G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 46 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 46 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

3 spannende Westernromane lesen und sparen!

G.F. Unger ist der erfolgreichste deutschsprachige Western-Autor. Mit einer Rekordauflage von über 250 Millionen Exemplaren gehört er zur internationalen Spitzenklasse der Spannungsliteratur. Und das zu Recht!

Niemand vermag es wie er, die unermesslichen Weiten des amerikanischen Westens und die Stärke der unerschrockenen Männer, die sie erschlossen, zu beschreiben. Erleben Sie den amerikanischen "Wilden Westen", wie nur G.F. Unger ihn schildern kann: hart, authentisch, leidenschaftlich.
Dieser Sammelband enthält die Folgen 2485 bis 2487:

Der Inhalt dieses Sammelbands entspricht ca. 192 Taschenbuchseiten.
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Seitenzahl: 468

Veröffentlichungsjahr: 2022

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G. F. Unger
G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 46

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben

Für die Originalausgaben:

Copyright © 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2022 by Bastei Lübbe AG, Köln

Coverillustration: © Faba/Norma

ISBN 978-3-7517-3005-1

www.bastei.de

www.luebbe.de

www.lesejury.de

G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 46

Cover

Titel

Impressum

Inhalt

G. F. Unger Western-Bestseller 2485

River Bend City

G. F. Unger Western-Bestseller 2486

Blaueis-Blizzard

G. F. Unger Western-Bestseller 2487

Inferno in Golden

Guide

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Contents

River Bend City

Es ist schon Abend geworden, als Adam Lee den Fluss erreicht. Auf der Fähre nach River Bend City ist gerade noch ein Platz für ihn und sein Pferd frei. Die Fähre will schon ablegen, da taucht ein Reiter auf, der es sehr eilig zu haben scheint. Die Fährleute kennen den jungen, wilden Schießer Jim Denver nur zu gut.

Der Bursche ballert in die Luft und ruft: »Euer Glück, Männer, dass ihr auf mich gewartet habt!«

Als er dann auf die Landebrücke reitet, treibt er sein Pferd dicht an Adam Lee heran, zieht den Revolver und befiehlt: »Los, runter von der Fähre, alter Mann!« Aber bevor Jim Denver den Revolver auf ihn richten kann, lässt Adam Lee das Pferd gegen ihn rammen und schlägt ihm mit der Handkante auf das Handgelenk. Der Revolver des Schießers fällt ins Wasser. Sein Pferd springt erschreckt mit ihm in den Fluss. Als er dann wie ein nasser Hund wieder an Land kommt, brüllt er: »Dafür bringe ich dich um! Und wenn ich tausend Meilen hinter dir her reiten müsste!«

Adam Lee reitet wieder an Bord.

»Nun können wir abfahren«, sagt er zu den beiden Fährleuten, die ihn stumm betrachten.

Sie tun es wortlos, und als die Fähre ablegt und sich langsam am Seil auf die andere Seite zu bewegt, blickt Adam Lee auf Jim Denver, der nun am Ufer steht und sich das Wasser aus den Stiefeln kippt.

»Dieser Jim Denver wird sich einen neuen Revolver besorgen und hinter Ihnen her sein, bevor er sich Zeit nimmt, seine Sachen zu trocknen«, sagt der eine Fährmann.

»Hat er Freunde?«, fragt Adam Lee ruhig.

»Dieser Typ hat kaum Freunde, nur Anhänger, Kumpane – und eine ganze Menge Feinde. Auf jeden Fall wird er hinter Ihrem Skalp her sein. Sie werden ihn töten müssen, oder von ihm getötet werden, denn die Stadt dort drüben ist ziemlich wild.«

Und damit hat der Mann alles gesagt. Bald darauf macht die Fähre an der Landebrücke fest.

Es ist Abend. Die Stadt an der Flussbiegung hat ihre Lichter angezündet. Adam Lee verlässt als Letzter die Fähre. An Land hält er noch einmal an und blickt zurück.

Er sieht undeutlich den dunklen Körper der Fähre über den Strom gleiten. Die Fähre wird den Revolverhelden Jim Denver auf diese Seite holen.

Als Adam Lee daran denkt, verspürt er all die Bitterkeit, die er bisher unterdrückte und irgendwie in seinem Inneren gefangen hielt.

Doch nun steigt sie auf.

»Ich war wieder einmal ein Narr. Warum überließ ich ihm nicht den Vortritt?«

Er spricht es bitter. Und zugleich weiß er, dass er wohl eine Herausforderung übersehen und missachten kann, doch noch niemals konnte er ruhig bleiben, wenn man ihn bedrohte.

Er seufzt leise und blickt auf die erleuchtete Stadt, deren Häuser keine fünfzig Yards entfernt beginnen.

☆☆☆

In der Stadt ist mehr Betrieb, als Adam Lee es erwartet hätte. Er stellt sein Pferd in den Mietstall und geht dann zum nächsten Hotel.

Es ist das City Hotel, und unter dem Schild, welches diesen Namen groß verkündet, steht noch geschrieben, dass es zu den »Marcus-Poe-Betrieben« gehört.

Aha, denkt Adam Lee, es gibt also hier in der Stadt einen Mann, der Marcus Poe heißt und der eine ganze Anzahl von Hotels, Saloons und ähnlichen Betrieben besitzt.

Adam tritt in die Empfangshalle. Der Mann hinter dem Anmeldepult betrachtet ihn mit vorsichtiger und wachsamer Abschätzung. Adam bestellt sich ein Zimmer und ein heißes Bad. Er fragt, ob der Barbier kommen könnte, um ihm die Haare zu schneiden.

»Für drei Dollar kommt er«, sagt der hagere Mann hinter dem Anmeldepult. »Wir führen ein Haus für verwöhnte Gäste.«

»Das dachte ich mir gleich«, brummt Adam Lee und trägt sich in das Gästebuch ein.

Adam H. Lee, Texas, Geschäftsmann, so steht es bald in einer energisch wirkenden Handschrift im Buch.

»Darf ich fragen«, murmelt der Hotelmann, »welche Art von Geschäften Sie betreiben?«

»Jede Art«, erwidert Adam Lee sanft und geht nach oben.

Der Mann blickt ihm nachdenklich nach, sagt dann dem Hausneger, dass er die Holzbadewanne mit heißem Wasser füllen soll, und verlässt das Hotel.

Er begibt sich in den Imperial Saloon, geht dort die Treppe hinauf und betritt bald einen Raum, der als besonders intimes Spielzimmer eingerichtet ist. Es gibt hier eine kleine Bar und auf einem anderen Tisch allerlei kalte Platten und Speisen. Die Spieler bedienen sich selbst.

Der Hotelmann tritt zu einem grauhaarigen Gentleman, der wie ein Gelehrter aussieht, grau, würdig und kultiviert.

»Da ist ein gewisser Adam H. Lee aus Texas gekommen«, sagt er zu dem gelehrt und gebildet wirkenden Gentleman. »Er gibt sich als Geschäftsmann aus und wirkt wie eine besonders harte Nummer. Er muss weit und lange geritten sein. Ich würde ihn nicht für einen Revolvermann halten, doch er kann alles sein, alles!«

Nicht nur jener weißhaarige Mann hat interessiert zugehört. Auch seine Mitspieler lauschten.

Doch nun sagt der Weißkopf: »Es ist gut, Robson. Wir werden ihn im Auge behalten, und Sie tun das Übliche, nicht wahr?«

☆☆☆

Indes sitzt Adam Lee im Bad und bekommt die Haare geschnitten.

Wenig später kehrt der Neger zurück, den Adam Lee in den Store geschickt hat, um ihm einige Kleidungsstücke zu holen.

Der Schwarze rollt die Augen so, dass man das Weiße nicht sieht, und erklärt: »Wild Jim Denver saust durch die Stadt, Sir! Er hat sich einen neuen Revolver besorgt und fragte mich nach einem Mann, der so aussieht wie Sie, Sir. Ich musste ihm sagen, dass Sie bei uns abgestiegen sind. Er sagte mir, dass er Sie im Trail Saloon erwartet. Und wenn Sie nicht kämen, würde er Sie aus dem Hotel holen.«

Der Schwarze macht eine Pause. »Doch das würde Mister Marcus Poe bestimmt nicht gestatten, dass Jim Denver einen Gast aus dem Hotel holt.«

»Das ist gut.« Adam Lee nickt. »Ich habe nämlich keine Lust, mich mit einem Lümmel wie Jim Denver zu streiten. Ich gehe jetzt in mein Zimmer. Du holst mir aus dem Restaurant ein Essen. Hast du noch Geld übrig?«

»Noch zehn Dollar, Sir.«

Adam Lee steigt aus der Wanne. Er nimmt das Handtuch von der Bank, die dicht neben der Wanne steht. Und unter dem Handtuch liegt griffbereit ein Revolver.

Er kleidet sich schnell an, schiebt den Revolver in den Hosenbund und geht in sein Zimmer. Er betritt es, ohne die Lampe anzuzünden. Doch nun hat er den Revolver schussbereit in der Hand.

Aber es hat sich niemand eingeschlichen. Jim Denver scheint wirklich nicht in das Hotel zu kommen. Daraus schließt Adam Lee, dass dieser Marcus Poe ein Mann sein muss, den sogar Wild Jim Denver respektiert.

Adam öffnet das Fenster.

Er kann über das flache Dach des gegenüberliegenden und nur ebenerdigen Hauses hinweg zum Fluss sehen. Der Fluss ist keine halbe Meile entfernt. Der Mond ist aufgegangen, und der Strom glänzt wie Silber. Er kann an der Flussbiegung die Enge und die großen, überhängenden Felsen erkennen. Der Fluss hat dort in Jahrtausenden die Felswand unterspült.

Adam Lee zuckt bei diesem Anblick etwas zusammen. Denn von dieser Enge am Fluss hat er schon gehört.

Wenn das Mondlicht nicht trügt und auch bei Tageslicht alles dort drüben so aussieht wie jetzt, ist dort wirklich eine große Chance für ein Geschäft vorhanden. Eine ganz besondere Chance, die nur ein harter Mann mithilfe anderer harter Männer wahrnehmen könnte.

Er schließt das Fenster, macht Licht und lässt dann Bill Washington, den Hausneger, herein, der mit einem schwer beladenen Tablett vom Restaurant kommt.

»Dieser Wild Jim Denver«, sagt der Schwarze, nachdem er das Tablett auf dem Tisch abgesetzt hat, »verkündet überall in der Stadt, dass er Sie töten will. Und er lässt Ihnen durch mich nochmals ausrichten, dass Sie ihm nicht entkommen könnten und es keinen Sinn hätte, sich im Hotel zu verkriechen. Wenn Sie in einer Stunde nicht kommen würden, dann will er in den Mietstall gehen und Ihr Pferd erschießen. Und er tut das wirklich. Er bringt es fertig.«

Adam Lee erwidert nichts. Er macht sich mit dem Heißhunger eines Mannes über das Essen her, der einen langen und anstrengenden Tagesritt hinter sich hat.

Nachdem er gegessen hat, trinkt er den Kaffee, zündet sich eine Zigarette an und legt sich auf das Bett. Er liegt entspannt da, raucht und denkt nach.

Nach etwa einer halben Stunde erhebt er sich und macht sich auf den Weg zu Jim Denver.

Nein, er will keinen Kampf. Doch er kann nicht zulassen, dass der Revolverheld sein Pferd tötet.

☆☆☆

Der Trail Saloon befindet sich auf der anderen Seite. Als Adam Lee die Straße überquert, öffnet sich eine Gruppe von Männern zu einer Front und betrachtet ihn, und eine Stimme sagt: »Das ist er sicherlich! Ja, das ist er!«

Er weiß, dass man hier auf sein Kommen gewartet hat. Er stößt die Schwingtür des Saloons auf und tritt ein. Er weiß, dass er es unbesorgt tun kann. Jim Denver wird nicht mit schussbereitem Revolver auf sein Eindringen warten und sofort losballern. Nein!

Jim Denver hat den Ehrgeiz, als ein besonders großer und berühmter Revolverheld zu gelten.

Als Adam Lee eintritt, blicken ihn alle Augen an. Es sind nicht wenige Leute versammelt.

Adam Lee geht den Gang entlang, zwischen Stühlen und Tischen hindurch und zum Schanktisch.

An der Ecke steht Jim Denver.

Adam steuert auf die andere Ecke zu.

Einige Männer, die am Schanktisch standen und in den Spiegel starrten, trinken schnell die Gläser aus und entfernen sich.

Adam Lee geht langsam, fast bedächtig. Er raucht eine Zigarre, und er weiß, dass man ihn genau beobachtet, studiert und abschätzt.

Er kennt dieses Spiel. Er hat es oft gesehen und einige Male selbst erlebt.

Als Adam Lee den Schanktisch erreicht hat, stellt er sich hinter der Ecke auf, sodass Jim Denver nur seinen Oberkörper sehen kann. Denn auch Jim Denver steht so da.

Die Barmänner haben sich bis an die Flaschenregale zurückgezogen. Doch einer von ihnen kommt zu Adam und fragt nach dessen Wünschen.

»Ein Bier«, sagt dieser sanft, und er stellt mit einem Anflug von bitterem und grimmigem Humor fest, dass man hier das alte Spiel streng nach den alten Regeln spielt.

Es soll ein Revolverkampf stattfinden.

Und man genießt jede Einzelheit. Es ist fast ein genau einstudiertes Ritual, welches nun zelebriert wird. Und Wild Jim Denver weiß genau, was er seinem Ruhm und Ruf schuldig ist.

Im Lampenschein wirkt sein junges, hübsches und arrogantes Gesicht nun älter, starr, maskenhaft, etwas bleich. Er wartet, bis Adam Lee das Bier erhält und der Barmann sich zurückgezogen hat. Dann sagt er laut und klar und kommt hinter der Schmalseite des Schanktisches hervor: »Sie sind doch jener Hundesohn, der mich mit dem Pferd von der Landebrücke drängte?«

Adam Lee trinkt erst das Bier. Dann tritt er ebenfalls hinter der Schmalseite des Schanktisches hervor. Sie stehen sich nun auf dem freien Raum vor der Bar gegenüber, breitbeinig und wachsam.

Aber Adam Lee sagt ruhig: »Junge, versuch es nicht mit mir! Du hast es schon einmal bei der Fähre versucht. Du hast mich mit dem Revolver bedroht, und ich warf dich dafür ins Wasser. Lass es bei dieser Lektion! Denn du bist noch ein Gernegroß, ein wilder Junge, der erst noch ein Mann werden soll. Gib auf und zwing mich nicht zu einem Revolverkampf.«

Seine Stimme verklingt ruhig und fast freundlich. Es ist kein Zorn zu hören, eher Bitterkeit und eine verächtliche Müdigkeit und Resignation. Er spricht wie ein Mann, der schon vorher weiß, dass Ermahnungen und Zureden bei einem störrischen Bengel nichts nützen.

Wild Jim Denver steht starr da. Dann erzittert er wie durch einen innerlichen Schauer.

Endlich spricht er mit einer Stimme, die heiß und gepresst beginnt und mit jedem Wort schriller und wilder klingt: »Ich bin Wild Jim! Mich stößt kein Mensch auf dieser Welt ungestraft in den Fluss. Ja, ich zwinge Sie zu einem Revolverkampf!«

Er beugt den Oberkörper nach diesen Worten aus den Hüften etwas vor. Er stellt auch die Füße noch etwas auseinander. Und seine Rechte hängt geöffnet hinter dem Revolvergriff. Er hat seinen Colt tief an der Hüfte, in einem steifen und gut geölten Holster, welches am Oberschenkel festgeschnallt ist. Er trägt neue und trockene Kleidung. Und sein falscher Ehrgeiz und sein verzerrter Stolz zwingen ihn zum Kampf.

»He!«

Er stößt es scharf hervor, und es ist sein Zeichen, sein Kommando. Er zieht den Revolver glatt und leicht, legt beim Ziehen mit dem Daumen schon den Hammer zurück und schwingt in Hüfthöhe, kaum, dass der Lauf aus dem Holster ist, den Lauf hoch.

Er ist wahrhaftig ein schneller Revolverschwinger, und diese schreckliche Befähigung verdarb ihn auch bis in den Kern.

Doch er gibt nicht den ersten Schuss ab.

Adam Lee schlug ihn um jenen winzigen Sekundenbruchteil, der alles entscheidet.

Als Jim abdrückt, bekam er zuvor schon die Kugel. Sie stieß ihn zurück. Der Revolver zielte deshalb schräg zur Decke.

Dann entfällt ihm die Waffe, denn sein Arm wurde zerschossen. Er schwankt, fällt auf die Knie und will mit der Linken zur Waffe greifen.

Doch da schießt Adam Lee wieder, trifft die Waffe, die von der Kugel rechts gegen den Schanktisch geprellt wird und dann an Jim Denver vorbei und außer dessen Reichweite gleitet.

Es ist still. Pulverrauch verteilt sich. Jemand stöhnt leise im Hintergrund. Eine Stimme flüstert: »Großer Gott, habt ihr das gesehen? Er hat Wild Jim Denver sogar noch geschont. Er konnte es riskieren, ihn zu schonen.«

Alle Blicke richten sich nun auf Wild Jim, der am Boden kniet und jetzt erst die Schmerzen zu spüren beginnt und von jenem Schock erfasst wird, der in jedem Revolverschwinger wirksam wird, wenn er getroffen ist.

Jim Denver stößt einen schluchzenden Laut aus.

Dann fällt er zur Seite und wird ohnmächtig.

»Bringt ihn zum Doc«, sagt Adam Lee in die Stille. Er blickt sich scharf um, und er hält den Revolver noch bereit. Doch es regt sich niemand. Keiner der Gäste nimmt für Jim Denver Partei.

Er nickt leicht, steckt den Revolver fort und legt ein Geldstück auf den Schanktisch. Dann geht er hinaus.

In der Stadt aber nimmt man überall zur Kenntnis, dass ein besonders schneller Revolvermann gekommen ist.

Auch Marcus Poe und seine Pokerrunde im privaten Spielzimmer des Imperial Saloons bekommen die Sache ausführlich und präzise berichtet.

Und als sie es gehört haben, wendet der weißhaarige Marcus Poe den Kopf und blickt auf Fess Ballard.

»Kennen Sie ihn, Fess?«, fragt er.

Fess Ballard ist ein dunkler Typ. Er wirkt fast wie ein Mexikaner, geschmeidig und pantherhaft. Selbst nach einer Rasur schimmert sein Gesicht an den Wangen noch bläulich.

Er erwidert den Blick des Bosses und sagt sanft: »Mister Poe, es ist ganz gleich, wer dieser Mann ist. Ich werde mit jedem Mann zurechtkommen, wenn es notwendig werden sollte. Machen Sie sich in dieser Beziehung keine Sorgen, Mister Poe.«

Der nickt leicht.

»Wir werden uns diesen Gent mal näher ansehen«, sagt er.

☆☆☆

Adam Lee hat sonst einen sehr leichten und leisen Schlaf. Doch er hört nicht, wie sie in sein Zimmer kommen, obwohl es ihnen einige Mühe macht, denn es musste erst jemand von ihnen durch das Fenster einsteigen und durch das Zimmer zur Tür schleichen. Man musste erst den Stuhl unter der Klinke wegnehmen und die Tür aufschließen.

Aber vielleicht will Adam Lee nichts hören, vielleicht tut er nur so, als schliefe er fest.

Als ihn ein Mann an der Schulter berührt, liegt Adam Lee auf dem Bauch und hat beide Arme unter dem Kopfkissen. Als er sich aufrichtet, hält er seinen Revolver in der Rechten und lächelt. Er wirkt wach und gar nicht verschlafen oder überrascht.

Es sind vier Männer gekommen. Sie haben auch die Lampe angezündet. Zwei der Männer halten schussbereite Waffen bereit. Es sind Fess Ballard und ein breit und stark gebauter, schnurrbärtiger und rotblonder Mann, der den Stern eines Stadtmarshals trägt.

Der dritte Mann ist jener, der durch das Fenster stieg und von innen die Tür öffnete. Er ist ein schlanker, geschmeidiger und noch sehr junger Bursche, in dem sicherlich zu einem Viertel Indianerblut fließt. Er geht nun wieder hinaus.

Der vierte Mann ist Marcus Poe. Er setzt sich auf den einzigen Stuhl, holt eine Zigarre hervor, beißt die Spitze ab und sagt zwischendurch: »Wir sind nur zu einer kleinen Besprechung hier. Und wir sollten die Revolver wegstecken. Ich sehe schon, Mister Lee, dass Sie stets auf der Hut sind.«

Er nickt Fess Ballard und dem Marshal zu. Diese stecken die Revolver weg. Adam Lee sitzt jetzt auf dem Bettrand. Er legt die Waffe neben sich.

»Es ist unhöflich, einen schlafenden Mann zu stören«, sagt er. »Was führt Sie zu mir?«

Marcus Poe raucht nun seine gute Zigarre. Er wirkt kultiviert, sehr würdig. Doch der blitzende Brillantring an seinem linken Kleinfinger ist zu groß und protzig. In seinen Augen ist ein lauernder und harter Ausdruck.

»Der Marshal könnte Sie zum Beispiel verhaften und ins Gefängnis stecken, weil Sie einen Bürger unserer Stadt mit einer Schusswaffe verletzten«, sagt er langsam. »Und der Stadtrat könnte Sie wegen Missbrauchs von Schusswaffen mit einer hohen Geldstrafe belegen. Sie sind hier in meine Stadt gekommen, die von mir und meinen Freunden geleitet wird. Und wir sind eine sehr eigennützige Gesellschaft. Wir sind hergekommen, um zu erfahren, was Sie herführte, woher Sie kommen und ob Sie länger zu bleiben gedenken. In das Hotelbuch trugen Sie sich als Geschäftsmann ein. Ich frage Sie, welcher Art die Geschäfte sind, die Sie tätigen.«

Als er verstummt, klingt seine Stimme zwar immer noch sanft und fast milde, doch in seinen Augen ist nun eine kalte und mitleidlose Härte zu erkennen.

»Sie leiten diese Stadt?«, fragt Adam Lee.

»Diese Stadt gehört mir zu mehr als der Hälfte«, erwidert Marcus Poe. »Auch die Frachtlinie und die Postlinie gehören mir, der Holzplatz, einige Geschäfte und Saloons. Mir gehört Land am Fluss. Einige Flussboote fahren für mich. Genügt das, Adam Lee?«

Der nickt. »Ich mache Ihnen einen Vorschlag«, sagt er dann. »Sie lassen mich jetzt schlafen und geben mir morgen einen Tag Zeit. Ich will mir die Stadt und die Gegend ansehen und mich entscheiden, ob ich bleiben werde oder nicht. Wenn ich bleibe und Geschäfte machen will, werde ich zu Ihnen kommen. Wenn ich nicht bleiben will, weil ich nichts erkennen kann, was mich reizen könnte – nun, dann erübrigt sich ja ohnehin alles, denn dann reite ich ja fort, nicht wahr?«

Er fragt es mit leicht zur Seite geneigtem Kopf. Doch in seiner Stimme ist ein spöttischer Klang. Er weiß längst, dass es dumm wäre, diesen Mann dort reizen zu wollen.

Marcus Poe blickt ihn eine Weile schweigend an.

»Ich glaube nicht«, sagt er, »dass Sie ein US Marshal sind – nein, jetzt glaube ich das nicht mehr. Wissen Sie, man will dieses Territorium gerne in den Bund der Vereinigten Staaten aufnehmen, also zum Bundesstaat machen. Doch es gibt eine Menge Menschen im Land, die sehr dagegen sind. Nun, ich glaube also jetzt nicht mehr, dass Sie ein Marshal der Bundesregierung sind. Und deshalb werde ich Ihnen bis morgen Abend Zeit geben.«

Er erhebt sich nach diesen Worten plötzlich und verlässt das Zimmer. Der Marshal, der zuletzt geht, lässt die Tür offen – und dies ist ein offensichtliches Zeichen von Missachtung.

Adam Lee lässt es geschehen. Er fängt wegen einer nicht zugemachten Tür keinen Streit an. Er weiß, dass dies jetzt eine sehr scharfe Sache war. Wenn er nicht vor kurzer Zeit im Trail Saloon so überzeugend seine Schießkunst demonstriert hätte, wäre die Sache soeben völlig anders ausgegangen. Der Marshal und jener andere Mann, den Adam schon jetzt für einen besonders gefährlichen und ihm bestimmt ebenbürtigen Revolvermann hält, hätten ihre schussbereiten Waffen nicht weggesteckt. Marcus Poe hätte es nicht angeordnet, sondern die Sache zur Austragung kommen lassen. Doch so lenkte er ein. Er verzichtete darauf, Adam Lee in die Zange zu nehmen, seine Sachen zu durchsuchen und Aufschluss zu bekommen über ihn.

Er scheint zu befürchten, dass ein US Marshal in dieses Land kommen könnte, denkt Adam Lee. Er scheint überhaupt zu befürchten, dass ihm ein Mann bei irgendwelchen Dingen in die Quere kommen könnte.

Er erhebt sich nun, geht zur Tür und schließt sie. Dabei hält er den Revolver in der Hand. Nun steckt er ihn in den Hosenbund und geht zum Fenster.

Die Nacht ist immer noch mond- und sternenhell. Man könnte draußen in diesem Licht ein Buch lesen.

Der Fluss glänzt noch.

Doch in der Ferne, im Westen – also in der Richtung, die Adam Lees Blickfeld entgegengesetzt ist – da grollt ein Gewitter. Der erste Windstoß fegt über die Stadt, und unten am Fluss kräuseln sich silbern glitzernd die Wellen. Dort, wo die Fahrrinne enger wird, wo aus dem Wasser die Klippen und Felsen ragen und wo über dem Ostufer die mächtige Felswand drohend überhängt, dort ist der Fluss vor dem Wind geschützt.

Adam Lee blickt wieder auf die überhängende Felswand.

Nein, er kam nicht zufällig nach einem endlos langen Ritt nach River Bend City. Er hörte von einer morschen und von der Erosion zernagten Felswand, die über dem Fluss hing und ihn zuschütten würde, wenn sie einmal herunterfallen würde.

Er hörte von dieser Felswand, als sich zwei Flussboot-Kapitäne darüber unterhielten. Und es blieb vor allem die Tatsache in seinem Verstande haften, dass der Fluss zugeschüttet werden würde.

Nun sieht er es, wenn auch bei Mondlicht, doch klar und erkennbar.

Er will sich abwenden, um sich wie der zur Ruhe zu legen, als ihn eine Bewegung in der Felswand aufmerksam macht. Er späht prüfend hinüber, doch die Entfernung ist zu weit, um genaue Einzelheiten erkennen zu können.

Adam Lee wendet sich in sein Zimmer zurück, geht zu seinem Bündel, welches am Fußende des Bettes liegt, öffnet es und holt ein ausziehbares Fernrohr hervor.

Als er damit zu der langen Felswand späht, da kann er es genau sehen. Männer klettern dort herum. Unten am Fluss schwimmt in einer Felsspalte ein Boot.

Bevor Adam Lee noch mehr erkennen oder beobachten kann, wird die bis jetzt so helle Nacht dunkel und schwarz. Der vordere Rand der Gewitterfront ist nun genau über der Stadt und schiebt sich vor den Mond – Blitze zucken irgendwo im Westen. Der Donner kracht immer stärker, unaufhörlich und gewaltig.

Dann rauscht der erste Wolkenbruch nieder, ergießt sich über die Stadt.

Einer der letzten Donnerschläge war besonders krachend und anhaltend. Er klang fast wie eine gewaltige Explosion.

Als der Wolkenbruch versiegt und der Gewitterregen gleichmäßiger und monotoner niederrauscht, da blickt Adam Lee wieder durch sein Fernrohr hinüber. Er wartet, bis abermals ein langer Blitz über den Himmel zuckt.

Und da sieht er es! Er kann sehen, was er instinktiv schon vermutete, erwartete.

Die mächtige, überhängende und morsche Felswand ist in den Fluss gefallen. Sie liegt in der Fahrrinne. Sie staut das Wasser, und die vielen Tonnen oder gar Tausende von Tonnen Gestein machen den Fluss vorerst für jedes Flussboot unpassierbar.

Adam Lee atmet langsam aus. Er schiebt das Fernrohr zusammen, schließt das Fenster und geht zu seinem Bett. Seine Müdigkeit wird nun von einer starken Erregung unterdrückt und bezwungen.

Denn Adam Lee weiß jetzt, dass er nicht nur um Tage, sondern sogar um Wochen zu spät kam. Bevor er die Verhältnisse in Augenschein nehmen, sich entscheiden und Pläne machen konnte, ist es längst geschehen.

Andere Männer waren vor ihm da.

Er braucht nicht lange zu überlegen und nachzudenken, wer diese Männer sind. Und es ist vielleicht in Wirklichkeit auch nur ein einziger Mann, ein Boss mit vielen Handlangern, die seine Befehle ausführen.

Adam Lee hat ihn soeben gesehen und mit ihm gesprochen.

Marcus Poe.

Und seine Handlanger haben sicherlich nur noch auf ein kräftiges Gewitter gewartet, um die überhängende Felswand mithilfe einer gewaltigen Sprengladung abstürzen zu lassen.

Man wird behaupten, dass der Gewitterdonner eine solche Erschütterung verursacht hätte, sodass tausend Tonnen morsches Gestein in den Fluss brachen.

Doch Adam Lee weiß es besser.

Er sah die Männer drüben. Diese waren das Sprengkommando. Sie haben geschützte Lunten angezündet, haben sich dann in das Boot niedergelassen und sich der Strömung anvertraut.

Und die Sprengung klang wie einer der vielen Donnerschläge.

Ich glaube, ich werde morgen weiter nach Westen reiten, denkt Adam Lee, und er verspürt eine gewisse Enttäuschung, doch zugleich auch eine Art Anerkennung.

»Das sind schon schlaue und tüchtige Jungs hier«, murmelt er. »Diese Stadt wird jetzt Geld machen. Kein einziges Schiff kann hier vorbei. Sie alle müssen anlegen. Alle Lasten müssen umgeladen werden. Und auch all die Goldsucher, die aus dem Norden mit ihrer Goldbeute kommen, um den Winter über daheim zu sein, müssen hier aussteigen. Dies aber ist die erste Stadt mit all den sündhaften Freuden, in die diese Männer nach monatelanger Enthaltsamkeit und Einsamkeit kommen. Oh, hier werden jetzt Geschäfte gemacht. River Bend City wird eine Goldgrube besonderer Art.«

Nachdem er vor sich hingemurmelt hat, schläft er ein. Das Gewitter verzieht sich grollend in der Ferne.

☆☆☆

Nicht sehr weit von ihm, nur ein paar Zimmer weiter auf demselben Gang, da liegt ein Mann auf dem durchschwitzten Lager eines Hotelzimmers, erträgt Schmerzen und verspürt die ersten Anzeichen des Wundfiebers.

Doch dies alles erscheint ihm nicht so schlimm, nicht die Schmerzen und nicht das Fieber. Denn es ist Wild Jim Denver, um den es sich handelt. Für ihn gibt es in Zukunft andere Probleme.

Denn was wird er tun, wenn seine zerschossene Schulter eine gewisse Steifheit behalten wird und er nie wieder so glatt und unwahrscheinlich schnell seinen Revolver wird ziehen können?

Dies ist die bange Frage, die er immer wieder spürt. Was dann? Er fragt es sich immer verzweifelter.

»Lieber Vater im Himmel«, sagt er heiser und gepresst in das dunkle Zimmer hinein, in dem er liegt, »lieber Vater im Himmel, lass meine Wunde richtig heilen. Denn wenn ich meine Revolverschnelligkeit verliere, dann bin ich verloren.«

Ja, er betet wahrhaftig! Und das Ansinnen, welches er seinem Schöpfer stellt, ist so absurd, dass man daran allein schon erkennen kann, wie verzerrt sein Denken und wie wenig normal er noch ist.

☆☆☆

Die Stadt River Bend erwacht im Morgengrauen durch einen gewaltigen Krach.

Denn die »Rose of Missouri« kam den Strom herauf. Sie war ein gutes und starkes Flussboot, mit zwei Schornsteinen und einem riesigen Schaufelrad am Heck.

Sie war schon die ganze Nacht unterwegs, eigentlich Tag und Nacht, da es sehr hell war und sie noch vor Anbruch des Winters Montana erreichen, dort ihre Frage entladen und wieder umkehren wollte. Alle Flussboote, deren Kapitäne sich auskennen, fahren auch während der hellen Nächte und legen nicht an.

Die »Rose of Missouri« kam mit kräftiger Fahrt um die Flussbiegung. Als der Steuermann herausfand, dass sich etwas verändert hatte und die sonst über der engen Fahrrinne hängende Felswand fort war, war es schon zu spät.

Das Flussschiff konnte nicht mehr stoppen.

Es prallte auf die Felsen. Mit aller Kraft fuhr es hinauf.

Und das vertrug einer der beiden Dampfkessel nicht.

Er flog auseinander.

Dies ist der Knall, den die Stadt am frühen Morgen hört. Sie wird geweckt, und sie ist sofort hellwach.

Was die Leute dann sehen können, ist ein zerborstenes und bis zur Hälfte gesunkenes Schiff, dessen über das Wasser ragende Teile lichterloh brennen.

Die Menschen auf dem Schiff werden nicht alle gerettet. Der explodierende Kessel tötet die Maschinisten und drei Fahrgäste. Es gibt auch einige Verletzte.

Und somit wurden bei River Bend City um des Geschäftes willen die ersten Morde verübt. Denn es war Mord, als das Schiff ungewarnt auf die künstlich geschaffene Untiefe rannte und explodierte, wobei einige Menschen ihr Leben lassen mussten.

Es war Mord.

Adam Lee, der am anderen Morgen beim Frühstück sitzt und darüber nachdenkt, kommt zum gleichen Schluss.

Zum ersten Mal verspürt er eine fast dankbare Freude gegenüber dem Schicksal, dass andere Menschen ihm zuvorgekommen sind. Männer, die schon vor ihm hier waren und vor ihm die Möglichkeit für gute Geschäfte erkannten. Er hätte sich bei diesem Geschäft zwar nicht mit Mord befleckt. Trotzdem wäre es wohl kein sehr redliches Unternehmen geworden.

Ja, nun ist er erleichtert und fast glücklich darüber, dass er hier zu spät gekommen ist.

Er geht zum Fluss hinunter und sieht sich die Sache an. Als er dann zur Stadt geht, steht es für ihn fest, dass er am nächsten Tag weiterreiten wird.

Es gibt hier nichts, was ihn noch halten könnte.

So glaubt er.

Aber gegen Mittag trifft er Deborah Starke auf der Straße vor dem großen Store.

Er hat sie zuvor noch nie gesehen. Und dennoch glaubt er bei ihrem Anblick zuerst, ihr schon einmal begegnet zu sein.

Doch er wird sich gleich danach darüber klar, warum sie ihm so bekannt und vertraut erschien. Ja, er begreift es schnell, denn es liegt daran, dass Deborah Starke seinem Idealbild von einer Frau so sehr gleicht, wie er es nicht für möglich gehalten hätte.

Als er sie sieht, staunt er sie an und versperrt ihr den Weg. Dies dauert einige Sekunden. Dann gibt er ihr den Weg frei und greift an den Hut. Und er staunt immer noch, weil er es nicht für möglich hielt, dass es so etwas gibt.

Aber als er sie dann auf dem Brettergehsteig davongehen sieht, ihr nachblickt und einige Male tief Luft geholt hat, da staunt er nicht mehr, sondern fragt sich, was er tun soll.

Er ist kein Schürzenjäger. Er gehört nicht zu der Sorte, die jedem hübschen Mädel nachrennt und die bei jeder Frau ihr Glück versucht, weil sie sich ihre Unwiderstehlichkeit aus Eitelkeit und Selbstgefälligkeit immer wieder beweisen muss.

Nein, er ist kein Frauenjäger. Doch er hat seine Vorstellungen, sein Ideal.

Und dort geht es! Mittelgroß, schlank und doch schon etwas fraulich. Weizenblond mit grünen Augen, in die er einige Sekunden lang sehen konnte. Und ihr Gesicht ist etwas eigenwillig, doch sehr klar und regelmäßig, lebendig, ausdrucksvoll und sogar gebräunt.

Adam Lee liebt ein sonnengebräuntes Frauengesicht, eingerahmt von hellem Haar, und er liebt geschwungene Augenbrauen, grüne Augen, eine kurze Nase, die einen kecken Schwung hat. Er liebt volle Lippen, die sogar etwas zu breit sein können.

Und dazu kommt noch die Art, wie solch ein Wesen den Kopf auf den geraden Schultern trägt, wie es geht und sich bewegt, wie es in die Welt blickt.

Dies alles zusammen sieht Adam Lee jetzt so, wie er es sich vorgestellt hat – irgendwo unter den Sternen an einem einsamen Campfeuer oder in einem einsamen Hotelzimmer.

Wer mag sie sein? Diese Frage ist in seinem Kopf, indes er ihr nachblickt und sich erst jetzt darüber klar wird, dass sie doch mit einem schweren Einkaufskorb und einigen Paketen belastet ist.

Ich hätte ihr meine Hilfe anbieten sollen, denkt er.

Und da sieht er sie fallen.

Sie wollte den Gehsteig verlassen und die Fahrbahn überqueren. Sie musste jedoch am Rand des Gehsteigs verhalten und die Postkutsche vorüberfahren lassen, die sechsspännig von den Great Sand Hills her in die Stadt gesaust kommt.

Irgendwie stand sie zu sehr am Rand der Planke. Diese lag lose auf und kippte nun zur Fahrbahn hinab.

Die Frau fällt mit einem Schrei, der mehr zornig als erschreckt klingt. Ihre Pakete und der Einkaufskorb fallen in den Staub der Fahrbahn. Adam Lee läuft zu ihr hin, doch noch bevor er bei ihr ist, springt sie mit einem zornigen Schrei in die Höhe, um gleich darauf mit einem Schmerzensschrei in seine Arme zu fallen. Sie muss sich schlimm den Fuß verzerrt haben.

Adam Lee hält sie nun und blickt abermals in ihr Gesicht. Nun ist es noch ausdrucksvoller als zuvor, und es drückt Schmerz, Zorn und Eigenwillen aus.

»Lassen Sie mich los! Warum halten Sie mich so fest? Wollen Sie mir die Knochen brechen?«

Sie spricht zornig und faucht dabei fast wie eine Katze.

»Wenn Sie stehen und laufen können, Ma’am«, sagt er ruhig auf sie nieder, »dann will ich Sie gerne freigeben. Doch ich fürchte fast, ich werde Sie tragen müssen – aaah, obwohl mir das natürlich Freude bereiten wird. Ich meine, ich fürchte, dass es so schlimm ist mit Ihrem Fuß, dass ich Sie deshalb tragen muss.«

Er wird nun selbst zornig – aber über sich. Denn ihm wird bewusst, dass er sich soeben ziemlich dumm ausdrückte.

Und dabei spürt er ihre lebendige Persönlichkeit in seinen Armen und wittert ihren Duft. Es ist ein Duft, der ihm gefällt.

Sie bewegt sich nicht in seinen Armen, sondern blickt zu ihm empor. Und plötzlich lacht sie. Ihr Zorn und ihre Eigenwilligkeit scheinen verschwunden zu sein.

Sie lacht freundlich und belustigt, so als wären sie zwei große Kinder und hätten einen Spaß gemacht.

Er lässt sie nun los, und so probieren sie aus, ob sie stehen und gehen kann.

»Wenn Sie meine Pakete tragen und ich mich bei Ihnen einhängen kann, dann schaffe ich es«, sagt sie bald entschlossen. Er erkennt, dass sie sehr energisch und ganz bestimmt nicht zimperlich ist. Ihr verknackster Fußknöchel wird gewiss heftig schmerzen. Doch sie will gehen und sich nicht von ihm tragen lassen.

Er führt sie drei Schritte weit bis zu einem Haltepfosten, an dem sonst Reitpferde angebunden werden. Hier stützt sie sich, und er kehrt um und sammelt alles ein, was sie verlor. Er pustet sogar den Staub ab. Indes er dies tut, betrachtet sie ihn und blickt auch dann und wann in die Runde.

Doch sie werden kaum beachtet. Die wenigen Menschen, die nicht unten am Fluss sind, um dort immer noch zu sehen, zu staunen und zu diskutieren, sind an der Ankunft der Postkutsche viel stärker interessiert.

Als Adam Lee wieder zu Deborah Starke tritt, beladen mit dem Korb und den Paketen, hängt sie sich bei ihm ein. Und dann gehen sie langsam durch den tiefen Staub der Fahrbahn. Sie hält sich sehr tapfer und hinkt kaum. Doch das kostet Energie und Überwindung, ganz gewiss spürt sie Schmerzen bei jedem Schritt.

Sie sieht von der Seite her zu ihm auf und sagt: »Sie sind Adam Lee, nicht wahr? Sie sind der Mann, dem Wild Jim Denver verdankt, dass er zwar am Leben, doch schon so gut wie tot ist.«

»Ist er das? Und weshalb?« Adam fragt es überrascht.

»Er war ein übler Revolverheld. Er war schlimm und legte sich mit jedem anderen Revolverschwinger an. Er machte sich Feinde. Sobald er aus dem Zimmer kommen wird, in dem er jetzt liegt, wird jemand ihn erschießen. Er ist verloren. Der Arzt sagt, dass sein Arm ein wenig steif bleiben wird. Er wird wohl eines Tages arbeiten können, doch mit der Revolvergeschicklichkeit ist es vorbei. Mister, wissen Sie, was Sie mit Wild Jim Denver machten?«

»Das weiß ich ziemlich sicher. Ich hätte ihn töten können und ließ ihn leben. Das machte ich.«

Er spricht es ärgerlich. Und dabei denkt er über ihre Worte nach und begreift, was mit Jim Denver sein wird. Sie aber sagt nun zu ihm, als sie drüben den anderen Gehsteig erreichen und darauf entlang gehen: »Sie haben einem Wolf gewissermaßen die Zähne ausgebrochen und überlassen ihn nun bei lebendigem Leib den Hunden. Die werden ihn in Stücke reißen, und er kann sich nicht wehren. Sie reiten wohl schon bald weiter und vergessen das alles, nicht wahr? Oder wollen Sie gar in dieser Stadt bleiben, die jetzt auf große und vielversprechende Geschäfte wartet und so plötzlich allerlei Möglichkeiten erhielt?«

Sie haben einen Saloon erreicht, über dessen Schwingtür ein buntes Schild verkündet, dass es sich um den Last Chance Saloon handelt. Neben der Schwingtür ist ein farbenprächtiges Plakat angebracht, auf dem man eine tanzende Frau bewundern kann und auf dem zu lesen ist, dass Debby Starke, die »Nachtigall vom Missouri«, heute Abend wieder ihren monatlichen Abend für ihre Freunde gibt.

Doch Adam Lee sieht dieses Plakat nicht. Er beobachtet Deborah Starke und glaubt, sie hätte angehalten, um auszuruhen.

Er fragt: »Ist es noch weit?«

»Wir sind da. Dort in diesem Saloon bin ich daheim.« Sie sagt es kurz und spröde. Und dann beobachtet sie ihn. Sie sieht, wie er auf die Schwingtür blickt und nun das Plakat daneben betrachtet. Aber als er sich ihr wieder zuwendet, ist sein Gesicht ganz ruhig, nur seine grauen Augen blicken etwas amüsiert.

»Mit diesem Fuß werden Sie heute wohl nicht auftreten können, Ma’am?«, sagt er.

»Jemand wird mich in einem Rollstuhl auf die Bühne fahren«, erwidert sie noch spröder. »Und Sie werden sogar eine Freikarte bekommen, Mister Adam Lee.«

Sie ist nun ärgerlich, und er kann nicht recht ergründen, woher dieser plötzliche Ärger kommt. Er weiß, dass er sich gut beherrscht hat und man ihm ganz gewiss die Enttäuschung nicht anmerken konnte, die sie ihm bereitet hat.

Denn er hätte sie nie und nimmer für ein Mädchen aus einem Saloon gehalten, für eine Frau, die in den Saloons singt und tanzt.

Er führt sie hinein. Und drinnen ist es leer bis auf einen Barmann und einen anderen Mann, der Billard spielt. Dieser Billardspieler ist dunkel gekleidet und trägt ein weißes Hemd mit einer seidenen Krawatte. Er kommt schnell herbei und fragt: »Debby, was ist mit dir? Warum hängst du am Arm dieses Mannes und …«

»Nur den Fuß verknackst«, sagt sie. »Du kannst mich die Treppe hinauf auf mein Zimmer tragen, Bruder. Und mach schnell, damit ich den Schuh vom Fuß bekomme.«

Der Mann, den sie Bruder nannte, handelt schnell. Er nimmt die Schwester auf die Arme, und man kann ihm ansehen, dass er, obwohl er so schlank wirkt, über große Körperkraft verfügt.

Adam Lee steht mit den Paketen und dem Einkaufskorb ratlos da, bis er das Mädchen sagen hört: »Kommen Sie mit, Mister Lee! Bringen Sie all das Zeug bitte herauf!«

Und da folgt er den Geschwistern. Als er dann zögernd ihr Zimmer betritt, ist er angenehm überrascht. Denn dieses Zimmer gleicht eher einem Jungmädchenzimmer als dem einer Frau, die in den Saloons ihren Lebensunterhalt verdient.

Er tritt an den Tisch, legt die Pakete ab und stellt den Korb auf einen Stuhl.

Indes hat Deborah Starke mithilfe ihres Bruders den Schuh ausgezogen.

»Aaah, jetzt ist es schon besser«, sagt sie. »Ich werde kühle Umschläge und dann einen Bandagenverband machen. Und dann wird es wieder gehen. Ich danke Ihnen sehr, Adam Lee. Und Sie werden einen Ehrenplatz in der Loge bekommen, wenn Sie heute meine Vorstellung besuchen. Wissen Sie, ich gebe jeden Monat einmal solch einen Abend. Ach, ich vergaß ganz, die Gentlemen einander vorzustellen. Dies ist mein Bruder Chip. Ihm und mir gehört dieser Saloon. Chip, dies ist Adam Lee, der …«

»Ich weiß schon«, sagt Chip Starke und verbeugt sich leicht. Er hat dunkles Haar, welches an den Schläfen grausilbern ist. Sein schmales Gesicht ist beherrscht, und seine Augen sind grau. Er ist sorgfältig und geschmackvoll gekleidet, doch man sieht ihm an, dass er ein Spieler ist – oder war.

»Wir sind Ihnen zu Dank verpflichtet, Mister Lee«, sagt er höflich. »Wenn Sie länger in dieser Stadt bleiben, werden wir sicherlich Gelegenheit finden, Ihnen Ihre Freundlichkeit vergelten zu können.«

Nach diesen Worten geht er zur Tür und ruft über die Schulter zurück: »Ich schicke dir auf jeden Fall den Doc hinauf, Debby.«

Er geht schnell die Treppe hinunter. Adam Lee verbeugt sich in Starkes Richtung und blickt dann wieder auf sie nieder. Sie liegt auf einem breiten Sofa und hat den bloßen Fuß ausgestreckt. Es ist ein sehr kleiner Fuß, wie Adam sehen kann.

Sie betrachtet ihn auf eine nachdenkliche Art. »Großer Mann«, sagt sie zu ihm, »Sie wirken ziemlich ratlos und verwirrt. Passt es Ihnen nicht, was ich zu Ihnen in Bezug auf Wild Jim Denver sagte? Oder konnten Sie immer noch nicht richtig schlucken, dass ich die Mitbesitzerin eines Saloons bin und jeden Monat einmal für einen Haufen Geld singe und tanze?«

»Sie sind ein sehr bemerkenswertes Geschöpf«, sagt er. »Sie haben eine ziemlich scharfe Zunge und können einem Mann ziemlich schlimm zusetzen. Dazu kommt, dass Sie überaus erfreulich anzusehen sind und einem Mann sehr begehrenswert erscheinen. Vielleicht bin ich wirklich ratlos und verwirrt.«

Er nickt ihr zu und lächelt dann. Dieses Lächeln lässt ihn jungenhaft erscheinen.

»Auf jeden Fall will ich Sie im Rollstuhl sitzen sehen und singen hören, bevor ich aus dieser Stadt reite«, sagt er und geht hinaus.

Als er nach unten kommt, steht Chip Starke am Schanktisch und hat eine Flasche und zwei Gläser neben sich.

»Ich möchte Sie zu einem Drink einladen, Mister Lee«, sagt er sanft. Adam Lee nickt, tritt zu ihm und wartet wortlos, bis Chip Starke eingeschenkt hat.

Sie blicken sich an, als sie die Gläser heben und einander stumm zuprosten. Es ist plötzlich ein wortloses Einverständnis und eine stillschweigende Übereinkunft in ihnen. Sie verstehen sich plötzlich, obwohl sie kaum ein Wort miteinander sprachen.

Sie haben viel Gemeinsames, und das erkannten sie.

Adam Lee sagt: »Es war ein guter Drink, und es war mir eine Freude.«

»Ganz auf meiner Seite«, erwidert Chip Starke. Er sieht dann zu, wie Adam Lee hinausgeht.

Der Barmann schiebt sich heran, um die Gläser wegzuräumen. Chip Starke blickt den Barmann an und sagt sanft: »Wenn Adam Lee einmal Verdruss bekommen sollte – hier in diesem Saloon bekommt er Hilfe.«

»Auch gegen …«, beginnt der Barmann und verstummt dann, so als zögerte er, Namen zu nennen.

»Gegen jede Bedrohung«, sagt Chip Starke knapp.

☆☆☆

Adam Lee isst zu Mittag.

Dann geht er in sein Hotel. Als er bald darauf sein Zimmer betritt, wird er sich sofort darüber klar, dass man sein Gepäck durchsucht hat. Besonders in seinem Bündel, welches er hinter dem Sattel festgeschnallt mitführte, ist alles durcheinander.

Und sein Fernrohr fehlt.

Es ist verschwunden, weg, fort!

Adam Lee legt sich aufs Bett und denkt darüber nach. Nein, er glaubt nicht, dass ein Dieb in seinem Zimmer war, der sich persönlich bereichern wollte.

Das Verschwinden des Fernrohrs hat eine andere Bewandtnis.

Vielleicht wurde er in der Nacht dabei beobachtet, wie er mit dem Fernrohr aus dem Fenster hinüber zur Felswand spähte. Vielleicht fürchten gewisse Leute, dass er Behauptungen aufstellen und von seinen Beobachtungen erzählen oder berichten könnte. Doch diese Beobachtungen kann er nur dann glaubhaft machen, wenn er beweisen kann, dass er ein Fernrohr besitzt.

Und diesen Beweis kann er nun nicht mehr antreten.

Adam Lee liegt still da und begreift ganz klar, warum man ihm das Fernrohr stahl. Und da weiß er auch, wie gefährlich sein weiteres Verbleiben in dieser Stadt wird.

Ja, es wäre gut für ihn, wenn er sich auf sein Pferd setzen und sehr weit reiten würde. Denn er wurde immerhin Zeuge eines Verstoßes gegen die Bundesgesetze. Ein Fluss wurde versperrt. Es ist genauso, als wäre der Bahndamm einer wichtigen Eisenbahnlinie gesprengt worden und dann ein Zug entgleist, wobei es viele Tote gab.

Doch die Welt glaubt noch, es wäre eine durch ein Naturereignis hervorgerufene Katastrophe. Er aber weiß es besser. Und einige harte Burschen vermuten oder konnten es sich ausrechnen, dass er etwas weiß.

Er ist wahrhaftig in Gefahr. Er müsste schnell verschwinden.

Doch da sind einige Dinge, die ihn daran hindern, sich auf sein Pferd zu setzen und zu reiten.

Da ist das Mädchen Deborah Starke.

Er spürt ganz deutlich, dass er, wenn er jetzt fortritte, immer wieder das Gefühl bekäme, hier in River Bend City eine große Chance verpasst zu haben. Er glaubt, dass es ihm wie einem Mann ergehen würde, der blind an seinem Glück vorbeigeritten ist.

Doch nicht nur der Gedanke an Deborah Starke hält ihn hier.

Da ist noch Wild Jim Denver, den er verwundet hat und der nie wieder ein schneller Revolverschwinger sein wird. Er hat nun begriffen, dass er diesen wilden Jungen wehrlos der Meute seiner Feinde ausgeliefert hat. Und wenn Wild Jim Denver auch nichts getaugt hat und vielleicht auch nie etwas taugen wird, so wäre er nun doch schuldig daran, dass ein noch schlechterer Bursche sich an Jim vergreift.

Adam Lee spürt auch aus diesem Grunde, dass er nicht so schnell fortreiten kann. Aber dann wird er sich hier mit einigen Leuten auseinander setzen müssen.

Er denkt noch einige Sekunden lang darüber nach.

Und dann ist er entschlossen und bereit.

Er öffnet die Tür und brüllt laut nach dem Hausneger und dem Hotelmanager. Er macht einen ziemlichen Lärm, und einige andere Zimmer werden geöffnet. Männerköpfe und der einer älteren Frau blicken auf den Korridor.

Doch dann kommen der Schwarze und der Hotelmanager, so als hätten sie schon darauf gewartet, gerufen zu werden.

Adam nimmt sie ins Zimmer, schließt die Tür und fragt dann hart: »Also, mein Gepäck ist durchwühlt worden. Ich wurde bestohlen. Dort in diesem Bündel war ein gutes Fernrohr. Jetzt ist es fort. Wer war in meinem Zimmer?«

Sein scharfer Blick lässt die beiden Männer nicht mehr los. Der Schwarze Bill Washington zuckt bedauernd mit den breiten Schultern, rollt seine Augen und sagt empört: »Noch nie wurde bei uns einem Gast etwas gestohlen. Aber ich kann nichts sagen. Ich habe den ganzen Tag hinter dem großen Schuppen Holz für den langen Winter gehackt. Ich …«

»Schon gut«, sagt der Manager. Es ist jener Robson, der auch in der Halle die Anmeldungen vornimmt und der Marcus Poe die Ankunft von Adam Lee meldete, weil ihm dieser Gast so bemerkenswert erschienen war.

»Es ist gut, Bill«, wiederholt er und blickt Adam an. »Ich glaube nicht, dass dieses Zimmer durchsucht und aus Ihrem Gepäck etwas gestohlen worden ist, Mister«, sagt er schrill. »Dies ist vielleicht ein neuer Trick, um einem Hotel keine Rechnung bezahlen zu brauchen. Wenn Ihnen etwas gestohlen wurde, dann gehen Sie zum Town Marshal und erstatten Sie Anzeige. Der Marshal wird die Sache dann nachprüfen. Und brüllen Sie bitte nicht noch einmal in diesem Hotel herum, sonst muss ich Sie darum bitten, auszuziehen. Es ist ein ruhiges und vornehmes Hotel, das beste am Platze. Unsere Gäste haben Anspruch darauf, nicht gestört zu werden.«

Nach diesen Worten wendet er sich ab und geht hinaus. Er schließt sorgfältig und mit kalter Höflichkeit die Tür.

Adam Lee grinst. Nun weiß er schon mehr. Und noch etwas ist ihm klar. Die Bande will ihn ins Stadthaus und ins Marshal’s Office locken. Er soll zum Marshal gehen und dort Anzeige machen.

Er fragt sich, wie rau sie werden wollen und wie wenig sie sich um Recht und Gesetz kümmern. Er fragt sich, ob sie wenigstens den Schein wahren würden oder es ganz offensichtlich wie eine Banditenbande machen würden.

Denn Banditen und Mörder sind es.

Sie haben ihm ein gutes Fernrohr gestohlen, für das er einmal mehr als zweihundert Dollar zahlte. Sie glauben, mit ihm auf die raue Art umspringen zu können.

Nun, er wird es der Bande zeigen. Er wird ihr klarmachen, dass es besser ist, ihn in Frieden zu lassen.

Er greift in die Tasche und holt einen kleinen Colt-Derringer hervor. Es ist eine jener kleinen und doppelläufigen Waffen, wie sie die Spieler bevorzugen, und die man leicht in einer Hand verstecken kann, die sich sogar in einer großen Westentasche unterbringen lassen.

Adam Lee nimmt seinen Hut ab, legt sich die Waffe auf den Kopf und setzt den Hut wieder auf.

☆☆☆

Marshal Edson Harrington sitzt hinter dem Schreibtisch und liest bei gelbem Lampenschein in einer Zeitung. Die Tür steht offen. Als Adam Lee eintritt, hebt der Marshal langsam den Kopf und senkt die Zeitung.

Aber als Adam Lee an dem nach innen offen stehenden Torflügel vorbei ist, tritt hinter diesem Torflügel ein Mann hervor und stößt ihm die Revolvermündung in den Rücken. Zugleich gibt der Mann der Tür mit dem Fuß einen Tritt, sodass sie zufällt.

Adam Lee steht ganz still und hebt leicht die Hände. Dabei fragt er scheinbar wütend: »Was soll das? Macht ihr das mit jedem Besucher?«

Der Mann hinter ihm nimmt ihm den Revolver aus dem Holster. Und als dies geschehen ist, kommt der Marshal hinter dem Schreibtisch hervor, tritt zu ihm und untersucht wortlos seine Kleidung.

Er findet nur noch ein großes Klappmesser, und er wirft es auf den Tisch. Sonst findet er keine weiteren Waffen, weil er nicht unter Adam Lees Hut blickt.

Lee blickt über die Schulter auf den Mann. Er erkennt, dass es kein wichtiger Mann ist, nur einer jener Burschen, die hier für die großen Männer die Handlanger sind. Sicherlich ist dieser Bursche ein Deputy Marshal.

Aber was heißt hier Marshal oder Deputy Marshal – die Stadt wird von Leuten geleitet, die in Wirklichkeit Banditen sind und sich hier festgesetzt haben, weil sie die Möglichkeit für ein großes Geschäft erkannten.

»Was soll das?«, fragt Adam Lee noch einmal. Doch er bekommt immer noch keine Antwort. Der Mann hinter ihm verstärkt vielmehr den Druck seiner Waffe gegen Adams Rücken und sagt hart: »Vorwärts! Dort durch den Durchgang in den Zellenraum. Vorwärts!«

Adam Lee gehorcht. Der Zellenraum besteht aus vier Gitterkäfigen, in denen es je eine Holzpritsche gibt. Vor den Gitterzellen gibt es einen Vorraum.

Und hier sitzt Fess Ballard an einem Tisch. Er nickt leicht, deutet auf einen Stuhl und sagt: »Nun werden wir uns mal unterhalten. Warum sind Sie hergekommen – ich meine, hier in das Office? Aber Sie werden mir auch sagen, warum Sie in die Stadt kamen. Und was haben Sie mit Ihrem Fernrohr gesehen? Sie wurden beobachtet, als Sie mit dem Fernrohr aus dem Fenster Ihres Zimmers zum Fluss spähten. Mister, ich will wissen, wer Sie sind, warum Sie in unsere Stadt kamen, was Sie hier wollen und was Sie gestern Nacht gesehen haben. Also, fangen Sie an!«

Adam Lee setzt sich langsam. Der Mann, der hinter ihm stand, tritt zur Seite und steckt seinen Revolver ins Holster.

Adam Lee nimmt seinen Hut ab, legt ihn auf die Knie und wischt sich mit dem linken Handrücken Schweiß aus der Stirn.

»Es ist ganz einfach«, sagt er. »Ich habe durch Zufall mal das Gespräch zweier Dampfboot-Kapitäne belauschen können. Es ist schon viele Wochen her. Die beiden Flussschiffer erzählten sich von einer Felswand, die eines Tages in den Fluss stürzen könnte. Mich interessierte das sehr, doch ich war noch in bestimmten Geschäften tätig und unabkömmlich. Aber vor einiger Zeit begann ich nach Westen zu reiten. Als ich dann den Namen dieser Stadt hörte, erinnerte ich mich wieder an die Geschichte. Ich kam her, um mir die Felswand anzusehen. Es traf sich auch gut, dass man mir im Hotel ein Zimmer zuwies, von dem ich über den Fluss blicken konnte. Nun, dann kam das Gewitter. Als es vorbei war, war die Felswand in den Fluss gestürzt. Ich bin also zur rechten Zeit gekommen. Wissen Sie, ich bin ein Spieler. Ich bin gern in einer Stadt, in der es sehr lebendig ist und wo der Dollar lustig rollt. Ich glaube, dass dies hier noch eine Stadt werden wird. Und ich möchte mir daher in einem Saloon einen Spieltisch mieten und mein Glück versuchen. Ich hätte auch gern mein Fernrohr zurück. Ich gewann es vor einiger Zeit von einem Spieler, der kein Geld mehr hatte. Was wünschen Sie sonst noch, Gentlemen?«

Fess Ballard betrachtet ihn lange. »Ein Spieler, ein Kartenhai?«, fragt er ungläubig und spöttisch.

Der Marshal aber, der inzwischen Adam Lees Brieftasche durchgesehen hat, die er ihm mit dem Geldbeutel und dem Klappmesser abgenommen hat, meldet jetzt: »Er hat mehr als dreitausend Dollar in bar und ein Scheckheft auf die Bank in Kansas City bei sich. Er hat auch einen richtigen Ausweis, ausgestellt in Texas. Die Kennzeichen stimmen.«

»Er ist aalglatt und schlau«, murmelt Fess Ballard. Und er öffnet eine Schublade des Tisches. Er holt ein beschriebenes Blatt Papier hervor und schiebt es Adam Lee zu.

»Unterschreiben Sie das«, sagt er.

Adam Lee liest die Worte: »Auf nochmaliges und eindringliches Befragen durch den Marshal bekenne ich hiermit, dass ich niemals ein Fernrohr besessen habe und mir deshalb ein solches nicht abhanden gekommen sein kann.«

Adam Lee nickt und blickt Fess Ballard an.

»Wir verstehen uns gut, nicht wahr?«, fragt dieser.

»Und wenn ich das nicht unterschreibe?«, fragt Adam leise.

Da grinsen sie ihn alle drei an. »Wir sperren dich ein, mein Junge«, sagt der Marshal. »Ich verhafte dich, weil du Jim Denver niedergeschossen hast. Wir lassen dich in einer dieser Zellen schmoren.«

»Das werdet ihr nicht!«, murmelt Adam Lee und holt mit einer Handbewegung, die ganz schnell und fast unauffällig gemacht wird, den kleinen Colt-Derringer hervor. Er richtet ihn auf Fess Ballard und sagt kalt: »Wenn jemand von euch auch nur eine unerlaubte Bewegung macht, dann bekommen Sie es, Mister.«

Fess Ballard macht nur den Ansatz zu einer Bewegung, doch dann lässt er es bleiben. Er weiß zu gut, dass er einen zumindest ebenbürtigen Mann vor sich hat. Und wenn solch ein Mann erst einmal eine Waffe schussbereit in der Hand hat, dann gibt es keine Chance mehr, den eigenen Colt zu ziehen und etwas zu wagen. Nein, dann ist keine Aussicht mehr auf Erfolg.

Aber er wendet den Kopf und blickt den Marshal an. »Ich verließ mich darauf, dass ihr ihn durchsucht und ihm alle Waffen abgenommen habt«, sagt er mit böser Sanftheit.

Dann blickt er Adam Lee wieder an und wartet. Er sagt nichts mehr. Er sitzt nur da und wartet. Doch seine Kinnwinkel wirken verkrampft. Er atmet hörbar durch die Nase, und es klingt einige Male wie ein Stöhnen. Unter seiner dunklen Haut wirkt er bleich.

Adam Lee weiß, was in Fess Ballard ist, er weiß es gut. Er hat diesen Mann, der einer der ganz großen Revolvermänner ist und der einen scharfen Verstand und einen durch nichts zu überwindenden Stolz besitzt, wie einen dummen Jungen reingelegt.

Solch eine Niederlage kann ein Mann wie Fess Ballard nicht hinnehmen, denn er lebt von seinem Revolver. Jetzt erlitt sein Prestige einen schlimmen Schlag.

Adam Lee behält nur Fess Ballard im Auge. Er kümmert sich überhaupt nicht um die beiden anderen Männer.

»Sagen Sie es Ihnen, Mister«, sagt er zu Fess Ballard, und der weiß genau was gemeint ist. Er wendet sich an die anderen: »Tut nur, was er sagt. Riskiert nichts, denn sonst schießt er mich tot. Habt ihr verstanden?«

Er fragt es knirschend.

»Dieser Hundesohn«, sagt Marshal Edson Harrington keuchend. »Wer konnte auch vermuten, dass er unter dem Hut eine Waffe verborgen trägt? Das ist doch unbequem, nicht wahr? Wer trägt denn schon eine Waffe unter dem Hut?«

Adam Lee macht es nun sehr kurz. Er sagt knapp: »Schnallt die Waffengürtel los und lasst sie einfach fallen. Auch Sie, Mister! Sie dürfen sich zu diesem Zweck erheben.«

Seine letzten Worte gelten Fess Ballard, und dieser gehorcht wortlos. Doch nun ganz deutlich erkennbar am ganzen Körper zitternd wie ein schwarzer Panther, den eine fremde Hand berührt und der nichts dagegen tun kann, weil er gefesselt ist.

Ballard löst seinen Waffengurt, lässt ihn zu Boden fallen und tritt zurück.

Nun folgen die beiden anderen Männer seinem Beispiel.

»Wir werden Sie erwischen, Lee«, sagt der Marshal schwer. »Wir werden Ihnen das zurückzahlen. Sie können gar nicht so schnell aus dieser Stadt und aus diesem Land entkommen, als dass wir es Ihnen nicht …«

»Ich reite gar nicht aus dieser Stadt und schon gar nicht aus diesem Land«, erwidert Adam Lee sanft. »Ich erteile euch jetzt eine sanfte Lektion. Ihr sollt begreifen, dass man mich in Frieden lassen muss. Wenn ihr es noch einmal wagt, auf mich loszugehen, dann werde ich richtig rau. Dann wird geschossen! Und ich schieße recht gut!«

Er deutet auf eine der Zellen.

»Da hinein mit euch!«, sagt er.

»Das können Sie nicht tun, Sie Bastard«, ächzt der Marshal.

»Ich kann«, sagt Adam Lee. »Und es ist vielleicht nur ein Vorgeschmack. Vielleicht wird euer ganzer Verein eines Tages für viele Jahre in solchen Käfigen sitzen. Und vielleicht wird man einige von euch Burschen sogar aufknüpfen. Hinein mit euch!«

Sie atmen nun hörbar. Sie keuchen richtig. Und sie starren ihn an, als wollten sie sich auf ihn stürzen.

»Ich habe zwei Kugeln«, sagt er zu ihnen. »Und ich wette mit euch, dass nur einer von euch heil bleiben würde. Ihr spielt hier ein hartes und raues Spiel. Doch darauf verstehe ich mich auch. Vorwärts!«

Das letzte Wort ruft er so scharf, dass sie sogar leicht zusammenzucken, denn zuvor sprach er sanft und leise.

Fess Ballard gehorcht plötzlich. Er bewegt sich und tritt in die bezeichnete Zelle. Er geht dort bis zu der Holzpritsche, setzt sich und legt seine Hände auf die Knie.

»Kommt herein, ihr Dummköpfe«, sagt er zu den beiden anderen Männern. »Kommt herein und haltet den Mund. Wir haben verloren. Doch wenn ich wieder frei bin und meinen Revolver habe, dann wird mir dieser Mister Genugtuung geben.«