G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 55 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 55 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

3 spannende Westernromane lesen und sparen!

G.F. Unger ist der erfolgreichste deutschsprachige Western-Autor. Mit einer Rekordauflage von über 250 Millionen Exemplaren gehört er zur internationalen Spitzenklasse der Spannungsliteratur. Und das zu Recht!

Niemand vermag es wie er, die unermesslichen Weiten des amerikanischen Westens und die Stärke der unerschrockenen Männer, die sie erschlossen, zu beschreiben. Erleben Sie den amerikanischen "Wilden Westen", wie nur G.F. Unger ihn schildern kann: hart, authentisch, leidenschaftlich.

Dieser Sammelband enthält die Folgen 2512 bis 2514:

2512: Leben im Sattel
2513: Die War-Eagle-Saga
2514: Büffelweide

Der Inhalt dieses Sammelbands entspricht ca. 192 Taschenbuchseiten.
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Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 466

Veröffentlichungsjahr: 2023

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G. F. Unger
G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 55

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben

Für die Originalausgaben:

Copyright © 2021 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2023 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Covermotiv: © Norma/Prieto

ISBN: 978-3-7517-4738-7

www.bastei.de

www.sinclair.de

www.luebbe.de

www.lesejury.de

G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 55

Cover

Titel

Impressum

Inhalt

G. F. Unger Western-Bestseller 2512 - Western

Maddegan, der Mann vom Fluss

G. F. Unger Western-Bestseller 2513 - Western

Offene Stadt

G. F. Unger Western-Bestseller 2514 - Western

Todesweg

Guide

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Contents

Maddegan, der Mann vom Fluss

Die ersten dreizehn Runden verlaufen ziemlich ausgeglichen. Keiner der beiden Preisboxer kann besondere Vorteile für sich verbuchen.

Aber es ist ein gewaltiger Kampf. Darüber sind sich alle Zuschauer einig. Hier am Fluss kämpfen wahrhaftig die beiden größten Preiskämpfer, die man zwischen der Ostküste und dem Mississippi je gesehen hat.

Man kämpft noch mit den bloßen Fäusten. Und jede Runde endet mit dem Niederschlag eines der beiden Kämpfer. Wenn der Niedergeschlagene zur nächsten Runde antritt, geht der Kampf weiter.

Bisher ging Ken Maddegan sechsmal zu Boden. Sein Gegner Rude Stonebreaker musste siebenmal auf die Planken des großen Floßes, das zwischen zwei Landebrücken verankert wurde. Das Ufer, die beiden Landebrücken und einige Schiffe, die im Fluss ankern, sind voller Zuschauer. Der ganze Kampf ist ein Volksfest, ein gewaltiges Spektakel.

Und Ken Maddegan muss nun zum siebten Mal auf die Bretter. Wie wird es weitergehen?

Dies fragen sich viele Zuschauer nicht nur aus Neugierde oder aus Sympathie für den einen oder anderen der beiden Kämpfer. Nein, es steht für viele dieser Zuschauer auch noch eine Menge Geld auf dem Spiel. Denn die Wetten sind hoch.

Auch der Preiskämpfer Ken Maddegan hat gewettet, und weil er ein ehrlicher Mann ist, wettete er auf seinen eigenen Sieg. Es wäre einfacher gewesen, auf den Sieg des Gegners zu setzen und sich nach einigen Runden kampfunfähig zu stellen. Dann wäre der Einsatz schnell verdoppelt worden, denn die Wetten standen für seinen Gegner.

Doch das ist nicht Maddegans Art.

Er weiß, dass Hunderte ihr ganzes Geld auf seinen Sieg wetteten.

Und er ist nicht der Mann, der Vertrauen mit Verrat erwidert. Nein, diese Ehrenhaftigkeit und diesen Stolz hat er sich bewahrt. Deshalb wettete er auf seinen Sieg.

Und er wettete all seine Ersparnisse aus all seinen Kämpfen. Das machte er immer so. Bisher gewann er stets, verdoppelte seinen Einsatz zumeist.

Für ihn stehen elftausend Dollar auf dem Spiel.

Wenn er gewinnt, wird er zweiundzwanzigtausend Dollar besitzen – verliert er, wird er wieder ganz am Anfang stehen und somit um Jahre zurückgeworfen sein.

Seine beiden Betreuer haben ihn auf die Bank gesetzt. Sie arbeiten emsig an ihm und mühen sich, ihn wieder innerhalb der Minutenfrist kampffähig zu machen.

Shorty ruft ihm ins Ohr: »He, Ken, hörst du mich? Bist du wieder da?«

Er nickt nur, und er hört Shorty leiser sagen: »Du musst mit der Rechten seinen linken Haken abblocken und mit der Linken voll reinhauen! Dreh dich dabei, damit du dein Gewicht hinter die Ramme setzen kannst. Hast du verstanden?«

Ken Maddegan nickt.

In seinem Kopf wurde indes alles wieder klar. Er hat den Niederschlag verdaut, und er weiß, dass er die Schmerzen von Rude Stonebreakers Schlägen erst später richtig spüren wird. Einige neue Narben werden hinzukommen.

Er muss sich erheben, denn die fünfzehnte Runde beginnt. Die Zuschauer brüllen und johlen. Die Menge ist wie verrückt.

Er dreht sich langsam um, wartet auf Rude Stonebreakers Angriff. Stonebreaker umkreist ihn und bewegt dabei rhythmisch seine Fäuste, als wären es die beiden Kolben einer Lokomotive.

Stonebreaker ist größer und schwerer als Maddegan. Er wiegt gewiss an die zweihundertdreißig Pfund und hat einen glatt rasierten Kopf. Sein Vollmondgesicht bekommt durch einen Mongolenbart, der ihm über die Mundwinkel hängt, ein asiatisches Aussehen.

Aber er ist deutscher Abstammung, ein Mann, dessen Vorfahren daheim in Germany Steinbrecher hießen.

Er ist hart und kennt keine Gnade, und dennoch kämpft er fair. In Stonebreakers Augen erkennt Maddegan eine absolute Zuversicht und den Glauben an den Sieg.

Dann greift Stonebreaker plötzlich an, lässt seine Fäuste fliegen.

Darauf aber hat Maddegan gewartet. Jetzt gelingt ihm auch, was Shorty ihm vorhin riet. Er blockiert Stonebreakers Linke.

Und als Stonebreaker mit der Rechten nach seinem Kopf schlägt, ist Stonebreakers Leberpartie einen Moment ungedeckt. Maddegan duckt diese Rechte ab und rammt ihm seine Linke auf die ungedeckte Leberpartie. Er dreht sich dabei aus der Hüfte heraus, bleibt jedoch mit den Füßen fest auf dem Boden stehen, setzt seine hundertneunzig Pfund Gewicht hinter diesen Schlag.

Stonebreaker fällt auf die Knie und stützt sich mit beiden Händen auf die Planken. Dies gilt als Niederschlag. Die fünfzehnte Runde ist beendet.

Er geht zu der Bank und seinen beiden Betreuern zurück.

»Siehst du«, sagt Shorty zu ihm, »so muss man es machen. Was habe ich dir gesagt?«

Maddegan setzt sich, lässt sich trocken reiben und das Gesicht waschen. Er blutet aus einigen Rissen und Abschürfungen. Aber er nimmt nicht wahr, was Shorty und Riley mit ihm machen. Er beobachtet Rude Stonebreaker auf der anderen Seite, sieht, dass sie ihn wieder einigermaßen auf die Beine bekommen. Die sechzehnte Runde hat begonnen, und nun umkreist er Stonebreaker. Er darf ihm keine Erholung gönnen. Stonebreakers Blick verrät immer noch Schmerz. Sein linkes Bein scheint fast unbeweglich zu sein. Vielleicht ist seine ganze linke Seite, von der Lebergegend ausgehend, ein einziger Schmerz.

Maddegan greift an. Er schlägt nach Stonebreakers Kopf – und dann trifft er ihn noch mal auf die Leber. Es ist fast der gleiche Schlag. Stonebreaker stöhnt abermals schmerzvoll.

Alles wiederholt sich.

»Jetzt hast du ihn«, sagt Shorty und hält ihm die Flasche hin. »Willst du einen Schluck, Tiger?«

Maddegan nimmt die Flasche und trinkt. Ja, er hat einen schalen Geschmack im Mund. Der Tee, den Shorty stets in der Flasche bereithält, erfrischte ihn bisher immer sehr. Und er wird ihm auch den schalen Geschmack im Mund nehmen.

Er schmeckt heute etwas bitter, dieser Tee. Maddegan nimmt noch einen zweiten Schluck, um herauszufinden, ob der Tee heute so bitter schmeckt wie noch nie zuvor oder er sich dies beim ersten Schluck nur eingebildet hat.

Er möchte zu Shorty sagen, dass der Tee heute so bitter ist, denn auch nach dem zweiten Schluck schmeckt er das deutlich in seinem Mund – aber da beginnt die siebzehnte Runde.

Er erhebt sich und nähert sich dem Gegner.

Stonebreaker wirkt nun noch müder, angeschlagener.

Maddegan macht sich wieder daran, ihn so hart wie nur möglich zu treffen. Er kommt sich wie ein Schlächter vor, wie ein primitiver Steinzeitmensch. Denn der Gegner kann sich kaum noch wehren – nur versuchen, möglichst lange auf den Beinen zu bleiben und sich immer wieder nach einer Rundenpause zu stellen.

Maddegan trifft ihn einige Mal am Kopf, dann auf die empfindlichen Körperpartien. Stonebreaker brummt schmerzvoll, schwankt, tappt schwerfällig herum, versucht zu kontern – aber er ist zu angeschlagen.

Aber mit Maddegan passiert nun etwas. Er spürt eine jähe Müdigkeit. Sie ist plötzlich in all seinen Gliedern. Die Luft wird ihm knapp. Er kann sich nur noch langsam bewegen.

Verdammt, was ist mit mir los? Dies fragt er sich. Warum mache ich jetzt plötzlich schlapp? Was ist das? Was ist los mit mir?

Panik will ihn erfassen. Er zwingt sich mit aller Energie, bewegt sich noch schneller und trifft Stonebreaker mehrmals.

Aber seine Schläge haben keine Kraft mehr. Sie tönen nicht mehr trocken und hart. Sie klatschen mehr, und er kann in Stonebreakers Blick eine dumpfe Verwunderung erkennen. Seine Fäuste scheinen plötzlich Zentner zu wiegen. Er kann sie kaum noch heben. Mehrmals schlägt er an Stonebreakers Kopf vorbei, obwohl Stonebreaker sich kaum bewegt.

Was ist mit mir los? So denkt Maddegan, und dieser Gedanke ist wie ein Schrei in ihm.

Stonebreaker nähert sich ihm jetzt, holt weit aus. Maddegan kann dem Schwinger nicht ausweichen. Er sieht ihn kommen und ist wie gelähmt, nimmt ihn voll.

Es ist kein besonders schwerer Schwinger, denn Stonebreaker fehlt es an Kraft. Normalerweise hätte Maddegan diesen Schwinger grinsend weggesteckt. Aber jetzt geht er zu Boden.

Die Runde ist aus.

Shorty und Riley müssen ihn hochheben und zur Bank schleifen.

»Was ist denn los mit dir?« Dies fragt Shorty. Er hält ihm die Flasche mit dem Tee vor den Mund. »Trink mal! Der macht dich vielleicht frisch! Das ist gewiss nur ein vorübergehender Schwächeanfall!« Aber Maddegan will nicht trinken.

»Sauf es selbst«, keucht er, »sauf das verdammte Zeug doch selbst!«

Shorty flucht ärgerlich. Indes arbeiten er und Riley fieberhaft an Maddegan. Sie massieren ihn, waschen ihn mit gutem Ohio-Wasser, das man vom Floß aus mit einem Eimer aus dem Fluss schöpfen kann.

Riley leert sogar einen halben Eimer über Maddegans Kopf aus. Das macht ihn etwas munterer. Als die nächste Runde beginnt und er sich erhebt, wirkt er etwas frischer. Er geht um Stonebreaker herum und trifft diesen mehrmals, jedoch nicht hart genug. Es fehlt ihm an Kraft.

Dann bekommt er Stonebreakers Hammer gegen die Schläfe.

Maddegan fällt.

Von diesem Moment an weiß er nichts mehr.

✰✰✰

Das Erwachen ist schlimm. Er erwacht wie ein Betrunkener, der unter die Hufe eines Gespannes und die Räder eines Wagens kam. Und der bittere Geschmack in seinem Mund ist wie pure Galle.

Der bittere Geschmack in seinem Mund zwingt ihm die Erinnerung auf.

Er setzt sich auf und wischt sich mehrmals übers Gesicht, reibt sich die Augen. Es ist Nacht. Über ihm sind die Sterne. Drüben, weiter flussabwärts noch im Schutze des Flussbogens, da leuchten die Lichter der Stadt.

Er liegt noch auf dem Floß, auf dem er seine größte Niederlage erlitt.

Als er sich aufsetzt, stöhnt er leise.

Jemand sagt: »Jetzt ist er aufgewacht. Wir brauchen ihn also nicht in den Fluss zu werfen. Er ist aufgewacht.«

Er sieht empor und in die Runde.

Ja, da sind einige menschliche Schatten oder Silhouetten in der Nacht. Aber sie halten sich nicht zwischen ihm und den Lichtern der Stadt auf – nein, die haben den dunklen Fluss im Hintergrund.

»Was ist los?«, fragt er heiser und kennt seine Stimme kaum. »Shorty, wo bist du? Riley?«

Er erhält weder von Shorty noch von Riley eine Antwort und begreift, dass er hier offenbar mit Fremden allein auf dem Floß ist, auf dem sein Kampf gegen Stonebreaker stattfand.

»Steh auf, Boxer«, sagt eine Stimme zu ihm. »Du wirst Shorty und Riley gleich wiedersehen. Gehen wir! Oder sollen wir dich vorher erst noch in den Fluss werfen, damit du munterer wirst? Das kannst du haben. Willst du?«

Er knurrt nur und kommt schwankend auf die Füße. In seinem Kopf dreht es sich. Aber sie lassen ihm noch etwas Zeit. Wahrscheinlich wissen sie, wie ihm ist.

Er stolpert dann über einige Dinge, die auf dem Floß liegen. Es sind Flaschen, Steine und Holzstücke, wie jeder Fluss sie als Treibgut ans Ufer wirft.

Er begreift, dass die Zuschauer vor Enttäuschung ein wahres Bombardement auf das Floß und auf ihn nieder hageln ließen, wobei sie alles warfen, was sie in die Hände bekommen konnten.

Er stellt fest, dass es zwei Männer sind, die ihn gewissermaßen in ihre Gewalt brachten. Nun, vor zwei Mann hat er sich nie gefürchtet – und auch nicht fürchten müssen. Doch jetzt ist er ein kranker Mann. Schon ein einziger Gegner könnte ihn von den Beinen schlagen.

Sie verlassen das Floß, arbeiten sich den Uferhang hinauf, erreichen den Uferweg.

»Gehen wir«, sagt einer der Männer und stößt ihm gegen die Schulter. »Gehen wir, Boxer. Und versuche keine Dummheiten! Wir sind zwar keine Preiskämpfer, doch jetzt hättest du keine Chance gegen uns. Überdies sind wir bewaffnet. Gehen wir! Los!«

Er gehorcht.

Die Bewegung tut ihm gut. Sein Blutkreislauf kommt wieder in Gang. Die Schmerzen überall fügten ihm Stonebreakers Fäuste zu. Aber auch Stonebreaker wird die Schmerzen von den Fäusten des Gegners spüren. Das ist immer so nach solchen Kämpfen.

Er denkt einen Moment an Stonebreaker und tut es ohne Groll. Stonebreaker kämpfte sauber. Es gab von ihm keine gemeinen Tricks.

Wenn Stonebreaker auf seinen eigenen Sieg gesetzt hatte – und das tat fast jeder Preisboxer, der etwas auf sich hielt –, dann war er jetzt zumindest ein wohlhabender Mann.

Maddegan denkt an die zweiundzwanzigtausend Dollar, die er reicher sein könnte, hätte er diesen Kampf gewonnen.

Zweiundzwanzigtausend Dollar!

Heiliger Rauch! Es ist eine unvorstellbar große Summe für ihn.

Als Ken Maddegan an das verlorene Geld denkt, wird er sich seiner totalen Niederlage erst richtig bewusst.

Er fragt sich, was die beiden Männer, die ihn vor sich her stoßen, mit ihm vorhaben. Es kann gewiss nichts sein, was gut ist. Nein, das wird es ganz bestimmt nicht sein. Denn er spürt die grimmige Entschlossenheit der Männer. Sie stoßen ihn manchmal vorwärts, als wäre er ein betrunkener Strolch und nicht der berühmte Preiskämpfer Ken Maddegan, den man auch Tiger nennt.

Er spürt in sich einen grimmigen Entschluss reifen.

Wenn sie mit ihm noch ein Stück gehen sollten – vielleicht nur zwei- bis dreihundert Yards weit –, wird er sich so weit erholt haben, dass er es mit ihnen wagen kann.

Sein Kopf wird von der kühlen Nachtluft immer klarer. Ja, seine Reflexe werden bald wieder einigermaßen funktionieren.

Aber dann erreichen sie ein Gebäude. Es steht ziemlich nahe am Fluss, und es handelt sich offenbar um eine Bootswerft, um ein scheunenartiges Gebäude also, in dem man Flussboote baut oder repariert.

Eine kleine Seitentür öffnet sich.

Drinnen ist Lichtschein.

Als Ken Maddegan eintritt, sieht er Shorty und Riley, seine beiden Betreuer, auf die er sich bisher so gut verlassen zu können glaubte und die er generös von seinen erkämpften Börsen bezahlte.

Es geht ihnen gar nicht gut. Sie sind an Stützbalken gebunden wie an Marterpfähle. Zwei Männer haben ihnen die Oberkörper entblößt und sie mit einer Bullpeitsche bearbeitet.

Sie betrachten Ken Maddegan.

»Na, ist er wieder einigermaßen beieinander?« So fragt einer.

Und einer der beiden Männer, die Maddegan brachten, erwidert trocken: »Der hat sich unterwegs immer besser erholt. Ich wette, er überlegte zuletzt schon, wie er Bat und mich klein machen könnte.«

Der Sprecher verstummt mit einem grimmigen Lachen.

Aber sein Partner sagt: »Dann hätte ich ihm gezeigt, dass ich es auch noch ganz gut kann und auch mal Preiskämpfer war. Es hätte noch gelangt für ihn. Denn er ist vorerst nur noch die Hälfte wert.«

Sie schweigen nun alle vier und betrachten ihn.

Ken Maddegan nimmt den Blick von Shorty und Riley und sieht die vier Männer der Reihe nach an.

Er kann sie schlecht einordnen, aber er hält sie für Männer vom Fluss, vielleicht aber auch für Flößer. Und Flößer sind die allerhärteste Sorte.

»Was bedeutet das?«, fragt er.

Sie lassen das Schweigen noch eine Weile andauern. Dabei spürt er ihre grimmige Entschlossenheit.

Schließlich sagt einer: »Ja, kommen wir zur Sache. Weißt du, wir waren schon immer deine Bewunderer. Wir sahen dich schon einige Male kämpfen und wetteten immer auf deinen Sieg. Es traf sich irgendwie immer so gut, dass wir einige Male dann in deiner Nähe waren, wenn du einen Kampftag hattest. Am Anfang, als du noch nicht so bekannt warst und die Wetten manchmal vier oder gar fünf zu eins gegen dich standen, gewannen wir eine Menge Geld. Wir erhielten unseren Einsatz vierfach oder fünffach zurück. Wir waren stets deine Verehrer, hielten große Stücke auf dich und glaubten an dich. Auch diesmal wieder. Aber dann sahen wir dich untergehen, nachdem du schon fast der Sieger warst. Unser guter Bulle hier kennt sich jedoch aus. Bat Mullen war selbst einmal Preiskämpfer. Ja, der kennt sich aus. Und so wurden wir mehr als misstrauisch.«

Er verstummt nach diesen Worten.

Dafür übernimmt jener bullige Bat Mullen das Reden.

»Aber wir trauten dir nicht zu«, spricht er, »dass du dich absichtlich schlagen ließest. Nein, das trauten wir dir nicht zu. Und dennoch war mir klar, dass mit dir etwas passiert war. Ich habe dich während der Pausen stets scharf beobachtet. Ich sah, wie dich dieser Wurzelzwerg aus der Flasche trinken ließ und wie es von diesem Moment an abwärts ging mit dir. Ich sah, wie du dich mühtest und nicht untergehen wolltest. Und in der nächsten Pause lehntest du den Trunk aus der Flasche ab. He, hattest du die Knockouttropfen geschmeckt? Schmeckte es bitter?«

Er verstummt grollend.

Und an seiner Stelle übernimmt der dritte Mann das Weitersprechen. Er sagt: »Wir schnappten uns deine beiden Helfer. Sie hatten sich verdrückt und dich allein auf dem Floß liegen lassen. Verstehst du? Allein warst du! Aber wir schnappten sie uns. Und jetzt werden sie dir etwas erzählen, was sie schon uns erzählt haben. Wir haben sie windelweich geprügelt. Nun reden sie. Nicht wahr, du Wurzelzwerg, oder nicht?«

Er hält noch die Maultierpeitsche in der Hand, und er steht ein halbes Dutzend Schritte von Shorty weg. Nun schnellt das Ende der Peitsche hoch und klatscht gegen Shortys Bauch.

Shorty stöhnt vor Schmerz. Dann keucht er gepresst: »Ich sag ja alles! Ich will ja alles sagen. Nur schlag mich nicht mehr. Schlag mich nicht mehr! Es ist genug. Aaah!«

Ken Maddegan muss mühsam schlucken.

Er nähert sich Shorty.

Ja, er hat Shorty restlos vertraut. Shorty ist ein ehemaliger Cowboy aus dem Süden, der nicht mehr reiten kann, weil ein Wildpferd ihm zu viele Knochen brach beim Zureiten.

»He, Shorty«, sagt Ken Maddegan und beugt sich vor, um dem kleinen Mann ins Gesicht sehen zu können.

Aber Shorty kann ihm nicht lange in die Augen blicken, nur einen kurzen Moment. Dann blickt er wieder zu Boden.

»Tut mir leid, Ken«, stöhnt er. »Oh, es tut mir ja so leid! Aber ...« Er bricht ab.

»Was aber?«, knirscht Ken Maddegan. »Heraus mit der Sprache! Was aber?«

»Der Trust ...«, beginnt Shorty. Doch er bricht ab, so, als erklärte das zweite Wort alles, einfach alles.

»Weiter«, verlangt Maddegan, »weiter, Shorty!«

»Befehl vom Trust«, stöhnt dieser. »Du solltest verlieren! Wir hatten keine andere Wahl, Riley und ich. Wir wären jetzt tot, hättest du gewonnen. Es stand ohnehin alles auf der Kippe. Beinahe hättest du Stonebreaker geschlagen, bevor du bereit warst, aus der Teeflasche zu trinken. Vorher spültest du dir nur immer den Mund mit Wasser aus. Ja, ich habe es getan. Ich tat das Mittel in den Tee, das man mir gab. Du musstest verlieren. Verzeih mir, wenn du kannst, Ken Maddegan. Was ist falsch daran, wenn man noch eine Weile leben möchte?«

Ken Maddegan geht ein Licht auf.

Nun hat der Trust auch ihn erwischt.

Er musste einen Kampf verlieren, weil die Bosse des Trusts das so beschlossen hatten. Vielleicht glaubten sie jetzt, dass bei seinem nächsten Kampf die Wetten dann wieder schlechter für ihn stehen würden. Und dann konnte man – wenn sie ihn gewinnen ließen – beim nächsten Kampf mehr verdienen.

Er hört sich sagen: »Na gut, Shorty, na gut! Dein Hemd musste dir wohl näher sein als meines. Nun gut! Ich konnte wohl nicht von dir und Riley verlangen, dass ihr euch wegen mir mit den Bossen der Ströme anlegt. Vor diesen Banditen kuschen ja ganz andere Burschen. Na schön.«

Er wendet sich an die vier harten Burschen, in deren Gewalt er sich mit Shorty und Riley befindet. »Ich habe selbst alles verloren, was ich mir in den vergangenen Jahren erkämpfte. Ich habe selbst jeden Dollar auf meinen Sieg gesetzt. Was wollt ihr?«

Nun grinsen sie alle – aber ohne Freundlichkeit. Es ist ein blitzendes und verwegenes Grinsen von Männern, die jede Herausforderung annehmen, weil sie sich stets durch Kühnheit behaupten.

»Wir haben jeder siebentausend Dollar auf dich gesetzt«, sagt einer langsam. »Und wir wollen das Doppelte zurück. Denn du hättest gewonnen. Stonebreaker hätte die nächste Runde nicht mehr beginnen können. Wir bekommen unsere eigenen achtundzwanzigtausend Dollar und noch mal die gleiche Summe als Gewinn. Sechsundfünfzigtausend bekommen wir.«

Ken Maddegan staunt.

»Eine Menge Geld«, sagt er langsam, und er geht zu einer Kiste und setzt sich darauf. Sie lassen ihn gewähren.

»Ja, eine Menge Geld«, sagt einer der vier Burschen. »Wir brachten ein Riesenfloß den Mississippi herunter. Es war doppelt so viel wert, wie wir dafür erlösten. Doch der Trust kontrollierte die Versteigerung. Seine Aufkäufer bieten stets ohne Konkurrenz. Wir mussten unsere Männer auszahlen. Sechsunddreißig Mann warteten auf ihren Lohn für sechs Monate Arbeit. Wir mussten verkaufen, weil ein Warten nur Zeitverschwendung gewesen wäre. Der Trust kontrolliert alle Holzversteigerungen – überall! Und so blieben für jeden von uns nur siebentausend Dollar Gewinn. Das ist nicht viel für sechs Monate Hölle dort oben im Norden. Aber wir wollten unser Geld verdoppeln. Was uns der Trust nicht verdienen ließ, wollten wir durch Wetten auf deinen Sieg gewinnen. Hätten wir sehen müssen, dass Stonebreaker der bessere Mann war, dann wäre das für uns in Ordnung gewesen. Dann hätten wir das geschluckt. Aber wir wurden betrogen. Hunderte von Wettern wurden betrogen. Nur lassen wir vier uns das nicht bieten.«

Er verstummt, heiser vor Grimm. Eine kalte Wut lässt ihn vibrieren.

Ken Maddegan hockt jetzt sehr müde auf der Kiste.

»Ihr habt Shorty und Riley bestraft«, sagt er. »Und was wollt ihr noch? Auch mich mit einer Maultierpeitsche prügeln – oder was sonst?«

Sie schweigen und grinsen. Dann gehen zwei von ihnen zu Shorty und Riley und lösen die Stricke, mit denen man sie an die Stützbalken des Daches band.

»Ihr könnt abhauen«, sagt Bat Mullen zu ihnen, und er ist jener Bursche, der früher auch einmal Preiskämpfer gewesen ist. »Wir wollten nur die Wahrheit von euch hören. Dass wir sie erst aus euch herausprügeln mussten, war eure Schuld. Ihr seid zu unwichtige Kröten. Ihr könnt verschwinden. An eurer Stelle würde ich landeinwärts gehen, möglichst weit in den Westen. Ein paar Farmer sind hier mit ihren Wagen. Sie brachten Baumwolle. Jetzt fahren sie wieder nach Westen. Die brauchen immer Arbeitskräfte. Nutzt die Chance. So kommt ihr aus der Reichweite des Trusts. Denn es könnte sein, dass ihr als Beteiligte und Mitwisser einer Schiebung in Gefahr seid. Versteht ihr?«

»Genau«, stöhnt Shorty. Und der schweigsame Riley, der seinen Mund ohnehin fast nur zum Essen aufmacht, nickt heftig.

Sie sind nun frei. Man hat ihnen die Jacken ausgezogen. Sie heben diese Jacken auf und ziehen sie an.

Bevor sie hinaus in die Nacht gehen, halten sie noch einmal an.

»Vergib uns, wenn du kannst, Ken Maddegan«, murmelt Shorty. »Verstehst du? Wir hatten die Wahl zwischen unserer Treue zu dir und unserem Leben. Der Trust duldet keinen Ungehorsam. Und wir sind nun mal keine Helden. Und sie hätten auch dich umgebracht, wenn wir nicht gehorcht hätten. Wir haben dir sogar durch unser Handeln das Leben gerettet.« Er spricht die letzten Worte fast trotzig.

Und der schweigsame Riley sagt heftig: »Jawohl, so ist es, jawohl!«

Dann verschwinden sie. Einer der vier Flussmänner geht hinaus. Wahrscheinlich folgt er ihnen, um zu sehen, wohin sie gehen.

In dem Bootsschuppen ist es still.

Maddegan sitzt auf der Kiste und denkt nach. Er fühlt sich ausgebrannt und wie mit Blei gefüllt. Er möchte sich überhaupt nicht mehr bewegen müssen.

Sie beobachten ihn.

»Wir halten dich auch jetzt noch für einen ehrenwerten Burschen, mit dem man so etwas nicht machen kann«, sagt einer der drei Flussmänner. »Mein Name ist Joe Lasset, und das ist Jamie Taggert – der da ist Bat Mullen. Bill Shane ging den beiden Kröten nach. He, wir wollen uns mit dem Trust anlegen. Wir kennen nämlich den Boss dieses Gebietes. Wir kennen den Mann, der die Befehle gibt hier im Gebiet der Ohiomündung bis nach Saint Louis hinauf. Und wenn wir uns zurückholen, was man uns raubte, dann sind wir im Recht. Willst du, Tiger?«

Er nennt ihn mit seinem Kampfnamen, und er tut es bewusst hart und scharf.

Ken Maddegan denkt nach. Nun weiß er, dass sie ihn auf ihrer Seite haben wollen. Obwohl es ihm körperlich immer noch schlecht geht, hebt er den Kopf und sieht Joe Lasset, Bat Mullen und Jamie Taggert an.

»Wer ist der Kerl, der hier die Befehle gibt?« So fragt er.

»Langsam«, murmelt Jamie Taggert, »nur langsam. Der fährt uns so schnell nicht davon mit seinem schönen Schiff. Wenn du mitmachen möchtest, wirst du ihn kennenlernen. Aber wenn du dich davonschleichen möchtest ...« Er vollendet nicht.

Bill Shane kommt von draußen wieder herein.

»Sie sind zum Wagencamp der Farmer hinüber«, sagt er. »Sie wollen weg vom großen Strom. Einer von ihnen hat geheult. Ja, er hat geheult, richtig geschluchzt. Soll man einen Mann verachten, der darüber weint, dass er einem anderen nicht treu sein konnte?«

Ken Maddegan schluckt, als er dies hört. Er weiß, dass es Shorty war, der geweint hat. Aber er kann Shorty nicht mehr helfen, ihn auch nicht zurückholen.

Er sieht die vier Männer an. »Ich bin dabei«, sagt er.

✰✰✰

Es ist drei Nächte später, als Ken Maddegan die Uferstraße entlanggeht und die Landebrücke der »River Queen« erreicht. Er torkelt und schwankt ein wenig wie ein Betrunkener. Dabei singt er halblaut.

Der Posten an der Gangway sagt drohend zu ihm: »Halt dein Maul, und hör nur ja auf zu singen. An Bord schlafen sie und wollen kein Gebrüll von betrunkenen Affen.«

Ken Maddegan hält inne.

»Bruder«, sagt er, »ich singe, wann ich will. Komm her, wenn du mir das verbieten möchtest. Bisher wollte ich gar nicht singen. Doch jetzt möchte ich es.«

Der Mann kommt grollend von der Gangway auf die Landebrücke und von dieser an Land.

»Du weißt wohl nicht Bescheid, wessen Schiff das ist?« So fragt er grollend, und er kommt so dicht heran, um leise sprechen zu können und dennoch verstanden zu werden.

Als er in Maddegans Reichweite ist, schlägt dieser zu.

Der Mann ist zwar auch ein bulliger und schwergewichtiger Bursche, doch der herumgezogene Haken überrascht ihn völlig. Er bekommt ihn voll. Nun fliegt er die hier sehr steile Uferböschung hinunter, überschlägt sich dabei rückwärts und landet klatschend im Wasser.

Maddegan geht an Bord des weißen Dampfschiffes, überquert das Deck und hält erst an, als er die Reling der Flussseite erreicht hat.

Hier lehnt der zweite Wächter. Er richtet den Oberkörper auf und wendet sich Ken Maddegan zu. »He, Charly, was ...?«, beginnt der Mann und erkennt endlich, dass nicht der vermeintliche Charly, sondern ein Fremder zu ihm auf diese Seite kam.

Er öffnet den Mund schon zu einem Ruf, der wahrscheinlich ein Alarmschrei geworden wäre.

Doch Maddegan schlägt abermals zu. Auch dieser Schlag sitzt präzise. Sekunden später schwimmt auch der zweite Wächter flussabwärts, noch getragen von den Luftpolstern unter seiner Kleidung.

Maddegan nimmt eine Laterne vom Haken, beugt sich damit über die Reling und macht mit der Laterne einige kreisende Bewegungen. Dann hängt er die Laterne wieder an den Haken. Sie beleuchtet hier nicht nur den Steuerbordgang des Hauptdecks, sondern auch den Aufgang hinauf zum Sturmdeck, auf dem das Ruderhaus steht.

Maddegan braucht nicht lange zu warten.

In der Strommitte hielt sich die ganze Zeit ein kleines Dampfboot. Es ist kaum größer als eine Barkasse. Aus seinem Schornstein fliegen manchmal Funken. Das Schaufelrad am Heck dreht sich nur langsam, gerade so, dass das kleine Dampfboot sich gegen die Strömung behaupten kann.

Nun kommt es heran. Als es dicht genug an der »River Queen« ist, stoppt es die Maschine. Zwei Männer springen von den vorderen Aufbauten herüber. Sie bringen Seilenden mit, machen das Boot an der »River Queen« fest.

Joe Lasset wendet sich an Maddegan und sagt: »Gut gemacht, Tiger. Gehen wir!«

Er übernimmt die Führung. Maddegan und Jamie Taggert folgen ihm. Bill Shane bleibt auf dem Hauptdeck. Bat Mullen bleibt auf dem kleinen Dampfboot.

Ihre Rollen sind verteilt. Sie haben alles ausführlich besprochen und in den vergangenen Tagen und Nächten auch anderswo geübt. Sie wissen auch, dass niemand außer den beiden Wächtern und zwei weitere Personen an Bord waren.

Und zu jenen beiden Personen wollen sie.

Deshalb kamen sie an Bord und brachten alles in Gang.

Es gibt hier auf dem Sturmdeck außer der großen doppelten Hauptkabine nur noch ein halbes Dutzend kleinerer Kabinen.

Die noble Mahagonitür der Hauptkabine ist nicht verriegelt oder verschlossen. Der Schiffseigner konnte sicher sein, dass niemand ihn stören würde.

Dennoch ist dies jetzt der Fall.

Sie treten nacheinander ein.

Eine Lampe brennt. Sie befinden sich nun im Wohnteil der großen Doppelkabine, und der Raum ist mehr als nur nobel eingerichtet. Aber sie haben keinen Blick für all die noblen Dinge. Sie gehen hintereinander zur nächsten Tür.

Joe Lasset hält plötzlich einen Colt in der Hand. Er öffnet die Tür.

Auch im Schlafraum der großen Doppelkabine brennt eine Lampe – aber sie brennt mit nur kleiner Flamme, erhellt die Dinge nur mäßig, schafft ein angenehmes Schlummer- oder Dämmerlicht.

Im Doppelbett liegt ein Paar.

Die Frau ist sofort wach und setzt sich auf.

Jamie Taggert trat indes zur Lampe und drehte das Flämmchen höher. Nun ist es hell im Schlafraum. Auch hier ist alles nobel und teuer.

Auf dem Tisch steht eine leere Flasche Portwein, dazu sind zwei gebrauchte Gläser zu erkennen. Der Mann hat sich offenbar die nötige Bettschwere angetrunken. Nun aber erwacht er.

»Zum Teufel, was ...?«, grollt er, sich dabei im Bett aufsetzend.

Aber dann verstummt er, weil er die Situation augenblicklich begreift. Sein Blick richtet sich auf Maddegan.

»Aaah, der Boxer«, sagt er, und er schlägt langsam die Bettdecke zurück und erhebt sich mit einer zwar langsamen, doch geschmeidig wirkenden Bewegung. Er ist ein großer und prächtig proportionierter Mann. Sein rohseidener Schlafanzug lässt dies unschwer erkennen. Er ist ein dunkelhaariger Mann, dessen Wangen und Kinn selbst nach einer sorgfältigen Rasur bläulich schimmern. Seine rauchgrauen Augen stehen weit auseinander.

»Boxer«, sagt er, »ist das nicht eine Nummer zu groß für Sie?«

Er deutet auf Joe Lasset und Jamie Taggert.

»He, wie viel kostet ihr? Begreift ihr überhaupt, auf was ihr euch eingelassen habt, Freunde? Ihr seht doch gar nicht so blöd aus.«

»Sind wir auch nicht, Mister Delahanty«, erwidert Joe Lasset. »Wir haben uns alles dreimal überlegt. Aber wir haben durch das – nun, sagen wir Geschäftsgebaren – des Trusts schon mehr hingenommen, als wir ertragen können. Ja, wir haben mit diesem Boxer eine Interessengemeinschaft gegründet. Wir sind gekommen, um Entschädigung zu kassieren. Dass wir unser großes Floß aus Edelhölzern nicht günstig verkaufen konnten, weil die Versteigerung nur eine komische Nummer war, nahmen wir noch hin. Doch die Manipulierung des Boxkampfes – was seinen Ausgang betrifft – traf uns nochmals schlimm. Das war zu viel, Mister. Und auch der Boxer, der sein ganzes Geld auf seinen eigenen Sieg gesetzt hatte, wurde bestohlen. Na, dann machen Sie mal den Safe auf, Delahanty!«

Seine Stimme bekommt zum Schluss eine eiskalte Schärfe.

Joe Lasset ist ein bärtiger Bursche, ein Mann aus dem Norden, wo das Leben hart und voller Gefahren ist, ein Mann, der in der Lage ist, eine wilde Holzfäller- und Flößermannschaften unter Kontrolle zu halten.

Aber Robin Delahanty sieht ihn an und schüttelt den Kopf.

Delahanty mag hier in Luxus leben und in Seide und Damast schlafen, mit schönen Frauen an der Seite, aber er ist deshalb immer noch ein harter Mann, ein Boss.

»Haut ab«, sagt er. »Und lasst euch nie wieder blicken. Dann will ich das alles vergessen, obwohl ihr schon so sehr in meinen intimsten Bereich eingedrungen seid, dass dies allein eine harte Bestrafung verdient. Haut ab!«

Er sagt die beiden letzten Worte fast flüsternd, doch es steckt eine suggestive Kraft dahinter. Er strömt mitleidlose Macht aus, Drohung, Feindschaft.

Die drei Eindringlinge blicken nun auf die Frau. Als Delahanty sagte: »... in meinen intimsten Bereich ...«, da wurden sie wieder an die Frau erinnert.

Sie hat sich ebenfalls erhoben und steht nun in der Ecke. Sie zog sich einen Morgenrock an. Die Frau ist schön, auf eine rassige Art schön. Sie ist ganz gewiss auch kein billiges Flittchen. Mit einem solchen würde sich ein Mann wie Delahanty nicht abgeben. Nein, ein Bursche wie er, der verlangt stets Format. Dem ist das Beste gerade gut genug, bestes und erstes Format.

Und so hat diese Frau gewiss auch welches.

Ihr Haar ist blauschwarz. Es glänzt im Lampenschein wie das Gefieder eines Raben. Und ihre Augenfarbe ist von einem intensiven Blau. Die etwas schrägen Augen leuchten.

Ken Maddegan sagt: »Ma'am, Sie verzeihen, dass wir hier eingedrungen sind. Wirklich, es ließ sich nicht vermeiden. Dieser Mister schuldet uns zu viel. Hoffentlich können Sie es ertragen, wenn wir ihn jetzt vor Ihren Augen auseinandernehmen. Nachher wird er gar nicht mehr so imposant wirken. Aber es muss wohl sein, denn er nimmt die Sache immer noch nicht ernst genug.«

Er blickt Delahanty an.

»Mister«, sagt er, »ich hatte zwei treue und zuverlässige Helfer, die ohne mich ziemlich verloren sind auf dieser Erde. Man hat sie gezwungen, mich zu verraten. Einer hat deshalb geweint. Sie haben nun den letzten Halt verloren und müssen als Streuner umherziehen. Das ist das besonders Schlimme, denke ich. Und deshalb bluffe ich auch nicht, Mister, wenn ich Ihnen jetzt sage, dass Sie bald nicht mehr besonders imposant wirken werden. Na?«

In Delahantys Blick kommt für einen Moment der Ausdruck von Unsicherheit und Sorge. Er scheint auch tief in seinem innersten Kern zu zittern oder zu vibrieren. Doch das ändert sich schnell.

»Ihr seid tela nun vela, versteht ihr?« So zischt er plötzlich.

Es wird eine Weile still. Dann fragt Lasset: »Was sagt er?«

Jamie Taggert stößt einen seltsamen Laut aus und erwidert dann: »Das überrascht mich aber. Er sagte soeben tela nun vela , und es ist ein Sioux-Wort. Es bedeutet so viel wie ›tot, obwohl noch am Leben‹, versteht ihr? Er ist ein Mann, der die Sprache der Sioux im Norden reden kann. Er meint, dass wir nun schon so gut wie tot wären.«

»Sicher«, grollt Lasset. »Wir werden ihn also umbringen müssen. Und zumindest das werden wir tun, nicht wahr? Also, Delahanty, wir geben Ihnen drei Sekunden Zeit. Drei Sekunden!«

Ken Maddegan trat indes zu einem Wandbild. Es lässt sich zur Seite klappen wie eine kleine Tür.

Dahinter sieht man nun die Vorderseite eines Safes. Es ist kein großer Safe, aber er ist groß genug für ein Vermögen.

Es gibt ein Zahlenschloss und ein Schlüsselloch.

Lasset tritt zu Delahanty, drückt diesem den Revolver gegen den Magen und reißt ihm den seidenen Schlafanzug auf.

Und richtig: An einer goldenen Kette hängt ein golden glänzender Schlüssel um Delahantys Hals.

Lasset reißt ihn mit einem Ruck ab und wirft ihn Maddegan zu.

»Vielleicht ist das Ding nur mit diesem Schlüssel versperrt«, sagt er hoffnungsvoll dabei.

Maddegan schließt auf und probiert dann an dem Knebelgriff, der die Verriegelung öffnen würde, wäre er von keiner Zuhaltung mehr gesperrt.

Aber er lässt sich nicht drehen.

Das Zahlenschloss hält immer noch die andere Sperre fest.

Da schlägt Lasset Delahanty den Revolver schräg übers Gesicht. Delahantys Nasenbein bricht, und das Blut schießt ihm nur so aus der Nase.

Aber er stöhnt nur leise und gepresst, taumelt zurück bis an die Wand neben dem Bett und wartet.

»Die Zahlen«, verlangt Lasset. »Wir haben schon zu lange herumgetrödelt. Die Zahlen, Mister!«

»Geht zur Hölle«, erwidert Delahanty. »Glaubt ihr denn, ich lasse mich von Strolchen wie euch so klein machen, dass ich zu winseln beginne? Von mir bekommt ihr die Zahlen nicht. Probiert es mal, ihr Narren!«

Sie glauben ihm plötzlich. Er ist hart. Er wird alles hinnehmen, was sie ihm antun, auch heißes Blei. Er wird sogar sterben, ohne mit der Wimper zu zucken. Bestimmt stirbt er ungern. Aber er wird hart bleiben. Umsonst wurde er nicht hier in diesem Gebiet der Boss des Trusts. Er ist härter als alle anderen Männer, denen er Befehle gibt. Und er fürchtet den Tod nicht.

Ken Maddegan hört Joe Lasset und Jamie Taggert leise fluchen. Es ist, als begriffen sie erst jetzt, dass die Sache noch größer und härter ist, als sie bisher glaubten oder sich ausrechneten.

Delahanty sagt nun kalt: »Und die Rache der Vereinigung wird euch bis in den entferntesten Winkel dieser Welt folgen. Ihr Narren!«

Die beiden letzten Worte sind voller Verachtung. Ein Mann, der zum Sterben bereit ist, kann gewaltig viel Verachtung ausdrücken.

Irgendwie spüren sie alle eine gewisse Ratlosigkeit.

Maddegan spürt den festen Blick der schönen Frau. Er erwidert ihn.

Er hört sich ruhig sagen: »Mister Delahanty, die Welt ist verdammt groß, zu groß für die Vereinigung. Aber ich würde auch gar nicht lange fortlaufen, sondern umkehren und mich stellen. Aber lassen wir die Theorie. Ich glaube, wir können mit einer guten Axt und einer Brechstange diesen Tresor aus der Holzwand brechen. Das dauert keine halbe Stunde. Aber dann nehmen wir das Ding mit dem gesamten Inhalt mit. Wie wollen Sie es haben, Delahanty?«

»Oh, wir bekommen alles wieder – bestimmt«, sagt dieser. »Macht nur, was ihr tun möchtet.«

Maddegan nickt Lasset und Taggert zu.

»Ich hole Werkzeug«, sagt er, »und sag den anderen Bescheid, dass es etwas länger dauern wird. Vielleicht sollten wir dieses Schiff losmachen und mit der Barkasse vom Ufer weg in den Strom ziehen. Dann hätten wir eine Menge Zeit.«

Er wendet sich zur Tür.

Aber da sagt die Frau: »Einen Moment, Mister.«

Alle sehen sie an.

Sie steht immer noch ganz ruhig in der Ecke neben dem Bett. Doch sie wirkt nun anders, völlig anders.

Entschlossen wirkt sie. Ja, sie strömt eine endgültige Entschlossenheit aus.

»Ich kann den Safe öffnen«, sagt sie. »Ich habe Delahanty die Zahlenkombination abgesehen. Es war leicht. Ich könnte Ihnen helfen.«

Sie staunen. Und am meisten staunt Robin Delahanty.

»Bist du verrückt geworden, Georgia?« So fragt er ungläubig.

Aber sie gibt ihm keine Antwort. Sie beachtet ihn gar nicht, sondern sieht Ken Maddegan an.

Dieser hat schon begriffen. Seine Frage beweist es. Denn er fragt: »Was ist der Preis?«

Sie lächelt ernst, aber es ist mehr ein Funkeln in ihren Augen. Ihr Mund verzieht sich nur ein wenig, lässt ihre weißen Zahnreihen nur ganz kurz blitzen.

»Im Safe ist etwas«, sagt sie, »ein kleines Päckchen nur, das mir gehört, mir als Erbin sozusagen. Ich möchte es mir nehmen und dann ein Stück mit Ihnen gehen. Denn Sie werden Ihren Fluchtweg gut vorbereitet haben. Ich konnte das nicht. Deshalb will ich von euch ein Stück mitgenommen werden, bis ich mich sicher fühlen kann vor der Rache der Vereinigung. Gut so?«

»Oh, du diebische Hure«, sagt da Delahanty knirschend. »Oh, du ...« Aber dann verstummt er, denn Lasset tritt mit einem langen Schritt zu ihm und stößt ihm jetzt die Revolvermündung in die Magenpartie.

»Na, dann sag es mal«, grinst er. »Sprich es ruhig aus, Bruderherz. Wir brauchen dich nicht mehr. Da könnten wir dich jetzt alle machen. Beschimpf die Lady also weiter, wenn du gleich zur Hölle fahren willst.«

Er nickt zu der Frau hinüber.

»Wir sind Partner, Schwester«, sagt er. »Wir nehmen Sie so weit mit, wie Sie wollen. Ja, das ist in Ordnung. Also los jetzt! Wir vertrödeln zu viel Zeit!«

»Sicher«, sagt sie. »Aber ich will dennoch erst meine beiden Reisetaschen und einen Koffer packen. Es geht schnell. Es dauert nur drei Minuten. Und ich muss mich anziehen, nicht wahr?«

Sie sagen nichts, aber sie sehen sie hinter einer sogenannten spanischen Wand verschwinden.

Delahanty lehnt nun bewegungslos an der Wand, hat die Arme vor der Brust verschränkt. Sein Gesicht ist hart und ausdruckslos. Seine Augen sind nur noch schmale Schlitze. Was dieser Boss der Vereinigung auch denken und fühlen mag – es bleibt tief unter seiner Oberfläche verborgen. Seine Nase blutet noch und schwillt an.

Jamie Taggert steht an der offenen Tür.

Joe Lasset hält sich mit dem schussbereiten Colt dicht bei Delahanty auf und lässt diesen nicht aus den Augen.

Maddegan steht beim Safe. Auch er ist bewaffnet, und er beobachtet den Wandschirm, hinter dem diese Georgia – Delahanty nannte sie so – noch verborgen ist.

Wenn sie da hinter dem Wandschirm eine Waffe hat ..., denkt er einmal. Doch dann verwirft er den Gedanken wieder. Er hat gespürt, dass die schöne Frau ganz plötzlich aus Eigeninteresse ihre Verbündete wurde.

Nun erscheint sie angezogen, tritt hinter dem Wandschirm hervor. Sie trägt jetzt Hosen, Stiefel, eine Cordjacke und ein rotes Kopftuch. Sie tritt an den Wandsafe und dreht an dem Zahlenschloss.

Robin Delahanty sagt schwer von seinem Platz aus: »Wenn die Kerle mich am Leben lassen sollten, Georgia, dann werde ich dich zu finden wissen.«

Sie blickt über die Schulter hinweg auf ihn.

»Ich bestehle dich nicht, Robin«, sagt sie ruhig. »Ich nehme mir nur heraus, was du einem anderen Mann gestohlen hast. Ja, ich kam nur zu dir, um mir mein Erbe zu holen. Ich hätte es schon vor Tagen herausnehmen können. Doch es war mir klar geworden, dass ich meine Flucht gut organisieren musste. Und das war nicht einfach. Jetzt muss ich die Chance nutzen. Aber ich bestehle dich nicht. Du kannst mich nicht eine Diebin nennen. Der Dieb bist du, Mister, nur du!«

Damit hat sie alles gesagt. Und er scheint genau zu wissen, was sie meint. Denn er schweigt.

Sie hat den Safe nun geöffnet, greift sofort hinein und holt einen Beutel aus weichem Wildleder heraus, der nicht größer als ein Handschuh ist und ziemlich gefüllt wirkt.

Sie lässt ihn in der Innenseite ihrer Cordjacke verschwinden und tritt dann zur Seite.

»Ich bin hier fertig«, sagt sie.

Maddegan nickt ihr zu. Dann tritt er an den nun offenen Safe. Er ist voller Geld. Es sind alles große Scheine.

Er sieht zu Delahanty hinüber. »Auch ich bestehle Sie nicht, Mister«, sagt er. »Ich hatte elftausend Dollar auf meinen Sieg gewettet und hätte sie verdoppelt, wenn meine beiden Helfer mich nicht betäubt hätten auf Befehl des Trusts. Ich nehme mir nicht mal Schmerzensgeld nur zweiundzwanzigtausend Dollar. Verstanden?«

»Sicher, sicher, Freund«, erwidert Delahanty. Er betastet dann vorsichtig seine zerschlagene Nase, wischt sich auch endlich mit einem Tuch das Blut ab.

Indes zählt Ken Maddegan das Geld ab. Es sind alles nur Fünfzig- und Hundertdollarnoten. Er teilt es in zwei Bündel, die sich mühelos in seinen Jackentaschen unterbringen lassen.

Als er fertig ist, tritt er zu Joe Lasset, löst diesen als Bewacher von Delahanty ab. Lasset und Taggert holen nun Geld aus dem Safe.

»Bei uns ist es teurer«, sagt Taggert zu Delahanty. »Wir sind vier und hatten jeder siebentausend Dollar auf Maddegan gewettet. Auch wir hätten unseren Einsatz verdoppelt. Wir nehmen uns sechsundfünfzigtausend Dollar, Mister. Wollen Sie eine Quittung?«

»Nehmt nur – nehmt nur«, erwidert Delahanty. Seine Stimme klingt gequetscht und nuschelnd. Seine Nase ist nun völlig zugeschwollen. Niemand könnte ihn jetzt noch an der Stimme erkennen.

Lasset und Taggert zählen schnell. Und sie haben es leicht, da die Geldscheine zu Tausendern gebündelt sind.

Sie brauchen also nur die Tausenderbündel zu zählen.

Und sie nehmen genau sechsundfünfzig, kein einziges mehr.

Im offenen Safe sind jedoch gewiss noch mehr als hunderttausend Dollar.

Sie verharren davor und blicken auf das Geld.

Auch Maddegan, Georgia und Delahanty tun es.

Es sind spannungsgeladene Sekunden.

Die Versuchung ist groß. Auch Maddegan spürt die Versuchung.

Und Jamie Taggert spricht es dann sogar aus. Denn er sagt: »Eigentlich würden wir einer Banditenbande nur die Beute stehlen, nicht wahr? Eigentlich würden wir nur wie Fregattvögel handeln – und stehlen anderen Raubvögeln die Beute – oder?«

Er sieht Lasset und Maddegan an.

»Es ist noch viel Geld im Kasten«, sagt er dabei. »Wollen wir es dieser Vereinigung lassen, deren Killer uns vielleicht noch lange jagen werden?«

In Jamie Taggerts Augen funkelt es. Ja, er möchte den Safe ganz ausräumen. Auch Joe Lasset ist schon halb entschlossen. Er wiegt leicht den Kopf.

Maddegan beobachtet seine beiden Partner. Denn Partner sind sie ja geworden und werden es auch noch eine Weile bleiben müssen auf der Flucht vor der Rache des Trusts.

Maddegan weiß, dass er jetzt gleich herausfinden wird, ob er Banditen zu Partnern hat oder Männer, denen die Selbstachtung mehr wert ist als gestohlenes Geld.

Bis jetzt konnten sie sich moralisch im Recht fühlen. Aber wenn sie sich mehr Geld aus dem Safe nehmen als die Summen, um die man sie betrog ...?

Lasset und Taggert sehen zu ihm herüber.

»Was meinst du, Maddegan?« So fragt Lasset scharf.

»Ich habe mein Geld«, erwidert Maddegan. »Ich habe das, was man mir stahl. Und mehr wollte ich nie.«

Sie staunen ihn an. Ja, es ist ein Ausdruck von Staunen in ihren Blicken. Aber sie denken zugleich auch nach, lauschen in sich hinein, bringen es fertig, nicht nur an das viele Geld zu denken, dessen Raub jetzt so leicht wäre.

Lasset nickt plötzlich. »Boxer«, sagt er, »du bist in Ordnung. Du bist mehr als nur ein Bursche, der anderen Burschen die Bumsköpfe behämmert. Respekt!«

Er wendet sich an Taggert.

»Hast du es auch inzwischen begriffen, Jamie?« So fragt er.

Taggert ist ein Bursche, der wie ein zu groß geratener Comanche wirkt. Nun schluckt er etwas mühsam und nickt dann. Ein Grinsen blitzt in seinem dunklen Indianergesicht. Er sieht verwegen und erleichtert zugleich aus.

»Yes, Sir«, sagt er, »ich habe es begriffen – in diesem Moment. He, Boxer, du hast meine Seele gerettet!«

Sie blicken alle wie auf Kommando nach dieser Georgia.

Sie ist nicht untätig geblieben in diesen Minuten. Sie hat ihre beiden Reisetaschen und einen Koffer endgültig gepackt. Sie erwidert die Blicke der Männer. Dann sieht auch sie zu dem offenen Safe hinüber.

»Es ist natürlich erfreulich für mich, zu wissen, dass ihr keine Banditenbande seid wie der Trust«, sagt sie. »Aber ob ihr dieser Vereinigung tausend Dollar wegnehmt oder eine Million – die Rache müsst ihr dennoch fürchten. Es sei denn ...« Sie bricht ab und sieht auf Robin Delahanty. »Es sei denn«, wiederholt sie und spricht dann den Satz zu Ende, »... sie lassen dich hier tot zurück, Robin. Aber da hast du Glück. Sie sind keine Banditen. Sie nehmen sich nur, was ihnen zusteht, so wie ich. Wenn du schlau bist, dann bringst du keine Verfolgung in Gang.«

Sie nimmt die beiden Reisetaschen auf.

»Gehen wir?« So fragt sie. »Trägt mir einer von euch den Koffer?«

Taggert nimmt ihren Koffer.

Lasset tritt neben Maddegan vor Delahanty hin.

»Vielleicht sind wir Narren, dass wir den Safe nicht leer machen und dich nicht tot zurücklassen – ja, vielleicht sind wir Narren und müssen dies noch teuer bezahlen. Doch wir sind keine Banditen. Das ist dein Glück! Leg dich aufs Bett. Wir werden dich gefesselt zurücklassen.«

✰✰✰

Als sie auf die kleine Dampfbarkasse klettern, die den Namen »Little Mary« trägt, ruft Bat Mullen vorwurfsvoll aus dem kleinen Ruderhaus: »Heiliger Rauch, warum hat das so lange gedauert? Ihr habt vielleicht die Ruhe weg!«

Aber sie lachen nur. Sie sind in guter Stimmung. Denn sie haben einen Sieg errungen und eine Niederlage wettgemacht. Sie sind auch keine Banditen und Mörder geworden – nein, sie konnten ihre Selbstachtung behalten. Deshalb sind sie in so guter Stimmung.

Als sie losmachen und in die Strommitte lenken, wird auch das weiße Dampfschiff des Trustbosses, die »River Queen«, von der Landebrücke abgetrieben. Denn sie haben die Festmachleinen gelöst. Das schnelle Dampfschiff wird irgendwo am Ufer auflaufen.

Die Barkasse ist schnell. Sie ist auch voller Feuerholz, hat in ihrem kleinen Laderaum kaum andere Fracht und Ladung. Sie besitzt eine starke Dampfmaschine, die das Heckschaufelrad auch gegen die stärkste Strömung kraftvoll zu drehen vermag.

Sie kann gegen die Mississippi-Strömung sechs Meilen die Stunde vorwärts kommen.

Und schneller fahren auch die großen Dampfschiffe nicht.

Bat Mullen und Bill Shane staunen nicht besonders darüber, dass sie nun auch eine Frau mitnehmen. Sie betrachten Georgia im Laternenschein.

»Sie fährt mit uns, so weit sie will«, sagt Joe Lasset.

»Ohne ihre Hilfe hätten wir eine Menge Mühe gehabt«, erklärt Jamie Taggert.

Er wendet sich an Georgia.

»Wenn Sie sich nützlich machen möchten, Schwester«, sagt er, »dann könnten Sie sich ein wenig mit der kleinen Kombüse vertraut machen und uns einen Kaffee kochen. Oder wäre das zu viel verlangt?«

»Nein«, sagt sie ruhig. »Ich werde innerhalb dieser Partnerschaft meinen Teil verrichten. Und noch etwas: Ich bin auf einem Schiff groß geworden. Ich kenne mich aus auf dem Strom zwischen New Orleans und Saint Louis. Und ich verstehe mich auf jede Arbeit an Deck und an der Maschine. Nun möchte ich nur noch eines wissen, Partner.«

»Frag uns ruhig, Schwester«, murmelt Joe Lasset.

Georgia fragt: »Wohin geht es?«

Sie lachen leise, schnaufen, brummen oder seufzen.

Es ist, als wollte sich jeder um die Antwort drücken.

Doch dann sagt Joe Lasset: »Nach Norden. Weit, weit nach Norden, den Big Muddy hinauf ins Indianerland. Dort wollen wir mal sehen, ob der Trust so lange Arme hat. Dort oben ist unser Revier. Da kennen wir uns aus. Aber du kannst unterwegs aussteigen, wo du möchtest, Schwester. Wir werden nicht mal fragen, was in dem kleinen Beutel ist. Das geht uns nichts an.«

Sie verharrt einige Atemzüge lang. Dann nickt sie im schwachen Licht der Laterne.

»Ja, das passt mir gut, weit, weit hinauf nach Norden. Dann kann ich vielleicht durch das nördliche Montana über die Bitter Roots zur Westküste nach Seattle. Das soll ein Seehafen sein, nicht wahr?«

»Sicher, Schwester, sicher«, murmelt Lasset.

Sie verharrt noch einige Sekunden.

Dann klettert sie den Niedergang auf das überdachte Vordeck der Barkasse hinunter. Es gibt dort außer der kleinen Kombüse noch einen Aufenthaltsraum und einige schmale Schlafkojen. Darunter ist ein kleiner, trockener Laderaum. Die Dampfmaschine befindet sich unter einem kleineren Heckaufbau.

Bill Shane begibt sich dorthin, um Holz nachzulegen. Er übernimmt für die nächsten zwei Stunden die Aufgabe des Maschinisten und Heizers.

Die beiden anderen Männer bilden beim Ruderhaus noch eine Gruppe.

Bat Mullen lenkt immer noch das kleine Dampfboot.

»He, was haltet ihr von der?« So fragt er über die Schulter und starrt dann wieder geradeaus in die Nacht.

Sie schweigen eine Weile.

Dann wendet sich Lasset an Maddegan. »Was denkst du, Tiger? Was denkst du über sie, Boxer?«

Maddegan zögert. Endlich sagt er: »Sie ist mit den üblichen Maßstäben nicht zu messen. Sie ist kein Flittchen – und dennoch setzt sie ihre Reize als Waffe ein. Wahrscheinlich ist sie eine gefährliche Abenteurerin. Nun, wir werden noch einige Zeit mit ihr zusammen sein. Wir werden sie aber wahrscheinlich nicht wirklich kennenlernen. Sie ist eine Frau mit tausend Gesichtern. Versteht ihr?«

Sie nicken.

Denn sie sind seiner Meinung. Ihr Instinkt sagt ihnen ähnliche Dinge.

✰✰✰

Sie fahren Tag und Nacht – fünf Männer und eine Frau. Sie sind auf dem kleinen Boot fortwährend sozusagen auf Tuchfühlung zusammen. Es sind Vollblutmänner.

Die Frau aber ist rassig, schön und begehrenswert.

Aber sie ist ihre Partnerin. Sie schlossen mit ihr einen Vertrag, trafen ein Abkommen. Sie respektieren das und behandeln sie wie eine Schwester. Sicherlich fällt ihnen das schwer.

Und die Neugierde plagt sie oft genug.

Denn immerhin fanden sie diese Georgia, von der sie inzwischen wissen, dass sie Georgia Morgan heißt, mit Robin Delahanty zusammen in einem Luxusbett. Das irritiert sie immer noch.

Ken Maddegan hat sich ebenfalls schon den Kopf über Georgia Morgan zerbrochen und immer wieder über sie nachdenken müssen.

Am dritten Tag nach ihrer gemeinsamen Flucht steht er neben ihr im Ruderhaus als zusätzlicher Ausguck. Sie steuert. Er hat eigentlich nur die Aufgabe, sie auf irgendwelches Treibgut aufmerksam zu machen. Denn der Strom ist tückisch. Immer wieder treiben Dinge auf ihm, die ein solch kleines Boot so schnell leckschlagen können, dass es binnen weniger Minuten volllaufen kann.

Sie stehen nebeneinander. Er blickt manchmal zur Seite, betrachtet ihr Profil und auch ihre kleinen und doch so geschmeidigen und kräftigen Hände, die das kleine Ruderrad nicht allzu oft bewegen. Es gehört eine gewisse Technik dazu, solch ein Boot sozusagen am Ruder hängen zu haben. Denn schon ein geringes Übersteuern bringt es so aus dem Kurs, dass die Strömung bald schon gewaltig drücken kann. Und dann muss ein Anfänger fortwährend kurbeln. Aber diese Georgia Morgan beherrscht die Arbeit eines Rudergängers ausgezeichnet.

Für einen Moment wendet sie den Kopf und sieht schräg zu Maddegan hinauf. Er ist mehr als einen Kopf größer als sie.

»Wen von euch ich auch ansehe«, spricht sie, »ich erkenne stets die gleichen Fragen in euren Augen. Aber ich kann verstehen, dass ihr euch den Kopf über mich zerbrecht. Ja. Ich kann es verstehen.«

»Und du könntest all die Rätsel ein wenig leichter machen, die du uns aufgibst«, erwidert er. »Du bist eine Frau mit tausend Gesichtern und zehntausend Rätseln, Schwesterherz. Was ist falsch daran, dass wir uns über dich den Kopf zerbrechen?«

»Nichts ist falsch daran«, erwidert sie. »Ich kann euch verstehen, das sagte ich ja schon«, spricht sie weiter.

Wieder sieht sie zu ihm hoch. Diesmal sehen sie sich einige Atemzüge lang fest an.

»Es wäre von jedem von euch hier an Bord ein Fehler, sich in mich zu verlieben«, warnt sie dann ruhig und fest. »Verstehst du, Ken Maddegan? Ein Fehler wäre das. Denn ich bin verdorben für die Liebe – längst schon verdorben. Ich traue keinem Mann mehr auf dieser Erde. Und deshalb warne ich auch dich, Ken Maddegan. Lass es bleiben.«

Er sagt nichts für eine Weile. Aber dann murmelt er: »Dennoch würde ich deine Geschichte gerne kennen, Schwester. Es ist bestimmt eine spannende Geschichte. Ja, ich würde sie gerne kennen. Doch ...«

Er verstummt bedauernd.

Sie nickt heftig, so, als hätte er nach seinem »Doch ...« den angefangenen Satz beendet mit den Worten: »... wir gehen ja ohnehin bald wieder jeder seinen eigenen Weg.«

✰✰✰

Als sie Saint Louis in Sicht bekommen, ist es Nacht. Doch es ist eine helle Mond- und Sternennacht, wie sie schöner nicht sein könnte.

Sie schwenken dann gegen Ende der Nacht in die Missouri-Mündung ein. Bat Mullen, der die Wache als Heizer und Maschinist hat, kommt aus dem kleinen Heckaufbau, in dem sich die Maschine befindet, und ruft nach vorn: »He, wenn wir innerhalb der beiden nächsten Stunden kein Feuerholz an Bord nehmen, können wir nur noch durch Rudern vorwärts kommen. Ich kann den Dampfdruck nur noch zwei Stunden halten! Klar?«

Sie versammeln sich bald darauf alle bis auf Bat Mullen, der im Maschinenhaus ist, vorne beim Ruderhaus, in dem Joe Lasset das Ruderrad bedient.

»Na, wo denn?« So fragt Jamie Taggert, und jeder von ihnen weiß, was seine Worte bedeuten.

»Ich schlage Jeffersons Holzplatz vor«, sagt Joe Lasset.

»Es ist sowieso ein Glücksspiel«, brummt Jamie Taggert. »Uns konnten zwei oder drei Schiffe überholen, weil sie einfach schneller waren. Überdies gibt es auf dem Landweg sicherlich eine schnelle Nachrichtenverbindung durch Expressreiter. Auch mit Brieftauben müssen wir rechnen. Diese Bande weiß sicherlich schon, dass wir kommen. Aber sie können nicht alle Holzplätze vor, bei und hinter Saint Louis bewachen. Also ist Jeffersons Holzplatz so gut oder so schlecht wie jeder andere.«

»Richtig«, sagt Bill Shane, der eigentlich am wenigsten spricht. Shane ist ein geborener Texaner, den es schon in sehr jungen Jahren nach Norden verschlug. Aber er blieb dennoch immer noch irgendwie ein typischer Texaner, wortkarg, lässig, kühl und selbstbewusst. Und seitdem sie an Bord sind, trägt er seinen Colt wieder offen in einem Holster tief unter der Hüfte.

Sie reden nichts mehr.

Es ist entschieden, dass sie Jeffersons Holzplatz anlaufen werden, der sich nur noch etwa eine halbe Stunde stromauf am Nordostufer des Missouri befindet.

Georgia Morgan, die schweigend bei ihnen steht, sagt plötzlich: »Gebt mir eine Waffe. Ich kann schießen wie ein Mann. Und vielleicht werde ich das auch müssen, für uns alle. Gebt mir also eine Waffe.«

»Sicher, Blauauge«, erwidert Bill Shane. »Ich habe einen kleinen Colt für dich in meinem Gepäck. Oder möchtest du ein Gewehr?«

»Beides«, sagt sie. »Ich möchte diesen kleinen Colt und auch noch ein Gewehr.«

»He!«

»Oho!«

»Eine Amazone!«

So rufen sie durcheinander.

Nur Maddegan schweigt.

Sie aber sagt dann: »Freunde, was glaubt ihr wohl, was sie mit mir machen werden, wenn sie uns in die Hand bekommen? He, was glaubt ihr wohl, welche Befehle Delahanty wegen mir erteilt hat? Als es klar wurde, dass ihr keine Banditen und Mörder seid, die ihn tot zurücklassen wollten, da freute ich mich natürlich. Es war eine Beruhigung für mich, mit Gentlemen zu reisen. Aber ...«

Sie vollendet nicht.

Das braucht sie auch gar nicht. Denn sie alle wissen, dass sie – als sie Robin Delahanty schonten – ein großes Risiko eingingen.

✰✰✰

Eine halbe Stunde später erkennen sie die Lichter der Landebrücke. Auch das weiße Schild wird angeleuchtet, sodass deutlich zu lesen ist: Jeffersons Holzplatz.

Neben den großen Holzstapeln – jeder Stapel ist aus Scheiten von bestimmter Größe errichtet – stehen einige Gebäude. Es gibt dort auch ein Gasthaus, einen Store und eine kleine Siedlung.

Sie fahren langsam und leise an die Landebrücke und gleiten daran entlang, bis sie den Holzstapel erreicht haben, dessen Scheite in die kleine Feuerung ihres Bootes passen.

Ein Mann taucht aus dem Schatten auf.