G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 57 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 57 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

3 spannende Westernromane lesen und sparen!

G.F. Unger ist der erfolgreichste deutschsprachige Western-Autor. Mit einer Rekordauflage von über 250 Millionen Exemplaren gehört er zur internationalen Spitzenklasse der Spannungsliteratur. Und das zu Recht!

Niemand vermag es wie er, die unermesslichen Weiten des amerikanischen Westens und die Stärke der unerschrockenen Männer, die sie erschlossen, zu beschreiben. Erleben Sie den amerikanischen "Wilden Westen", wie nur G.F. Unger ihn schildern kann: hart, authentisch, leidenschaftlich.

Dieser Sammelband enthält die Folgen 2518 bis 2520:

2518: Todesweg
2519: McQuarry kommt nach Dragoon City
2520: Weg der Männer

Der Inhalt dieses Sammelbands entspricht ca. 192 Taschenbuchseiten.
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Seitenzahl: 470

Veröffentlichungsjahr: 2023

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G. F. Unger
G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 57

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben

Für die Originalausgaben:

Copyright © 2021 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Vervielfältigungen dieses Werkes für das Text- und Data-Mining bleiben vorbehalten.

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2023 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Covermotiv: © Norma/Prieto

ISBN: 978-3-7517-4740-0

https://www.bastei.de

https://www.sinclair.de

https://www.luebbe.de

https://www.lesejury.de

G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 57

Cover

Titel

Impressum

Inhalt

G. F. Unger Western-Bestseller 2518 - Western

Ben Quades Stolz

G. F. Unger Western-Bestseller 2519 - Western

Die Revolvermannschaft

G. F. Unger Western-Bestseller 2520 - Western

Die Rustler-Ranch

Guide

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Contents

Ben Quades Stolz

»He, Junge, binde dir die Hosenbeine zu, wenn du eine Zigarre rauchst. Sonst machst du dir die Hosen voll.« Der Fremde lacht höhnisch zu seinen Worten.

Ben Quade ignoriert den Mann. Es ist ein Freudentag für Ben, denn er hat gerade seinen ersten Revolver gekauft. Lange hat er dafür gespart. Und mit dem letzten Dollar, der übrig war, hat er sich im Saloon einen Whisky und eine Zigarre gekauft – zur Feier des Tages.

Als er den Saloon verlassen will, stellt sich ihm der Fremde in den Weg.

»Hast du nicht gehört, du Grünschnabel? Ich sagte, dass du dir die Hosen zubinden sollst.«

Ben Quade mustert den Mann, von dem etwas Wildes und angespannt Lauerndes ausgeht, und sagt ruhig: »Ich will keinen Streit, Mister. Lassen Sie mich in Frieden.«

Der Fremde grinst böse. »Ich sagte, du sollst dir die Hosenbeine zubinden. Ich zähle jetzt bis drei. Dann will ich sehen, dass du mir gehorchst. Oder du musst nach deinem Eisen greifen. Doch ich weiß, dass du das nicht wagst. Eine Kanone macht noch längst keinen Mann. Das will ich dir klarmachen, mein Jüngelchen. Also – ich zähle!«

Als er scharf und drohend bis drei gezählt hat, staunt er, denn Ben Quade bewegt sich nicht, blickt ihn nur fest an ...

Ben weiß, dass er einem gefährlichen Revolverschwinger gegenübersteht, und er verspürt Furcht. Doch sein Stolz lässt nicht zu, dass er sich vor aller Augen wie einen dummen Jungen behandeln lässt. Er hat sich einen Revolver gekauft und glaubt, ein Mann zu sein. Jetzt muss er gleich die erste Probe bestehen.

Er sieht es in den Augen des anderen aufblitzen, sieht, dass die Rechte des Mannes zum Coltgriff hinabstößt, und er zieht ebenfalls.

Die Schüsse krachen fast gleichzeitig. Dann herrscht Totenstille im Saloon.

Ben wurde von der Kugel in Ellbogenhöhe an der Rippe geritzt.

Der Revolverheld jedoch lässt den Revolver sinken, macht einen zögernden Schritt vorwärts und hat ein Staunen in seinem Gesicht. Seine Lippen öffnen sich zitternd, und er sagt langsam: »Heiliger Vater – dieser Junge hat mich ...«

Und dann fällt er um.

Es ist wieder still im Raum. Der Pulverrauch verzieht sich.

Und der kleine Begleiter des Revolverhelden beginnt drüben an der Wand seltsam zu glucksen. Es klingt fast wie ein unterdrücktes Lachen. Aber das kann doch wohl nicht wahr sein.

Alle blicken sie hinüber. Der Bursche zittert am ganzen Körper und hat den Schluckauf. Seine Augen sind weit aufgerissen, und er wirkt wie in einem Trancezustand.

Babsy Bobmare brummt nun, kommt hinter dem Schanktisch hervor, geht hin zu dem Burschen und schlägt ihm die flache Hand klatschend ins Gesicht.

Da kommt der Bursche wieder zu sich und stößt einen leisen Schrei aus. Er blickt umher und sagt dann gepresst: »Das war Jesse Hackett. Er musste immer auf solche Jungen losgehen. Ich kenne ihn schon lange und weiß, warum. Als er solch ein Junge war und seinen ersten Colt trug, stutzte ihn ein Mann zurecht – und er kniff. Seitdem musste er sich immer wieder beweisen, dass auch andere Jungen genauso kneifen und er keine feige Ausnahme war. Jetzt ist er tot. Ich ...«

Ben Quade hört nicht mehr zu. Er geht wie ein Schlafwandler aus dem Saloon. Draußen auf der Veranda wird ihm klar, dass er immer noch die Waffe in der Hand hält.

Menschen kommen von überall gelaufen, sehen ihn seltsam an und drängen an ihm vorbei in den Saloon.

Auch der Sheriff ist dabei.

»Ich habe ihn erschossen, Sheriff«, sagt Ben Quade etwas schrill. »Er ließ mir keine andere Wahl. Hier, mit diesem Colt habe ich ihn getötet.«

Er betrachtet die Waffe staunend. Der Sheriff nimmt sie ihm mit einem schnellen Griff weg und sagt: »Warte hier, Ben! Versuch nicht, dich aus dem Staub zu machen. Wenn er dir keine andere Wahl ließ, dann war es Notwehr. Mach keine Dummheiten, mein Junge!«

Dann geht der Sheriff hastig in den Saloon hinein.

Ben Quade aber steht immer noch starr da. Nur einmal hebt er seine Linke, betrachtet sie staunend und wischt sich dann mit einer müden Bewegung den Schweiß aus dem Gesicht.

Bisher hatte er immer nur von Revolverkämpfen gehört.

Doch jetzt hat er selbst einen hinter sich. Er fühlt sich ausgebrannt und leer. Doch dann hämmert plötzlich die Erkenntnis auf ihn ein, dass er einen Mann getötet hat. Jetzt erst erlebt er noch einmal jene schrecklichen Sekunden – und jetzt erlebt er sie bewusst.

Es ist schlimm für einen Jungen wie Ben Quade.

Hätte ich mir doch nicht diesen Revolver gekauft, denkt er bitter. Doch gleich danach regt sich abermals sein Stolz.

Jeder freie Amerikaner hat das Recht, eine Waffe offen zu tragen – also hat auch er das Recht.

Sollte er sich von einem Revolverhelden nötigen lassen? Nein!

Dennoch ist es ein bitterer Tag für Ben Quade. Er weiß schon jetzt, dass er es immer wieder Tag und Nacht in seinen Gedanken neu erleben wird.

Und nie wird er das staunende Gesicht des getroffenen Revolverhelden vergessen – nie!

Ben Quade weiß nicht, wie lange er so vor dem Saloon steht. Er ist auch nicht allein. Es sind nun Menschen da, die ihn neugierig beobachten und über ihn reden.

Doch er geht nicht fort. Er wartet auf den Sheriff.

Dieser kommt nach einer Weile heraus. Er reicht Ben den Revolver und sagt: »Du hast einige Zeugen, dass der Bursche dir keine andere Wahl ließ und es reine Selbstverteidigung war. Überdies handelt es sich um Jesse Hackett. Es ist eine Belohnung von fünfhundert Dollar ausgesetzt auf ihn, denn er wird vom Gesetz gesucht. Er hat in Fort Worth einen unbewaffneten Mann erschossen. In einer Stunde werde ich das Protokoll fertig haben. Dann kommst du, um zu unterschreiben.«

»Ich will die Belohnung nicht«, murmelt Ben Quade und geht davon. Er steckt langsam den Revolver fort, den der Sheriff ihm gab.

Und er geht jetzt anders als vorher. Das Eckige, Staksige ist verschwunden. Er wirkt plötzlich nicht mehr ganz so hager und ungelenk.

Ja, auch äußerlich wirkt er nun anders.

In seinem Innern jedoch ist ein bitteres Bedauern.

Gewiss, er wurde in dieser Stunde ein Mann, der sich nicht demütigen ließ, der seinen Stolz behielt und sich erfolgreich gegen einen steckbrieflich gesuchten Revolverhelden verteidigte.

Er spürt nun auch ein dankbares Glücksgefühl, noch am Leben zu sein. Doch zugleich ist die Gewissheit in ihm, dass eine gute Zeit für ihn beendet ist.

Er ist kein Junge mehr.

Alles wurde anders.

Er spürt, dass er etwas verlor – endgültig verlor.

✰✰✰

Es vergehen einige Wochen, und es wurde wahrhaftig alles anders.

Auf der Ranch behandelte niemand Ben Quade mehr wie einen Jungen. Und selbst die älteren Cowboys, die ihm oft genug Befehle erteilten und unangenehme Arbeiten auf ihn abwälzten, sind nun sehr zurückhaltend. Sie behandeln ihn als gleichwertigen Mann und sind offensichtlich vorsichtig mit jedem Wort.

Ben gibt sich in diesen Wochen Mühe, ein erstklassiger Spitzencowboy zu werden. Er arbeitet hart.

Da man jetzt beim Round-up ist, befindet er sich fast ständig unter freiem Himmel. Bald schläft er auch wieder besser und die Erinnerung verblasst allmählich.

Es kommt sogar der Tag, da er abends am Campfeuer über einen Witz genauso lacht wie seine Kameraden. Er ist ja noch so jung.

Und trotzdem spürt er immer noch eine unerklärliche Furcht vor der Zukunft.

Genau einen Monat nach seinem Kampf schickt ihn der Rancher wieder mit dem Wagen in die Stadt.

Als Ben Quade dann am frühen Mittag die Stadt in Sicht bekommt, hat er inzwischen lange genug nachdenken können. Er entledigt sich seines Waffengurtes, rollt diesen zusammen und legt ihn mitsamt der Waffe unter den Wagensitz.

Nein, er möchte nicht noch einmal Streit in dieser Stadt, nur weil er einen Revolver trägt. Er will kein Revolverheld werden.

Kurz vor dem Ortseingang trifft er auf den Sheriff, der herausgeritten kommt. Der Sheriff stellt mit dem ersten Blick fest, dass Ben Quade keinen Revolver trägt, und nickt ihm freundlich zu.

»Du bist klüger, als ich dachte, Ben«, sagt er. »Wir werden uns heute Abend sicher wieder treffen, wenn wir beide auf dem Rückweg sind. Ich reite zu den Dunhills, denen in der vergangenen Nacht Geld gestohlen worden sein soll. Immer wird ihnen Geld gestohlen, wenn sie ihre Steuern zahlen müssen. Diese Dummköpfe sind so dumm, dass sie auch noch andere Leute für dumm halten.«

»Daran ist der alte Sam Dunhill schuld.« Ben Quade grinst. »Der will keine Steuern zahlen und nimmt seinem Sohn, der die Ranch leitet, einfach das Geld aus dem Schrank. Jetzt will sein Junge wohl ein Exempel statuieren. Sie werden den alten Dunhill einsperren müssen, Sheriff.«

»Das werde ich auch«, grollt der Sheriff und reitet weiter.

Ben Quade schüttelt den Kopf. Er kennt die Dunhills gut. Sie sind reich und könnten leicht ihre Steuern zahlen. Doch der alte Dunhill ist schon über neunzig Jahre und recht kindisch. Er nimmt seinem Sohn, der auch schon über sechzig ist, stets das Geld aus dem Schrank, welches für die Steuern bestimmt ist. Und nun hat sein Sohn tatsächlich Anzeige wegen Diebstahls erstattet.

Als Ben dann in der Stadt vor den Store fährt, sind plötzlich mehr Leute auf der Straße als sonst. Er begreift, dass man aus den Häusern und Läden kam, um ihn zu sehen.

Der Storehalter behandelt ihn nicht mehr wie einen jungen Burschen, sondern höflich und aufmerksam wie einen Mann, und der zweite Blick des Storehalters hat nach Ben Quades Colt gesucht. Als er an Ben keinen Colt entdecken konnte, trat ein freundlicher Ausdruck in seine Augen.

Es wiederholt sich nun alles wie schon all die Monate vorher.

Ben gibt die Liste ab und spannt dann die Pferde aus, um sie zum Mietstall zu bringen. Er stellt sie in den Schatten eines halb offenen Schuppens und holt dann Wasser und Futter.

Der Stallmann ging schon zum Essen, sodass Ben allein ist.

Als er fertig ist und von den Pferden weg aus dem Schuppen tritt, da erkennt er, dass er doch nicht allein ist.

Zwei Männer sind da.

Einen kennt er schon. Es ist jener kleine, affengesichtige Bursche, der mit Jesse Hackett gekommen war und den der Saloonwirt Babsy Bobmare zum Schluss mit einer Maulschelle aus einem tranceähnlichen Zustand erweckte.

Das hässliche Gesicht des Mannes zuckt und bewegt sich nun seltsam und drückt aus, wie sehr dieser Mensch von Gefühlen und Empfindungen besonderer Art erfüllt ist. Seine schwarzen Knopfaugen haben den Ausdruck eines Süchtigen.

»Da-da-das ist er«, sagt er zu dem anderen Mann.

Ben Quade blickt auf den zweiten Mann.

Es ist ein großer, breiter, starkknochiger Bursche mit einem harten Piratengesicht und zwei Revolvern, deren Holster fest an die Schenkel gebunden sind.

»Ich bin Lex Hackett«, sagt dieser Mann, »und Jesse war mein kleiner Bruder. Arty Slater erzählte mir, dass du Jesse wie einen kleinen Pinscher umgelegt hättest. Versuch das mal mit mir!«

Ben Quade beißt die Zähne zusammen. Er muss würgend schlucken, denn von Lex Hackett hat er schon gehört. Der einstige Buschreiter war ein gefürchteter Guerillaführer während des Krieges und zog sich dann in das Banditenland westlich des Pecos zurück. Man spricht darüber, dass Lex Hackett immer wieder mit starken Banden nach Mexiko reitet und dort Raubzüge unternimmt.

Ben hätte nie gedacht, dass dieser Mann der große Bruder jenes eitlen Revolverschwingers war, den er vor einem Monat töten musste.

»Ich – ich trage keine Waffe«, sagt er.

»Das sehe ich«, erwidert Lex Hackett kehlig. Sein grobes Gesicht verzieht sich spöttisch. »Wohl aus Angst vor der eigenen Courage, was? Aber das nützt dir nichts. Ich bin Jesses großer Bruder. Ich kann Jesses Tod nicht einfach hinnehmen. Das gehört sich als Bruder einfach nicht.«

Ben Quade begreift, dass Lex Hacketts Denken sehr einfach und primitiv ist, sich in eingleisigen, sturen Bahnen bewegt, und dass er Dinge, die er sich in den Kopf gesetzt hat, störrisch bis zum Ende verfolgt.

Worte haben wenig Sinn, dies spürt Ben Quade genau. Und dennoch versucht er es.

Er sagt: »Mister Hackett, Ihr kleiner Bruder ließ mir damals keinen Ausweg. Wollte ich meinen Stolz behalten, so musste ich kämpfen. Warum können Sie nicht verstehen, dass ich mich nicht ohne Gegenwehr demütigen lassen konnte?«

»Oh, das kann ich sogar gut verstehen.« Lex Hackett lacht kehlig. »Doch Jesse war mein Bruder. Wo kommen wir denn hin auf dieser Welt, wenn ein Mann den Tod seines Bruders ungerächt lässt?«

Ben Quade gibt es auf.

In diesen Sekunden zerbricht in Ben Quade etwas von seinem Glauben an die Welt und ihre Menschen.

Er sagt nichts mehr, blickt Lex Hackett nur stumm an. Einmal wirft er einen schnellen Blick auf Arty Slater.

Er weiß, dass Arty Slater diesen Mann hergeführt hat, um zu sehen, wie abermals ein Mann nutzlos und sinnlos sein Leben verliert. In Ben Quade ist eine tiefe Abscheu vor diesem anormalen Burschen, denn Slater kann nicht normal sein.

Lex Hackett zieht plötzlich einen seiner beiden Colts und wirft ihn mit einer schnellen und sicheren Bewegung vor Bens Füße. Schon an dieser Bewegung kann man erkennen, wie schnell und geschickt der sonst so grobschlächtig wirkende Revolvermann ist. Die Waffe landet genau vor Bens Füßen im Staub des Hofes.

»Nimm sie«, sagt Hackett, »nimm sie und schieße, wenn du kannst! Denn sobald du sie mit den Fingerspitzen berührst, werde ich ziehen.«

Von Arty Slater kommt nun wieder jenes glucksende Geräusch. Er hat vor Aufregung den Schluckauf bekommen. Seine schwarzen Knopfaugen starren verzückt.

Der Bursche gehört wahrhaftig in eine Heilanstalt. Doch die gibt es hier im Südwesten nicht. Hier laufen Burschen wie Arty Slater frei herum.

Ben Quade starrt auf den Colt zu seinen Füßen. Es ist eine Waffe wie seine eigene, und sie erscheint ihm schrecklich in ihrer kalten und mitleidlosen Konsequenz.

Wenn er sie aufhebt, muss er schießen.

Aber wenn er sich einfach umwendet und fortgeht?

Als er an diese Möglichkeit denkt, blickt er Lex Hackett daraufhin prüfend an.

Eine Sekunde später weiß er, dass dieser Mann ihn nicht fortgehen lassen wird. Lex Hackett betrachtet es als eine heilige Pflicht, seinen Bruder zu rächen.

Ben Quade möchte herumwirbeln und fortlaufen. Er wünscht sich auf einmal, noch ein kleiner Junge zu sein. Ja, dann könnte er einfach fortlaufen. Er hat Furcht, eine heiße, geradezu erbärmliche Furcht.

Doch es erbarmt sich seiner niemand.

Plötzlich schämt er sich seiner Furcht. Und damit wird alles wieder wie beim ersten Mal.

Sein Stolz ist plötzlich da. Dieser Stolz kämpft gegen die erbärmliche Furcht an, besiegt sie. Und dann ist nur noch dieser Stolz vorhanden. Er macht aus Ben Quade einen gereizten und ziemlich wilden Burschen. Denn er sagt nun: »Sie verteufelter Bandit, ich will diesen Kampf immer noch nicht! Aber ich werde nicht kneifen!«

Lex Hackett nickt heftig.

»Dies ist mir auch lieber so«, sagt er, »denn ich würde dich auf jeden Fall erschießen. Es ist mir jedoch lieber, wenn du deine Chance wahrnimmst.«

Ben Quade ist jetzt viel zu zornig, um die schreckliche Unmenschlichkeit, die in Hacketts Worten liegt, in sich aufzunehmen.

Er lässt sich vor der Waffe auf ein Knie nieder.

Lex Hackett beobachtet ihn und hat die Hand griffbereit über dem Revolverkolben hängen. Er ist bereit, binnen eines winzigen Sekundenbruchteiles zu reagieren.

Ben sieht ihn an. Er weiß genau, wo der Colt vor ihm liegt. Er kann ihn greifen, ohne hinsehen zu müssen. Er wird ihn sozusagen blind ergreifen. Damit wird der Bandit nicht rechnen, und dies ist Bens einzige Chance. Er weiß, dass Hackett darauf wartet, dass er, Ben, im Moment des Zugreifens den Blick auf die Waffe richten wird.

Aber er tut es nicht. Er greift nun blind zu, und er gewinnt damit einen wertvollen Sekundenbruchteil. Indes seine Hand den Revolver erfasst, wirft er sich zur Seite.

Lex Hackett wurde zwar um einen winzigen Sekundenbruchteil überrumpelt, doch er ist unheimlich schnell, viel schneller, als sein Bruder Jesse es war.

Er schießt zuerst. Doch weil sich Ben Quade zur Seite wirft und sehr schnell bewegt, bekommt er die Kugel nur in die Wade.

Bens Kugel trifft besser. Lex Hackett drückt zwar noch zweimal ab, doch er fällt dabei und schießt irgendwohin ins Leere.

Ben Quade bleibt am Boden sitzen – und nicht nur der Beinwunde wegen. Er fühlt sich krank und elend und erwacht wie aus einem schlimmen Traum.

Was er tat, geschah instinktiv. Er konnte es nicht vorherbestimmen. Doch jetzt holen ihn die Gedanken wieder ein. Jetzt erst begreift er wieder und wird ihm alles bewusst, was vor einer Minute geschah.

Er erinnert sich an Arty Slater, und er sieht ihn davonlaufen wie eine Ratte. Er hebt den Revolver, um auf ihn zu schießen, doch er bringt es nicht fertig.

Dabei verdankt er es diesem seltsamen Burschen ziemlich sicher, dass er mit Lex Hackett kämpfen musste.

Menschen kommen bald darauf angelaufen. Die ganze Stadt ist plötzlich auf den Beinen und kommt in den Hof des Mietstalls.

✰✰✰

Es ist schon Abend, als Ben Quade am Comanche Pass auf den Sheriff trifft. Bens linkes Bein ist vom Knie abwärts nackt bis auf den blutdurchtränkten Verband, und er hat Schmerzen und schon etwas Wundfieber. Doch er hat den Wagen voll mit den Dingen, die er holen sollte, und wird mit nur einer Stunde Verspätung die Ranch erreichen – also etwa eine Stunde nach Mitternacht.

Als er den Sheriff erblickt, hält er den Wagen an.

Der Sheriff ist allein. Offenbar hat er den alten Dunhill nur zurechtgestutzt und dessen Sohn gesagt, er sollte ihm nicht wieder mit solchen internen Familiensachen kommen.

Der Sheriff erkennt an Ben Quade sofort zwei Dinge – nämlich das verwundete und verbundene Bein und dann die unübersehbare Tatsache, dass Ben wieder seine Waffe trägt.

Sie betrachten sich beide eine Weile wortlos. Der Sheriff ist ein erfahrener, grauköpfiger Mann, zäh und hart, ein alter Jagdfalke.

Und er wartet auf Bens Erklärung.

»Ich wollte nicht kämpfen«, sagt Ben heiser. »Ich hatte sogar meine Waffe abgelegt, um niemanden zu reizen. Aber da kam plötzlich Lex Hackett in den Hof des Mietstalls. Jener kleine Affe, der schon bei Jesse Hackett gewesen war, hatte ihn gewiss hergebracht, denn dieser Bursche – Arty Slater heißt er ja wohl – war wieder mit dabei und sah sich alles an. Ich wollte wirklich nicht kämpfen, Sheriff! Doch dieser Lex Hackett ließ nicht mit sich reden. Er warf mir einen seiner beiden Revolver vor die Füße und sagte mir, dass es ihm lieber wäre, wenn ich meine Chance wahrnehmen würde. Er traf mich dann ins Bein. Und dann ...«

Ben Quade verstummt hilflos. Er starrt den alten Sheriff an, als könne dieser ihm Trost geben.

»Lex Hackett?« Dies fragt der Sheriff und pfeift lautlos durch die Zähne. »Er hat sich aus dem Pecos-Land hierher nach Osten gewagt? Auf seinen Kopf sind zweitausend Dollar Belohnung ausgesetzt – tot oder lebendig. Und drüben in Mexiko ist die Belohnung auf seinen Kopf noch höher als bei uns. Jeder konnte ihn verhaften oder erschießen. Du brauchst dich nicht damit zu entschuldigen, dass er dich zu einem Kampf gezwungen hat. Wenn du die Belohnung kassierst, Junge, kannst du dir eine kleine Ranch kaufen.«

Er spricht es irgendwie nachdenklich, und in seinen Augen ist dabei ein ernstes Forschen und Prüfen.

Ben Quade starrt auf seine Füße und schüttelt den Kopf.

»Ich wollte nichts anderes als erwachsen sein und einen Revolver tragen wie all die anderen Männer im Land auch. Ich wollte doch gar nichts Außergewöhnliches. Warum ...«

Er spricht nicht weiter. Es fehlen ihm die Worte. Doch der Sheriff begreift ganz genau, welche Frage Ben sich immer wieder stellt.

Warum wurden mir zwei Revolverkämpfe aufgezwungen? Warum musste ich zwei Männer töten? Warum passierte dies keinem anderen Mann, warum ausgerechnet mir, der sich gerade seinen ersten Revolver kaufte?

Der Sheriff betrachtet ihn ernst.

»Es ist Schicksal«, sagt er dann ruhig. »Jeder Mann hat sein vorbestimmtes Schicksal. Es hält ihn von Anfang bis Ende in seinem Griff. Und er kann sich nicht verstecken. Du hättest nur eines tun können, mein Junge.«

»Was?« Ben ruft es bitter und wild.

»Deinen Stolz hättest du zertreten müssen, Ben. Als Jesse Hackett von dir verlangte, du solltest dir wegen der Zigarre die Hosen zubinden, hättest du es tun müssen. Doch das konntest du nicht. Was dann kam und noch kommen wird, vollzog und vollzieht sich folgerichtig. Du hattest das Pech, mit deinem Stolz an einen eitlen Revolverschwinger zu geraten, der dir seinen Willen aufzwingen wollte. Und nun ist dein Weg festgelegt, mein Junge.«

Er verstummt sanft, und es ist ein kaum merklicher Beiklang von Bitterkeit in seiner Stimme.

Ben Quade aber zuckt wie von einer Lanze getroffen zusammen.

»Was ist das? Mein Weg soll festgelegt sein? Wie soll ich das verstehen, Sheriff?«

Dieser bewegt sich im Sattel, so wie es ein Mann tut, der sich nicht besonders wohl fühlt.

Doch seine Stimme klingt dann ganz ruhig, als er erklärt: »Überleg es selber, Ben. Jesse Hackett war nur ein zweitklassiger Revolverschwinger, ein eitler Bursche, der nichts taugte, dies auch genau spürte und sich deshalb immer wieder zu beweisen versuchte, welch großartiger Kerl er doch war. Und da er nur mit dem Revolver besser war als jeder Durchschnittsmann, so war das seine einzige Möglichkeit, sich großartig zu fühlen. Gut, du konntest ihn besiegen. Wenn es dabei geblieben wäre, hättest du jenem verteufelten Ruhm entkommen können. Du wärst nur hier als mutiger, stolzer und schneller Bursche bekannt gewesen – hier bei uns. Aber dann kam Lex Hackett. Wenn sein Bruder Jesse auch nur ein bösartiger Coyote war, so war er ein richtiger wilder Wolf. Lex Hackett war schon während des Krieges als Guerillaführer gefürchtet. Er galt als einer der schnellsten Revolvermänner. Dass er dich nur verwunden und nicht töten konnte, ist wie ein Wunder. Du aber bist der schnelle Junge, der den großen Wolf töten konnte. Damit bist du auf einmal auf diese bittere und traurige Art ein berühmter Mann. Die Geschichte des Kampfes wird binnen weniger Wochen auf tausend Meilen in der Runde bekannt sein. Sie wird Legende werden. Und einige Dutzend wilder und ruhmsüchtiger Burschen werden sich fragen, ob sie es an deiner Stelle nicht auch geschafft hätten, so berühmt zu werden. Andere Männer, die mit Lex Hackett befreundet waren, werden ihn rächen wollen. Benny, du giltst jetzt zwischen Mexiko und der Nordgrenze als Revolvermann. Daran kannst du nichts mehr ändern. Wohin du auch gehen magst, du musst nun immer damit rechnen, dass jemand dich erkennt und aus irgendeinem Grund sein Glück mit dir probieren will – aus Rache, aus Ruhmsucht, aus wer weiß was für Gründen. Es ist genauso, als hättest du ein Brandzeichen aufgedrückt bekommen. Du wirst hier keinen Frieden mehr finden.«

Er verstummt heiser, und obwohl er ein harter Mann ist, tut ihm dieser Junge leid.

Ben sitzt starr auf dem Wagen. Er kann es nicht glauben. Doch dann fallen ihm all die vielen Geschichten wieder ein, die man sich von den berühmt-berüchtigten Revolvermännern erzählt.

»Aber ich will nicht«, sagt er.

»Dann wirf deinen Revolver fort und reite tausend Meilen weit. Und wenn ein Mann dir in den Weg kommt, dir Befehle erteilt oder etwas von dir verlangt, was dich demütigt, dann schlucke deinen Stolz herunter und unterwirf dich. Sieh auch keinem Mann mehr in die Augen, denn wenn du einem Mann in die Augen siehst, dann wird er darin erkennen können, dass du kämpfen kannst und ihn vielleicht besiegen könntest. Er wird Zweifel spüren und herauszufinden versuchen, was in dir steckt. Oder geh in den Osten, wo es schon Recht und Gesetz in einem anderen Maße gibt, wo niemand mehr einen Revolver trägt, wo man den nächsten Polizisten rufen oder nachträglich vor ein Gericht gehen kann, welches – ach, du weißt es ja, Junge!«

Er verstummt resigniert.

Ben Quade aber blickt immer noch ins Leere. Es ist, als könnte er so irgendwelche Bilder in ferner Zukunft erkennen.

Ein hartes Gefühl strömt aus seinem Kern und ergreift von ihm Besitz. Wieder spürt er, wie sein Stolz über allen Dingen steht. Er wirkt nun sehr viel älter.

Der Sheriff beobachtet ihn, so gut er dies noch in der Abenddämmerung vermag. Er sagt plötzlich aus einem Impuls heraus: »Wenn du den Revolver behalten und weiterhin stolz durch diese Welt reiten möchtest, Ben, dann gibt es für dich nur eine einzige Möglichkeit.«

»Welche, Sheriff, welche?«

Der Sheriff zögert. Dann aber murmelt er: »Auch ich war ein solcher Junge wie du. Als es nicht mehr ging, wurde ich Deputy Sheriff. Ich trug einen Stern und blieb innerhalb des Gesetzes. Dies ist die einzige Chance für einen Revolvermann: Er muss auf der richtigen Seite bleiben. Wenn er seinen Stolz und den Revolver behalten will, dann muss er damit dem Gesetz dienen. Oder er ist eines Tages verloren auf irgendeine Art. Er hat dann nichts mehr, woran er sich halten kann. Doch du bist noch zu jung, um Deputy Sheriff sein zu können. Geh fort aus diesem Land, Ben, geh weit fort. Ich kann dir nicht helfen. Ich kann nicht überall dort sein, wo du bist, und dir die Revolverschwinger vom Leib halten. Sie zwingen dich immer wieder zum Kampf. Es ist wie eine böse Krankheit.«

Nach diesen Worten reitet er plötzlich an und verschwindet in der Dämmerung.

Ben Quade sitzt noch lange bewegungslos da und denkt nach.

Dann fährt er weiter.

Als er die Ranch erreicht, ist sein Wundfieber ziemlich schlimm geworden.

Er sagt dem Nachtmann, dass er krank wäre und nichts mehr tun könne. Dann humpelt er am Stock zum Schlafhaus hinüber und lässt sich bald darauf auf sein Bett fallen.

Das Wundfieber besiegt ihn nun.

Nachdem er den Auftrag seines Ranchers erfüllt hatte, erlosch die starke Kraft in ihm, die ihn zum Durchhalten zwang.

✰✰✰

Eine Woche später hat Ben Quade sein Wundfieber überwunden und kann mithilfe einer Krücke, die er unter die Achselhöhle klemmt, herumhumpeln.

Er ist nun noch dünner und magerer geworden als zuvor. In seinem dunklen Indianergesicht brennen seine hellen Augen merkwürdig groß und scheinen immerzu misstrauisch zu forschen und zu prüfen.

Die Reiter der Ranch sind außergewöhnlich höflich zu ihm. Sie alle verspüren irgendwie ein Schuldgefühl ihm gegenüber. Es ist aber auch ihr Instinkt, der sie dazu zwingt, außergewöhnlich höflich zu ihm zu sein.

Er spürt es immerzu, und es erinnert ihn daran, dass er »das Zeichen« trägt, wie man so sagt.

Oh, es ist kein wirkliches Zeichen, kein Mal oder ein ähnliches Ding. Doch ein Wolf sieht auch fast so aus wie ein Hund, und dennoch spürt man das Raubtier. So ähnlich geht es Ben Quades Mannschaftskameraden.

Dies setzt ihm sehr zu. Er gäbe plötzlich viel darum, würde ihn der Koch jetzt noch als halbwüchsigen Jungen behandeln und barsch von ihm verlangen, Holz zu hacken. Und wenn sie alle beim Essen saßen, so durfte er sich als jüngster Reiter erst zuletzt bedienen, nachdem alle schon das Fleisch genommen hatten.

Jetzt ist es anders.

Jetzt warten sie.

Zwei Wochen später kann er die Krücke wieder fortwerfen. Auch glich er schon wieder etwas seinen Gewichtsverlust aus. Er ist ein Bursche, der sehr schnell wieder gesund wird.

Nach diesen zwei Wochen geht er zu seinem Rancher hinüber und meldet, dass er wieder arbeitsfähig sei.

Der Rancher betrachtet ihn auf eine Art, die schwer zu deuten ist. Doch ist in seinem Blick eine Spur von Bedauern zu erkennen. Vielleicht ist es sogar Mitleid. Aber er sagt: »Ich kann dich nicht länger halten, Ben. Doch es ist auch besser für dich, wenn du fortreitest, weit, sehr weit fort! Du musst selbst entscheiden, ob du weiterhin den Revolver tragen möchtest oder nicht.«

Der Rancher war einige Jahre Ben Quades Halt, denn er gab ihm, einem herumstreunenden Jungen, ein Heim, einen festen Platz und die Möglichkeit, den Lebensunterhalt zu verdienen und ein guter Cowboy zu werden.

Ein guter Cowboy aber kann mehr als nur auf Rinder aufpassen. Genauso wie zum Beispiel ein Bergmann muss ein Cowboy in vielen Berufen gut Bescheid wissen und vielseitig sein.

Ben Quade hat hier eine Menge gelernt. Er wird mit diesem Können überall bestehen können.

Der Rancher greift nach seinen Worten in den Schreibtisch und legt Geld auf den Tisch.

»Hier ist dein Monatslohn«, sagt er. »Und da ist noch eine Prämie für gute Arbeit. Du hast die letzten beiden Jahre wie ein vollwertiger Cowboy gearbeitet, doch keinen vollen Lohn erhalten. Ich zahle dir nur, was du verdient hast. Sei nur nicht zu stolz und denke, ich schenke dir jetzt was aus Mitleid. Nimm es! Und du kannst dir ein Packpferd aussuchen.«

Ben Quade steht einige Atemzüge lang unbeweglich da. Er starrt ins Leere.

Dass ihn der Rancher fortschickt, trifft ihn tief. Irgendwie bekommt sein Glaube an die Welt abermals einen Stoß. Doch schon wieder regt sich sein Stolz.

Nein, er wird nicht bitten. Er wird keine Worte verschwenden.

Er wird reiten und sich irgendwo einen neuen Platz suchen. Er ist ein guter Cowboy geworden, der sich mit seinem Können in jeder erstklassigen Mannschaft behaupten könnte. Und seit zumindest einem Jahr wurde er wirklich zu gering bezahlt. Er nimmt deshalb die hundertfünfzig Dollar, die der Rancher ihm zuschob.

»Ein Packpferd«, murmelt er, »brauche ich nicht, denn ich habe nur wenig Gepäck. Ich kann alles in einer Sattelrolle unterbringen, Sir.«

Er geht zur Tür, wendet sich dort noch einmal um.

»Diese Ranch war mir eine Heimat. Ich war gern hier.«

»Es ist besser für dich, wenn ich dich fortschicke und du tausend Meilen reitest und es noch einmal versuchst, Junge«, sagt der Rancher.

Zwanzig Minuten später verlässt Ben Quade die Ranch.

✰✰✰

Zwei Wochen später durchfurtet er den Pecos River. Sein Pferd hat unterwegs ein Eisen verloren. Auch ist sein Proviant alle.

Er reitet in einen kleinen Ort, dicht beim Fluss, durch den von der Furt her die Wagenstraße führt.

Der Schmied sagt ihm, dass er keine Zeit hätte, ihm das Pferd zu beschlagen, denn er hätte eine Menge Arbeit und keinen Gehilfen. Aber wenn Ben sein Pferd selbst beschlagen könne, so hätte er nichts dagegen, denn er müsste ohnehin mal eine kleine Pause einlegen und etwas essen.

Das Essen wird dem Schmied aus dem nahen Gasthof gebracht, und indes er auf der Veranda seines kleinen Hauses isst, sieht er zu, wie Ben bei der halb offenen Schmiede sein Pferd beschlägt.

Ben tut es sehr geschickt, denn dies gehört ebenfalls zu dem Können eines Cowboys. Obwohl sein Pferd recht kleine Hufe hat und er den Rohling ziemlich verändern muss, leistet er gute Arbeit.

Als er dann fertig ist und herüberkommt, um zu fragen, was er schuldig sei, da sagt der Schmied, nachdem er den letzten Schluck Kaffee trank: »Du hast schon in einer Schmiede gearbeitet, Junge, nicht wahr? Du warst auf einer großen Ranch, die eine eigene Schmiede hatte. Dies sah ich gleich. Mein Gehilfe lief mir vor drei Tagen fort, weil ihm die Arbeit zu hart war. Doch ich habe für die Aurora-Silbermine eine Menge Schmiedearbeit, die ich ohne Zuschläger einfach nicht schaffen kann. Ich zahle dir fünfzig Dollar im Monat, freie Kost und Logis – auch für dein Pferd. Und wenn ich mit dir zufrieden bin, bekommst du noch eine gute Prämie. Willst du?«

Ben Quade überlegt.

Er ist zwei Wochen ständig geritten. Sein Pferd braucht eine längere Rast. Und wenn er einen Monat hier bleiben und fünfzig Dollar verdienen könnte, so besäße er dann schon zweihundertfünfzig.

Das ist viel Geld jetzt nach dem Krieg. Schon für fünfhundert Dollar bekommt man eine kleine Siedlerstätte. Und das wäre ein Anfang.

Aber ist er weit genug geritten?

Er entschließt sich plötzlich.

»Wenn das Essen gut und reichlich ist«, sagt er, »will ich es versuchen. Doch Sie müssen mir einige Zeit lassen, bevor Sie von mir volle Leistung verlangen. Ich weiß genau, was Zuschlagen heißt, aber ich bin es nicht gewöhnt.«

Der Schmied nickt. »Bring dein Pferd in den Corral hinter dem Stall. Wohnen kannst du in dem Anbau dort. Da ist eine Kammer für meinen Gehilfen. Dann gehst du ins Gasthaus und lässt dir ein Essen geben. Du sagst, dass sie dir das gleiche Essen geben sollen wie für mich. Wenn du fertig bist, kannst du noch einige Stunden arbeiten. Wir arbeiten von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang.«

Ben Quade nickt. Er hat es nicht anders erwartet.

Fünfzig Dollar, das ist ein guter Lohn für einen Zuschläger und Schmiedegehilfen.

Dieser Schmied hat ein Recht darauf, seinen ganzen Einsatz zu verlangen.

✰✰✰

Am Sonntag arbeiten sie nicht. Ben geht nach dem Mittagessen zum Fluss hinunter. Er hat sein Reservehemd gewaschen und die alten Stiefel geputzt. Am Fluss sucht er sich eine lange Angelrute, macht sich die Angel fertig und sitzt bald darauf unter einem Baum in einer Bucht und angelt.

Die Fische beißen nicht, denn es ist noch früher Nachmittag. Die Sonne steht noch zu hoch, und es ist zu warm. Aber es tut Ben gut, so an einem Fluss zu sitzen und zu warten, zu schauen und die Sonne zu spüren, den Wind – und zu lauschen auf all die vielen zarten Stimmen der Natur.

Ben wendet den Kopf, als sich jemand nähert. Er erhebt sich dann rasch und bekommt einen roten Kopf.

Denn es ist das Mädchen aus dem Gasthaus, welches dort die Gäste bedient. Auch ihn hat sie jeden Tag bedient.

Sie hat ihm vom ersten Moment an gefallen, aber sie haben sich beide nur angelächelt und kaum besondere Worte gewechselt.

Sie ist noch jung, jünger bestimmt als Ben Quade. Obwohl er einen ganzen Kopf größer ist als sie, ist sie nicht klein. Er findet sie sehr hübsch und anziehend. Sie hat kupferrote Haare und grüne Augen. Ihre Nase ist etwas klein. Und ihre roten Lippen würde er gern einmal küssen.

Oh, er hat schon zwei- oder dreimal ein Mädchen geküsst. Das war zumeist nach dem Ball am Unabhängigkeitstag.

Sie kommt zu ihm hin, blickt zu ihm empor und lächelt.

»Haben Sie nichts anderes zu tun, als am Sonntag nach Fischen zu angeln?«

Sie fragt es etwas angriffslustig.

Dann setzt sie sich, und auch er nimmt wieder seinen alten Platz ein.

»Ich bin fremd hier«, sagt er. »Und ich sitze gern an einem Fluss. Die Angel ist nur ein Vorwand. Ich hoffe nicht, etwas zu fangen. Ich kenne die Leute hier nicht.«

»Mich kennen Sie«, sagt sie. »Ich bin Ann Gilbert, und ich bin mir jetzt darüber klar, dass wir beide ziemlich einsam sind hier in dieser kleinen Stadt. Und irgendwann werden wir wieder weiter müssen, nicht wahr?«

In ihren Augen ist ein seltsam ernster Ausdruck. Er begreift, dass auch sie schon eine Menge Erfahrungen machen musste, die sie reifer werden ließen, als es ihr nach Jahren zukommt.

»Nanu«, sagt er. »Sie sind nicht aus diesem Ort oder aus der Umgebung? Ich hielt Sie für ein Mädel, welches hier daheim ist, für die Tochter eines kleinen Farmers oder Siedlers, die noch etwas hinzuverdienen muss, bis die Ernten groß genug sind oder die Bankschulden bezahlt sind. Ich glaubte nicht, dass Sie allein sind wie ich.«

»Ich bin es«, erwidert sie. »Meine Mutter starb vor mehr als einem Jahr. Und wir waren auf der Durchreise. Wir gehörten zu einer Artistentruppe. Meine Mutter arbeitete mit einem Zauberkünstler. Ich aber tanzte auf dem Seil. Das wussten Sie nicht?«

»Nein«, murmelt er. »Und warum blieben Sie zurück?«

Sie zuckte mit den Schultern.

»Der Zauberkünstler wollte mich behalten, aber meine Mutter hatte ein recht erbärmliches Leben bei ihm. Ich war keine gute Seiltänzerin. Ich blieb in dieser Stadt, um im Gasthaus zu bedienen.«

»Haben Sie keinen Freund, Ann? Keinen Bräutigam, der ...« Er verstummt.

Sie aber lächelt ernst.

»Die Männer stellen mir natürlich nach. Doch ich kann sie mir vom Leib halten. Ich bin eine Art Tramp wie Sie, Ben Quade. Wissen Sie, ich habe Sie bewundert, als Sie beim Schmied durchhielten. Ich glaube, Sie sind aus dem Holz jener Männer geschnitzt, aus denen etwas wird.«

Sie sitzen nun sehr dicht beieinander und blicken sich an. Auf einmal spürt jeder von ihnen, wie einsam der andere ist. Sie sind noch so jung und waren so allein.

Es wirkt wie selbstverständlich und natürlich, dass er ihr Gesicht in beide Hände nimmt und ihren Mund küsst. Er tut es vorsichtig und zart.

»Danke«, murmelt sie dann. »Ich habe gewusst, dass du mich so auf diese Art küssen würdest – nicht anders. Ich glaube, du bist ein guter Junge. Wollen wir ein Stück am Fluss spazieren gehen?«

Er erhebt sich sofort, und er verspürt ein glückliches Gefühl.

Er nimmt Ann Gilbert bei der Hand, und dann wandern sie den Fluss entlang. Manchmal halten sie an und schauen, werfen Steine über das Wasser, und dann wieder bleiben sie stehen, um sich zu küssen.

Es wird ein guter Nachmittag für einen einsamen Jungen und für ein Mädchen, welches Zärtlichkeit spüren wollte, weil die Welt bisher so hart und kalt war, freudlos und voller gefährlicher Fallen.

Und dieser Junge hat dieses Mädchen auf eine zärtliche Art geküsst, nicht begierig. Jetzt schenkt sie ihm die ganze Zärtlichkeit und Wärme, die sie aufbringen kann.

Sie beschenken sich an diesem Nachmittag gegenseitig und fühlen sich gar nicht mehr einsam in der Welt. Sie finden in diesen Stunden die Welt recht schön und freuen sich darüber zu leben.

Es ist schon dunkel, als sie wieder die Stelle erreichen, wo Ben geangelt hat.

Ann wird zu spät kommen. Sie hatte nur den Nachmittag frei. Nun sollte sie schon längst im Gasthaus sein, um die Gäste zu bedienen. Gewiss wird sie Schelte bekommen. Doch sie macht sich nichts daraus.

Sie sieht in der Dämmerung zu Ben Quade empor.

»Wirst du lange in der Stadt bleiben?« Dies fragt sie ruhig.

Er denkt über ihre Frage nach.

»Oh, ich weiß nicht«, murmelt er, und er spürt dabei stark den Wunsch, immer bei diesem Mädchen bleiben zu können. Dann könnten sie öfter solche Spaziergänge machen, könnten einander Wärme und Glück geben. Und die ganze Welt wäre anders. Oh, es wäre schön. Ann Gilbert verkörpert alle guten Dinge, die sich ein Mann bei einem Mädchen wünscht.

»Oh, ich glaube, ich möchte dich nicht mehr verlieren«, sagt er. »Und weil ich dir nichts bieten kann, so möchte ich immer dort sein, wo auch du bist, Ann. Wir sind noch so jung. Es liegt wohl noch ein sehr weiter Weg vor uns, bevor wir ...«

Er verstummt etwas ratlos. Denn was er sagen wollte, käme wohl einem Heiratsantrag gleich.

Aber wie könnte er diesem Mädchen einen Antrag machen? Oh, es geht nicht darum, dass er und sie noch so jung sind. Hier im Westen ist es keine Seltenheit, dass man so jung schon heiratet, und es gibt nicht wenige Siedler- und Farmerfrauen, die haben in Anns Alter schon Kinder.

Ben Quade denkt also nicht so sehr daran, dass sie noch so jung sind. Es ist etwas anderes. Er erinnert sich auf einmal wieder bitter daran, dass er zwei Gegner töten musste und noch längst nicht weiß, ob er dem bitteren Ruhm entkommen konnte.

Ann sagt plötzlich: »Warum sprichst du nicht weiter, Ben? Hast du Angst, dass ich dir einen Korb geben könnte? Oh, glaub das nur nicht! Ich war noch nie so glücklich wie heute bei unserem Spaziergang. Mir ist, als würden wir uns schon viele Jahre kennen. Doch ich habe ja von Anfang an gewusst, dass du ein besonderer Junge bist und ganz bestimmt ein Mann werden wirst, der zum Salz der Erde gehört. Ben, du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Ich kann einige Jahre warten. Ich kann Geld verdienen und sparen. Und eines Tages können wir dann ...«

Nun stockt sie. Auch ihr wollen die Worte nicht mehr über die Lippen. Irgendwie spürt auch sie, dass es vermessen wäre, schon jetzt Pläne zu machen.

Ben sagt plötzlich: »Ann, ich will große Schritte machen. Ich will mir Mühe geben, es zu etwas zu bringen. Ich werde bald zweihundertfünfzig Dollar besitzen, und in zwei Jahren kann ich tausend Dollar gespart haben. Dann könnten wir es wagen, Ann.«

Sie küsst ihn unerwartet und wendet sich dann schnell ab. Sie ist sehr flink und geschmeidig und läuft ein Stück fort.

»Wir sehen uns wieder, wenn ich dir das Essen bringe! Und am kommenden Sonntag habe ich wieder am Nachmittag frei. Werden wir wieder am Fluss spazieren gehen?«

»Wenn es doch schon wieder Sonntag wäre«, entgegnet er, und er folgt ihr dann langsamer in die Stadt. Er sieht sie zwischen den ersten Häusern verschwinden.

In der Stadt sind überall schon die Lampen angezündet. Es herrscht einiger Betrieb, denn es kamen heute viele Menschen aus dem Hinterland zu ihrer Stadt am Fluss. Überall stehen Sattelpferde und Wagen von jeder Sorte.

Die Stadt erscheint Ben heute sehr freundlich, voller Wärme und Herzlichkeit. Er freut sich auf einmal, hier zu sein, Arbeit zu haben. Die schwere Arbeit macht ihm nun nichts mehr aus. Er wird an ihr seinen hageren, knochigen Körper stählen. Da er gutes und reichliches Essen erhält, wird er an Gewicht zunehmen und Muskeln bekommen, wie sie nur wenige Männer haben. Oh, er wird außergewöhnlich stark werden.

Und wenn er dann seine eigene Siedlerstätte oder Farm besitzt, wird er diese Stärke und Ausdauer einsetzen können. Ja, er wird arbeiten können wie zwei normale Männer. Das freut ihn, denn so kommt er schneller voran.

Ann Gilbert ist sein Ziel. Er will dieses zauberhafte Mädchen erringen.

Er kommt nun in die Nähe des Saloons. Es herrscht hier auf dem zur Veranda ausgebauten Plankengehsteig einiger Verkehr. Männer stehen in Gruppen beisammen, rauchen und unterhalten sich. Andere drängen hinein oder kommen heraus. Und durch diesen Betrieb schieben sich Fußgänger, die am Saloon vorbei wollen und nicht auf die staubige Fahrbahn ausweichen möchten.

An den Haltestangen und Tränketrögen stehen die Sattelpferde. Und auch hier reiten Männer fort und kommen neue Reiter herangeritten.

Einen solchen Reiter streift Ben Quade mit einem zufälligen Blick. Der Mann hat soeben sein Pferd an einen freien Platz bei den Haltebalken gelenkt, sitzt noch im Sattel und blickt prüfend über die Männergruppen vor dem Saloon.

Es hängen zwei Laternen unter dem vorgebauten Obergeschoss, und im Schein dieser beiden Laternen erkennt Ben Quade den Reiter.

Sein Schrecken ist so scharf, dass er einen körperlichen Schmerz verspürt wie von einem Lanzenstich in die Magengrube. Er hält an, als wenn er gegen eine unsichtbare Wand gerannt wäre.

Dieses Abstoppen lenkt nun die Aufmerksamkeit des Reiters auf ihn.

Sie sehen sich an. Die Entfernung zwischen ihnen beträgt etwa fünf oder sechs Schritte. Ben Quade spürt deutlich, wie der Mann ihn sofort erkennt.

Es ist jener Arty Slater, der damals bei Jesse Hackett war und der dann Lex Hackett holte und begleitete, um auch diesen sterben zu sehen. Es ist jener merkwürdige Bursche mit dem Affengesicht, der so gern einen Revolverkampf sieht und sich dann in einer Art Trancezustand befindet.

Du lieber Himmel, denkt Ben Quade.

Er wendet sich schnell um und flüchtet in die nächste Gasse. Doch schon bald hält er inne und begreift, dass diese Flucht dumm und lächerlich ist.

Er kehrt zurück und blickt um die Ecke. Da sieht er Arty Slater wieder vom Saloon fortreiten. Er folgt ihm mit seinen Blicken und sieht Arty Slater in die Einfahrt zum Hof des Mietstalls reiten.

Er will also hier übernachten, will in der Stadt bleiben, so denkt er. Und er kann sich ausrechnen, dass Arty Slater bald alles über ihn in Erfahrung bringen wird, nämlich, dass er als Schmiedegehilfe arbeitet, ohne Revolver lebt und mit einem Mädchen befreundet ist.

Und dann?

Als Ben Quade sich diese Frage stellt, erschrickt er nochmals. Denn mit einer schrecklichen Sicherheit spürt er, was Arty Slater dann tun wird.

Der Mann ist irgendwie krank und will einen Revolverkampf sehen, einen der Kämpfer sterben sehen. Und da er offenbar Bens Fährte folgte, ihn also suchte und hier fand, so wird er gewiss dafür sorgen, dass Ben wieder in die Ecke gedrängt werden wird und sein Stolz ihn abermals dazu zwingt, zum Revolver zu greifen. Dann wird er töten oder selber getötet werden.

Und Arty Slater kann wieder Zuschauer sein.

Als Ben dies alles begreift, durchfährt ihn ein kalter Schauder, und all das Glück des heutigen Tages ist verschwunden, fiel zusammen wie ein Kartenhaus. Er ist auf einmal wieder der Junge, der davor flüchtet, kämpfen zu müssen.

Auf einmal ergreift ein schrecklicher Zorn von ihm Besitz. Er beginnt zu laufen.

Als er den Hof des Mietstalles erreicht, stellt er sich hinter einen der abgestellten Wagen und wartet. Er kann durch das offene Stalltor in den erleuchteten Stall sehen und sieht, wie Arty Slater und der Stallmann das Pferd in eine noch freie Box bringen.

Wenig später kommt Arty Slater heraus. Er gehört nicht zu den Reitern, die in einem Mietstall ihr Pferd selbst versorgen. Er hat seine Sattelrolle unter dem Arm.

Ben tritt hinter dem Wagen hervor, greift ihn sich mit einem wilden Ruck und zieht ihn hinter den Wagen. Er schlägt ihn unter das Kinn und greift Slaters Revolver mit einem sicheren Griff. Er schleudert die Waffe weit hinter sich in den dunklen Hof.

Dann wartet er, bis Slater wieder bei sich ist, hält ihn an der Hemdbrust aufrecht und gegen die Wagenwand gedrückt.

Arty Slater ist einen Kopf kleiner als er, und er ist bestimmt nicht leichter. Sein Körper ist drahtig.

Doch er kämpft nicht gegen Ben Quade. Als er die Wirkung des Schlages überwunden hat, lacht er auf eine spöttische Art und schnauft dann heiser: »Nun, Ben Quade, ich nehme dir das nicht übel. Du warst gewiss sehr erschrocken, als du mich so plötzlich sahst. Lass mich jetzt endlich los. Ich will doch nichts anderes, als nur in deiner Nähe sein. Ich werde dich niemals stören, und vielleicht werde ich dir sogar dann und wann nützlich sein können. Weißt du, ich bin nicht arm. Ich habe einen recht reichen Papa, der mir jeden Monat einen Scheck schickt. Ich bin mit diesem Jesse Hackett recht gut ausgekommen. Er hat mich in seiner Nähe geduldet und so manchen Vorteil davon gehabt, wenn sein Geld einmal wieder alle war. Du bist drei Klassen besser als Jesse Hackett. Bei dir ist es noch viel aufregender, in deiner Nähe zu sein. Also lass mich dein Schatten sein.«

Solch eine ähnliche Sache hat Ben sich schon gedacht. Doch nun, da es Arty Slater so schlicht und natürlich ausspricht, erschrickt er und weiß mit Sicherheit, dass Arty Slater krank ist wie ein Trinker oder Rauschgiftsüchtiger. Arty Slater ist wie ein Pilotfisch, der stets bei einem Hai zu finden ist und diesem nicht selten die Beute zeigt.

»Du bist verrückt, richtig verrückt«, murmelt Ben Quade bitter. Er zwingt sich zur Ruhe und zur kühlen Überlegung. Er sagt langsam und eindringlich: »Slater, such dir einen anderen Mann aus. Es gibt genug Revolverschwinger, die es vielleicht sogar noch begrüßen, einen freigebigen Burschen wie dich im Schatten zu haben. Es gibt im Westen genug Schießer, die keinem Kampf ausweichen und immer wieder einen Grund finden, um einen anderen Mann herausfordern zu können. Aber ich bin nicht so. Ich möchte nicht noch einmal vor die Wahl gestellt werden, kämpfen zu müssen oder feige zu sein. Slater, lass mich zufrieden. Ich warne dich!«

»Du kannst mich nicht abschütteln«, sagt Arty Slater. »Ich will doch nichts anderes als zusehen, wie du dich machst, denn du bist anders als diese eitlen und ruhmsüchtigen Burschen. Und dabei bist du der Größte von allen, der größte Revolverkämpfer, den ich jemals sah. Du weißt es noch nicht, doch ich konnte es erkennen. Du kannst sie alle schlagen – alle, auch die ganz Großen! Du kannst deinem Schicksal nicht entkommen, Ben Quade. Und manchmal wirst du sogar Hilfe nötig haben. Was ist schon dabei, wenn ich gern sehe, wie sich ein Mann getroffen an die Brust greift? Dass ich so etwas gern sehe, geht doch nur mich etwas an. Ich bin kein Großer der Welt, der Gladiatoren für sich kämpfen lassen kann, so wie es damals war im alten Rom und an anderen Orten. Ich bin nur Arty Slater, den seine Familie fortjagte. Ich ...«

Weiter kommt er nicht, denn Ben Quade wird nun von einer schrecklichen Panik erfasst. Er schlägt beidhändig zu. Er glaubt, diesen Mann loswerden zu können, wenn er ihm eine heilige Furcht einhämmert, ihn so sehr verprügelt, dass er sich wünscht, nie wieder in Ben Quades Nähe zu kommen.

Was Ben Quade hier im Hof des Mietstalles hinter dem Wagen mit Arty Slater tut, ist nichts anderes als eine Verzweiflungstat. Er ist noch nicht so verzweifelt, dass er den Wunsch hat, Arty Slater zu töten. Doch er schlägt ihn windelweich. Und Arty Slater wehrt sich nicht einmal, versucht nur, die Schläge zu blockieren, abzumildern und sich zu decken.

Als Ben endlich keuchend aufhört, liegt Arty Slater am Boden und bewegt sich nicht. Doch er ist gewiss noch bei Besinnung.

Ben keucht zu ihm nieder: »Ich werde dir schon die Lust, in meiner Nähe herumzuschleichen und mich in Kämpfe geraten zu lassen, mithilfe meiner Fäuste nehmen. Ich werde dich immer, wenn ich dich sehe, verprügeln.«

Nach diesen Worten geht er davon.

Und er hofft, dass Arty Slater morgen nicht mehr in der Stadt sein wird.

Als er dann in seiner Kammer auf dem Bett liegt, fühlt er sich leer und ausgehöhlt vor Enttäuschung.

Der Nachmittag war so schön. Es war der schönste Nachmittag seines Lebens. Er hat sich in Ann Gilbert verliebt und war glücklich, bis er dann Arty Slater vor dem Saloon absitzen sah.

Wie soll es nur weitergehen?

Diese Frage stellt er sich immerzu. Und als er dann endlich einschläft und zu träumen beginnt, da träumt er von Jesse und Lex Hackett, mit denen er gekämpft hat und die er tötete.

Und dann träumt er von einem anderen Mann, dessen Gesicht er nicht klar erkennen kann. Er muss diesem Mann mit dem Revolver gegenübertreten.

✰✰✰

Da die letzte Postkutsche um Mitternacht abfährt, ist das Postbüro noch geöffnet. Arty Slater hat sich sorgfältig gesäubert und gewaschen, doch man sieht ihm unschwer an, dass er verprügelt wurde.

Er betritt zehn Minuten vor Abfahrt der Postkutsche das Postbüro und lässt sich Papier und einen Federhalter geben.

Er schreibt einen kurzen Brief. Eigentlich ist es außer der Anschrift nur ein einziger Satz: »Hier ist ein Junge, der besser und schneller schießt als du!«

Nur dieser eine Satz steht in diesem Brief. Doch der Empfänger ist ein Bursche von der Sorte, die nun nicht mehr ruhig schlafen kann, bis sie herausgefunden hat, ob das, was Arty Slater behauptet, auch wirklich stimmt.

Arty Slater ist Experte. Er kennt genug wilde und eitle Schießer, die keine Gelegenheit vorbeigehen lassen, um ihren Revolverruhm zu vergrößern.

Und so erweist sich Arty Slater nun völlig klar als ein Mann, der Revolverkämpfe veranstaltet. Er tut es auf eine etwas merkwürdige und bestimmt nicht gebräuchliche Art, doch er tut es.

✰✰✰

Ben Quade arbeitet an diesem Montag besonders hart.

Beim Frühstück wurde er nicht von Ann, sondern von der Wirtin selbst bedient. Er sieht Ann nur einmal durch die offene Küchentür in der Küche bei der Arbeit.

Aber zum Mittagessen bedient sie ihn. Sie tauschen einen Blick und ein Lächeln. Doch Bens Lächeln wird zum Schluss etwas verzerrt, denn er erinnert sich wieder an Arty Slater, weil er diesen wahrhaftig hereinkommen und an einem Tisch Platz nehmen sieht.

Arty Slater beobachtet ihn dann aufmerksam. Es entgeht ihm wohl auch nicht, dass Ann einmal, als sie Ben den Nachtisch und den Kaffee bringt, ihre Hand auf Bens Schulter legt und sie etwas länger dort lässt, als es normal wäre. Es entgehen ihm gewiss auch nicht Anns Blicke und ihr Lächeln. Ben ist versucht, zu Slater zu gehen, ihn aus dem Speisesaal zu stoßen und draußen nochmals zu verprügeln.

Doch an einem anderen Tisch sitzt auch der Marshal dieser Stadt. Nein, Ben kann heute nicht so, wie er will. Auch Arty Slater weiß das genau.

Es ist grausam für Ben. Er erhebt sich plötzlich, lässt den erstaunten Schmied allein am Tisch zurück und geht hinaus. Er geht wie ein Betrunkener. Und er weiß nun sicher, dass Slater nicht fortgehen wird und vielleicht schon dafür gesorgt hat, dass bald einer dieser ruhmsüchtigen Revolverschwinger angereist kommt.

In Ben Quade ist ein Gefühl der Panik. Er möchte am liebsten zum Mietstall laufen, sich auf sein Pferd schwingen und reiten, reiten, reiten.

Der Schmied kommt nun vom Mittagessen. Er sagt nichts, betrachtet seinen Gehilfen nur merkwürdig.

Sie beginnen wortlos mit der Arbeit. Doch es wird ein böser Nachmittag und Abend für Ben. Er muss immerzu daran denken, wie lange es wohl dauern wird, bis ein Revolverheld auftauchen und ihn zu einem Kampf zwingen wird. Eine Woche – zwei Wochen? Wie lange darf er noch in dieser Stadt leben? Ist es ihm vergönnt, noch einmal mit Ann an einem Sonntagnachmittag am Fluss spazieren gehen zu können?

✰✰✰

Es ist ihm vergönnt, denn Arty Slater verschwand am nächsten Tag aus der Stadt, und er ließ in Ben Quade tausend Hoffnungen und Zweifel zurück.

Und am Sonntag nach dem Mittagessen sitzt Ben Quade wieder am Fluss. Er braucht nicht sehr lange zu warten, dann kommt Ann. Ihr Gesicht ist etwas gerötet, und ihre grünen Augen leuchten.

Sie küssen sich. Als sie sich danach ansehen, murmelt Ben: »Noch nie schien mir eine Woche so lang. Ich glaubte fast, sie würde kein Ende nehmen. Aber was hätten wir getan, wenn es heute in Strömen geregnet hätte?«

Da lächelt sie.

»Wir wären im Regen spazieren gegangen«, spricht sie und nimmt seine Hand.

Sie wandern nun am Fluss entlang, und der Tag ist warm. Die Welt ist schön. Ben Quade vergisst eine Weile Arty Slater und alle Probleme.

Sie wandern weit an diesem Nachmittag, weiter als es ihnen die kurzen Stunden erlauben. Doch ihre Zweisamkeit lässt sie alles vergessen. Die Welt ist zu schön für sie, und sie wünschen sich, dass es immer so bleiben könnte.

Als sie dann das Donnern vernehmen, ist es längst zu spät. Das Gewitter bricht los, bevor sie einen schützenden Unterschlupf finden können. Der niedergehende Wolkenbruch durchnässt sie binnen weniger Sekunden. Es ist genauso, als wenn sie in den Fluss gesprungen wären.

Doch auf ihrem Spaziergang sind sie an einer kleinen Fischerhütte vorbeigekommen. Als sie die Hütte erreichen, sind sie zwar nass bis auf die Haut, doch sie haben nun einen schützenden Ort gefunden.

Das Unwetter tobt mit unheimlicher Macht und Wildheit. Die Temperatur fällt stark. Manchmal fallen die Hagelkörner so groß wie Taubeneier hernieder.

Selbst in der Hütte wird es kalt.

Es gibt einen kleinen Herd. In der Holzkiste daneben ist noch genügend Holz. Als Ben Quade das Feuer angezündet hat, beginnt Ann schlimm zu niesen.

»Du musst dich ausziehen, Ann«, sagt er zu ihr. »Du musst deine nassen Kleider ausziehen und am Ofen trocknen.«

»Ja, das will ich tun«, sagt sie, und sie blickt ihn im Halbdunkel des Raumes, das nur manchmal von den Blitzen erhellt wird, forschend und prüfend an.

»Du brauchst keine Angst zu haben, Ann«, sagt er. »Bei mir bist du sicher. Ich liebe dich, und ich werde niemals etwas tun, was du nicht haben möchtest.«

»Das ist es ja«, sagt sie zitternd. »Ich liebe dich auch. Ich habe dich doch vom ersten Augenblick an geliebt. O Ben, wir sind noch so jung, doch ...«

✰✰✰

Es ist schon Mitternacht, als sie die Stadt erreichen. Sie sind sehr schweigsam, doch es ist ein tiefes Verstehen und Einverständnis zwischen ihnen. Sie gehören nun so fest zusammen, wie zwei Menschen nur zusammengehören können. Es ist alles völlig klar zwischen ihnen.

Ann wird noch etwa ein Jahr lang mitverdienen. Dann hoffen sie, genügend Geld zu besitzen, um auf einer Siedlerstätte anfangen zu können. Sie wissen, dass dies vor ihnen schon Tausende Paare, wie sie eins sind, gemacht haben. Und sie glauben, dass auch sie es in einigen Jahren schaffen können, aus den Schulden herauszukommen.

Dann vergehen vier Tage, und dreimal jeden Tag kann er Ann Gilbert sehen. Fast immer bedient sie ihn, wenn er mit dem Schmied zum Essen hinüber ins Gasthaus geht.

Dem Schmied und auch der Wirtin entgeht natürlich nicht, wie sich die beiden jungen Menschen ansehen. Doch sie sagen nichts, beobachten nur, nicht ohne Teilnahme und mit verborgenem Vergnügen.

Aber nach dem Mittagessen des vierten Tages und genau elf Tage nach Arty Slaters erstem Auftauchen ist für Ben Quade alles aus und vorbei.