G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 51 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 51 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

3 spannende Westernromane lesen und sparen!

G.F. Unger ist der erfolgreichste deutschsprachige Western-Autor. Mit einer Rekordauflage von über 250 Millionen Exemplaren gehört er zur internationalen Spitzenklasse der Spannungsliteratur. Und das zu Recht!

Niemand vermag es wie er, die unermesslichen Weiten des amerikanischen Westens und die Stärke der unerschrockenen Männer, die sie erschlossen, zu beschreiben. Erleben Sie den amerikanischen "Wilden Westen", wie nur G.F. Unger ihn schildern kann: hart, authentisch, leidenschaftlich.

Dieser Sammelband enthält die Folgen 2500 bis 2502:

2500: Chaccos Krieg
2501: Ein Mann gegen alle
2502: Die richtige Seite

Der Inhalt dieses Sammelbands entspricht ca. 192 Taschenbuchseiten.
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Seitenzahl: 464

Veröffentlichungsjahr: 2023

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G. F. Unger
G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 51

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben

Für die Originalausgaben:

Copyright © 2020/2021 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2023 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Covermotiv: © Norma/Faba

ISBN: 978-3-7517-4625-0

www.bastei.de

www.sinclair.de

www.luebbe.de

www.lesejury.de

G. F. Unger Western-Bestseller 2500

Ringo Tyburne wandert sporenklingelnd die Mainstreet von Pecos Flower entlang. Als er an der Pecos Bank vorbeikommt, glitzern seine leuchtend blauen Augen. Aber er betrachtet die Bank nicht besonders auffällig, sondern geht lässig an ihr vorbei.  Aus Nancy McLornes Schneiderladen tritt ein Mann. Sie halten beide inne und betrachten sich. Dann sagt Ringo Tyburne mit  einem Lachen in der Kehle: »Oho, Jake, da bist du ja. Was würdest du sagen, wenn ich zugebe, nach dir gesucht zu haben?«  Jake Galloway ist so groß wie Ringo Tyburne. Als er nun lächelt, blinken die Zahnreihen in seinem dunklen und verwegenen Gesicht. In seinen Augen ist ein harter Ausdruck, als er sagt: »Ringo, ich lade dich zu einem Drink ein, der alten, wilden und rauchigen Zeiten wegen, als wir noch zusammen ritten, unsere Colts vermieteten, drüben in Mexiko Pferde und Rinder stahlen und so allerlei taten, auf das wir nicht sehr stolz sein konnten. Aber mehr ist bei mir nicht mehr drin, merk dir das! Gehen wir!«

G. F. Unger Western-Bestseller 2501

Es war in Fort Benton, als ich sie zum ersten Mal sah. Sie saß mit vier hartgesottenen Burschen am runden Spieltisch und teilte die Karten aus.  Dabei lächelte sie.  Heiliger Rauch, dachte ich, was für eine Frau!  Ich kam aus dem Goldland und wollte mit dem nächsten Steamer den Big Muddy hinunter bis Saint Louis und von da aus weiter nach Texas. Denn Texas war meine Heimat. In Texas wollte ich mir von meinem Gold eine schöne Ranch kaufen.  Nur um mir bis zur Abfahrt des Dampfbootes ein wenig die Zeit zu vertreiben, war ich in die nobelste Spielhalle von Fort Benton gegangen und sah nun die Frau.  Es war eine von jener Sorte, die den meisten Männern in ihrem ganzen Leben nie begegnet und von der sie immer nur träumen können in einsamen Stunden. Aber sie saß da und teilte Pokerkarten aus.  Ich dachte: Ja, die wäre was für einen hungrigen Wolf wie mich. Die gibt es bestimmt nicht zweimal auf dieser Erde ...

G. F. Unger Western-Bestseller 2502

Ich hatte mich mächtig beeilt in Tucson. Paco war mit mir geritten. Wir hatten ein starkes Rudel eingerittener Pferde getrieben, die ich an die Post- und Frachtlinie verkaufte. Dann hatte ich bei der Bank den letzten Rest meines Darlehens getilgt, Paco seinen Lohn gezahlt und einige Einkäufe im Store gemacht.  Für Mary kaufte ich ein paar wichtige Dinge, die sie mir aufgeschrieben hatte. Und zusätzlich kaufte ich für sie einen grünen Kleiderstoff, der die Farbe ihrer Augen hatte. Weil ich wusste, wie einsam Mary auf der kleinen Ranch war, hielt ich mich keine einzige Minute länger als nötig in Tucson auf. Ich gönnte mir im Saloon nicht mal einen Drink und schon gar kein Kartenspiel. Ich machte mich noch am Abend auf den Heimweg, ritt die ganze Nacht und dann den halben Tag.  Als ich über den Hügelsattel kam, von dem aus ich mein schönes Tal in den Hügeln der Santa Catalinas sehen konnte, da wollte ich jenen scharfen Ruf ausstoßen, der meiner Mary sagen sollte, dass ich zurück war.  Ich holte Luft - aber dann blieb mir der Ruf gewissermaßen im Hals stecken.  Ich konnte nur noch stöhnen ...

G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 51

Cover

Titel

Impressum

Zusammenfassung

Inhalt

G. F. Unger Western-Bestseller 2500

Einsamer Weg

G. F. Unger Western-Bestseller 2501

Drei Asse

G. F. Unger Western-Bestseller 2502

Todespatrouille

Guide

Start Reading

Contents

Einsamer Weg

Ringo Tyburne wandert sporenklingelnd die Mainstreet von Pecos Flower entlang. Als er an der Pecos Bank vorbeikommt, glitzern seine leuchtend blauen Augen. Aber er betrachtet die Bank nicht besonders auffällig, sondern geht lässig an ihr vorbei.

Aus Nancy McLornes Schneiderladen tritt ein Mann. Sie halten beide inne und betrachten sich. Dann sagt Ringo Tyburne mit einem Lachen in der Kehle: »Oho, Jake, da bist du ja. Was würdest du sagen, wenn ich zugebe, nach dir gesucht zu haben?«

Jake Galloway ist so groß wie Ringo Tyburne. Als er nun lächelt, blinken die Zahnreihen in seinem dunklen und verwegenen Gesicht. In seinen Augen ist ein harter Ausdruck, als er sagt: »Ringo, ich lade dich zu einem Drink ein, der alten, wilden und rauchigen Zeiten wegen, als wir noch zusammen ritten, unsere Colts vermieteten, drüben in Mexiko Pferde und Rinder stahlen und so allerlei taten, auf das wir nicht sehr stolz sein konnten. Aber mehr ist bei mir nicht mehr drin, merk dir das! Gehen wir!«

Sie schreiten nebeneinander her, und man sieht ihnen an, dass sie irgendwie zur gleichen Sorte gehören, zweibeinige Tiger sind, um es mit diesem Vergleich zu beschreiben, der sicherlich sehr treffend ist.

Sie erreichen den Pecos Flower Saloon und gehen hinein.

Mike O'Nelly, der dabei ist, mit einer Fliegenklatsche einen dicken Brummer zu jagen, unterbricht die Jagd, um zwei Gläser mit Bier zu füllen.

Er betrachtet Ringo Tyburn vorsichtig, so als wüsste er genau, dass dieser ein auffälliges Anstarren als Herausforderung ansehen würde.

Sie leeren dann beide die Biergläser mit durstigen Zügen.

Im Hintergrund des Raumes steht ein Billardtisch.

»Spielen wir?« So fragt Ringo Tyburn. Jake Galloway nickt stumm, und er weiß, dass Ringo Tyburn mit ihm ohne Zuhörer reden will. Das muss so sein, denn warum sonst hätte Tyburn nach ihm gesucht?

Sie beginnen ihre Billardpartie zuerst schweigend.

Mike O'Nelly nimmt indes mit der Fliegenklatsche die Jagd auf den dicken Brummer wieder auf, der sich sogar manchmal auf seine Glatze setzt, was O'Nelly nicht davon abhält, mit der Klatsche nach ihm zu schlagen.

Ringo Tyburn sagt nach einer Weile zwischen zwei Stößen: »Bist du nicht neugierig, warum ich nach dir suchte?«

»Ich kann es mir denken«, erwidert Jake Galloway. »Du bist dabei, die alte Mannschaft wieder zusammenzuholen. Der Krieg hatte uns getrennt. Damals mussten wir nach allen Richtungen die Flucht ergreifen. Ich ritt nach Mexiko hinüber. Du möchtest das verwegene Rudel wieder zusammenholen für neue Unternehmungen.«

»Richtig«, erwidert Ringo Tyburn. »Es kommen jetzt überall Yankee-Dollars ins Land. In allen Städten werden die Banken damit gefüllt, um Kredite vergeben zu können für den Aufbau und Aufschwung. Die reichen Yanks im Osten wollen auf diese Weise den Süden schlucken. Ich kenne mehr als ein halbes Dutzend Städte wie diese hier, in denen was zu holen ist. Und wenn wir das Geld haben, gehen wir hinüber nach Mexiko und leben wie reiche Hidalgos. So einfach ist das. Wir müssen nur die alte Mannschaft wieder zusammenholen. Ich fand schon Bat Jordan und Morg Allister. Mit dir sind wir vier. Dann müssten wir noch zwei von der alten Mannschaft finden. Weißt du ...«

»Nein«, unterbricht ihn Jake Galloway ruhig und macht erst einen Stoß, bevor er wieder spricht.

Aber als er dies dann tut, sind seine Worte für Ringo Tyburn mehr als nur eine Enttäuschung, sehr viel mehr. Sie sind eine Warnung.

Denn er sagt: »Ringo, du hast zwar erfahren, dass ich hier in Pecos Flower bin, aber das ist noch nicht alles. Du weißt ja, ich ritt damals vor vielen Jahren als wilder Junge von hier fort, um mir ein Stück von der Welt zu erobern. Doch ich wurde nur ein Revolvermann und Sattelpirat. Ich kam hierher zurück, um nach dem Mädchen zu sehen, das ich schon als großer Junge haben wollte. Aber dann – nachdem ich eine Weile hier war und Nancy gefragt hatte, ob sie mich heiraten wolle –, da gaben sie mir hier den Stern. Verstehst du, sie machten mich vor einer Woche zum Sheriff. Und nun haben sie mein Wort, dass ich ein guter Sheriff sein werde.«

Nach diesen Worten schlägt Jake Galloway seine Lederweste weit genug auf, sodass Ringo Tyburn den Stern auf der Hemdtasche sehen kann.

Tyburn starrt Galloway ungläubig an.

»Das kann doch nicht wahr sein«, sagt er. »Das ist ein Scherz, ein blöder Scherz. Das gibt es doch gar nicht.«

Aber Galloway nickt ganz ruhig und gelassen.

»Weißt du, Ringo«, sagt er langsam mit nachsichtiger Freundlichkeit, »was ich dir jetzt erklären möchte, ist eigentlich auch ganz einfach. Wir waren wilde Burschen. Wir vermieteten unsere Colts, kämpften für mächtige Burschen, denen es darum ging, ihre Macht zu erhalten. Wir waren angeworbene Coltritter. Und als dann der Krieg ausbrach, da stahlen wir Pferde- und Rinderherden, um damit Armeen zu versorgen. Zuletzt mussten wir in alle Himmelsrichtungen flüchten, denn jeder von uns hatte nur allein eine Entkommenschance. Als ich in diese Stadt kam, stand ich am Scheideweg. Ich konnte zwei Wege gehen, doch für einen dieser beiden Wege musste ich mich entscheiden. Deinen Weg wäre ich fast gegangen. Aber da war Nancy, die meine Frau werden will. Und hinzu kam die Chance, die die Stadt mir gab. Ich nahm also diesen Weg. Jetzt bin ich hier der Sheriff. Und als solcher sage ich dir: Hau ab und komm nie wieder. Bleib aus meinem Distrikt, nicht nur aus meiner Stadt – nein, aus meinem Distrikt. Sonst müsste ich als Sheriff meine Pflicht tun. Denn diese Stadt hat mein Wort. Ich werde es halten. Hast du alles gut verstanden?«

Ringo Tyburn starrt ihn wieder ungläubig an.

Heftig schüttelt er den Kopf.

»Dass sich ein Bursche deiner Sorte so sehr ändern kann ...«, murmelt er mit einem Klang von Bedauern in der Stimme.

Dann legt er den Billardstock hin, geht zur Theke, wirft dort ein Geldstück auf die Platte und tritt hinaus auf die Straße.

Die Sonne versank indes hinter den Pecos-Hügeln.

Der Abend ist gekommen.

Ringo Tyburn verspürt Hunger. Als er sich nach einem Restaurant umsieht, fällt sein Blick auch auf den kleinen Schneider- und Modeladen.

Auf dem Schild liest er:

Schneiderei

Frauen- und Kindermoden

Herrenhemden-Anfertigung

Nancy McLorne

Er setzt sich in Bewegung und betritt wenig später den Laden, in dem schon eine Lampe brennt. Nancy McLorne ist dabei, in einem großen Kasten nach bestimmten Knöpfen zu suchen. Drei hat sie davon schon neben dem Kasten auf dem Ladentisch liegen. Nun findet sie einen vierten.

Dann blickt sie auf und sieht in Ringo Tyburns Augen.

Tyburn nimmt den Hut ab. »Ich bin Tyburn«, sagt er. »Ringo Tyburn. Ich wollte Sie sehen, Nancy McLorne. Denn ich bin ein alter Sattelpartner von Jake. Ich wollte die Frau sehen, die ihn sesshaft machen konnte.«

Er macht eine kleine Pause. Sie sieht ihn fest an, und sie spürt, dass etwas von ihm ausgeht, was in sie einzudringen versucht.

Sie denkt: Sein Instinkt muss der eines Raubtiers sein. Ein gefährlicher Mann, der sich stets nimmt, was er haben will. Und er würde auch mich haben wollen, wenn Jake nicht wäre.

Sie lächelt ein wenig und spricht dann: »Nun gut, Mister Tyburn. Jetzt haben Sie mich gesehen. Was wollen Sie noch?«

»Nun verstehe ich Jake besser«, erwidert er und wendet sich zur Tür.

Als er sie öffnet und hinaus will, prallt er fast gegen Jake. Sie halten dicht voreinander inne.

Und nun spüren sie zum ersten Mal den gegenseitigen Anprall einer beginnenden Feindschaft.

»Ja, die alten Zeiten sind vorbei, Jake«, murmelt Ringo Tyburn. »Jetzt weiß ich es genau.«

»Das ist gut«, erwidert Jake Galloway. »Und dann vergiss auch meine Worte nicht. Bleib weg von meiner Stadt und meinem Distrikt! Der alten Zeiten wegen, bleib nur immer weg.«

»Vielleicht – vielleicht auch nicht«, erwidert Ringo Tyburn mit einem Klang von Belustigung in der Kehle. »Du weißt ja, Jake, ich nehme Herausforderungen stets an. Wir werden sehen. Ich gehe jetzt zum Abendessen. Und wenn der Schmied mein Pferd beschlagen hat, reite ich weiter.«

Jake Galloway nickt nur stumm und gibt ihm den Weg frei.

Er sieht ihm dann nach.

Nancy McLorne tritt neben ihn. Ihre Hand schiebt sich in die seine. Und sie sagt: »Vielleicht wart ihr früher mal Freunde, aber jetzt seid ihr das gewiss nicht mehr – oder?«

»Nein, jetzt wohl nicht mehr«, murmelt er. »Wir befinden uns auf verschiedenen Wegen. Die alten Zeiten sind vorbei. Du und diese Stadt, ihr habt mein Wort. Und in zwei Wochen wirst du meine Frau.«

✰✰✰

Es vergehen drei Monate. Manchmal kommen mit den Postkutschen Nachrichten nach Pecos Flower, auch Zeitungen, in denen man es schwarz auf weiß lesen kann.

Man kennt nun überall im Pecos-Land zwischen der Mexiko-Grenze und Santa Fe die Tyburn-Bande. Denn sie überfiel schon in einem halben Dutzend kleiner Städte die Banken und raubte stets ziemlich hohe Summen.

Dabei gab es bereits einige Tote und viele Verletzte. Denn die Banditen zögern nicht zu schießen. Wer sie aufhält oder bedroht, den schießen sie nieder.

Sie sind alle gefährliche Schützen. Und nach jedem Raubüberfall trennen sie sich und verschwinden in alle Richtungen.

Nur in Pecos Flower versuchten sie noch nicht ihr Glück.

Und allmählich beginnt man im ganzen Land zwischen Santa Fe und El Paso darüber zu munkeln, dass der Sheriff von Pecos Flower und die Banditen früher einmal Sattelgefährten waren auf rauchigen Fährten und Pecos Flower deshalb verschont wird.

Auf die Ergreifung der Banditen sind hohe Kopfpreise ausgesetzt, besonders auf Ringo Tyburn, der ständig sein Aussehen verändert, sich sogar die hellblonden Haare färbt.

Viele Aufgebote und Kopfgeldjäger sind hinter der Bande her, aber niemand schafft es, auch nur einen der Banditen zu erwischen. Letztere haben auch überall im Land Freunde, bei denen sie Unterschlupf finden und von denen sie gewarnt werden. Denn sie zahlen gut für jede Hilfe von ihrem Raubgeld.

So vergehen also drei Monate.

Im ganzen Land zu beiden Seiten des Pecos fragt man sich, wann wohl die Bank in Pecos Flower an die Reihe kommen wird. Denn es hat sich herumgesprochen, dass auf dieser Bank zurzeit viel Geld liegt. Eine große Grund- und Bodenverwertungsgesellschaft aus dem Osten hält hier Geld für Kredite an Rancher und Farmer bereit, auch für die hereinströmenden Heimstättensiedler.

Das ganze Land zu beiden Seiten des Pecos soll jetzt erschlossen werden und durch den Fleiß der Menschen den Geldgebern Gewinne bringen. Denn rings um Pecos Flower – bis zu zwanzig Meilen in der Runde – ist noch sehr viel Land frei.

Auch Sheriff Jake Galloway fragt sich manchmal, ob Ringo Tyburn es wagen wird, hier in Pecos Flower einen Coup zu landen.

Was würde dann sein?

Diese Frage stellt er sich immer wieder. Aber es kann für ihn nur eine einzige Antwort geben. Er hat Tyburn gewarnt. Und wenn Tyburn diese Warnung als eine Herausforderung betrachtet, dann muss er wissen, dass es keine Gnade geben kann.

Immer dann, wenn Jake Galloway mit seinen Gedanken an diesem Punkt anlangt, dann lauscht er noch schärfer nach Nancys Atemzügen.

Ja, sie ist nun fast schon ein Vierteljahr seine Frau und macht ihn – so wie er meint – zum glücklichsten Mann auf dieser Erde.

Wenn dies nur immer so bleiben könnte! Der Wunsch in ihm ist dann stets wie ein stummer Ruf, nein, wie ein Schrei. Denn tief in seinem Kern verspürt er ständig eine ungute Ahnung. Und es ist ihm, als zögen sich die schwarzen Wolken eines Unwetters über ihm zusammen.

Ja, er spürt Furcht. Denn er weiß, dass es gegen das Schicksal kein Ankämpfen geben kann. Glück oder Unglück sind jedem Menschen vorbestimmt.

✰✰✰

Es ist gegen Mittag eines der folgenden Tage, als Jake Galloway von einem kleinen Rancher um Hilfe ersucht wird, dem man seine sechs Zuchtstuten aus dem Corral stahl.

An den Fährten kann Jake Galloway erkennen, dass es sich nur um zwei Pferdediebe handelt. Und so sagt er dem Rancher, dass er bei seiner Familie bleiben solle. Er selbst nimmt allein die Fährte auf. Sie führt nach Westen in die Hügel hinein.

Jake Galloway weiß genau, auf was er sich einlässt, als er die Fährte aufnimmt. Ja, es könnte sein, dass man ihn aus der Stadt locken wollte und er bald in einen Hinterhalt reiten wird.

Doch was bleibt ihm anderes übrig?

Der Rancher ersucht ihn um Hilfe. Er muss als Sheriff seine Pflicht tun. Und es kann ja auch durchaus sein, dass es sich tatsächlich nur um zwei Pferdediebe handelt und nicht mehr hinter der Sache steckt.

Als er durch eine Hügellücke den Anfang eines kleinen Tales erreicht, hält er an. Denn sein Instinkt warnt ihn jäh und scharf, so als träfe ihn ein kalter Hauch. Ja, auf dieses Ahnungsvermögen konnte er sich schon immer verlassen. Verdammt, denkt er, was soll ich tun? Dort vor mir sind Waldinseln, auch Felsengruppen, Bodenschwellen, fast schon kleine Hügelrücken. Und überall in dieser guten Deckung kann ein Bursche mit einem Büffelgewehr liegen, der mich auf dreihundert Yards Entfernung erledigen könnte.

Er atmet einige Male tief ein und aus.

Dann entschließt er sich. Denn wenn er nicht aufgeben oder einen großen Umweg machen will, dann muss er etwas wagen.

Es ist schwer, mit einem Büffelgewehr ein sich in großer Entfernung rasch bewegendes Ziel zu treffen. Mit Büffelgewehren schießt man auf stehende oder im Gras ruhende Büffel. Eine Sharps ist keine Waffe für rasche Schnappschüsse.

Und so reitet Jake Galloway jäh an und lenkt sein Pferd immer wieder nach rechts und links. Er darf dem Schützen – sollte hier einer auf ihn lauern – keine Gelegenheit zum ruhigen Ziehen geben.

Er kommt auf seinem geschmeidig und leicht springenden Pferd etwa fünfzig Yards vorwärts. Dann hört er die Kugel pfeifen. Und auch das Krachen des Schusses vermeint er durch den Hufschlag seines galoppierenden Pferdes zu hören.

Er stößt einen wilden Schrei des Triumphes aus, denn er weiß, dass Sharps-Gewehre nur einschüssig sind und der verborgene Schütze nun erst die leere Hülse auswerfen und eine neue Patrone einlegen muss. Vielleicht schafft er es in diesen Sekunden noch bis in die Deckung einer kleinen Waldinsel, über die der Schütze auf dem Hügelrücken hinwegschießen konnte.

Fast schaffte er es, doch nicht ganz.

Der zweite Schuss folgt dem ersten rascher, als Jake hoffte. Der heimtückische Schütze lud unwahrscheinlich schnell nach.

Die schwere Kugel trifft Jake Galloways Pferd mitten in die Stirn. Wahrscheinlich rettet das Tier so Jakes Leben. Denn es fängt die Kugel auf, weil es in diesem Sekundenbruchteil den Kopf hoch nimmt und zugleich ein kleines Hindernis überspringt.

Galloway kommt gut aus dem Sattel, rollt über den Boden und bleibt einige Atemzüge lang benommen liegen.

Als er sich dann endlich schnell in Deckung rollt, fällt kein Schuss mehr. Er macht sich nun zu Fuß auf den Weg, findet überall Deckung und arbeitet sich bald den Hang hinauf.

Aber oben findet er nur die beiden Papphülsen der Patronen und die Spuren des Mannes und dessen Pferdes. Der Bursche ging kein Risiko mehr ein und machte sich aus dem Staub.

Jake Galloway setzt sich erst einmal auf einen großen Stein und denkt nach. Er atmet etwas rascher als sonst.

Es gibt immer noch zwei Möglichkeiten als Erklärung für diesen Hinterhalt.

Die Pferdediebe wollten den Verfolger aufhalten.

Oder es waren gar keine richtigen Pferdediebe, sondern Burschen, denen es nur darum ging, den Sheriff aus der kleinen Stadt Pecos Flower herauszulocken.

Je länger Jake Galloway darüber nachdenkt, umso mehr hält er die zweite Möglichkeit für wahrscheinlicher.

Denn in den vergangenen Wochen hat er immer wieder über Ringo Tyburn und dessen Bande nachgedacht. All die kleinen Städte, in denen es Bankhäuser gab, wurden schon überfallen, nur die Bank in Pecos Flower noch nicht.

Jake Galloway hat immer gewusst, dass Tyburn und das wilde Rudel eines Tages kommen würden, um auch die Bank in Pecos Flower auszurauben.

Er erhebt sich nach einer Weile und geht zu seinem toten Pferd zurück, nimmt dem Tier den Sattel ab und lädt ihn sich auf.

Dann macht er sich auf den Rückweg.

Und er weiß, was auch passiert sein mag in Pecos Flower, er wird um Stunden zu spät kommen. Alles wird schon geschehen sein. Er konnte es hier nicht verhindern. So einfach war es, ihn aus der Stadt zu locken.

Der kleine Rancher, dem sie die Pferde stahlen, hatte ein Recht auf die Hilfe des Sheriffs. Er musste reiten.

Und nun muss er laufen. Dennoch hatte er großes Glück. Er blieb am Leben.

✰✰✰

Es ist spät in der Nacht, als er auf einem unterwegs geliehenen Pferd nach Pecos Flower kommt.

Im Schritt reitet er die Mainstreet entlang.

Aus den Häusern fällt Lichtschein. Aber sonst ist die Stadt sehr viel stiller als sonst. Er spürt instinktiv, dass sich etwas verändert hat.

Und da tritt auch schon eine Frau aus einer Tür an den Rand des Plankengehsteigs und ruft durch den Hufschlag seines Pferdes mit böser Stimme: »Verdammt, Sheriff, wo waren Sie? Warum waren Sie nicht in der Stadt, als die Bande kam? Sie haben meinen Mann erschossen! Jeffrey ist tot! Verstehen Sie? Jeffrey, der mein Mann war, und Jim Daniels, der unsere Bank leitete, sind tot. Und Sie waren nicht hier, Sheriff! Stimmt es vielleicht doch, dass Ringo Tyburn und dessen Bande früher einmal Ihre Sattelgefährten waren?«

Die Stimme der Frau verklingt misstönig.

Und ihre Worte sind eine einzige Anklage.

Jake Galloway erwidert nichts. Er reitet mit gesenktem Kopf weiter und erreicht den Schneider- und Modeladen seiner Frau Nancy.

Sie tritt ebenfalls aus der offenen Tür, so wie zuvor die Witwe von Jeffrey Monk. Auch sie hat also auf ihn gewartet und auf jeden Hufschlag gelauscht.

Er hält am Gehsteigrand an und blickt vom Sattel aus auf Nancy nieder. Man sieht ihm an, dass er müde und ausgebrannt ist, denn er schleppte viele Meilen den schweren Sattel durch raues Land bis zur nächsten Farm, wo er endlich ein Pferd bekam.

Nancy sagt zu ihm empor: »Ich bin sehr froh, dass du noch lebst. Dies ist nicht dein Pferd.«

»Nein, Nancy«, erwidert er ruhig. »Die Kugel traf mein Pferd, nicht mich. Was geschah hier?«

»Ringo Tyburn überfiel mit einigen Kumpanen unsere Bank. Es gab zwei Tote. Im Stadthaus warten die Vertreter der Bürgerschaft auf dich. Lass sie nicht warten. Und dann komm zu mir.«

»Sicher«, murmelt er und reitet weiter.

Als er das Stadthaus erreicht, in dem sich auch sein Office und das Gefängnis befinden, sitzt er ab und tritt ein.

Sie warten in seinem Office auf ihn – der Bürgermeister, die drei Stadträte und der Richter.

Sie betrachten ihn schweigend im Lampenschirm.

Er schiebt den Hut weit zurück und sagt: »Sie hätten mich immer wieder aus der Stadt locken können. Wenn mich ein Rancher um Hilfe ersucht, weil ihm wertvolle Zuchtstuten gestohlen wurden, dann muss ich reiten. War es wirklich Ringo Tyburn?«

Sie nicken.

Dann spricht der Richter: »Niemand macht Ihnen einen Vorwurf, Jake. Ja, wir wissen, dass man Sie immer auf irgendeine Weise aus der Stadt locken kann. Sie sind ja hier kein Town Marshal, sondern der Sheriff eines Distrikts. Wir haben darüber bis jetzt diskutiert. Niemand macht Ihnen einen Vorwurf. Aber eines erwarten wir, Sheriff Galloway, nämlich dass Sie uns zumindest diesen Ringo Tyburn bringen, damit wir ihn hier hängen können. Er war es, der Jim Daniels in der Bank erschoss und der dann auch Jeffrey Monk tötete, als dieser mit einem Gewehr auf die Straße trat, indes die Bande mit der Beute aus der Stadt jagte. Jim Daniels lebte noch so lange, um uns zu sagen, wer ihm die Kugel in den Bauch schoss. Er erkannte den steckbrieflich gesuchten Ringo Tyburn einwandfrei. Und auch deine Frau erkannte ihn, als die Bande an ihrem Laden vorbeiritt. Wir wollen ihn also haben. Er soll hängen. Verstanden, Sheriff?«

Die Stimme von Richter Caesar Jonneson klingt scharf und unversöhnlich.

Die vier anderen Männer nicken heftig.

Dann aber sagt der Bürgermeister Festus Bridger: »Jake, wir gaben Ihnen den Stern und bekamen dafür ihr Wort. Wenn Sie glauben, es nicht halten zu können, weil Sie früher einmal mit Ringo Tyburn ritten, dann geben Sie uns jetzt den Stern zurück.«

In Festus Bridgers Stimme klingt bitterer Ernst.

Sie alle starren auf den Sheriff.

Und sie hören ihn sagen: »Ich bringe ihn euch und auch alle anderen. Wenn ich sie lebend bekomme, bringe ich sie lebend. Wenn sie tot sind, bringe ich euch die Toten. Zweifelt nur nicht an meinem Wort. Ich habe hier in eurer Stadt geheiratet. Meine Frau wird hier ein Kind zur Welt bringen. Dies hier ist meine Heimat geworden.«

Als er verstummt, bleibt es eine Weile still.

Aber sie betrachten ihn alle hart.

Dann beginnen sie zu nicken. Sie erheben sich und gehen zur Tür, verschwinden nach draußen, lassen ihn allein.

Er geht zu seinem Schreibtisch und lässt sich in den Holzsessel fallen. Aus der Schublade nimmt er eine Flasche und trinkt daraus einen langen Schluck.

Der scharfe Brandy bekämpft seine Müdigkeit.

Eigentlich müsste er jetzt eine Weile ruhen. An seinen Füßen sind Blasen, denn in seinen Reitstiefeln war kein gutes Marschieren.

Aber er kann sich hier nicht mehr lange aufhalten. Er muss die Verfolgung aufnehmen. Und so beginnt er nur noch darüber nachzudenken, wohin die Bande geflüchtet sein könnte.

Endlich erinnert er sich an Nancy.

Ja, sie wartet auf ihn mit einem Nachtessen.

Er erhebt sich und tritt hinaus.

Draußen wartet der Nachtmann des Mietstalles. Er sagt: »Sheriff, der Bürgermeister sagte mir, dass ich mich um das Pferd kümmern und Ihr zweites Pferd satteln soll.«

»Sicher, Shorty. Und bring es mir dann vor den Laden meiner Frau.«

Nach diesen Worten macht er sich hinkend auf den Weg zu Nancy, wobei er denkt: Diese verdammten Blasen ...

✰✰✰

Nancy bedient ihn wortlos, nachdem sie sich umarmt und geküsst haben und er am Küchentisch Platz nahm.

Nancy beobachtet ihn, und es entgeht ihr nicht, dass er müde ist.

»Solltest du nicht erst einige Stunden ausruhen?«, murmelt sie.

Er grinst kauend und schüttelt den Kopf.

»Ich werde nur meine Füße baden«, erwidert er schließlich. »Dann musst du mir die Blasen aufstechen und mir die frischen Socken innen dick einpudern. Ich bin viele Meilen gewandert mit dem Sattel auf den Schultern. Es war ein böser Weg.«

»Und es wird ein noch böserer, wenn du gleich aufbrichst«, murmelt sie, »ein böser, einsamer und gefährlicher Weg. Jake, lohnt sich das?«

Er betrachtet sie im Lampenschirm. Ihr schwarzes Haar glänzt seidig. Und ihre bei Tag blaugrünen Augen wirken jetzt grün. Immer dann, wenn er sie ansieht, ist er seinem Schicksal dankbar, dass er sie bekam fürs ganze Leben.

Aber wie lange wird sein Leben noch währen?

Er nickt und erwidert: »Ja, es lohnt sich, Nancy.«

»Wir werden in sechs Monaten ein Kind bekommen«, spricht sie ruhig. »Pass nur gut auf dich auf, Jake.«

Er nickt.

»Und wie ich auf mich aufpassen werde«, murmelt er. »Darauf kannst du dich verlassen. Ich will noch steinalt mit dir werden.«

Sie lächelt ernst. Dann fragt sie: »Und du weißt, wo du Ringo Tyburn finden kannst?«

»Ich bin mir ziemlich sicher«, erwidert er. »Doch er weiß, dass ich mir das ausrechnen kann. Deshalb wird er auf mich warten. Ich muss mir etwas einfallen lassen.«

Sie schließt einen Moment die Augen, so als wollte sie ihn darin nicht die Furcht erkennen lassen.

Dann erhebt sie sich und sagt: »Ich hole eine Schüssel mit heißem Wasser, Puder und frische Socken. Mehr kann ich ja nicht für dich tun.«

»Doch«, widerspricht er. »Du musst Mut bewahren und sicher sein, dass ich zurückkomme zu dir. Du darfst niemals daran zweifeln.«

✰✰✰

Es ist eine gute halbe Stunde vergangen, als er aufbricht.

Die Stadt ist trotz der späten Nachtstunden noch auf den Beinen. Überall sind die Bürger aus den Häusern getreten.

Sie alle sehen ihm nach.

Er schlägt den Weg nach Süden ein. Denn dort im Süden liegt die Mexikogrenze.

Er hat nun einen einsamen Weg begonnen, einen Weg der Pflicht, an dessen Ende der Tod wartet – entweder auf ihn oder auf den Mann, der einst sein Sattelgefährte und Freund war.

Denn wenn er Ringo Tyburn stellt, wird es entweder einen Kampf geben, bei dem nur einer von ihnen überleben wird – oder er wird ihn nach Pecos Flower schaffen, wo man Tyburn nach Recht und Gesetz hängen muss. Denn für seine Tat gibt es kein anderes Urteil.

O ja, er weiß ziemlich sicher, wo er Ringo Tyburn suchen muss. Sie sind damals zu lange miteinander geritten. Er kennt Tyburns Gewohnheiten und kann sich deshalb ausrechnen, wo Tyburn drüben in Mexiko untertauchen und abwarten wird, bis man die Suche nach ihm aufgegeben hat.

Die Menschen drüben in Mexiko in den abgelegenen Dörfern sind arm. Wenn da ein Mann kommt, der ein paar Dollars zu verschenken hat, der ist ihr guter Amigo, den sie schützen.

Jake Galloways Weg führt vom Pecos nach Westen durch die Guadalupe Mountains in Richtung Rio Grande, der von El Paso her zu seinem Großen Knie fließt. Von Pecos Flower zum Rio Grande sind es etwas mehr als achtzig Meilen, wahrscheinlich fast hundert. Jake Galloway weiß, dass er Tyburn nicht einholen kann. Er stellt sich auf ein langes, einsames Reiten ein und macht sich auch gar nicht die Mühe, nach Spuren zu suchen.

Obwohl Galloway ziemlich müde und ausgebrannt war, als er in der Nacht nach Pecos Flower zurückkam, bleibt er bis zum Sonnenaufgang im Sattel, hält dann an und rastet etwa eine Stunde.

Erst am späten Mittag, als die Sonne über dem Boden die Hitze flimmern lässt und die Schatten kaum noch vorhanden sind, hält er inne, um nochmals zu rasten und diesmal auch etwas zu essen.

Längst schon verließ er den Wagenweg und folgt kaum erkennbaren Pfaden. Manchmal stößt er auf Fährten, die erst wenige Stunden alt sind und von denen er annehmen kann, dass es die Fährten der flüchtigen Banditen sind.

Er zählt fünf verschiedene Hufabdrücke, also sind es fünf Reiter. Wenn es sich um Ringo Tyburn und dessen Bande handelt, dann ist sie also noch zusammen. Wahrscheinlich werden sie sich erst jenseits des Rio Grande trennen.

✰✰✰

Es ist am frühen Morgen, als Jake das Ufer des Rio Grande erreicht.

Dort drüben ist Mexiko. Er ist auf der anderen Seite kein Sheriff mehr, nur noch ein Reiter wie auch Ringo Tyburn und alle anderen der Bande.

Er wittert lange hinüber, und er weiß, dass man ihn von drüben aus vielen Verstecken beobachten könnte.

Vor sich sieht er die Fährte der fünf Reiter.

Ja, er ist nun sicher, dass es die Fährte von Tyburns Bande ist. Zumindest zwei von ihnen kennt er, denn Tyburn sagte ihm ja schon ihre Namen. Es sind Bat Jordan und Morg Allister.

Nach einer Weile entschließt er sich und reitet geradewegs durch den Rio Grande. Er muss durch mehr als ein halbes Dutzend flache Rinnsale und dazwischen immer wieder über Inseln, die zum großen Teil mit Schlamm bedeckt sind.

Dann ist er in Mexiko.

Die Fährte ist immer noch klar zu erkennen.

Doch als er wenig mehr als eine Meile weiter ist, da teilt sich die Fährte. Zwei Reiter ritten nach rechts, also nach Nordwesten, zwei nach links, also nach Südosten – und eine Fährte führt genau nach Süden in die Berge hinein.

Er weiß, dass es Ringo Tyburns Fährte ist.

Denn Tyburn reitet nach Santa Paloma. Dies ist der Ort, wo man ihn nicht als Gringo, sondern als Amigo betrachtet. Auch Jake Galloway war früher den Menschen von Santa Paloma als Amigo willkommen. Er kennt sich aus in dieser kleinen Stadt, die einst die Spanier um eine Mission erbauten.

Damals, als sie in Mexiko noch Rinder und Pferde stahlen und an die Armeen der Südstaaten verkauften, da warben sie stets ihre Helfer in Santa Paloma an und zahlten gut. Sie spendeten auch oftmals für die Armen, für die kleine Stadt und galten als Wohltäter.

In Santa Paloma kann Ringo Tyburn sich sicher fühlen.

Aber es gibt noch einen zweiten Grund, warum er wahrscheinlich dorthin ritt. Dieser Grund ist, Juanita Mendoza, die schöne Wirtin der Casa Grande, die aus Bodega, Fonda und Bordell besteht, aber auch einfach nur Casa de Putas genannt wird. Von Juanita Mendoza konnte Ringo Tyburn schon immer alles haben, einfach alles.

Er wird also zu ihr geritten sein, um sich dort in Sicherheit zu fühlen und in den Armen der Schönen eine angenehme Zeit zu verbringen. Juanita Mendozas Leute werden Tyburn jede sich nähernde Gefahr rechtzeitig melden.

Jake Galloway kann also nicht einfach in die kleine Stadt Santa Paloma reiten, um Tyburn dort herauszuholen.

Er wird sich etwas einfallen lassen müssen.

✰✰✰

Spät in der Nacht erreicht er das grüne Tal von Pablo Hernandez. Im Adobehaus brennt noch Licht, und als er vor die Veranda reitet, sieht er Pablos Gestalt im Schatten. Er weiß, dass man den Hufschlag des Pferdes hörte, nachdem der Hund Laut gab.

Pablo hält nun gewiss seine Schrotflinte im Hüftanschlag.

Und so gibt Galloway sich schnell mit den Worten zu erkennen: »Ich bin es, Pablo, ich, Jake, den du damals Amigo und Compadre nanntest.«

Als er verstummt, bleibt es nur wenige Sekunden still. Dann erwidert Pablos Stimme: »Si, an einen Amigo Jake erinnere ich mich gut.«

Nach diesen Worten tritt Pablo aus dem Verandaschatten in das Mond- und Sternenlicht hinaus und blickt zu Jake empor.

»Ja, du bist es, Amigo«, sagt er. »Willst du zu Juanita Mendozas Haus? Dein Amigo Ringo Tyburn ist schon dort. Ich sah ihn gestern reiten. Und wohin schon wird er geritten sein in dieser Richtung?«

Er verstummt mit einem Lachen, in dem der Klang von Nachsicht ist.

Aber Jake Galloway sagt ernst vom Sattel nieder: »Pablo, Ringo ist nicht mehr mein Amigo. Die alten Zeiten sind vorbei. Wenn du noch mein Amigo bist, dann werde ich dich um Hilfe bitten. Überleg also erst, ob du mich jetzt zum Absteigen auffordern sollst.«

Aber Pablo Hernandez braucht keine drei Sekunden. Dann spricht er ruhig: »Steig ab, Amigo Jake. Meine Söhne werden dein Pferd versorgen. Und Maria wird dir ein Nachtmahl bereiten. Steig ab, Amigo.«

Jake Galloway gehorcht schweigend.

Als dann die beiden Jungen aus dem Haus kommen, um sein Pferd zu versorgen, da sagt er nur: »Die sind sehr viel größer als damals vor fast drei Jahren, Pablo. Die sind ja fast schon Männer.«

»Sicher!« Der gedrungene Mexikaner lacht. »Und bald wird man ihre Mutter für ihre ältere Schwester halten. Denn Maria ist immer noch jung und schön. Du wirst es gleich sehen. Komm herein, Amigo.«

Er gehorcht, und als er in die große Wohnküche des Adobehauses tritt, da sieht er Maria im Lampenschein.

»Ja«, sagt er bewundernd. »Pablo hat nicht gelogen. Bald wird man deine Söhne für deine jüngeren Brüder halten, Maria. Denn sie wachsen und werden älter, aber du bleibst jung und schön.«

Sie lächelt ihn an. Dennoch erkennt er in ihrem Blick eine Frage und auch eine Besorgnis. Sie kommt in seine Arme und küsst ihm zur Begrüßung die Wangen wie eine Schwester.

Deshalb sagt er schnell, um sie von Anfang an zu beruhigen: »Ich möchte nur mein Pferd bei euch unterstellen und mich dann als Mexikaner verkleiden. Und niemand wird es erfahren. Ich wäre euch nicht böse, wenn ihr es ablehnen solltet.«

Da schüttelt Maria Hernandez sofort den Kopf.

»Wir sind Amigos«, erwidert sie. »Und Pablo verdankt dir sein Leben. Was hätte ich mit meinen beiden Söhnen ohne Pablo gemacht?«

✰✰✰

Es ist im Morgengrauen, als Jake Galloway das Anwesen der Hernandez' verlässt.

Er trägt die Tracht eines mexikanischen Landarbeiters, darüber einen Poncho und auf dem Kopf einen Sombrero aus Maisstroh. Seine nackten Füße stecken in Sandalen.

Und sein Colt ist unter dem Poncho verborgen.

So macht er sich auf den Weg und erreicht eine halbe Stunde später den Wagenweg nach Santa Paloma – eine Schlangenlinie, die aus Radfurchen, Hufspuren und Staub besteht.

Er verbirgt sich am Rand des Wagenwegs zwischen Felsen und Dornenbüschen und richtet sich auf eine vielleicht sogar längere Wartezeit ein.

Aber das Schicksal ist offenbar auf seiner Seite. Ja, es ist gewiss mehr als nur Glück, sondern muss wohl die Gewogenheit des Schicksals sein, als er einen Wagen kommen hört, knarrend, rumpelnd, schwerfällig, gezogen von zwei Ochsen und beladen mit Heu.

Er wusste schon vorher, dass solche Heuwagen aus den grünen Bergtälern immer wieder zur Stadt fahren, weil sich viele Leute dort Pferde halten und vor allen Dingen auch Juanita Mendoza für die Pferde der vielen Gäste, die in ihrem Putahaus über Nacht bleiben, viel Futter benötigt. Dennoch hätte es nicht nur Stunden, sondern sogar Tage dauern können, bis ein Heuwagen nach Santa Paloma vorbeikommen würde.

Als das langsame Gefährt an seinem Versteck vorüber ist, springt er dem Wagen hinterher und verschwindet wenig später im Heu. Der Fahrer vorn merkt nichts, und das ist kein Wunder, denn dieser noch junge Mexikaner schläft halb und überlässt es den beiden Zugochsen, dass sie den Weg zur Stadt von allein finden.

Wahrscheinlich sind die Tiere längst daran gewöhnt.

Jake Galloway macht es sich im Heu bequem und sorgt nur für ein Luftloch.

Er weiß, dass der Wagen länger als zwei Stunden benötigt, um sein Ziel zu erreichen. Und so bringt er es sogar fertig, einzuschlafen und Kräfte zu sammeln. Für eine Weile vergisst er alles und verliert jedes Gefühl für die Zeit.

Als er erwacht, hört er Stimmen. Eine Stimme sagt: »Pepe wird dir beim Abladen helfen, Roberto. Aber erst spannt ihr die beiden Ochsen aus. Ich will nicht, dass sie im Geschirr stehen. Du kannst dir dann auch in der Küche Essen geben lassen, Roberto, bevor du die Heimfahrt beginnst. Sag deinem Patron, dass ich erst im nächsten Monat wieder Heu haben möchte.«

»Si, si, Doña Juanita«, erwidert eine Stimme, welche wahrscheinlich dem jungen Fahrer gehört.

Jake Galloway aber macht, dass er aus dem Heu kommt.

Roberto hat den Wagen rückwärts in die Scheune gefahren. Es ist leicht für den Sheriff, unbemerkt aus dem Heu zu gelangen und in der Scheune ein Versteck zu finden.

In ihm ist ein grimmiges Frohlocken.

Bis hierher hat er es schon einmal geschafft, ohne bemerkt worden zu sein.

Wenn Ringo Tyburn hier ist – und daran gibt es kaum einen Zweifel –, wird er ungewarnt bleiben.

✰✰✰

Immer dann, wenn Ringo Tyburn bei der schönen Juanita Mendoza zu Besuch ist, genießt er die Tage und vor allen Dingen die Nächte wie eine Belohnung, die er sich selbst schenkt für einen erfolgreichen Beutezug.

Es ist in der zweiten Nachthälfte, als er von den unteren Räumen nach oben in Juanitas Wohnung geht, die aus einem Schlafzimmer und einem Wohnraum besteht, die mit alten spanischen Möbeln eingerichtet sind.

Er hat unten gespielt, ein wenig getrunken und der Musik zugehört, auch die Tänzerinnen bewundert, die den Flamenco tanzten und mit den Kastagnetten klapperten.

Zuvor hatte er gut gegessen – und manchmal ist die Herrin des Hauses, die schöne Juanita, zu ihm gekommen. Sie hat ihn dann angelächelt, und er konnte in ihren Augen erkennen, dass sie sich danach sehnte, in seinen Armen zu liegen.

Doch bis nach Mitternacht ging das noch nicht.

Aber als Ringo Tyburn nach Mitternacht nach oben geht, da weiß er, dass er nicht mehr lange auf Juanita warten muss. Es kann sich höchstens noch um eine Stunde handeln. Dann wird sie bei ihm sein und in seinen Armen liegen.

Er betritt die Wohnung der Patrona der Casa Grande. Noch ist es fast dunkel. Doch wenn er das Flämmchen der Lampe höher gedreht hat, wird es heller werden im Raum, von dem aus man das Schlafzimmer betreten kann.

Ringo Tyburn dreht das Flämmchen der Lampe höher.

Dann jedoch spürt er, dass jemand hinter ihm ist.

Als er herumwirbelt – jäh die Gefahr spürend –, ist es schon zu spät.

Jake Galloway trifft ihn mit dem Colt dicht über dem linken Ohr am Kopf, einmal, zweimal.

Und nun versinkt selbst ein so harter und zäher Bursche wie Ringo Tyburn in tiefe Bewusstlosigkeit.

Galloway fängt den schweren Körper des Mannes auf, verhindert so, dass er auf die Dielen wuchtet und man unten vielleicht etwas bemerken könnte. Er trägt ihn zum Fenster, schiebt ihn mit den Füßen zuerst hinaus, hält ihn unter den Armen, solange es geht, und lässt ihn dann nach unten fallen. Er springt ihm nach, hebt ihn hoch und trägt ihn hinüber in die Scheune.

Dorthin hat er schon Tyburns Pferd aus dem Corral gebracht. Er musste deshalb auch den Pferdeburschen überwältigen, wegbringen, fesseln und knebeln. Er lädt Tyburn nun aufs Pferd, sitzt dahinter auf und macht sich um die Scheune herum über die Felder und durch die Gärten der Stadt auf den Weg.

Es war alles lächerlich leicht. Er vermag es noch gar nicht zu glauben. Aber es ist so. Und natürlich verhalfen ihm die genauen Kenntnisse der Verhältnisse hier zu seinem erfolgreichen Tun.

Er ist ja früher oft selbst Gast hier gewesen und kennt sich aus. Jetzt muss er nur noch bei den Hernandez sein Pferd holen.

Und dann kann er Ringo Tyburn nach Pecos Flower bringen.

Niemand in Santa Paloma wird wissen, wohin Tyburn verschwand. Nicht einmal der Pferdebursche, den er überwältigte, wird etwas sagen können.

✰✰✰

Es ist fast zwei Meilen weiter, als Ringo Tyburn aus seiner Bewusstlosigkeit erwacht, schrecklich stöhnt und dann vom Pferd fällt, über dessen Sattel er bis jetzt bäuchlings lag.

Bevor Tyburn richtig bei Sinnen ist und auch die körperliche Not einigermaßen überwinden kann, die ihm durch die Art des Transportes zugefügt wurde, holt Galloway die Handschellen aus der Satteltasche und legt sie ihm an.

Das Klicken der Einrastungen macht Tyburn endgültig wach.

Er setzt sich auf und blickt schräg empor.

Die Nacht ist hell. Mond und Sterne leuchten. Alle aufragenden Dinge werfen tiefe Schatten, fast so wie bei Sonnenschein.

Tyburn starrt zu Galloway empor, den er sofort erkennt. Eine Weile vergeht, indes sie beide so verharren.

Dann sagt Tyburn langsam und schwer: »Na gut, du hast mir bewiesen, dass ich nicht ungestraft bei dir die Bank ausrauben konnte. Aber dein Verhalten damals, als du mich davor warntest, jemals wieder in deinen Distrikt oder gar in deine Stadt zu kommen, war eine Herausforderung für mich. Ich musste es tun, verstehst du, ich musste es einfach! Jetzt hast du es mir gezeigt. Nun ist es gut. Mach mir die Dinger wieder los!«

Aber Jake Galloway schüttelt langsam den Kopf. Dann spricht er ebenfalls langsam Wort für Wort: »Ringo, ich habe dich gewarnt. Und ich versuchte dir auch zu erklären, warum ich jetzt auf der anderen Seite stehe. Diese Stadt gab mir eine Chance. Dafür gab ich ihr mein Wort. Und ich habe in dieser Stadt geheiratet, bin dort sesshaft geworden. Bald werden wir eine richtige Familie sein. Du hast zwei redliche Bürger meiner Stadt getötet. Ich habe dich gewarnt. Und nun sitz auf! Wir reiten weiter! Oder soll ich dich wieder quer über den Sattel legen und dich darauf festbinden?«

In Galloways ruhig klingende Stimme kommt ein harter, klirrender Ton.

Ringo Tyburn will immer noch nicht glauben, was er hört.

Ja, er lacht sogar leise.

»Aber das bringst du doch nicht fertig«, spricht er schließlich, »nicht bei einem alten Sattelgefährten, einem Amigo und Compadre auf allen rauen Wegen? Das kannst du gar nicht tun.«

»Ich muss es tun, weil ich in dieser Stadt mit meiner Familie leben möchte, weil ich mein Wort gab – und weil ich dich zuvor warnte. Ich muss es tun, Ringo. Und nun in den Sattel mit dir. Vorwärts!«

Da begreift es Ringo Tyburn endlich.

Er erhebt sich langsam und steht schließlich leicht schwankend, starrt auf die Handschellen, wobei er die Unterarme nach oben biegt, sodass er die Handschellen mit deren Verbindungskette dicht vor seinen Augen hat.

»Ich könnte meinen gesamten bisherigen Beuteanteil mit dir teilen«, spricht er dann. »Damit könntest du mit deiner Frau überall ...«

»Nein«, unterbricht ihn Galloway. »Ich habe dir doch lange genug erklärt, dass ich einen anderen Weg einschlug, einen völlig anderen als jenen, auf dem du dich immer noch befindest. Und überdies fand ich deine Beuteanteile in Juanita Mendozas Zimmer in der großen Blumenvase. Ich habe deine Satteltaschen auf deinem Pferd. Sieh doch mal richtig hin.«

Das tut Ringo Tyburn mit einem schnellen Blick. Und er glaubt, dass es seine mit Geld gefüllten Satteltaschen sind, die er da über dem Pferdenacken hängen sieht. Er hatte sie bei Juanita Mendoza in der großen Blumenvase versteckt, in der auch ein großer Hund Platz haben würde, so groß ist sie.

»Das hast du wirklich alles gut gemacht, mein Bester«, knirscht er. »Du bist wahrhaftig ein tüchtiger Sheriff. Diese Stadt machte mit dir einen guten Fang. Aber du weißt doch, dass sie mich werden hängen wollen. Vielleicht werden sie sogar von dir verlangen, dass du, der Sheriff, mir die Schlinge um den Hals legst und das Pferd unter mir davonjagst. He, könntest du das wirklich tun?«

»Ich warnte dich«, erwidert Galloway.

Da wendet sich Ringo Tyburn seufzend ab und klettert auf sein Pferd. Als er oben im Sattel sitzt, sagt er mit bitterer Ironie: »Ich wusste ja immer, dass es auf dieser Erde unter uns Menschen keine ewige Treue und Freundschaft gibt, dass man irgendwann verraten wird vom besten Freund und man sich letztlich auf nichts verlassen kann, sodass man einsam seinen Weg reiten muss. Aber von dir hätte ich Verrat zuletzt erwartet. Aber pass auf! Mach deine Ohren richtig auf, damit du nicht vergisst, was ich dir jetzt sage. Meine anderen alten Partner und Sattelgefährten werden nicht zulassen, dass einer von uns mich hängt. Sie werden kommen und mich zumindest rächen. Jake, wenn du mich nach Pecos Flower bringst und ich dort ...«

»Du redest zu viel«, unterbricht ihn Galloway rau. »Reite endlich! Den Weg nach Pecos Flower kennst du ebenso gut wie ich. Reite!«

Da gehorcht Ringo Tyburn schweigend.

Ja, er hat genug geredet, wahrscheinlich sogar schon zu viel. Und eines weiß er nun sicher: Jake Galloway hat wirklich einen anderen Weg eingeschlagen und ist nicht mehr umzustimmen.

Als Ringo Tyburn dies endgültig begriffen hat, beginnt sein Zorn auf Galloway sich in Hass zu wandeln.

✰✰✰

Es ist am Morgen des dritten Tages, als sie den Rio Grande durchreiten und Tyburn sein Pferd plötzlich dichter an das Tier von Galloway herantreibt und die Sekunde nutzt, als der Sheriff einmal zur Seite blickt. Tyburn wirft sich von seinem Pferd hinüber. Galloway kann sich nicht mehr im Sattel halten. Er fällt – und Tyburn fällt mit ihm, landet im kaum mehr als knietiefen und schlammigen Wasser auf ihm auf der anderen Seite des Pferdes.

Tyburn ist stark, schnell und weiß, dass er um sein Leben kämpft. Ja, er bekommt Galloway eine ganze Weile unter sich, beginnt schon zu hoffen, dass er ihn ertränken kann. Ein wildes Triumphgefühl steigt bereits in ihm hoch und will sich mit einem wilden Knurren artikulieren – aber dann bekommt ihn Galloway doch noch von sich, taucht aus dem schlammigen Wasser auf, schnappt nach Luft und stößt ihm die harte Faust ins Gesicht.

In Galloway ist ein kalter, unversöhnlicher Zorn.

Normalerweise würde er einen Mann, dessen Handgelenke mit Handschellen gefesselt sind, nicht so schlagen. Doch Galloways Nerven sind nach diesen Tagen und Nächten auch nicht mehr die besten. Er ist ausgebrannt, erschöpft, bekam nicht genug Schlaf, musste ständig angespannt auf der Hut sein.

Nun verliert er für kurze Zeit die Kontrolle über sich. Fast sieht es so aus, als wollte er Tyburn in Stücke schlagen. Ja, es ist eine gnadenlose Bestrafung, aber wer könnte das nicht verstehen?

Erst nach einer ganzen Weile wird ihm sein gnadenloses Tun bewusst. Keuchend hält er inne.

Und er hört sich schnaufend sagen: »Wenn du es noch mal versuchst, Tyburn, dann bringe ich dich tot nach Pecos Flower. Hast du verstanden? Beim nächsten Versuch töte ich dich.«

Tyburn erwidert nichts. Es ist nicht einmal sicher, ob er Galloways Worte überhaupt verstand. Denn er liegt halb bewusstlos im Schlamm.

Es dauert eine Weile, bis er sich langsam aufsetzt, ganz und gar mit Schlamm besudelt, aus Nase und Mund blutend.

»Komm hoch«, knirscht Galloway. »Ich kann dich auch an einem Lasso durch den Strom auf die andere Seite ziehen. Komm hoch!«

Tyburn gehorcht. Er spricht kein Wort mehr, auch nicht, als sie endlich auf der texanischen Seite sind und auf die Davis Mountains zureiten, die sich vor ihnen gen Himmel erheben.

✰✰✰

Als er mit Ringo Tyburn in die Stadt kommt, ist es später Nachmittag, fast schon Abend. Beiden Reitern sieht man den harten Ritt an, auch ihren erschöpften Pferden.

Und Ringo Tyburn ist gekennzeichnet von des Sheriffs Fäusten. Man sieht ihm an, dass er gnadenlos verprügelt wurde.

Auch an Galloway sind einige Zeichen dieser Art, doch bei ihm ist die Erschöpfung deutlicher zu erkennen. Jake Galloway ist ziemlich am Ende.

Aber dennoch hat er es geschafft.

Die Bürger der Stadt rufen ihm anerkennende Worte zu. Ja, sie sind zufrieden mit ihrem Sheriff. Er brachte einen Mörder zurück an den Ort der Untat. Nun wird der Gerechtigkeit bald Genüge getan.

Das ist es, was die Bürgerschaft von Pecos Flower will. Ihre Stadt soll eine stolze Stadt sein und bleiben.

Dafür sorgte nun ihr Sheriff.

Als er an der Bank vorbeireitet, da sieht er, dass sie geschlossen ist. Aber das ist nur erklärlich. Ihr Bankleiter ist tot. Es ist auch kein Bargeld mehr vorhanden. Die Hauptverwaltung in Austin hat zu dieser Filiale noch keinen Nachfolger und auch noch kein Geld geschickt.

Aber etwas von dem geraubten Geld – es waren an die fünfzigtausend Dollar – bringt er ja nun zurück.

Er reitet am Schneider- und Modeladen seiner Frau vorbei.

Sie tritt heraus auf den Gehsteig, irgendwie alarmiert – oder vielleicht instinktiv, weil sie sein Kommen spürte.

Er nickt ihr zu.

»Ich komme gleich, Nancy!«, ruft er zu ihr hinüber.

Zu beiden Seiten der Straße folgen ihm nun die zahlreicher werdenden Bürger. Als er vor dem Stadthaus mit seinem Gefangenen verhält, da umgeben sie ihn und Tyburn im dichter werdenden Kreis.

Oben über dem Sheriff's Office wird ein Fenster geöffnet, und dann sehen alle den Oberkörper von Richter Caesar Jonneson.

»Gute Arbeit, Sheriff!«, ruft er. »Bringen Sie den Gefangenen in die Zelle. Die Gerichtsverhandlung wird schon morgen stattfinden. Ich komme ins Office hinunter.«

Galloway nickt nur.

Er sitzt nun endlich ab. Man sieht, wie steif und müde er ist.

Sie helfen ihm mit dem Gefangenen. Und Ringo Tyburn hält den Mund. Er gibt sich erschöpfter und kränker, als er es wirklich ist. Denn er weiß, er darf diese Bürgeransammlung nicht reizen. Nur ein einziges böses oder gar herausforderndes Wort könnte die Menge bösartig und toll machen.

Ringo Tyburn ist tatsächlich froh, als er endlich in einer Zelle eingeschlossen wird. Er legt sich sofort auf die harte Pritsche und schließt die Augen.

Gewiss, er verspürt eine Menge Sorgen, fast sogar so etwas wie ein Furchtgefühl.

Doch dann sagt er sich in seinen sich jagenden Gedanken: Sie werden mich hier herausholen, irgendwie. Juanita hat gewiss sofort Boten zu Bat Jordan und Morg Allister geschickt. Die sind längst schon mit meinen anderen Partnern unterwegs, vielleicht sogar mit einer starken Mannschaft, die sie anwarben und gegen die auch die Bürgerwehr dieser Stadt keine Chance hat. Ich hänge noch lange nicht an einem Strick – noch lange nicht. Sie holen mich hier heraus. Auf Bat Jordan und Morg Allister kann ich mich verlassen, auch auf Hank Larkin und Jones Burton. Die kommen, verdammt!

Indes er dies alles im Zellenraum denkt, versammeln sich im Sheriff's Office die drei Stadträte und der Richter.

»Gute Arbeit, Sheriff«, wiederholt der Richter seine Worte, die er von oben gesprochen hatte.

Die drei anderen Männer nicken.

Nun endlich erscheint auch der Bürgermeister Festus Bridger und sagt zu Galloway: »Nun wissen wir sicher, dass Sie für diese Stadt der richtige Sheriff sind. Nun wird es nie wieder Zweifel geben.«

Er sieht den Richter an.

»Wann hängen wir Tyburn?« So fragt er hart.

Aber Caesar Jonneson schüttelt unwillig den Kopf.

»Wir werden nach Recht und Gesetz Gericht halten«, sagt er. »Denn davon wird es abhängen, ob diese Stadt stolz bleiben kann und sich nicht irgendwann schämen muss wie nach einer wilden Orgie, der dann stets ein böser Kater folgt. Wenn die Verhandlung ergibt, dass er schuldig ist, dann wird er hängen.«

Jake Galloway hört das alles.

Aber er nimmt es gar nicht mehr so richtig auf.

Er wendet sich zur Tür und sagt dabei über die Schulter: »Jemand soll mein Pferd zum Mietstall schaffen. Auch Tyburns Tier. Die Tiere sind so müde wie ich. Bis morgen, Gentlemen.«

Er geht mit schweren und etwas steifbeinig wirkenden Schritten sporenklirrend hinaus.

✰✰✰

Nancy erwartet ihn in der offenen Tür. Und kaum ist er eingetreten, da schmiegt sie sich in seine Arme und bietet ihm den Mund zum Kuss.

Er ist stoppelbärtig, staubig, riecht nach Schweiß.

Aber er ist gesund zurückgekommen. Sie lässt ihn einmal mehr spüren, wie sehr sie ihn liebt.

Später, als er sich gewaschen und umgezogen hat und sie sich am Tisch beim Essen gegenübersitzen, da sagt sie: »Nun wird die Stadt nie wieder an dir zweifeln, nicht wahr?«

Sie sieht ihm an, dass er jetzt nachdenkt und sozusagen tief in sich hineinzulauschen scheint, so als könnte er irgendwie aus seinem Kern Erkenntnisse heraufholen.

Dann sieht sie, wie er den Kopf schüttelt.

»O Nancy«, murmelt er schließlich, »du hast den Glauben an deine Mitmenschen noch nicht verloren. Du bist noch blauäugig und arglos. Aber ich kenne die Menschen sicherlich besser. Und deshalb erwarte ich nichts, gar nichts von den Bürgern dieser Stadt. Im Moment wollen sie mir alle auf die Schultern klopfen und sich am liebsten als meine Freunde geben. Aber diese Stimmung kann schnell umschlagen bei einem Misserfolg. Die Menge ist niemals fair, sondern sucht stets den eigenen Vorteil und bei Niederlagen die Schuld bei anderen.«

Er sieht nun, wie sie erschrickt. Und dann kommt auch schon ihre Frage: »Jake, was befürchtest du? Sag es mir!«

Er wiegt leicht den Kopf. »Ach, es kann eine Menge passieren«, murmelt er schließlich und leert die Kaffeetasse. Als er sie absetzt, sagt er beruhigend: »Nun, es wird schon alles gut gehen. Sie werden Gericht halten und ihn hängen. Wenn sie es schnell genug erledigen, werden seine Kumpane nichts mehr unternehmen wollen und wegen eines Toten nichts mehr riskieren.«

Aber als er verstummt, starrt Nancy ihn immer noch forschend an. Dann sagt sie: »Tyburns Kumpane hätten doch keine Chance gegen die ganze Stadt. Eine vereinte Bürgerwehr wäre gegen sie. In dieser Stadt gibt es an die fünfzig wehrhafte Männer.«

Er nickt kauend. »Richtig«, sagt er schließlich. »Und deshalb solltest du dir keine Sorgen machen. Aber dennoch sind die Menschen nicht edel und gut, sondern voller Fehler und Schwächen. Man darf sich keine Illusionen machen, wenn es mal hart wird. Diese Stadt war noch niemals richtig in Not und musste sich noch niemals als Gemeinschaft bewähren.«

»Wenn das notwendig werden sollte, dann wird sie sich bewähren«, erwidert Nancy überzeugt.

»Sicher«, sagt er, »das hoffe ich.«

✰✰✰

Es geht am nächsten Tag schnell.

Die Jury wird gebildet, dann werden die Zeugen vernommen. Jake Galloway fungiert als Vertreter der Anklage in seiner Eigenschaft als Sheriff. Ringo Tyburn lehnt einen Verteidiger ab mit den Worten: »Wozu einen Verteidiger? Ich kann gegen die Zeugen ja ohnehin nicht anstinken. Ich war es, das könnt ihr mir beweisen. Aber ich frage mich, ob ihr den Mut habt, mich zu hängen.«

Da beugt sich Richter Caesar Jonneson weit vor und fragt: »Sie bekennen sich also für schuldig, Angeklagter?«

»Sicher.« Ringo Tyburn grinst. »Doch wenn ihr mich hängen solltet, dann wird es die ganze Stadt büßen müssen – alle, die in ihr leben. Das schwöre ich euch.«

Es ist eine unverhüllte, brutale Drohung.

Sie alle im großen Raum des Stadthauses, in dem die Verhandlung stattfindet, begreifen es in diesem Moment erst richtig. Der Bandit, der hier zwei Männer tötete, droht ihnen. Unter den Zuschauern wird Geraune laut. Flüche tönen.

Eine Stimme ruft zornig: »Du glaubst wohl, dies wäre eine Stadt voller Feiglinge, die sich fürchten, einen verdammten Mörder zu hängen?«

»Ja, das glaube ich!« Ringo Tyburn grinst.

Der Richter klopft mit seinem Hammer auf die Tischplatte. Seine Stimme fordert energisch, dass man Ruhe halten möge.

Und als dann diese Ruhe eingekehrt ist, sagt er klar und deutlich: »Da der Angeklagte sich soeben als schuldig bekannte, wurde die Jury von diesem Moment an überflüssig. Ein Angeklagter, der sich für schuldig bekennt, unterwirft sich damit auch dem Schuldspruch des Richters.«

Er macht eine kleine Pause und blickt auf Ringo Tyburn.