G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 56 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 56 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

3 spannende Westernromane lesen und sparen!

G.F. Unger ist der erfolgreichste deutschsprachige Western-Autor. Mit einer Rekordauflage von über 250 Millionen Exemplaren gehört er zur internationalen Spitzenklasse der Spannungsliteratur. Und das zu Recht!

Niemand vermag es wie er, die unermesslichen Weiten des amerikanischen Westens und die Stärke der unerschrockenen Männer, die sie erschlossen, zu beschreiben. Erleben Sie den amerikanischen "Wilden Westen", wie nur G.F. Unger ihn schildern kann: hart, authentisch, leidenschaftlich.

Dieser Sammelband enthält die Folgen 2515 bis 2517:

2515: Jagd ohne Gnade
2516: Maddegan, der Mann vom Fluss
2517: Offene Stadt

Der Inhalt dieses Sammelbands entspricht ca. 192 Taschenbuchseiten.
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Seitenzahl: 457

Veröffentlichungsjahr: 2023

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G. F. Unger
G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 56

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben

Für die Originalausgaben:

Copyright © 2021 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Vervielfältigungen dieses Werkes für das Text und Data Mining bleiben vorbehalten.

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2023 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Covermotiv: © Norma/Prieto

ISBN: 978-3-7517-4739-4

https://www.bastei.de

https://www.sinclair.de

https://www.luebbe.de

https://www.lesejury.de

G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 56

Cover

Titel

Impressum

Inhalt

G. F. Unger Western-Bestseller 2515 - Western

McQuarry kommt nach Dragoon City

G. F. Unger Western-Bestseller 2516 - Western

Weg der Männer

G. F. Unger Western-Bestseller 2517 - Western

Socorro

Guide

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Contents

McQuarry kommt nach Dragoon City

Der Canyon durchbricht die Kette der Dragoons von Süd nach Nord. Und im breiten Maul des Canyons, das vor ihm liegt, sieht Jack McQuarry die Häuser der Stadt.

Er ist ein großer Mann mit einem ruhig wirkenden Gesicht, in dem eine tief in seinem Kern liegende Härte zu erkennen ist. Er und sein Pferd sind mit Staub bedeckt.

McQuarry ist den Mulkey-Brüdern auf den Fersen, die in Hills Boro die Bank ausraubten. Ihre Fährte hatte sich geteilt, und so warb er drei Männer an, die den drei Fährten folgten. Er selbst konnte ja nicht zur selben Zeit drei verschiedenen Fährten folgen. Er war jedoch sicher, dass sich die Fährten irgendwo wieder vereinigen würden. Und so wartete er und ließ die Spürhunde für sich suchen und den Fährten folgen.

Doch dann erhielt er von dem kleinen Mr. Fox die Nachricht, dass sich die Mulkey-Brüder schon seit Tagen im Freudenhaus von Dragoon City aufhielten. Und nun ist er da ...

Bis zur Stadt ist es nur noch eine halbe Meile, und er weiß, dass er dort vielleicht beerdigt werden könnte, wenn es nicht besonders gut für ihn läuft. Denn die drei Mulkey-Brüder sind gefährliches Wild – Raubwild.

Dennoch ist in McQuarry kein Zögern.

Er hat das Ende einer Fährte erreicht, und nun gilt es, den Rest zu erledigen, so oder so.

Er glaubt nicht, dass sich die Mulkey-Brüder ergeben werden. Nein, er wird sie niederkämpfen müssen, um die der Bank geraubte Summe zurückbekommen zu können.

Wieder einmal reitet er in einen Revolverkampf. Und wieder einmal fragt er sich, wie lange er dieses Leben noch führen will und ob sich diese Frage in dieser kleinen Stadt vor ihm nicht von selbst erledigen wird.

Es ist später Nachmittag. Die Sonne steht weit im Westen und wirft ihren noch hellen Schein an der Nordseite der Dragoons entlang nach Osten. Der Canyon aber ist schon dunkel. Sein Maul ist wie ein gewaltiger Schlund, der in die Dunkelheit führt.

McQuarry erreicht die ersten Häuser und biegt in den Hof des Mietstalls ein.

Aus der Schmiede, zu der dieser Stall gehört, kommt ein Junge gelaufen, der soeben noch den langen Hebel des Blasebalgs bediente. Es ist ein blonder, sommersprossiger Junge von etwa vierzehn Jahren, der auch mit dem Vorhammer als Zuschläger arbeitet. Und das kann einen solchen Jungen leicht zerbrechen.

»Sir?« So fragt der Junge.

»Versorge es gut, Junge«, spricht McQuarry ruhig. »Sei gut zu diesem Wallach. Er verdient es. Und leg mein Gepäck zu ihm in die Stallbox.«

Er schwingt sich aus dem Sattel und wirft dem Jungen die Enden der Zügel zu. Dann geht er mit langen und trotz des harten Reitens immer noch federnden Schritten davon.

Aus der halb offenen Schmiede tritt nun der Schmied, der noch einige Hammerschläge tun musste und den Fremden deshalb nicht so gründlich betrachten konnte.

»Wer ist da gekommen, Pete?« So fragt er den Jungen.

Dieser starrt immer noch McQuarry nach und erwidert schließlich zögernd: »Sir, ich weiß nicht. Da kam ein Mann, von dem etwas ausgeht, doch ich weiß nicht so genau, was. Aber es ist ein Mann wie kein anderer.«

Er hat kaum ausgesprochen, als Norman Fox in den Hof geritten kommt, und offenbar hat er die letzten Worte des Jungen gehört. Denn indes er absitzt und die Zügel fallen lässt, sagt er: »Ja, Junge, der da ist ein Mann wie kein anderer.«

Er macht einige Schritte in Richtung Ausfahrt, hält dann inne und wendet sich halb zurück.

»Die Stadt wird sich noch lange an diesen Tag erinnern, den Tag, da dieser Mann nach Dragoon City kam.«

Nach diesen Worten verschwindet er aus dem Hof.

Der Schmied wischt sich übers Gesicht. Dann sagt er: »Pete, geh dem Fremden nach – ich meine, dem ersten Fremden, der mit dem grauen Wallach geritten kam. Und dann berichte mir, was geschehen ist. Lauf, Pete!«

Pete lässt sich das nicht zweimal sagen, denn er ist voller Neugierde, und er wittert etwas, so als würde etwas Ungeheuerliches geschehen und er, Pete Brown, ein Zeuge eines großen Geschehens werden.

Indes wandert Jack McQuarry die Mainstreet von Dragoon City entlang, sieht sich um und versucht einen ersten Eindruck von der Stadt zu bekommen.

Es ist kein guter Eindruck. Es herrscht nicht viel Leben. Es scheint, als verhielten sich die Leute hier abwartend, lauernd, wachsam. Und weil er ein Fremder ist, von dem sie noch nicht wissen, was er hier will, da spürt er ihre misstrauischen Blicke.

Ja, sie beobachten ihn aus den Häusern, halten sich jedoch dabei möglichst verborgen.

Was für eine Stadt, denkt er mit einem Gefühl von Verachtung, und zugleich wird ihm klar, dass die Mulkey-Brüder sich in solch einer Stadt sehr wohl fühlen. Denn wer will hier etwas gegen sie unternehmen? Drei Banditen und Revolverhelden wie die Mulkey-Brüder sind hier wie drei Tiger inmitten einer Hammelherde.

Und deshalb fragt sich Jack McQuarry, indes er die Mainstreet entlanggeht, was in der Stadt wohl schon geschehen sein mag.

Einige Male hält er inne und schaut sich um. Er sieht das Hotel, den Saloon, den General Store und die Sattlerei. Da und dort stehen Sattelpferde und Wagen.

Als er auf der anderen Straßenseite vor dem Hotel verhält, da sieht er die Frau auf dem Balkon. Sie holt dort Bettzeug herein, welches zum Auslüften über der Brüstung hing. Nun hält sie inne und blickt zu ihm herunter.

Einige Sekunden lang verharren sie beide und betrachten sich.

Ihm gefällt die Frau, und er glaubt von Anfang an nicht, dass sie dort im Hotel als Zimmermädchen und Bedienung arbeitet. Er hält sie sofort für die Chefin oder Besitzerin.

Mit einer höflich und bewundernd wirkenden Handbewegung greift er an seinen Hut, an dem noch der Staub des langen Reitens haftet.

Sie nickt kaum erkennbar dankend und verschwindet mit dem Bettzeug im Zimmer.

Er verharrt, hofft, dass sie noch einmal auf den Balkon tritt – aber er hofft vergebens. Und so geht er weiter und denkt darüber nach, was ihn an dieser Frau so beeindruckte, ja fast faszinierte.

Er sah nur ihren Oberkörper. Alles sonst von ihr war hinter der Balkonbrüstung verborgen. Aber er würde jede Wette eingehen, dass sie vollendet gewachsen und proportioniert ist.

Als er dann wieder einmal innehält und sich umsieht, da erkennt er ein Stück zurück Norman Fox, seinen kleinen Spürhund, der ihm die Nachricht sandte, und noch weiter weg den Jungen aus der Schmiede. Der Junge unterhält sich mit dem Sattler, der aus seinem Laden auf die Straße trat.

Jack McQuarry geht weiter und blickt wieder in eine der Gassen hinein. Und da sieht er am Ende der Gasse ein Haus, das sehr nobel wirkt. Einen prächtigen Eingang kann man über die Veranda erreichen. Und zu beiden Seiten des Eingangs hängen rote Laternen. Solche Laternen sind überall auf der Welt die Erkennungszeichen für Häuser der käuflichen Liebe.

Auf einer Bank neben dem Eingang sitzt ein riesiger Schwarzer mit einer Schrotflinte quer über den Oberschenkeln. Als Jack McQuarry sich langsam nähert, da hebt der Schwarze eine Hand, als wollte er McQuarry aufhalten.

Seine Stimme klingt jedoch höflich, als er sagt: »Mister, wir haben hier seit drei Tagen und Nächten eine geschlossene Gesellschaft. Und selbst wenn wir heute oder morgen wieder offen sind, werden sich unsere Schönen erst ein oder zwei Tage erholen müssen. Tut mir leid, Mister.«

Jack McQuarry erwidert noch nichts. Er betritt die Veranda – und da erhebt sich auch der riesige Schwarze, ist bereit, ihm in den Weg zu treten, um ihn aufzuhalten.

Und da öffnet Jack McQuarry den offen getragenen Staub- und Reitmantel noch etwas weiter an der linken Seite.

Und der Schwarze – sein Name ist Joshua Blanco – sieht den Stern auf McQuarrys Weste.

»Oooh«, dehnt er den Überraschungslaut, spricht dann weiter: »Sir, das ist aber sehr selten, dass sich ein Gesetzesmann zu uns verirrt. Der letzte kam vor fast einem Jahr und liegt jetzt auf unserem Friedhof. Er bekam einen hübschen Platz. Wollen Sie vielleicht zu den Mulkey-Brüdern, die bei uns zu Gast sind?«

»Mister Black«, sagt McQuarry und grinst unter seinem Bart, »Sie müssen mich nicht anmelden. Und nun machen Sie den Weg frei.«

»Mein Name ist Blanco«, murmelt der Schwarze, »nicht Black. Und vielleicht sollte ich Sie trotz Ihres Sterns aufhalten. Denn die Mulkey-Brüder werden kämpfen. Und das gibt dann einen gewaltigen Schaden in diesem Haus. Es sollte doch ein Haus des Friedens und der Freude sein, der Liebe – eben ein Paradies.«

Da nickt McQuarry verständnisvoll.

»Das sehe ich ein, Mister Blanco«, spricht er ruhig. »Aber dann sollten Sie den Mulkey-Brüdern jetzt sagen, dass ich hier auf sie warte – hier draußen. Und wenn sie nicht zu feige wären, dann sollten sie verdammt schnell herauskommen.«

Als McQuarry verstummt, da staunt der Schwarze einige Sekunden mit großen Augen. Dann schüttelt er den Kopf wie jemand, der etwas nicht fassen kann.

»He, Mister Sheriff«, murmelt er schließlich, »das sind die Mulkey-Brüder.«

»Ich weiß, und sie haben eine Bank ausgeraubt in einer kleinen Stadt, den Kassierer erschossen und auf der Flucht noch weitere Tote zurückgelassen. Also, Mister Blanco ...«

Dieser nickt langsam.

»O weia«, spricht er dann, »Sie trauen sich aber eine Menge zu. Aber Sie haben wegen Ihrer Höflichkeit einem Schwarzen gegenüber fast mein Herz gewonnen. Ich werde den Mulkeys Ihre Aufforderung ausrichten.«

Nach diesen Worten verschwindet er mitsamt seiner Schrotflinte im Haus.

Jack McQuarry aber verlässt die Veranda und geht ein Dutzend Schritte in die Gasse zurück. Er stellt sich breitbeinig hin und schlägt seinen hellen Reitmantel an der rechten Seite weit zurück.

Nun sieht man den schweren Colt tief unter seiner Hüfte hängen.

Er muss nicht lange warten.

Denn aus dem Haus dringt nun das begeisterte Gebrüll der wilden Mulkeys. Ja, sie sind angetrunken und nehmen die Herausforderung begeistert an. Sie sind ja ruhmsüchtige Revolverhelden, und die Grenze hinüber nach Sonora ist schon auf der anderen Seite der Dragoon-Kette.

Wahrscheinlich ärgert es sie nun, dass sie nicht weiterritten, sondern in diesem Bordell bei den schönen Putas hängen blieben. Sie glaubten, weit genug geritten zu sein und ihre Fährte verwischt zu haben. Deshalb kommen sie so böse und wütend heraus wie drei gestellte Wölfe, deren einzige Chance der Angriff ist.

Vor einem Sheriff ohne Aufgebot kneifen sie nicht.

Sie kommen schießend herausgesprungen, und das ist ihr Fehler.

Denn McQuarry steht fest auf seinen leicht gespreizten Beinen und erwidert ihr Feuer. Ihre Kugeln treffen ihn nicht voll, ritzen ihn nur wie Peitschenhiebe oder fetzen seine Kleidung auf.

Und dann liegen sie da, er aber steht noch und hat nicht einmal seinen Revolver leer geschossen.

✰✰✰

Wie ein Lauffeuer geht es durch die Stadt. Pete, der Junge aus der Schmiede, wird immer wieder aufgehalten und muss berichten.

Und Norman Fox verschwindet im Saloon und erzählt dort, was er gesehen hat, bekommt dafür Freidrinks spendiert. Denn der Saloon füllt sich mit Bürgern der Stadt. Sie laufen von überall herbei.

Und dann sehen sie durch die Fenster, wie der Sheriff mit zwei vollen Satteltaschen zum Hotel geht und darin verschwindet.

Und Norman Fox erklärt den Leuten: »Das ist die Beute der Mulkey-Brüder – oder das, was davon noch übrig blieb. Aber fünfzigtausend Dollar konnten sie gewiss nicht im Putahaus verjubeln, höchstens tausend Dollar, denke ich. Leute, Sheriff McQuarry trägt dort fast fünfzigtausend Dollar ins Hotel. Er ist weit geritten. Der will jetzt schlafen, und er wird das Geld als Kopfkissen benutzen und den Revolver in der Hand behalten, hahaha!«

Er endet mit seinem seltsamen Lachen.

Und die Bürger in Dragoon City schweigen, bis einer von ihnen heiser flüstert: »Solch einen Sheriff müssten wir hier haben. Dann wäre ...«

Aber der Flüsterer spricht nicht weiter, sondern bricht sein Flüstern erschrocken ab. Und auch die anderen Bürger schweigen.

Nur der Leichenbestatter, dem auch die Holzhandlung und die Schreinerei mit dem Sarggeschäft gehören, räuspert sich und sagt bitter: »An dieser Beerdigung werde ich nichts verdienen.«

✰✰✰

Als Jack McQuarry die Hoteldiele betritt, da steht Sheere Freeman hinter dem Anmeldepult und sieht ihm mit ihren grünen Augen entgegen. Ihr Haar ist rabenschwarz, und auf ihrer geraden Nase und den hohen Wangenknochen erkennt er näher tretend einige Sommersprossen. Aus der Nähe gefällt sie ihm noch besser. Er sieht ihr an, dass sie eine Frau ist, die das Leben kennt.

In ihrem Blick erkennt er den Stolz einer Frau, die sich niemals in ihrem Leben aufgab, und obwohl sie ihren Mund geschlossen hält, glaubt er, dass dieser Mund sehr ausdrucksvoll sein kann.

»Ma'am, mein Name ist Jack McQuarry und ich möchte ein Zimmer. Ich bin weit geritten und muss schlafen. Lässt sich das machen?«

Nun lächelt sie ernst, und ihr Blick forscht immer noch in seinen rauchgrauen Augen und seinem stoppelbärtigen Gesicht.

»Dies ist ein Hotel, Mister McQuarry«, spricht sie mit einer Stimme, deren Klang ihm gefällt. Ja, sie gefällt ihm, und er weiß, dass sie das erkennen kann, weil sie eine erfahrene Frau ist.

»Ich glaube, Sie sind mehr oder weniger leicht angeschossen, Mister McQuarry«, spricht sie weiter. »Ihre Kleidung ist blutgetränkt. Sie brauchen mehr als nur ein Bett und einige Stunden Schlaf. Dieses Hotel hat auch eine Badestube. Ich werde mich um Sie kümmern. Oder ist Ihnen das nicht recht?«

Abermals sehen sie sich gegenseitig in die Augen. Und beide spüren sie etwas. Es ist das Wissen zweier erfahrener Menschen, dass sich ihre Wege eines Tages kreuzen mussten, weil es ein Schicksal gibt, das dies alles schon vor langer Zeit vorherbestimmt hat.

Er nickt: »O ja, Ma'am. Das wäre mir recht.«

»Ich bin Sheere Freeman«, erwidert sie. »Sagen Sie einfach Sheere zu mir, Jack.«

✰✰✰

Als er erwacht, ist es draußen Tag. Es muss schon der nächste Tag sein. Also hat er zumindest zwölf Stunden geschlafen.

Als er sich erhebt, da entdeckt er, dass er nackt ist bis auf einige Pflaster auf seinen harmlosen Streifwunden, die aber etwas geblutet haben.

Seine Kleidung ist fort. Doch sein Revolver ist da, ebenso die beiden Satteltaschen voller Geld. Aber es ärgert ihn, dass er so nackt wie ein neugeborener Säugling ist.

Langsam tritt er ans Fenster und blickt auf die Straße nieder. Und abermals fällt ihm auf, dass nur wenig Leben und Bewegung in der kleinen Stadt ist. Und so fragt er sich: Ist das eine sterbende Stadt? Haben die Leute hier keine Hoffnung auf eine erfolgreiche Zukunft? Was ist hier los?

Aber eigentlich ist es ja noch früher Morgen. Vielleicht kommen die Bürger hier erst später richtig in Gang. Allerdings gibt es bei solchen Städten meist besiedeltes Umland mit Ranches und Farmen. Doch unterwegs sah er rechts und links des Wagenwegs nichts, nur auffällig viele Rinderspuren.

Er will sich wieder abwenden, um sich ein Bettlaken umzuhängen, als er das Geräusch hört.

Oha, er kennt diese Art von Lärm. Deshalb weiß er sofort, dass er eine Rinderherde kommen hört. Sie muss scharf getrieben werden. Er hört das Rindergebrüll, dazwischen die scharfen Rufe und Pfiffe der Treiber, das Knallen der Bullpeitschen. Und so wird ihm klar, dass sich die Herde in Stampede befindet.

Es dauert dann nicht lange, da sieht er die ersten Rinder auf der Mainstreet von Dragoon City. Der Lärm wird lauter, wilder. Und der Staub füllt die kleine Stadt.

Unter seinem Fenster laufen die Rinder vorbei. Ihre Hörner klappern aneinander. Er kann auch schemenhaft im Staub die Treiber erkennen. Ja, sie jagen die Herde erbarmungslos vorwärts. Da und dort splittert Holz. Einige Rinder versuchen auf den Plankengehsteigen zu laufen und brechen ein.

Es dauert einige Minuten, dann ist der Spuk vorbei.

Es wird stiller, und so hört er das Geräusch hinter sich.

Als er sich umwendet, sieht er Sheere Freeman. Auf ihren Armen trägt sie seine Sachen. Sie hält inne, und als sie sich betrachten, da macht es ihm nichts aus, dass er splitternackt vor ihr steht. Denn er weiß, dass diese Frau schon mehr als einen nackten Mann gesehen hat.

Er sieht ihr Lächeln nicht nur auf ihrem Mund, sondern auch in ihren Augen und hört sie fragen: »Hunger?«

»Und wie.«

Da wirft sie seine gesäuberten Sachen aufs Bett und spricht ruhig: »Kommen Sie in die Küche, Jack. Da kann ich Ihnen helfen.«

Damit verschwindet sie.

Und er hätte viele Fragen. Doch er wird damit warten, bis er unten ist. Nur eines weiß er jetzt schon: Viehdiebe treiben aus Mexiko gestohlene Herden durch den Canyon der Dragoons, durch diese Stadt und auf die leere Weide rings um Dragoon City. Es kann nicht anders sein, denn die Herde wurde brutal durch den Canyon gejagt, und keine normale Treibherde wird so getrieben.

Also ist der Canyon ein Fluchtweg für in Sonora gestohlene Rinder, weil man den Südeingang des Canyons leicht absperren und dort alle Verfolger aus Mexiko aufhalten kann.

Und wenn die Herden auf dieser Seite sind, dann müssen sie sich erholen und benötigen eine gute Weide, um wieder mehr Gewicht zu bekommen. So einfach ist das für McQuarry zu begreifen.

Deshalb also stagniert die kleine Stadt Dragoon City. Sie hat kein besiedeltes Umland, denn niemand wagt es, sich hier anzusiedeln oder eine Ranch zu gründen. Die Weide wird von den Viehdieben beansprucht, die hier ihre Herden sammeln.

Indes er sich in seinen Gedanken damit beschäftigt, kleidet er sich an und betrachtet sich im Spiegel. Er findet sein Aussehen ganz passabel. In seinen grauen Augen erkennt er einen bitteren Ernst, und er weiß, wäre er am Vortag nicht so erschöpft gewesen, dann hätte er nicht schlafen können, sondern immer wieder seinen Kampf gegen die Mulkey-Brüder erlebt.

Wieder einmal hat er töten müssen, weil es keine Wahl gab. In diesem Land herrscht nur die Gewalt, und die Schwachen gehen unter. Und er trägt den Stern eines Deputy Sheriffs. Er nahm den Stern nur für diesen Auftrag, und wenn er das geraubte Geld zurückgebracht hat, dann wird er dem County Sheriff den Stern wieder zurückgeben.

Er sieht sich noch einmal an und fragt sich, ob dies sein Leben ist, immer wieder für andere Menschen zu kämpfen, nur weil er dazu besonders befähigt ist und der Starke den Schwachen schützen soll. Er fragt sich wieder einmal mehr, warum er das auf sich nimmt und nicht einfach seines Weges reitet.

Er schüttelt die Gedanken daran ab und denkt nur noch an Sheere Freeman, die unten in der Küche mit dem Frühstück auf ihn wartet. Er wird ihr gegenüber am Tisch sitzen und in ihre grünen Augen sehen. Und vielleicht kann er dann wieder spüren, was er gestern schon spürte.

Als er in die Küche tritt, empfängt Sheere ihn mit einem warmen Lächeln. Sie hat den Tisch für sie beide gedeckt. Es gibt Eier, Speck, frische Biskuits, Ahornsirup und Kaffee.

Sie plaudern zuerst über belangloses Zeug. Ihre Worte sind nicht wichtig. Sie lauschen gewissermaßen in sich hinein und lassen alles in sich eindringen, was sie vom Gegenüber empfangen wie unhörbare und geheimnisvolle Signale.

Dann aber fragt sie: »Jack, wie schlimm ist es für Sie nach solch einem Kampf?«

»Schlimm«, erwidert er.

»Und wie kommen Sie darüber hinweg? Wie können Sie das verarbeiten?« In ihrer dunklen Stimme ist ein teilnahmsvoller Ernst.

Und so hat er das Bedürfnis, ehrlich zu sein, und erwidert: »Manchmal hilft mir eine Frau mit ihren Zärtlichkeiten. Oder ich betrinke mich, spüle die Bitterkeit weg. Und dann reite ich weiter.«

Sie nickt langsam und sehr nachdenklich. Dann aber spricht sie etwas spröde: »Aber Sie haben es doch in der Hand, einfach Ihr Leben zu ändern, Jack McQuarry – oder?«

»Das schon«, murmelt er und beginnt zu essen. »Ich habe das zuletzt in Hills Boro versucht, einer Stadt weiter im Norden. Dort kaufte ich mir eine kleine Ranch und wollte nichts als Frieden.«

»Und?«, fragt sie knapp.

Er zuckt mit seinen breiten Schultern und erwidert schließlich: »Die Mulkey-Brüder überfielen die Bank von Hills Boro und ließen Tote zurück. Und der County Sheriff konnte nicht reiten, weil er sich ein Bein gebrochen hatte. Die Bank und die ganze Stadt sind pleite, wenn ich das geraubte Geld nicht zurückbringe. Ich nahm also nochmals den Stern.«

Als er verstummt, da weiß Sheere, dass er alles gesagt hat. Und er will auch das Thema wechseln, denn er fragt: »Aber nun zu Ihnen, Sheere. Erzählen Sie mir was über sich. Oder wollen Sie nicht, dass wir uns besser kennenlernen? Sind Sie allein und noch zu haben?«

Seine Frage zuletzt klingt fast brutal, so geradezu ist sie gestellt und trifft den Kern, auf den es zwischen ihnen ankommt.

Und so liegt es nun bei ihr, ob sie will oder nicht.

Aber sie will. Er erkennt es zuerst an ihren Augen. Und dann hört er sie ruhig sagen: »Als ich hier durchreisen wollte, war dies eine Stadt voller Hoffnung, und alles war noch im Aufbau. Ich war müde und ausgebrannt. Dieses Hotel war gerade erst fertig, also völlig neu mit den ersten Gästen. Doch das Paar, das es baute, hatte Schulden bei der Holzhandlung McAllisher. Nun, ich übernahm diese Schulden, bevor James McAllisher das Paar auf die Straße setzte, und kaufte das Hotel zu einem günstigen Preis. Das Paar wollte weg von hier. Vielleicht war es schlauer als ich. Denn die Dinge hier veränderten sich schnell. Der Canyon, von dem sich die Stadt so viel versprach, weil der einzige Wagenweg durch die Dragoons hindurchführt, wird von einer Bande beherrscht. Ein gewisser Duke McKellar lässt immer wieder gestohlene Herden aus Sonora durch den Canyon treiben. Er sammelt sie auf dem Weideland rings um Dragoon City und will hier sein großes Rinderreich errichten. Er lässt alle Siedler, Farmer und Rancher davonjagen. Und so ist Dragoon City gewissermaßen eine Insel mitten in Duke McKellars Machtgebiet. Von Zeit zu Zeit kommt er her und lässt uns spüren, wie sehr wir in seinem Schatten leben. So einfach ist das. Die Stadt ist eine sterbende Stadt. Sie trocknet aus, weil es keinen Handel, Wandel und Aufschwung geben kann. Wenn Duke McKellar mit dreißigtausend gestohlenen Rindern das ganze Land besetzt, dann gehört es ihm. Und niemand will hier Sheriff sein und das Gesetz vertreten. Von El Paso bekommen wir keine Hilfe. Wir sind zu weit entfernt. Und ich muss bleiben, weil ich mein ganzes Geld hier investiert habe. Ich hätte nicht mal genügend Spielkapital, um mein altes Leben wieder aufzunehmen. Ja, Jack, ich war eine Spielerin.«

Sie verstummt mit einem Lächeln, aber um ihre Mundwinkel sieht er einige harte Linien.

Er weiß nun eine Menge über sie. Ihre Offenheit sagt ihm, dass sie ihm von Anfang an nichts vorzumachen versuchte. Sie war eine Abenteurerin und Spielerin, die sich hier zur Ruhe setzen wollte. Seriös wollte sie werden in einer kleinen Stadt und in einem Land, wo niemand sie kennt, ja nicht einmal von ihr gehört hat.

Sie betrachten sich immer wieder schweigend.

Dann aber fragt sie hart und spröde: »Nun gut, Jack McQuarry, wann wirst du mit dem vielen Geld nach Hills Boro zurückreiten? Bleibst du noch diese Nacht?«

Er weiß sofort, was die Frage zu bedeuten hat. Und so fragt er sich, ob sie ihn als Mann haben will, so wie eine erfahrene Frau einen Mann haben möchte, der ihr von Anfang an gefiel. Oder will sie ihn gewissermaßen kaufen, indem sie ihn an sich bindet? Hat sie auf ihren Wegen nicht schon so manchen Mann auf diese Weise benutzt?

Weil er ihr in die Augen blickt, erkennt er darin nicht nur ein Versprechen, sondern auch Stolz. Und so weiß er, dass diese Sheere Freeman bei allem, was sie auf ihren Wegen tat oder tun musste, ihren Stolz und ihre Selbstachtung nicht verloren hat. Und so spürt er in sich die Überzeugung, dass sie ihn als Mann will wie er sie als Frau.

»Ich bleibe, Sheere«, hört er sich sagen. »Doch dann muss ich mit dem Geld zurück nach Hills Boro.«

Sie nickt wortlos. Dann erhebt sie sich und beginnt abzuräumen.

»Hast du sonst keine Gäste im Hotel?« So fragt er.

Sie hält am Herd inne und schüttelt den Kopf. »Gäste bekomme ich erst, wenn Duke McKellar mit seiner Bande von Revolverschwingern hier ist. Dann habe ich Gäste. Und er zahlt sogar korrekt.« Sie macht eine kleine Pause und spricht dann etwas heiser: »Jack, dieser McKellar will mich haben. Das solltest du wissen. Wenn er herausfinden sollte, dass zwischen uns etwas ist, dann wird er dein Feind sein.«

Als sie verstummt, erwidert McQuarry nichts. Er erhebt sich und geht hinaus. Eigentlich gibt es ja auch nichts mehr zu sagen.

Er kann sie haben, das weiß er nun. Die Entscheidung liegt bei ihm.

✰✰✰

Auf der Mainstreet von Dragoon City hat sich der aufgewirbelte Staub längst gelegt. Doch der Rinderdung liegt überall. Es war eine sehr große Herde, die hier durchgejagt wurde.

Er betritt bald darauf den Hof des Mietstalls und der Schmiede.

Der Junge, dessen Name Pete ist, steht am Amboss und schlägt mit dem Vorschlaghammer zu, wobei der Schmied mit dem Handhammer den Takt angibt.

McQuarry sieht seinen Wallach im Corral stehen, hört das Schnauben, mit dem er ihn begrüßt.

Aber er betritt erst die halb offene Schmiede und wartet, bis der Schmied das dunkelrot gewordene Eisen in die Glut des Feuers schiebt und der Junge den Blasebalg bedient.

Der Schmied sieht ihn fragend an.

McQuarry aber sieht auf die fertigen Schmiedestücke, die neben dem Amboss ausgeglüht am Boden liegen.

»Torgehänge?« So fragt er.

Der Schmied nickt. »Ja, Mister, das sind Torgehänge für schwere Scheunentore. Ich muss zwölf Stück davon schmieden.«

»Und wer baut hier in der Stadt eine solche Riesenscheune?«

Da hebt der Schmied die Schultern und lässt sie wieder sinken.

»Ich weiß nur, dass Mister Duke McKellar diese Dinger haben will. Er hat bei McAllisher auch eine Menge langer und starker Holzpfosten gekauft – aber keine Bretter und Balken für eine Scheune. Ich denke schon eine Weile darüber nach.«

»Und?« So fragt McQuarry knapp.

Wieder hebt der Schmied die Schultern und wirkt unschlüssig. Doch dann spricht er fast trotzig: »Ich denke, dass McKellar das Canyonmaul zusperren will mit einem starken Zaun und einigen großen Toren, einem Zaun wie die Palisaden eines Forts, auf eine Viertelmeile, denn so breit ist das Canyonmaul. Ich kann mir nichts anderes denken. Denn das Maul hier auf unserer Seite ist die engste Stelle im ganzen Canyon. Und wenn McKellar dies wirklich macht, dann kontrolliert er den ganzen Verkehr in beiden Richtungen und kann mit seinen Revolverschwingern aufhalten oder durchlassen, wen er will.«

Als der Schmied verstummt, klingt in seiner tiefen Stimme immer noch Trotz, so als müsste er seine Vermutung verteidigen, weil niemand sie ihm glaubt.

McQuarry blickt zur Kette der Dragoons hinüber. Und nun glaubt er, dass hier ein großes Spiel in Gang kommen soll.

Es gibt kein Gesetz in Dragoon City. Einer der Sheriffs, die herkamen, liegt auf dem Friedhof. Andere ergriffen wahrscheinlich die Flucht oder kamen gar nicht erst her.

Er verspürt plötzlich eine starke Neugierde auf diesen Duke McKellar. Was ist das für ein Mann? Duke, dies bedeutet so viel wie Herzog. Warum wird er so genannt und fühlt er sich so? Ist ein Despot dabei, sich ein Land zu erobern?

Er wüsste es zu gerne. Doch er muss nach Hills Boro zurück, muss der Bank und damit allen Menschen dort so schnell wie möglich ihr Geld zurückbringen. Davon wird ihn selbst die Nacht mit Sheere nicht abbringen können.

Oder doch?

✰✰✰

Der Tag vergeht in Dragoon City. Es ist ein heißer Tag. Manchmal jagt der Wind den Staub auf der Mainstreet hoch.

Jack McQuarry genießt den Tag. Er wandert umher oder sitzt auf der Veranda des Saloons und beobachtete das geringe Leben und Treiben in der kleinen Stadt.

Einmal sieht er auch seinen Spürhund Norman Fox, der da und dort herumlungert.

McQuarry denkt an die kommende Nacht mit Sheere Freeman. Ja, er wird sie in den Armen halten. Sie wird ihm gehören bis zum Morgengrauen. Wie viel können sie sich gegenseitig geben? Werden sich ihre Hoffnungen und Wünsche erfüllen? Oder wird er danach nicht mehr zurück nach Dragoon City kommen wollen?

Es wird später Nachmittag, und er genießt immer noch die untätige Ruhe. Er will sich schon erheben, um vor dem Abendrot noch einen Rundgang durch die Stadt zu machen, als er eine Reiterschar kommen hört.

Die Mannschaft kommt im Galopp hereingeritten. Ihr Hufschlag eilt ihr voraus wie der Donner einem Gewitter. Sie kommen aus dem Canyon gejagt, als wollten sie die kleine Stadt in einem verwegenen Angriff erobern.

Jack McQuarry weiß plötzlich mit untrüglicher Sicherheit, dass da Duke McKellar mit seinen Reitern kommt. Vielleicht kommen sie erst jetzt aus dem Canyon zurück, weil sie die Verfolger der gestohlenen Herden erst noch aufhalten und zurück nach Mexiko jagen mussten. Ja, so könnte es sein.

Er sieht an der Spitze auf einem riesigen Rapphengst einen Reiter, von dem eine ungestüme Kraft ausgeht.

McQuarry weiß sofort, dass das Duke McKellar ist. Ja, so hat er ihn sich vorgestellt, groß, dunkel, dynamisch, verwegen, alles überrennend, was sich ihm in den Weg stellt.

Ein Dutzend Reiter folgen ihm. Es sind verwegene Revolverreiter. Zwei oder drei wurden offenbar verwundet, denn einer trägt einen Kopfverband, andere sitzen schief im Sattel, aber sie lassen ihre Pferde galoppieren.

So kommen sie bis vor den Saloon gejagt, und erst hier reißen sie ihre Tiere hart auf der Vorderhand zurück. Es gibt ein Durcheinander. Die Pferde schnaufen, wiehern, prusten, stampfen. Und die Stimmen der Reiter tönen wild und heiser dazwischen.

Staub wirbelt und hüllt auch Jack McQuarry auf der Veranda ein.

Er verspürt Zorn in sich aufsteigen über diese Rücksichtslosigkeit. Aber er weiß, dass dieses Verhalten nichts anderes als eine Demütigung der Stadt sein soll. Wie ein Despot zeigt Duke McKellar Dragoon City seine rücksichtslose Stärke.

Eine gellende Stimme ruft aus dem Durcheinander: »Holt euch die Pumaspucke!«

Und dann kommen sie auf die Veranda, sporenklirrend, durcheinander rufend, lachend und gierig nach der Whiskytränke.

Der Staub legt sich etwas, und so kann McQuarry den letzten Mann besser betrachten. Es ist McKellar, denn dieser stürmte nicht los wie seine Reiter, lässt sich Zeit zum Festbinden seines Hengstes. Dann nimmt er den Hut ab und klopft sich den Staub von der Kleidung. Er betritt die Veranda des Saloons erst, als seine Männer drinnen schon einigen Lärm machen.

Sein scharfer und harter Blick fällt auf McQuarry.

Und da hält er inne, so als würde er von seinem Instinkt ein scharfes Warnsignal erhalten. Raubtiere besitzen solche Instinkte.

»He, wer sind Sie denn?«, fragt er auch schon, wippt auf den Sohlen und holt eine dünne Zigarre aus seiner Innentasche, steckt sie sich zwischen die harten Lippen und bringt wie durch Zauberei ein Zündholz zum Vorschein, das er am Daumennagel derselben Hand anzündet. Es ist ein hübscher Trick, aber auch ein Beweis für die Geschmeidigkeit seiner Hände.

Sein Hut hat eine besonders breite Krempe, und sein schwarzes und leicht gelocktes Haar fällt ihm fast bis auf die Schultern. Sein Vollbart aber ist sorgfältig von einem Barbier gestutzt, nicht verwildert.

»Und wer sind Sie?«, fragt McQuarry zurück.

Von diesem Moment an wird ihnen klar, dass sie niemals Freunde werden könnten.

»Ich bin McKellar«, sagt dieser und pafft an der dünnen Zigarre. »Und nun antworten Sie verdammt schnell, Fremder! Was führt Sie hierher? Wer sind Sie? Antworten Sie!«

Man sieht ihm an, dass seine Geduld nun zu Ende ist.

Jack McQuarry erhebt sich mit einer leichten und geschmeidigen Bewegung. Und dann stehen sie sich im Abstand von gut vier Yards gegenüber.

Sie sind etwa gleich groß und gleich schwer.

Mit seinem Daumen schiebt McQuarry den linken Westenteil zur Seite. Und da kann McKellar den Messingstern sehen.

»Mein Name ist McQuarry, Jack McQuarry, Mister McKellar«, spricht McQuarry ruhig. »Und sonst beantworte ich keine Fragen.«

McKellars Blick geht nun an McQuarry nieder und richtet sich auf dessen Revolver. Dann sieht er wieder in McQuarrys Augen.

»Na gut«, murmelt er, »wir werden ja sehen ...«

Nach diesen Worten geht auch er in den Saloon zu seinen Männern.

McQuarry aber blickt schräg über die Fahrbahn der Mainstreet zum Hotel hinüber. Es ist nun fast schon Abend geworden. Aber er kann Sheere auf dem Balkon noch gut erkennen, ja, ihr sogar ansehen, dass sie sich Sorgen macht. Offenbar hat sie alles beobachtet, nachdem der Staub sich senkte. Sie verschwindet jedoch mit einer schnellen und leichten Bewegung wieder im Zimmer.

McQuarry aber macht sich auf den Weg zu seinem Wallach.

Der Schmied und dessen Junge haben soeben ihre Tagesarbeit beendet. Der Schmied ruft zu McQuarry hinüber, der an den Corral getreten ist: »Der Wallach ist nun wieder gut genug für einen Zweihundertmeilenritt!«

✰✰✰

Als er später zum Hotel geht, ist es Nacht. In den Häusern und Läden sind die Lampen angezündet worden. Lichtbahnen fallen über die Mainstreet. Die Stadt wäre still, würde trotz der Lichter wie tot wirken, wenn nicht der Lärm im Saloon wäre.

Dort amüsiert sich Duke McKellar mit seinen Reitern. Sie betrinken sich.

Und dann kommt noch eine andere Mannschaft hereingeritten. Es sind gewiss die Treiber der Herde, die in Stampede durch die Stadt gejagt wurde. Und so ist wohl klar, dass McKellar seinen beiden Mannschaften sozusagen ein Fest gibt zum Abschluss eines erfolgreichen Raubes und siegreichen Kampfes.

Als Jack das Hotel betritt, da erwartet ihn Sheere schon und riegelt hinter ihm die Tür ab mit den Worten: »Ich will heute keine Gäste. Ich will nur dich, Jack McQuarry, nur dich. Mein Hotel bleibt geschlossen diese Nacht.«

Sie sitzen sich dann wieder in der Küche gegenüber. Sie hat ein prächtiges Essen gekocht, auch guten Wein auf den Tisch gebracht.

Sie essen zuerst schweigend, sehen sich jedoch immer wieder an und sagen sich ohne Worte nur mit den Blicken alles.

Erst später, als sie nur noch den Wein trinken, da fragt sie: »Ihr habt euch kennengelernt. Was sagt dir dein Gefühl?«

»Dass wir niemals Freunde werden«, erwidert er ruhig. »Und sollte ich nach Dragoon City zurückkommen, dann werden wir Feinde sein.«

»Und? Wirst du zurückkommen?« Sie fragt es ernst. Aber dann macht sie eine abwinkende Handbewegung und schüttelt den Kopf. »Nein, Jack, das hätte ich nicht fragen dürfen. Es wäre dumm, dich unter Druck zu setzen, nur weil wir in dieser Nacht in einem Bett liegen werden, weil ich dich will und du mich willst. Ich verlange nichts von dir. Deshalb vergiss meine Frage.«

Er nickt. Und er erwidert nichts. Doch er denkt in diesem Moment: Dieser McKellar ist eine Herausforderung für mich. Und sie ist eine wunderschöne Frau. Ich lernte noch niemals eine wie sie kennen. Aber eine Rückkehr nach Dragoon City könnte mein Tod sein.

✰✰✰

Es ist nach Mitternacht, als Duke McKellar an den Hoteleingang klopft, nein hämmert. Und weil niemand aufmacht, brüllt er mit trunkener Stimme durch die Nacht: »He, schöne Sheere, mach deinen Laden auf! Hier ist ein Gast! Ich will hinein zu dir, verdammt! Mach auf!«

Drüben im Saloon ist noch der Lärm seiner Männer. Sie vergnügen sich wild, betrinken sich.

Und aus dem Putahaus kamen einige Mädchen in den Saloon, um Beute zu machen. Gewiss werden einige der Männer mit ihnen gehen, um bei ihnen den Rest der Nacht zu verbringen.

Sie werden alle Spaß haben – die Säufer und die Freier.

Nur ihr Boss, der mächtige Duke McKellar, der hämmert vergebens an die Eingangstür des Hotels. Und weil er nicht aufgibt, erscheint Sheere oben auf dem Balkon und ruft hinunter: »Mister McKellar, ich nehme so spät keine betrunkenen Gäste mehr auf.« Nach diesen Worten verschwindet sie wieder, schließt hörbar die Balkontür.

Unten aber verharrt Duke McKellar einige Atemzüge lang schweigend. Dann aber brüllt er los: »Dich kriege ich schon noch, wie ich alles kriege auf dieser Erde! Alles! Oha, dich breche ich schon noch ein, schöne Sheere!«

Er macht sich dann auf den Weg zu China Mary. Sie ist die Besitzerin des Freudenhauses, in dem sich die Mulkey-Brüder bis zu ihrem Tod vergnügten. China Mary ist eine Halbchinesin, und weil ihr richtiger Name so schwer auszusprechen ist, lässt sie sich einfach nur China Mary nennen. Als Chefin ihres Hauses steht sie ihren Gästen nicht zur Verfügung wie ihre Mädchen, aber für Duke McKellar wird und muss sie eine Ausnahme machen.

Sheere aber kehrt in McQuarrys Arme zurück und sagt bitter: »Er ist irgendwie ein Steinzeitmensch, dieser Duke McKellar. Vielleicht schießt ihm endlich jemand eine Kugel in den Kopf.«

Jack McQuarry sagt nichts, gar nichts, aber er nimmt sie in die Arme und gibt ihr das Gefühl, beschützt zu sein ...

Draußen graut schon der Tag, als er sich leise erhebt.

Als er sich in der Küche etwas Proviant einpackt, kommt auch sie herunter. Im Morgenmantel bedient sie ihn wortlos. Er isst etwas, aber nicht viel.

Wenig später ist er fertig. Auch die beiden Satteltaschen mit dem Geld und die wenigen anderen Dinge hat er aus seinem Zimmer geholt.

An der Haustür verharren sie einige Atemzüge lang stumm voreinander. Er möchte sie in die Arme nehmen, doch er spürt instinktiv, dass sie es nicht will.

Er hört sie flüstern: »Nein, küsse mich nicht, Jack. Und du bist nach dieser Nacht zu nichts verpflichtet. Wir haben uns gegenseitig beschenkt. Und keiner ist dem anderen etwas schuldig. Es ist ausgeglichen. Und jetzt reite nach Hills Boro, verdammt! Reite!«

Sie drängt ihn hinaus und schließt die Tür hart hinter ihm, schiebt drinnen hörbar den Riegel vor.

Er verharrt einige Atemzüge lang bewegungslos. Die beiden Satteltaschen mit dem Geld der Bank von Hills Boro hängen ihm über der Schulter. Das andere Gepäck in der Sattelrolle hat er unter den Arm geklemmt. Mit dem Gewehr in der Hand geht er zur Schmiede hinüber.

Der Wallach begrüßt ihn mit einem freundlichen Schnauben und lässt sich willig satteln.

Als sie aus der Hofausfahrt auf die Mainstreet reiten, die außerhalb der Stadt zum Wagenweg nach Norden wird, da schnaubt der graue Wallach unter ihm, als freute er sich schon auf den Zweihundertmeilenritt.

✰✰✰

Es ist schon tiefste Nacht, als er Hills Boro erreicht und den Wallach in den Mietstall bringt.

Hank Tanner, der Stallmann, kommt zuerst etwas mürrisch, wenn nicht sogar zornig wegen der späten Störung nach Mitternacht aus seinem Schlafverschlag. Doch dann erkennt er den Reiter und fragt mit einem Klang von betender Hoffnung in der Stimme: »O Vater im Himmel, sie sind zurück, McQuarry, oh – hatten Sie Erfolg? Oder sind Sie umsonst geritten?«

McQuarry klärt ihn mit wenigen Worten auf und schließt dann: »Also, Hank, versorgen Sie den Wallach, als wäre er Ihr Bruder. Ich kann es nicht mehr. Ich bin nicht weniger erledigt. Und ich muss noch den Bankdirektor wecken und ihm das Geld übergeben. Erst dann kann ich ruhig schlafen, und ich werde lange schlafen.«

»Der Herr im Himmel wird Sie belohnen«, erwidert der kleine Excowboy Hank Tanner. Und er fügt hinzu: »Auf der Bank waren die ganzen Ersparnisse meines Lebens, genau dreihundertsiebenundfünfzig Dollar. Jetzt habe ich sie wieder. Mister McQuarry, ich werde diesem Wallach alles Gute antun, was einem Pferd nur angetan werden kann. Dieser Wallach wird sich danach richtig glücklich fühlen. Und ich verstehe mich auf Pferde.«

McQuarry grinst wortlos, wirft sich die prallen Geldtaschen über die Schulter und macht sich auf den Weg.

Schon als er gegen die Tür der Bank von Hills Boro pocht, wird die schlafende Stadt wach. Fenster öffnen sich. Aus Haustüren treten Menschen im Nachtzeug heraus.

Eine Stimme ruft gellend: »Hoiii, Leute von Hills Boro! McQuarry ist zurück! McQuarry ist wieder hier!«

Und oben im Bankhaus öffnet sich ein Fenster. Der Bankier steckt seinen Glatzkopf heraus und fragt: »Sind Sie das wirklich, Mister McQuarry?«

Nun laufen von überallher die Bürger von Hills Boro herbei und bilden einen großen Halbkreis um McQuarry vor dem Bankeingang.

Sie hören McQuarry sagen: »Leute, ich bringe fast alles zurück. Es fehlen nur ein paar Hundert Dollar, die von den Mulkey-Brüdern in einem Bordell ausgegeben wurden. Es ist fast alles wieder hier.«

Da geht ein Aufatmen durch die Versammlung. Denn alle hatten Ersparnisse auf der Bank. Und eine ausgeraubte Bank ist pleite.

Jetzt ist sie es nicht mehr.

Der Bankier öffnet den Eingang, und sein dickes Gesicht zuckt, so als könnte er nur mühsam einen Weinanfall zurückhalten.

Als er Jack McQuarry eingelassen hat, da spricht er mit erstickt klingender Stimme, der man anhört, wie sehr es ihm die Kehle zuschnürt vor Erregung und Dankbarkeit: »Mister McQuarry, wenn es auf unserer Erde doch noch mehr Männer geben würde von Ihrer Sorte. Dann wäre ...«

»Schon gut, Mister Buster«, unterbricht ihn Jack McQuarry mit einem Klang von sarkastischer Bitterkeit, denn er hat schon mehr als einmal solche Worte gehört. Doch irgendwann erinnerten sich diese Menschen dann wieder daran, dass er getötet hatte und einer dieser Männer ist, die mit dieser Erinnerung leben können.

Jedenfalls hat er es manchmal so empfunden und ritt dann immer weiter. Vielleicht war er ungerecht und hätte länger bleiben sollen. Doch das konnte er nicht, wenn er spürte, dass er für die Friedlichen eine Art zweibeiniges Raubtier war.

Wie würde es hier sein, wenn er im Hills-Boro-Land bliebe?

Sie wissen ja nun auch hier, dass er ein Revolvermann ist. Sie würden ihn nun mit anderen Augen ansehen. Und dann wäre wieder die Wand zwischen ihm und den Nachbarn und den Bürgern von Hills Boro.

Er übergibt im Tresorraum dem Bankier das Geld und verlässt die Bank.

Draußen stehen immer noch die Bürger. Einer fragt: »Ist es wirklich wahr, Jack McQuarry? Ist unser Geld wieder in der Bank?«

»Und meines auch«, erwidert er und nickt.

Er drängt sich durch den Halbkreis. Eine Stimme ruft: »Hoch, McQuarry! Hoch!«

Und dann rufen sie alle: »Hoch, McQuarry!«

Aber er drängt sich durch sie hindurch und steuert das Hotel an. Und weil sich der Hotelbesitzer in der Menge befindet, kommt er ihm nachgelaufen und eilt ihm voraus, hält ihm die Tür auf und spricht feierlich: »Sie bekommen das beste Zimmer in meinem Haus, Mister McQuarry! Ganz umsonst!«

✰✰✰

Als er nach etwa zwölf Stunden erwacht und den Hunger spürt, da erinnert er sich wieder an sein Erwachen in Dragoon City.

Auch da hat er lange geschlafen nach dem Ritt und dem Kampf mit den Mulkey-Brüdern. Doch dort hat es Sheere Freeman gegeben. Sie versorgte seine leichten Streifwunden und stillte seinen Hunger, wusch seine Kleidung. Er war nach dem Erwachen nicht allein.

Und jetzt?

Er fragt sich es mit noch geschlossenen Augen. Aber als er sie öffnet, da sieht er, dass er auch diesmal nicht allein ist.

Der alte Sheriff Dave Nash sitzt in der Ecke im Armstuhl und hat die Krücken neben sich an der Wand lehnen.

»He, Jack«, spricht Dave Nash, »ich wusste, dass Sie jetzt ungefähr ausgeschlafen haben würden. Und so wartete ich. Denn ich will mich bedanken. Sie haben meinen Job bestens erledigt und eine Menge Existenzen gerettet. Und ich kann immer noch nicht reiten und vermag nur mit Krücken zu laufen. Wollen Sie hier für mich noch etwa zwei Wochen meinen Job tun? Die County-Verwaltung würde die Hilfskraft auf Ihrer Ranch weiterhin bezahlen. Kann ich mit Ihnen rechnen, Jack?«

McQuarry setzt sich auf, gähnt und streicht sich mit der Hand über die Bartstoppeln.

»Nein, Sheriff«, spricht er dann. »Ich habe den Deputystern nur für diesen Job angenommen. Ich gebe ihn jetzt zurück. Denn ich muss noch einmal nach Dragoon City reiten. Dort ist noch etwas zu erledigen.«

»Was?« Der Sheriff fragt es hart und fügt hinzu: »Es muss wohl sehr wichtig sein. Wollen Sie mit mir darüber reden, Jack McQuarry?«

»Wenn Sie mir unten ein Mittagessen bestellen, Sheriff. Ich bin in einer halben Stunde unten, frisch rasiert und gewaschen. Der Barbier soll ins Hotel kommen – in die Badestube. Und er soll mir aus dem Store frisches Zeug mitbringen. Ja, die Stadt soll mich verwöhnen. Denn es wird nicht lange dauern, dann wird sie alles vergessen haben.«

Der Sheriff nickt und erhebt sich ziemlich mühsam, greift nach den Krücken. Einen Moment verharrt er und nickt: »Ja, so ist die Welt, Jack McQuarry«, murmelt er. »Die Menschen vergessen schnell. Aber ich bin neugierig auf Ihre Geschichte, McQuarry.«

Er humpelt mit seinen Krücken hinaus, und er ist nicht mehr jung.

✰✰✰

Es ist dann wenig mehr als eine halbe Stunde später, als sie sich beim Mittagessen in der Ecke des Speiseraumes gegenübersitzen und vom Hotelbesitzer selbst bedient werden.

Und als Jack McQuarry dem Sheriff die Geschichte von Dragoon City erzählt und die Situation beschrieben hat, da schweigt Nash eine Weile und denkt nach. Dann aber kommt er schnell auf den Punkt.

»Jack, Dragoon City gehört nicht mehr zu meinem County. Ich glaube, es gehört überhaupt zu keinem County. Und was dieser Duke McKellar dort treibt, verletzt Bundesrecht. Dafür ist der US Marshal zuständig. Denn McKellar treibt gestohlene Rinderherden über die Grenze und hält mit Revolverschwingern die Verfolger auf. Er besetzt die freie Weide und nimmt sie somit nach dem Weidegesetz in Besitz. Doch es sind gestohlene Herden. Das ist der Haken.«

Nach diesen Worten denkt er nochmals einige Atemzüge lang nach.

Schließlich spricht er: »Jack, ich kann Ihnen helfen. Es hat keinen Sinn, dass ich Sie nochmals als Deputy Sheriff hinschicke. Sie müssen als US Deputy Marshal dorthin. Der zuständige US Marshal sitzt in Tucson. Er ist ein alter Freund und Gefährte von mir. Ich gebe Ihnen einen Brief an US Marshal Ted Weaver mit. Und dann kehren Sie als US Deputy Marshal nach Dragoon City zurück. Diese Sheere Freeman ist gewiss eine wunderbare Frau.«

Jack McQuarry nickt und murmelt: »Ja, das ist sie gewiss. Doch auch wenn es sie nicht gäbe ...«

Er verstummt und zuckt mit den Schultern. Dann murmelt er: »Männer wie Duke McKellar müssen überall auf dieser Erde aufgehalten werden. Sonst machen sie sich wie Despoten ihre eigenen Gesetze und verändern die Welt. McKellar hat die kleine Stadt Dragoon City zu einer Stadt von Feiglingen gemacht. Ich bin nur durch Zufall wegen der Mulkey-Brüder dorthin gekommen. Und nun muss ich noch mal hin.«

Der alte Sheriff sieht ihn fest an und nickt.

»Oha, Jack McQuarry, das ist wohl Ihr Schicksal. Sie müssen immer wieder eingreifen, so wie eine Medizin eine Krankheit bekämpft. Ich schreibe jetzt gleich in meinem Office den Brief an meinen Freund Ted Weaver in Tucson. Und dann können Sie sofort losreiten.«

Er erhebt sich und schiebt sich die Krücken unter die Achselhöhlen.

Jack McQuarry aber bleibt noch am Tisch. Die Bedienung bringt ihm Kaffee und Käsekuchen zum Nachtisch.

Er genießt es, so entspannt zu sitzen. Doch er muss bald wieder losreiten, und er weiß, dass er hier alles hinter sich zurücklassen wird – so oder so. Also wird er dem Sheriff sagen, dass seine Ranch zum Verkauf steht.

✰✰✰

Es ist am 17. Juni 1872, als Jack McQuarry nach Dragoon City zurückgeritten kommt. Unter seiner Weste auf der linken Hemdtasche, da trägt er die Plakette eines US Deputy Marshals.

Als er am späten Nachmittag im Hof der Schmiede, zu der ja auch der Wagenhof mit dem Mietstall und dessen Corrals gehören, von seinem grauen Wallach absitzt, da beenden der Schmied Sam Logan und dessen Junge Pete Brown soeben ihre Arbeit.

Nun sehen sie Jack McQuarry staunend an.

»He, Sie sind ja zurückgekommen«, staunt der Schmied und wischt sich den Schweiß aus dem Gesicht.

Und Pete, der ebenfalls noch schwitzende Junge, der ein guter Schmied werden will und diese Chance mit harter Arbeit als Zuschläger bezahlt, sagt fast feierlich vor Staunen: »Sir, soll ich Ihr Pferd wieder versorgen so wie vor einigen Tagen? Sie haben ja wieder einen langen Ritt hinter sich. Man sieht es dem Wallach an.«

Jack McQuarry nickt nur und nimmt sein Gepäck vom Pferd.

Nun erst fragt der Schmied: »Bleiben Sie länger, Mister McQuarry?«

Dieser nickt und fragt seinerseits: »Mister Logan, ich möchte ein Haus mieten. Hier in Dragoon City. Gibt es hier ein Haus zu mieten?«

Da nickt der Schmied. »Mehr als eines. Einige Bürger der Stadt zogen weg. Sie sahen keine Chance mehr für einen Aufschwung. Diese Häuser gehören nun alle der McAllisher-Holzhandlung, denn die lieferte damals gegen Schuldscheine das Holz für die Häuser. Nun besitzt sie einige Häuser in einer sterbenden Stadt. Sie werden günstig mieten können. Sind Sie als Sheriff zurückgekommen?«

»Nein«, erwidert McQuarry und geht mit seinem Gepäck davon.

Sie sehen ihn eine Weile schweigend an, bis er aus der Hofeinfahrt nach rechts in die Stadt hinein verschwunden ist.

Dann sagt der Junge altklug wie ein Wissender: »Der ist wegen der schönen Sheere Freeman zurückgekommen, denke ich.«

»Manchmal denkst du zu viel und manchmal gar nicht, Pete«, knurrt der Schmied. »Versorge endlich sein Pferd. Ich denke, er ist zurückgekommen, um hier etwas zu verändern. Aber zu was braucht er ein ganzes Haus? Was hat er vor?«

Indes geht McQuarry weiter in die Stadt hinein. Und sein Kommen wird bemerkt. In dieser scheinbar träge und hoffnungslos verharrenden Stadt bleibt nichts unbemerkt, denn die Hoffnung ist immer noch in den Menschen, und so liegen sie gewissermaßen auf der Lauer, wirken wie Schiffbrüchige auf einer Insel, die ständig nach Rettung Ausschau halten.

Sie beobachten ihn, zählen fast seine Schritte.

Als er am Saloon vorbeikommt, sieht er dort Norman Fox sitzen.

Aber irgendwie hat er erwartet, dass der kleine, fuchsgesichtige Bursche noch in Dragoon City weilt.

»He, Mister McQuarry«, spricht Fox von der Saloonveranda zu ihm herüber. »Schön, dass Sie wieder hier sind. Ich dachte mir, dass Sie zurückkommen würden. Deshalb blieb ich hier. Jetzt beginnt das Spiel wohl erst richtig. Und wenn es Sie beruhigt, Mister McQuarry, Duke McKellar hat die schöne Sheere noch nicht bekommen.«

Er verstummt mit einem Lachen in der Kehle. Er hat eine ziemlich tiefe Stimme, die so gar nicht zu seinem unscheinbaren Äußeren passt. Wer nur seine Stimme hört und ihn dabei nicht sieht, der stellt ihn sich aufgrund seiner Stimme als Riesen vor. Aber äußerlich ist er ein Wicht.

McQuarry will zuerst wortlos weiter. Doch dann hält er im Ansatz seiner Bewegung noch einmal inne und fragt: »Fox, wollen Sie einen Job bei mir? Es gibt vierzig Dollar im Monat und freie Unterkunft in einem Haus, das ich noch mieten werde.«

Nach diesen Worten geht er weiter, ohne auf Antwort zu warten.

Norman Fox kratzt sich staunend hinter einem seiner Segelohren und murmelt: »He, was ist das? Was bringt er hier in Gang so verdammt allein? Wofür braucht er meine Hilfe – für vierzig Dollar?«

Indes erreicht McQuarry das Hotel.

Sheere erwartet ihn in der kleinen Empfangsdiele. Ohne ein Wort kommt sie in seine Arme, denn er ließ sein Gepäck einfach fallen, um sie auffangen zu können.

Als er fortritt, gab sie ihm keinen Abschiedskuss.

Doch jetzt drängt sie sich an ihn. Sie küssen sich lange.

Doch als sie sich voneinander lösen, da spricht sie fast tonlos: »Jack, vielleicht sollten wir morgen schon von hier weggehen, denn sonst wirst du mit Duke McKellar um mich kämpfen müssen. Er will mich jetzt mehr denn je und ist dabei, mich gewissermaßen auszuhungern. Mein Hotel bekommt keine Gäste mehr. Ich habe keine Einnahmen. Nicht mal seine Revolverschwinger dürfen bei mir wohnen. Ich bin mittellos und musste sogar die Küche schließen. Mein Hotel ist wertlos geworden. Gehen wir also fort. Aber vielleicht würde er das nicht zulassen, weil er mich als seine Gefangene ansieht.«

McQuarry schüttelt nach ihren Worten nur den Kopf. Dann öffnet er seine Weste, sodass sie die Plakette sehen kann.

»Ich bringe das Bundesgesetz nach Dragoon City«, spricht er ruhig. »Und McKellar wird bald in einer Gitterzelle sitzen.«

Sie weicht zwei Schritte zurück.

»Aber du bist doch wegen mir zurückgekommen, Jack? Oder ist McKellar die Herausforderung, die für dich wichtiger ist als ich? Kamst du seinetwegen zurück nach Dragoon City?«

Er steht ruhig vor ihr, hebt leicht die hängenden Arme und lässt sie wieder sinken, so als wäre er etwas ratlos.

Dann aber erwidert er: »Sheere, ich kann nicht mit dir vor einem Burschen fortlaufen, nur weil er dich haben will wie ein Despot, der sich alles nimmt.«

Als er verstummt, da hebt auch sie wie zuvor er die Arme und lässt sie wieder sinken. Doch schließlich nickt sie und murmelt: »Verdammter Stolz. Den habe ich von Anfang an in dir gespürt. Nun gut, vielleicht werde ich bald um dich weinen müssen. Das ergeht Frauen von stolzen Männern immer wieder so. Oh, verdammt! Nun gut, ich gebe dir das Zimmer neben meinem. Es ist durch eine Tür mit meinem verbunden. Denn wenn dein Leben kurz sein sollte, dann soll es in meinen Armen wenigstens noch schön sein. Komm!«

Sie geht voraus. Er nimmt sein Gepäck auf und folgt ihr.

✰✰✰

Jube McAllisher ist ein hart und zäh wirkender Mann, der in Dragoon City sein ganzes Vermögen investierte, viele Wagenzüge mit Bauholz jeder Sorte heranschaffen ließ und auf den Aufschwung in der Stadt und im ganzen Umland hoffte. Doch nun sitzt er auf seinem Holz und seinen leeren Häusern.

Als Jack McQuarry am nächsten Morgen zu ihm ins Office tritt, da sagt McAllisher hoffnungsvoll: »Ich habe es gestern Abend im Saloon vom Schmied schon gehört. Sie wollen ein Haus mieten, Mister McQuarry. Da können wir sehr günstig für Sie ins Geschäft kommen.«

Doch McQuarry schüttelt leicht den Kopf. »Nicht mit mir, Mister McAllisher. Sie würden mit den Vereinigten Staaten von Amerika ins Geschäft kommen. Ich wurde zum US Deputy Marshal für dieses Gebiet ernannt und errichte hier meinen Sitz. Wollen Sie? Ich benötige ein festes Haus, in dem sich auch einige Gefängniszellen einbauen ließen.«

McAllisher reißt die Augen auf, wischt sich dann übers Gesicht und spricht feierlich: »Das Bundesgesetz kommt nach Dragoon City? O Himmel, endlich wurden viele Gebete erhört. Aber das wird Duke McKellar gar nicht gefallen.«

»Sicher nicht.« McQuarry grinst.

»Im Gegensatz zu mir«, knirscht McAllisher und springt auf. »Kommen Sie, Marshal, ich zeige Ihnen das richtige Haus. Und dann machen wir sofort den Vertrag. Das Haus ist gleich nebenan. Darin wollte sich ein Doc niederlassen. Aber er zog weiter. Es gibt mehrere Räume, die er als Krankenzimmer gleich neben seiner Praxis haben wollte. Es wird Ihnen gefallen.«

Als sie aus der Holzhandlung treten, sehen sie Norman Fox am Gehsteigrand stehen.

»Mister McQuarry«, sagt Fox und grinst, »ich habe es mir überlegt. Ich nehme den Job an. Was müsste ich tun?«

»Holen Sie den Schmied ins Nachbarhaus«, erklärte ihm McQuarry. »Sagen Sie ihm, dass er einige Gitterzellen errichten müsse. Und dann sollten wir jemanden finden, der ein Schild malen kann, auf dem zu lesen ist: US Deputy Marshal.«

Als McQuarry verstummt, reißt Fox seine schlauen Fuchsaugen weit auf und kratzt sich wieder hinter einem seiner Segelohren.

»Oooh«, stöhnt er dann, »vielleicht habe ich diesen Job etwas zu voreilig angenommen. Bin ich nun etwa auch ein Deputy?«