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G.F. Unger ist der erfolgreichste deutschsprachige Western-Autor. Mit einer Rekordauflage von über 250 Millionen Exemplaren gehört er zur internationalen Spitzenklasse der Spannungsliteratur. Und das zu Recht!
Niemand vermag es wie er, die unermesslichen Weiten des amerikanischen Westens und die Stärke der unerschrockenen Männer, die sie erschlossen, zu beschreiben. Erleben Sie den amerikanischen "Wilden Westen", wie nur G.F. Unger ihn schildern kann: hart, authentisch, leidenschaftlich.
Dieser Sammelband enthält die Folgen 2491 bis 2493:
Der Inhalt dieses Sammelbands entspricht ca. 192 Taschenbuchseiten.
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Seitenzahl: 470
Veröffentlichungsjahr: 2022
BASTEI LÜBBE AG
Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben
Für die Originalausgaben:
Copyright © 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Für diese Ausgabe:
Copyright © 2022 by Bastei Lübbe AG, Köln
Covermotiv: © Faba/Norma
ISBN: 978-3-7517-3007-5
www.bastei.de
www.luebbe.de
www.lesejury.de
Cover
Titel
Impressum
Inhalt
G. F. Unger Western-Bestseller 2491
Sein Name ist Fess Mackay
G. F. Unger Western-Bestseller 2492
Titanenfehde
G. F. Unger Western-Bestseller 2493
Black Jack
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Contents
Sein Name ist Fess Mackay
Als Pancake-Jordan den Hof der Schmiede verlässt, da glaubt er, eine Stunde Zeit zu haben. Denn genau in einer Stunde will der Schmied den Küchenwagen, der völlig neue Räder bekam, fertig haben.
Pancake-Jordan schnalzt mit der Zunge und überlegt, wie viel Glas Whisky er wohl trinken könnte, ohne betrunken zu werden. Aber er unterbricht seine Gedanken, denn ein Mann, der an der Ecke des Saloons lehnt und an einem Zahnstocher kaut, sagt zu ihm: »Halt, nicht so schnell, Freund Jordan! Bleib stehen und gib mir deinen Tabaksbeutel. Es soll so aussehen, als hätte ich dich um Tabak angebettelt. Also, Jordan!«
Die beiden letzten Worte kommen zwar sanft, doch sie sind ein präziser Befehl für Pancake-Jordan, weil dieser in die Augen des Sprechers blickt und darin mehr erkennen kann, als es die Worte und der Klang der Stimme ausdrücken.
Denn inzwischen hat Pancake-Jordan den Mann erkannt, und er ist sehr erschrocken und hat plötzlich ein flaues Gefühl in der Magengegend. Es ist ihm, als erblasste er, und dann spürt er, wie er zu schwitzen beginnt.
»Heiliger Rauch«, ächzt er, »Sie sind doch wohl nicht hinter mir her, Mister ...«
»Keine Namen, Jordan«, sagt der Mann. »Und ich bin nicht hinter dir her, obwohl ich mir doch tausend Dollar verdienen könnte, brächte ich dich zum nächsten Marshal. Gib mir endlich deinen Tabak, damit wir uns, indes ich mir eine Zigarette drehe, unauffällig unterhalten können. Und zum Schluss wirst du mir einen Dollar schenken, damit es richtig aussieht, als hätte ich dich angebettelt.«
Pancake-Jordan, der unter einem anderen Namen vom Gesetz gesucht wird, gehorcht. Und er betrachtet sein Gegenüber noch einmal sehr vorsichtig und forschend.
Der Mann wirkt sehr abgerissen, unrasiert und ganz heruntergekommen.
Doch Pancake-Jordan weiß, dass dies alles nicht sein kann. Ein Mann wie dieser hier – nun, der kommt nicht so herunter, dass man ihn für einen Tramp halten muss.
Nein, hier sind andere Dinge im Spiel. Und überdies ist Pancake-Jordan sicher, dass der Mann irgendwo unter der abgerissenen Kleidung seinen Revolver trägt.
Und dieser Revolver! Oh, Pancake-Jordan möchte nicht an diesen Revolver denken. Denn er sah ihn einmal in Tätigkeit, damals in ...
Aber Pancake-Jordan hört den Mann, der seinen Namen nicht genannt haben möchte, nun knapp sagen: »Du bist doch Koch bei der CC-Treibherde, nicht wahr? Nun, diesen Job gibst du sofort auf und verschwindest wie der Blitz. Hast du verstanden, Jordan?«
Der hat genau verstanden, und für einen Moment hat er den Wunsch, gegen diesen Befehl zu protestieren. Doch dann erinnert er sich rechtzeitig wieder daran, dass es hier in Dodge City bestimmt einen US Deputy Marshal gibt, der sich seiner annehmen würde.
»Es ist ein guter Job«, würgt er hervor. »Ich verdiene fünfzig im Monat und ...«
»Und ich verzichte auf die auf dich ausgesetzte Belohnung von tausend Dollar«, spricht der Mann sanft und reicht ihm den Tabaksbeutel zurück.
Pancake-Jordan blickt in die Augen des Mannes. Es sind kühle, ruhige und rauchgraue Augen.
Grau wie Pulverrauch – wie Kugelblei – oder wie ein Nebelmorgen an einem Fluss, so denkt Pancake-Jordan und fröstelt nun, nachdem ihm heiß geworden ist.
»Ich gehorche«, sagt er heiser. »Aber ich hätte nie geglaubt, dass Sie mich mal so erpressen würden. Das tut kein feiner Mann, Sir.«
»Nein! Doch ich bin kein feiner Mann, Jordan. Ich bin hinter dem Burschen her, der in Fort Worth meinen Bruder überfiel, ihn tötete und beraubte. Ich bin kein feiner Mann, wenn ich einen Raubmörder überführen will.«
»Ach so«, sagt Pancake-Jordan erschrocken. Und er weiß von diesem Moment an, dass sein Gegenüber diesmal besonders scharf und unerbittlich ist.
Und das ist für einen Mann wie Pancake-Jordan Grund genug, um aufzugeben.
Er nickt sofort heftig und sagt: »In Ordnung, Mister! Ich gehe von hier aus zum Bahnhof und verkrieche mich in dem ersten Güterwagen, der mir ein Versteck bieten kann. In Ordnung!«
Damit macht er auf dem Absatz kehrt und geht eilig davon.
Und jener Mann, der nun von seinem Tabak eine Zigarette raucht und von ihm einen Dollar erhielt, blickt ihm ruhig nach. Dann geht er langsam zur Schmiede zurück, von der Pancake-Jordan gekommen war.
Sein Name ist Fess Mackay.
Und es gibt nicht wenige Geschichten über ihn und seine Revolverkämpfe. Denn er ist ein berufsmäßiger Revolvermann, kein gewöhnlicher, nein! Sein Name ist Fess Mackay!
✰✰✰
Es ist schon Nacht, als Fess Mackay das Herdencamp erreicht und den Wagen dicht beim Feuer anhält.
Das Camp liegt an einem Bach, und die Mannschaft der Herde, die heute keinen Urlaub mehr bekam und aufgewärmtes Essen zum Abendbrot erhielt, weil der Koch mit dem Küchenwagen in der Stadt war, hockt mürrisch um das große Feuer.
Irgendwo dort draußen in der Nacht ruht die große Herde.
Als Fess Mackay vom Fahrersitz klettert, richten sich einige Blicke auf ihn. Und dann fragt eine Stimme gedehnt: »Nanu, das ist ja gar nicht unser Bauchbetrüger. Was ist das denn für'n Vogel?«
Nun werden alle Männer am Feuer aufmerksam. Und aus der Dunkelheit tritt noch ein Mann an den Lichtkreis des Feuers.
»He, wer bist du?«, fragt eine Stimme.
»Vielleicht der neue Koch«, erwidert Fess Mackay schlicht. »Pancake-Jordan musste plötzlich verreisen und nahm den ersten Güterzug. Er lässt euch durch mich schöne Grüße bestellen und schickt mich als seinen Vertreter und Nachfolger. Doch das liegt bei euch, nicht wahr? Da ich einen Job suche ...«
»Wie ist Ihr Name?« Es ist eine kühle und unpersönliche Stimme, die ihn unterbricht, und sie gehört jenem Mann, der aus der Dunkelheit bis an den Lichtkreis des Feuers trat.
Es ist ein mittelgroßer und auf den ersten Blick ziemlich unscheinbar wirkender Mann.
Doch er trägt zwei Revolver tief auf die Oberschenkel geschnallt. Er ist sehr dunkel gekleidet, und seine Hose steckt in glänzenden Maßstiefeln aus weichem Leder. Der Hut beschattet sein Gesicht. Man sieht nur sein dreieckiges Kinn und seine hellen Augen.
»Ich bin Bill Baker, und ich bin der beste Koch, den ihr für Pancake-Jordan bekommen könnt. Für sechzig Dollar koche ich für diese Mannschaft, auch wenn es so lange regnet, dass ...«
»Es wird sich finden«, unterbricht ihn der Mann wieder. »Wir werden das morgen nach dem Frühstück klären, das Sie uns machen, Bill Baker. Der Boss und seine Partnerin sind in der Stadt und kommen erst morgen, wenn die Herde aufbricht. Sie können uns aber ein Probefrühstück machen. Und dann werden wir sehen. Warum musste Pancake-Jordan so plötzlich verreisen? Seid ihr alte Freunde?«
»Ganz alte Freunde«, sagt Fess Mackay, der sich also nun Bill Baker nennt. »Wir waren während des Krieges als Köche beim Stab von General Lee.«
»Davon hat man bei Pancake-Jordan nicht viel gemerkt«, erklärt der Mann sarkastisch, und dann wartet er offensichtlich auf die Antwort auf den wichtigsten Teil der Frage, die er stellte.
»Warum Jordan so plötzlich verreisen musste?«, dehnt Fess, und er wirkt sehr zögernd und unentschlossen. »Das weiß ich nicht genau«, murmelt er dann. »Doch es muss mit einem US Deputy Marshal zusammenhängen. Mehr kann ich nicht sagen.«
Es war still am Feuer. Nun lachen einige der Männer leise. Eine Stimme sagt trocken: »Ich wusste immer, dass Pancake noch eine Menge andere Dinge auf dem Kasten hatte. Jetzt ist er fort. Und wir hatten uns inzwischen an seinen Schlangenfraß gewöhnt – so sehr gewöhnt, dass wir nun alle in Gefahr sind, wenn dieser Hombre da besser oder auch nur anders kochen sollte als Pancake. Ihr müsst nämlich wissen, Jungs, dass man sich auch an Schlangengift gewöhnen kann, wenn man es regelmäßig und zuerst in nur winzigen Portionen bekommt. Der Körper entwickelt dann Abwehrkräfte, und nach einer gewissen Zeit kann man eine ganze Flasche Schlangengift trinken. Nicht wahr? Und so geht es einer Mannschaft auch, wenn sie einen Koch wie Pancake hat. Sie gewöhnt sich so sehr an seinen Schlangenfraß, dass sie Magenschmerzen bekommt, wenn sie eines Tages wieder ein ordentliches Essen erhält. Das ist die Gefahr, Jungs!«
Einige Stimmen knurren ärgerlich zu diesen Worten, die wie von einem Schulmeister gesprochen vorgetragen wurden.
»Hör nur auf, Caesar, uns wieder verrückt zu machen«, sagt eine Stimme bitter. Aber eine andere Stimme stößt einen freudigen Ruf aus und verkündet dann laut: »Jetzt weiß ich es! Jetzt weiß ich es genau! Ich wurde vor einigen Tagen von einer Klapperschlange gebissen. Oh, ich glaubte wirklich, dass ich nun sterben müsste. Doch dann spürte ich plötzlich ein sehr wohliges Gefühl, etwa so, als wenn ich einen besonders guten Whisky getrunken hätte, der mein Blut so richtig zum Wallen brachte. Und die Klapperschlange blickte mich eine Weile traurig an und starb binnen einer Minute. Ich habe das noch keinem von euch erzählt, weil ihr mich ausgelacht oder gar einen Lügner genannt hättet. Doch nun ist ja alles klar. Pancakes Schlangenfraß hatte mich unempfindlich gemacht. Und ich selbst habe so viel Gift im Blut, dass daran sogar eine Klapperschlange krepierte. Du lieber Vater im Himmel, wie soll das nur enden?«
»Das ist ganz einfach, Sol«, spricht eine Stimme trocken. »Du wirst nun sterben, wenn dich mal ein Kaninchen beißt oder ein Vögelchen in die Nase pickt.«
»Ihr braucht keine Angst zu haben, Gentlemen«, meldet sich Fess freundlich. »Ich verstehe mein Handwerk und weiß genau, wie man eine Texasmannschaft füttern muss. Ihr bekommt genau das richtige Quantum Glas, Stacheldraht, Salzsäure, Seife und Pferdemist ins Essen, das nötig ist, um eure Konstitution in einem erstklassigen Zustand zu halten.«
»Was hat er gesagt?«, fragt eine nörgelnde Stimme. »Kon-konstu-stution«, sagt eine andere Stimme staunend. »Das ist ein gelehrter Mann. Habt ihr das gehört? Er wird das Essen mit schlauen Wörtern würzen. Und so werden wir die Weisheit mit Löffeln fressen und so klug werden wie unser Caesar Gallius, der sogar sagen kann, wie weit es bis zum Mond ist.«
Nun ist es wieder still.
Und Fess steht immer noch neben dem Wagen, den er brachte, und betrachtet dieses harte Rudel.
Ja, sie sind eine hartbeinige Texas-Treibmannschaft, dies kann er sofort erkennen. Er betrachtet sie sehr aufmerksam und forschend, prüft die Gesichter, so gut er es beim Feuerschein vermag, und fragt sich, ob ihn einer vielleicht kennt.
Doch es scheint nicht so zu sein. Auch ist sein Stoppelbart schon sehr stark. Es ist ein starker und blauschwarzer Bart.
Fess Mackay ist ein sehr dunkler Typ. Er ist etwas mehr als mittelgroß und prächtig proportioniert. Doch davon sieht man nichts. Die Kleidung, die er trägt, ist viel zu weit und verbirgt viel von seiner geschmeidigen Art. Er gibt sich auch Mühe, sich etwas plumper zu bewegen. Und er hinkt etwas auf dem linken Bein.
Dies alles lässt ihn hoffen, dass ihn niemand, der ihn vielleicht schon einmal als Marshal sah, als Scout, Wagenzugführer – oder als Captain während des Bürgerkrieges –, wiedererkennt.
Oh, er kennt sich aus mit solchen Treibmannschaften wie dieser da. Dies sind keine einfachen, zahmen Cowboys, die für eine Ranch reiten und ein verhältnismäßig geregeltes Leben führen.
Dies hier sind Herdentreiber, die sich dafür anwerben lassen, eine Rinderherde tausend oder zweitausend Meilen weit zu treiben.
Und damit unterscheiden sie sich von normalen Ranch-Cowboys, wie Segelschiffmatrosen, die um Kap Hoorn nach China segeln, sich von Küstenschiffern unterscheiden.
So ist das.
Dies dort sind die härtesten, zähesten und gewiss auch wildesten Burschen der Texasweide.
Sie sind mit gewöhnlichen Maßstäben einfach nicht zu messen.
Und Fess Mackay weiß das.
Er wendet sich ab, um die beiden Zugtiere auszuspannen. Er bringt sie in den Corral und macht sich dann daran, den Wagen wieder einzuräumen. Er findet unter der Segeltuchplane sehr viel Proviant und allerlei Ausrüstung, Kochgeräte und Geschirr. Diese Mannschaft ist wahrhaftig gut ausgerüstet.
Er findet auch Pancake-Jordans Sauerteigfass, öffnet es und riecht hinein. Und er weiß, dass Pancakes Spezialität unter anderem ist, köstliche Biskuits zu backen, die im Munde zergehen. Pancake war einmal der Koch seiner Kompanie.
Wenn er, Fess Mackay, bei dieser Mannschaft bleiben will, dann muss er sie als Koch zufriedenstellen.
Denn nicht der Boss dieser Herde, sondern die Mannschaft wird die letzte Entscheidung fällen.
Ein Herdenkoch ist nämlich wichtig. Wenn es drei Wochen unterwegs ununterbrochen regnet, dann hängt es zum großen Teil vom Koch ab, wie die Stimmung der Mannschaft ist.
Und von der Stimmung solch einer Mannschaft hängt es ab, ob sie die Herde möglichst ohne Verluste ans Ziel bringt.
Der Koch hat großen Einfluss auf das Stimmungsbarometer solch einer Mannschaft, die aus Individualisten besteht, wie sie reiner nicht sein könnten.
Fess denkt während seiner nächtlichen Arbeit auch oft genug an jenen Mann, der mit ihm sprach und der zwei Revolver trägt. Dieser Mann verschwand wieder jenseits der Lichtgrenze des Feuers in der Nacht. Und er hatte sich zwar nicht vorgestellt, doch weiß Fess genug über ihn. Er hatte sich gründlich genug über diese Mannschaft erkundigt.
Dieser Zweirevolvermann ist kein anderer als Joshua Ringrose, ein harter, schneller und berüchtigter Revolvermann.
Und der Boss ist Lincoln Callahan, ein Mann, der sich als Treibherdenführer auf dem Chisholm Trail einen Namen als Kämpfer machte und im vergangenen Jahr die größte Herde ans Ziel brachte, die jemals von Texas den Chisholm Trail hinaufgezogen war.
Doch die Endstation des Chisholm-Weges ist Dodge City. Hier ist der Verladebahnhof der Kansas-Bahn.
Diese Herde jedoch ging nicht in die Verladecorrals. Sie zog an Dodge City vorbei und lagert nun fünf Meilen nördlich der Treibherdenstadt.
Denn sie will nach Montana.
Und in Montana ...?
Nun, dort suchen zehntausend Goldsucher nach Gold. Und dort braucht man den Winter über Frischfleisch.
Hier in Dodge City erhält man für ein Rind zurzeit zwölf Dollar.
In Montana auf den Goldfeldern aber bringt solch ein Rind zumindest den vierfachen Preis. Im vergangenen Jahr zahlte man für die letzten Rinder bis zu hundert Dollar.
Man muss sie nur mitten durch das Indianerland durchbringen können.
Das ist das Problem. Dann winkt reicher Gewinn.
Fess Mackay weiß das alles.
Doch er hat ein anderes Problem.
Er will den Mörder seines Bruders überführen. Und er will die zehntausend Dollar zurückhaben, die sein Bruder in den Taschen hatte.
Deshalb muss er mit dieser Mannschaft nach Montana.
✰✰✰
Fess hat die ganze Nacht zu tun, bis er all die Dinge im Küchenwagen untergebracht hat und genau Bescheid weiß, was alles vorhanden ist. Die Mannschaft hat sich längst zur Ruhe gelegt. Da und dort tönen einige Schnarchlaute.
Und von der Herde klingt der Gesang der Herdenwächter. Auch die Herde ist ständig zu hören. Es sollen fünftausend Rinder sein, und sie ruhen dort draußen in der Nacht unter den Sternen. Sie bewegen sich, muhen und schnauben manchmal.
Fess hält auch den Kaffee warm. Denn manchmal kommt einer der Herdenwächter ans Feuer, sitzt ab und trinkt einen Becher voll.
Es ist schon lange nach Mitternacht, und die Herdenwächter lösten sich inzwischen ab, als Fess endlich fertig ist und sich für zwei Stunden zur Ruhe legt.
Aber um drei Uhr morgens ist Fess schon wieder auf den Beinen, wie es sich für einen Treibherdenkoch gehört.
Die heruntergeklappte Rückwand des Küchenwagens dient ihm als Küchentisch. Er bestäubt sie mit Mehl und holt den Sauerteig aus dem Fass. Er formt kleine Bällchen, bestreicht sie mit Schweineschmalz und legt sie in den Holländer-Ofen, der nichts anderes ist als eine große eiserne Bratschüssel mit einem schweren Deckel, in dem man, dreht man ihn um, ebenfalls etwas braten kann.
Er macht ein zweites Feuer an, wartet, bis richtig Glut vorhanden ist, und stellt den Holländer-Ofen in diese Glut.
Inzwischen holte Fess das Fleisch von einem nahen Baum, wo es hing. Denn man hatte gestern Nachmittag ein Kalb geschlachtet.
Er zerlegt es und beginnt wenig später die Steaks zu schneiden. Er klopft sie mürbe und wirft sie dann nacheinander in das Fett der großen Pfannen, die nun ebenfalls auf der Glut stehen.
Fess bekommt immer mehr alle Hände voll zu tun. Er öffnet nun Konservendosen, in denen sich grüne Bohnen befinden. Und er bereitet eine köstliche Soße. Eine andere Schüssel füllt er mit Ahorn-Sirup und tut einige Handvoll Dörrobst hinein.
Und immer wieder erledigt er zwischendurch eine Menge anderer Arbeiten, kocht frischen Kaffee, spart beim Essen nicht mit den Gewürzen und nimmt die Sauerteig-Biskuits heraus.
Im Osten zeigt sich der erste graue Schimmer des nahenden Tages, als er über das Camp zu rufen beginnt: »Hooohooo, die letzten hundert Yards! Hooohooo, die letzten hundert Yards!«
Er ruft es nur halblaut, und es bedeutet, dass die Männer noch etwa so lange schlafen können, wie man braucht, um hundert Yards zu laufen. Es ist gewissermaßen eine Art Vorwarnung, dass gleich geweckt werden wird.
Ein nobler und vornehmer Koch geht auf diese rücksichtsvolle Art mit seiner Mannschaft um und erschreckt sie nicht sofort mit einem wilden und schrecklichen Gebrüll, sodass sie womöglich keine Zeit mehr haben, schöne Träume befriedigend abzubrechen.
Aber dann gibt er es ihnen. Seine Stimme ist scharf und präzise.
Er ruft: »Hoch die müden Leiber, hoch, hoch, Jungs! Zum Teufel mit dem Treiber, der auf die Sonne wartet! Na, hoch, hoch die Leiber! Seht nach eurer Herde! Aus allen Kühen wurden schöne Weiber! Seht es euch an, Jungs! Hoch die Leiber!«
Er unterbricht sich nur so lange, wie er Luft holen muss.
Dann geht es weiter: »Gleich ist die Sonne da, und ich werfe alles fort, was ich für euch kochte! Riecht ihr den Kaffee? Riecht ihr die Steaks? Und es gibt grüne Bohnen, frische Biskuits mit Sirup! Hoiii, wer will es nicht haben? Ich schütte es fort, einfach fort!«
Seine drängende und drohende Stimme jagt sie alle hoch. Sie fluchen und murren. Doch sie kommen verhältnismäßig schnell hoch, und sie stolpern zum Creek, um sich Gesichter und Haare mit kaltem Wasser zu waschen.
Sie packen ihre Bündel und holen sich die Pferde aus der Remuda, die der Pferdewächter herbeitreibt. Sie satteln ihre Tiere und lassen sie stehen.
Denn nun können sie zum Frühstück kommen. Wenn sie mit allen Vorbereitungen fertig sind, sodass sie nach dem Frühstück nur noch in den Sattel klettern müssen, um losreiten zu können, dann bekommen sie das Frühstück.
Und Fess machte schon die ersten Portionen fertig. Sie kommen mürrisch, noch müde und reizbar. Sie haben sich schon mit den Tieren herumärgern müssen, die sich nur ungern satteln ließen und lieber bei der Remuda geblieben wären.
Und die Sonne ist noch längst nicht da. Es ist die erste graue Stunde, da das Nachtgetier zur Ruhe geht und die Tiere des Tages noch nicht erwacht sind.
Sie trinken den Kaffee, der stark und dick ist, schwarz und bitter.
Sie essen die Biskuits mit dem Sirup und den Früchten.
Und dann werden sie erst richtig wach und hungrig und fallen über die Steaks und die Bohnen her, über die Soße und die Bratkartoffeln, die Fess ihnen noch einmal aufwärmte und gut würzte.
Sie kauen und schlingen, und weil sie nichts sagen, ist es klar, dass sie zufrieden sind.
Erst als sie fertig sind, sagt eine Stimme: »Nun, Jungs, ich denke, dass wir uns an seinen Fraß gewöhnen werden. Ich glaube nicht, dass er so schlecht kocht, dass er uns umbringen wird.«
Es tönen zustimmende Worte oder nur Brummtöne. Und dann stolpern sie sporenklirrend zu ihren Pferden, sitzen auf und reiten zur Herde hinüber.
Fess stellt die Portionen für die Herdenwache zurecht, die nun abgelöst wird und bald kommen wird.
Als er einmal aufblickt, sieht er den Revolvermann Joshua Ringrose von der anderen Seite des Camps auftauchen. Dort drüben steht ein Planwagen, wie ihn auch die Auswanderer benutzen, wenn sie mit ihren Familien unterwegs sind.
Ringrose kommt nun zum Kochwagen, und da er noch nicht sein Frühstück bekam, bedient Fess ihn schweigend.
»Ich habe Sie beobachtet«, sagt Ringrose dann kauend. »Sie haben zwar ein gutes Essen gekocht, und die Mannschaft war zufrieden, doch Sie arbeiten manchmal ziemlich umständlich. Sie haben schon lange nicht mehr gekocht.«
»Das stimmt, doch in wenigen Tagen bin ich wieder in Übung. Dann sitzt jeder Griff, und ich schaffe alles schneller. Ja, ich bin etwas außer Übung.«
Ringrose sagt darauf nichts, doch er betrachtet ihn sehr scharf und genau. Er ist hager und farblos wie ein Wüstenwolf, hat ein dreieckiges Gesicht und dreieckig wirkende Augen, die wie helle Kiesel funkeln, hart und unpersönlich.
Ein gefährlicher Mann – Fess spürt es stark und deutlich.
Bevor sie noch ein Wort wechseln können, hören sie einen Reiter kommen. Doch es ist nicht schon einer der abgelösten Herdenwächter, die bald zum Frühstück kommen werden.
Es ist ein besonderer Mann, dies sieht man gleich. Er reitet einen herrlichen Rappen und trägt einen erstklassigen dunklen Anzug. Langsam kommt er zum Küchenwagen geritten, ein breites Lächeln auf den Lippen.
Er ist hellblond, blauäugig und groß – ganz und gar äußerlich ein prächtiges Mannsbild, eine Art Siegfried, der stets unter anderen Männern auffallen wird.
Er nickt Ringrose zu und sagt: »Das war eine prächtige Nacht, Jo! Dodge City spendiert tausend Freuden. Es ist eine Stadt, in der sich ein Mann wohl fühlen kann. Na gut. Ich habe Durst nach starkem Kaffee. Her mit der Brühe!«
Er ruft es auf eine Art, die seinen Worten etwas von der Primitivität nimmt, sie wirklich scherzhaft klingen lässt. Er scheint ein Mann zu sein, dem man nichts übel nehmen kann.
Inzwischen saß er mit einer geschmeidigen und gleitenden Bewegung ab und trat an den Küchenwagen.
Und nun bemerkt er den fremden Koch. Er stutzt nur. Doch sein Blick wird sofort hart und von forschender Schärfe.
»Joshua?« Er spricht dieses Wort fragend.
Und Ringrose sagt kauend: »Pancake ist fort. Und dafür kam dieser Hombre dort. Ich wusste immer, dass Pancake etwas auf dem Kerbholz hatte, denn sonst hätte er sich nicht dazu bereit erklärt, mit dieser Herde bis nach Montana zu gehen. Er ist fort, weil ein US Deputy Marshal hinter ihm her war, sagt dieser Neue dort. Du kannst ihn nehmen oder wegschicken. Doch er hat ganz gut gekocht. Die Mannschaft war zufrieden.«
Nach diesen Worten isst er weiter. Doch schon nach einigen Kaubewegungen fügt er lässig hinzu: »Er trägt einen Revolver unter der zu weiten Jacke. Er ist ein Koch mit einem Revolver.«
»Warum nicht?«, fragt Fess sofort zurück.
»Sicher – warum nicht«, nickt Ringrose kühl.
Der blonde Mann, der in einem guten Maßanzug aus der Stadt geritten kam, trat indes näher heran, griff sich einen gefüllten Kaffeebecher und trinkt nun das heiße Gebräu, als wären seine Lippen aus Leder.
Und dabei betrachtet er Fess immer noch.
»Was für ein Tausch?«, murmelt er.
»Ich kannte Pancake. Wir waren zusammen Köche während des Krieges bei der Südarmee«, murmelt Fess. »Es war Zufall, dass ich Pancake am Güterbahnhof traf. Er bot mir sofort diesen Job an, und es passte mir gut, dass ich auf diese Art nach Montana komme.«
Sie betrachten ihn immer noch beide, und er spürt deutlich, wie sie gegen ihn wittern wie zwei misstrauische Wölfe. Aber er weiß, dass sie ihn nicht mehr laufen lassen, sondern bei sich behalten werden.
Und so ist er nicht überrascht, als der große, blonde Mann nickt.
»Na gut«, sagt er. »Wir werden es versuchen, und wir werden noch herausfinden, was Sie für ein Vogel sind, mein Freund.«
»Bill Baker ist mein Name«, erwidert Fess Mackay ernst.
Da grinst der blonde Mann und sagt übertrieben freundlich: »Freut mich, Mister Baker, freut mich sehr. Mein Name ist Lincoln Callahan. Schon gehört von mir?«
Fess nickt. »Man sagt, dass Sie jede Herde ans Ziel bringen und ziemlich rau sind. Wenn Sie mich als Koch haben wollen, dann müssen Sie mir sechzig Dollar und die übliche Prämie zahlen. Pancake bekam fünfzig Dollar. Doch ich koche besser.«
Es kommen nun die Reiter der abgelösten Wache ins Camp. Und einer dieser Reiter ist noch sehr jung, kaum zwanzig Jahre alt. Er ist mittelgroß, blond, hübsch und wirkt sehr selbstbewusst.
»Ist meine Schwester noch nicht gekommen?«, fragt er Ringrose.
Der schüttelt stumm den Kopf und geht zu seinem wartenden Pferd, einem mausgrauen, hageren und narbigen Wallach.
Fess bedient die hungrigen Männer, und sie betrachten ihn dann kauend.
Der junge blonde Cowboy, der nach seiner Schwester fragte, sagt plötzlich: »Ich bin Ollie Cane. Meiner Schwester und mir gehören fünfhundert Rinder dieser Herde. Meine Schwester wird ohne Frühstück von Dodge City fortgeritten sein. Halten Sie ihr etwas warm, Baker, ja?«
Fess nickt, und dann sieht er Lincoln Callahan wieder zum Vorschein kommen, der zum Wagen gegangen war, um sich umzuziehen.
Er trägt nun Lederkleidung, die schon abgenutzt wirkt. Den Revolver trägt er links und auf eine Art, die für einen Kenner wie Fess Mackay sehr aufschlussreich ist.
Fess fragt sich in dieser Sekunde unwillkürlich, wer wohl schneller mit dem Revolver wäre – Joshua Ringrose, Lincoln Callahan, oder er, Fess Mackay?
»Waren Sie mit meiner Schwester zusammen, Linc?«, fragt Ollie Cane etwas spröde, als er Linc Callahan zu Gesicht bekommt.
»Eine Weile – bis sie müde war und ins Hotel schlafen ging«, murmelt Callahan, geht zu seinem Pferd und sitzt auf eine geschmeidige Art auf, die für Fess wieder sehr aufschlussreich ist.
Dieser wohl zweihundert Pfund schwere Callahan bewegt sich mit einer bemerkenswerten Leichtigkeit. Oh, wie gefährlich muss dieser Mann für einen Feind sein?
Oder ist dieser Joshua Ringrose noch gefährlicher? Er scheint eine Art Partner, Freund und Gefährte von Callahan zu sein. Oder nur ein angeworbener Revolvermann, der dem Herdenboss dabei hilft, die raue Mannschaft unter Kontrolle zu halten?
Sie sind schon lange zusammen, diese beiden Männer.
Auch das weiß Fess Mackay.
Was verbindet sie?
✰✰✰
Bald darauf sind alle Reiter aus dem Camp und bei der Herde. Fess ist mit einem grauköpfigen Mexikaner, der den anderen Wagen fährt, allein im Camp.
Der Mexikaner kommt nun zu ihm herüber und sagt: »Ich bin Pancho. Ringrose wollte nicht, dass ich Ihnen zur Hand gehe. Sie sollten alles alleine tun. Doch jetzt darf ich Ihnen helfen. Ich fahre den Wagen für Miss Cane und helfe bei allen Arbeiten im Camp.«
»Das ist gut, Pancho«, lächelt Fess und reicht ihm die Hand. »Dann sind wir aufeinander angewiesen und wollen gute Gefährten sein und einander helfen.«
Pancho blickt auf Fess' Hand und zögert. Dann blickt er ihm schweigend in die Augen – eine ganze Weile. Die Augen dieses Mexikaners sind wie die Augen eines Apachen, scharf und wachsam. Doch sie sind zugleich erfahren und weise.
Dann nimmt er Fess Mackays Hand. Er lächelt und zeigt Zähne, die zwar abgenutzt, doch immer noch gesund und weiß sind.
Er spricht die englische Sprache besser als so mancher Amerikaner.
»Ja, wir wollen es versuchen«, sagt er. »Und eines Tages werden wir uns kennen. Man lernt sich bis auf den Grund kennen auf solch einem Trail. Dort kommt Miss Cane!«
Fess späht der Reiterin entgegen, und er sieht sofort, dass da eine Art Cowgirl angeritten kommt, ziemlich scharf und verwegen. Sie sitzt im Herrensitz auf einem schwarz-weiß gefleckten Pinto.
Beim Küchenwagen zügelt sie das Tier ziemlich energisch. Sie trägt einen geteilten Rehlederrock, zierliche Reitstiefel ohne Sporen. Die grüne Hemdbluse sitzt ziemlich knapp und lässt erkennen, dass alles richtig an ihr ist.
Und ihr Blick ist gerade und fest. Sie ist ein Mädchen oder eine Frau, die unter Männern aufwuchs und sich unter Männern behaupten musste. Dies glaubt Fess Mackay zu erkennen.
Auf eine etwas herbe und eigenwillige Art ist sie hübsch. Sie wirkt etwas wild und sehr energisch. Ihre volle Unterlippe schiebt sich leicht vor, als sie Fess betrachtet.
Sie hat grüne Augen und kupferrote Haare, die sie hinten mit einem schwarzen Samtband zu einer Art Pferdeschwanz zusammengebunden hat.
Fess muss sagen, dass sie ihm mächtig gefällt, und irgendwie beginnt er nun schon vom ersten Augenblick an instinktiv zu spüren, dass sie sich gewollt herbe und energisch gibt, ganz so als hätte sie Angst davor, sonst irgendwie hilfsbedürftig und unselbstständig zu wirken.
Ihr Blick ist sehr prüfend auf Fess gerichtet.
»Ein Tramp?«, fragt sie den Mexikaner.
Pancho erklärt ihr alles mit kurzen Worten, und Fess stellt ihr indes das Frühstück bereit.
Sie nickt dann und sagt: »Wenn Linc ihn angestellt hat, soll es mir recht sein. Und ob er kochen kann, werde ich schon herausfinden.«
Nun beginnt sie ziemlich hastig zu essen. Die Männer packen indes die letzten Dinge zusammen und machen die Wagen abfahrbereit.
Das Mädchen sitzt dann wieder auf, und sie tut es ohne jede Hilfe wie eine Indianerin. Fess sieht dabei, dass sie sehr schlanke und gut gewachsene Beine hat.
Bevor sie anreitet, um der Herde zu folgen, blickt sie auf Fess und fragt: »Warum wollen Sie als Treibmannschaftskoch bis nach Montana?«
Er lächelt ernst.
»Miss«, spricht er höflich, »ich könnte Sie nun anlügen, denn ich habe einige Gründe, die ich nicht sagen möchte.«
Sie nickt.
»Sie sehen so ungepflegt und heruntergekommen aus«, sagt sie etwas verächtlich. »Ich hielt Sie für einen Tramp, der bei uns eine warme Mahlzeit bettelte. Ein Mann sollte sich äußerlich nicht so vernachlässigen.«
Nach diesen etwas ärgerlichen Worten reitet sie an und folgt der Herde.
Fess blickt auf Pancho. Der grinst und nickt. »Sie hat recht.«
»Es wird sich ändern«, grinst Fess.
Dann klettert er auf den Wagen und folgt Pancho, der mit dem Wagen des Mädchens die Führung übernimmt.
Bald darauf haben sie die Herde eingeholt.
✰✰✰
Fess hat das Abendessen fertig, als die Herde anhält und die ersten Reiter ins Camp kommen.
Er weiß nun schon, dass es siebzehn Reiter sind. Mit Callahan, Ringrose, Pancho und ihm sind sie einundzwanzig Männer und ein Mädchen.
Es war ein ruhiger und schöner Julitag, nicht zu warm und auch nicht zu staubig. Die Herde machte auf dem Gelände keine Schwierigkeiten, und die Mannschaft ist deshalb in guter Stimmung. Sie kamen heute etwa fünfzehn Meilen weit vorwärts, und dies ist ein überdurchschnittlicher Tagesmarsch, der nur unter ganz besonders günstigen Verhältnissen erreicht werden kann.
Es passiert bis nach dem Abendessen nichts von Bedeutung. Fess Mackay hat ein gutes Essen gekocht und zum Nachtisch sogar Apfelkuchen vorgesetzt.
Als er das Geschirr spült, sieht er das Mädchen aus dem Camp schlendern und unter den Uferbäumen des Baches verschwinden, an dem sie das Camp errichteten. Bald folgt ihr Lincoln Callahan, und einer der Reiter – er wird Pecos genannt – sagt trocken: »Callahan gewinnt immer! Sogar eine Kratzbürste wie Patricia Cane ...«
»Halt nur dein Maul, Pecos«, sagt Ringroses Stimme gedehnt aus der Dunkelheit. »Du hast ein freches Maul, Pecos. Ich hörte schon einmal, wie du etwas über Miss Cane sagtest. Jetzt warne ich dich, du großmäuliger Pferdedieb vom Pecos River!«
Die letzten Worte sind eine eiskalte Herausforderung, die zu einer tiefen Demütigung werden kann, wenn Pecos kneifen sollte.
Aber wird er kneifen? Gewiss, Joshua Ringrose hat einen äußerst gefährlichen Ruf und hat Revolverhelden besiegt, die ebenfalls einen schlimmen Ruf besaß.
Doch auch Pecos ist gefährlich – und stolz! Er ist ein apachenhafter Mann, zäh, hart und schnell, stolz, wild und vollkommen furchtlos.
Er erhebt sich langsam.
»Ringrose, du Schleicher«, sagt er heiser. »Immerzu schleichst du in der Dunkelheit herum, beobachtest uns und lauschst auf unsere Gespräche. Du bist wie eine Katze, der man versehentlich auf den Schwanz treten muss, wenn man sie überhaupt bemerken will. Das geht nun schon seit Fort Worth so. Aber ich habe jetzt genug von dir! Hörst du mich, Ringrose? Ich habe ganz einfach genug davon, auf jedes Wort achten zu müssen, nur weil du immerzu herumschleichst.«
»Dann kannst du das jetzt ändern, Pecos«, sagt Ringroses kühle Stimme, und er wird nun besser erkennbar, weil er in den Lichtkreis des Feuers tritt.
Er hat seine Daumen leicht in den Waffengurt gehängt.
»Los, Pecos!«, spricht er. »Ich habe dich doch soeben einen großmäuligen Pferdedieb genannt. Und du hast genug von mir. Also los!«
Die beiden letzten Worte kommen scharf, ganz wie ein Befehl.
Und Pecos zieht wirklich den Revolver.
Doch so schnell er auch ist, er bekommt die Waffe nicht einmal ganz mit dem Lauf aus dem Holster.
Dann erstarrt er. Denn er blickt schon in die Mündungen von Ringroses Waffen ...
Man hört sein ächzendes Seufzen.
»Heiliger Rauch«, sagt er erstickt und schluckt schwer, lässt seinen Revolver wieder ins Holster rutschen und schüttelt dann heftig den Kopf. »Schon gut«, sagt er schrill. »Schon gut, Ringrose!«
Er wendet sich ab, holt seine Bettenrolle vom Stapel beim Wagen und verschwindet.
Ringrose aber hat ein schmales Lächeln auf seinen dünnen Lippen. Er macht eine schnelle Bewegung mit den Händen, und die Revolver sind plötzlich wieder in den Holstern.
»Miss Cane ist keine Kratzbürste«, sagt er leise. »Sie ist ein sehr tapferes und mutiges Mädchen. Und wenn sie sich dort unter den Bäumen mit Linc Callahan trifft – nun, dann trifft sie sich mit dem besten Mann, den ein Mädel nur bekommen kann. Das ist natürlich und normal. Und wer darüber Witze reißen will, dem stopfe ich das Maul.«
Er wendet sich nach diesen Worten ab und verschwindet wieder außerhalb des Feuerscheins.
Hinter ihm bleibt eine unbehagliche Stille zurück. Die Männer vermeiden es, sich anzusehen. Sie starren ins Feuer oder irgendwohin in die Nacht oder hinauf zu den Sternen.
Es herrscht mit einem Mal eine mürrische und gereizte Stimmung. Und niemand sagt ein Wort.
Denn sie alle wurden soeben Zeuge, wie ein Mann wie Pecos nicht die geringste Chance hatte gegen Ringrose, wie Pecos plötzlich Angst um sein Leben bekam und erzitterte.
Und so mancher dieser harten und zähen Burschen fragt sich wohl nun in Gedanken, was er an Pecos' Stelle getan hätte, würde er wie dieser erkannt haben, dass er den Colt nicht schnell genug herausbekam.
Plötzlich erheben sie sich wie auf ein stilles Kommando. Sie holen nun wie Pecos ihre Bettenrollen und begeben sich zur Ruhe.
Es wird heute sehr früh still im Camp.
Fess klappert noch eine Weile mit dem Geschirr, und Pancho bringt noch eine Last Holz herbei für das Feuer in der langen Nacht. Für die Holländer-Öfen braucht Fess immer viel Glut, besonders wenn er Brot backen will.
Indes Fess seine Arbeiten erledigt, beobachtet er alles, und er versteht nun die Scham der Männer und fragt sich, was in Pecos nun vorgehen wird.
Doch dann denkt er an das Mädchen. Ihr Bruder Ollie hat heute Herdenwache und reitet draußen in der Nacht um die Herde. Das Mädchen aber war unter den dunklen Bäumen beim Creek verschwunden, und Lincoln Callahan war ihr bald darauf gefolgt, so als hätte er ein Recht dazu.
Als Fess nun fertig ist, schüttet er die Spülwanne aus und geht mit ihr zum Bach. Er reinigt sie und füllt sie voll Wasser. Er schleppt sie zum Küchenwagen, und ihr Gewicht ist recht bemerkenswert.
Nun erst wird klar, dass Fess sehr kräftig sein muss. Nur wenige Männer könnten diese volle Wasserwanne so mühelos tragen.
Als Fess noch einmal zum Creek geht, trägt er Seife und Handtuch. Er hatte sich noch bei Tage eine tiefere Stelle gemerkt. Bald darauf nimmt er ein Bad und muss dabei wieder daran denken, dass ihn das Mädchen ziemlich verächtlich darauf aufmerksam machte, wie ungepflegt und heruntergekommen er wirkt.
Er grinst zufrieden in der Dunkelheit. Wenn ein Mädchen ihn für einen heruntergekommenen Tramp hält, so kann er annehmen, dass auch Lincoln Callahan und Joshua Ringrose ihn für einen Burschen halten, der froh war, hier als Koch einer nach Norden ziehenden Treibmannschaft untertauchen zu können.
Das Wasser in dieser tiefen Stelle des Baches ist noch warm von der Sonne des Tages. Fess fühlt sich recht behaglich, nachdem er sich einseifte.
Da er dauernd an den Feuern hantierte und allerlei Speisen kochte, riecht er nach Bratenduft und all den Dingen. Er hat sich an diesen Geruch noch nicht gewöhnen können. Und deshalb seift er sich richtig ein.
Er liegt nun der Länge nach im Wasser und entspannt sich. Es ist schon ein schweres Stück Arbeit, für eine Treibmannschaft zu kochen.
Und wenn er den Plan, den er fasste, durchführen will, wird er den ganzen weiten Treibweg lang der Koch sein müssen.
Er, Fess Mackay, als Treibmannschaftskoch!
Jeder Mensch, der ihn kennt, wird dies als einen Witz ansehen. Und so ist er sicher, dass man nie darauf kommen wird, wer er ist, dass er der Bruder von Arch Mackay ist, der in Fort Worth, nachdem er mit Lincoln Callahan spielte, von diesem mehr als zehntausend Dollar gewann, ermordet und beraubt wurde.
Er will sich nun aus dem Wasser erheben, um sich endlich wieder anzukleiden, als er Stimmen hinter den Büschen und Bäumen am Ufer hört.
Da er außer der Männerstimme auch eine Frauenstimme hört, kann es sich nur um Patricia Cane und Lincoln Callahan handeln.
Zuerst ist Fess versucht, sich bemerkbar zu machen.
Doch dann verhält er sich still im Wasser.
Doch das Mädchen und der Mann gehen nicht an dieser Stelle vorbei. Offenbar bleibt Lincoln Callahan stehen und hält das Mädchen am Arm fest.
»Du kannst mich nicht ständig auf eine spätere Zeit vertrösten, Pat Cane! Das kannst du einfach nicht mehr länger machen! Ich habe dir gesagt, dass ich dich liebe, dass ich dich zu meiner Frau machen will. Wir hätten schon in Dodge City heiraten können, und wir könnten es auch jetzt noch irgendwo in einer der kleinen Städte, die vor uns liegen, in Scott City zum Beispiel. Pat, du vertraust mir doch! Du hast dich selbst, deinen Bruder und eure kleine Herde mir anvertraut. Du bist doch fest davon überzeugt, dass ich euch alle wohlbehalten nach Montana bringen kann. Warum lässt du dich also nicht von mir küssen? Bin ich dir nur als eine Art Beschützer gut genug? Bedeute ich dir sonst gar nichts, obwohl ich dir schon von Wichita an den Hof mache? Gestern in Dodge City hattest du dich sehr schnell zurückgezogen, und ich habe vor Zorn gespielt, Geld verloren und mich fast schlimm betrunken. Ich bekam Streit und verprügelte einige Burschen. Und erst danach wurde mir etwas besser. Und ich halte das alles nicht mehr länger aus. Du hast doch deine Zukunft und die deines Bruders schon in meine Hand gelegt. Warum ...«
»Bedränge mich doch nicht so sehr, Linc«, unterbricht sie ihn bittend. »Lass mir doch Zeit, bis wir am Ziel sind. Sieh, du bist hier für mich und alle Reiter der große Mann, der uns alle führt und von dessen Klugheit und Entschlossenheit wahrscheinlich unser Leben und aller Erfolg abhängen. Es könnte sein, dass ich deshalb meine Gefühle für dich überschätze. Linc, ich bin mir einfach nicht sicher, ob ich dich richtig lieben kann, wie eine Frau einen Mann lieben sollte, dem sie sich schenkt. Kannst du das denn nicht verstehen? Ich möchte, dass wir unter normalen Verhältnissen zueinander finden – in einer normalen Stadt, wo es zivilisiert zugeht, wo es andere Frauen gibt und auch andere Männer als Cowboys. Linc, ich bin irgendwie verwirrt. Ich habe das Gefühl, als wolltest du mich mit Haut und Haaren fressen wie ein Wolf. Gewiss, ich vertraue dir! Ich achte deinen Mut, deine Tatkraft, und du bist äußerlich ein Mann, der einem Mädchen gefallen muss. Doch wir leben hier bei der Herde in primitiven Camps, und ich fühle mich auch als Frau hier wie ein Mann unter Männern. Es wäre schön gewesen in Dodge City, als wir zusammen speisten und dann ins Theater gingen. Wenn du mich nicht so sehr bedrängt hättest, wäre es schön gewesen. Linc, ich möchte erst am Ziel unseres Treibens sein, da im Norden im Montana-Territorium. Wenn wir unsere Rinder verkauft haben und die Mannschaft entlohnt, dann ...«
»Das dauert mir zu lange«, sagt er hart. Und nun scharren Füße. Es hört sich für Fess so an, als kämpfe das Mädchen dagegen an, von ihm geküsst zu werden.
Es wird dann still. Und nach einer Weile gibt er sie offenbar sehr ärgerlich frei. Denn er sagt: »Du stellst dich kalt und ohne Feuer wie eine steinerne Figur. Aber ich weiß, dass du vital und lebendig bist, voller Leben und Wünsche. Du bist ein sehr lebendiges Mädel. Ich küsste dich soeben, doch du ...«
»Ich möchte hier unterwegs kein Liebesverhältnis mit dir anfangen«, spricht sie ruhig und fest. »Gewiss, du treibst meine und meines Bruders fünfhundert Rinder mit nach Montana. Doch vergiss nicht, dass du mir dies angeboten hast und ...«
»Schon gut, Pat«, sagt er. »Ich weiß längst, dass du nicht so wie die anderen Frauen bist. Deshalb fällt mir wohl auch das Warten zu schwer. Nun gut! Sag mir ehrlich, ob ich eine echte Chance habe, wenn wir nicht mehr mit einer Treibherde unterwegs sind, sondern nur noch ganz allein unter uns in einer zivilisierten Stadt.«
»Ja«, sagt sie schlicht. »Du bist kein durchschnittlicher Mann, Linc. Eine Frau wird bei dir immer herausfinden wollen, ob du für sie der richtige Mann sein könntest.«
»Deine Selbstachtung ist groß«, murmelt er. Und dann entfernt er sich wortlos.
Fess hört das Mädchen seufzen. Dann kommt sie an den Bach. Und als sie zwischen zwei Büschen zum Wasser tritt, spürt sie wohl Fess' Kleidung. Denn er sieht, wie sie sich bückt und am Boden nach den Dingen fühlt, auf die sie trat.
»Erschrecken Sie nicht«, sagt er leise aus dem Wasser. »Ich nahm hier ein Bad, um Ihnen besser zu gefallen. Es tut mir leid, dass ich hier Zuhörer wurde und Sie nun auch noch meine Anwesenheit bemerken. Brrr, ich finde das Wasser gar nicht mehr so warm wie am Anfang. Nun wird es ziemlich kalt.«
Sie gibt ihm keine Antwort, bleibt vollkommen stumm und geht davon.
Ich glaube, sie ist sehr wütend auf mich, denkt Fess.
✰✰✰
Es ist wieder sehr spät, als er sich zur Ruhe legt, und er muss als erster Mann wieder auf den Beinen sein, lange vor Sonnenaufgang.
Als er dann in der Früh alles fertig hat und seinen Weckruf durch das Grau des Morgens tönen lässt, ist das Wetter umgeschlagen. Binnen weniger Stunden hat sich der Wind gedreht. Er weht nun von Westen, ziemlich heftig, und er bringt Regen heran, der immer wieder niederprasselt.
Die Männer kommen mürrisch und gereizt zum Küchenwagen. Fess weiß, dass ihre Verdrossenheit nicht nur dem Wetterumschlag gilt. Sie denken wohl alle immer noch an die Szene gestern am Feuer zwischen Pecos und Joshua Ringrose.
Und dann gibt es eine Überraschung.
Zwei Reiter kommen ins Camp.
Einer ist Joshua Ringrose, und sein hagerer grauer und narbiger Wallach sieht ganz so aus, als wäre er einige Meilen rau geritten worden.
Der andere Reiter ist Pecos, und auch sein Pferd ist nicht nur nass von Regen. Man kann deutlich riechen, wie sehr die Pferde schwitzen.
Und noch etwas fällt sofort auf: Pecos hat keine Waffe mehr. Sein Revolverholster ist leer.
Joshua Ringrose aber sagt kühl: »Linc, er hatte Herdenwache, und er war plötzlich nicht mehr da. Da ritt ich los und konnte ihm sieben Meilen von hier den Weg nach Dodge City verlegen. Hier hast du ihn zurück, Linc!«
Mehr sagt er nicht. Doch es hat bestimmt einen Kampf gegeben. Pecos' rechter Hemdsärmel ist mit Blut getränkt. Und auf seinem hutlosen Kopf ist das Haar ebenfalls verklebt von Blut und ist auch eine dicke Beule zu erkennen.
Joshua Ringrose hat ihm offenbar den Revolver aus der Hand geschossen und dann angegriffen und ihm den Coltlauf über den Kopf gezogen.
Nun brachte er ihn als Gefangenen zurück.
Die Männer stehen da und essen nicht mehr weiter. Sie blicken auf Pecos und dann auf Lincoln Callahan, der am hinteren Rad des Wagens steht und seinen Blechteller auf den breiten Radreifen gestellt hatte.
Was Pecos tat, ist nach dem ungeschriebenen Treibherdengesetz ein Verbrechen.
Er ist ein Deserteur, und er ist zu vergleichen mit einem Deserteur der Armee oder einem desertierten Matrosen, der sein Schiff verließ und für den man keinen Ersatz bekommen kann.
Es gibt Treibherdenbosse, die erschießen solche Deserteure als abschreckendes Exempel.
Was wird Lincoln Callahan tun? Dies ist die Frage, die nun alle Männer bewegt.
Callahan fragt ganz ruhig in die Stille: »Pecos, was hattest du dir denn dabei gedacht? Hattest du keine Lust mehr?«
»Nein«, erwidert Pecos. »Ich hatte die Nase voll. Von diesem schleichenden Revolverschwinger Ringrose hatte ich die Nase voll! Und manchmal, Boss, da sieht es so aus, als wären Sie ohne Ringrose nur halb so groß. Er kümmert sich um alles, schleicht immerzu herum und übt aus dem Hintergrund einen Einfluss auf alle Dinge aus. Ja, ich wollte fort.«
Lincoln Callahan nickt ruhig zu diesen offenen Worten, die Pecos mit der Offenheit eines Mannes spricht, der glaubt, am Ende zu sein und nun nichts mehr weiter verlieren zu können.
Callahan hebt nun einen Zeigefinger, etwa so wie ein Lehrer, der seinen Schülern eine sehr wichtige Sache erklären möchte und deshalb ganz besondere Aufmerksamkeit fordert.
»Pecos, weißt du, ich will eine Treibherde in das Goldland am Ende des Bozeman-Weges bringen, mitten durch das Indianerland. Das ist keine leichte Sache. Das ist richtige Männerarbeit. Und wir sind nun schon unterwegs. Ich kann nicht mehr nach Dodge City zurück, um mir dort für jeden Burschen, der keine Lust mehr hat, Ersatz zu beschaffen. In Dodge City hattest du die Wahl. Niemand hat dich dazu gezwungen, dich für das Treiben nach Montana zu verpflichten. Du tatest es freiwillig. Und jetzt bleibst du dabei, bis wir am Ziel oder in der Hölle sind. Und damit du das nicht wieder vergisst, werde ich dir das nun einhämmern. Aufgepasst!«
Er ruft es scharf und warnend.
Pecos reißt die Fäuste hoch, und er ist ein apachenhafter Bursche, der auch wie ein Apache kämpfen kann. Doch er ist Lincoln Callahan nicht gewachsen.
Der Treibherdenboss schlägt ihm die Deckung auseinander und trifft ihn dann unter das Kinn.
Pecos fällt rückwärts in das Feuer und reißt den Kaffeekessel, der an einem eisernen Dreibein hängt, um. Dampf zischt, und Pecos rollt sich brüllend aus dem Feuer.
Seine Lederjacke qualmt am Rücken.
Als er aufschnellt, steht Lincoln Callahan wieder vor ihm und gibt es ihm wieder. Und abermals fällt Pecos ins Feuer, kommt heulend heraus und greift wild an. Es gelingt ihm, Callahan einmal klatschend zu treffen. Doch dann fliegt er zum dritten Mal rücklings auf die verstreute Feuerglut. Er bleibt eine Weile liegen, und diesmal zieht er sich bestimmt einige Brandwunden zu.
Aber niemand bewegt sich, um ihn herauszuziehen. Er stößt dann einen wilden Schrei aus, taumelt hoch und schwankt zum nahen Bach.
Lincoln Callahan lässt ihn laufen. Er blickt in die Runde.
Die Männer stehen bewegungslos da und starren ihn an. Es regnet leicht, und der Tag im Osten ist noch nicht richtig hoch.
»Ich habe bis jetzt noch nie eine Herde verloren«, sagt Callahan. »Und ich werde auch diese nicht verlieren. Aber ich brauche jeden Reiter. Und wenn ihr heute keinen Appetit mehr habt, dann setzt euch in die Sättel und treibt die Herde nach Norden. Vorwärts, Jungs!«
Er steht groß und ruhig da, wirkt sehr imposant. Und vor allen Dingen beeindruckt es sehr, dass er keine Drohungen ausstößt.
Aber es gibt keinen Zweifel daran, dass er den nächsten Deserteur schlimmer bestrafen wird.
Die Reiter gehorchen wortlos. Manche drehen die Blechteller mit dem Essen einfach um, lassen es zu Boden fallen und werfen die Teller dann in die Spülschüssel, in die der Regen nun stärker prasselt.
Bald darauf ist das Camp leer.
Nur Ringrose, Callahan, Fess und Pancho sind noch da. Das Mädchen befindet sich noch in ihrem Wagen, der etwas abseits steht.
Callahan betrachtet Ringrose bitter.
»Was war zwischen dir und Pecos?«, fragt er.
»Er riss schon eine Weile ziemlich dumme Witze«, murmelt Ringrose. »Ich musste ihn mal zurechtstutzen. Was ich tue, ist stets zu deinem Vorteil, Linc. Das weißt du doch?« Er blickt Callahan fest an.
»Witze?«, fragt dieser. »Über das Mädel und mich vielleicht?«
Ringrose nickt.
»Sie ist ein ehrenwertes Mädel«, sagt Callahan heiser. »Sie besitzt mehr Selbstachtung als alle Mädels und Frauen zusammen, die mir bisher begegneten. Jo, erschieße jeden Narren, der etwas sagt, was meine zukünftige Frau beleidigen könnte.«
In Ringroses dreieckig wirkende Augen tritt plötzlich ein Funkeln. Fess erkennt es deutlich, obwohl er ziemlich weit entfernt steht.
»Seid ihr euch einig?«, fragt Ringrose heiser und hastig. »Will sie deine Frau werden? Hast du dieses Mädel erringen können, Linc?«
Er wirkt sehr angespannt.
Lincoln Callahan nickt wortlos. Dann geht er zu seinem Pferd, sitzt auf und folgt seinen Reitern.
Ringrose starrt ihm nach. Dann kommt er zum Küchenwagen unter die aufgespannte Segeltuchplane. Er nimmt einen Schluck heißen Kaffee und beginnt dann von dem Teller, den Fess ihm füllte, zu essen. Er wirkt sehr nachdenklich und irgendwie zufrieden.
Fess betrachtet ihn, und er fragt sich, was diesen Ringrose mit Callahan verbindet.
Lincoln Callahan bietet einen so sehr männlichen und prächtigen Anblick, dass Ringrose neben ihm noch farbloser und unansehnlicher wirkt als allein oder unter anderen Männern.
In Ringrose wird sich sicherlich nie eine Frau verlieben können. Und er wird sicherlich auch nie Freunde besitzen. Denn ganz abgesehen von seinem Äußeren, das an einen hageren Wüstenwolf denken lässt, strömt er ständig etwas aus, was man nicht so leicht erklären kann, doch jeden Menschen irgendwie trifft – etwa so wie eine Raubtierwitterung.
Indes Fess sich darüber klar wird, richtet Ringrose plötzlich seinen Blick auf ihn.
»Ich glaube nicht, dass Bill Baker dein richtiger Name ist, Pfannenschwenker«, sagt er zu Fess. »Willst du mir nicht offen sagen, warum du hier bei uns als Koch angefangen hast?«
»Ich brauchte einen Job, und ich möchte ins Goldland von Montana. Wenn ich dort ankomme, habe ich unterwegs bei euch etwas Geld verdient. Ich kann mich dann einige Zeit über Wasser halten. Denn man findet gewiss nicht sofort Gold, nicht wahr?«
Joshua Ringroses kieselharte Augen funkeln wieder.
»Pfannenschwenker, ich kann wittern – so wie ein Wolf die Stahlfalle –, dass du mich angelogen hast. Doch ich finde schon noch heraus, wer du bist und was dich zu uns trieb.«
✰✰✰
Die Tage vergehen, und sie kommen trotz des Regenwetters gut voran und erreichen den Smoky Hill River.
Fess und Pancho waren der Herde mit ihren Wagen weit vorausgefahren.
Als sie den Fluss erreichen, führt dieser starkes Hochwasser. Und Joshua Ringrose kommt soeben aus der Furt herausgeritten. Er und sein Pferd mussten schwimmen. Denn selbst hier bei der Furt ist der Fluss so hoch, dass ein Pferd keinen Grund mehr finden kann.
Ringrose nimmt seinen Waffengurt wieder aus seinem Ölhautbeutel und schnallt ihn um.
Ohne den Waffengurt und die Revolver wirkte er recht unscheinbar. Er kommt zum Küchenwagen geritten und grinst schief.
»Nun, Pfannenschwenker, ihr müsst hinüber. Wir halten nicht an und warten, bis der Fluss wieder niedriger wird. Denn der höchste Wasserstand wird erst in einigen Tagen erreicht sein. Wir würden hier eine Woche verlieren und kämen vielleicht nicht mehr vor dem ersten Schnee ans Ziel. Vorwärts, Pfannenschwenker!«
Fess nickt, und er weiß nun schon ziemlich sicher, dass er mit diesem gefährlichen Mann Streit bekommen wird.
Es gefällt ihm nicht, wie Ringrose ihn ständig anredet.
Fess ist in ziemlich schlechter Laune. Es war ein schweres Stück Arbeit, der Mannschaft am Morgen und am Abend eine warme Mahlzeit vorsetzen zu können. Denn der Regen hörte nicht mehr auf, und es ist schwer, ein Feuer in Gang zu halten.
Und jetzt soll er mit dem Wagen durch diesen Fluss!
Da der Wagen wasserdicht ist, wird er schwimmen wie ein Boot.
Doch werden es die beiden Zugtiere schaffen? Wie weit wird er abgetrieben werden? Wird er dort auf der anderen Seite an Land fahren können?
Dies sind die offenen Fragen.
Fess nickt ruhig zu Ringroses Worten. Dann klettert er vom Fahrersitz und geht um den Wagen herum. Es sind außen am Wagen allerlei Dinge angebunden, zum Beispiel die beiden Wasserfässer, Schaufeln, ein Beil, Reserveräder und zwei Stangen, die man als Hebebäume verwenden kann, wenn der Wagen einmal mit einem Rad im Schlamm steckt.
Fess muss all diese Dinge festzurren, sodass sie sich im Wasser nicht lösen können.
Pancho kommt zu ihm, und sie beraten dann, wie sie es machen wollen.
Indes kommt auch ein Reiter heran.
Es ist Lincoln Callahan, und er trifft sich mit Ringrose auf der anderen Seite des Wagens. Da der Wind von Westen weht und Fess mit Pancho auf der Ostseite des Wagens steht, können sie fast jedes Wort gut verstehen, welches Callahan und Ringrose wechseln.
Callahan flucht ziemlich wild auf den angestiegenen Fluss. Und dann sagt er bitter: »Wenn ich hier die Herde durchtreibe, dann verliere ich einige hundert Rinder. Jo, ich glaube, dass wir hier ein Camp aufschlagen und warten müssen, bis ...«
»Ich war im Fluss und habe mir alles genau angesehen, Linc. Wenn du die Rinder hier ins Wasser treibst, werden sie dort drüben, nur wenig mehr als eine Viertelmeile stromabwärts, an Land kommen. Wage es ruhig, Linc. Du weißt, ich habe dir noch nie einen schlechten Rat gegeben. Wenn du selbst im Fluss gewesen wärst so wie ich, dann hättest du es schnell erkennen können. Der Fluss ist schlimmer anzusehen, als er in Wirklichkeit ist.«
Nach diesen Worten ist es still. Fess kann die beiden Männer nicht sehen. Doch er kann sich denken, dass Callahan jetzt zweifelnd den Fluss betrachtet.
Schließlich hört er ihn zögernd sagen: »Wenn du meinst, Jo – nun, sicher, du warst im Fluss und ich nicht. Du konntest es richtig prüfen, während ich von hier oben nur schätze. Nun gut, ich will es wagen! Ich bringe die Herde sofort herüber. Sie wird diesseits gar nicht erst richtig angehalten.«
Nach diesen Worten, die immer entschlossener und selbstbewusster ausgesprochen wurden, reißt er sein Pferd herum und reitet der Herde entgegen, um seinen Männern die entsprechenden Befehle zu erteilen.
Fess Mackay steht einige Sekunden lang still da und überdenkt das Gehörte.
Und es gibt keinen Zweifel daran, dass der so großartig und kühn wirkende Lincoln Callahan, der als harter Mann, als Kämpfer und überragender Treibherdenführer gilt, nicht mit der Herde übersetzen wollte, dass er es erst dann wollte, nachdem ihm Ringrose Mut machte und ihm sagte, dass alles gut vonstatten gehen würde.
Oha, was ist das? Dies fragt Fess sich staunend. War das jetzt eben nur ein Zufall, oder ist Lincoln Callahan nur ein Bluffer, ein Zauderer und Zögerer, der gar nicht selbst etwas entscheiden kann und sich von Ringrose lenken und leiten lässt?
Sollte es möglich sein, dass dieser hässliche, unscheinbar wirkende Revolvermann mehr als nur ein Revolvermann ist? Sollte Ringrose vielleicht ein Mann sein, ohne dessen Hilfe und Treue der große Lincoln Callahan ein nur durchschnittlicher Bursche wäre?
Aber er kann nun nicht länger mehr darüber nachdenken.
Ringrose kommt hinten um den Wagen herumgeritten und fragt: »Wollt ihr nicht?«
Fess Mackay wendet sich ab. Er klettert auf den Fahrersitz und fährt ein Stück flussauf.
Als er dann den Wagen ins Wasser lenkt, ruft Ringrose ihm zu: »Pfannenschwenker, wenn du den Küchenwagen im Fluss verlieren solltest, dann ertränke dich gleich mit ihm! Denn ich würde dir die Haut abziehen, verstanden?«
»Hoooiii!« So ruft Fess und knallt mit der Peitsche. Sein Ruf gilt offensichtlich Ringrose und den Pferden zugleich.
Und er jagt die Pferde ins Wasser. Es sind große, starke Tiere, und sie kommen mit dem Wagen ziemlich weit in den Fluss hinein. Aber dann verlieren sie den Grund unter den Hufen und beginnen zu schwimmen.
Fess ruft ihnen ständig Mut zu und feuert sie an. Er schlägt sie nicht, doch knallt er über ihren Köpfen immer wieder mit der Peitsche. Die beiden Tiere, mit denen er sich während der letzten Tage gut angefreundet hatte, geben sich alle Mühe und liefern dem brausenden Fluss einen guten Kampf.
Der Wagen schwimmt schwerfällig, und Fess denkt sorgenvoll daran, dass sicherlich doch allmählich immer mehr Wasser durch die Ritzen des Wagenkastens eindringen und vielleicht die Vorräte verderben wird.
Nun werden sie von der Strömung mitgerissen, und sie treiben so schnell dahin, dass ein Läufer am Ufer mit aller Kraft laufen müsste, wollte er mit ihnen auf gleicher Höhe bleiben.
Aber dann bekommen die beiden Tiere Grund unter die Hufe. Sie werden von der Strömung noch einige Male mitgerissen, doch sie kämpfen immer noch willig und mit ganzer Kraft. Bald bekommt auch der Wagen wieder Grund unter die Räder.
Fess lässt die Tiere im flachen Wasser etwas verschnaufen. Er winkt Pancho zu, der ein Stück weiter mit seinem Wagen abgetrieben wurde und nun ebenfalls festen Ufergrund erreicht und seine Tiere verschnaufen lässt.
»Nicht so schlimm!« So ruft Pancho.
Und Fess nickt. Er muss daran denken, dass Ringrose den Fluss genau richtig beurteilt hat.
Der angeschwollene Fluss ist hier nicht so schlimm, wie er aussieht.
Lincoln Callahan hätte sich vielleicht bluffen lassen. Doch Ringrose war hineingeritten und hatte richtig nachgesehen.
Fess weiß nun endgültig, wer der Mann ist, auf den er besonders zu achten hat.
Sie fahren nun die Wagen den Uferhang empor und blicken dann zurück nach Süden.
Dort – noch etwa eine halbe Meile jenseits des Flusses – kommt die Herde, ein lang gezogener Keil halbwilder Longhorns, flankiert von Reitern und angeführt von Lincoln Callahan.