G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 54 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 54 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

3 spannende Westernromane lesen und sparen!

G.F. Unger ist der erfolgreichste deutschsprachige Western-Autor. Mit einer Rekordauflage von über 250 Millionen Exemplaren gehört er zur internationalen Spitzenklasse der Spannungsliteratur. Und das zu Recht!

Niemand vermag es wie er, die unermesslichen Weiten des amerikanischen Westens und die Stärke der unerschrockenen Männer, die sie erschlossen, zu beschreiben. Erleben Sie den amerikanischen "Wilden Westen", wie nur G.F. Unger ihn schildern kann: hart, authentisch, leidenschaftlich.

Dieser Sammelband enthält die Folgen 2509 bis 2511:

2509: Zaubercolt
2510: Lockwood
2511: Die Verwegenen

Der Inhalt dieses Sammelbands entspricht ca. 192 Taschenbuchseiten.
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Seitenzahl: 472

Veröffentlichungsjahr: 2023

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G. F. Unger
G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 54

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben

Für die Originalausgaben:

Copyright © 2021 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2023 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Covermotiv: © Norma/Prieto

ISBN: 978-3-7517-4737-0

www.bastei.de

www.luebbe.de

www.lesejury.de

G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 54

Cover

Titel

Impressum

Inhalt

G. F. Unger Western-Bestseller 2509

War-Eagle-Saga

G. F. Unger Western-Bestseller 2510 - Western

Büffelweide

G. F. Unger Western-Bestseller 2511 - Western

Jagd ohne Gnade

Guide

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Contents

War-Eagle-Saga

Die »War Eagle« ist eines der vielen Dampfboote, die damals auf den Werften von Pittsburgh in Pennsylvania gebaut wurden. Und eigentlich ist es ihr bestimmt, den Ohio hinunterzufahren und vom Mississippi ein Stück oberhalb von Saint Louis in die mächtige Mündung des Missouri einzubiegen. Denn für den Big Muddy wurde sie gebaut. Doch es kommt anders für die »War Eagle«. Der Krieg bricht aus zwischen den Nord- und Südstaaten. Die »War Eagle« wird von der Unionsarmee zum Kriegsdienst verpflichtet und einer sehr delikaten Bestimmung übergeben.

Die Übergabe erfolgt an Lady Alexis McLaine, die der Norden für eine treue Patriotin hält. Die schöne Alexis kommt bald schon mit einem ganzen Dutzend ihrer Mädchen an Bord. Sie verwandeln die »War Eagle« in ein schwimmendes Edelbordell zur Betreuung erholungsbedürftiger Unions-Offiziere.

Es dauert etwa drei Jahre, bis die Unions-Armee endlich herausfindet, dass Lady Alexis McLaine die ganze Zeit sehr erfolgreich mit ihren Schönen Spionage für die Konföderierten betrieb, und so wird ein Kommando losgeschickt, um die bösen Schönen in Arrest zu nehmen und einem Kriegsgericht zu übergeben. Es sieht nicht gut aus für die schöne Alexis und ihre Mädchen ...

Noch bevor die »War Eagle« genug Dampf aufgemacht hat, um abzulegen, und die Fahrt zum Fort beginnen kann, trifft Captain Jack Stanton mit einer Schar von Freiwilligen der Konföderierten bei der Landestelle der »War Eagle« ein, um die für den Süden so sehr erfolgreichen Spioninnen zu befreien.

Das Kommando wartet bis zum Anbruch der Dunkelheit. Sie versammeln sich alle noch einmal um ihren Captain, dem sie schon oftmals freiwillig folgten, sodass man sie in der Truppe »Stantons Himmelfahrtskommando« nennt.

Als sie alle dicht genug um den Captain versammelt sind und er nicht so laut reden muss, da sagt er ihnen mit knappen Worten, wie sie es machen sollen.

Zuletzt spricht er: »Und denkt immer daran, dass da an Bord keine billigen Flittchen sind, sondern wunderschöne Evas, die mit allem, was sie besitzen, für unser Siegen im Einsatz waren. Behandelt sie also wie Ladys, denn sie haben Großes für unsere glorreiche Konföderationsarmee geleistet, uns zu Siegen verholfen oder wenigstens bittere Niederlagen erträglicher werden lassen. Habt ihr das verstanden? Einige von ihnen sollen sogar echte Gräfinnen oder Adlige sein.«

»Aber alle sind sie Frauen«, erwidert Sergeant Barney trocken. »Und wenn sie so edel und gut sind, wie Sie sagen, Sir, dann werden sie uns sicherlich auch belohnen wie Ladys, hahaha!«

Nun lachen sie alle leise.

Jack Stanton aber denkt: Sie sind eine verdammte Bande von Hurensöhnen, die vor nichts Respekt haben. Aber nur mit ihnen kann man dem Teufel ins Maul spucken und unmögliche Dinge wagen. Und einige von ihnen werden in der nächsten halben Stunde sterben. O verdammt, wann endlich ist der Krieg vorbei!

Nachdem er dies gedacht hat und auch ihr leises Gelächter verstummt ist, sagt er ruhig und kühl: »Also, jeder von euch weiß Bescheid. Gehen wir!«

Die Schar trennt sich nun, denn die Hälfte von ihnen muss in den Fluss, um von der Wasserseite her an Bord zu gelangen. Sie haben ihre Gesichter geschwärzt und werden nur mit Colts und Messern kämpfen. Einige von ihnen waren früher in Texas Revolverhelden und Pferdediebe, gingen schon als Zivilisten durch viele Grenzkämpfe, und manche haben im New-Mexico-Territorium gegen Apachen gekämpft.

Sie sind keine normale Truppe.

Und für ihren Captain gehen sie durchs Feuer.

✰✰✰

Im großen Salon auf der »War Eagle« sitzen indes Alexis McLaine und deren zwölf Mädchen. Sie trinken Whisky und wirken allesamt recht gelassen, so als hätten sie nach Erfüllung einer schweren Aufgabe endlich Feierabend und wären von jeder Pflicht befreit. Loretta sagt schließlich: »Das konnte ja auch nicht ewig so weitergehen, nicht wahr, ihr lieben Schwestern?«

»Und wir hatten eine Menge Spaß dabei.« Daisy lächelt. »All diese stolzen Krieger haben uns reich beschenkt für unsere Gunst. Es wäre lustig, wenn einige von ihnen jetzt zum Kriegsgericht gehörten, nicht wahr?«

Sie lachen durcheinander.

Und dennoch wissen sie alle, dass es sehr böse für sie ausgehen kann. In Kriegszeiten werden auch weibliche Spione zum Tode verurteilt, wenn ihre Tätigkeit so erfolgreich war, dass großer Schaden entstand.

Ja, es könnte sein, dass man sie trotz ihrer Schönheit zum Tod verurteilen wird.

Aber keine von ihnen lässt sich etwas anmerken von ihren Sorgen.

Und überdies ist da auch noch ihre Prinzipalin Alexis McLaine, wie man sie offiziell bezeichnet, so als wären sie eine Theatertruppe von Künstlerinnen.

Alexis McLaine leert ihr Glas in einem Zug und stellt es hart auf den Tisch, um den herum sie in weichen Polstern sitzen und an dem sie so manchen hohen Offizier der Union betrunken machten.

Sie sagt ganz ruhig: »Macht euch keine Sorgen. Die Konföderation holt uns heraus. Da wette ich alles, was ich habe.«

Sie hat kaum ausgesprochen, als es draußen losgeht.

Zuerst brüllt eine heisere Stimme laut einen Alarmschrei. Dann krachen Schüsse, wird das Gebrüll vieler Männerstimmen hörbar. Draußen wird gekämpft. Man hört es im Salon deutlich. Es muss ein erbitterter Kampf sein, der hier auf dem Schiff wütet.

Die Schönen von der »War Eagle« sitzen bewegungslos da und lauschen. Einmal sagt Susan: »Vielleicht sollten wir hinaus und den Jungs helfen, ja?«

»Nein«, bestimmt Alexis McLaine, »das wäre falsch. Unsere Stärken liegen auf einem anderen Gebiet. Wartet nur ab, ihr Engelchen. Es wird gewiss alles gut. Die Konföderation hat gewiss keine Versager zu uns geschickt.«

Sie nicken zu den Worten der schönen, rothaarigen und grünäugigen Frau, die sich wie eine Fürstin benehmen kann.

Der Kampf draußen dauert noch eine Weile. Dann aber wird es still.

Laura flüstert: »Hoffentlich haben unsere Jungs gewonnen.«

Dann geht die Tür auf.

Jack Stanton tritt in den Salon, den Colt noch in der Faust und aus einigen leichten Wunden blutend. Seine Uniform ist zerfetzt, so als wäre er mehrmals nur mit knapper Not den Säbelspitzen des Feindes ausgewichen.

Er grinst hart mit blinkenden Zahnreihen.

»Ladys«, sagt er. »Ich bin Captain Stanton und sehr erfreut, Sie wohlbehalten zu sehen. Wir legen sofort ab, denn wir haben einen guten Lotsen mitgebracht. Es geht zuerst in den Ohio und dann zum Mississippi. Oder haben die Ladys andere Wünsche?«

Sie sehen ihn an, und er gefällt ihnen.

So beginnen sie alle zu lächeln.

Alexis McLaine aber spricht für sie alle: »Captain, wir sind Ihnen und Ihren Männern zu großem Dank verpflichtet. Können wir irgendetwas tun?«

Da nickt er, und sein Gesicht ist ernst und wirkt verbittert. Nein, jetzt zeigt er nicht mehr seine blinkenden Zähne im Triumph des Sieges.

»Ich habe Tote und Verwundete«, sagt er. »Da ...«

»... helfen wir«, unterbricht ihn Alexis. »Und unsere Männer sind unten in einem der Räume eingesperrt. Ich glaube, man hat sie angekettet.«

»Die werden jetzt gewiss schon befreit. Also gut, Ladys, dann verwandeln Sie diese Salon in ein Lazarett.«

Die »War Eagle« macht wenig später die Leinen los und geht in den Strom. Denn inzwischen ist auch genügend Dampf in den Kesseln. Und überdies fährt sie ja stromabwärts.

Sie fährt die ganze Nacht, denn der mitgebrachte Lotse kennt den Strom bis zur Mündung in den mächtigen Mississippi.

An Bord wird inzwischen alles für die Verwundeten getan. Fast ein Dutzend sind es, denn es wurde hart und gnadenlos gekämpft. Und überdies gab es unter Captain Stantons Männern fünf Tote.

Als der Morgen graut, versammeln sich Alexis McLaine und deren Schönen im Salon der »War Eagle«. Sie alle sind ernst und haben begriffen, was diese Männer auf sich nahmen, um sie zu retten.

Doch Alexis und deren Mädchen haben auch wirklich gute Arbeit verrichtet als Krankenschwestern. Besonders Alexis, Loretta und Daisy arbeiteten fast wie erfahrene Feldärzte.

Jemand bringt starken Kaffee, dazu eine Flasche Whisky, den sie sich in den Kaffee schütten. Sie schlürfen das Gebräu und blicken auf Jack Stanton, der nun zu ihnen in den Salon tritt.

»Ich bedanke mich im Namen meiner Männer«, sagt er ernst. »Es war ein schweres Stück Arbeit, Schwestern.«

Sie alle schweigen.

Dann fragt Alexis: »Und nun, Captain?«

Er zuckt mit den Schultern.

»Unsere Sache ist verloren«, murmelt er dann. »Wir haben jetzt Oktober 1864. Und seit September schon verwüstet General Sheridan mit seinen Truppen unser wunderschönes Shenandoahtal. Auch in Georgia steht es denkbar schlecht. Bald wird Atlanta brennen, und dann wird General Sherman mit seiner Armee den Marsch durch Georgia beginnen und erst anhalten, wenn er unsere Truppen in den Atlantik gejagt hat. Der Süden ist ausgeblutet, ist ohne Material. Es ist vorbei, Ladys. Auch der große General Lee kann die Konföderation nicht mehr retten.«

Er verstummt bitter.

Sie aber sehen ihn an und fragen sich, warum dieser Mann, der doch die Sache des Südens schon verloren gibt, mit seinen Männern noch einmal so gnadenlos kämpfte. In dieser Minute begreifen sie erst richtig, dass er es nur ihretwegen tat, nur, um sie zu retten.

Er beantwortet nun die Frage von Alexis präziser: »Die ›War Eagle‹ ist nun ein Kriegsschiff der Konföderierten. Wir werden bis nach New Orleans hinunterfahren und dort die Blockade der Union zu durchbrechen versuchen. Wir müssen von den Seeschiffen so viel Fracht übernehmen wie wir nur können. Das ist mein Auftrag. Euch aber muss ich bei der nächsten größeren Stadt an Land setzen. Ihr seid entlassen aus den Diensten der Konföderation.« Er macht eine kleine Pause und spricht dann weiter: »Ihr wisst ja, meine lieben Schwestern, dass seit über einem Jahr Vicksburg, das Gibraltar des Mississippi, in den Händen der Unionstruppen ist. Damit wurden alle Staaten der Konföderation, welche westlich des Mississippi liegen, abgeschnitten. Ich muss mit der ›War Eagle‹ also durch feindliches Gebiet den Strom hinunter und – wenn es mir glückt – mit wichtiger Fracht wieder hinauf. Vielleicht schießt uns schon die erste Unionsbatterie von einem Ufer aus zusammen, aber vielleicht hilft es, dass die ›War Eagle‹ noch als Schiff der Union geführt wird. Wir werden sehen ...«

Er verstummt mit einem Klang von Resignation in seiner Stimme. Dies setzt sie in Erstaunen, denn sie halten ihn für einen Kämpfer, der niemals aufgibt. Er spürt ihr Erstaunen und fügt hinzu: »Der Süden hat verloren. Damit müsst ihr euch abfinden, liebe Schwestern. Seht zu, dass ihr weit weg seid, wenn alles zusammenbricht und die Staaten der Konföderation von den Siegern besetzt werden. Bleibt nicht zusammen. Bildet kleinere Gruppen zu zweit oder zu dritt. Geht nach Kalifornien oder Oregon. Verwischt eure Fährten. Habt ihr genug Geld?«

Da lächeln sie alle. Und die schöne Daisy sagt: »Yankeedollars! Ja, die haben wir reichlich gesammelt, kein bald wertloses Südstaatengeld. Ja, wir haben reichlich eingenommen. Was wird mit unseren männlichen Helfern und Beschützern und der Zivilbesatzung der ›War Eagle‹?«

»Die bleiben alle bei mir«, erwidert Jack Stanton. »Ich brauche jeden Mann, und sie sind Männer des Südens. Ist also alles klar, Ladys?«

Sie nicken.

Und die schwarzhaarige Katarina, von der man sagt, dass sie eine wirkliche Gräfin sei, fragt freundlich und leichthin: »Und wir dürfen uns bei Ihren Männern bedanken, Captain?«

Nun lächeln sie alle, auch Alexis, ihre Prinzipalin.

Er grinst beinahe grimmig.

»Meine Männer sind ein wenig verwildert. Dieser Krieg hat sie zu zweibeinigen Raubtieren gemacht. Doch was sie in ihrer Freizeit machen, geht mich nichts an. Wir alle hielten schon lange keine Frau mehr in den Armen.«

Nach diesen Worten geht er hinaus.

Als die Tür sich hinter ihm schließt, bleibt es im Salon eine Weile still.

Dann sagt Alexis McLaine ruhig: »Es geht alles irgendwann einmal zu Ende. Aber es gibt fast immer wieder einen neuen Anfang. Wir sind davongekommen, weil diese guten Jungs uns heraushalten aus einer ausweglosen Situation. Bedanken wir uns also auf unsere Art bei ihnen, solange wir noch zusammen an Bord sind. Und dann gehen wir neue Wege. Wir alle sind keine dummen Hühner. Ich bin sicher, jede von uns wird ihren Weg finden. Keine wird untergehen. Wir sind schön, klug und kennen die Welt.«

Sie nicken.

Loretta sagt: »Und diese Welt wird niemals besser, nur immer schlechter. Ein Glück für uns, dass wir keine dummen Hühner sind.«

✰✰✰

Zwei Nächte später legt die »War Eagle« bei einer Sägemühle am Westufer des Mississippi an, denn hier gibt es auch einen Holzplatz für Dampfboote. Vom Ostufer hält eine Fähre Verbindung zum Westufer, und so entstand bei diesem Holzplatz eine kleine Stadt, die sich Batesboro nennt.

Es gibt eine große Poststation mit einem Wagenhof der Post und eine Frachtlinie nach Westen. Man kann sich hier auch Extrapostkutschen mieten, welche außerplanmäßig fahren.

Alexis McLaine mietet zwei solche Kutschen für sich, ihre Mädchen und das viele Gepäck.

Als sie dann von Bord gehen, ist die Holzübernahme voll im Gang. Die Dampfwinde kreischt unablässig. Mithilfe des Lademastes und des großen Korbes werden jedes Mal eine große Menge Holz an Bord geschafft.

Jack Stanton steht an der Gangway, als Alexis als letzte Frau das Schiff verlässt und bei ihm verhält.

»Vielleicht kreuzen sich noch einmal unsere Wege.« Sie lächelt. »Ich würde gern noch mal in deinen Armen liegen, Jack, so wie in der vergangenen Nacht. Ich glaube nicht, dass ich dich vergessen werde – nein, nicht so bald.«

»Viel Glück«, erwidert er. »Du bist eine Frau, die einem Mann für eine Nacht das Paradies schenken kann. Danke.«

Sie neigt nur ihren Kopf und geht an ihm vorbei von Bord.

Er sieht ihr nach, bis sie zwischen den ersten Häusern der kleinen Stadt verschwindet.

Und er weiß nicht – kann es ja auch nicht wissen –, dass sich ihre Wege wirklich noch einmal kreuzen werden. Und nicht nur kreuzen.

✰✰✰

Es ist genau zwei Monate später, als die »War Eagle« schwer beladen mit Ausrüstung und Kriegsmaterial jeder Art die Fahrt stromauf bis zur Mündung des Arkansas River geschafft hat und in einer sternenklaren Nacht in den Arkansas hineindampft.

Sie legt am Südufer an, wo Reiter in grauen Uniformen sie erwarten. Und viele Wagen rollen heran. Die Dampfwinde beginnt zu fauchen. Der Lademast schwingt immer wieder zwischen dem Schiff und dem Ufer hin und her.

Bis zum Tagesanbruch dauert das Ausladen.

Dann kehrt die »War Eagle« wieder zum mächtigen Mississippi zurück, für den sie damals eigentlich gar nicht gebaut wurde.

Man schreibt nun den Februar 1865.

General Grant rückt in diesem Monat von Norden her in Virginia ein, Sheridan aber kommt mit seiner Armee von Westen her.

Das Kernland der Südstaaten – und vor allen Dingen Richmond, die Hauptstadt der Konföderation – sind bedroht. Das Ende des Krieges bahnt sich an.

Jack Stanton versammelt seine Männer auf dem Hauptdeck und spricht zu ihnen: »Wir haben unseren Auftrag erfüllt und getan, was wir nur tun konnten. Ich glaube nicht, dass wir noch bis zur Ohio-Mündung kommen, um auf dem Ohio möglichst nahe an Virginia heranzukommen. Die ›War Eagle‹ steht längst auf der Abschussliste der Union. Aber wir müssen es versuchen, nicht wahr, Männer?«

Sie stimmen ihm nicht jubelnd zu. Sie nicken nur mehr oder weniger heftig.

Und noch bevor einer von ihnen etwas sagen kann, ruft oben vom Ruderhaus eine Stimme zu ihnen nieder: »Aufgepasst! Blaubäuche am Ostufer. Mit Kanonen!«

Die Stimme aus dem Ruderhaus ist kaum verstummt, da kracht drüben am Ostufer auch schon die erste Salve einer Batterie aus einer gut im Uferwald verborgenen Stellung. Das ganze Ruderhaus wird weggefetzt, und auch in die Kabinenaufbauten schlägt es ein. Die »War Eagle« gerät sofort außer Kurs und strebt dem Westufer zu, wo sie erst ganz dicht am Ufer auf Grund läuft, denn sie ist ja fast völlig entladen worden.

Als Jack Stanton mit dem Rest seiner Männer – darunter viele Verwundete – an Land geht, werden sie dort schon von Unionstruppen erwartet.

Jack Stanton fragt seine Männer: »He, Jungs, hat einer von euch ein weißes Hemd, das noch einigermaßen sauber ist?«

»Ich, Sir«, meldet sich Corporal Lonegat und zieht auch schon seinen grauen Feldrock aus. Denn sie alle tragen jetzt die Uniform der Konföderation, nicht mehr das Blau der Union.

Er zieht das noch reine, fast weiße Hemd aus und gibt es seinem Captain.

Und dieser knöpft es an einen Stock und geht zu den sogenannten »Blaubäuchen« hinüber, wo ihm ein Major entgegenkommt, der ihn spöttisch fragt: »Nun, Rebell, was soll's denn sein?«

»Wir ergeben uns«, erwidert Captain Stanton. »Oder haben Sie etwas dagegen, Sir?«

»Eigentlich schon«, grinst der bärtige Major. »Wir hätten euch gern zur Sau gemacht, so wie es verdammten Rebellen zukommt. Keine Chance hättet ihr gehabt. Wie kommt es, dass ihr nicht sterben wollt für eure verlorene Sache? Sind keine Helden unter euch?«

»Nein, Sir«, erwidert Jack Stanton. »Es tut mir leid, dass ich Sie enttäuschen muss, Sir.«

»Es wird euch verdammt schlecht ergehen in den Gefangenenlagern«, sagt der Major, und der Hass glitzert in seinen Augen. »Es werden nicht wenige von euch an Hunger und Krankheiten sterben.«

»Sie sind ein besonders ehrenwerter Gentleman, Sir«, erwidert Jack Stanton. »Die glorreiche Unionsarmee kann stolz auf Sie sein.«

Da schwindet das Grinsen aus dem Gesicht des Majors. Doch er murmelt fast tonlos: »Rebell, ich verlor meine ganze Familie bei einem Angriff von euch Rebellen auf unsere kleine Stadt. Am liebsten würde ich euch alle hängen. Wollt ihr nicht doch lieber kämpfen?«

»Nein, Sir, wir ergeben uns«, erwidert Captain Stanton ernst.

»Das werdet ihr noch bedauern«, knirscht der Major. »Also kommt alle mit erhobenen Händen und ohne Waffen. Und wenn einer von euch auch nur ein Taschenmesser in der Hosentasche haben sollte, lasse ich ihn erschießen.«

»Yes, Sir«, erwidert Stanton und salutiert. »Darf ich Ihren Namen erfahren, Major, oder wollen Sie ihn mir nicht nennen, sondern lieber ein namenloser Gönner bleiben?«

»Man wird Sie klein machen, Rebellencaptain.« Der Major grinst. »Und mein Name ist Glendale, Major Phil Glendale. Behalten Sie ihn gut in Erinnerung, Rebell.«

»Das werde ich, Sir. Ganz bestimmt werde ich das.«

Nach diesen Worten wendet sich Captain Stanton ab, um seine Leute heranzuwinken und ihnen zuzurufen, dass sie mit erhobenen Händen und ohne Waffen kommen sollen und nicht mal ein Messer in der Tasche tragen dürfen.

Sie kommen aus ihren Deckungen.

Hinter ihnen am Ufer liegt die arg beschädigte »War Eagle«. Ein Glück für das Schiff ist es, dass die beiden Kessel nicht explodierten. Das ist geradezu ein Wunder. Nun zischt der Dampf aus den Ventilen, denn die beiden Maschinisten drehten schon beim ersten Treffer, der das Ruderhaus wegpustete, die Ventile auf.

Captain Stanton wartet – den Rücken dem Major und dessen Truppe zugewandt – auf seine Männer.

Langsam und ganz und gar ein verbitterter und geschlagener Haufen kommen sie heran.

Er wirft noch einen Blick auf die »War Eagle«.

Und er denkt: Was wird wohl aus diesem Mountain Boat? Wird es jemals den oberen Big Muddy zu sehen bekommen?

✰✰✰

Es beginnt ein Leidensweg für Stanton und dessen Männer. Siebenundzwanzig sind es insgesamt, und schon im ersten Gefangenenlager bricht die Cholera aus und lässt die Gefangenen wie die Fliegen sterben.

Auch sieben von Stantons Männern erwischt es.

Für die anderen aber dauert der Leidensweg noch viele Monate, denn der Hass ist zu stark. Immer noch wird in Virginia und Carolina gekämpft.

Am 21. Dezember – drei Tage vor dem Christfest – nimmt General Sherman die südstaatliche Hafenstadt Savannah ein.

Es gibt nirgendwo Gnade, nur immer neuen Hass in diesem Bruderkrieg.

Und die »War Eagle«?

Sie liegt einige Wochen stark beschädigt auf Grund, und vielleicht wäre sie beim nächsten Hochwasser endgültig vernichtet worden.

Doch ein Mann, der sich James Morton nennt, kauft die beschädigte Kriegsbeute der Union für ganze tausend Dollar.

Dass er sie so günstig kaufen kann, liegt an dem dafür zuständigen Regierungsbeauftragten, dem er dann noch weitere zweitausend Dollar unauffällig in die Tasche schiebt, die wie zufällig geöffnet auf dem Schreibtisch liegt.

Schon am nächsten Tag wird die »War Eagle« abgeschleppt und zu einer kleinen Werft gebracht. Jener James Morton bringt es fertig, dass die kleine Werft sofort mit der Arbeit beginnt und auch die notwendigen Ersatzteile und das nötige Material heranzuschaffen vermag.

Aber eigentlich ist das kein Wunder, denn James Morton bezahlt mit alten Golddollars, richtigen guten Doppeladlern. Und vielleicht weiß nur der Teufel, woher er die große Eisenkiste hat, die er ständig von zwei Revolvermännern bewachen lässt.

Golddollars! Dies ist das große Zauberwort jetzt gegen Ende des Krieges. Denn der Krieg nähert sich wahrhaftig dem Ende.

Am 1. April findet bei Five Forks die letzte wichtige Schlacht des Krieges statt. General Sheridan schlägt die Truppen der Konföderierten. Schon drei Tage später werden die Festung Petersburg und Richmond – die Hauptstadt der Konföderation – erobert.

Inzwischen ist die Hauptarmee der Konföderation unter General Lee auf 28.000 Mann zusammengeschmolzen und streckt am 9. April bei Appomattox Court House vor General Grant die Waffen.

Der Krieg ist aus.

Und die »War Eagle« ist wieder repariert und macht Dampf auf.

James Morton steuert sie selbst den Strom hinauf. Und bei ihm an Bord ist eine Bande von Exguerillas, die er einst als Colonel hinter den Linien der Konföderiertenarmee führte. Aber sie waren eine verdammte Banditenbande, die nur angeblich für die Union kämpfte, in Wirklichkeit nur Beute machte, zerstörte und im Hinterland der Südstaatenarmee Furcht und Schrecken verbreitete.

Die »War Eagle« dampft drei Tage und drei Nächte den Mississippi hinauf und wird mehrmals von Unionsschiffen kontrolliert. Doch James Morton hat erstklassige Papiere.

In der vierten Nacht biegt die »War Eagle« in einen kleinen Fluss ein und legt wenige Meilen weiter bei einer kleinen Siedlung an. Es gibt hier eine Sägemühle und viele Holzschuppen.

Ein halbes Dutzend Männer erwartet James Morton an der Landebrücke.

»Nun gut«, sagt er, kaum dass er die Landebrücke betreten hat. »Dann ladet das Boot voll. Und auch die beiden Geschütze will ich bis Sonnenaufgang vorn und achtern schwenkbar montiert haben.« Er wendet sich um und ruft den Männern der Besatzung zu: »Na los, Jungs! Ausruhen könnt ihr, wenn wir den verdammten Strom hinauffahren!«

Sie drängen über die Gangway und die Landebrücke an Land. Und in den angeblichen Holzschuppen der Sägemühle finden sie die Fracht für die »War Eagle«.

Es ist Beutegut des Krieges, Konserven jeder Art, unverderblicher Proviant, Waffen, Munition, Sprengstoff, Werkzeuge, Geräte, Lampen, Öl, Karbid und all das Zeug, was in den Magazinen einer Armee gelagert wird.

Die »War Eagle« übernimmt mehr als zweihundert Tonnen Fracht – und das sind mehr als viertausend Zentner.

Sie arbeiten hart und ohne Pause, Stunde um Stunde, und sie sind einundzwanzig Mann.

Am nächsten Vormittag dann, als sie ausruhen und ein spätes Frühstück kauen, da hält James Morton ihnen eine kurze Rede.

Er sagt: »Also, Männer, ihr wisst Bescheid. Unsere Beute wird oben im Goldland von Montana tausendfachen Gewinn bringen. Dort fehlt es jetzt nach dem Winter an allen Dingen. Und man wird für einen einzigen Hufnagel einen Dollar bezahlen, das könnt ihr mir glauben. Wir müssen nur die Ersten sein mit unserer Fracht. Sie ist wie ein Chip beim Roulett, den man einsetzt, um den höchsten Gewinn zu erzielen. Nur wird unser Gewinn nicht fünfunddreißigfach sein, sondern so hoch wie der Himmel. Wir müssen nur von Saint Louis aus den verdammten Big Muddy hinauf bis Fort Benton. Aber wir schaffen das, verdammt, Männer, wir schaffen das, weil einige unter uns sind, die den Big Muddy kennen! Doch wir werden kämpfen müssen gegen Piraten und Indianer. Aber kämpfen können wir, nicht wahr, Jungs?«

Als er diese Frage stellt, da stimmen sie ihm begeistert zu.

Und sie alle wissen: Hier im Süden ist diese Beute an Sachwerten nichts wert. Hier gibt es vorerst nur wenige Yankee-Dollars.

Niemand könnte ihnen etwas abkaufen, höchstens eintauschen gegen Baumwolle, Mais, Pferde oder Rinder.

Nein, sie müssen das Zeug dorthin bringen, wo man es ihnen aus den Händen reißen und mit Gold bezahlen wird.

Als die »War Eagle« am späten Nachmittag ablegt, ist sie so schwer beladen – denn sie nahmen auch noch Brennholz an Bord –, dass sie kaum über einige Untiefen hinwegkommt.

Doch dann erreicht sie den Mississippi und kämpft mit etwa sechs Meilen die Stunde gegen dessen Strömung an.

Und das sind in hundert Stunden erst sechshundert Meilen.

Aber allein von Saint Louis aus sind es bis Fort Benton 2.663 Meilen. Und zunächst müssen sie noch ein gewaltiges Stück den Mississippi hinauf.

Sie haben wirklich eine Menge vor, diese Exguerillas, die nichts anderes als Banditen waren. Ihr wilder Haufen ist arg zusammengeschmolzen. Sie hatten viele Verluste.

Doch der Rest ist James Morton, den sie immer noch Colonel nennen, besonders ergeben.

✰✰✰

Je weiter sie nach Norden kommen, desto mehr können sie beobachten, wie überall eine Art Völkerwanderung nach Westen in Gang kommt.

Fast bei jedem Ort, wo es Fähren gibt, setzen Wagenzüge über und streben nach Westen. Jetzt nach dem Krieg ziehen die Menschen aus, um sich Land zu suchen und den Westen zu erobern.

Die »War Eagle« aber dampft Tag und Nacht den Strom hinauf.

Hier auf dem Mississippi sind die Gefahren noch nicht so drohend, wie sie es auf dem Missouri sein werden, aber dennoch übersteht die »War Eagle« mit Glück einige sehr gefährliche Situationen.

Und irgendwann endlich lassen sie Saint Louis hinter sich, steuern in die gewaltige Missouri-Mündung hinein und erreichen nach fünfundzwanzig Meilen St. Charles. Und schon hier spüren sie, wie sehr viel mühsamer die »War Eagle« gegen die Strömung ankämpfen muss.

James Morton sagt ihnen, dass Fort Benton 2.400 Fuß über dem Meeresspiegel liegt und der Big Muddy eigentlich ein verdammter Gebirgsfluss wäre, mit seinen vielen Windungen – eine Art große Wendeltreppe hinauf zu den gewaltigen Rockies.

Es stellt sich in diesen Tagen und Wochen heraus, dass James Morton wirklich erstklassige Flussmänner in seiner Mannschaft hat, die sich auskennen, weil sie vor dem Kriege hier lebten als Flussschiffer, Kielbootfahrer oder Holzfäller und Flößer.

Sie kommen vorwärts Flussmeile um Flussmeile, Tag für Tag und Nacht für Nacht, wenn die Nächte mond- und sternenhell sind und die Sicht meilenweit ist auf dem silbern funkelnden Strom.

Sie überstehen treibende Baumstämme und bekommen nur zweimal ein Leck gerammt, das sie jedoch stets in einer ruhigen Bucht reparieren können.

Es ist irgendwann nach Zwei Wochen in der Abenddämmerung, und die »War Eagle« will in einer Bucht ankern und erst darauf warten, dass Mond und Sterne die Nacht hell werden lassen, als die Indianer an Bord kommen. Auch einige Weiße – wahrscheinlich Squawmänner, Renegaten und Deserteure, sind unter ihnen.

Sie töten drei von Mortons Männern und verwunden zwei andere.

Doch dann bekommen sie es. Mortons Männer mögen Mörder sein, kaltblütige Verbrecher und übler Abschaum der Menschheit – aber kämpfen können sie. So sehr sie den Tod auch verdient hätten, diesmal müssen sie nicht alle im Kampf gegen diese gemischte Bande von Indianern und Weißen sterben.

Sie jagen die Bande mit Schrotflinten und Revolvern von Bord.

Dann geht die »War Eagle« wieder aus der Bucht hinaus in den Strom und fährt trotz der noch ziemlich dunklen Nacht den Strom hinauf.

Und sie hat Glück. Obwohl sie sozusagen »blind« fährt, kommt ihr kein treibender Baum entgegen und versperrt ihr keine Untiefe den Weg.

✰✰✰

Die Bergfahrt auf dem Oberen Big Muddy wird immer gefährlicher. Sie können es nicht mehr wagen, bei Nacht zu fahren, selbst wenn Mond und Sterne strahlen. Es gibt zu viele tückische Stellen im Fluss, vor allen Dingen dann, wenn sich der Big Muddy in mehrere Arme teilt und es gilt, die beste Fahrrinne zu finden.

Denn die »War Eagle« ist ja schwer beladen mit der im Goldland so kostbaren Fracht. Obwohl für den Oberen Missouri konstruiert, also mit nur wenig Tiefgang, liegt sie mehr als einen Yard im Wasser. Immer wieder schrammen sie über Sandbänke. Dann hat das Schaufelrad nur wenig Wasser und findet nur geringen Widerstand.

Es ist dann an einem Vormittag, als sie den Citadel Rock erreichen. Es ist ein großer Felsen an einer scharfen Flussbiegung.

Hier ist der manchmal mehr als eine halbe Meile breite Missouri nur sechsundsiebzig Yards breit, die Fahrrinne aber noch sehr viel schmaler. Und der Fluss presst eine gewaltige Strömung durch diese Enge.

Zu beiden Seiten drohen Klippen, deren Spitzen aus dem Wasser ragen wie die Zähne eines gewaltigen Untiers.

Doch die »War Eagle« schafft es an diesem Vormittag. Einige Male wird sie von der starken Strömung aufgehalten, ja sogar etwas abgetrieben. Dann drehen die Maschinisten die Drosselventile noch fester, und die Heizer schüren das Feuer unter den Kesseln zu noch stärkerer Hitze.

Dann schiebt sich die »War Eagle« wieder langsam vorwärts, kämpft gegen den Druck der Strömung an. Als sie um die Biegung einschwenkt, will die Strömung ihren löffelartigen Bug herumdrücken und sie auf die Klippen stoßen.

Doch der Steuermann Pete McLowry heult nach mehr Dampf – und er bekommt ein halbes Bar mehr. Und so schafft es die »War Eagle«, ohne zu stranden und ohne Kesselexplosion.

Als der Strom dann wieder breiter wird und die Strömung mehr und mehr an Stärke verliert, brüllen sie alle ihren Triumph hinaus.

Denn nun erst ist ziemlich sicher, dass es die »War Eagle« schaffen wird bis Fort Benton, jener Stadt am Oberen Big Muddy, die aus einem Handelsfort entstand und zum großen Umschlagplatz aller Güter nach den Goldfundgebieten wurde.

Gewiss, es fahren auch Frachtwagenzüge von Fort Laramie aus den Bozeman Weg hinauf mitten durch das Indianerland. Doch der Transport auf dem Big Muddy ist die stärkere Lebensader für die Zehntausende in den Goldfundgebieten bei Bozeman, im Gallatin Valley und in der Last Chance Gulch.

James Morton sagt zu seinen Männern: »Jungs, wir haben es so gut wie geschafft. In Fort Benton werden wir reich, und wenn ihr eure Anteile bekommen habt, dann fahren wir noch einmal zusammen – nur noch einmal – den Big Muddy hinunter bis nach Kansas City, bevor wir uns trennen und jeder die Taschen voller Gold seiner Wege geht. Gold!«

Er fühlt sich tatsächlich wie ein Anführer, der für seine Getreuen wie ein Vater sorgt und sie für ihre treuen Dienste belohnt. Dies stärkt sein Selbstwertgefühl ungeheuer und lässt ihn vergessen, dass er der Anführer einer wilden Horde war, wie nur ein erbarmungsloser Krieg sie entstehen lassen kann zwischen den Fronten.

✰✰✰

Als die »War Eagle« am Nachmittag des nächsten Tages Fort Benton in Sicht bekommt, da lässt sie das Dampfhorn tuten.

Es gibt hier viele Landebrücken, doch an keiner liegt ein Dampfboot, welches den Strom heraufgekommen sein könnte.

Nur Kielboote und einige kleine Barkassen sind da und dort festgemacht.

Es ist nun ziemlich sicher, dass die »War Eagle« das erste Dampfboot seit dem vergangenen Herbst ist, welches Fracht heraufbringt.

Sie sehen es auch bald an den vielen Menschen, die sich auf der Uferstraße bei den Landebrücken einfinden.

Als die »War Eagle« festmacht, werden schon viele Fragen zu ihr hinübergerufen.

»Habt ihr Whisky, Tabak und Hufeisen? He, habt ihr das Klavier mitgebracht, das ich im vergangenen Herbst bestellte? Habt ihr Hufeisen, Werkzeug und Sprengstoff?«

Es ist ein Durcheinander an gebrüllten Fragen.

Und eines ist klar: Der lange Winter hat dafür gesorgt, dass es im Goldland an allen Dingen fehlt. Und die meisten Leute hier sind Händler, die auf das erste Dampfboot warten.

James Morton steht oben im Ruderhaus neben dem Steuermann Pete McLowry.

»Siehst du, McLowry«, sagt er zufrieden. »Die werden uns jetzt alles, was wir ihnen geben, mit Gold aufwiegen. In zwei bis drei Tagen haben wir alles verkauft und machen uns auf den Rückweg. Wir brauchen hier nicht zu überwintern, nach Gold zu suchen und es mühsam aus der Erde zu kratzen. Wir kamen mit einer schwimmenden Goldader den Strom herauf und beuten sie binnen zwei bis drei Tagen hier an der Landebrücke aus. So muss man es wohl sehen – oder?«

Es dauert tatsächlich nur drei Tage, dann ist die »War Eagle« leer gekauft und übernimmt Holzvorräte für die Talfahrt.

Was sie hier trieben, war Wucher, unverschämte Ausnutzung von Angebot und Nachfrage. Doch obwohl sie gewaltige Überpreise verlangten für das Beutegut, das sie als Guerillabande machten und einlagerten, überboten sich die Interessenten gegenseitig, weil man im Goldland offenbar noch eine Menge auf diese Wucherpreise draufschlagen kann.

James Morton und dessen Männer haben »abgesahnt«, wie sie es nennen. Da Bargeld knapp ist, nahmen sie Gold.

Die »War Eagle« aber hat in diesen drei Tagen, da sie ihre Fracht zu horrenden Preisen losschlägt, dennoch ein Problem.

Die Kessel, sämtliche Dampfleitungen, die Ventile und auch die Kolben müssen gereinigt werden von all den Ablagerungen, die das sandige oder schlammige Flusswasser hinterließ. Gewiss, man konnte unterwegs immer wieder eine Menge von diesem Zeug ausblasen, doch es blieb noch zu viel davon zurück.

Und so arbeiten Mortons Männer noch einmal wie ehrliche Flussschiffer, obwohl jeder von ihnen jetzt wohlhabend wurde.

Doch ihr Verhältnis zueinander hat sich in den letzten drei Tagen sehr verändert. Bisher waren sie eine verschworene Bande von menschlichem Abschaum, und jeder von ihnen hatte begriffen, dass sie nur dann gewinnen und davonkommen konnten, wenn sie zusammenhielten.

Jetzt aber tragen sie ihre Anteile an Gold in den Taschen oder in den Gürteln, die sie sich auf den bloßen Leib schnallten. Keiner traut mehr dem anderen. Ihnen allen wurde bewusst, dass sie zweibeinige Raubtiere sind und es für alle nur gut sein wird, wenn sie möglichst schnell in Kansas City ankommen und sich dort trennen.

James Morton wird dort die »War Eagle« sicherlich gut verkaufen, die er so billig erwerben konnte, weil er den Regierungsmann bestach, sodass dieser die »War Eagle« als Schrott verkaufte.

Indes die »War Eagle« am Holzplatz Brennholz übernimmt, sammeln sich an der Gangway einige Dutzend Goldgräber.

James Morton steht mit dem Steuermann Pete McLowry im Ruderhaus und blickt auf den geduldig wartenden Menschenhaufen nieder.

Nach einer Weile fragt er durch das Fauchen und Kreischen der Dampfwinde, welche den Holzkorb mithilfe des Lademastes ständig zwischen dem Ufer und der »War Eagle« schwenkt: »He, McLowry, sollen wir welche an Bord nehmen? Vielleicht zwei Dutzend nur. Jeder von denen hat einige Pfund Gold bei sich. Das wäre für uns noch eine zusätzliche Beute, wenn wir sie irgendwo ohne ihr Gold an Land jagen würden. Wollen wir?«

Pete McLowry wiegt den Kopf. Auch er trägt einen schweren Goldgürtel unter der Kleidung auf der bloßen Haut und hat tausend Dollar Bargeld in den Taschen.

Aber was soll er mit seinem Reichtum hier in Fort Benton? Er will ebenfalls so schnell wie möglich nach Kansas City. Dies aber ist vorerst nur mit der »War Eagle« möglich.

McLowry blickt auf die Versammlung der Goldgräber nieder.

Er weiß, dass sie alle viele Monate lang unter schlimmen Entbehrungen nach Gold suchten und einen harten und gnadenlosen Winter überstanden. Diese Männer dort haben sich jede Unze Gold ehrlich verdient. Auf einige von ihnen warten gewiss Familien, andere wollen irgendwohin zu einem neuen Anfang. Sie waren arme Teufel, denen das Glück gewogen war.

Und wenn James Morton sie an Bord nimmt, dann werden sie alles verlieren, was sie schon so sicher zu besitzen glaubten, denn alle sind mit viel Glück den Banditen entkommen, die auf allen Wegen zwischen den Goldfundgebieten und Fort Benton lauern. Hier an Bord aber werden sie noch schlimmeren Banditen ausgeliefert sein.

Pete McLowry weiß das alles.

Und sie tun ihm einen Moment lang leid. Er starrt immer noch aus dem Ruderhaus zu ihnen hinunter. Einige wirken krank, erschöpft, ausgebrannt.

James Morton lacht leise neben ihm. Es ist ein hohnvolles Lachen. Dann sagt er: »McLowry, du bist ein guter Steuermann, aber du hast ein zu weiches Herz. Es gibt auf dieser Erde unter allen Lebewesen nur Jäger und Gejagte, nur Fresser und Gefressene. Und wir sind Jäger. Ich gehe jetzt hinunter und lasse zwei Dutzend an Bord. Ich werde einen unverschämten Fahrpreis verlangen, und so kann ich sicher sein, dass nur solche an Bord wollen, die sich diesen Preis leisten können, weil sie eine Menge von diesem gelben Metall besitzen.«

McLowry sagt nichts.

Morton will wahrscheinlich auch gar nichts mehr von ihm hören.

Er verlässt das Ruderhaus. McLowry sieht dann von oben, wie Morton an der Gangway mit den Goldgräbern verhandelt. Zwei seiner Männer mit Revolvern im Gürtel stehen hinter ihm und bewachen die Gangway.

Pete McLowry wendet sich ab, blickt nun zur Flussseite aus dem Ruderhaus.

Und er denkt: O Big Muddy, großer Strom, ich bin einer deiner Söhne, wurde auf dir ein Mann. Ich hätte damals nicht aus Abenteuerlust nach Süden gehen sollen! Dann wäre ich nicht in diese verdammte Bande geraten. Lass es mich nicht mit ihnen büßen, wenn du sie bestrafst, weil sie ihre Brüder in der Not ausrauben. Lass mich davonkommen.

Es ist wie ein Gebet, und es ist auch wirklich ein Gefühl der Reue in ihm.

Aber wahrscheinlich hätte er von Bord gehen müssen. Er weiß noch nicht, dass dies seine einzige Rettung gewesen wäre.

Aber bald wird er es wissen.

✰✰✰

Mouth of Marias, Coal Banks, Eagle Creek – und dann Citadel Rock, dies sind die Punkte oder Landmarken, welche die »War Eagle« passiert. Dann folgen Hole in the Wall, Steamboat Rock und die Mündung des Arrow River. Bei Drowned Man's Rapids geraten sie in der wirbelnden Strömung um ein Haar auf die Klippen.

Die Fahrt stromabwärts ist nicht weniger gefährlich als stromauf. Immer dann, wenn sie durch die engen Fahrrinnen müssen und eine scharfe Biegung folgt, müssen sie das Schaufelrad rückwärts drehen lassen, um nicht von der Strömung gewissermaßen »ausgespuckt« zu werden und auf Untiefen oder gar Klippen zu geraten.

Als die Dämmerung anbricht, wagt Pete McLowry es nicht mehr, weiter im Strom zu bleiben. Der Fluss ist hier oben zu wild, macht zu viele Windungen und hat zu viele Sandbänke und Klippen.

Sie finden gegenüber von Cow Island eine ruhige Bucht und bringen zwei Leinen an Land, legen auch die Gangway hinüber.

Die »War Eagle« hat jetzt nur wenig Tiefgang, da sie keine Fracht befördert, nur die Besatzung und zwei Dutzend Passagiere.

Pete McLowry geht durch das Schiff und betrachtet auch die Passagiere im Salon. Sie sind beim Abendessen. Einige hocken müde und ausgemergelt wirkend wie Kranke auf ihren Sitzen, stochern appetitlos im Essen herum.

Pete McLowry denkt: Was ist mit denen nur los? War die Goldsuche so hart? Haben sie sich im harten Winter was geholt, wovon sie sich nicht zu erholen vermögen?

Der erfahrene Flussmann verspürt eine ungute Ahnung, aber er kann sie noch nicht begründen.

Nur eines weiß er aus Erfahrung: Wenn einer dieser Passagiere eine Krankheit an Bord geschleppt haben sollte, dann wird sich diese hier bald voll austoben. Denn nichts ist günstiger für die Ausbreitung einer Krankheit als solch ein Dampfboot mit seinen beengten Räumlichkeiten, der feuchten und stickigen Luft und der Unsauberkeit, die an Bord besonders groß ist, da James Mortons wilde Horde nun mal nicht viel von Sauberkeit hält.

O Vater im Himmel, lass es nicht geschehen, denkt Pete McLowry.

Aber zugleich ist er sich bewusst, dass sie alle keine Gnade des Himmels verdienen, sondern am Ende ihrer Wege für die Hölle bestimmt sind.

✰✰✰

Eine Woche später haben sie siebenhundert Flussmeilen hinter sich und passieren die Mündung des Yellowstone. Dann sehen sie Fort Buford und erreichen noch am Abend dieses Tages den White Earth River.

James Morton steht am Ruder, als Pete McLowry ins Ruderhaus zu ihm tritt.

»Nanu«, grinst Morton, »du musst mich doch erst in einer Stunde ablösen! Was willst du hier?«

»Wir haben die Cholera an Bord«, erwidert McLowry heiser. »Wahrscheinlich schleppten uns einige der Passagiere die Krankheit aus den Goldgräbercamps an Bord. Und von jetzt an wird sich diese verdammte Cholera-Pest mit jeder Stunde vervielfachen. Morton, wir schaffen es nicht mehr bis Kansas City. Wir schaffen es nirgendwo mehr hin. Und überall dort, wo wir bei Menschen an Land zu gehen versuchen, wird man uns auf unser verseuchtes Schiff zurückjagen! Die Menschen fürchten diese Seuche. Hast du verstanden, Mister Morton? Der Missouri bestraft uns nun für ...«

»Oh, halt dein Maul!« James Morton zischt es böse.

Dann brüllt er durch den Sprachschlauch zur Maschine hinunter: »Mehr Dampf! Hoii, ich will verdammt mehr Dampf, ihr Witwenmacher. Denn wir fahren jetzt mit dem Tod um die Wette. Mehr Dampf!«

Seine Stimme heult voller Wut und Trotz.

Dann wendet er sich an Pete McLowry.

»Ja, wir werden mit dem Tod um die Wette fahren, Tag und Nacht. Wir bleiben nun auch in den schwärzesten Nächten im Strom, ankern nicht in einer Bucht, sondern riskieren alles. Und unsere Passagiere jagen wir ohne ihr Gold von Bord, sobald wir weit genug an Fort Berthold vorbei sind und auch Fort Stevenson um wenigstens fünfzig Meilen hinter uns gelassen haben. Dann jagen wir sie von Bord. Ohne ihr Gold. Basta!«

Er verstummt schneidend, und er gleicht wieder jenem Guerillaanführer, der sie ganze Ortschaften niederbrennen und deren Einwohner niedermetzeln ließ.

✰✰✰

Es ist dann zwischen Mitternacht und Morgen, als sie Fort Stevenson um etwa fünfzig Meilen zurückgelassen haben.

Die Passagiere schlafen in den Kabinen, und da die meisten von ihnen krank sind, schlafen einige von ihnen fast wie Tote.

James Mortons Männer handeln gnadenlos, so wie sie es während des Krieges als Guerillabande mehrmals taten, um sich danach schlimm zu betrinken.

Die »War Eagle« liegt in einer Bucht außerhalb der Strömung.

Und Mortons Banditen holen die Passagiere aus den Kabinen, nehmen ihnen das Gold weg und werfen sie einfach über Bord in das hüfthohe Wasser.

Manche, die sich zu wehren versuchen, werden bewusstlos geschlagen und ertrinken.

Als die »War Eagle« wieder in den Strom geht, ruft ihnen eine heisere Stimme von Land aus nach: »Ihr alle werdet zur Hölle fahren, ihr alle! Denn wir wissen längst, dass ihr die Cholera an Bord habt und sie mit euch nehmt. Ihr fahrt zur Hölle wie die meisten von uns!«

Doch das heisere Kreischen ist an Bord kaum verständlich, denn das Schaufelrad macht Lärm. Auch die Maschinen stampfen laut.

Die »War Eagle« ist wieder unterwegs.

✰✰✰

Zweimal sitzen sie in den nächsten zwei Nächten fest und brauchen jeweils nach Tagesanbruch lange, bis sie von den Sandbänken freikommen, auf die sie in der Nacht auffuhren.

Zum Glück sind es nur Sandbänke, welche keine Lecks am Schiffsboden verursachen. Aber sie verlieren viele Stunden, und der Zeitgewinn, den sie durch die Nachtfahrten zu erringen hofften, geht fast völlig verloren.

Die Krankheit an Bord breitet sich nun auch unter Mortons Männern aus.

Sie beginnen zu begreifen, dass dieses Schiff verseucht ist und es immer schlimmer werden muss, je länger sie an Bord bleiben. Das Wettrennen bis nach Kansas City gegen die Seuche werden sie verlieren. Bis sie in Kansas City sind, wird jeder von ihnen krank sein – vielleicht mehr als nur krank. Der eine oder andere von ihnen wird dann gewiss schon im Sterben liegen oder tot sein.

Als sie bei der Grand-River-Mündung wieder in der Nacht auf eine Sandbank rammen, da springen die Ersten von ihnen von Bord.

Und auch James Morton entschließt sich zum Aufgeben der »War Eagle«.

Wie seine Männer will auch er daran glauben, dass sie die Seuche besiegen können, wenn sie in der reinen Luft des gesundes Landes marschieren.

Sie verlassen mit ihrem Gold und etwas Proviant die »War Eagle« fluchtartig. Sie zünden sie nicht mal an, was wahrscheinlich ein gutes Werk gewesen wäre.

Denn wenn in nächster Zeit Menschen an Bord kommen sollten, dann werden auch diese sich anstecken.

So aber ist die »War Eagle« noch nicht zur Vernichtung bestimmt und wird als Mountain Boat noch ein langes Leben führen. Ihr Name wird noch bekannt werden, und eine Sage wird man sich über sie erzählen.

Von James Morton und seiner Bande aber wird man in diesem Land irgendwann nach vielen Monaten und gar Jahren da und dort die Gerippe finden – mit Gold in den Gürteln. Auf mehr als vierzig Meilen in Richtung Fort Sully wird man die Überreste der einstigen Guerillas finden.

Die »War Eagle« aber liegt noch lange auf der Sandbank. Wochen, viele Wochen.

Schiffe fahren an ihr vorbei, doch niemand geht an Bord. Man hält sie für völlig leckgeschlagen und unbrauchbar, weil sie verlassen wurde und niemand mehr an Bord ist.

Denn wer verlässt schon ein noch brauchbares Schiff?

Auch haben die meisten Schiffe es sehr eilig. Es ist ein Wettrennen auf dem Big Muddy im Gange, besonders im Herbst, als der Winter droht und der Wasserstand drastisch abnimmt.

Viele Dampfboote befürchten, nicht mehr talwärts zu kommen und dann bei Fort Benton überwintern zu müssen.

Vielleicht haben manche Schiffsführer auch eine ungute Ahnung beim Anblick der gestrandeten »War Eagle«. Hier auf dem großen Strom lassen sich viele Kapitäne von ihren Ahnungen leiten.

Es ist dann später Herbst, als zwei Kielboote bei der »War Eagle« anlegen und Männer an Bord entern.

Eigentlich suchten sie nur eine einigermaßen sichere Unterkunft für die Nacht, denn drüben zu beiden Seiten sind Indianer auf der Jagd nach Weißen. Der Indianerkrieg hat begonnen.

Endlich haben die Roten begriffen, dass man ihre Büffel abzuschlachten beginnt und dass dies ihren Untergang bedeutet.

Es ist eine üble Bande, die da an Bord kommt. Ihr Anführer hat einen berüchtigten Namen als Flusspirat.

Er besaß schon mehrmals solche Boote wie die »War Eagle« und verlor sie wieder, das letzte durch einen Brand, den seine betrunkenen Männer bei einer Orgie mit einigen geraubten Indianersquaws verursachten.

Sein Name ist Jordan McKenzie, doch man nennt ihn auf dem Strom nur Red Jordan. Aber das hat nichts mit seiner Hautfarbe zu tun, sondern mit seinen unwahrscheinlich roten Haaren, die wie eine Flamme leuchten.

Sie kommen also an Bord des scheinbar zu einem Wrack gewordenen Dampfbootes.

Dass sich hier eine Choleraseuche austobte und die einstige Besatzung krank und in Panik das Boot verließ, davon wissen sie nichts.

Aber fast alle sind sie erfahrene Flussmänner, die sich mit Dampfbooten auskennen. Natürlich durchsuchen sie die »War Eagle« von oben bis unten, hoffen auf irgendwelche brauchbaren Dinge. Denn der Winter ist nah. Irgendwo werden sie ihn überstehen müssen, und so können sie fast alles gebrauchen.

Es dauert dann gar nicht lange, da wissen sie Bescheid. Die »War Eagle« ist kein Wrack. Sie hat keine Lecks und keinerlei andere Schäden. Sie sitzt nur auf einer Sandbank fest und wurde verlassen. Und es war für sie ein Glück, dass in den ganzen Wochen kein Hochwasser den Fluss ansteigen, die »War Eagle« wieder schwimmen ließ und irgendwo auf Klippen warf, sodass sie wirklich beschädigt wurde.

Sie finden sich dann alle bei ihrem Anführer Jordan McKenzie ein, um zu beraten.

Er hört sich alle Berichte an, besonderen Wert legt er jedoch auf die Beurteilung eines seiner Männer, der einst als erfahrener Maschinist so manches Dampfboot unter Dampf hielt.

Dieser Mann – Sam McKay ist sein Name – sagt ihm: »Die Maschinen sind in Ordnung, auch die Kessel mit den Feuerbuchsen. Ich weiß nicht, warum dieses Boot verlassen wurde, aber ich weiß ziemlich sicher, dass man damit wieder fahren könnte. Und wenn das so ist, dann haben wir wieder ein Dampfboot, McKenzie. Auch von dieser Sandbank könnten wir es herunterbekommen mithilfe der Spieren oder auch mit einer Leine, die wir an Land festmachen und mithilfe der Dampfwinde als Zugseil benutzen. Hast du gesehen, McKenzie, dass oben zwei Kanonen sind, richtige Feldgeschütze aus dem Krieg? Damit könnten wir uns die Indianer vom Leib halten, wenn wir die Trossen an Land bringen. Soll ich mit einigen Jungs versuchen, Dampf zu machen? Holz ist auch noch genug an Bord.«

Ähnliche Worte – was den Zustand des Dampfbootes betrifft – hörte McKenzie auch von anderen Männern seiner Bande, die sich auskennen, weil sie einst als Bootsmänner auf solchen Schiffen fuhren oder Schiffszimmermänner waren.

Und so beginnen die stahlblauen Augen des Roten Jordan immer mehr zu leuchten. Schließlich stößt er seine geballte Rechte klatschend in den Handteller der Linken.

»Also haben wir wieder ein verdammtes Boot mit zwei Kanonen«, sagt er und grinst blinkend mit seinen scharfen Zahnreihen. »Dann hat uns das Schicksal ein wundervolles Geschenk gemacht, nachdem ihr verdammten Hurensöhne im Suff unsere ›Riverbee‹ angezündet habt. Also, Jungs, versuchen wir den Kahn wieder flott zu bekommen. Und dann werden wir sehen.«

Sie gehen an die Arbeit, angetrieben von der Hoffnung, dass es ihnen auf einem manövrierfähigen Dampfboot den langen Winter über sehr viel besser ergehen wird als an Land in einem verborgenen Camp.

Ein neues Dampfboot mit zwei Kanonen, dies erscheint ihnen wie ein Geschenk des Himmels.

Oder sollte es ein Geschenk des Teufels sein?

Kann es sein, dass keine Cholera mehr an Bord ist?

✰✰✰

Es wurde kalt auf dem Big Muddy, je mehr sich der Tag dem Ende näherte. Doch als dann die Sonne untergeht, da haben sie genügend Dampf in den Kesseln und auch in allen Leitungen zu den Räumen und Kabinen.

Es erscheint ihnen wie ein Wunder, dass die Kessel den Druck halten, dass nichts platzt und alles in Ordnung ist. Sie können einfach nicht fassen, dass dieses Dampfboot verlassen und aufgegeben wurde. Es ist ihnen ein Rätsel, welches sie nicht zu lösen imstande sind. Keiner von ihnen kommt auf den Gedanken, dass eine Seuche an Bord herrschte, die eine Panik erzeugte.

Am nächsten Morgen wollen sie die starke Trosse an Land bringen, um mithilfe der Dampfwinde das Boot von der Sandbank zu ziehen.

An beiden Ufern sind nun Indianer. Schon seit gestern beobachteten die Roten alles genau. Hätten sie Kanus zur Verfügung gehabt, wären sie schon längst gekommen. So aber reiten sie nur auf ihren Pferden am Ufer auf und ab. Manchmal schütteln sie drohend ihre Waffen, so als wollten sie damit sagen: »Wir bekommen euch schon noch.«

Aber dann johlen McKenzies Männer nur hohnvoll und herausfordernd. Einmal brüllt einer hinüber: »Hoiii, ihr Hundefresser! Bald holen wir uns wieder ein paar von euren Weibern und machen uns ein paar schöne Tage und Nächte!«

Inzwischen haben einige kundige Burschen der Bande auch die beiden Geschütze überprüft und mit Schrapnells geladen.

Als dann beide Kanonen krachen und die Bleisaat drüben unter den Roten ein böses Blutbad anrichtet, da hat McKenzies böse Horde ihr Spiel gewonnen.

Die Roten verschwinden nach weiteren Schüssen aus beiden Kanonen.

Man bringt die Trosse an Land, macht sie an einem Riesenbaum fest – und dann beginnt die Dampfwinde, die sonst den Lademast bedient, fauchend zu rattern und zu zischen.

Langsam wird die »War Eagle« von der Sandbank gezogen und kommt frei.

Ihr Schaufelrad beginnt sich zu drehen.

Und dann ist das Wunder tatsächlich geschehen.

Red Jordan McKenzie und dessen Bande haben ein Dampfboot mit zwei Kanonen gewissermaßen geschenkt bekommen.

✰✰✰

Nun, noch bevor der Winter über das Land herfällt, fährt die »War Eagle« wieder stromauf und passiert in einer dunklen Nacht Fort Buford und die Yellowstone-Mündung.

Und dann lauert sie auf die letzten Dampfboote, die noch einmal gewinnbringende Fracht nach Fort Benton zu bringen versuchen.

Sie schnappen sich die »Beauty Nelly«, die »River Lady« und die »Missouri Queen«. Die Besatzungen und die wenigen Passagiere jagen sie in die Beiboote und lassen sie stromabwärts fahren. Von den Schiffsladungen übernehmen sie alles, was ihnen den langen Winter angenehm machen wird: Proviant, Schnaps, Kleidung, Werkzeug und Waffen. Sogar ein Klavier, welches die »Missouri Queen« für einen Saloon im Goldland an Bord hat, hieven sie mit dem Lademast herüber auf die »War Eagle«.

Dann stecken sie das gekaperte Boot in Brand.

Sie tun dies mit einer wilden Zerstörungswut, so als wollten sie sich mit ihrem Tun dafür rächen, dass sie Geächtete sind, Ausgestoßene der menschlichen Gemeinschaft, von der sie gehasst und gefürchtet werden.

Auf einer Insel, die den Strom in zwei Arme teilt und deren Riesenbäume eine geschützte Bucht mit ihren gewaltigen Ästen überragen, richten sie ihr Winterquartier ein. Selbst der gewaltigste Eisgang im Frühjahr kann dieser Insel nichts anhaben. Sie ragt hoch genug aus dem Fluss, und in die tiefe Bucht gelangen keine Eisschollen. Eine Landzunge weist alle Schollen ab.

McKenzie und dessen Horde kennen diese Insel gut.

Schon im vergangenen Winter haben sie hier auf den Frühling gewartet, hatten sich Blockhütten gebaut und aus den Winterdörfern der Indianer auch genügend Frauen geholt.

Und so soll es auch diesen Winter wieder sein.

Noch vor dem ersten Schneefall machen sie dann einen besonders guten Fang.

Es kommt ein Steamer von Fort Benton den Strom herunter, bei dessen Anblick sie losjohlen. Denn sie wissen, dass mit solchen Booten, die im letzten Moment noch dem Winter zu entkommen versuchen, stets eine Menge Gold befördert wird und auch die Passagiere zumeist Goldgräber sind, die mit ihrer Ausbeute auf der Heimreise sind, um bei ihren Familien irgendwo im Süden das Christfest zu feiern.

Der Name des Steamers ist »Netty Belinda«.

Sie lassen ihn an sich vorbei und winken freundlich. Auch die Leute auf der »Netty Belinda« winken und rufen.

Aber dann wenden sie die »War Eagle« und feuern ihre vordere Kanone ab. Der Schuss sitzt voll im Heckschaufelrad der »Netty Belinda«. Wenig später wird sie in der starken Strömung auf eine Untiefe getrieben.

Die »War Eagle« lässt ihr Schaufelrad rückwärts drehen und hält sich so in der Strömung nur einen halben Steinwurf weit entfernt neben der gestrandeten »Netty Belinda« auf gleicher Höhe.

Drüben beginnen einige Gewehre und Revolver zu feuern. Doch da krachen beide Kanonen.

Es wird furchtbar. Denn einer der Dampfkessel der »Netty Belinda« wird getroffen und explodiert. Wenig später platzt auch der zweite. Dampf und kochendes Wasser verbergen eine Weile jede Sicht auf das zerstörte Schiff.

An diesem Tag, da die »Netty Belinda« fast in die Luft fliegt, machen McKenzie und dessen Flusspiraten reiche Beute an Gold.

Und dennoch nehmen viele Tote – nämlich jene Unglücklichen, die über Bord und in den Fluss fielen – ihr Gold mit. Denn ihre Goldgürtel, die sie auf dem bloßen Leibe trugen, wiegen schwer. Sie ziehen die Toten oder manchmal nur Betäubten schnell auf den Grund des Flusses, wo die Strömung sie schleift und abwärts treibt.

Irgendwo werden sie gewiss an Land geworfen – ertrunken und mit Gold bei sich, für das sie sich nichts mehr kaufen oder erwerben können.

Für McKenzie und dessen Horde aber scheint sich dieser späte Herbst, der von einem Tag zum anderen zum Winter werden kann, zu einer besonders erfolgreichen Zeit zu entwickeln.

Das Steamboat »War Eagle« ist aber nur ein Ding, wehrlos und gewissermaßen vergewaltigt von den jeweiligen Besitzern. Die »War Eagle« muss alles ertragen. Sie kann sich nicht wehren.

✰✰✰

Als der erste Schnee fällt, sind sie wieder auf ihrer Insel, reichlich versorgt mit allen Dingen.

»Wir werden wie die Maden im Speck leben«, sagt einer von ihnen, als sie sich in den Blockhütten unter den Riesenbäumen eingerichtet haben.

Sie müssen sich jetzt keine Sorgen mehr machen, dass vielleicht ein Dampfboot der Armee von Fort Buford oder gar von Fort Bismarck heraufkommen könnte. Die Schifffahrt auf dem Big Muddy ist nun eingestellt. Kein Schiffsführer geht jetzt noch auf die Reise.

Sie haben sich also auf der Insel in den Blockhütten und auch an Bord eingerichtet, sich überall reichlich mit Proviant und vor allen Dingen mit Schnaps versorgt.

Aber als sie im Salon der »War Eagle« beim Abendessen sind und einer von ihnen sagt, dass sie den ganzen Winter wie die Maden im Speck leben werden, da gibt es sofort Widerspruch.

Denn es sagen mehrere Stimmen zugleich: »Weiber!«

Red Jordan McKenzie, der am Kopfende des langen Tisches sitzt, nickt sofort.

Denn er kennt das Problem. Er weiß, dass es nicht ausreicht, wenn er seine Horde auf die Hütten an Land und auch hier an Bord verteilt, sodass sie in kleinen Gruppen leben und die Monate verbringen. Er weiß längst, er kann eine solch wilde Horde nicht monatelang auf engstem Raum beisammen leben lassen.

Da würde es ständig Streit geben.

Aber auch die kleinen Gruppen würden sich langweilen. Gewiss, man kann sich bei Kartenspiel, beim Holzfällen und auch als Jäger die Zeit vertreiben und auf andere Gedanken kommen. Aber irgendwann werden sie alle einen Koller bekommen.

Sie blicken nun alle auf ihn. Denn er ist ihr absoluter Herrscher. Längst weiß auch der Dümmste und Primitivste von ihnen, dass sie ohne ihn verloren wären, armselige Gejagte in einem gnadenlosen Land. Nur unter seiner Führung sind sie eine Macht.

Und hat er sie nicht auch diesmal wieder gut geführt?

Sie sehen ihn nicken und hören ihn dann sagen: »Sicher, ihr Witwenmacher, wir brauchen Weiber. He, Snakeman, wo können wir welche holen? Wo ist das nächste Winterdorf von hier aus gesehen?«

Als sie McKenzie so reden hören, murmeln sie zufrieden. Ja, er ist wirklich ein guter Anführer. Er weiß, was sie brauchen.

Snakeman aber ist ein Halbblutmann, der lange bei den Indianern lebte, bevor sie ihn ausstießen und davonjagten. Sie nannten ihn Snakeman, weil er so gefährlich und giftig ist wie eine Schlange und weil er von einem Dorf am Snake River kam, wo seine indianische Mutter mit einem weißen Trapper lebte.

Snakeman grinst in die Runde. Er kostet es aus, dass sie nun alle auf seine Antwort warten und sich wünschen, dass es eine gute Antwort sein wird. Seine schrägen Schlitzaugen funkeln.