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G.F. Unger ist der erfolgreichste deutschsprachige Western-Autor. Mit einer Rekordauflage von über 250 Millionen Exemplaren gehört er zur internationalen Spitzenklasse der Spannungsliteratur. Und das zu Recht!
Niemand vermag es wie er, die unermesslichen Weiten des amerikanischen Westens und die Stärke der unerschrockenen Männer, die sie erschlossen, zu beschreiben. Erleben Sie den amerikanischen "Wilden Westen", wie nur G.F. Unger ihn schildern kann: hart, authentisch, leidenschaftlich.
Dieser Sammelband enthält die Folgen 2551 bis 2553:
2551: Mesa Station
2552: Wyoming-Falke
2553: Arizona-Fehde
Der Inhalt dieses Sammelbands entspricht ca. 192 Taschenbuchseiten.
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Seitenzahl: 472
Veröffentlichungsjahr: 2024
BASTEI LÜBBE AG
Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben
Für die Originalausgaben:
Copyright © 2022 by
Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln
Vervielfältigungen dieses Werkes für das Text- und Data-Mining bleiben vorbehalten.
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Für diese Ausgabe:
Copyright © 2024 by
Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln
Covermotiv: © Faba/Norma
ISBN: 978-3-7517-6532-9
https://www.bastei.de
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https://www.luebbe.de
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Cover
Titel
Impressum
Inhalt
G. F. Unger Western-Bestseller 2551
El Toro
G. F. Unger Western-Bestseller 2552
Longhorn-Trail- Ritter
G. F. Unger Western-Bestseller 2553
Medicine Road
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Contents
El Toro
Die Postkutsche hält vor einem schlecht beleuchteten Hotel und der Fahrer stößt einen erleichterten Fluch aus, als löste sich in ihm eine Spannung. Dann aber ruft er: »Santa Rosa! Hier ist Schluss mit der Linie! Santa Rosa!«
Clint Hannagan klettert als letzter Fahrgast aus der Kutsche. Er tritt schnell aus dem Lichtschein und bleibt dann in der Dunkelheit außerhalb der Lichtbahnen stehen.
Seine Reisetasche hält er in der Rechten. Die Linke hängt ruhig neben dem Colt. Ihre Finger berühren manchmal das glatte Leder des Holsters.
Clint Hannagan nimmt Witterung von dieser kleinen Stadt an der Sonora-Grenze.
Oh, er war schon oft in solchen Städten. Deshalb kennt er ihren Atem, ihren Pulsschlag – und er kann Strömungen wahrnehmen mit dem feinen Instinkt eines zweibeinigen Wolfs, der in ein neues Revier kommt ...
Clint Hannagan sieht die leere Postkutsche auf der Straße wenden und bald darauf in der Einfahrt zum Wagenhof der Postgesellschaft verschwinden. Dort neben dieser Hofeinfahrt befindet sich auch das Postbüro. Natürlich ist es noch geöffnet, denn mit der Postkutsche kamen ja auch Postsäcke, Pakete und Päckchen.
Clint Hannagan setzt sich endlich in Bewegung und überquert schräg die Fahrbahn. Dabei fällt auf, dass der große und hagere Mann seiner Kleidung nach ein Reiter ist, sich jedoch so leicht und geschmeidig wie ein Indianer bewegt – wie ein Yaqui zum Beispiel. Und Yaquis können wie Katzen klettern und hundert Meilen fast so schnell wie Pferde traben.
Als er das Postbüro betritt, wendet sich der Post- und Frachtagent Stap Eastmaster ihm zu. Er steht mit einer Handvoll Briefen vor einem Regal und ist dabei, diese Briefe in viele Fächer zu sortieren.
Doch diese Arbeit vergisst er nun völlig.
Er hält es für sehr viel wichtiger, seinen Besucher sehr genau zu betrachten.
Selten sah er einen härter wirkenden Mann. Und das hat in diesem Land an der Grenze, in dem es sehr viele harte Männer gibt, schon eine ganze Menge zu sagen.
Clint Hannagans Gesicht wirkt auf den ersten Blick dunkel, ruhig und etwas narbig. Aber dann – wenn man erst in seine rauchgrauen Augen sieht –, erkennt man mehr, eine ganze Menge mehr.
Und man spürt es plötzlich.
Was?
Nun, das ist nicht so einfach zu beschreiben. Es ist etwas, was einem sagt, dass man jetzt sehr wachsam sein sollte – und höflich und freundlich. Und vielleicht gibt es dann und wann auch einen Mann, der das Gefühl bekommt, dass seine Nackenhaare sich sträuben.
Stap Eastmaster ist ein rotblonder, bulliger Mann, der sich als Maultiertreiber und Frachtfahrer hocharbeitete und der durchaus in der Lage ist, eine raue Frachtwagenzugmannschaft als Boss zu führen.
Dennoch ist er jetzt instinktiv wachsam wie noch nie.
»Ja?«, fragt er.
»Ein Brief«, murmelt Clint Hannagan. »Ein Brief für mich. Postlagernd unter dem Kennwort ›Pikes-Whisky‹. Kann ich den Brief haben?«
Eastmaster nickt. »Ja, so einen Brief habe ich im Fach«, murmelt er und wendet sich wieder dem Regal zu.
Er nimmt einen Brief heraus und reicht ihn dem Fremden.
»Kann ich Ihren Namen erfahren?«, fragt er.
Clint Hannagan lächelt ernst – und etwas bitter, wie es scheint.
»Das wird sich nicht vermeiden lassen, sollte ich noch eine Weile hier in Santa Rosa bleiben.«
Dann öffnet er den Brief und wirft einen kurzen Blick hinein. Offenbar hat er nur wenige Worte zu lesen. Er ballt das Papier sofort in der Faust zusammen, steckt es in die Tasche und macht auf dem Absatz kehrt.
Er verschwindet, ohne seinen Namen zu nennen.
Stap Eastmaster flucht grimmig hinter ihm her und sagt dann zu sich selbst: »Wenn das kein verdammter ...«
Doch er verstummt und presst die Lippen zusammen.
Er wirft die Briefe, die er soeben noch sortieren wollte, auf den Tisch und tritt hinaus auf die Straße. Er sieht den Fremden in den Lichtbahnen des Hotels auftauchen und darin verschwinden.
Als Hannagan verschwunden ist, macht Eastmaster eine Bewegung, als wollte er ihm folgen. Doch er lässt es bleiben, denn er sieht den Town Marshal Earl Kilham auftauchen und gleichfalls ins Hotel gehen.
»Na gut, dann ...«, murmelt Eastmaster und geht in sein Office zurück.
Inzwischen hat Clint Hannagan drinnen im Hotel dem Portier, der ihm das Anmeldebuch zuschieben wollte, zugenickt und gesagt: »Später vielleicht. Jetzt muss ich erst einmal auf Zimmer Nummer fünf. Dort wartet Ted Harriet auf mich. Ist er noch oben?«
Der alte Mann hinter dem Anmeldepult schluckt etwas mühsam und nickt dann stumm. Er deutet zur Treppe.
Clint Hannagan findet das Zimmer schnell. Es ist nicht verschlossen und die Lampe brennt. Im Bett liegt ein Mann. Es ist Ted Harriet. Er ist tot und schon kalt.
Clint Hannagan betrachtet den Messergriff, der aus Ted Harriets Leib ragt. Es ist ein Green-River-Messer mit einer schmalen Klinge und einem schweren Griff. Diese Dinger kennt er aus seiner Zeit im Norden auf dem Bozeman Trail.
Als er aufblickt, sieht er den Town Marshal. Es gibt keinen Zweifel daran, denn der Stern blinkt im Lampenlicht. Der Revolverlauf in der Hand des Marshals glänzt matt.
»Haben Sie ihn im Schlaf erstochen?«, fragt Marshal Earl Kilham mit trockener Kälte.
Hannagan betrachtet den Mann schweigend.
Er sieht einen weißblonden Texaner mit einem sichelförmigen Schnurrbart, dessen Enden tief über die Mundwinkel hängen. Er sieht einen großen, hageren Mann mit hellen, harten Augen.
Nach einigen Atemzügen lächelt er kaum merklich und spricht dann mit lässiger Nachsicht: »Langsam, Marshal. Der Hombre hier ist schon kalt. Da ich soeben aus der Postkutsche stieg, kann man sich leicht ausrechnen, dass ich zumindest vierzig Meilen von Santa Rosa entfernt war, als jemand dieses Messer in Ted Harriet steckte. Noch irgendwelche Einwände?«
Der Marshal sagt nichts. Aber er kommt weiter herein. Mit schussbereitem Colt geht er um Clint Hannagan herum und holt sich dann – von hinten an ihn herantretend – dessen Colt.
Dann erst tritt er an das Bett des Toten und befühlt dessen Handgelenk und die Stirn.
»Na schön«, sagt er. »Aber warum ist er tot? Und warum besuchten Sie ihn? Was verbindet – oder vielmehr, was verband euch? Sie kamen mit der Postkutsche und wussten genau, wo Sie ihn finden konnten. Ich sah Sie zuerst ins Postoffice gehen. Wahrscheinlich hatte er dort eine Nachricht für Sie hinterlegt. Ich möchte diesen Brief sehen. Her damit!«
Er zielt mit dem Colt auf Hannagan und streckt die andere Hand verlangend aus. Hannagan grinst nachsichtig.
»Warum nicht«, murmelt er und greift in die Tasche. Er holt das zusammengeknüllte Papier heraus, ballt es in der Faust zusammen – und wirft es nicht etwa dem Marshal zu, sondern lässt die kaum mehr als nussgroße Papierkugel in den Zylinder der Tischlampe fallen. Die Papierkugel klemmt sich oben fest und brennt sofort.
Der Marshal flucht und springt vor, um mit spitzen Fingern hineinlangen zu können. Er nimmt es in Kauf, sich die Fingerspitzen zu verbrennen, denn er ist davon überzeugt, dass mit dem brennenden Papierkügelchen eine wichtige Nachricht und ein wichtiger Hinweis vernichtet werden.
Er schafft es, den brennenden Papierball herauszuzupfen. Doch er muss ihn fallen lassen und mit dem Fuß austreten.
Als er sich bückt, um ihn aufzuheben, begeht er einen Fehler. Er achtet in der Eile nicht auf Clint Hannagan. Vielleicht verlässt er sich zu sehr darauf, dass dieser unbewaffnet ist.
Hannagan trifft den sich bückenden Mann mit dem Knie auf Ohr und Schläfe. Der Marshal kracht mit der Schulter gegen die Zimmerwand und bleibt am Boden.
Hannagan schnauft bitter. Er holt sich seinen Revolver und entlädt die Waffe des Town Marshals. Er wirft sie so neben den Mann, dass man meinen könnte, dieser habe sie verloren.
Dann hebt er den schon halb verbrannten Papierball auf und faltet ihn auseinander, so gut dies noch möglich ist. Aber er braucht sich eigentlich keine Mühe zu geben, die wenigen Worte zu entziffern. Er las sie zwar nur einmal, doch sie waren leicht zu merken.
Er sagt sie noch einmal in Gedanken, während er still mitten im Zimmer steht: El Toros zusammengeraubte Beute befindet sich noch in Santa Rosa. Ich weiß genau, wer sie versteckt hält. Komm sofort auf Zimmer fünf. Ted.
Das waren die Worte – und sie sind in Hannagans Kopf.
Aber Ted Harriet ist tot.
Er kann ihm nicht mehr sagen, wer die Beute von El Toro hier in Santa Rosa verborgen hält. Und es ist keine geringe Beute.
Was der berüchtigte Banditenführer und ehemalige Revolutionsgeneral El Toro in all den Jahren mit seinen Banditen zu beiden Seiten der Grenze zusammenraubte, erbeutete, erpresste und auf noch andere Weise mit Gewalt, List und Gnadenlosigkeit erwarb, ist kein kleiner Schatz.
Irgendwie glich dieser El Toro immer einem Piratenkapitän, der seinen Schatz nicht nur gut versteckte, sondern ihn auch ständig vermehrte.
Und dann bestahl ihn sein bester Freund, sein zuverlässigster Leutnant und Stellvertreter. Paco Rodriguez Treue reichte wohl nicht mehr aus.
Die große Jagd begann.
Clint Hannagan ist nur einer der Jäger.
Ted Harriet war einer seiner Helfer, die er längs der Grenze in allen Ortschaften und Siedlungen verteilt hatte.
Vor zwei Tagen erreichte ihn eine Nachricht, dass Ted Harriet eine Spur gefunden habe. Und so kam er nach Santa Rosa und fragte nach einem postlagernden Brief unter dem vereinbarten Kennwort »Pikes-Whisky«.
Aber jetzt ist Ted Harriet tot. Er kann ihm nichts mehr über den Banditenschatz sagen, gar nichts mehr.
Clint Hannagan schnauft leicht durch die Nase, und sein Mund verzieht sich bitter. Er betrachtet den Marshal und weiß, dass er mit diesem Mann noch Verdruss bekommen wird.
Er vernichtet den halb verbrannten Brief endgültig und wartet dann.
Der Marshal regt sich auch nach einer Weile, verharrt dann wieder und bemüht sich, einen klaren Kopf zu bekommen. Das geht schnell. Er beginnt schon bald zu fluchen und greift den Colt vom Boden auf, während er sich erhebt.
An der Wand lehnend, starrt er auf Clint Hannagan. »Mein Colt ist natürlich entladen«, murmelt er.
»Ja«, murmelt Clint Hannagan.
Marshal Earl Kilham starrt ihn immer noch an.
»Das war ein Angriff auf einen Gesetzesvertreter«, sagt er heiser.
»Ach ja?«, grinst Hannagan. »Sie sind doch nur ein Revolverschwinger, den sich die Bürger dieser Stadt mieteten, um etwas Schutz zu haben vor den anderen wilden Jungs. Ich will Ihnen etwas sagen, Mister. Und ich sage es nur einmal. Machen Sie Ihre Ohren richtig auf. Also: Gehen Sie mir aus dem Weg! Mein Name ist Clint Hannagan, jawohl, jener Clint Hannagan! Mann, wollen Sie Verdruss mit mir?«
Die Frage kommt nicht etwa drohend oder zornig. Nein, sie klingt sehr sachlich und ruhig.
Town Marshal Earl Kilham steht still da und überlegt. Irgendwie gleicht er einem Wolf, der sich auf ein Wild stürzen wollte und nun erschreckt und wachsam lauernd verhält.
Er hebt seine Oberlippe. Unter seinem rotblonden Schnurrbart zeigt er starke Schneidezähne.
»Clint Hannagan also«, sagt er. »Kein kleiner Wolf – wirklich, kein kleiner. Aber wenn Sie glauben, dass ich kneife, dann irren Sie sich. Ich sehe nur ein, dass ich wahrscheinlich schneller hinter dieses Spiel komme, wenn ich erst einmal abwarte und zusehe. Ich nehme an, dass Sie den Mörder dieses Mannes suchen und finden werden. Na schön, das ist die eine Sache! Kommen wir zur anderen.« Er macht eine kleine Pause und wischt sich mit dem Handrücken über Bart und Lippen, wobei sein helläugiger und scharfer Blick fest auf Clint Hannagan gerichtet bleibt.
Clint Hannagan fragt nicht, was für eine andere Sache der Town Marshal meint. Er wartet ruhig, und er braucht nicht lange zu warten. Dann sagt es Earl Kilham ihm.
»Hannagan, Sie gehören zu den Burschen, die immerzu auf einer Fährte reiten. Und wohin Sie auch kommen in diesem Land, es wird überall Menschen geben, die irgendwo fortgelaufen sind und sich in Sicherheit brachten. Auch in Santa Rosa gibt es gewiss mehr als einen Burschen mit Schatten auf seiner Fährte. Was glauben Sie, Hannagan, wie sehr die Angst ...«
»Schon gut!« Hannagans Stimme hat einen bitteren Beiklang.
»Nein, nichts ist gut«, widerspricht Kilham beharrlich. »Wir sind Revolvermänner, Sie und ich. Uns kann man für einen bestimmten Preis anwerben – mieten! Ich wurde von den Bürgern hier angeworben. Mein Revolver ist ihnen hundert Dollar im Monat wert – bei freier Station. Das ist fünffacher Cowboylohn. Und auch von Ihnen wird man glauben, dass Sie angeworben wurden, um hier einen Auftrag zu erfüllen. Ein paar Leute werden sich zu fürchten beginnen. Wenn sie nicht in ihrer Furcht fortlaufen, dann legen sie sich gewiss mit Schrotflinten in einen Hinterhalt – und es gibt eine Menge Ärger, Verwicklungen und Kummer in dieser Stadt. Wollen Sie mir nicht lieber sagen, was hier für ein Spiel läuft? Wenn Sie mich fragen, dann war dieser Ted Harriet – so trug er sich im Hotelbuch ein – ein Mann, von dem Sie Nachricht erhielten, wo Sie einen anderen Mann finden können, auf den Sie angesetzt wurden. Also, wer ist der Mann, hinter dem Sie her sind? Wer ist der Bursche? Wahrscheinlich fühlte er sich von Ted Harriet erkannt und tötete ihn deshalb. Also ...«
»Es hat keinen Sinn, Marshal«, sagt Hannagan. Er steht einige Atemzüge lang unbeweglich da und überlegt.
Die kurze Nachricht, die Ted Harriet ihm hinterließ, steht Wort für Wort in seinen Gedanken.
Aber was kann er damit anfangen?
Noch nichts! Aber eines ist ziemlich sicher. Derjenige, der nach Ted Harriets Meinung den Banditenschatz von El Toro verborgen hält, ist wahrscheinlich auch Ted Harriets Mörder.
Clint Hannagan weiß viel über dieses Land zu beiden Seiten der Grenze. So erfuhr er auch schnell, dass Paco Rodriguez, dem El Toro wie einem Blutsbruder vertraute, mit El Toros Schatz verschwand und seine Flucht so gut vorbereitete, dass El Toro nun schon wochenlang hinter ihm her ist. Clint Hannagan hat es schnell erfahren und sich dann in Pacos Lage versetzt. Er kannte Paco gut genug, um sich dessen Pläne einigermaßen vorstellen zu können.
Er setzte ein Dutzend Männer ein, ließ sie dorthin reiten, wo Paco Rodriguez diesseits der Grenze – und schon fast den Verfolgern entwischt – durchkommen musste.
Hannagan sieht Earl Kilham an.
»Ich zahle für die Beerdigung«, sagt er. »Soll der Tote ewig im Hotel liegen?«
Kilham hebt wieder seine Oberlippe, sodass seine starken Schneidezähne sichtbar werden.
»Sie kriegen mich hier nicht weg«, sagt er spöttisch und beginnt seinen 44er Remington-Revolver nachzuladen. Er ruft durch die offene Tür zur Treppe hinunter: »He, Longridge! Hier ist ein Toter! Laufen Sie zu Beale hinüber!«
Er wendet sich ins Zimmer zurück und sieht, dass Hannagan mit der Durchsuchung des Toten begonnen hat.
»Wenn ich wüsste, wonach zu suchen ist, könnte ich helfen«, sagt er mit lauerndem Spott.
»Sie können zur Hölle gehen«, murmelt Hannagan. »Ich kann Ihr Gequatsche nicht mehr anhören. Schleich dich, Tex!«
Aber Kilham grinst nur.
»Du kannst mich mal, Revolverschwinger«, spricht er gewollt freundlich. »Und es könnte sein, dass du bald gar nicht mehr so groß in deinen Hosen bist – vergiss nur nicht, dass du mich vorhin nur deshalb überrumpeln konntest, weil ich nicht wusste, was für ein Tiger du bist. Aber jetzt ...«
Er richtet den nun wieder schussbereiten Revolver auf ihn. »Wenn ich ein Dummkopf und überdies auch noch nachtragend wäre«, sagt er, »hättest du jetzt ein Loch im Bauch.«
Hannagan gibt ihm keine Antwort. Er hat den Toten eingehend untersucht und sogar im Stiefelfutter nachgesehen.
Aber er fand nichts, was ihm irgendwie als weiterer Hinweis dienen könnte. Er sieht den Hotelmann an, der mit einem leisen Fluch ins Zimmer tritt und dann zum Marshal sagt: »Ich habe Bob in den Saloon geschickt. Wenn Beale noch nicht zu betrunken ist, wird er den Toten wohl aus dem Hotel holen.«
Nun macht Hannagan doch eine ungeduldige Handbewegung.
Er fragt mit einer Spur von Schärfe in der Stimme: »Wer war zuletzt bei Harriet?«
Der Hotelmann sieht ihn ausdruckslos an und zuckt mit den hageren Schultern.
»Das ist Clint Hannagan«, murmelt der Town Marshal kühl. »Ich denke mir, dass er kam, weil Harriet in unserer Stadt jemanden für ihn aufspürte. Aber jetzt ist dieser Spitzel eines Menschen- und Kopfgeldjägers tot. Und vielleicht ist es für Hannagan jetzt gar nicht mehr so leicht, sein Wild zu erkennen.«
Er lacht leise.
Der Hotelmann aber bekommt plötzlich unruhige Füße.
Bevor er sich jedoch umwenden kann, sagt Hannagan trocken: »Wenn der Tote fortgeschafft worden ist, behalte ich sein Zimmer. Lassen Sie neue Bettwäsche aufziehen.«
»Glauben Sie vielleicht, dass Sie mir das erst sagen müssen?« Der Hotelbesitzer fragt es grimmig. »Mein Name ist Longridge, Sam Longridge! Ich bin ein richtiger Christ und kein ...«
Er verstummt plötzlich, denn er kann nicht länger in Hannagans kühle Augen sehen. Er geht.
Earl Kilham, der inzwischen seinen Revolver wegsteckte und seine anschwellende Kopfseite betastet, lacht wieder leise. Hannagan beachtet ihn nicht, sondern durchsucht das Zimmer.
Nach einer Weile kommen Männer, um den Toten zu holen.
Als sie mit ihm verschwunden sind, wendet sich Hannagan an den Town Marshal: »Jetzt raus hier aus meinem Zimmer!«
Earl Kilhams Augen werden schmal. Kalte Wut glitzert in ihnen.
»Oh, Hannagan«, knirscht er, »es gibt nicht den geringsten Zweifel daran, dass wir füreinander bestimmt sind. Aber ich kann warten.«
Nach diesen Worten geht er.
✰✰✰
Es ist schon fast Mitternacht, als Hannagan sich auf den Weg macht. Tief in seinem Inneren spürt er so etwas wie eine bittere Resignation, und er gibt sich Mühe, diese zu bekämpfen und zu überwinden.
Er war so dicht vor dem Ziel gewesen.
El Toros Banditenschatz ist in Santa Rosa, und Ted Harriet wusste, wer diesen Schatz hier verborgen hält.
Aber nun ...
Nur eines ist wohl klar: Paco Rodriguez, der El Toros Beute raubte, muss hier in Santa Rosa gewesen sein, zumindest unbemerkt und kurzfristig. Er muss hier einen Vertrauten gehabt haben – oder eine Vertraute.
Und wo ist Paco jetzt?
In Hannagan sind viele Fragen, während er durch die nächtliche Stadt geht.
In Santa Rosa ist es still. Es brennen nur noch wenige Lampen da und dort in den Häusern. Im mexikanischen Teil der Stadt ist es völlig dunkel, und irgendwo heult ein Hund.
Im Saloon, in der Posthalterei, im Hotel und dort am anderen Ende der Stadt beim Mietstall brennen Lampen. Hannagan wandert die Straße hinauf und kehrt am Ortsausgang wieder um. Er geht auf der anderen Straßenseite wieder zurück. Immer wieder verhält er in der Dunkelheit und wittert.
Hannagan weiß, dass er mit seinem Leben spielt. Doch er kann und will keine Zeit verschwenden. Es ist eine Frage der Zeit, bis El Toro hier mit seiner Bande auftaucht und diese Stadt übernimmt. Und wenn El Toro erst davon überzeugt ist, dass sich sein Schatz noch hier in Santa Rosa befindet, dann macht es ihm gar nichts aus, Santa Rosa zu zerstören und die Menschen zu töten.
Er verhält jäh, als er in der Dunkelheit einer Gassenmündung jenes Geräusch vernimmt, welches durch das Spannen zweier Schrotflintenhähne erzeugt wird. Es ist ein unverwechselbares knackendes Doppelgeräusch.
»Nur ruhig bleiben«, spricht er sanft über die Schulter in die Dunkelheit der Gasse hinein.
Eine Stimme lacht leise.
Aber es ist ein gekünsteltes, gewolltes Lachen. Dem Mann ist nicht geheuer.
»Hinter wem sind Sie her, Hannagan? Sagen Sie mir, hinter wem Sie her sind, dann werde ich wissen, ob ich abdrücken muss. Also! Ich gebe Ihnen drei Sekunden! Dann drücke ich auch so ab!«
Die Stimme wurde immer schriller und misstönender. Die Aufregung des Sprechers ist groß, und wahrscheinlich zucken seine Finger. Wenn er den Abzugshahn durchzieht ...
Aber daran denkt Hannagan nicht. Das gewöhnte er sich längst ab. Er glaubt viel zu sehr an ein unabwendbares Schicksal. Seine Furchtlosigkeit entspringt diesem Denken. Er ist ein Mann, dem Sterben nicht fremd ist und der deshalb jede Angst davor verloren hat.
»Im Hotel lag ein toter Mann«, sagt er. »Hinter dessen Mörder bin ich her. Wenn Sie dieser Mörder sind, dann drücken Sie nur ab. Sonst ...«
Er vollendet seinen angefangenen Satz nicht. Vielleicht deshalb nicht, weil es wie eine Bitte klingen könnte. Aber er wartet lauernd und hat seine Revolverhand bereit. Oha, er wird selbst mit zwei Ladungen Schrot im Körper noch ziehen und schießen. Nicht zuletzt diese Fähigkeit gehört zu einem Revolvermann seines Formats.
Er kann spüren, wie der Mann in der Gasse mit sich kämpft. Dann hört er ihn sagen: »Ich glaube Ihnen. Doch ich kann Ihnen nicht helfen. Vielleicht fragen Sie Conchita Monteno. Wir hier in Santa Rosa glaubten, dass dieser Ted Harriet nur wegen der schönen Conchita hier hängen geblieben ist. Gehen Sie zur schönen Conchita in den Saloon. Vielleicht kann sie Ihnen sagen, für wen dieser Ted Harriet ein Nebenbuhler war. Ich gehe nun, Mr. Hannagan. Denn ich glaube jetzt, dass man Sie nicht geschickt hat, um mich erledigen zu lassen, wie ich einst ...«
Der Sprecher verstummt nun wie jemand, der sich ertappt, dass er dabei ist, zu viel zu sagen.
Hannagan versucht nicht, ihm zu folgen.
Er atmet langsam aus. Eine Spannung löst sich in ihm. Er weiß zu gut, dass alles auf eines Messers Schneide stand. Nun hat sich eine kleine Möglichkeit aufgetan, vielleicht sogar eine erste Spur. Ein Mann, der sich verfolgt fühlte, gab ihm einen ersten Tipp, um ihn nicht auf der eigenen Fährte zu wissen.
Hannagan macht sich auf den Weg zum Saloon.
Unter der großen Eingangslaterne hängt ein Schild. CONCHITAS BONANZA kann er darauf lesen.
Vor dem Saloon sind einige Sattelpferde angebunden, erstklassige und ausdauernde Pferde, denen man ansieht, dass ihre Reiter viel unterwegs sind. Hannagan fragt sich, ob er da drinnen auf Bekannte oder sogar auf Feinde treffen wird.
Aber er muss hinein. Er will zu Conchita, die Ted Harriet offenbar zum Vorwand nahm, um für die Leute hier sein Bleiben und Herumlungern verständlich erscheinen zu lassen.
Diese Conchita Monteno ist vorerst die einzige schwache Möglichkeit, einen Ansatzpunkt zu finden.
Er tritt ein in den Saloon – scheinbar lässig, doch in Wirklichkeit wachsam und lauernd.
Clint Hannagans Augen gewöhnen sich schnell an das Licht im Saloon. Er kann die Männer am Pokertisch erkennen und ihre Gesichter betrachten.
Einen der Männer kennt er flüchtig. Es ist Blue Pete, ein Viehdieb und Bandit, der jedoch drüben in Mexiko arbeitet und hier eigentlich nur Freunde hat, weil er eine besondere Art hat, Freunde zu gewinnen.
Er grinst auch sofort wie ein netter Junge und ruft: »Seht, da erscheint der große Wolf, vor dem sich alle fürchten! Seht ihn euch an! Das ist der große Meister! Das ist Hannagan, Clint Hannagan, Sonora Hannagan! Seht ihn euch an!«
Er breitet seine Arme aus, und sein Grinsen nimmt seinen Worten jede Schärfe.
Die anderen Männer sagen nichts. Sie grinsen nicht mal, denn sie wissen, dass sie das nicht so können wie Blue Pete. Sie betrachten Hannagan. Alle haben zumindest schon von ihm gehört.
Hannagan schenkt ihnen nur einen kurzen Blick.
Er geht zu Conchita Monteno an die Bar. Oh, er hat diese Conchita sofort entdeckt.
Sie ist bemerkenswerter als alles andere hier im Saloon. Und dabei stand sie von Anfang an nur bewegungslos hinter dem Schanktisch und sah ihn an.
Conchita Monteno ist dunkel und rassig, wie es nur eine Frau mit mexikanischen Vorfahren sein kann. Ihre Mutter war wohl doch eine reinblütige Weiße. Denn Conchita hat Augen von einem leuchtenden, intensiven Blau.
Wortlos füllt sie ein Glas und reicht es Hannagan. Dabei sieht sie ihn fest an, und es scheint ein Einverständnis zwischen ihnen zu herrschen, wie es nur zwischen einem Mann und einer Frau sein kann, die sich schon lange kennen und deshalb alles über sich wissen.
Er nimmt das Glas und wartet. Dabei blickt er ruhig in ihre Augen und versucht intensiv, bis auf den Grund zu schauen. Aber es gelingt ihm nur bis zu der Erkenntnis, dass sie eine Frau ist, wie sie ein Mann vielleicht nur einmal in seinem ganzen Leben findet – eine Frau, die nur für einen besonderen Mann zu haben ist und sich andere Männer nur nutzbar macht.
Erst als sie auch für sich wortlos ein Glas füllt, ihm zutrinkt und einen kleinen Schluck nippt, trinkt auch er.
Dann sagt sie leise: »Es tut mir leid um Ted Harriet. Ich mochte ihn. Er hatte sich in mich verliebt. Viele Männer verlieben sich in mich. Dafür kann ich nichts. Sie tun mir leid. Aber was soll ich machen? Alle lieben?«, fragt sie mit einem etwas bitteren, traurigen Lächeln.
»Nein, das können Sie nicht, Conchita«, murmelt Hannagan und trinkt noch einen Schluck, ohne seinen Blick von ihr zu nehmen. »Sie dürfen nur den Richtigen lieben, Conchita.«
Ihre Augen werden etwas schmaler. Dann blickt sie zur Spielerrunde hinüber und sagt ruhig: »Reitet heim, Amigos! Es ist spät geworden heute. Die Stadt ist so still und leer in dieser Nacht. Es lohnt sich nicht, den Saloon länger offen zu halten. Geht, Amigos!«
Sie gehorchen willig, so sehr respektieren sie diese Frau. Wahrscheinlich würden sie ihr jeden Wunsch erfüllen – jeden.
Nicht einmal Blue Pete macht anzügliche Bemerkungen, wie es sonst seine Art ist.
Clint Hannagan bleibt. Er sieht Conchita immer noch an.
»Ich bleibe«, sagt er ruhig, und sie nickt nur. Dann lächelt sie seltsam.
»So einfach ist das also«, murmelt sie nachdenklich. »Da kommen jeden Tag Männer in meinen Saloon, und die meisten bekommen mich nicht mehr aus dem Sinn. Aber sie alle müssen wieder gehen. Ich kann sie fortschicken – einfach so. Und dann kommt einer, der sagt einfach, dass er bleiben wird. So einfach ist das.«
»Ja«, erwidert Hannagan. »Sind wir allein?«
Sie geht zur Tür und schließt diese mit einem Riegel. Dann kommt sie zu ihm – so dicht, dass er durch den Stoff der Kleidung die Wärme ihres Körpers spürt und die weiche, katzenhafte Geschmeidigkeit.
»Ein Mexikaner hilft mir sonst«, sagt sie. »Aber er ist fort zu seinem Vater. Dieser soll zwanzig Meilen von hier in Guadalupe gestorben sein. Ja, ich bin heute ganz allein. Nur du bist gekommen, Clint Hannagan. Ich hörte schon von dir. Du hast schon viele Frauen gekannt – zu beiden Seiten der Grenze und vor allen Dingen drüben in Sonora. Du sollst drüben in Sonora einmal eine schöne Frau und eine reiche Goldmine besessen haben, nicht wahr?«
»Das war einmal«, erwidert er, und sein Blick wird schmal. In seiner Stimme ist plötzlich ein heiserer Klang.
Dann legt Conchita ihre Arme um seinen Nacken, stellt sich auf die Zehenspitzen und küsst ihn. Er hält sie fest, und sie stehen eine ganze Weile so.
Plötzlich bekommt er einen Schlag von hinten auf den Kopf. Er stößt Conchita weg, taumelt zur Seite und schnappt den Colt heraus. Aber seine Sinne schwinden. Er fällt auf ein Knie und versucht verzweifelt, seinen Gegner auszumachen. Doch es ist dunkel vor seinen Augen. Er sieht nur dunkle Kreise – und dann fällt er in die tiefe Bewusstlosigkeit wie ein Stein in einen dunklen See.
✰✰✰
Er erwacht, weil ihm jemand in die Rippen tritt. Er wirft sich knurrend herum, um dem anderen die Beine wegzureißen, aber er schafft es nicht, weil seine Reflexe zu langsam sind. In seinem Kopf explodiert ein wilder Schmerz, und er kann immer noch nicht richtig sehen. Er bekommt noch ein paar böse Tritte, und er hat gar keine Chance, ihnen zu entgehen. Er ist viel zu sehr angeschlagen, und der Mann, der ihn wahrscheinlich mit einer Flasche niedergeschlagen hatte, ist erfahren.
Endlich erkennt ihn Hannagan.
Es ist Stap Eastmaster, der Post- und Frachtagent, in dessen Office er den postlagernden Brief holte. Und Eastmaster ist ein Bulle, ein Expreiskämpfer und Maultiertreiber, der durch Dutzende von wilden Grenzkämpfen und Preiskämpfen ging.
Clint Hannagans Colt ist weg. Er weiß, dass er keine Chance hat, wenn es ihm nicht gelingen sollte, mit diesem Gegner zurechtzukommen.
Stap Eastmaster lässt ihn aufstehen. Aber als Hannagan auf den Füßen steht, dreht sich auch schon alles um ihn. Die volle Flasche hat ihm fast den Kopf zerschlagen.
Eastmaster geht langsam um ihn herum und trifft ihn mit harten, schnellen und präzisen Schlägen.
Clint Hannagan ist einfach nicht schnell genug. Als er wieder am Boden liegt, da weiß er, dass dies erst der Anfang ist.
Er ist in eine Falle gerannt, in der Ted Harriet bereits umkam.
Wahrscheinlich wird auch Clint darin umkommen. Sie wollen nur noch herausfinden, ob es außer ihm noch jemanden gibt, der zu viel weiß.
Clint Hannagan bleibt eine Weile – zwischen Bewusstlosigkeit und Wachsein – am Boden liegen. Aber Stap Eastmaster gönnt ihm nicht viel Zeit. Er beginnt ihn abermals mit den Füßen zu bearbeiten, nach der Art der Maultiertreiber bei wilden Grenzkämpfen, deren Ziel die möglichst schnelle Vernichtung des Gegners ist.
Stap Eastmaster wiegt mehr als zweihundert Pfund, und er setzt sie ein mit schonungsloser, gnadenloser Härte.
Auch ein Hannagan, der nicht von einer Flasche wie von einer Kriegskeule getroffen worden wäre, hätte es schwer gehabt mit diesem Gegner.
Als er wieder bei Besinnung ist, da weiß er, dass er kaum noch kämpfen kann. Ihm wurden einige Rippen gebrochen oder zumindest angeknickt. Er spürt im ganzen Körper bohrende Schmerzen. Besonders schlimm aber ist es mit seinen Händen, auf die Eastmaster immer wieder getreten hat.
Der gefährliche, legendäre Revolvermann Clint Hannagan – Sonora Hannagan – ist erledigt. Er wird mit diesen Händen vielleicht nie mehr schnell einen Revolver ziehen können.
Als Conchita ihn küsste, war er für wenige Sekunden nicht wachsam genug.
Aber welcher Mann wäre das schon an seiner Stelle gewesen – bei einer Frau wie Conchita, deren Herzschlag man spürt?
»Steh auf, Hombre«, schnauft Eastmaster und leckt dann über seine zerschlagenen Fingerknöchel. »Steh auf, großer Revolverschwinger, denn jetzt reden wir miteinander. Jetzt werde ich fragen.«
Er gehorcht – und er kommt nur mühsam hoch. Noch niemals in seinem Leben wurde er so zerschlagen und zertreten – noch nie! Seine Hände schmerzen, als hätte man sie auf einen Amboss gelegt und mit einem Hammer bearbeitet. Er muss sich an die Wand lehnen. Und auch dann lichtet sich der Nebel vor seinen Augen nur langsam. Allmählich schwinden die feurigen Kreise und lassen ihn das Paar erkennen.
Ja, sie sind ein Paar – Conchita und dieser Eastmaster. Sie sind ein Paar wie Wolf und Wölfin. Das ist klar! Er braucht sie nur anzusehen.
Er sieht, wie Conchita Monteno ein Glas einschenkt und es Eastmaster bringt. Dieser trinkt es langsam und mit Bedacht leer. Der Mann macht alles mit Bedacht – doch sehr gründlich.
Nun spricht er: »Dieser verdammte postlagernde Brief. Ted Harriet hat ihn gar nicht selbst gebracht. Der hat ihn von einem Jungen aus dem Mexikanerdorf bringen lassen. Dieser postlagernde Brief war nicht verdächtig für mich. Aber ich wusste dennoch, dass Ted Harriet Conchita und mich belauscht hatte und dass er hier nun auf Hilfe wartete. Na schön, warum bist du hier, Hannagan? Auf eigene Rechnung oder im Auftrag El Toros?«
Hannagan gibt ihm keine Antwort. Er betrachtet vielmehr seine zerschlagenen Hände, und er kommt irgendwo in seinem schmerzenden Kopf zu der Erkenntnis, dass er wahrscheinlich nie mehr der Revolvermann sein wird, der er einmal war. Das ist vorbei. Er wird einem Tiger gleichen, dem man Zähne und Krallen zog.
So ist das nun. Er hatte immer gewusst, dass es eines Tages so kommen würde. Denn einmal verlieren sie alle. Auf irgendeine Art geht auch der größte Revolverkämpfer einmal unter.
Es ist einfach zu begreifen, dass Eastmaster ihn töten wird, sobald er der Überzeugung ist, dass er mit Harriet auf eigene Rechnung hinter El Toros Banditenschatz her war.
Deshalb sagt er: »In dieser Stadt bleibt nichts verborgen – gar nichts! Und weil El Toro bald schon kommen wird, erfährt auch er, was du hier mit mir gemacht hast, Eastmaster. Er wird dir die Haut abziehen. Darauf kannst du wetten.«
Als er verstummt, leert Eastmaster das Glas und wirft es dann einfach weg. Knurrend kommt er auf ihn zu und sagt: »El Toro wird nichts von dir finden, gar nichts. Wir werden ihm schon klarmachen, dass du auf einer heißen Fährte weitergeritten bist. Ich werde dich ...«
»Nichts wirst du«, sagt eine Stimme aus dem Hintergrund.
Town Marshal Earl Kilham tritt mit dem Colt in der Hand aus einem der Nebenräume, in den er wohl durch die Hintertür gelangte.
»Mich kannst du nicht mit einer Flasche erledigen«, sagt er kühl. »Und mir dann die Hände zertreten – das ist nicht der feine Stil, Stap. Na schön, ich hörte, dass El Toro kommen wird. Warum?«
Er starrt zu Hannagan hinüber, und dieser sagt: »El Toros Banditenschatz. Die Beute vieler Jahre, die er sammelte wie ein Piratenkapitän, dem viele spanische Goldschiffe in die Hände fielen. Sein bester Freund und Vertrauter, den man als Paco Rodriguez kennt, ging damit durch. Ihr lebt wohl hier auf dem Mond? Drüben in Sonora weiß man inzwischen überall davon. Dieser Banditenschatz ist noch hier in Santa Rosa. Ted Harriet fand es heraus und gab mir Nachricht. Und als ich kam, war er tot. Dieses feine Pärchen aber nahm mich in die Klemme. Nun, Kilham, jetzt rechne mal zwei und zwei zusammen.«
»Sicher«, sagt der Marshal. »Wir werden wohl alle zusammenhalten müssen, denke ich. Denn wenn El Toro wirklich kommt ...«
»... darf er Hannagan hier nicht finden«, mischt sich Conchita Monteno ein. »Denn es könnte ja sein, dass er wirklich für El Toro hergekommen ist, um hier nach dem Schatz zu suchen. Hannagan muss verschwinden.«
Nach diesen Worten ist es still.
Und noch bevor sie einen Entschluss gefasst haben, hören sie von allen Seiten Reiter kommen.
Die kleine Stadt wimmelt plötzlich von Reitern.
»Da ist El Toro schon«, sagt Town Marshal Earl Kilham bitter. »Und wenn auf jedem Gaul ein Reiter sitzt, dann hat er mindestens fünfzig Banditen mitgebracht. Wenn wir gegen ihn kämpfen, macht er hier alles klein. Wir können wohl nur versuchen, ihn ...«
Er verstummt, denn nun kommen schon die ersten Banditen durch die Hintertür herein. Die zugesperrte Vordertür wird aufgebrochen.
El Toros Lobos drängen herein, mit großen Hüten, wilden Augen, Schnurrbärten in den verwegenen Gesichtern und klirrenden Sporen an den Stiefeln. Sie sind alle gut bewaffnet und tragen gekreuzte Patronengürtel.
Sie grinsen, und einer ruft: »Ay, Amigos, wollte ihr kämpfen und sterben – oder wollt ihr dem großen El Toro eure Freundschaft zu Füßen legen?«
Der Sprecher verhält vor Hannagan, dessen zerschlagenes Gesicht blutet und immer noch anschwillt.
»Du kommst mir bekannt vor, Muchacho – kennen wir uns?«, fragt er kehlig.
»Ich bin Hannagan, Sonora Hannagan«, sagt dieser und wird nun doch bewusstlos. Denn er ertrug schon mehr, als drei normale Männer ertragen könnten.
Eine barmherzige Bewusstlosigkeit lässt ihn mit dem Rücken an der Wand zu Boden rutschen. Er weiß nichts mehr.
Als er erwacht, ist zuerst nur der Schmerz da, und dieser Schmerz ist überall.
Nach und nach fällt ihm alles wieder ein. Er erinnert sich wieder an alles, und als ihm klar wird, wie leicht es für diesen Stap Eastmaster war, ihn mit Conchitas Hilfe zu zerschlagen, da stöhnt er vor ohnmächtigem Zorn, vor Bitterkeit und heißer Scham.
Ja, es ist auch Scham. Denn er – der große Sonora Hannagan – hatte sich von einem schönen Weib blind und dumm machen lassen.
Er spürt plötzlich, dass jemand bei ihm ist, und bemüht sich, etwas zu sehen. Ein feuchtes Tuch wird von seinem Gesicht genommen, und jetzt erkennt er durch schmale Augenschlitze, dass er sich in einem Hotelzimmer und in einem Bett befindet.
Ein Mädchen oder eine junge Frau sitzt bei ihm.
Seine Augen sind so zugeschwollen, dass er sie nur mühsam betrachten kann. Doch trotz seiner Not entgeht ihm nicht, dass sie mehr als hübsch ist.
Er hört ihre etwas kehlige Stimme sagen: »Sie liegen in dem Hotelzimmer, in welchem Ted Harriet starb. Das wollten Sie doch – ich meine, dieses Zimmer. El Toro gab mir den Befehl, mich um Sie zu kümmern. Das passt mir gut, denn so habe ich den besten Schutz vor El Toros wilden Lobos. Sie haben die Stadt besetzt. Wir alle sind in ihrer Gewalt. Als El Toro hörte, dass Sie Hannagan sind, soll er erst gegrinst und dann schallend gelacht haben. Er sagte, dass Ihre eigene Mutter Sie so nicht erkennen würde und man das wohl auch von ihm nicht verlangen dürfe. Normalerweise hätte er Sie erkennen müssen. Er sagte, dass Sie einer der wenigen Männer im ganzen Land wären, die diesen Namen auch verdienten. Er sagte Hannagan, El Hombre! Ich bin Stella Longridge, die Tochter des Hotelbesitzers. Ich tat für Sie, was ich konnte. Dass ich Ihre Hände auf Bretter band, sollte Sie nicht erschrecken. Ich glaube nicht, dass an Ihren Händen etwas gebrochen ist. Ich schiente sie nur, weil ich glaube, dass man sie einige Tage völlig ruhig halten sollte. Ich denke nicht, dass Sie Hunger haben – oder? Sie sollten Ihrem Magen noch nichts zumuten. Vielleicht vorerst nur einen Schluck Tee?«
Sie wartet gar nicht auf seine Antwort, sondern beugt sich vor, um ihm eine kleine Schnabelkanne an die Lippen zu halten.
Er trinkt zwei oder drei Schlucke, und seine zerschlagenen Lippen können die Flüssigkeit nur schwer im Mund halten.
Es läuft etwas über sein Kinn. Stella Longridge wischt es sanft und vorsichtig ab.
»Danke, Stella«, murmelt er mühsam und kaum verständlich. »Sie sind sehr gut zu mir. Was treibt El Toro jetzt mit dieser Stadt?«
»Er hat Santa Rosa in seiner Hand«, erwidert sie ernst. »Er hat uns alle in seiner Gewalt. Und er sucht nach seinem ihm gestohlenen Schatz. Sobald Sie wach und vernehmungsfähig sind, Hannagan, soll ich ihn rufen lassen. Aber ...«
»Noch nicht«, unterbricht er sie. »Es wäre noch zu früh für mich, seinem Willen standzuhalten und Fehler zu vermeiden. Ich muss mir jedes Wort genau überlegen.«
»Sicher«, erwidert sie. »Ich werde das nasse Tuch wieder auf Ihr Gesicht legen, Hannagan. Es ist mit einer Lösung getränkt, die gut gegen die Schwellungen ist. Morgen sieht Ihr Gesicht schon besser aus. Das kann ich versprechen.«
Er gibt keine Antwort mehr und fällt in einen tiefen Schlaf der Erschöpfung. Nicht einmal die Schmerzen konnten ihn noch wachhalten.
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Als er erwacht, geht es ihm zwar besser, doch zugleich ist seine ihm von El Toro zugebilligte Schonzeit vorbei.
El Toro steht am Fußende seines Bettes. Er lacht leise auf Hannagan nieder und sagt dann: »Ay, Hombre, ich brauche nur einmal deinen Namen zu sagen, und schon erwachst du und wirst lebendig. He, alter Amigo, wie geht es denn so?«
Hannagan sieht El Toro zuerst doppelt. Aber dann klärt sich sein Blick. Es ist schon wieder Tag. Er muss also viele Stunden geschlafen haben. Dieser lange Schlaf tat ihm gut. Er spürt es am ganzen Körper. Die Schmerzen sind nicht mehr ganz so schlimm. Er kann atmen, ohne stechende Schmerzen im Brustkorb zu spüren. Auch seine Augen kann er wieder weiter öffnen.
Und Hunger spürt er. Das erscheint ihm als besonders gutes Zeichen.
El Toro hat sich nicht verändert. Sie sahen sich vor etwa einem Jahr zum letzten Mal. Das war drüben in Rio Bravo.
El Toros nur mittelgroße Gestalt scheint auf den ersten Blick fett und rundlich. Aber in diesem Fleischberg sind gewaltige Muskeln verborgen.
»Ich habe schon herausbekommen, warum es dir so schlecht geht«, sagt er mit breitem Grinsen. »Conchita hat dich geküsst, und der Postagent konnte nicht zusehen. Diese Conchita ist wirklich die schönste aller Putas. Aber sie ist eine Puta. Glaubst du nicht?«
Er wartet gar nicht auf eine Antwort, sondern fährt fort: »Man muss El Hombre Hannagan also zuerst eine volle Flasche über den Kopf knallen, um ihn dann halb zum Krüppel schlagen zu können. Amigo, weißt du, warum ich hier bin? Oh, enttäusche mich nur nicht mit deiner Antwort, Hombre!«
Er spricht seine Worte mit einem scheinbar freundlichen Lächeln. Doch in seinen Augen kann man die böse, mitleidlose Härte und das Funkeln einer heißen Wut erkennen.
Hannagan macht sich keine Illusionen.
»Ich hörte drüben in Sonora von deinem Pech mit dem treuesten deiner Reiter«, erwidert er. »Paco Rodriguez bestahl sich selbst, als er sich um deine Freundschaft und Zuneigung brachte. Ich weiß, dass du schon wochenlang hinter ihm und dem geraubten Schatz her bist. Und die Spur führte dich nach Santa Rosa. Ich weiß es, weil auch ich von einem alten Sattelgefährten eine entsprechende Nachricht erhielt. Es war Ted Harriet, den du ja wohl auch flüchtig kennst. Er ließ mir die Nachricht zukommen, dass die Fährte von hier aus aufzunehmen wäre. Doch ich fand ihn tot in diesem Bett. Und dann ging ich zu Conchita Monteno, weil auch Ted Harriet immer bei ihr war, während er hier auf mich wartete. Ich hoffte, dass er ihr vielleicht im Rausch etwas gesagt haben könnte. Aber ich ...«
Er verstummt, denn er muss mühsam husten. Das Atmen und auch das Sprechen fallen ihm noch schwer.
El Toro grinst wieder breit, sodass seine dicken Lippen die blinkenden Zahnreihen freigeben. Dieses Raubtiergebiss passt so gar nicht zu seiner rund und gemütlich wirkenden Erscheinung.
»Der gute arme Paco – er hatte gewiss Locokraut gefressen«, sagt er nun mit einem Tonfall von echtem Bedauern. »Wir fanden ihn schon vor vier Tagen. Das heißt, meine Leute fanden ihn schon etwas eher. Aber sie brachten ihn vor vier Tagen über die Grenze zu mir. Paco war schon ein prächtiger Bursche, ein richtig harter Hombre. Wir brauchten drei Tage, um seine Härte zu brechen. Er schrie nicht einmal, aber seine Härte erlahmte allmählich doch. Gestern hatten wir ihn so weit, dass er mir sagte, dass er mein Eigentum nach Santa Rosa gebracht hätte. Dann wurde er bewusstlos. Und als wir ihn wieder wach gemacht hatten, spürte er wohl, dass er sterben würde. Er spuckte mir ins Gesicht und sagte mir, dass er keine Schmerzen mehr spürte und ich verloren hätte. Dann starb er. Warum war er nur so dumm, mich, seinen guten Amigo, seinen Bruder und Gönner, zu betrügen? Warum? Gibt es denn keine Anständigkeit mehr unter den Menschen?«
El Toros Stimme bekam einen klagenden Klang. Und in seinen eben noch so wilden Augen schimmert es feucht.
Aber dieser wehmütige Augenblick geht schnell vorbei.
»Meine Lobos durchsuchen schon die ganze Stadt«, sagt er härter. »Sie finden jedes Versteck. Ich denke mir, dass der gute Paco hier einen Amigo und Vertrauten hatte, dem er die Beute gab. Und vielleicht sollte dieser Vertraute alles gut verpacken und versenden – in einem Mehlfass zum Beispiel. Oder – ach, es gibt ja so viele Möglichkeiten. Was mag dieser Ted Harriet wohl hier herausgefunden haben?«
Die Frage kommt mit hinterhältiger Sanftheit. Hannagan weiß es. Er kennt El Toro gut genug, um zu wissen, dass dieser am gefährlichsten ist, wenn er sich so sanft gibt wie jetzt.
»Das weiß ich nicht«, erwidert Hannagan. »Ted Harriet war nicht so dumm, mir in einem Brief zu schreiben, wo dein Schatz zu finden ist. Aber er bewohnte dieses Zimmer. Ich kam noch nicht dazu, hier nachzusehen, ob er irgendwo eine Nachricht verbarg. Amigo, ich weiß, wann ich verloren habe. Ich würde dir nichts mehr vormachen.«
»Das glaube ich dir«, murmelt El Toro kehlig. »Denn du kennst mich besser als jeder andere Mann. Du konntest immer in mein Inneres sehen. Du weißt auch, dass mein Instinkt mir immer sagt, ob jemand mich belügt. Nur bei Paco versagte er. Ich war ja auch zwei Tagesritte von ihm entfernt, als er mich bestahl und die Flucht ergriff. Ich war ihm nicht nahe genug, um etwas zu spüren, was von ihm gegen mich ausströmte. Na ...«
Er verstummt und beginnt auf seinen stämmigen, ziemlich krummen Beinen umherzuwandern. Seine silbernen Sporen klingeln melodisch.
Einige Male bleibt El Toro am Fenster stehen und beugt sich weit hinaus. Einmal ruft er seinen Männern eine Frage hinunter.
Als er sich wieder ins Zimmer wendet und an das Fußende des Bettes tritt, ist sein rundes Gesicht ohne Maske. Nun kann man erkennen, dass er kein gemütlicher Dicker ist. In diesem runden Gesicht zucken Muskeln. Und es drückt die Unduldsamkeit und gnadenlose Wut eines Despoten aus.
Auf El Toros Befehl starben drüben in Mexiko nicht nur Dutzende, sondern Hunderte von Menschen. Und einmal befehligte er als Revolutionsgeneral eine Armee von mehr als dreitausend Mann.
»Hombre Hannagan«, sagt er knirschend, »es wird Zeit, dass du dich erhebst und mir suchen hilfst. Du kannst nicht ewig krank im Bett liegen, während mir die Zeit unter den Füßen brennt wie eine heiße Ofenplatte. Verstehst du, ich kann hier auf dem Territorium der Union nicht ewig eine Stadt besetzt halten. Ich muss mit Soldados rechnen, verstehst du? Vielleicht konnte jemand durch den Ring entwischen, den meine Lobos um diese Stadt legten. Und vielleicht kennt jemand verborgene Pfade und entkommt auf diese Art meinen Posten, die jeden Weg bewachen und kontrollieren. Man kann nicht ewig eine Stadt wie diese von der Welt abriegeln. Hier kommen Postkutschen durch, Wagenzüge. Für wenige Tage kann ich hier alles in meiner Gewalt halten – aber ...«
Er verstummt und winkt mit der Hand ab. »Du weißt das ja nicht weniger gut als ich«, brummt er. »Und deshalb bin ich auf deine Hilfe angewiesen. Du bist ein kluger Kopf. Wie sehr das stimmt, beweist ja schon die Tatsache, dass du vor mir hier warst. Ich fand erst später heraus, dass Paco Rodriguez seinen Fluchtweg über diese Stadt wählte. Ich musste Paco erst zum Reden bringen. Steh auf und hilf mir!«
Hannagan staunt nicht sehr. Eigentlich hat er gar nichts anderes erwartet. Langsam setzt er sich auf.
Der Schmerz in seinen verkrampften Muskeln und die Stiche in seiner Brust lassen ihn stöhnen. Schweißperlen treten auf seine zerfurchte Stirn, auf der es auch eine frische Narbe gibt.
El Toro beobachtet ihn.
»Wenn ich meinen Schatz nicht bald finde«, spricht er kehlig und mit böse schwelender Glut, »mache ich diese Stadt klein und nehme ein paar Geiseln mit nach Mexiko. Hombre Hannagan, ich weiß, dass du kein Mörder bist wie ich und die meisten meiner Lobos. Dir brachte deine Mom bei, Frauen und Kinder zu beschützen. Und dein Vater erzog dich dazu, stets ein echter Hidalgo zu sein. Wenn du mir hilfst, den Schatz zu finden, wirst du dieser Stadt hier das Leben retten. Denn ich denke mir, dass niemand mir den Schatz stehlen kann, wenn sie alle tot sind. Wer ihn auch für Paco verborgen halten mag – als toter Mann kann er damit nichts anfangen. Selbst wenn ich dann nach Mexiko flüchten muss, kann ich später immer wieder herkommen und weitersuchen. Verstehst du? Wenn ich in zwei oder drei Tagen erfolglos von hier abziehen muss, weil Soldaten oder Milizreiter kommen, so lasse ich hier nur Tote zurück und nehme nur wenige als Geiseln mit. Also, komm hoch, Hombre Hannagan.«
Nach diesen Worten geht er mit seinen melodisch klingelnden Sporen hinaus. Hannagan sitzt noch eine Weile im Bett, versucht, seine Not zu überwinden, und er denkt über sich und El Toro nach. Oh, sie kennen sich schon sehr lange.
Damals, als El Toro noch als ehrenwerter Revolutionär und Volksgeneral galt, der für das Recht der Armen und Unterdrückten und später auch gegen die Franzosen kämpfte, da ritten sie sogar gemeinsam für die gleiche Sache. Aber ...
Hannagan unterbricht seine Gedanken, denn Stella Longridge tritt ein.
Sie trägt ein Tablett mit einer Schüssel, aus der es nach einer guten Fleischsuppe riecht. Außer einem Teller und einer Schöpfkelle hat sie noch einen Löffel und eine Flasche Schnaps dabei.
Hannagan lächelt sie ernst an. Er ist heute sehr viel klarer im Kopf und kann sie sich noch genauer ansehen als gestern.
Sie gefällt ihm noch besser. Sie ist ganz anders als jene Conchita, die Männer betört wie eine Zauberin.
Stella ist gewiss kein unerfahrenes, junges Ding mehr. Um ihre Augen und ihre Mundwinkel gibt es ein paar Linien.
Doch in ihren Augen ist ein besonderer Ausdruck, eine Mischung von Lebensfreude, Sehnsucht und zugleich Vorsicht und ruhigem Abwarten.
Dieses Mädchen hat schon einige Lektionen gelernt. Aber sie besitzt offensichtlich noch ihren ganzen Stolz. Was sie auch in diesem Leben erfahren musste, sie verlor nie ihren Stolz dabei. Ihr Blick ist gerade, ruhig und selbstsicher.
»Der Schnaps ist richtig«, sagt er. »Denn El Toro will mich auf den Beinen sehen. Ich werde einen Schluck nehmen. Und mit dem Rest reiben Sie mich ein, Stella, ja? Am ganzen Körper! Haben Sie schon einmal einen nackten Mann gesehen?«
Sie bekommt Kühle in ihren Blick.
»Mein Vater war Berufssoldat, bevor er sich hier ein Hotel kaufte. Meine Mom musste für die Offiziere zwölf Jahre lang die Wäsche waschen und legte jeden Cent zurück für ein Hotel, denn der Sergeantensold reichte kaum zum Leben. Ich wuchs in Armeeforts auf. Und deshalb sah ich auch schon nackte Männer. Während des Krieges pflegte ich welche. Zufrieden, Hannagan?«
»Wenn Sie mich Clint nennen könnten ...«, sagt er und nimmt dann einen Schluck aus der Flasche. Es ist hochprozentiger Gin, und auf nüchternen Magen haut ihn der einzige Schluck fast um wie ein Hammerschlag. Doch bald fühlt er sich besser.
»Na los, schöne Schwester«, sagt er knurrend. »Drehen Sie mich mal durch den Wolf. Mit diesem Schnaps und einer Massage bekommen Sie mich so weit, dass sich die verkrampften Muskeln etwas lösen. Vielleicht retten Sie damit dieser Stadt das Leben.«
Sie begreift, dass er wahrhaftig nicht blufft oder übertreibt. Sie weiß, dass dieser Mann in Not ist und wie sehr er ihre Hilfe braucht, um sich selbst und ihnen allen helfen zu können.
Denn offenbar betrachtet El Toro ihn trotz allem nicht als seinen Feind.
Was für ein Geheimnis gibt es zwischen ihm und El Toro?
Sie hat keine Zeit mehr, darüber nachzudenken. Er verlangt erst einmal nach einigen Löffeln Fleischsuppe. Er isst kaum ein Dutzend davon und sagt dann: »Jetzt aber los, Honey!«
Sie steht einige Atemzüge lang da und hat schmale Augen.
»Nennen Sie alle Mädchen Schwester oder Honey?«, verlangt sie zu wissen.
Er grinst.
»An Schönheit kannst du dieser Conchita dort drüben im Saloon nicht das Wasser reichen«, sagt er. »Doch auf einer einsamen Insel würde ich lieber mit dir die Jahre verbringen.«
Sie sagt nichts mehr, sondern nimmt ihm die Bettdecke weg und zieht ihm das Hemd aus. Bevor sie den zerschlagenen, verkrampften und schmerzenden Körper mit dem scharfen Schnaps einzureiben und dann durchzukneten beginnt, trinkt sie selbst einen Schluck aus der Flasche.
Bald stöhnt er unter ihren knetenden Händen. Der Schnaps brennt in den vielen kleinen Wunden wie Feuer.
»Du machst es richtig«, schnauft er zwischendurch. »Ich wusste doch gleich, dass du auch auf einer einsamen Insel zu gebrauchen wärst. Hast du schon einen Mann gefunden?«
»Nein«, erwidert sie spöttisch. »Ich habe die ganze Zeit auf einen Burschen wie dich gewartet.«
Dann beginnt sie seine Muskeln noch stärker zu kneten.
Als sie mit ihm fertig ist, keucht sie. Ihr auf eine eigenwillige Art hübsches Gesicht ist gerötet. Sie bläst sich eine rote Haarlocke aus der Stirn. Dann sinkt sie in den einzigen Sessel des Zimmers, streckt Arme und Beine von sich und macht: »Puh!«
Er bewegt sich durch das Zimmer. Sie beobachtet ihn, und sie erkennt, wie schwer ihm jede Bewegung fällt, obwohl ihm diese Massage wohl doch half. Aber er ist wirklich noch ein kranker Mann, der sich nur mit aller Energie auf die Beine brachte, weil es ums Leben geht – und nicht nur um ein Leben, sondern um viele.
Denn eines ist klar: El Toro glaubt daran, dass sein Schatz hier in Santa Rosa versteckt ist. Und wenn er ihn nicht bald bekommt, wird er sich in einen bösen, wilden, erbarmungslosen Teufel verwandeln, dem es auf ein oder zwei Dutzend Tote mehr oder weniger nicht ankommt.
Nach einer Weile beginnt Hannagan sich anzukleiden. Zwischendurch setzt er sich an den kleinen Tisch und löffelt den Rest der Fleischsuppe, obwohl diese längst kalt wurde.
Stella Longridge beobachtet ihn, und sie wird sich immer mehr darüber klar, wie stark dieser Mann ist.
»Ich habe El Toros Worte durch die Tür gehört«, sagt sie nach einer Weile ruhig. »Du könntest also diese Stadt vor Zerstörung bewahren und vielen Menschen das Leben retten, wenn du El Toros Schatz findest. Ihr kennt euch sehr gut, nicht wahr? Aber eigentlich wolltest du ihm diesen Schatz wegschnappen – oder?«
»Ach«, sagt er, »was ich wollte, spielt keine Rolle mehr. Jetzt ist es wirklich so, dass ich El Toros Schatz finden muss, bevor er hier blindlings zu wüten beginnt. Ich habe ihn schon drüben während der Revolution gegen die Franzosen erlebt ...«
Er schiebt die leere Schüssel zurück und kleidet sich vollständig an. Seine vom Kampf zerrissene und blutbefleckte Kleidung wurde inzwischen gesäubert und sorgfältig geflickt. Es ist ihm klar, dass er dies Stella zu verdanken hat.
»Du bist wirklich ein Honey«, sagt er. »Hast du schon viele Männer geküsst? Und warum lebst du in so einer lausigen Stadt?«
Einen Moment sieht sie so aus, als wollte sie böse werden und ihm eine wütende Antwort geben.
Dann sagt sie: »Ich war schon mal für eine Weile fort. Aber was geht dich das an? Interessierst du dich dafür, weil ich deine Krankenschwester bin?«
Er ist versucht, zu sagen, dass sie ein kratzbürstiges kleines Biest sei. Aber dann wird ihm klar, dass sie tief in sich Bitterkeit und Misstrauen gesammelt hat.
»Du hast eine Menge andere Sorgen«, sagt sie herb.
Er betrachtet seine Hände. Stella hatte sie ihm freigemacht, obwohl sie der Meinung ist, dass es gut wäre, wenn er sie noch ein paar Tage ruhig halten würde.
Aber das ging nicht mehr.
Er bewegt sich vorsichtig. Das Ankleiden und auch Essen machten ihm viel Mühe.
Sie erhebt sich, um ihm die Knöpfe zu schließen. Das kann er nicht und wird es gewiss noch einige Tage nicht können. Seine Hände und auch die Finger sind angeschwollen, verfärbt und aufgeplatzt. Aber offenbar ist nichts gebrochen. Das ist wie ein Wunder.
»Ich werde El Toro helfen, den gestohlenen Schatz zu finden. Ich denke, dass er und seine Hombres dich nicht so belästigen werden wie all die anderen Frauen und Mädchen dieser Stadt. Doch wenn ich erfolglos bleibe, wirst auch du ...«
»Ich weiß«, unterbricht sie ihn. »Dann werden sie auch über mich herfallen. Sie sind eine üble Bande, richtige Banditen und Mörder, für die Frauen und Mädchen nur willkommene Kriegsbeute sind. Sie haben in dieser Stadt schon übel gehaust. Während du schliefst, gellten da und dort die Schreie der Frauen aus den Häusern.«
Er schluckt und nickt.
»Und Conchita Monteno drüben im Saloon?«, fragt er nach einigen Atemzügen.
»Die musste für die Bande singen und tanzen – und dann hat El Toro sie für sich reserviert«, erwidert Stella. »Und das steht ihr ja wohl auch zu, nicht wahr? Ein Prachtweib wie sie hat doch wohl Anspruch auf den Obersten dieser Hurensöhne.«
In ihrer Stimme klingt eine kalte Wut.
Hannagan betrachtet Stella staunend.
Dann geht er hinaus. Er bewegt sich noch krumm und schief. Aber er ist wieder auf die Beine gekommen.
Draußen auf dem Gang trifft er auf zwei Banditen. Sie tragen gekreuzte Patronengürtel über der Brust und grinsen kauend. Einer nagt an einem Puterschenkel, der andere hält einen Streifen Rauchfleisch in der Hand.
»Amigos«, sagt Hannagan und deutet mit dem Daumen über die Schulter, »sie gehört zu mir, und ich bin für El Toro ein wichtiger Hombre. Also lasst sie nur in Frieden, Muchachos.«
Ihr Grinsen wird schief, und in ihren schrägen Augen ist ein tückisches Glitzern.
»Vielleicht gibt El Toro sie uns später, Gringo«, sagt einer lässig und wirft ihm den abgenagten Puterschenkel vor die Füße. »Du siehst wie ein kranker, verprügelter Hundebastard aus, Hombre Hannagan. Was kannst du schon mit so einer rothaarigen Puta anfangen?«
Er sagt nichts zu diesem höhnenden Worten, denn er ist zu machtlos. Er kann sich kaum auf den Beinen halten. In seinem Kopf nehmen die Schmerzen zu, je länger er ihn anstrengen muss.
Es ist ein ziemlich schweres Stück Arbeit für ihn, die Treppe hinunterzukommen. Unten in der Hotelhalle lümmeln sich noch zwei Banditen herum. Sie betrachten ihn mit funkelnden Augen. Offenbar sind sie leicht angetrunken. Einer sagt: »He, Sonora Hombre! Bist du das?«
Er nickt.
Dann sieht er Stella Longridges Vater durch den Gang kommen, wo sich die Küche befindet. Sam Longridge trägt ein Tablett vor sich her, auf dem ein großes Stück Schweinebraten und allerlei Zubehör dampfen. Sam Longridge wirkt seht beherrscht und durchaus nicht ängstlich. Er hat lange genug als Sergeant bei der Armee gedient, um auch in solchen Situationen nicht den Kopf zu verlieren.
»Diese Hombres fressen fortwährend«, murmelt er, während er an Hannagan vorbei zu den beiden Banditen tritt, um diese zu bedienen. »Sorgen Sie nur dafür, dass Stella nichts geschieht, Hannagan.«
»Solange El Toro mich braucht, werde ich das können«, murmelt Hannagan und geht auf die Straße hinaus.
Auf den ersten Blick wirkt die Stadt ruhig, schlafend, regungslos.
Nur da und dort sind die Pferde der Banditen angebunden. Die meisten Tiere befinden sich jedoch beim Wagenhof und Mietstall. Dort fressen sie gewiss alle Vorräte auf, wie ihre Besitzer das im Restaurant und in den Häusern und Läden tun.