G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 64 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 64 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

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G.F. Unger ist der erfolgreichste deutschsprachige Western-Autor. Mit einer Rekordauflage von über 250 Millionen Exemplaren gehört er zur internationalen Spitzenklasse der Spannungsliteratur. Und das zu Recht!

Niemand vermag es wie er, die unermesslichen Weiten des amerikanischen Westens und die Stärke der unerschrockenen Männer, die sie erschlossen, zu beschreiben. Erleben Sie den amerikanischen "Wilden Westen", wie nur G.F. Unger ihn schildern kann: hart, authentisch, leidenschaftlich.

Dieser Sammelband enthält die Folgen 2539 bis 2541:

2539: Die Rechtlosen
2540: Ein Mann kommt geritten
2541: River Lady

Der Inhalt dieses Sammelbands entspricht ca. 192 Taschenbuchseiten.
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Seitenzahl: 454

Veröffentlichungsjahr: 2024

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G. F. Unger
G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 64

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben

Für die Originalausgaben:

Copyright © 2021 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Vervielfältigungen dieses Werkes für das Text- und Data-Mining bleiben vorbehalten.

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2024 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Covermotiv: © Faba/Norma

ISBN: 978-3-7517-6436-0

https://www.bastei.de

https://www.sinclair.de

https://www.luebbe.de

https://www.lesejury.de

G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 64

Cover

Titel

Impressum

Inhalt

G. F. Unger Western-Bestseller 2539

Quinncannon

G. F. Unger Western-Bestseller 2540

Der Sergeant

G. F. Unger Western-Bestseller 2541

Fünf staubige Wagen

Guide

Start Reading

Contents

Quinncannon

John Cheshum sieht eine Weile zu, wie die Herde zu beiden Seiten des Baches zur Ruhe kommt – fünftausend Longhorns aus Texas, die er seit eineinhalb Jahren nach Norden treibt. Vor einem Jahr noch hatte er dieses Treiben für eine großartige Idee gehalten. Doch jetzt ist er nicht mehr so sicher. Jetzt ist überhaupt eine Menge anders als vor einem Jahr.

Er unterbricht seine Gedanken und blickt nach Osten. Dort, kaum mehr als eine Reitstunde entfernt, liegt Laramie. Und in Laramie kann er alles bekommen – Feuerwasser, Spiel und auch das Vergnügen mit ein paar leichtlebigen Frauen.

Damals, als er Jennifer heiratete, ihr versprach, die Herde nach Wyoming zu treiben und dort ein mächtiges Stück Weide zu besetzen, hatte er geglaubt, dass er dieses leichte Leben nie mehr vermissen würde.

Wyoming ist bis hinauf nach Montana frei. Die Indianer wurden bis auf wenige kleine Banden geschlagen. John Cheshum hat es fertiggebracht, eine der ersten Longhorn-Herden nach Wyoming zu treiben. Und er ist stolz darauf. Nun kann er sich die beste Weide aussuchen, und er weiß, wo sie zu finden ist.

Er war lange genug in diesem Land. Er kennt sich aus bis hinauf nach Montana, bis an die Nordgrenze. Damals ritt und kämpfte er noch mit Jim Quinncannon, und sie waren mehr als nur Partner. Sie waren Freunde. Aber dann ...

Die Erinnerung steigt plötzlich wieder heiß und mächtig in John Cheshum auf. Er will sich aber nicht mehr an Jim Quinncannon erinnern, nicht mehr an das, was damals war.

Er wendet den Kopf, als Rico Shalacko herangeritten kommt.

»Ein paar Jungs wollen Urlaub nach Laramie haben«, sagt Rico Shalacko. »Und unser Pfannenschwenker braucht ein paar Dinge. Soll ich auslosen lassen, wer nach Laramie darf? Es ist die letzte Stadt, nicht wahr?«

John Cheshum betrachtet Rico Shalacko. Er weiß, wie sehr dieser Vormann Jennifer ergeben ist. Shalacko war der Vormann und Freund von Jennifers Vater daheim in Texas. Für Jennifer war er stets eine Art Onkel.

Rico Shalackos Alter ist unbestimmbar. Wahrscheinlich ist er um die vierzig, aber er ist noch immer geschmeidig. Sein Vater ist Mexikaner, doch von seiner irischen Mutter erbte er die roten Haare. Er trägt zwei Revolver, und John Cheshum fragt sich manchmal, ob dieser Rico sein Freund oder sein Feind ist.

Auf jeden Fall wird er mein Feind sein, wenn Jennifer durch mich Kummer bekommen sollte, denkt John Cheshum.

Er sagt: »Laramie ist nicht die letzte Stadt. Weiter im Norden, am Fuße der Medicine-Bow-Kette, ist Medicine Bow. Dort gibt es noch einmal Urlaub für die Männer. Nach Laramie reite ich allein. Ich bringe mit, was dem Koch fehlt.«

Rico Shalackos dunkle Augen, die zu seinem roten Haar einen unerwarteten Kontrast bilden, werden schmal.

»Du bist zu hart zu deinen Reitern, John«, murmelt er.

John Cheshum grinst. »Hart? Ich weiß nur, was für uns alle gut ist. Rinder sind in Wyoming so knapp wie Engel in der Hölle. Mit Rindern kann man Weide besetzen, Land in Besitz nehmen. Und es ist leicht, eine Herde so in Stampede zu versetzen, dass sie sich in viele kleine Rudel teilt. Nein, niemand außer mir geht nach Laramie. Basta!«

Nach diesen Worten reitet er davon.

Er blickt nur kurz zu den Wagen, bei denen auch Jennifer zu erkennen ist. Sie späht zu ihm her. Er winkt nur einmal lässig. Dann reitet er über die nächste Bodenwelle und ist verschwunden. Er lässt seine Frau, die Herde und Rico mitsamt der Mannschaft hinter sich.

Und er ist unterwegs nach Laramie. Vor etwa zwei Jahren war er zum letzten Mal dort.

Damals entkam er mit knapper Not den Indianern, er, sechs Wagen mit Büffelhäuten und die sechs Abhäuter und Fahrer.

Jim Quinncannon war nicht mehr bei ihnen gewesen. Er war draußen auf der Laramie-Prärie geblieben.

✰✰✰

Es ist längst Nacht, als er Laramie erreicht. Er kannte es schon, als es nur ein Handelsposten war, später dann ein Fort der Armee.

Man sieht auch immer noch, dass Laramie ein Fort im Büffel- und Indianerland war, ein Vorposten, und später eine wichtige Station für den Bahnbau wurde. Damals, als der Schienenstrang sich von Cheyenne her näherte, war Laramie höllisch wild und turbulent.

Aber jetzt ist es nicht viel anders.

Auch jetzt ist Laramie voll von Abenteurern, die aus den verschiedensten Gründen hier sind.

Als John Cheshum den Medicine Road Saloon erreicht, hält er an und betrachtet die lange Straßenfront.

Heiliger Rauch, hat sich diese Bude herausgemacht, denkt er, lenkt sein Pferd an die Haltestange und schiebt sich bald durch eine der Schwingtüren.

Einen Moment denkt er an seine Frau Jennifer, die draußen im Herdencamp bei der Mannschaft blieb. Er spürt ein bitteres Bedauern, und er fühlt, wie Scham in ihm aufsteigen will.

Er kommt sich wie ein gemeiner Verräter vor. Plötzlich denkt er auch wieder an Jim Quinncannon.

Nun wird ihm heiß.

Er drängt zur Bar. Hier stehen die durstigen Gäste in drei Reihen. Aber John Cheshum ist ein Mann, der Beachtung findet. Er drängt sich rücksichtslos durch die Menge und schafft sich Platz mit seinen Schultern.

Er schlägt die brettharte Hand auf den Schanktisch, und einer der viel beschäftigten Barmänner sieht ihn an.

»Komm her, Charly«, sagt er, »ich bin wieder da! Komm her, und gieß mir meine Sorte ein!«

Der Barmann kommt sofort. Er lässt alles andere stehen und liegen!

»Buffalo-John«, sagt er. »Wir alle hier in Laramie fragten uns oft, was aus Ihnen wurde. Natürlich haben wir noch die Sorte, die Sie und Jim Quinncannon immer tranken. Echter Bourbon-Whiskey aus Kentucky! Da ist es, dieses Göttergetränk!«

Er holt eine Flasche hervor und schenkt ein, während er redet. Er ist ein erfahrener Barmann, ein Menschenkenner, und seine klugen Augen betrachten John Cheshum genau.

Wahrscheinlich erkennt er etwas von der Unruhe in John Cheshum und begreift instinktiv, dass dieser nach Laramie kam, um sich zu betrinken und etwas zu vergessen.

Und weil er ihm vielleicht helfen will, sagt er, sich dabei weit über den Schanktisch beugend: »Jim Quinncannon soll damals davongekommen sein. Man erzählt sich, dass er am Leben blieb. Manchmal kamen Männer nach Laramie, die ihm begegnet sind – oben in Montana und drüben in Oregon. Ruhelos soll er herumgezogen sein. Hat er vielleicht nach Ihnen, seinem alten Freund und Partner, gesucht? Hat er Sie vielleicht nicht finden können?«

Der Barmann Charly beobachtet John Cheshum genau.

Doch er kann nichts in Cheshums Gesicht erkennen.

Cheshum trinkt, verlangt ein zweites Glas und trinkt es abermals in einem Zug aus.

Als Charly ihm zum dritten Male das Glas füllt, sagt John Cheshum schwer: »Ich glaube nicht daran, dass Jim Quinncannon noch lebt. Ich sah ihn mit eigenen Augen in der Büffelstampede umkommen. Es muss ein Doppelgänger sein, den man gesehen hat.«

Dann trinkt er das dritte Glas, wirft ein Geldstück auf den Tisch und drängt sich wieder durch die Reihen.

Er will nicht immerzu an Jim Quinncannon denken.

Er glaubt wirklich nicht, dass Jim noch lebt.

Niemals! Wenn hunderttausend Büffel in Stampede geraten, dann gibt es draußen auf der freien Prärie für einen Mann ohne Pferd einfach keine Chance.

Jim Quinncannon kann nicht mehr am Leben sein.

John Cheshum drängt sich durch das Durcheinander der Gäste und gelangt bald schon in die ruhigeren Spielräume.

Er kauft für zwanzig Dollar Spielchips, isst dann kaltes Bratfleisch, Brot, Eier, Gurken und allerlei andere Dinge durcheinander, füllt seinen hungrigen Magen und spült mit ein paar weiteren Whiskeys nach.

Nun fühlt er sich schon besser.

Er tritt an einen Roulette-Tisch und setzt zehn Dollar auf die Nummer Sieben. Er tut es auf eine herausfordernde Art und weiß, dass ihn Gewinn oder Verlust innerlich unberührt lassen würden.

Seine Nummer gewinnt jedoch, und er bekommt den fünfunddreißigfachen Einsatz.

Da grinst er nur und steigert seine Herausforderung um genau diesen fünfunddreißigfachen Betrag. Er lässt die dreihundertfünfzig Dollar auf der Nummer Sieben stehen.

Er wartet lässig und denkt: Zum Teufel, was macht es schon aus, ob ich gewinne oder verliere? Was ändert das schon an mir?

Wahrhaftig, es ist ihm völlig gleich. Aber die Sieben kommt nochmals. Das bedeutet, dass er zwölftausendzweihundertfünfzig Dollar gewonnen hat.

Er grinst wieder, lässt sich zwölf Tausender-Chips geben und schenkt den Rest dem Spielpersonal.

Dann drängt er aus dem Spielraum hinüber in die Tanzhalle.

»Kommt her, Honeys! Kommt zu mir, Honeybees! Ich bin der goldene Bulle in diesem Corral!«, ruft er den Mädchen zu.

Es sind fünfzehn Tanzmädchen, und er kauft fünfzehn Zehnerkarten, sodass er alle Mädchen zehn Tänze lang für sich hat.

Den männlichen Gästen, die darüber maulen, ruft er zu, dass sie auf seine Kosten an der Bar trinken sollen.

Er knallt die zwölf Tausend-Dollar-Chips auf den Tisch.

»Diese Dinger machen wir klein, richtig klein!«

Dann beginnt das wilde Fest.

Es wird so wie damals, wenn Quinncannon und er von der Büffeljagd heimkehrten, mit einer durstigen Abhäutemannschaft und einem Wagenzug, der unter der schweren Last von Büffelhäuten ächzte und stöhnte.

Ja, dann feierten sie ein Fest wie dieses hier.

Sie waren wilde Burschen, die von erfolgreicher Büffeljagd heimkehrten und noch ihre Skalps besaßen.

John Cheshum feiert ein wildes Fest wie damals.

Nur Quinncannon ist nicht mehr dabei.

Doch John Cheshum ist bald viel zu betrunken, um an den einstigen Freund und Partner zu denken.

Er findet endlich das Vergessen, nach dem er sich monatelang sehnte.

✰✰✰

Wäre John Cheshum ein namenloser Fremder, so hätte man ihn am nächsten Morgen gewiss irgendwo in einer Seitengasse gefunden – ausgenommen und gerupft wie ein Huhn.

Doch man konnte sich noch gut an Buffalo-John erinnern.

So kommt es, dass er am nächsten Morgen nicht ausgenommen in einer Gasse, sondern auf dem Tisch eines Hinterzimmers erwacht.

Seit etwa zehn Minuten ist er auch nicht mehr allein.

Ein Mann kam herein.

Dieser Mann betrachtet ihn lange. Er ist ein großer Mann, nicht kleiner als John Cheshum, nur dunkler, viel dunkler, mit merkwürdig hellgrauen Augen.

Dieser Mann wendet sich nach einer Weile an den schwarzen Saloonaufseher, der zu dieser frühen Tageszeit mit einem Gehilfen allein in diesem Reich der Sünden herrscht.

Er wirft ihm ein Goldstück zu und sagt: »Verschaffe uns ein gutes Frühstück mit zwei Litern schwarzen Kaffee. Wenn du schnell machst, kannst du den Rest behalten.«

Er hat noch nicht ausgesprochen, als der Schwarze schon fort ist.

Der Mann wendet sich wieder dem schnarchenden John Cheshum zu und betrachtet ihn abermals.

So betäubt Cheshum nach seiner wilden Nacht auch sein mag, irgendwie muss er die Blicke des anderen spüren. Sein Schlaf wird unruhiger, und er wirft sich so auf dem Tisch herum, dass er seinem Betrachter den Rücken zuwendet.

Aber John Cheshum unterbricht nur sein Schnarchen für einen Moment und lässt einen drohenden Fluch hören, der wohl bedeuten soll, dass er nicht gestört werden möchte.

Da ruft der Fremde scharf: »Indianer! Stampede! Büffelstampede!«

John Cheshum fährt hoch wie von einem Skorpion gestochen. Dabei stößt er einen heiseren Schrei aus, tastet um sich – und hält dann inne, jäh erkennend, dass er sich nicht irgendwo draußen in der Wildnis in einem Camp, sondern im Hinterzimmer des Medicine Road Saloons befindet.

Er rutscht vom Tisch, wendet sich dem Fremden zu – und da erschrickt er so sehr, dass es ihn zurückstößt wie von einem Pferdehuf getreten. Er rammt mit den breiten Schultern gegen die Wand. Nun kann er nicht mehr weiter zurückweichen.

John Cheshum hebt abwehrend beide Hände.

»Nein – nein! Du bist es doch nicht!«, ruft er heiser.

Der Fremde sagt nichts, steht nur ruhig da und betrachtet ihn.

John Cheshum bekommt sich unter Kontrolle. Sein Schrecken schwindet schnell. Er holt schnaufend Luft und sagt mit heiserer Stimme: »Wie bist du damals davongekommen, Jim?«

Jim Quinncannon lässt ihn noch eine Weile auf Antwort warten. Dann beginnt er leise zu sprechen.

»Wir waren auf Büffeljagd. Im Schutz einer Bodenwelle näherten wir uns der Westflanke einer Herde. Es war die letzte große Büffelherde – die allerletzte. Im Schutz der Bodenwelle banden wir unsere Pferde an. Wir nahmen unsere Sharps-Büffelflinten und krochen hinauf zum Rand der Bodenwelle.

Die Büffel standen gut für uns. Wir begannen zu schießen. Erst nachdem wir schon ein gutes Dutzend Tiere abgeschossen hatten, wurde die Herde unruhig. Doch nicht wegen uns. Im Osten war etwas, was sie erschreckte und in immer größere Unruhe versetzte. Es war ein Feuer, ein Präriefeuer. Mit einem Mal brach die Riesenherde aus. Stampede! Der Boden bebte. Und sie raste auf uns los! Nur auf dem Rücken unserer Pferde gab es ein Entkommen. Ohne Pferd hatte ein Mensch nicht mehr Chancen als ein Schneeball in der Hölle. War es so, Johnny? War es so?«

Die Frage kommt nicht scharf, aber es scheint die Verachtung der ganzen Welt darin zu liegen.

John Cheshum lehnt noch an der Wand. Er kann nicht sprechen, nur nicken.

Jim Quinncannon grinst freudlos. In seinen Augen leuchtet eine unversöhnliche Härte.

»Wir rannten los«, sagt er. »Bis zu unseren Pferden waren es etwa dreißig Sprünge. Ich hatte es etwas weiter als du, denn ich war auf dem Kamm der Bodenwelle nach rechts ausgewichen. Ich hatte es also weiter zu den Pferden als du. Überdies trat ich bald in das Loch eines Präriehundes und fiel der Länge nach hin. Inzwischen waren auch unsere Pferde halb verrückt geworden. Sie hatten längst gespürt, dass da – nur noch durch eine Bodenwelle verdeckt – eine Büffelstampede auf sie losgestürmt kam. Dein Pferd riss sich los und sauste davon. Wir hatten nur noch mein Pferd. Vielleicht hätte das Tier uns beide in Sicherheit bringen können, obwohl wir zusammen vier Zentner wiegen. Doch du wolltest dieses Risiko nicht eingehen und nahmst mein Pferd. Du warfst dich mit einem Comanchen-Sprung in den Sattel, nachdem du zuvor mit einem Messer die Zügelenden vom Busch geschnitten hattest. Und dann jagtest du auf meinem Pferd davon, ohne dich noch einmal umzusehen – und überließest mich meinem Schicksal.

Als ich mich umblickte, kamen die Büffel über den Kamm der Bodenwelle, einer donnernden, schnaubenden, alles zerstampfenden Lawine gleich. Mein Freund und Partner hatte mir mein Pferd gestohlen, war fortgeritten, ließ mich in der Not allein. Johnny, das war vor zwei Jahren, nicht wahr? Wie hast du dich die ganze Zeit danach gefühlt? Konntest du überhaupt schlafen? Konntest du in einen Spiegel sehen? Wie konntest du leben? Hast du die Texasherde den langen Weg heraufgetrieben, um endlich mal etwas zu tun, was einen Mann mit Stolz erfüllen kann? Wolltest du etwas vollbringen, was nicht erbärmlich ist?

Oha, ich weiß schon seit einigen Wochen, dass du mit einer Treibherde unterwegs nach Norden bist. Ich habe dich vorher überall gesucht und suchen lassen. Sogar in Montana und Oregon war ich. Dass du nach Süden gegangen warst, bekam ich erst viel später heraus. Ich habe dich hier erwartet. Als man mir meldete, dass du im Medicine Road Saloon ein wildes Fest feiern würdest, da wusste ich, dass du hergekommen warst, um dich zu betäuben, um vergessen zu können. Und ich machte mich auf den Weg zu dir.

Nun werden wir abrechnen, nicht wahr? Abrechnen – nicht nur über den Verrat an deinem Freund und Partner. Du schuldest mir außerdem noch einige materielle Dinge – Geld, viel Geld! Und du musst reich sein. Wie ich hörte, sollst du in dieser wilden Nacht hier zehn-tausend Dollar verjubelt haben. Du hast sämtliche Gäste des Saloons freigehalten und ...«

Er verstummt, denn der Schwarze bringt auf einem Tablett das Frühstück. Er setzt es auf den Tisch und fragt hoffnungsvoll: »War es schnell genug, Sir?«

Jim Quinncannon nickt.

»Schnell genug. Jetzt lass uns allein! Und mach die Tür zu!«

Er setzt sich an den Tisch und beginnt den Kaffee zu probieren. Zufrieden nickt er und sagt: »Das ist stark genug, um einen Toten zu erwecken. Komm, Johnny, mein Freund, und schütte dir was davon in den Hals. Dann wirst du dich vielleicht etwas besser fühlen und darüber nachdenken können, wie du dir unsere Abrechnung vorstellst.«

Er beachtet John Cheshum scheinbar gar nicht mehr, sondern beschäftigt sich mit dem Frühstück. Außer dem Kaffee gibt es Brot und reichlich Schinken mit Eiern. Es ist genug für zwei hungrige Männer.

Doch John Cheshum hat nicht den geringsten Appetit. Er stößt sich nach einer Weile von der Wand ab, schlurft zum Tisch und lässt sich Jim Quinncannon gegenüber nieder. Er vermeidet es, ihn anzusehen, trinkt jedoch gierig den starken Kaffee.

Er spürt eine tiefe Resignation.

Schon jetzt weiß er, dass alles umsonst war, was er tat, um vergessen zu können. Und so wird es immer sein.

Jim Quinncannon fragt kauend, wobei er ihn scharf betrachtet: »Du bist inzwischen verheiratet, wie ich hörte? Deine Frau soll eine Schönheit sein. Einer meiner Spione, der zu euch ans Feuer kam, sich als Tramp ausgab und um eine Mahlzeit bat, hat sie mir genau beschrieben. Für sie bist du bestimmt ein mächtig großer, beachtenswerter Bursche. Eine Herde von Texas bis nach Wyoming treiben, ho, das ist schon etwas! Das kann nur ein besonderer Mann. Und das wolltest du ihr wohl beweisen, nicht wahr? Weiß deine Frau eigentlich, was für ein besonderer Schuft du bist?«

In dieser letzten Frage liegt nur Verachtung.

John Cheshum zuckt zusammen. Unter seiner braunen Haut ist er bleich, und diese Blässe kommt nicht nur von seinem Kater nach der wilden Nacht im Saloon.

Seine Lippen zittern. Einen Moment hat es den Anschein, als wollte er aufspringen, den Tisch zur Seite fegen und den einstigen Freund angreifen.

Er weiß jedoch schon seit vielen, vielen Monaten – und seit der vergangenen Nacht –, dass er sein Schuldgefühl nicht durch Wutausbrüche und nicht durch Ausschweifungen loswerden kann.

Der starke Kaffee tut seine Wirkung und hilft ihm, die Nachwehen der vergangenen Nacht und den Schock zu überwinden.

Er hebt seine Hände, zeigt Jim Quinncannon die Handflächen, als hielte dieser einen Revolver auf ihn gerichtet.

Heiser sagt er: »Na schön, ich bin ein Schuft. Ich versagte, verlor die Nerven, bekam Angst. Und wenn du mich einen Schuft nennst, kann ich dir das nicht verdenken. Es gibt einfach keine Entschuldigung für das, was ich tat. Ich weiß es genau. Tausend Mal sagte ich mir das alles selbst. Die beiden letzten Jahre waren die Hölle für mich. Als ich damals Jennifer kennenlernte, als wir herausfanden, dass wir uns liebten, und dann schnell heirateten, da glaubte ich, alles vergessen zu können. Ich besaß die Liebe einer Frau, der keine andere das Wasser reichen konnte. Aber ...«

Er verstummt müde.

»Es hielt nicht lange an«, murmelt er. »Das Glück mit Jennifer konnte nur für kurze Zeit die Hölle in mir betäuben. Auch die Aufgabe, die ich mir stellte, konnte mir nicht dabei helfen, mein Selbst wiederzufinden. Jim, ich habe es tausend Mal zutiefst bereut und abgebüßt. Meine Frau glaubt, ich liebe sie nicht mehr. Meine Tat von damals steht zwischen ihr und mir wie eine unsichtbare Wand. Nach einem kurzen Glück und Vergessen durch sie und ihre Liebe wurde alles nur noch schlimmer. Ich kann ihr doch nicht sagen, was auf mir lastet und mich einsam macht, einsam, verschlossen und ...«

Er verstummt hilflos. Sein flackernder Blick richtet sich auf Jim Quinncannon.

»Was soll ich denn tun?«, fragt er heiser. »Soll ich mir vor deinen Augen eine Kugel durch den Kopf schießen? Oder soll ich mich überall hinstellen und laut verkünden, dass ich gemein an dir handelte, als ich auf dem einzigen Pferd davonritt und dich dem sicheren Tod überließ? Ah, wieso lebst du denn? Wie konntest du es schaffen, von der Stampede nicht überrannt zu werden?«

Er starrt mit geweiteten Augen auf Jim Quinncannon.

In seinen Augen flackert außer dem Staunen auch etwas Hoffnung. Wahrscheinlich erscheint ihm seine Handlungsweise nicht mehr ganz so schlimm, da er sich nicht mehr für den Tod des früheren Freundes verantwortlich fühlen muss.

Er wischt sich über die Augen.

Jim Quinncannons dunkles Indianergesicht bleibt unbeweglich. Nur ein schiefes Lächeln ist auf seinen Lippen, ein kaltes, unversöhnliches Lächeln.

»Ich schwang mich auf den ersten Büffelbullen«, sagt er, »und klammerte mich auf ihm fest wie eine Rinderzecke. Er war so in Panik, dass er noch schneller lief und ständig an der Spitze der Herde blieb. Er versuchte nicht, mich abzuwerfen. Er rannte, als säße ihm der Teufel im Nacken. Nach zwei Meilen kamen wir an einigen Felsen vorbei, an denen sich die Herde teilte. Es gelang mir, vom Rücken des Büffelbullen bis hinter die Felsen zu springen. Ich war gerettet. Zwei Tage später erreichte ich unser Camp. Ihr hattet es abgebrochen. Du, unsere Abhäutemannschaft und die sechs Wagen waren fort. Ich machte mich zu Fuß auf den Weg. Unterwegs bekam ich mit einem Rudel Oglalas Verdruss. Sie konnten mich verwunden. Als ich zwei Wochen später nach Laramie kam, warst du schon längst verschwunden – einfach fort. John, du bist mir noch eine Menge Geld schuldig. In einem unserer Wagen hatten wir im doppelten Boden unsere Ersparnisse. Überdies hast du sechs schwere Wagenladungen Büffelhäute verkauft. Wie viel bist du mir schuldig, Johnny, mein guter, alter Freund?«

In seinen Worten war ein beißender Hohn.

John Cheshum wünscht sich, er hätte in der vergangenen Nacht den hohen Spielgewinn nicht sinnlos verjubelt. Dann könnte er Jim Quinncannon jetzt auszahlen.

Er wischt sich wieder über das Gesicht. Seine Finger zittern leicht.

»Heiliger Rauch«, sagt er, »ich bin dir etwa zwölftausend Dollar schuldig, Jim, und es ist eine Laune des Schicksals, dass ich diese Summe gestern Abend noch besaß – und sie dann in der wilden Nacht verprasste, weil – aaah, mir war alles so egal! Ich wollte nichts anderes als einige Stunden lang vergessen. Jetzt ist alles fort. Wie gewonnen so zerronnen. Jim, ich steckte unser ganzes Geld in die Herde. Etwas Geld gab mir mein Schwiegervater als Jennifers Mitgift. Auch die Rinder verkaufte er mir günstig. Er ist ein großer Rancher daheim in Texas. Doch er hat vier Söhne. Für mich war dort kein Platz. So ging ich mit meiner Herde auf den Trail, um mir in Wyoming, das ich so gut kenne, ein Stück Weide ...«

Er bricht wieder ab. Er glaubt, dass er nicht mehr in der Lage ist, irgendwelche Pläne für die Zukunft zu machen.

Plötzlich hat er eine Idee: »Ich werde Rinder verkaufen«, verspricht er. »Man zahlt hier gewiss an die zwanzig Dollar für jedes Tier. Ich werde ...«

Wieder bricht er ab, denn er sieht in Jim Quinncannons hellen Augen das kalte Funkeln.

»Ja, was soll ich denn tun?«, fragt er. »Willst du einen Revolverkampf mit mir? Den kannst du haben. Ich gebe dir auch in dieser Hinsicht Genugtuung. Du kannst alles haben, Jim, wenn du mir nur vergeben kannst.«

»Vergeben?«, fragt Quinncannon sarkastisch. »Würdest du mir vergeben, Johnny? Für welchen Preis kauftest du in Texas die Rinder ein?«

»Fünf Dollar«, murmelt Cheshum.

Da grinst Jim Quinncannon. »Wir sind immer noch Partner«, sagt er. »Und du hast gute Arbeit geleistet, Partner. Ich war durch deine Schuld eine Weile verhindert, meinen Anteil an der Arbeit übernehmen zu können. Doch nun sind wir wieder beisammen. Es war eine gute Idee, eine große Herde nach Wyoming zu bringen. Das war gut und schlau gemacht, Johnny. Jetzt sind wir wieder als Partner beisammen. Was dir gehört, gehört auch mir. Nur deine Frau gehört dir allein. Nun?«

John Cheshum sitzt mit gesenktem Kopf eine Weile da. Man hört sein Atmen.

»Und diesmal machen wir unseren Partnerschaftsvertrag schriftlich«, spricht Jim Quinncannon weiter. »Oder möchtest du nicht?«

John Cheshum sieht ihn lange an.

»Ich habe alles schon hundert Mal bereut«, murmelt er. »Und glaube mir, dass ich alles tue, um gutzumachen, was ich dir antat. Ich bin so froh, dass du am Leben geblieben ist. Wenn du willst, überlasse ich dir die ganze Herde und verlange nichts dafür, nur deine Vergebung.«

Jim Quinncannon schüttelt langsam den Kopf.

»Ich will nur meinen Anteil als Partner«, antwortet er.

✰✰✰

Als sie Laramie verlassen, haben sie jeder einen schweren Sack quer vor sich über den Schenkeln. In den beiden Säcken befinden sich die Dinge, die der Koch so dringend benötigt.

Jim Quinncannon reitet einen hageren, narbigen grauen Wallach, der ein indianisches Brandzeichen trägt. Er trägt seinen Revolver links. Es ist eine alte, abgenutzt wirkende Waffe. Im Sattelschuh hat er ein gutes Winchestergewehr.

Wer die beiden Männer so nebeneinander reiten sieht, wüsste nicht auf Anhieb zu sagen, wen von ihnen er als beachtlicher einstufen würde. Sie wirken beide beachtenswert, und man traut ihnen zu, dass sie gemeinsam die schwersten Aufgaben meistern könnten.

Sie sprechen kein Wort miteinander. Als sie die Hälfte des Weges zurückgelegt haben, kommt ihnen Rico Shalacko entgegengaloppiert. Er reißt erst dicht vor ihnen sein geschecktes Pferd zurück. Fragen stellt er nicht. Seine schwarzen Augen, die zu seinem roten Haar einen seltsamen Kontrast bilden, prüfen jedoch scharf.

»Das ist Shalacko«, murmelt John Cheshum. »Er ist mein Vormann – äh, unser Vormann. Er kannte meine Frau schon als Kind. Manchmal glaube ich, dass mein Schwiegervater ihm befohlen hat, mit uns zu reiten, um Jenny zu beschützen. Rico Shalacko gehört zur Familie. Rico, dies ist mein Partner Jim Quinncannon. Bis gestern glaubte ich noch, er wäre tot. Da er aber lebt, besteht unsere Partnerschaft immer noch. Ihm gehört die halbe Herde. Er ist dein Boss, wie ich es bin.«

Rico Shalacko betrachtet Jim Quinncannon hart, misstrauisch und lauernd. Nach einer Weile nickt er leicht.

»Na gut«, sagt er. »Und wessen Sack soll ich nun zu mir auf mein Pferd nehmen?«

»Meinen«, sagt Quinncannon.

Rico Shalacko wirft einen überraschten Blick auf John Cheshum. Doch dieser sagt nichts, sondern lässt sein Pferd wieder in einen ruhigen Trab springen.

Als Shalacko von Quinncannon den Sack übernimmt, fragt er plötzlich kehlig: »Und warum waren Sie für ihn tot, Mister?«

»Frag ihn doch«, erwidert Quinncannon.

Shalacko folgt ihnen nachdenklich.

Eine Stunde später gelangen sie an den Rand der weiten Senke, in der die Herde seit gestern rastet. Sie reiten auf das Camp zu. Es befindet sich unter einem Halbkreis von Bäumen am Rande des Creeks.

Da die Herde wegen John Cheshums Fernbleiben heute nicht auf den Trail ging, wusch Jennifer eine Menge Wäsche. Sie hat Leinen gespannt und ist dabei, einen ihrer Unterröcke aufzuhängen. Sie hört erst auf, als John Cheshum und der dunkle Fremde absitzen und sich ihr zu Fuß nähern.

»Verzeih mir, Jenny, dass ich so lange ausblieb«, murmelt John Cheshum. »Dies ist mein Partner Jim Quinncannon. Ich erzählte dir nichts von ihm, weil ich ihn für tot hielt. Ich glaubte zwei Jahre lang, er sei in einer Büffelstampede umgekommen. Die Hälfte unserer Herde gehört nun ihm. Aaah, es ist eine lange Geschichte. Ich werde sie dir erzählen – heute am Abend vielleicht, wenn du willst.«

Sie sieht ihn forschend an. Sie war bis vor wenigen Sekunden innerlich verletzt. Man merkt es ihr an. Nun aber beginnt sie mit dem feinen Instinkt einer Frau zu ahnen, dass das, was John Cheshum ihr erzählen will, vielleicht eine Menge erklären wird.

Sie nickt plötzlich. »Wenn du willst«, erwidert sie. »Ich werde dich nicht drängen, mir etwas zu erzählen. Du warst in den vergangenen Monaten sehr einsam, John. Du wurdest mir immer fremder. War es wegen deines Freundes Quinncannon?«

Sie sieht Quinncannon an, und dieser erwidert fest und ruhig ihren forschenden Blick.

Sie erkennt, dass sie ihm gefällt. Doch daran ist sie gewöhnt.

Er aber wird sich in diesen Minuten darüber klar, dass er noch niemals in seinem Leben einer Frau begegnet ist, die ihm auf den ersten Blick so gefiel wie Jennifer Cheshum.

Sie hat rabenschwarzes Haar und die blauesten Augen, die er jemals sah.

Sie sagt etwas steif: »Wie schön, dass dein Partner, den du für tot gehalten hast, am Leben ist. Aber es kommt etwas überraschend für mich. Du hast nie mit einem Wort ...«

Sie verstummt. Man merkt ihr an, dass sie John Cheshum keine Vorwürfe machen will.

Sie reicht Jim Quinncannon die Hand.

Wahrscheinlich spürt Jennifer die kalte Unversöhnlichkeit in dem Partner ihres Mannes. Dass sie ihm die Hand hinhält, soll vielleicht eine impulsive Geste des Friedens sein.

Jim zögert.

Doch dann nimmt er ihre Hand, berührt sie jedoch nur flüchtig und verbeugt sich leicht.

»Ich freue mich sehr, die Frau meines Partners kennenzulernen«, sagt er. »Es tut mir leid, dass ich hier sozusagen einbreche, doch es ist nicht meine Schuld, dass Johnny mich für tot hielt. Jenny, ich verspreche Ihnen, dass wir unsere Partnerschaft lösen werden, sobald dies für mich ohne Schaden möglich ist.«

Nach diesen Worten wendet er sich ab und geht langsam davon.

John Cheshum bleibt bei Jennifer stehen und betrachtet sie seltsam.

Sie erwidert abwartend seinen Blick, doch er spürt eine Bereitschaft und ein Entgegenkommen in ihr. Er begreift, dass sie immer noch seine Frau ist, auf deren Verständnis er bauen kann.

Er schluckt schwer.

»Was ich dir erzählen werde«, murmelt er, »wird dir wenig gefallen. Wahrscheinlich wirst du mich verachten. Doch zugleich wirst du verstehen können, was zwischen uns stand und mich so einsam machte. Glaub mir, Jenny, es war die Hölle! Jetzt ist sie nicht mehr ganz so schlimm. Jim Quinncannon, den ich für tot hielt – tot durch mein Versagen! –, lebt! Oh, ich würde ihm alles geben, was wir besitzen! Aber er ist fair. Er will nur seinen Anteil. Verzeih mir, Jenny, dass ich dir alles verschwieg, dass ich ein Geheimnis vor dir hatte. Es hätte gewiss auch unsere Ehe zerbrochen. Ich bin jetzt froh, dass alles so kam.«

Sie nickt, und der Blick ihrer Augen macht ihm Mut.

Dann wendet er sich ab, folgt Jim Quinncannon durch das Camp, holt ihn ein und beginnt, ihm die Reiter vorzustellen.

Die Reiter nehmen zumeist schweigend zur Kenntnis, dass ihr Boss so plötzlich einen Partner hat. Sie betrachten Jim Quinncannon abschätzend, und sie kennen sich aus mit harten Männern, da sie selbst hartbeinige und verwegene Burschen sind.

San Saba ist es dann, der fast herausfordernd die glasklare Frage stellt: »Na gut, Boss, du hast also plötzlich einen Partner. Aber wer von euch gibt die Befehle? Es kann doch nur einen Boss geben – oder?«

Alle Männer, die das hörten, heben ihre Köpfe und warten aufmerksam.

John Cheshum schweigt.

Dafür sagt Jim Quinncannon: »Ich gebe jetzt die Befehle.«

Nach diesen Worten geht er zu seinem Pferd, sitzt auf und reitet aus dem Camp. Alle blicken ihm schweigend nach.

Dann richten die Männer im Camp ihre Blicke auf John Cheshum, den sie auf dem langen Trail als Boss respektieren lernten und der bisher als Treibherdenführer keinen Fehler machte.

»Na gut«, sagt San Saba laut. »Unser Boss hat von Texas herauf eine Menge guter Arbeit vollbracht. Warum soll sein Partner ihm nicht den Rest abnehmen? Das ist doch nur fair.«

John Cheshum wendet sich ab. Er geht zum Küchenwagen hinüber und lässt sich vom Koch eine Tasse Kaffee geben. Zu all dem Durcheinander von Gefühlen kommt jetzt noch hinzu: John Cheshum fühlt sich ausgeschaltet, einfach zur Seite geschoben.

Aber er steht zu sehr in Jim Quinncannons Schuld.

Rico Shalacko kommt zu ihm ans Feuer, lässt sich ebenfalls einen Zinnbecher voll Kaffee geben und betrachtet ihn von der Seite, während er hörbar das heiße Gebräu schlürft.

»War er schon immer dein Boss – oder gibt es etwas, was dich zwingt, ihm zu gehorchen wie ein Hund?«, fragt Rico Shalacko geradezu, wie es seine Art ist.

John Cheshum will aufbegehren. Doch er beherrscht sich und murmelt: »Du täuschst dich, Rico. Er löst mich ab, weil ich genug getan habe und mich nun meiner Frau mehr widmen kann. Rico, such nicht nach etwas, was nicht ist.«

»Johnny, komm zu mir«, sagt Jennifer am Abend leise. Bald darauf sitzen sie beieinander auf der obersten Treppenstufe. Die Wagenplane berührt rechts und links ihre Schultern.

»Erzähl mir alles«, sagt sie. »Ich glaube, dass du dich danach besser fühlen wirst. Johnny, ich bin deine Frau, und wenn du dich auch immer weiter von mir entfernt hast und wir fast wie Fremde wurden, so haben wir doch damals aus Liebe geheiratet. Johnny, gib uns eine Chance.«

Er nickt. Er spürt Jennifers Nähe wie früher. Ihre Schultern und Hüften berühren sich. Seit Monaten war er ihr nicht mehr so nahe.

Plötzlich beginnt er zu sprechen, Und er berichtet alles ohne jede Schonung für sich selbst.

Er endet mit den Worten: »So war das also, Jenny! Ich war ganz plötzlich feige und voller Furcht. Ich ließ meinen Freund in einer hoffnungslosen Situation im Stich. Es ist ein Wunder, dass er mit dem Leben davonkam. Nun weißt du, mit was für einem Schuft du verheiratet bist, Jenny. Vielleicht werde ich auch dich eines Tages in Not und Gefahr zurücklassen und nur an die Rettung meines Lebens denken. Ich habe diese Herde nach Wyoming getrieben, um mir zu beweisen, dass ich kein Feigling, sondern ein Mann bin, der ...«

Er bricht resigniert ab.

Aber Jennifer versteht ihn trotzdem. Sie sitzt lange bewegungslos da. Dann wendet sie sich ihm zu und legt ihre Hände um seinen Oberarm.

»Johnny, kein Mensch ist vollkommen«, sagt sie. »Gewiss, du hast versagt. Du bist davongelaufen. Danach hast du die Hölle auf Erden gehabt. Zum Glück ist alles gut gegangen. Dein Partner Quinncannon lebt! Johnny, ich weiß, du wirst nie wieder fortlaufen. Küss mich, Johnny. Ich bin deine Frau. Ich liebe dich. Alles ist gut. Du stehst vor einem neuen Anfang. Glaub es mir. Küss mich, Johnny.«

Er nimmt sie in seine Arme. Es ist wieder so wie damals, als sie sich begegnet waren und erkannten, dass sie sich lieben.

✰✰✰

Am nächsten Morgen – die Sonne ist noch tief hinter den Laramie Mountains im Osten verborgen – bricht die Herde auf.

Jim Quinncannon lässt Rico Shalacko gewähren, denn der Vormann versteht seine Arbeit und hat die Mannschaft, die aus harten und stolzen Burschen besteht, fest in der Hand. Das zeigte sich schon, als sich die Reiter nach dem Weckruf aus ihren Decken erhoben und alles in Gang kam.

Später, als die Sonne hoch steht und die Herde in geordneter Formation nach Norden zieht, hält Jim Quinncannon auf einem Hügel und betrachtet alles mit scharfen Augen.

Unbeweglich sitzt er auf seinem großen, narbigen Wallach.

Seine Augen überblicken die Herde, prüfen und schätzen. Er beobachtet die Treiber und richtet sein Interesse eine Weile auf die Pferderemuda, die von zwei Mexikanern getrieben wird. Es sind weit mehr als hundert Tiere.

Zuletzt schaut er auf die beiden Wagen. Jennifer und John reiten dort neben Jennifers Wagen, der von dem Gehilfen des Kochs gefahren wird.

Sein Gesichtsausdruck ändert sich nicht, als das Paar sich trennt. John Cheshum reitet der Herde voraus, wahrscheinlich, um den Weg nach Norden zu erkunden und sich auf der Laramie-Prärie umzusehen.

Jennifer kommt den Hügel heraufgeritten, hält ihr Pferd an und sieht Quinncannon fest in die Augen.

»Ich weiß jetzt alles«, sagt sie. »Und ich liebe meinen Mann immer noch. Weil ich zu ihm gehöre, stehen wir tief in Ihrer Schuld, Jim Quinncannon. Wir werden unsere Schuld bezahlen, so gut wir können. Ich möchte Sie nur um eines bitten, Jim.«

Er sieht sie schweigend an.

»Seien Sie nobel und fair zu Johnny«, sagt sie. »Verzeihen Sie ihm sein Versagen. Geben Sie ihm eine Chance!«

»Sie sind schön und begehrenswert, Jenny«, murmelt er nach einer Weile. »Ich sah noch keine Frau wie Sie. Was hatte Johnny wieder mal für Glück! Sind Sie sicher, dass Sie ihn noch lieben? Oder ist es Mitleid, weil er Sie nach diesem Schock braucht?«

Jennifer betrachtet ihn starr, ein Schrecken ist in ihren Augen.

»Du lieber Gott«, sagt sie plötzlich, »Sie hassen ihn ja noch immer, Quinncannon! Sie hassen ihn und werden ihn vernichten, sobald Sie ihn nicht mehr brauchen. Das spüre ich, wenn ich Sie ansehe. Quinncannon, wie hart Sie sind!«

Er lächelt.

»Sie sind wirklich schön und begehrenswert, Jenny, und Sie gehören einem Schuft. Ich glaube nicht, dass Sie ihn lieben.«

Da starrt sie ihn erschreckt an.

»Ja, Sie hassen ihn und sind unversöhnlich«, murmelt sie. »Jim, ich glaube fast, dass ich mit Ihnen mehr Mitleid haben muss als mit John.«

Dann reitet sie den Hang hinunter.

✰✰✰

Viele Tage reihen sich aneinander.

Sie treiben die Herde über die Laramie-Prärie an der Ostseite der Medicine-Bow-Kette entlang, schwenken dahinter nach Westen ein und erreichen den North Platte.

Rico Shalacko, der vorausgeritten ist, um die Furt über den Fluss auszukundschaften, kommt mit der Nachricht zurück, dass am Fluss eine üble Bande lagert, die offensichtlich die Furt besetzt hält.

Jim Quinncannon bespricht sich nicht mit John Cheshum, wie man es vielleicht unter Partnern erwartet hätte. Er sammelt ein Dutzend der Treiber, wendet sich an John Cheshum und sagt: »Ich nehme Shalacko mit. Du bleibst hier bei der Herde. Ihr habt in der Munitionskiste Sprengpatronen. Nimm zwei oder drei und wirf sie hinter die Herde, sobald du bei der Furt Schüsse hörst. Ich will, dass die Herde in Stampede ausbricht und durch die Furt rast. Hast du mich verstanden, Johnny?«

John Cheshum nickt.

»Du brauchst keine Angst zu haben, die Rinder in Stampede zu versetzen«, fügt Quinncannon hinzu. »Ich werde im Sattel sitzen, und mit mir auch die anderen Reiter. Also los, Jungs!«

Seine letzten Worte gelten Rico Shalacko und dem Dutzend Texaner.

Sie reiten dicht geschlossen der Herde voraus.

Genau in der Flussmitte werden sie erwartet.

Es ist wirklich eine üble Bande.

Das sind Strolche, Geächtete, Renegaten, Deserteure der Armee und einige Indianer, die schon lange nicht mehr bei ihren Stämmen leben.

Der ganze Abschaum eines wilden Landes, der dem eisernen Besen der Armee entkommen konnte, ist hier versammelt.

Jim Quinncannon scheint gar nicht darauf zu achten, ob Rico Shalacko und das Dutzend Texaner ihm folgen. Er reitet weit genug vor und hält erst an, als er nahe genug ist, um sich im Plauderton mit den Anführern der Bande unterhalten zu können.

Es sind zwei Anführer. Einer sitzt wie ein ehemaliger Kavallerist im Sattel, ist also mit ziemlicher Sicherheit ein Deserteur. Der andere ist ein waschechter Sioux.

Jim Quinncannon sieht die beiden Anführer an, schenkt ihnen ein kaltes Lächeln und fragt: »Was soll's denn sein, Gentlemen?«

Sie grinsen, als wüssten sie den Scherz, sie Gentlemen zu nennen, wohl zu schätzen und als erfreuten sie sich daran.

»Haltet die Herde an!«, sagt der Indianer in einem erstklassigen Englisch, das er nicht im Umgang mit weißen Händlern oder Jägern, sondern eher auf einer Missionsschule gelernt hat. »Ihr kommt nur durch den Platte, wenn ihr einen angemessenen Zoll entrichtet. Wir werden für jedes Rind einen Dollar nehmen. Überdies wollen wir in euren beiden Wagen nachsehen. Einige Dinge könnt ihr sicherlich entbehren. Wir sind keine Unmenschen und werden uns schon mit euch einigen.«

Jim Quinncannon nickt. »Sicher, wir werden uns ganz bestimmt einigen. Auf die gute, alte, einzig mögliche Art!«

Und dann hat Jim Quinncannon plötzlich seinen Revolver in der Linken. Wie durch Zauberei taucht er darin auf.

Mit den zwei ersten Schüssen holt er die beiden Anführer aus den Sätteln. Als er den dritten Schuss abgibt, schießt Shalacko schon mit. Und einen Sekundenbruchteil später feuern auch die Texaner.

Sie schlagen die Banditen, die sich in ihrer Übermacht sicher fühlten, um jene wichtige Zeitspanne, auf die es ankommt.

Nicht viele von den Banditen kommen zum Schuss. Ihre Pferde werden unruhig, denn die Texaner halten unheimlich dazwischen. Die getroffenen Tiere werfen die Reiter ab, keilen aus und machen mit ihrem grellen Gewieher alle anderen Pferde verrückt.

Schon bald befindet sich die ganze Bande in wilder Flucht.

Jim Quinncannon folgt ihnen mit seinen Männern. Sie laden im Reiten die Waffen auf. Als sie drüben hinter den fliehenden Banditen auf festen Boden kommen, sind ihre Revolver wieder geladen. Einige der Banditen, die anhalten, sich stellen und kämpfen wollen, bekommen es abermals. Die Bande flüchtet weiter. Sie hält nicht mal in ihrem Camp an.

Inzwischen hat hinter der Herde John Cheshum genau das getan, was Jim Quinncannon von ihm verlangte. Hinter der Herde, die bereits dicht am Fluss ist, gehen nun jäh zwei Sprengpatronen los. Diese unerwarteten Kracher wirken auf die Longhorns wie Blitzschläge. Die Rinder nehmen ihre Schwänze hoch, senken ihre gehörnten Schädel und stürmen los. Da die Herde genau auf die Furt ausgerichtet ist, steht der Stampede nichts im Weg, was ihr schaden könnte.

Es ist ein wildes, gewaltiges Bild, beeindruckend in seiner entfesselten Kraft und Schönheit.

Fünftausend Longhorns stürmen brüllend durch die flache Furt.

Die Herde lässt den Erdboden erzittern, rast über das armselige Camp der Bande hinweg und zerstampft alles, was dort an Habseligkeiten herumliegt.

Jim Quinncannon gibt seinen Männern den Befehl, sich um die Herde zu verteilen. Er selbst reitet mit Rico Shalacko vor den Leitstieren dahin – immer nach Westen.

Hier, im Süden der Sweetwater-Kette, öffnet sich ein fruchtbares Grasland. Diese Hochtäler gehen ineinander über und ziehen sich quer durch die Rocky Mountains bis zum Green River Basin.

Quinncannon führt mit Rico Shalackos Hilfe die Herde.

Und John Cheshum geht Quinncannon möglichst aus dem Weg. Wenn er nicht weit voraus das Land erkundet oder zurückbleibt, um herauszufinden, ob ihnen jemand folgt, sucht er die Gesellschaft seiner Frau.

Ihre Ehe, die zu zerbrechen drohte, gewann wieder festen Grund.

John Cheshums Resignation, von Quinncannon in den Hintergrund gedrängt worden zu sein, schwindet allmählich.

Eines Tages reitet er der Herde wieder weit voraus. Als er einen tiefen Bergsattel überquert hat, gelangt er an den Rand eines weiten Tales, das schon fast eine Ebene ist.

In der warmen Wyomingluft kann er über das ganze, wohl an die fünfzig Meilen weite und fast kreisrunde Tal spähen. Er sieht die Waldstücke, die vielen Wasserläufe, zwei oder drei Seen, schützende Hügelketten und tiefe Bergeinschnitte, in denen es gewiss Schutz vor den Winterstürmen und Schneefällen geben wird.

Nach diesem langen Rundblick weiß er, dass er die Weide gefunden hat, die er sich erträumte.

Tief atmet er ein, wischt sich über das Gesicht und spürt eine glückliche Erregung.

Hier ist sein Ziel.

Morgen wird er sich von Quinncannon trennen. Er ist dazu fest entschlossen.

✰✰✰

Es ist schon dunkel, als er das Herdencamp erreicht.

Jennifer begrüßt ihn mit einem Lächeln und sagt: »Ich habe noch nicht gegessen, John. Ich hole es für uns beide.«

Im Schein der Laterne betrachtet er sie, beobachtet ihre geschickten Bewegungen. Noch bevor sie zu essen beginnen, sagt er: »Ich habe gefunden, was ich finden wollte. Hinter jenem Bergsattel liegt ein wunderschönes weites Tal. Dort wollen wir bleiben, Jenny. Es ist August. Ich habe noch etwa zwei Monate Zeit, um für dich das Haus zu bauen. Morgen, Jenny, wirst du es sehen. Wir können der Herde voraus zu jenem Bergsattel reiten. Ich glaube, es wird dir gefallen.«

»Was wird ihr gefallen?«, fragt Jim Quinncannon, während er um den Wagen herumkommt. Er tritt bis an den Rand des Laternenscheines, sodass er das Paar beobachten kann, selbst aber noch im Schatten bleibt.

»Ich fand meine Weide«, sagt John Cheshum. »Sobald wir über den Bergsattel da im Westen gezogen sind, teilen wir alles, was wir haben, und trennen uns. Oder hast du etwas dagegen?«

Es ist eine klare Frage.

Er kann Jim Quinncannon in der Dunkelheit nicht deutlich genug erkennen. Doch er glaubt, dass Quinncannons Blick mehr auf Jennifer gerichtet ist als auf ihn. Nach einer Weile hört er Quinncannon sagen: »Na schön! Dann teilen wir also. Rico! Hoi, Rico Shalacko!«

Er hat es kaum gerufen, da taucht Rico Shalacko auf, und es ist völlig klar, dass er in der Nähe war.

»Du brauchst nicht herumzuschleichen, Rico«, sagt Quinncannon. »Frag die Mannschaft, wer für mich reiten will. Morgen trennen Cheshum und ich uns für immer. Frag die Jungs, ob sie für ihn oder für mich reiten wollen.«

»Und wenn sie alle für dich reiten wollen, Quinncannon – was dann?«, fragt Rico Shalacko.

»Dann hat Cheshum Pech gehabt«, erwidert Quinncannon rau. »Ganz alleine würde er nicht bleiben, nicht wahr? Auf jeden Fall hätte er immer noch dich. Du würdest bei ihm bleiben bis in die Hölle und zurück. Wegen Jennifer würdest du das tun. Ich glaube, du träumst sogar von ihr.«

»Halt dein verdammtes Maul, Quinncannon!«, murmelt Shalacko. »Ich habe deine Befehle ausgeführt, weil mein Boss Cheshum es so wollte. Aber du musst nicht glauben, Quinncannon, dass du für mich der liebe Gott bist. Ich mag dich nicht. Von Anfang an mochte ich dich nicht, damit du es nur weißt.«

»Na schön«, erwidert Quinncannon. »Und was nun? Willst du Streit, Rico? Hast du vielleicht getrunken, dass du dich so großartig fühlst?«

Rico Shalacko erwidert nichts. Er wendet sich langsam ab und verschwindet um den Wagen herum.

Bald darauf hört man seine Stimme rufen: »Alle mal herhören! Es gibt ein paar Neuigkeiten. Ihr müsst euch entscheiden, ob ihr für Jim Quinncannon oder für den Mann reiten wollt, mit dem ihr von Texas den langen Weg heraufgekommen seid. Ich habe eure Namen hier in meinem Notizbuch, und ich rufe euch einzeln auf. Ihr sagt mir dann, für wen ihr ab morgen reitet. Also, ich fange an. San Saba!«

»Ich bin immer für John Cheshum geritten und werde es auch weiterhin tun!«

»Pete Dancer!«

»Cheshum ist mein Boss!«

»Cole Mannen!«

»Cheshum – für Cheshum.«

»Pecos!«

Bevor Pecos antworten kann, mischt sich Jim Quinncannon ein.

»Rico, hör auf mit diesem Quatsch! He, Jungs, gibt es denn jemanden unter euch, der für mich reiten will? Der soll es sagen! Und wenn keiner unter euch ist, dann ist es auch nicht schlimm. Ich komme auch allein zurecht. Also, wer reitet morgen, wenn wir die Herde und die Ausrüstung teilen, für mich?«

Er muss eine Weile warten. Dann melden sich nacheinander zwei Stimmen. Der erste Mann sagt: »Ich, Ringo Slater.«

»Und ich, Shorty Wellmann.«

Quinncannon tritt um den Wagen herum an das große Campfeuer. Die Reiter betrachten ihn aufmerksam.

Sie sehen ihm keine Enttäuschung an. Im Gegenteil, er grinst.

Shorty Wellmann sagt plötzlich herausfordernd: »Tate Jacks hat Herdenwache. Er wird ebenfalls für Quinncannon reiten. Tate bleibt mit mir zusammen.«

»Na gut«, sagt Quinncannon in die entstehende Stille. »Drei Mann von vierundzwanzig.«

Er wendet sich ab, geht wieder um den Wagen herum und tritt zu John Cheshum an den Tisch. Dort beugt er sich etwas vor und murmelt:

»Johnny, nur drei aus der Mannschaft werden für mich reiten. Sie halten dir wahrhaftig die Treue. Aber wenn sie wüssten ...«

Er verstummt gedehnt, und es war eine kalte Wut in seiner Stimme. »Wenn sie wüssten, was für ein Schuft du bist, Johnny, würden sie dich alle verlassen«, fährt er dann fort.

»Sag es ihnen doch«, erwidert John Cheshum. »Oder soll ich vor sie hintreten und es ihnen erzählen? Ich würde es tun. Du brauchst mich nicht zu schonen. Ich will keine Gnade von dir.«

»Ich erwies dir schon eine«, erwidert Jim Quinncannon. »Ich schoss dich damals nicht aus dem Sattel meines Pferdes. Ich erwies dir schon eine besondere Gnade, Freund Johnny. Und auch jetzt lasse ich dich noch immer am Leben.«

Damit wendet er sich ab, geht zu seinem Pferd und reitet bald darauf in die Nacht.

»Er ist dein Feind«, sagt Jennifer, »dein unversöhnlicher Feind.«

»Wer kann ihm das verdenken«, erwidert John Cheshum. »Was hätte ich wohl an seiner Stelle gemacht? Jenny, ich stehe tief in seiner Schuld.«

✰✰✰

Am nächsten Morgen bricht die Herde auf.

Und am Nachmittag treiben sie die Rinder über den Bergsattel in das große Tal.

Am folgenden Tag teilen sie die Herde, die Ausrüstung und denn Proviant. Jim Quinncannons drei Reiter laden alles auf vier Packpferde.

John Cheshums Mannschaft hilft den vier Männern, die für sie viel zu große Herde weiter nach Westen zu treiben. John Cheshum teilte auch sein gesamtes Bargeld mit Jim Quinncannon. Es waren fast zweitausend Dollar, die auf Jim Quinncannon kamen.

Nach drei Tagen kommen die Männer zurück, die Jim Quinncannon geholfen hatten, die Hälfte der Rinderherde abzutreiben, San Saba geht zu John Cheshum, um Bericht zu erstatten. Er sagt:

»Dort im Westen ist ein größerer Creek, etwa fünfundzwanzig Meilen von hier. Er durchfließt das Tal von Süd nach Nord und teilt es in fast gleich große Hälften. Quinncannon lässt dir sagen, Boss, dass dieser Creek eure Grenze sei. Da er mit drei Reitern seine Herde nicht weiter nach Westen treiben könne, werde er im Tal bleiben. Die Hälfte sei groß genug für jeden von euch.«

»Hat er sonst nichts gesagt?«, fragt Jennifer,

»Nein.« San Saba schüttelt den Kopf, »Aber er grinste kalt, als er mir sagte, dass er im Tal bleiben würde.«

John und Jennifer Cheshum sehen sich an.

»Nun, das Tal ist groß genug für ein volles Dutzend Rancher«, murmelt John Cheshum. »Eine bessere Weide gibt es nirgendwo. Warum sollte er also nicht bleiben? Er wäre ein Narr, wenn er weiterziehen würde.«

Jennifer blickt starr nach Westen.

Sie sagt nichts.

✰✰✰

Wochen und Monate vergehen. Es wird Winter.

Von Laramie und Medicine Bow kommen die Menschen in Scharen in das Land. Sie kommen mit Wagenzügen, Rinderherden und Schafen. Tausende von Schafen kommen von Nebraska herüber.

Zwischen der Medicine-Bow-Kette und dem Green River entstehen in diesen Monaten die Siedlungen Rawlins und Rock Springs.

Eines Tages werden es wichtige Städte sein. John Cheshum und seine Mannschaft leisten in diesen Monaten harte Arbeit. Sie bauen eine Ranch, und sie errichten sie von Anfang an fest, solide und großzügig.

Mehrmals schickt John Cheshum einen Wagen nach Medicine Bow und einmal sogar bis nach Laramie.

Aber auch Jim Quinncannon in der anderen Talhälfte ist nicht untätig. Er bringt innerhalb von sechs Wochen eine Mannschaft von mehr als einem Dutzend Männern zusammen. Es sind hartbeinige Burschen, zum Teil sogar üble Pilger, die für ihn reiten. Wahrscheinlich kann er keine anderen Männer bekommen. Doch so eine Mannschaft hält zusammen wie Pech und Schwefel, denn allein ist jeder von ihnen ein Verfolgter, ein Geächteter und vielleicht schon bald Verlorener.

Gemeinsam aber sind sie eine Macht und geben sich gegenseitig Schutz.

Das ist vielleicht der große Trick von Jim Quinncannon.

Auch er verfügt bald über einen Wagen und lässt allerlei Dinge aus Medicine Bow heranschaffen. Dass die Männer, die er wegschickt und denen er Geld mitgeben muss, mit den gewünschten Dingen zu ihm zurückkommen, ist nur ein Zeichen dafür, dass ihnen die sichere Zuflucht wichtiger ist als ein kurzer Triumph.

So geht also alles seinen Gang im Green Grass Valley, wie sie das mächtige Tal nennen. Den Creek nennen sie Valley Creek.

Noch vor Weihnachten kommen einige Siedler ins Green Grass Valley. Sie lassen sich im Norden des Tales in den nach Süden zu geöffneten Bergfalten nieder, offensichtlich bemüht, den Rinderzüchtern nicht im Wege zu stehen.

Aber weil der Winter hart ist, stehlen sie schon bald Rinder für ihre Kochtöpfe.

An einem kalten Januartag macht John Cheshum sich mit Rico Shalacko und San Saba auf den Weg. Der Schnee war nach vorübergehendem Tauwetter schnell wieder gefroren. Sie reiten wie über das Eis eines Sees. Die Hufe der Pferde sinken kaum ein.

Überall auf den weiten Flächen sind die Rinder verschwunden. Doch sie stehen in den Waldstücken und den tiefen Bergfalten. Dort finden sie Schutz und Futter.

Dennoch ist es John Cheshum und dessen Männern längst klar, dass sie von Glück sagen können, wenn ihre Rinder ohne große Verluste durch den Winter kommen.

Im nächsten Herbst wird man überall auf der Weide große Heuvorräte anlegen müssen, denn die Herde wird sich vermehren. Ein noch kälterer und härterer Winter als dieser könnte zu einer Katastrophe führen.

Daran denkt John Cheshum, während sie nach Norden reiten. Rico Shalacko führt sie zu einer Rinderfährte. Es handelt sich um zwei Rinder, die jemand aus einem Waldstück trieb. Die Fährte führt in eine Bergfalte und endet hinter einer jämmerlichen Hütte, neben der ein Planwagen steht. In einem kleinen Corral sind zwei Maultiere.

Der Siedler, dessen Frau und drei Söhne im Alter von zehn bis fünfzehn Jahren stehen vor der Hütte und starren auf die drei Reiter.

John Cheshum sagt nichts. Er nickt nur San Saba zu, der um die Hütte reitet und nach einer Weile wieder zurückkommt.

»Zwei junge Stiere«, sagt San Saba trocken. »Keine Kühe wenigstens. Das Fleisch hängt an einem Baum. Die Häute sind unter dem Brennholz verborgen gewesen. Klarer Fall.«

Ja, es ist ein klarer Fall.

Eine hungernde Siedlerfamilie hat zwei Rinder gestohlen und sofort geschlachtet.

John Cheshum blickt den Mann an. Er sieht einen hageren, schon etwas krummen und schiefen Burschen, hohlwangig und angefüllt mit der Bitterkeit jener Glücklosen, die es längst aufgegeben haben, sich Hoffnungen zu machen, dass es eines Tages auf dieser Erde besser für sie sein würde.

»Warum gleich zwei?«

Der Siedler zuckt mit den Schultern.

»Ich wusste von Anfang an, wie gefährlich es war, und ich wollte es nur einmal und nie wieder tun. Deshalb wollte ich bei diesem einen Mal gleich genug Fleisch. Es sollte reichen bis zum Frühsommer. Mister, wir standen vor der Wahl, unser weniges Saatgut aufzuessen oder Fleisch zu stehlen. Als wir herkamen, hatten wir gehofft, etwas Wild erlegen zu können. Doch ...«

Er verstummt und bewegt nur resigniert seine Schultern.

Seine Frau sagt schrill: »Bitte, tun Sie uns nichts! Was machen schon zwei junge Stiere für Sie aus, Sir. Sobald wir können, werden wir Ihnen den Schaden ersetzen. Bitte, geben Sie uns eine Chance.«

»Ach, er gibt uns keine«, sagt ihr Mahn heiser. »Diese Rinderleute sind alle gleich. Soll er doch mit mir machen, was er will!«

In den letzten Worten liegt seine ganze bittere Resignation.

John Cheshum sieht die Frau an.

Sie ist abgearbeitet und müde. Eine Frau, die wie ein Mann arbeiten und darüber hinaus noch drei Kinder gebären musste.

Er sieht die drei Knaben an. Sie sind trotzig. Sie schämen sich, dass ihr Vater ein jämmerlicher und glückloser Wicht ist, dass sie alles erdulden und hinnehmen müssen.

Sie wünschen sich gewiss, groß und erwachsen zu sein.

John Cheshum spürt auch die Blicke von Rico Shalacko und San Saba. Diese beiden Männer sind harte Rinderleute. Dort, wo sie herkommen, gibt es keine Gnade für Rinder- und Pferdediebe.

John Cheshum nickt dem Mann zu.

»Wie ist dein Name?«

»Everett, Paul Everett.«

John Cheshum nickt. »Ich kaufe im kommenden Herbst hundert Tonnen Heu von dir, Everett«, sagt er. »Diese hundert Tonnen Heu sollen dort gestapelt werden, wo du die beiden Rinder aus dem Wald jagtest. Ich bin bereit, im Frühjahr einen Vorschuss von fünfzig Dollar zu zahlen.«

Er wendet sein Pferd, hält jedoch noch einmal an und spricht über die Schulter: »Die Rinder, die ihr mir im Verlauf des Jahres aufesst, verrechnen wir im Herbst.«

Dann reitet er davon.

Er lässt eine staunende Siedlerfamilie zurück.

Seine beiden Reiter folgen ihm schweigend.

»Ob das richtig war ...«, beginnt San Saba.

»... wird sich noch herausstellen«, unterbricht ihn Rico und vollendet zugleich San Sabas angefangenen Satz.

John Cheshum hält wieder an, blickt zurück und sieht die Siedler immer noch bewegungslos vor der Hütte verharren.