G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 66 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 66 E-Book

G. F. Unger

0,0
4,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

3 spannende Westernromane lesen und sparen!

G.F. Unger ist der erfolgreichste deutschsprachige Western-Autor. Mit einer Rekordauflage von über 250 Millionen Exemplaren gehört er zur internationalen Spitzenklasse der Spannungsliteratur. Und das zu Recht!

Niemand vermag es wie er, die unermesslichen Weiten des amerikanischen Westens und die Stärke der unerschrockenen Männer, die sie erschlossen, zu beschreiben. Erleben Sie den amerikanischen "Wilden Westen", wie nur G.F. Unger ihn schildern kann: hart, authentisch, leidenschaftlich.

Dieser Sammelband enthält die Folgen 2545 bis 2547:

2545: Fünf staubige Wagen
2546: Johnny Mahouns Wandlung
2547: Texas-Richter

Der Inhalt dieses Sammelbands entspricht ca. 192 Taschenbuchseiten.
Jetzt herunterladen und sofort sparen und lesen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 458

Veröffentlichungsjahr: 2024

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



G. F. Unger
G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 66

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben

Für die Originalausgaben:

Copyright © 2021 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Vervielfältigungen dieses Werkes für das Text- und Data-Mining bleiben vorbehalten.

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2024 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Covermotiv: © Faba/Norma

ISBN: 978-3-7517-6530-5

https://www.bastei.de

https://www.sinclair.de

https://www.luebbe.de

https://www.lesejury.de

G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 66

Cover

Titel

Impressum

Inhalt

G. F. Unger Western-Bestseller 2545

Sallys Mine

G. F. Unger Western-Bestseller 2546

Ruhelose Camps

G. F. Unger Western-Bestseller 2547

Mesa Station

Guide

Start Reading

Contents

Sallys Mine

Die Mine hatte im Verlauf der Jahre viele Namen. Zuerst, als sie von den spanischen Dons – diesen Conquistadores mit ihren eisengepanzerten Soldaten – gegründet wurde, da hieß sie »Coronado-Mine«, obwohl sie der Krone Spaniens gehörte. Denn jener Francisco Coronado war ja im Auftrag Spaniens ins Land gekommen, um Schätze zu finden und nach den sieben goldenen Städten von Cibola zu suchen, die es gar nicht gab.

Im Verlauf der Jahrhunderte wechselte die alte Mine immer wieder den Besitzer. Doch niemand von den ständig wechselnden Besitzern kannte das Geheimnis der Mine. Denn das gab es seit Francisco Coronados Flucht vor den Apachen.

Der letzte Besitzer der Mine – sie heißt nun »Aurora Mine« – ist ein gewisser Lonnegan, dessen Vornamen niemand kennt und den sie alle in der kleinen Stadt deshalb Oldman Lonnegan nennen.

Doch bald wird eine gewisse Sally Bullock als einziger Mensch von Red Mesa erfahren, dass Oldman Lonnegans Vorname »Hannibal« ist. Mit seinem letzten Atem wird er es ihr sagen und sie zu seiner Erbin machen.

Doch das ist eine lange Geschichte.

Ich will sie erzählen.

Wie immer am Ende einer Woche freut sich Oldman Lonnegan auf Sally Bullock in Red Mesa. Denn sie ist die große Freude seiner letzten Tage.

Ja, er rechnet nur noch von Tag zu Tag, nicht nach Wochen oder gar Monaten oder Jahren.

Er spürt mit dem untrüglichen Instinkt eines alten Falken immer stärker, dass er sich über jeden neuen Tag freuen sollte wie über ein Geschenk des Himmels.

Und so ist er auch an diesem Wochenende unterwegs nach Red Mesa, um den Sonntag bei Sally zu verbringen.

Er sitzt auf dem Ledersitz eines zweirädrigen Buggys, dessen Lederdach er zurückgeschoben hat. Die sinkende Sonne bescheint von Westen her sein zerfurchtes und lederhäutiges Gesicht. Sein weißes Haar lässt sein dunkles Gesicht noch dunkler wirken.

Neben sich hat er griffbereit eine schwere Buffalo-Sharps in der Halterung, und vorn im Hosenbund steckt ein schwerer Revolver. Er steckt schräg, sodass der Kolben leicht zu greifen ist und der lange Lauf ihn nicht stört.

Oh, er wusste und weiß mit dieser schweren Waffe umzugehen. Auf all seinen Wegen hinterließ er eine rauchige Fährte, musste immer wieder kämpfen und auch töten, um selbst davonkommen zu können.

Sein ganzes Leben war er ständig unterwegs – entweder auf der Flucht oder auf einer Fährte.

Doch dann fand er das Gold in der verlassenen Mine und wurde ihr neuer Besitzer.

Und dann fand er jene Sally.

Nun ist er sesshaft und glücklich über jeden Tag und die Wochenenden bei ihr.

Er lässt den Rappen traben. Bis nach Red Mesa sind es nur sieben Meilen.

»Hoiii, Blacky!« So ruft er dem Rappen zu. »Wenn du nicht ein Wallach wärst, dann würdest du wissen, was mich nach Red Mesa zieht, ohooo! Denn diese Sally macht mich alten Hengst um Jahre jünger, hahahaha!«

Der schwarze Wallach vor ihm wiehert heiser und schüttelt dann den Kopf, die Mähne fliegt wie die eines feurigen Hengstes.

Wenig später sehen sie Red Mesa im breiten Canyon vor sich liegen, umgeben von roten Felsen, die fast wie Kathedralen wirken.

Mitten dazwischen, da liegt die kleine Stadt, eigentlich ein armseliges Nest am Wagenweg nach Nogales, also zur Grenze hinunter.

Die kleine Stadt lebt vom Durchgangsverkehr. Alle Wagenzüge rasten hier. Und die Post- und Frachtlinie hat hier eine besonders große Station mit einer Schmiede und Corrals, in denen Gespanne in Bereitschaft gehalten werden. Und für die Wagenzüge gibt es hier Maultiere zum Tauschen.

In der Umgebung versuchen einige Rancher Rinder zu züchten. Und auch Wildpferdjäger versorgen sich hier.

Aber all das reicht nicht zum Wohlstand.

Und so ist Red Mesa ein armseliges Nest.

Das schönste Haus am südlichen Stadteingang gehört Sally Bullock.

Oldman Lonnegan hat es ihr gekauft und renovieren lassen. Es ist von einem schönen Garten umgeben, der von einem weißen Zaum umsäumt wird.

Der Brunnen mit der Pumpe gibt reichlich gutes Wasser. Es ist ein schönes Anwesen für eine Hure. Aber wahrscheinlich ist Sally keine Hure mehr. Vielleicht war sie es nie. Sie ließ sich nur mit zu vielen Männern ein, aber sie besaß niemals das Herz einer Hure.

Und das ist der Unterschied, auf den es ankommt.

Als Lonnegan vor der Veranda seinen Buggy anhält, da erwartet sie ihn in einem weißen Kleid und empfängt ihn mit jenem Lächeln, welches er an ihr so gerne sieht. Ihre blauen Augen leuchten. Und ihr weizengelbes Haar wirkt wie pures Gelbgold.

»Schön, dass du gekommen bist«, sagt sie mit ihrer etwas kehligen, doch melodisch klingenden Stimme. Es ist eine warme Stimme, die Stimme einer Frau, die das Leben kennt und der nichts mehr fremd ist auf dieser Erde.

Er grinst breit unter seinem grauen Sichelbart und zeigt Zahnreihen ohne Lücken, was in diesem Lande selten ist bei Männern seines Alters. Sie sind nur abgenutzt wie die Zähne im Fang eines alten Wolfes, welcher bald nicht mehr jagen kann.

Als er vom Buggy steigt, bewegt er sich etwas mühsam. Doch als er steht, da sieht man, dass er immer noch gut proportioniert ist und das richtige Gewicht hat.

Sally kommt nun die drei Stufen von der Verandatreppe herunter und in seine Arme.

Sie muss sich auf die Zehenspitzen stellen, um seine Wangen küssen zu können.

Eigentlich wirken sie wie Vater und Tochter in Wiedersehensfreude.

Aus einiger Entfernung und auch aus der Nachbarschaft der angrenzenden Häuser werden sie beobachtet. Und sie denken nicht daran, etwas zu verbergen, was sie alle längst in Red Mesa wissen. Was die Leute denken, ist ihnen gleichgültig.

Sein Kommen zu Sally Bullock an jedem Wochenende vollzieht sich stets auf die gleiche Art.

Und alle Männer von Red Mesa – auch die verheirateten – neiden dem alten Bock Oldman Lonnegan – wie sie ihn in ihren Gedanken nennen – das Glück mit der einstigen Hure Sally Bullock.

Ja, man kennt ihre Vergangenheit.

Ein Mann, der auf der Durchreise war, hat sie erkannt und wollte zu ihr in das schöne Haus, glaubte, sich etwas kaufen zu können, was sie nicht mehr verkaufen wollte. Und weil sie ihn abwies, betrank er sich im Saloon und schimpfte dort auf sie.

Nun, Sally und Lonnegan zeigen der kleinen Stadt also, wie sehr sie sich mögen.

Doch dann kommt alles ganz anders als sonst bei seinem Besuch.

Sie steigen Arm in Arm die drei Stufen zur Veranda hinauf. Den Buggy mit dem Rappen lässt er einfach stehen, denn er weiß, dass der Junge von der Schmiede und dem Mietstall kommen wird, um den Wagen abzuholen. Der Rappe wird gut versorgt werden.

Lonnegan und Sally wollen ins Haus treten, doch da hören sie einen scharfen Ruf.

Vom Saloon her nähern sich zwei Männer durch den Staub der alten Wagenstraße, die schon von den Spaniern geprägt wurde und hier in Red Mesa die einzige Straße ist, auf beiden Seiten von den Häusern gesäumt.

Ihre Füße wirbeln den rötlichgelben Staub auf, und ihre Sporen klirren und klimpern fast melodisch. Diese Art von Sporen tragen zumeist eitle Burschen, Revolverschwinger zum Beispiel, die sich für bedeutend und wichtig halten, weil sich jeder normale Mensch vor ihnen fürchtet oder zumindest vorsichtigen Respekt erkennen lässt, ja nicht einmal wagt, ihre herausfordernden Blicke zu erwidern.

Einer von ihnen ließ den scharfen Ruf hören.

Und so verharren Sally und Lonnegan, warten, bis die beiden Männer – es sind Fremde in Red Mesa – am Fuße der Veranda verhalten.

Sie grinsen blinkend zum verharrenden Paar empor.

Einer sagt: »Nun können wir wohl zum Geschäft kommen. Wir haben auf Sie gewartet, Oldman Lonnegan. So nennt man Sie doch hier, nicht wahr? Oldman Lonnegan. Und mächtig alt sehen Sie wirklich aus.«

Seine Stimme bekommt zuletzt einen höhnenden Klang.

Oldman Lonnegan schiebt Sally hinter sich, denn sein Instinkt sagt ihm, dass es Verdruss geben wird. Er spricht über die Schulter zu Sally zurück: »Geh ins Haus, mein Augenstern, geh hinein ins Haus!«

In seiner Stimme ist ein zwingender Klang. Und so gehorcht sie. Denn sie ist eine erfahrene Frau und weiß, dass er sich jetzt gewiss voll auf die beiden Revolverschwinger konzentrieren muss. Bliebe sie bei ihm, könnte er das nicht.

Aber sie lässt die Tür offen und greift drinnen nach der Schrotflinte in der Ecke.

Und dann wartet sie im Halbdunkel der Diele, hält die Schrotflinte im Hüftanschlag.

Indes sind draußen die Stimmen zu hören.

Lonnegan fragt ruhig: »Was für ein Geschäft, Jungs, an was denkt ihr da?«

Sie lachen leise, wirken spöttisch und amüsiert.

Dann sagt ihr bisheriger Sprecher: »Großvater, sie ist zu jung für dich, viel zu jung. Mit dir kann sie keinen wirklichen Spaß mehr haben als Vollblutfrau. Sie ist unserem Auftraggeber einfach weggelaufen. Aber sie war ihm eine Menge wert. Also möchte er eine Entschädigung. Er hatte einige Ausgaben wegen ihr. Die hat sie noch nicht wieder abgearbeitet in seinem noblen Etablissement der Schönen. Verstehst du, Großvater? Wir sollen sie entweder zurück zu ihm bringen oder fünftausend Dollar kassieren. Ist jetzt alles klar in deinem alten Kopf?«

Die Stimme zuletzt klingt verächtlich.

Lonnegan aber fragt mit trügerischer Freundlichkeit: »Und wenn aus diesem Geschäft nichts wird, Jungs – was dann?«

Sie lachen wieder verächtlich.

»Dann schießen wir dich von den Beinen und nehmen die Schöne mit. Wer will uns in diesem jämmerlichen Drecknest daran hindern?«

Die Frage zuletzt klingt hart.

Lonnegan versucht es nochmals mit Vernunft und spricht: »Jungs, legt euch nicht mit mir an. Und von dieser Stadt brauche ich keine Hilfe. Haut lieber wieder ab!«

Die Stimme klingt zuletzt väterlich.

Doch sie sind zu dumm und überheblich, um in seinen alten Falkenaugen die Härte erkennen und richtig einschätzen zu können.

Sie können sich nicht vorstellen, dass dieser alte Mann kämpfen wird.

»Großvater, gleich wirst du den Löffel abgeben.« Einer von ihnen grinst.

Und da weiß Lonnegan, dass er keine andere Wahl hat.

Er trägt ja seinen Revolver im Hosenbund. Da seine Jacke offen ist, können die beiden Revolverschwinger den Kolben schräg aus dem Hosenbund herausragen sehen.

Doch sie können sich einfach nicht vorstellen, dass er beim Ziehen schneller sein würde als sie, sollte er es wirklich wagen.

Doch er wagt es und hat plötzlich den schweren Colt in der Faust, deren Handgelenk fast so breit ist wie der Handrücken.

Sie schnappen nach ihren Waffen, versuchen seinen Vorsprung des Ziehens einzuholen.

Doch er schießt einen von ihnen von den Beinen. Dann erst trifft ihn der andere.

Und als er auf der Veranda rücklings auf die Dielen fällt, da schießt Sally aus dem Haus durch die offene Tür. Sie feuert beide Läufe ab. Es ist grobes Indianerschrot. Der Revolverschwinger hat nicht die geringste Chance.

Und dann ist es vorbei.

Als Sally neben Lonnegan kniet, da grinst dieser verzerrt und spricht heiser zu ihr empor: »Hast du ihn erwischt, mein Augenstern?«

Sie nickt auf ihn nieder.

»Gut gemacht«, knirscht er. »Du bist eine prächtige Frau. Warum musste ich erst so alt werden, um auf dich zu treffen? Hilf mir hoch, Sally. Ich will noch einmal in dein Bett.«

Er knirscht es wie ein Mann, der bis zur letzten Sekunde kämpfen will, obwohl er weiß, dass er keine Chance mehr hat.

Sie zieht ihn hoch, schiebt dann ihre Schulter unter seine rechte Achselhöhle.

So bringt sie ihn hinein. Einige Male stolpern sie.

Aber sie schaffen es.

Und draußen liegen die beiden Toten.

Hinter der Hausecke aber kommt der Junge von der Schmiede zum Vorschein, der den Buggy abholen will.

Nun weiß er nicht, ob er das jetzt noch tun soll.

Doch dann entschließt er sich. Denn der Rappe muss ja versorgt werden.

Der Junge bleibt auch nicht lange allein vor dem Haus.

Die Bürger und Besucher der kleinen Stadt kommen herbei.

Einer von ihnen – es ist der Storehalter – sagt anerkennend: »Hoiii, ich hätte nicht gedacht, dass Oldman Lonnegan noch so schnell wäre mit seinen alten Colt.«

Der Mann, zu dem er spricht, ist der Schreiner und Leichenbestatter von Red Mesa. Und der erwidert etwas besorgt: »Hoffentlich haben die beiden so viel in den Taschen, dass es für ihre Beerdigung reicht.«

Einige andere Hinzutretende lachen grimmig, und der Schmied spricht mit seiner Bassstimme: »Aus der Stadtkasse bekommst du nichts.«

Indes dies draußen vor Sallys Haus geschieht, liegt Lonnegan stöhnend auf dem Bett, in dem Sally es immer wieder fertigbrachte, ihm die letzten Lebensfreuden zu schenken.

Sie schneidet ihm Weste und Hemd auf und sieht dann die Wunde.

Es ist eine böse Bauchwunde. Vielleicht könnte ihm ein guter Chirurg das Leben retten.

Aber hier in Red Mesa gibt es nicht mal einen Doc, nicht mal einen Sanitäter, der während des Krieges bei der Armee war und sich deshalb besonders auf Schusswunden versteht.

Sie wird Lonnegan nicht helfen können, und er weiß es so gut wie sie.

Er starrt zu ihr hoch und grinst. Dann spricht er scheinbar ganz ruhig, so als hätte er keine Schmerzen und wüsste nicht, dass es mit ihm zu Ende geht: »Weine nicht um mich, Sally. Versprich es mir. Du warst ein Geschenk des Himmels für mich. Ich danke dir für alles. Du warst ein Licht in dunkler Nacht. Lass mir einen Stein auf mein Grab stellen und meinen vollen Namen einmeißeln.«

»Ja, sag mir endlich deinen vollen Namen«, flüstert sie. »Oldman habe ich nie sagen können.«

»Ich weiß.« Wieder grinst er verzerrt. »Mein Name ist Hannibal Lonnegan. Und als Junge habe ich jedem anderen Jungen was aufs Maul gehauen, der mich Hanni nannte.«

Er schließt einen Moment die Augen und muss wohl noch einmal Kraft sammeln. Gewiss spürt er höllische Schmerzen in seinem Leib. Die Kugel hat ihm die Gedärme aufgerissen. Er verblutet innerlich.

Dann aber hat er die Augen wieder offen und spricht: »Sally, mein Augenstern, sie werden versuchen, dir die Mine wegzunehmen. Doch das können sie nicht. Denn sie gehört schon eine Weile dir. Ich habe sie in Nogales auf dich umschreiben lassen. Die Urkunde und alle sonstigen Papiere findest du in der kleinen Ledertasche, die ich dir versiegelt zur Aufbewahrung gab. Nun darfst du das Siegel aufbrechen. Leb wohl, Sally, mein Augenstern. Es war schön mit dir.«

Die letzten Worte flüstert er nur noch.

Und dann atmet er nicht mehr.

Er wollte, dass sie nicht weint, doch die Tränen rinnen ihr nun über die Wangen.

Sie schließt ihm sanft die Augenlider.

Dann sitzt sie eine Weile mit gefalteten Händen auf dem Bettrand.

Nun ist sie wieder allein.

Doch jetzt ist sie einer reiche Frau, Besitzerin einer Mine.

Aber das bedeutet noch nichts.

Was wird kommen?

Ihr fällt jetzt am Bett und neben Lonnegans Leichnam wieder ein, wie sie und Lonnegan sich kennenlernten, wie er sie mit sich nahm und hierher nach Red Mesa brachte.

Das war ihr recht, denn sie war ja auf der Flucht und musste ihre Fährte verwischen, ein Versteck finden. Er wurde ihr Beschützer und verlangte nichts von ihr, was sie ihm nicht freiwillig geben wollte, sozusagen aus vollem Herzen heraus.

Alles fällt ihr wieder ein in diesen Minuten ...

Sie sieht sich noch einmal als Mädchen von vierzehn Jahren. Ihr Vater war schon zwei Jahre tot. Ihre Mutter konnte die kleine Farm allein nicht mehr halten. Und so nahm sie den erstbesten Mann. O ja, er war ein harter Arbeiter, verstand sich auf alles, was ein Farmer können muss, um aus einer armseligen Farm etwas zu machen, was sich sehen lassen konnte. In dieser Hinsicht hatte ihre Mutter den richtigen Lebenspartner gefunden. Auch Sally und deren beiden jüngere Brüder mussten hart arbeiten, und so war vorauszusehen, dass sie in etwa zehn Jahren eine prächtige Farm besitzen würden.

Doch dann wurde Sally von Monat zu Monat schöner, bekam die Formen eines reiferen Mädchens.

Ihr Stiefvater betrachtete sie auf eine Art, die ihr instinktiv nicht gefiel. Sie spürte immer stärker, dass in ihm etwas vorging, wenn er sie so ansah.

Es geschah dann irgendwann in der Scheune.

Ihre Mutter und die Brüder arbeiteten auf den Feldern.

Und ihr Stiefvater nahm sie in der Scheune.

Sie hatte keine Chance, als er ihr sagte: »Sally, du machst mich verrückt. Ich muss dich haben, und wir sind ja auch nicht richtig Vater und Tochter. Für mich bist du ein süßes Gift, welches ich kosten muss.«

Seine Stimme klang heiser. Er war von Sinnen wie ein Süchtiger.

Sie hatte keine Chance.

Noch in der Nacht lief sie weg. Sie wollte nur noch fort, weit fort.

Ganze sieben Dollar nahm sie mit. Mehr fand sie nicht in der Dose, die ihre Mutter im Küchenschrank stehen hatte.

Doch mit sieben Dollar kam sie nicht weit.

Ihr bitterer Weg begann. Sie war nichts anderes als eine Streunerin, zwar eine mehr als hübsche, aber eben doch ein Mädchentramp.

Und was ihr Stiefvater ihr angetan hatte, das taten ihr noch andere Männer an.

Sie musste auf diese Weise für alles zahlen, was sie bekam – also Unterkunft, Arbeit, Essen. Es hatte sich nicht viel geändert. Sie hätte auch daheim bleiben können.

Irgendwann aber begann sie berechnender zu werden. Sie begriff, dass ihre mädchenhafte Schönheit wie ein Zauber wirken konnte, wenn sie schlau und berechnend von ihr eingesetzt wurde.

Ja, sie wurde immer schöner, reizvoller und wirkte mit sechzehn älter als achtzehn.

Schließlich geriet sie an einen Spieler, den sie sogar mochte. Er war gut zu ihr und war ein gebildeter Mann, ehemaliger Offizier der Konföderierten-Armee während des Krieges, ein ehemaliger Baumwollplantagenbesitzer und Sklavenhalter aus Alabama.

Ja, er war gut zu ihr und machte aus ihr wie aus einem Rohdiamanten einen Brillanten. Sie fuhren auf den Luxusdampfern des Mississippi, gaben sich als Vater und Tochter aus. Ihre Tarnung war perfekt.

Doch dann wurde er bei einem Kartentrick erwischt: Es ging um eine große Summe, weil große Einsätze gemacht wurden.

Man kannte auf diesen Luxussteamern in solchen Fällen keine Gnade. Mit Falschspielern ging man gnadenlos um.

Also warf man ihn über Bord in den Strom.

Sicherlich hätte man Sally bei der nächsten Anlegestelle von Bord gewiesen. Doch sie sprang ihrem Gefährten hinterher. Nein, sie wollte ihn nicht im Stich lassen. Denn sie wusste, er konnte nicht schwimmen.

Doch sie war eine gute Schwimmerin.

Aber sie trug ein wunderschönes Kleid, dessen sie sich erst entledigen musste.

Es war eine helle Nacht, und der Strom trug sie mit einer Geschwindigkeit von sechs Meilen in der Stunde abwärts.

Fast wäre sie selbst ertrunken, weil sie das Kleid nicht schnell genug vom Körper bekam. Es klebte in der Nässe an ihrem schlanken, geschmeidigen Körper. Und es wurde schwer.

Als sie endlich im Strom nach ihrem Gefährten suchen konnte, da fand sie ihn nicht mehr.

Und so blieb ihr nichts anderes übrig, als an Land zu schwimmen. Dort gab es einige Lichter. Es musste eine Siedlung sein.

Als Sally Bullock in ihren Erinnerungen – immer noch auf dem Bettrand neben dem toten Lonnegan sitzend – so weit gekommen ist, hält sie inne.

Denn sie möchte und will sich nicht weiter erinnern.

Was sie in der Siedlung – die zu einem Holzplatz gehörte – erlebte, war die Hölle.

Denn sie geriet halb nackt unter die MacLanes. Das waren drei Brüder, die den Holzplatz betrieben und die Steamer mit Brennholz für ihre Kessel versorgten. Denn auf den Strömen wurden die Feuer unter den Dampfkesseln noch mit Holz genährt.

Als sie in die Hütte trat, da starrten die Brüder sie an wie ein Wunder.

Doch dann johlten sie los. Denn sie waren betrunken wie fast immer.

Die Hölle für Sally dauerte einige Tage und Nächte.

Einige Male wollte sie sich das Leben nehmen.

Doch dann wurde ihr Wunsch nach Rache immer größer.

Und so zündete sie in einer Nacht, als die MacLanes wieder einmal betrunken schnarchten, die Hütte an und verrammelte von draußen die Tür.

Dann stieg sie an der Landebrücke in das kleine Kielboot und löste die Leine. Als die Strömung sie abwärts trug, sah sie das immer größer werdende Feuer in der Nacht.

Und dann rief sie schrill und gellend: »Ihr verdammten Hundesöhne, jetzt büßt ihr schon hier auf Erden für alles, was ihr mir angetan habt!«

Sie fühlte sich endlich befreit.

Nun war sie kein wehrloses Mädchen mehr. Sie hatte es diesen drei Dreckskerlen gezeigt. Und nun würde sie es auch allen anderen zeigen, die ihr etwas antun würden auf ihren weiteren Wegen.

Sally Bullock erhebt sich vom Bettrand und zieht die Decke über Lonnegans Gesicht. Dann wandert sie im Raum umher und versucht ihre Gedanken zu ordnen. Sie tritt ans Fenster und sieht, dass man draußen die beiden Toten fortschafft.

Auch die Neugierigen, welche herbeieilten und umherstanden, gehen wieder.

Von Osten her kommt die Dunkelheit herangekrochen.

Sally zündet die Lampe an. Dann starrt sie wieder auf den toten Lonnegan auf ihrem Bett.

Ich muss ihm die Stiefel ausziehen, denkt sie. Warum hat er mich sterbend nicht darum gebeten? Kein Mann sollte in den Stiefeln sterben, besonders nicht einer wie er. Und so zieht sie ihm die Stiefel aus.

Sie wird sich wieder bewusst, dass er ihr die Mine vererbte, richtig in Nogales bei der Behörde auf sie überschreiben ließ. Er machte sie zu einer reichen Frau.

Sie setzt sich wieder auf den Bettrand und zieht die Decke von seinem Gesicht, betrachtet ihn ernst im Lampenschein.

Sie nimmt seine kalte Hand. Und abermals fällt ihr alles wieder ein, was damals geschah, als sie im Boot abwärts trieb und der brennende Holzplatz die Nacht erhellte.

Sie trieb die ganze Nacht stromabwärts und verspürte eine grimmige und hassvolle Genugtuung. Denn sie hatte sich gerächt. Sie schlug zurück. Die MacLanes hatten es nicht anders verdient.

Nun war sie keine Gefangene mehr, sondern frei.

Aber sie hockte halb nackt im Boot und besaß nichts als ihre Schönheit.

Es kam ein Steamer den Strom abwärts, holte sie ein. Es war ja Tag geworden. Man sah sie im Boot. Das mächtige Schaufelrad am Heck drehte rückwärts, bis sie im kleinen Boot längsseits trieb.

Man nahm sie an Bord. Und sie hatte sich längst eine Geschichte zurechtgelegt, mit der sie Fragen beantworten würde.

Und so erzählte sie später dem Zahlmeister, welcher ja zuständig war an Bord für die Passagiere, dass sie vor dem Feuer geflüchtet wäre, bei den MacLane-Brüdern als Wirtschafterin gelebt hätte. Doch als sie vor dem Feuer ins Boot sprang, da hatte sie die Ruder vergessen. Sie musste sich also treiben lassen. Einige Passagiere umstanden sie und den Zahlmeister. Und als dieser noch überlegte, was er mit ihr anstellen sollte, sagte eine ältere Frau aus dem Kreis der umherstehenden Passagiere: »Mister Swade, wenn Sie nichts dagegen haben, dann kümmere ich mich um die Kleine. Ich habe genug Platz in meiner Doppelkabine und zahle auch die Passage bis New Orleans.«

»Natürlich habe ich nichts dagegen, Lady«, erwiderte der Zahlmeister und war froh, einer Sorge ledig zu sein.

Und so folgte Sally der Lady in deren Kabine.

Dort betrachteten sie sich beide eine Weile wortlos, und jede von ihnen ließ ihren Instinkt gegen die andere strömen.

Die grauhaarige Lady lächelte schließlich und sprach ruhig: »Mein Kind, ich bin eine alte Wölfin, der niemand etwas vormachen kann. Du bist jung und mehr als hübsch. Doch in deinen Augen kann ich eine Menge erkennen. Mach mir also nichts vor. Du bist äußerlich ein junges, schönes Mädchen – doch dir ist nichts mehr fremd auf dieser Erde. Ich habe schon einige junge Dinger wie dich gekannt. Was ist geschehen?«

Sally zögerte eine Weile. Sie leckte über ihre trockenen Lippen.

Aber die Lady ließ ihr Zeit. Sie goss für sich und Sally erst einmal einen Drink ein.

Dann setzten sie sich in die Sessel am kleinen, runden Tisch.

Und wieder sahen sie sich eine Weile schweigend an.

Sally konnte spüren, wie der Instinkt der Frau in sie eindrang, und glaubte plötzlich, dass diese wie in einem Buch in ihr lesen konnte. Doch sie spürte auch Teilnahme, mütterliches Mitgefühl.

Und da begann sie zu erzählen. Ja, sie fasste ganz plötzlich aus einem Gefühl heraus Vertrauen.

Und als sie endete, da nickte ihr die Lady zu und sagte: »Jetzt beginnt deine Glückssträhne. Wie ist dein Name, Kleines?«

»Sally, Sally Bullock.«

»Gut, ich bin Clementine Harrison.« Die grauhaarige Lady lächelte. »Und du bist bei mir in guten und mütterlichen Händen. Ich führe ein großes und nobles Haus in New Orleans – und nicht nur dort. Ich habe schon mehr als eine von deiner Sorte zu einer Lady gemacht. Du hast einen guten Instinkt, Sally. Denn sonst würdest du dich mir nicht so offenbart haben. Wir werden sehen.«

Als Sally nun am Bett des Toten in ihren Erinnerungen so weit ist, da spricht sie zu Lonnegan nieder: »Sie war so gut zu mir wie du, Lonnegan. Ja, ich bekam damals eine Glücksträhne. Doch sie machte mich binnen zweier Jahre zu einer Edelhure für ganz besondere Kunden, die mich wie eine Lady behandelten.«

Sie erhebt sich und wandert wieder im Zimmer umher.

Als sie dann am Fenster verharrt und auf die staubige Straße blickt, da wird sie sich wieder bewusst, wie ihre scheinbare Glückssträhne endete.

Denn Clementine erwies sich letztlich doch als eine Wölfin, welche keine Gnade kannte, als es um ihre Haut ging, die sie retten wollte.

Es war in Saint Louis, wo Mrs Harrison ebenfalls ein nobles Etablissement besaß, als sich alles mit einem Schlag änderte.

Mrs Harrison kam an einem Vormittag zu ihr in das nobel ausgestattete Zimmer und setzte sich mit einem scheinbar wehmütigen Seufzer.

»Sally, wir müssen miteinander reden. Denn ich muss dir etwas klar machen, was du begreifen sollst. Denn nur dann wirst du Verständnis für mich haben. Schenk uns etwas ein. Trinken wir erst den besten Bourbon.«

Sie schenkte selbst die Drinks ein, und es ist wirklich allerbester Bourbon, völlig angemessen für ein Nobeletablissement.

Sally spürte instinktiv, dass nun etwas Böses auf sie zukommt. Und so leerte sie das Glas mit einem Ruck, schüttete sich die bernsteinfarbene Flüssigkeit in die Kehle und wartete auf das wohlige Gefühl in der Magengegend.

Doch es kam nicht. Im Gegenteil, sie spürte ein ungutes Gefühl.

Und so sprach sie spröde: »Nun gut, dann reden wir. Für was soll ich also Verständnis haben?«

Als sie das fragte, blickte sie in die grauen Augen der alten Wölfin und erkannte darin deren Härte.

»Du kennst dich ja inzwischen mit den Machtverhältnissen auf dem Strom aus«, murmelte Mrs Harrison. »Der Trust beherrscht alles, auch alle Städte und Ortschaften an den Ufern. Dieser Trust besitzt das Monopol auf alles. Und wer in seinem Schatten leben will, muss sich unterwerfen. Aber wir leben ja nicht schlecht dabei. Denn wer das Monopol besitzt, der bestimmt auch die Preise. Wir alle auf dem Strom oder an seinen Ufern zahlen Abgaben an den Trust. Doch es bleibt genug übrig.«

Nach dieser etwas umständlichen Einleitung machte Mr Harrison eine Pause.

Sally aber fragte spröde: »Nun gut, was hat das mit mir zu tun – oder mit uns?«

Mrs Harrison hob die Schultern und ließ sie wieder sinken, so wie jemand, der ratlos ist.

Dann aber fragte sie: »Erinnerst du dich an jenen Chester Lockheart?«

»O ja, der ist ein schöner Mann mit einem schönen Namen. Er sagte mir, dass er für mich ein offenes Herz hätte, so offen wie ein großes Scheunentor. Was ist mit ihm?«

Wieder hob Mrs Harrison ihre Schultern und ließ sie sinken.

Dann erwiderte sie schlicht: »Er will dich haben. Ich soll dich ihm schenken. Und das ist ein Befehl. Denn er ist einer der Bosse des Trustes. Er beherrscht einen großen Abschnitt des Stroms. Wenn ich nicht gehorche ...«

Sie brach ab und machte abermals die resignierende Bewegung mit Heben und Senken ihrer Schultern.

Und in diesem Moment wirkte sie noch älter als sie wirklich war, also älter als ihre fünfundfünfzig Jahre.

Sie musste Sally nichts mehr erklären. Denn natürlich kannte die längst die Machtverhältnisse auf dem Großen Strom.

Und so erwiderte Sally nach minutenlangen Schweigen: »Und Sie meinen, Clementine, dass ich Ihnen etwas schuldig bin und diese Schuld nun bezahlen müsste?«

Mrs Harrison nickte. Dann sprach sie: »Du warst mir fast wie eine Tochter. Doch ich verliere lieber dich als alles, was ich besitze, einschließlich meines Lebens. Der Trust bestraft jeden Ungehorsam. Also, Sally, bist du bereit? Du müsstest auf die Mississippi Queen gehen. Dort erwartet dich Chester Lockheart. Du wirst es gut haben bei ihm und nur ihm gehören. Er ist verrückt nach dir. Wenn du es geschickt anstellst, wirst du ihn bald um den Finger wickeln können. Also, meine Kleine, was ist? Willst du mich retten?«

Abermals schwieg Sally länger als eine Minute. Und ihre Gedanken und Gefühle jagten sich.

Chester Lockheart war ein mächtiger Mann.

Und er sah gut aus, ein Mann, der fast jede Frau bekommen konnte. Und von Mrs Harrisons Schönen, die sich wie echte Ladys benehmen konnten und die keiner für Huren hielt, hätte er sich jede auswählen können.

Doch er wollte sie, Sally Bullock.

Sollte sie sich also geehrt fühlen? Sie war ja eine Frau geworden, die sich verkaufte, wenn auch mit Niveau als Künstlerin, so wie jene Hetären im alten Babylon. Sie wurde eine Frau jener Sorte, um die man werben musste und für die man dann auch noch ein hohes Honorar zu zahlen hatte.

Doch nun wollte ein mächtiger Mann sie ganz allein für sich.

Und so nickte sie schließlich.

»Ich gehe zu ihm auf die Mississippi Queen«, sagte sie.

»Brav, mein Kind.« Mrs Harrison lächelt. »Du wirst dort wie eine Königin leben. Und du wärest nicht die erste Hure, die einen gewaltigen Aufstieg schafft. Die ganze Weltgeschichte erzählt von solchen Frauen.«

Sie lächelte bei ihren Worten, so als hätte sie Sally Bullock zu einem riesigen Coup verholfen und als müsste ihr Sally nun ewig dankbar sein.

Sally Bullock hält inne in ihren Erinnerungen. Sie steht jetzt am Fußende des Bettes, auf dem Lonnegans Leichnam liegt.

Ich muss ihn morgen beerdigen, denkt sie. Und dann ...

Ja, was wird dann sein?

Sie fühlt sich so verdammt allein.

Und wenn sie hinaus zur Mine fährt mit Lonnegans noblem Wagen und den Arbeitern dort sagt, dass sie ihr neuer Boss ist – wie werden sie das aufnehmen? Es sind harte Burschen, eine zusammengewürfelte Mannschaft, zu der Mexikaner, Chinesen und Neger gehören.

Gewiss, sie kann mit Männern umgehen. Das hat sie sozusagen von der Pike auf gelernt. Aber einfach wird es mit der Minenmannschaft nicht sein.

Sie wandert nun im Haus umher, verharrt dann und wann am Fenster und starrt in die helle Nacht hinaus.

Dabei kommen nochmals all die Erinnerungen in ihr hoch. Es sind böse Erinnerungen, denn jener Chester Lockheart benahm sich bald wie ein Despot, war krankhaft eifersüchtig und verlangte Dinge von ihr, die ihr zuwider waren.

Sie hätte diesen Mann vielleicht sogar lieben können, wenn er ihr Respekt erwiesen hätte, ein Gentleman gewesen wäre, der ihr einen neuen Anfang ermöglichte.

Doch für ihn war und blieb sie eine Hure, die ihm immer wieder von ihren Erlebnissen mit all den anderen Männern erzählen musste.

Als er dann zu spüren begann, wie sehr sie ihn verachtete und sich als seine Gefangene fühlte, da sperrte er sie in der noblen Doppelkabine ein. Sie kam nicht mehr heraus. Kein anderer Mann durfte sie mehr ansehen.

»Du gehörst mir allein«, sprach Chester Lockheart manchmal.

Und als sie ihm einmal sagte: »Du bist krank«, da schlug er sie.

Sie unternahm dann in den nächsten Wochen, da sie auf der Mississippi Queen zwischen New Orleans und Saint Louis unterwegs waren – das Luxusdampfboot war ja eine schwimmende Amüsier- und Spiel-Stadt – zweimal einen Fluchtversuch. Doch seine Männer fingen sie wieder ein und brachten sie zu ihm zurück.

Dann schlug er sie und schwor ihr, dass sie ihm niemals weglaufen könnte. Und wenn, würde er sie selbst noch am Ende der Welt zu finden wissen.

Sie lebte also in der Hölle.

Als Sally Bullock mit ihren Erinnerungen so weit gekommen ist, verharrt sie wieder einmal am Fußende des Bettes, auf dem Lonnegan liegt.

Nun erinnert sie sich an den Rest ihres Weges bis hierher nach Red Mesa. Und diese Erinnerung ist erfreulicher, wenn auch zuletzt mit einem traurigen Ende.

In einer dunklen Nacht sprang sie in den Strom so wie damals als junges Ding, als sie dem Spieler folgte, zu dem sie damals gehörte und der gut zu ihr war.

Sie war von diesem Moment an wieder ein mittelloser, weiblicher Tramp, halb nackt, weil Lockheart ihr alle Kleider weggenommen hatte.

Und so begann für sie eine Odyssee, also eine Irrfahrt, die nichts mit dem Heldengedicht von Homer gemein hatte.

Sie war auf der Flucht vor Lockhearts Häschern.

Irgendwann auf ihrem bitteren Fluchtweg – er führte nach Westen – traf sie in einem Saloon, wo sie bediente und animierte, auf Oldman Lonnegan.

Sie war krank gewesen und hatte etwas von ihrer Schönheit verloren.

Lonnegan kam vom Mississippi, wo er in einem Flusshafen Maschinen für die Mine gekauft hatte, die nun mit einigen Frachtwagen unterwegs nach Red Mesa waren.

Er war vorausgereist, doch in der schwarzen Nacht fuhr die Postkutsche nicht weiter. Und so saß er im Saloon. Sie bediente ihn. Und als er ihr sagte, dass dies kein Job für eine Frau wie sie sei, da antwortete sie: »Ach, Mister, was wissen Sie schon von mir?«

Da grinste er sie an und sagte: »Ich brauche nichts zu wissen. Ich weiß nur, dass Sie mir mächtig gefallen. Kommen Sie mit mir weiter nach Westen. Ich bin ein alter Mann, der fast Ihr Großvater sein könnte. Ich bin allein und hätte dann und wann gern eine junge Frau um mich. Ich kaufe Ihnen ein Haus, wenn ich Sie darin besuchen darf. Lernen wir uns kennen. Was wollen Sie hier?«

Sie stand am Tisch, hatte ihm ein Glas Bier gebracht.

Nun sah sie auf ihn nieder und tief in seine Augen.

Und da begann sie noch einmal an eine Chance zu glauben, an ein Schicksal, welches immer wieder für Überraschungen sorgt.

Und so band sie ihre Schürze ab und setzte sich zu ihm.

»Ja, reden wir und lernen wir uns kennen«, sagte sie.

Dann kam der Wirt und fragte grob: »Was soll das? Animieren sollst du erst nach Mitternacht, wenn hier der Laden brummt.«

Aber Oldman Lonnegan grinste den Wirt an und sagte: »Sie gehört nun zu mir. Und wenn sie hier etwas schuldig sein sollte, dann werde ich zahlen.«

Sally Bullock denkt jetzt am Bett zu Füßen des Toten wieder an jene Szene damals in diesem Saloon, als Lonnegan auf die Weiterfahrt mit der Postkutsche nach Red Mesa wartete.

Sie fuhr mit ihm.

Und jetzt hat sie ihn verloren.

Sie weiß, dass sie ihn glücklich machte, nicht nur aus Dankbarkeit, sondern weil sie ihn wirklich mochte, obwohl er ein alter Mann war.

Jetzt ist er tot. Er starb für sie, denn Lockhearts Häscher hatten sie eingeholt, aufgespürt. Er kämpfte für sie. Und er machte sie schon zuvor zu seiner Erbin.

Aber jetzt ist sie wieder allein.

Was wird kommen? Muss sie bald wieder vor Lockhearts Häschern flüchten oder wird sie kämpfen können als reiche Minenbesitzerin, die in diesem Land und in dieser Stadt Macht und Einfluss besitzt, wenn es ihr gelingt, die Minenmannschaft auf sich einzuschwören?

Aber wird sie das können?

Sie muss nach der Beerdigung unbedingt hinaus.

Aber dann fällt ihr ein, dass sie die Mannschaft sofort benachrichtigen müsste.

Denn die muss ja bei der Beerdigung ihres Bosses dabei sein.

Also müsste sie jetzt auf der Stelle hinaus zur Mine.

Sie entschließt sich schnell und kleidet sich zweckmäßig um, wählt einen ledernen Hosenrock, eine grüne Flanellbluse und eine Lederjacke. In diesem Zeug reitet sie manchmal aus.

Auf dem Weg zum Mietstall kommt sie an der Schreinerei vorbei und klopft an das erleuchtete Fenster des Wohnhauses.

Der Schreiner und Leichenbestatter öffnet und kaut noch mit vollen Backen. Denn er nimmt mit seiner Familie das Abendessen ein.

Sally sieht die Frau und die fünf Kinder am langen Küchentisch sitzen.

Sie spricht ruhig: »Oldman Lonnegan ist tot. Ich reite hinaus zur Mine und informiere die Mannschaft. Bereiten Sie alles zur Beerdigung vor. Er bekommt den besten Sarg aus Ihrem Lager. Die Beerdigung soll um zwölf Uhr mittags stattfinden.«

Als sie geendet hat, staunt der Mann sie an und würgt endlich den Bissen hinunter. Dann aber spricht er: »Wird alles gemacht, Miss Bullock. Sonst noch besondere Wünsche? Bekommt er ein Holzkreuz, ein Brett oder einen Stein? Und wie soll die Inschrift lauten?«

»Nicht Oldman Lonnegan, sondern Hannibal Lonnegan.«

»Und wie wird Hannibal geschrieben – mit einem oder einem doppelten N?«

»Sie haben noch nie etwas vom großen Feldherrn Hannibal gehört?« Sally staunt ihn an bei ihrer Frage. »He, der hat vor Christus gelebt und viele Kriege gewonnen. Drüben im alten Europa hat er mal fast ganz Italien erobert. Und das wissen Sie nicht, Mister Bonegale?«

»Man kann nicht alles wissen«, murrt der Schreiner. »Und mir ist auch völlig egal, was vor Christus in Europa geschah! Ich habe genug eigene Probleme in dieser lausigen Stadt. Sehen Sie da drinnen meine Familie sitzen? Die muss ich jeden Tag satt machen.«

Er schließt das Fenster.

Sally aber geht weiter.

Als sie am Saloon vorbeikommt, ist dort drinnen eine Menge Betrieb. Denn draußen vor der Stadt rastet ein großer Frachtwagenzug, der aus Mexiko kam und Waren nach Santa Fe bringt. Die Frachtfahrer betrinken sich im Saloon. Mehr können sie dort nicht tun, denn es gibt keine Animiermädchen im Red Mesa Saloon, die sich verkaufen für ein paar Dollar.

Sally muss am Saloon vorbei. Auf der Veranda halten sich einige Gestalten auf, mit Gläsern in den Händen und dicke Zigarren paffend.

Und einer dieser Männer ruft: »Hoiii, seht ihr das, Jungs? Da läuft eine zweibeinige Katze vorbei! Zu wem will die wohl?«

»Dann frag sie doch, Charly«, ruft eine andere Stimme dröhnend, so als käme sie aus einem tiefen Keller.

Und da springt jener Charly auch schon von der Veranda und Sally in den Weg.

Er lacht trunken und hält ihr das halb volle Glas hin.

»Hey, Honey, nimm einen Schluck. Und dann sag mir, ob du unterwegs zu einem Freund bist, den ich vertreten kann. Denn ich bin gewiss besser als er auf allen Gebieten.«

Er verstummt lachend. Gewiss hält er in seiner Trunkenheit alles für einen Spaß.

Die anderen Männer auf der Veranda lachen ebenfalls. Eine Stimme ruft: »He, Charly, ist sie hübsch oder gar schön?«

»Wunderschön«, ruft Charly zurück. »Ich bringe sie in den Saloon. Da können wir sie uns beim Lampenschein ansehen. Komm, Süße!«

Er will nach Sally greifen mit der noch freien Hand.

Doch dann erlebt er eine böse Überraschung.

Denn Sally stößt ihm die Doppelmündung eines kleinen Colt-Derringers gegen den Hals und faucht dabei wie eine Wildkatze: »Oh, du verdammter Narr von einem Maultiertreiber! Ich schieße dir mit meiner kleinen Kanone den Hals unter deinem Bumskopf weg. Du bist jetzt an die Falsche geraten! Hau ab und betrink dich weiter. Hau ab!«

Der bullige Frachtfahrer wird ganz plötzlich ziemlich nüchtern. Denn diese Sprache versteht er. Er schielt an seiner Nase entlang auf die Hand nieder, die ihm die kleine Waffe unter den Gurgelknoten drückt.

Und dann starrt er in die Katzenaugen der Frau. Es ist hell genug, dass er das Funkeln erkennen kann.

»Hehehe, schon gut, Ma'am«, stottert er, »schon gut. Ich entschuldige mich. Die Pumaspucke, die dieser Saloon verkauft, hat wohl mein Hirn zu sehr benebelt.«

Er tritt mit erhobenen Händen langsam zurück und verschüttet dabei den letzten Rest des Drinks aus dem Glas auf seinen Hut.

Auf der Saloonveranda lachen sie wieder, diesmal schadenfroh und fast johlend.

Eine Stimme ruft: »Oh, Charly, du hast kein Glück bei den Schönen!«

Sally eilt weiter. In ihr ist grimmige Bitterkeit. Und zugleich ist da auch noch ein anderes Gefühl. Es ist ein grimmiger Stolz.

Denn sie erwies sich nicht als wehrlos. Und hätte der Frachtfahrer nicht aufgegeben, dann hätte sie an diesem Tag schon den zweiten Mann getötet. Sie ist kein hilfloses Wesen, welches in der Not wie ein Huhn zu flattern beginnt. In diesen letzten Stunden ist sie noch härter geworden, als sie es auf ihren Wegen ohnehin schon wurde.

Als sie in den Vorraum des Mietstalls tritt, sitzt dort der alte Windy auf der Futterkiste. Sie sieht, dass er im Laternenschein an einem Zaumzeug arbeitet. Er flechtet es aus Pferdehaaren. Es soll ein Zaumzeug werden für eine besonders weiche Pferdenase. Für ein paar Dollars wird er es irgendwann verkaufen können.

»Mein Pferd, Windy«, verlangt Sally. »Ich muss hinaus zur Mine. Die Mannschaft muss zur Beerdigung kommen. Lonnegan ist tot.«

Windy erhebt sich schnell. »Sie können auch Lonnegans Wagen nehmen«, sagt er. »Und es tut mir leid um Lonnegan. Man erzählt sich in der Stadt, Miss Bullock, dass die Vergangenheit Sie eingeholt hätte. Lonnegan hat für Sie gekämpft wie ein Vater für seine Tochter, nicht wahr?«

Sally nickt nur.

Dann drängt sie: »Ich nehme mein Pferd. Da bin ich schneller und kann Abkürzungen nehmen, welche im Wagen nicht zu fahren wären.«

Der kleine, krummbeinige Windy blickt zu ihr hoch.

»Lonnegan war ein guter Mann«, murmelt er. »Der hatte ein Herz für die Kleinen. Ich hielt ihn stets für einen Glückskerl. Aber jetzt ist er tot.«

Er eilt in den Stallgang hinein, um Sallys rote Stute aus der Box zu holen.

Sie wartet ungeduldig, aber wenig später ist sie unterwegs.

✰✰✰

Sie reitet durch die Nacht. Es sind ja nur sieben Meilen bis zur Mine. Die Nacht ist zumeist hell. Nur manchmal verdunkeln Wolken das Licht von Mond und Sternen. Dann hält sie an, bis sie wieder bessere Sicht hat.

Sie hört das Heulen von Wölfen und Coyoten in der Ferne und wird sich darüber klar, dass es in diesem Land immer noch Apachen gibt und es ein Land von Jägern und Gejagten ist.

Und was wird sie selbst in der Zukunft sein – eine Jägerin oder eine Gejagte?

Es wird auf verschiedene Dinge ankommen.

Und eines dieser Dinge wird die Minenmannschaft sein.

Wie sie so reitet, da erinnert sie sich wieder daran, dass sie schon zweimal in den Mississippi sprang und nicht wusste, wie es in ihrem Leben weitergehen würde.

Jetzt ist es wohl so ähnlich.

Endlich sieht sie die Lichter der Mine vor sich in der Ferne. Sie war schon einige Male dort. Lonnegan hatte ihr alles gezeigt und ihr erklärt. Und so weiß sie, dass die Spanier damals auf dem Hügel mitten im breiten Canyon auf die Spitze einer Goldader gestoßen waren, welche senkrecht in die Tiefe führte und sich schließlich dort verästelte.

Und so folgten die Spanier dieser Goldader senkrecht in die Tiefe, so als wären sie Brunnenbauer.

Jetzt stehen einige Gebäude und Hütten, Werkstätten und eine Schmelzanlage rings um einen Förderturm. Das alles sieht fast so aus wie ein Fort. Es gibt sogar einige verfallene Palisaden.

Früher mussten sich die wechselnden Besitzer der Mine immer wieder gegen Feinde verteidigen – vor allen Dingen gegen Apachen, aber auch gegen Banditen.

Aus der Baracke, in der die Minenmannschaft wohnt, fällt Lichtschein. Sie hört dann all die Geräusche und Stimmen eines Festes, dazu Musik.

Ja, es wird hier ein Fest gefeiert, so wie fast immer nach einer harten, arbeitsreichen Woche.

Sally weiß Bescheid über diese Feste.

In Red Mesa hätten sie nicht stattfinden dürfen.

Aber hier auf der Mine ist alles anders. Nach hier kommen jedes Wochenende die mexikanischen Frauen und Mädchen aus dem Dorf Santa Cruz, die sich ein paar Dollars verdienen wollen.

Ein knappes Dutzend kommt immer zur Mine, gefahren vom Wirt einer Cantina oder Bodega, der auch genügend Getränke und andere Dinge für ein Fest mitbringt.

Sally hält ihr Pferd an. Denn ihr wird bewusst, wie sehr sie dieses Fest stören wird. Die Minenmannschaft schuftet hier jede Woche hart, arbeitet länger als zwölf Stunden, zumeist unter Tage.

Aber jetzt will sie die Freuden des Lebens auskosten, soweit es hier möglich ist.

Als Sally nun auf dem Pferd verhält, da zögert sie nicht länger als eine Minute. Dann reitet sie vor die lange Baracke und hält an.

Sie schwingt sich vom Pferd und tritt ein.

Ein halb nacktes Mädchen tanzt auf dem Tisch.

Und die ganze Minenmannschaft mit einem knappen Dutzend anderer Mädchen umgeben den Tisch. Sie klatschen, tanzen, johlen.

In der Ecke hocken drei Mexikaner und machen Musik.

Sally hält in der offenen Tür inne. Sie sieht eine Weile zu.

Dann endlich wird sie bemerkt.

Jemand ruft: »Da ist ja Lonnegans Honey!«

Nun wird es jäh still.

Sie alle starren auf Sally.

Dann fasst sich der Vormann Mike Ireland endlich und ruft: »Oh, Miss Bullock, was führt Sie zu uns? Ist der Boss mitgekommen?«

»Nein«, erwidert Sally, und ihre Stimme klingt spröde in die Stille.

»Mister Lonnegan kann nicht kommen. Er ist tot. Und morgen – nein, es ja nun schon nach Mitternacht –, also heute um zwölf Uhr mittags findet die Beerdigung statt. Vielleicht wollt ihr eurem Boss die letzte Ehre erweisen.«

Nach diesen Worten wendet sie sich ab und geht zu ihrem Pferd zurück. Doch bevor sie aufsitzen kann, sind sie alle draußen bei ihr. Sie umringen sie und ihre rote Stute.

Der Vormann fragt heiser und sichtlich ernüchtert: »Was ist geschehen, Miss Bullock, warum ist Lonnegan plötzlich tot?«

Sie lehnt sich gegen die Seite ihres Pferdes und blickt in den Halbkreis.

»Es kamen zwei Revolverschwinger«, spricht sie dann heiser. »Einen erschoss Lonnegan, den anderen ich. Aber auch Lonnegan erwischte es. Er lebte nicht mehr lange. Das ist alles.«

Sie verstummt hart.

Eine Weile schweigen sie alle. Dann flüstert eines der Mädchen aus dem Dorf Santa Cruz leise: »Wir sollten jetzt heimkehren in unser Dorf. Seht, diese Hombres müssen jetzt um ihren Patron trauern. Die wollen nichts mehr von uns. Kehren wir heim.«

Und so lösen sie sich aus dem Kreis.

Der Wirt aus Santa Cruz wendet sich an den Vormann: »Señor, Sie haben schon bezahlt für die Fiesta. Wollen Sie ...«

»Nein, Pablo«, unterbricht ihn Mike Ireland, »ihr könnt alles behalten. Aber es ist gut, wenn ihr heimkehrt nach Santa Cruz. Denn wir trauern wirklich um Lonnegan.«

Er wendet sich an Sally. »Wir werden kommen«, spricht er. »Denn Lonnegan war wie ein Vater zu uns. Er mochte uns, obwohl wir wild und rau sind.«

»Ich weiß«, erwidert sie. »Und ich kann euch jetzt schon sagen, dass alles hier so weitergehen wird wie bisher. Ich bin von ihm als Erbin bedacht worden. Also werde ich an seine Stelle treten. Und alles wird so bleiben.«

Sie wendet sich ihrer Stute zu und sitzt geschmeidig auf, reitet davon.

Sie verharren und sehen ihr nach.

Einer murmelt: »Was für eine Frau ...«

✰✰✰

Es ist kurz vor Morgengrauen, als sie wieder daheim ist und ihr Pferd vor dem Mietstall an einen der Haltebalken bindet. Windy wird es dort vorfinden, wenn er nach Sonnenaufgang aus seinem Schlafverschlag im Stall herauskommt und wie ein Dachs in die Runde wittert.

Sie geht durch den Staub der Straße zu ihrem Haus und muss wieder am Saloon vorbei. Dort ist es jetzt still. Die Lichter überall in der kleinen Stadt sind gelöscht. Red Mesa schläft.

Als sie ihr Haus betritt, da stellt sie sofort fest, dass der Leichenbestatter Bonegale den Toten schon herausgeholt hat.

Hannibal Lonnegan liegt nun schon in einem schönen Sarg im Leichenschuppen der Schreinerei.

Sie möchte hinübergehen, um noch einmal Abschied von ihm zu nehmen. Nun rinnen Tränen über ihre Wangen.

Doch sie geht nicht hinüber, sondern setzt sich in den Ohrensessel am Fenster, von dem sie sitzend die Straße beobachten kann.

Sie erinnert sich auch an den Schlüssel.

Diesen Schlüssel trug Lonnegan an einem dünnen Lederriemen am Hals, stets verborgen unter dem Hemd. Sie nahm ihn dem Toten ab.

Denn dieser Schlüssel öffnet den schweren Geldschrank oder Tresor der Mine. Hier wird die Goldausbeute aufbewahrt, bis genug angesammelt ist. Dann wird das Gold von einem Revolvermann nach Nogales gebracht. Und dieser Revolvermann heißt Dan Kane.

Sally kennt ihn. Lonnegan machte sie mal miteinander bekannt, und sie weiß, dass es wieder an der Zeit sein muss, Gold nach Nogales zu bringen und in Dollars einzutauschen. Denn es müssen Löhne gezahlt und Einkäufe gemacht werden.

Irgendwann nickt sie im Ohrensessel ein. Die Müdigkeit ist stärker als ihre Gedanken.

Es ist dann kurz vor Mittag, als sie in einem schwarzen Kleid aus dem Haus tritt.

Draußen warten sieben Männer. Es ist die Minenmannschaft. Sie tragen dunkles Zeug und ziehen nun die Hüte vor ihr.

Sally nickt ihnen zu und spricht: »Danke, dass ihr gekommen seid.«

Sie setzt sich in Bewegung, und sie folgen ihr.

Irgendwie bieten sie einen beeindruckenden Anblick, denn da geht eine stolze Frau durch den fast knöcheltiefen Staub der Straße, gefolgt von sieben harten Männern, die wie ihre Gefolgsleute und Beschützer wirken.

Sie müssen durch die ganze Stadt bis zum anderen Ende. Denn dort am anderen Ende liegt der Boothill von Red Mesa.

Die Bürger von Red Mesa stehen vor den Häusern und Läden.

Doch sie strömen nur wachsame Neugierde aus, kein menschliches Mitgefühl oder gar Trauer, eher kalte und feindliche Abneigung.

Oder ist es Neid?

Gewiss fragen sie sich alle hier in Red Mesa, ob er ihr die Mine vererbt hat. Denn dass die sieben Männer der Minenmannschaft ihr wie getreue Ritter folgen, deutet darauf hin, dass sie nun der Boss ist.

Als sie die Schreinerei erreichen, wartet dort der Leichenwagen mit dem Sarg.

Es wurde ein heißer Tag. Die Sonne brennt gnadenlos.

Sie schließen sich dem Leichenwagen an. Und auch die meisten Bürger folgen ihnen.

Es wird eine schlichte und einfache Beerdigung. Es gibt ja keinen Pater oder einen anderen Prediger in Red Mesa.

Aber sie alle hören Sally laut und fast trotzig sagen: »Hannibal Lonnegan, du warst gut zu mir. Und ich weiß, dass ich dich glücklich machen konnte auf deine letzten Tage. Ich bete für dich und bin sicher, dass du einen guten Platz im Himmel bekommst.«

Dann tritt der Vormann neben sie und spricht ruhig: »Lonnegan, du warst einer, der zum Salz der Erde gehörte. Für uns warst du fast wie ein Vater. Du hattest uns ausgesucht unter vielen, und wir haben dich nie enttäuscht. So wird das auch bleiben.«

Als Mike Ireland verstummt, ist die Beerdigung beendet.

Es gibt nichts mehr zu sagen.

Die ganze Versammlung am Grab löst sich wenig später auf.

Sally geht mit den sieben Männern zum Essen in den Speiseraum des Hotels. Und die Bürger von Red Mesa verschwinden wieder in ihren Häusern und Läden.

Der Frachtwagenzug, dessen Fahrer in der vergangenen Nacht den Lärm im Saloon veranstalteten, brach schon bei Sonnenaufgang nach Santa Fe auf. Die Stadt ist still. Und die Mittagshitze flimmert über ihr.

Im Speiseraum des Hotels aber sitzen sie mit Sally zusammen wie eine Familie, etwa so wie sieben Brüder mit ihrer Schwester.

Als sie beim Nachtisch sind, spricht Sally ruhig: »Lonnegan hatte bei mir ein versiegeltes Päckchen hinterlegt, welches ich nach seinem Tod öffnen sollte. Das habe ich getan. Er wollte es so. Er hat mir schon zu seinen Lebzeiten die Mine überschrieben. Es ist alles richtig beurkundet. Und als Zeuge fungierte dabei Dan Kane, mit dem er in Nogales war. Ich erinnere mich, dass er damals mit Dan Kane Gold nach Nogales brachte.«

Sie macht eine Pause und nimmt erst noch einen Schluck Kaffee, bevor sie wieder spricht: »Er hat euch ebenfalls bedacht, jeden von euch mit fünftausend Dollar. Das ist eine Menge Geld. Wenn einer von euch damit etwas anfangen will, dann stelle ich ihm einen Scheck auf die Bank in Nogales aus. Es liegt an jedem von euch allein.«

Als sie geendet hat und wieder einen Schluck Kaffee nimmt, da schweigen sie eine Weile, tauschen Blicke aus. Und sie kann erkennen, dass zwischen ihnen ein stillschweigendes Einverständnis ist.

Und so denkt sie: Obwohl sie verschiedener Hautfarbe sind, wirken sie wie Brüder. Lonnegan hat sie wirklich mit Bedacht ausgesucht. Er war wohl sicher, dass sie sich vom Gold nicht verrückt machen lassen würden.

Der Vormann Mike Ireland spricht nach einer Weile: »Miss Sally, in dieser Mine ist noch mehr drinnen als alles, was wir bisher herausholen konnten. Und Lonnegan sagte manchmal, dass diese Mine ein Geheimnis bergen würde. Er sagte, er könnte es wittern und hätte davon mehrmals geträumt. Er sprach von irgendwelchen Zeichen, welche die alten Dons hinterlassen hätten. Wir wollen bleiben und sind sicher, dass Sie uns einen fairen Anteil geben werden, sollte sich dieses Geheimnis als Riesengewinn erweisen.«

Als er verstummt, sehen sie alle auf Sally Bullock und versuchen etwas in ihr zu erkennen, also ihre Gefühle und Gedanken zu erraten.

Sie aber erwidert ihre Blicke, sieht Mann für Mann in die Augen.

Sie können nun erkennen, dass sie eine harte und erfahrene Frau vor sich haben, ja, sie verspüren, wie ihr ohnehin vorhandener Respekt noch größer wird. Und dann sehen sie ihr nachsichtiges Lächeln und hören sie mit ihrer etwas kehligen und doch so melodisch klingenden Stimme sagen: »Ihr glaubt also auch an ein Geheimnis in der alten Spanier-Mine. Hat er diesen Glauben in eure Köpfe gesetzt? Ja, er sprach auch mit mir darüber. Es soll da im Schacht und in den Stollen irgendwelche Zeichen und Hinweise geben, welche bisher niemand zu deuten vermochte. Aber er war ein erfahrener Mann, der sich auf alte, verlassene Spanier-Minen spezialisiert hatte. Ja, er sagte auch mir, dass er ein Geheimnis wittern könne. Nun gut, ich überlasse euch die Hälfte aller Minen-Erträge. Ihr könnt dann selbst untereinander teilen. Gut so?«

Sie nicken.

Mike Ireland murmelt: »Lonnegan wusste schon, was er an Ihnen hatte, Miss Sally. Nun gut, dann fahren wir jetzt wieder zur Mine zurück und machen weiter. Wann werden Sie herauskommen zu uns und Lonnegans Zimmer beziehen?«

»Bald«, erwidert sie, »vielleicht morgen schon.«

Sie erheben sich nun alle und verlassen das Hotel. Sie sieht dann dem Wagen nach, auf dem sie zurück zur Mine fahren.

Dann geht sie zum Ortsausgang, wo ja ihr Haus steht.

Es ist später Mittag oder früher Nachmittag geworden.

Und die Hitze flimmert nun noch stärker über Red Mesa.

Im Verandaschatten ihres Hauses hocken einige Männer. Als sie nahe genug ist, kann sie den Schmied, den Storehalter, den Hotelbesitzer und den Besitzer des Saloons erkennen.

Diese vier Männer haben sich selbst zu Stadträten von Red Mesa gemacht und fühlen sich deshalb als die Bosse der kleinen Stadt.

Sie kennt sie einigermaßen und hält sie für hartgesottene, jedoch verbitterte Männer, die damals eine falsche Entscheidung trafen, als sie sich dazu entschlossen, sich hier niederzulassen.

Red Mesa bestand nur aus verfallenen Resten einer einst spanischen und später mexikanischen Siedlung. Man hatte hier früher auf Gold- und Silberfunde gehofft. Aber dann fand man nichts mehr in weiter Runde. Allein die Lonnegan Mine erwies sich wieder einmal – wie schon so oft in den letzten zweihundert Jahren – als ein Glücksfall.

Doch zuvor hatte sie Lonnegan in Besitz genommen. Das durfte er, denn es gab ein Gesetz, welches verlassene und aufgegebene Minen jedem Glückssucher zusprach, solange er in ihnen schürfte und zumindest die Grundsteuern zahlte und Gewinne versteuerte.

Lonnegan hatte den Leuten von Red Mesa gewissermaßen etwas weggeschnappt. So jedenfalls sah es die Stadt.

Der Storehalter erhebt sich aus dem Schaukelstuhl und greift an den Hut.

»Wir haben mit Ihnen zu reden, Miss Bullock.«