tagen, war größer. Man hatte hier gewiss nicht mal einen ehrenamtlichen Marshal.
Als ich einmal über die Schulter blickte, sah ich, dass mir einer der beiden Burschen folgte. Der andere Mann ging schräg über die Fahrbahn zum Saloon.
Wahrscheinlich benachrichtigte er dort jemanden.
Oh, ich kannte dieses Spiel.
Als ich in den Mietstall trat, hockte dort ein Bursche auf der Futterkiste, den ich zu den beiden anderen zählte, die in der Hotelhalle gewartet hatten. Er schnitzte an einem Stück Holz und sah mich schräg an, tat aber so, als interessiere ich ihn gar nicht.
Ich dachte bei mir: Oh, fangt nur an mit diesem billigen und primitiven Spiel, ihr Narren.
Fast taten sie mir leid. Denn sie kannten mich nicht. Wahrscheinlich hatten sie auch noch keine Nachricht von den drei Revolverschwingern vom Arapahoe Pass.
Ich trat zu meinem Pferd in die Box, befühlte es, kontrollierte auch alle Gelenke und die Hufeisen.
Aber das Tier hatte den Gewaltritt gut überstanden. Es hatte gut gefressen. Das Fell war gestriegelt. Ich war zufrieden.
Indes ich mich mit dem Tier noch eine Weile beschäftigte, dachte ich daran, dass ich es zurücklassen oder gar verkaufen musste, sollte ich mit Dee per Postkutsche nach Cheyenne reisen.
Es würde mir schwerfallen, mich von diesem grauen Wallach zu trennen.
Dann dachte ich wieder an die Revolverschwinger, die Allan Means auf mich gehetzt hatte. Wann waren sie so weit, dass sie auf mich losgingen? Wann musste ich ihnen klarmachen, dass sie Pinscher waren, die einen Tiger angriffen?
Einen Moment lang verspürte ich den Wunsch, das Pferd zu satteln und fortzureiten. Ja, eine Flucht schien mir vernünftiger. Doch ich wollte Dee nicht einfach so verlassen. Nein, so wollte ich mich nicht von ihr trennen. Die Postkutsche nach Cheyenne kam erst am späten Vormittag hier durch. Wir konnten zumindest noch gemeinsam frühstücken.
Ich verließ den Mietstall.
Und der Bursche, der immer noch auf der Futterkiste hockte, folgte mir im Abstand von einem Dutzend Schritten.
Als ich mitten auf dem Hof war, hatten sie mich eingekeilt – so glaubten sie.
Oha, diese verdammten Narren. Sie hielten mich für ihresgleichen, für einen Revolverschwinger ihrer Sorte.
Zwei tauchten in der Einfahrt zur Straße auf.
Jener, der im Stall war, befand sich hinter mir.
Und dann tauchte noch rechts und links je einer bei den hier abgestellten Wagen auf.
Fünf waren es. Fünf!
Und eine Stimme rief scharf: »Bleib stehen!«
Ich dachte nicht daran, sondern ging ruhig weiter. Ich kam den beiden Kerlen in der Ausfahrt mit jedem Schritt näher. Und ich war sicher, dass die Burschen hinter mir nicht schießen würden. Denn auch jene, die rechts und links aufgetaucht waren, befanden sich schon hinter mir.
Wieder rief die scharfe Stimme: »Zum Teufel, steh endlich!«
Und dann ging es auch schon los.
Die beiden Kerle in der Hofausfahrt zogen ihre Colts. Vielleicht wollten sie so dem Befehl ihres Kumpans Nachdruck verleihen.
Doch als sie nach dem Schießeisen schnappten, zeigte ich ihnen meine Tricks. Wahrscheinlich begriffen sie gar nicht, wie ich den Colt in die Hand bekam. Sie hatten ihre Dinger erst halb aus den Holstern, als sie mich schussbereit sahen.
Nein, ich schoss nicht.
Mit solchen Pinschern schoss ich mich nicht. Aber ich winkte mit dem Colt und sagte: »Haut ab! Oh, haut schnell ab, bevor ich richtig böse werde!«
Sie ließen ihre Waffen los, wollten sich abwenden.
Doch dann schoss jemand hinter mir.
Die Kugel traf mich in die linke Hüfte.
Und da gab es keine Schonung mehr.
Ich stolperte zwar ein wenig, doch ich wirbelte ziemlich schnell herum, duckte mich dabei und schoss. Diese drei Narren hinter mir hatten tatsächlich gezogen. Einer hatte auf mich geschossen, und die anderen taten es während meines Herumwirbelns. Sie trafen mich nicht. Ich war zu schnell für sie.
Ich aber traf sie blitzschnell hintereinander. Sie waren mir nicht gewachsen, ja, sie gehörten nicht zu meiner Gilde. Sie waren als Revolverschwinger höchstens drittklassig.
Dann war es vorbei.
Sie lagen oder hockten am Boden, stöhnten und fluchten bitter.
Und die beiden anderen Kerle in der Hofausfahrt hatten zu ihrem Glück nicht eingegriffen. Es hatte ja auch nur höchstens zwei Sekunden gedauert.
Ich spürte den bösen Schmerz der Wunde, aber ich ließ mir nichts anmerken. Ich ging auf die beiden Kerle zu.
»Da habt ihr aber Glück gehabt«, sagte ich und wandte mich nach rechts.
Sie hatten offene Münder und staunende Augen. Oha, jetzt endlich begriffen sie, in was sie fast hineingerannt wären. Einer sagte hinter mir her: »Oh, entschuldigen Sie, Sir.«
Ich blickte nicht zurück. Ich musste zu Dee, damit diese sich um meine Wunde kümmern konnte. Ich wusste ja inzwischen, dass sie dies gut verstand.
Die Schüsse hatten den ganzen Ort alarmiert. Als ich zum Hotel ging, standen viele Leute vor den Häusern und Geschäften und beobachteten mich. Und als ich das Hotel erreichte, trat Allan Means heraus. Er versperrte mir sogar den Eingang.
Er freute sich gar nicht, mich zu sehen. Ja, er schien sehr überrascht.
Ich grinste ihn an.
»Bruder«, sagte ich, »so klappt das nicht. Sie sind gar kein guter Menschenkenner. Mit diesem Kroppzeug machen Sie keine langen Schritte. Mit was für Pfeifen hatten Sie’s denn bisher zu tun?«
Ich hob die Hand und wollte ihn aus dem Weg schieben.
Doch der Narr holte zu einem Schwinger aus, den ich blitzschnell abduckte. Ich stieß ihm einen Sekundenbruchteil später mein Knie gegen die Oberschenkelmuskeln, und das lähmte ihn. Sein Bein knickte ein. Er wollte sich gegen mich werfen, versuchte sich an mir festzuhalten, mich zu umklammern. Aber mein Aufwärtshaken warf ihn nach hinten.
Er fiel. Die Wunde in meiner Hüfte schmerzte nun wie ein Lanzenstich. Mir wurde einen Moment schwarz vor Augen. Doch ich hielt durch. Ich wartete, bis er wieder hochkam.
Nun aber wusste er Bescheid.
Er war kein Mann mehr, der selbst kämpfte. Das hatte er vielleicht noch vor zehn Jahren getan. Jetzt gab er nur noch Befehle und ließ andere Männer kämpfen.
Er erhob sich und sagte nichts mehr. Er machte einen Bogen um mich, gab mir den Weg zum Hoteleingang frei.
Ich ging hinein, und ich war froh, dass ich jetzt erst einmal Ruhe bekam, denn meine Wunde blutete heftig.
Ich kam gut die Treppe hinauf.
Dee erwartete mich in der offenen Zimmertür. Ich ging an ihr vorbei und warf mich bäuchlings auf das Bett.
»Sieh mal nach meiner Wunde«, sagte ich nur.
Und bald schon spürte ich ihre zarten Finger. Sie wirkten lindernd, obwohl sie mir zuerst Schmerzen zufügten.
Wir schwiegen vorerst. Es gab ja eigentlich nicht viel zu sagen.
Die Kugel hatte ein Stück Fleisch aus der Hüfte gerissen. Sie säuberte die Wunde, drückte sie zusammen und klebte ein breites Pflaster darüber, welches die Wundränder zusammenhalten würde.
»Du brauchst neues Zeug«, sagte sie schließlich. »Ich werde hinüber in den Store gehen und dir welches kaufen. Deine Größe kenne ich ja inzwischen.« Sie machte eine Pause, fragte dann: »Es waren Allan Means’ Leute?«
»Wessen Handlanger sonst?«, fragte ich bitter zurück.
»Wie viele?«
»Fünf. Und vor dem Hoteleingang geriet mir Means selbst in den Weg.«
»Und du warst trotz dieser blutenden Wunde noch stark genug, es ihm zu besorgen?«
»Sicher«, knirschte ich. »Ich stieß ihn aus dem Weg. Aber er wollte nicht kämpfen. Er ist schon zu lange ein Boss, der andere Männer für sich kämpfen lässt.«
Sie nickte. »Aber er wird dich hassen wie nichts sonst auf dieser Welt«, sagte sie zu mir nieder. »Deshalb wird es gut sein, wenn ich möglichst bald nach Cheyenne fahre. Dann muss er mit, weil ihm sonst vielleicht andere Leute das Old-Fox-Gebiet wegschnappen. Denn ich werde es in Cheyenne sofort zum Verkauf anbieten. Und das weiß er.«
Sie ging zur Tür. Von dort sah sie noch einmal zurück.
Ich sagte nichts mehr. Auch sie schwieg. Doch ich erkannte an ihrem Blick, dass unser Zusammensein beendet war. Sie hatte ihr Ziel erreicht und brauchte meinen Schutz nicht länger. Auch sie hatte ihren Teil des Handels erfüllt. Sie ging.
Ich lag da und dachte darüber nach, ob ich nicht doch nur ein Narr war. Für zwei Nächte Zärtlichkeit und Liebe hatte ich ihr geholfen, einen großen Coup zu landen. Ich hatte schießen und Blut vergießen müssen.
Hätte ich nicht Anspruch gehabt auf die Hälfte des Gewinns?
Aber ich verwarf die Gedanken wieder. Auf jeden Fall war ich um eine Erfahrung reicher. Und das war ja auch schon was.
Ich wurde müde, schloss die Augen und nahm mir vor, wieder aufzuwachen, wenn Dee aus dem Store zurück in unser gemeinsames Zimmer kam.
Als ich erwachte, merkte ich bald, dass Dee mich verlassen hatte. Auf dem Stuhl neben dem Bett lag das Zeug, das sie für mich im Store kaufte. Sie hatte mir Unterzeug, ein grünes Flanellhemd und eine braune Cordhose besorgt, dazu eine passende Weste.
Ein Zettel lag obenauf.
Ich las: Ich bin nach Cheyenne unterwegs. Die Post wartet nicht. Viel Glück auf deinem Weg, Lin, der wohl immer ein Fighter-Weg sein wird. Sollten wir uns mal wiedersehen und dann ein anderer Mann bei mir sein – ich schicke ihn weg, da kannst du sicher sein.
Dee.
Sollte ich fluchen oder lachen?
Ich blieb liegen. Die Wunde unter dem breiten Pflaster sollte sich schließen. Dass Dee Winters solch ein Pflaster und anderes Verbandszeug bei sich hatte, war mir jetzt erst ein Beweis dafür, wie sehr sie mit Schwierigkeiten rechnete. Sie hatte vorausgesehen, dass ich kämpfen musste.
Ich schlief bald wieder ein.
In mir war eine bittere Gleichgültigkeit.
Zum Teufel, ich würde bald wieder meinen Weg reiten.
☆☆☆
Am vierten Tag verließ ich das Hotelzimmer. Mir ging es nun wieder gut genug, sodass ich reiten konnte.
Mit meinem Bündel ging ich zum Store hinüber, um noch einige notwendige Einkäufe zu machen.
Natürlich war ich wachsam.
Allan Means hasste mich. Und er war ein Mann, der mir auch von Cheyenne aus die Hölle senden konnte.
Vielleicht hätte ich schon gestern fortreiten sollen. Doch da war es für meine Wunde wirklich noch zu früh gewesen.
Ich kam in den Hof des Mietstalles.
Und dann sah ich ihn.
Es war Vance Killhoe, und ich kannte ihn.
Er gehörte zu meiner Gilde.
Diesmal hatte Allan Means sozusagen »Nägel mit Köpfen« gemacht.
Dass er Vance Killhoe schickte, war mir ein Beweis, wie groß die Macht des sogenannten Trusts war, den Allan Means hier im Wyoming-Territorium vertrat.
Denn Vance Killhoe war wegen mir gekommen. Das wusste ich vom ersten Moment an. Er trat mir aus dem offenen Stall entgegen. Wahrscheinlich war er soeben angekommen auf einem schnellen Pferd.
Von Cheyenne her waren es etwas mehr als achtzig Meilen.
Als er mich sah, grinste er breit und sagte: »He, Spade, das trifft sich aber gut. Ich soll dir Grüße bestellen von Allan Means. Er legt großen Wert darauf, damit du auch erfährst, wem du die heißen Bleigrüße zu verdanken hast.«
Ich ließ mein Gepäck rechts und links von mir einfach zu Boden fallen. Denn Vance Killhoe – nun, das war ein Bursche, der vielleicht auch mich schaffen konnte.
»Du bist mutig«, sagte ich zu ihm. »Und du glaubst an dein Glück. Denn Glück musst du haben. Spürst du denn keine Furcht vor dem Sterben, Vance Killhoe?«
»Doch«, sagte er. »Aber weil ich sie immer wieder besiegen kann, macht sie mich nicht kaputt. Ich habe mich schon einige Male gefragt, ob ich dich schlagen könnte, Lin Spade. Zu unserem Glück standen wir uns bisher noch nie feindlich gegenüber. Jetzt aber …«
Er lächelte wie ein Mensch, der um Verständnis bittet.
»Was zahlt dir Allan Means?«
»Dreitausend Dollar – dreitausend!« Er sagte es fast feierlich. Und es war ja auch eine stolze Summe.
So viel war diesem Allan Means also mein Tod wert.
Ich nickte. »Viel Geld, Vance. Und du willst es dir verdienen?«
»Das ist mein Job«, sagte er. »Bist du bereit?«
Ich nickte nur, und die Bitterkeit in mir konnte nicht größer sein.
In diesen Sekunden begriff ich endlich richtig, wie schnell ein Bursche unserer Gilde jene Grenze überschreiten konnte, die uns von den Bösen trennte. Denn Vance Killhoe hatte sich für dreitausend Dollar anwerben lassen. Er trat mir nicht entgegen, um für eine gerechte Sache zu kämpfen – wie ich es zum Beispiel in Rainbow Creek getan hatte –, nein, er hatte sich für die Rache kaufen lassen. Er war das Werkzeug eines Bösen.
Ob er sich darüber nicht klar geworden war?
Hatte ihn die hohe Kopfprämie so geblendet?
Ich hätte gern noch einige Worte mit ihm gewechselt, ihm klargemacht, wie ich die Sache sah. Doch er wartete nicht länger. Vielleicht fürchtete er sich davor, bald schon seine Furcht nicht mehr besiegen zu können.
Denn auch ich spürte diese Furcht.
Und dennoch konnte ich nicht weglaufen.
Vance Killhoe zischte plötzlich.
»Jetzt!«
Und dann zog er.
Ja, er kämpfte fair.
Er zog schnell und fürs Auge kaum wahrnehmbar.
Aber auch mein Colt schien mir in die Hand zu springen.
Unsere Revolver krachten. Pulverdampf hüllte uns ein. Durch diesen Pulverdampf leuchteten unsere Mündungsfeuer.
Und die kleine Stadt, welche kaum größer als eine Siedlung war, hielt gewiss den Atem an.
Vance Killhoe schoss schnell, schneller als ich. Nur unsere beiden ersten Schüsse krachten als Doppelschuss, waren wie ein einziger Knall.
Seine Kugel streifte meinen linken Oberschenkel. Die zweite Kugel ging zwischen meinem Arm und meinem Körper in Brusthöhe hindurch. Auch sie streifte mich nur.
Und ich schoss indes etwas überlegter.
Seine dritte Kugel traf meine rechte Schulter, saß jedoch sehr hoch. Eigentlich riss sie über dem Schlüsselbein nur eine Furche.
Und dann fiel er.
Ja, verdammt noch mal, ich stand noch – und er fiel. So war es.
Mit dem rauchenden Colt in der Faust hinkte ich zu ihm, drehte ihn mit der Fußspitze auf den Rücken.
Er grinste zu mir empor.
Dann sagte er: »Ich habe die halben Scheine bei mir. Nimm sie dir aus der Tasche. Vielleicht bekommst du eines Tages die anderen Hälften. Du hast Glück gehabt, Hombre. Als wir damals im Süden auf einer Seite gegen die mexikanischen Banditen kämpften, da hatte ich die richtige Seite gewählt. Heute war ich auf der falschen. Oh, mir fehlten die dreitausend Dollar noch für die Ranch im San-Antonio-Land, die ich …«
Weiter kam er nicht. Er starb.
Und ich hatte ihn getötet, um selbst leben zu können. Er wollte schneller sein als ich und schoss zu hastig.
Ja, ich nahm das Geld aus seiner Tasche. Es war die Hälfte des Kopfgeldes. Es handelte sich um dreißig halbe Hundertdollarnoten.
Die anderen Hälften sollte Allan Means haben. Vielleicht traf ich ihn noch mal. Nein, ich würde nicht nach ihm suchen, um mich dafür zu rächen, dass er einen Mann schickte, der mich töten sollte für dreitausend Dollar. Aber ich ahnte in diesem Moment, dass ich Allan Means noch einmal begegnen würde.
Der Stallmann tauchte auf. Er sagte: »Ich hab im Stall alles gehört, auch zum Teil gesehen, obwohl ich hinter der Futterkiste Deckung suchte. Er hat Sie zum Duell gezwungen, Mister. Und wir hier in Old Fox City wären sehr froh, wenn dieser Allan Means das Old-Fox-Land nicht kaufen könnte.«
»Er wird es kaufen«, erwiderte ich bitter. »Und dann gehört ihr einer Vereinigung von reichen und mächtigen Männern an, die euch ziemlich auspressen werden. Dieser Trust wird gewiss auch bald alle Post- und Frachtlinien beherrschen und so die Lebensadern des Landes in die Hand bekommen.«
Ich sagte es bitter und holte dann mein Gepäck, welches ich fallen ließ.
Der Stallmann stand noch bei dem Toten.
»Das war also Killhoe, der Revolvermann aus Texas, Tex Vance Killhoe?«
Ich verhielt einen Moment und nickte.
Der Stallmann sah mich an.
»Der hat Sie angeschossen«, sagte er. »Soll ich Ihre Wunden versorgen?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Nein«, sagte ich. »Sorgen Sie lieber für Killhoes Beerdigung. Er hat genug Geld in den Taschen. Was ich ihm nahm, waren nur die halbierten Scheine des Kopfgeldes. Verstehen Sie?«
Er verstand. Ich hinkte in den Stall, sattelte mein Pferd und ritt bald davon.
Denn ich durfte nicht lange an einem Ort bleiben.
Allan Means würde immer wieder Killer schicken – bis ich tot war. Ich musste entweder meine Fährte verwischen, also die Flucht vor seiner Macht ergreifen – oder ihn aufsuchen und töten. Eine andere Möglichkeit gab es wohl kaum für mich. Ich musste flüchten oder ihn töten.
Als ich damals aus dem Mietstall ritt, entschied ich mich für die Flucht. Ich war nicht scharf auf einen Kampf und wollte auch keine Rache.
Ich ritt nach Osten, verließ also die Medicine-Bow-Berge und sah noch am Abend die Laramie-Prärie vor mir. Sie dehnte sich wie ein gelbes Meer aus Büffelgras.
Ich ritt über den Bozeman-Weg, und hier überall war blutgetränkter Boden. Weiter im Norden lagen die alten Forts, nämlich Fort Reno und Fort Phil Kearney. Aber sie waren nur noch Trümmer, völlig ohne Bedeutung.
Ich spürte meine Wunden.
Zweimal hielt ich unterwegs bei sprudelnden Quellen an und versorgte die Wunden, so gut ich konnte.
Ich hatte auch eine Flasche Schnaps bei mir, von dem ich immer wieder etwas auf die Verbände goss, sodass diese mit Alkohol getränkt blieben.
Als ich mir bei Anbruch der Nacht einen guten Lagerplatz suchte, war ich noch nicht besorgt.
Doch dann in der Nacht erwachte ich und spürte das Wundfieber.
Verdammt, besonders die Schulterwunde entzündete sich wahrscheinlich. Ich konnte schon jenes Hacken spüren, das ja immer ein Zeichen von Entzündung ist.
Vielleicht hätte ich schon in dieser Stunde meine Schulterwunde ausbrennen sollen. Doch ich hoffte noch auf die Wirkung des Alkohols. Ich goss immer wieder welchen aus der Flasche auf die Wunde und trank selbst nur einen einzigen Schluck.
Als es dann Tag wurde, war mir klar, dass ich Hilfe brauchte. Es würde gewiss nicht mehr besser werden. Diesmal ließ mich meine Heilhaut wohl im Stich.
Meine Wunde musste ausgebrannt werden. Das konnte ich selbst nicht mit der notwendigen Sorgfalt machen. Dazu würde der Schmerz zu gewaltig sein, zu barbarisch und gemein.
Ich kam endlich hoch, packte mühsam meine Siebensachen zusammen und ritt bald darauf weiter.
Hier am Old Oregon Trail, der von Laramie kam und den Bozeman-Weg kreuzte, musste ich ja wohl irgendwo auf Menschen stoßen.
Denn auf beiden Wegen fuhren Frachtwagenzüge, Siedler mit ihrer ganzen Habe, auch Postkutschen.
Das Land war frei geworden von Indianern und Büffeln.
In Montana fand man Gold.
Und die Siedler schwärmten überall aus und suchten gutes Land mit reichlich Wasser und Baumbestand.
Ja, ich musste ganz einfach bald auf Menschen stoßen, wenn ich den Radfurchen des Oregon Trails folgte – und zwar in umgekehrter Richtung nach Osten.
☆☆☆
Doch so einfach war es wohl doch nicht.
Denn es wurde Tag – und ich ritt immer noch wie ein Betrunkener. Das Fieber und die böse hackenden Schmerzen setzten mir übel zu. Ich verlor das Gefühl für die Zeit, spürte nur, dass die Sonne höher stieg und noch einmal wärmte mit Spätsommerkraft.
Als ich dann die Wagen sah, glaubte ich zuerst, unter Halluzinationen zu leiden.
Aber es waren wirklich Wagen, wenn auch etwas eigenartige. Denn sie waren kastenförmig und knallbunt, mit greller Reklameschrift und Bildern bemalt. Irgendwie konnte ich noch lesen und begreifen, dass es sich um ein fahrendes Vergnügungs-Etablissement handelte.
RED SUE and GIRLS
So stand es an allen Wagen zu lesen, umrahmt von einem Dutzend lächelnder Mädchengesichter, die ein wirklicher Künstler aufgemalt hatte.
Als ich bei den Wagen war, wurde mir schwarz vor Augen.
Ich fiel. Nein, ich konnte mich nicht mehr im Sattel halten.