G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 69 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 69 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

3 spannende Westernromane lesen und sparen!

G.F. Unger ist der erfolgreichste deutschsprachige Western-Autor. Mit einer Rekordauflage von über 250 Millionen Exemplaren gehört er zur internationalen Spitzenklasse der Spannungsliteratur. Und das zu Recht!

Niemand vermag es wie er, die unermesslichen Weiten des amerikanischen Westens und die Stärke der unerschrockenen Männer, die sie erschlossen, zu beschreiben. Erleben Sie den amerikanischen "Wilden Westen", wie nur G.F. Unger ihn schildern kann: hart, authentisch, leidenschaftlich.

Dieser Sammelband enthält die Folgen 2554 bis 2556:

2554: Die bittere Stunde
2555: El Toro
2556: Longhorn-Trail-Ritter

Der Inhalt dieses Sammelbands entspricht ca. 192 Taschenbuchseiten.
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Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
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Seitenzahl: 450

Veröffentlichungsjahr: 2024

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G. F. Unger
G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 69

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben

Für die Originalausgaben:

Copyright © 2022 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Vervielfältigungen dieses Werkes für das Text- und Data-Mining bleiben vorbehalten.

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2024 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Covermotiv: © Faba/Norma

ISBN: 978-3-7517-6533-6

https://www.bastei.de

https://www.sinclair.de

https://www.luebbe.de

https://www.lesejury.de

G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 69

Cover

Titel

Impressum

Inhalt

G. F. Unger Western-Bestseller 2554

Einsamer Job

G. F. Unger Western-Bestseller 2555

Wilde Camps

G. F. Unger Western-Bestseller 2556

Heiße Sättel

Guide

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Contents

Einsamer Job

County Sheriff Adam McDonelly betrachtet seine drei Deputys nacheinander wie ein Mann, der sich auskennt, wenn es darum geht, andere Männer zu beurteilen. Und dabei verlässt er sich vor allem auf seinen Instinkt.

So hat er sich seine Stellvertreter auch damals ausgesucht. Sie waren Kriegsheimkehrer, eigentlich Satteltramps. Und vielleicht wären sie sogar Banditen geworden, hätte er ihrem Leben keine andere Richtung gegeben.

Sie erwidern seinen prüfenden Blick fest, und er spürt einmal mehr ihren selbstbewussten Stolz.

Nach einer Weile sagt er: »Für einen von euch habe ich einen ganz besonderen Job. Es geht um dieses verdammte Nest an der Grenze, um diese armselige und verkommene Stadt Casa Coronado, die wie eine Hure ist und sich auch wie eine Hure verkauft, wenn nur der Hurenlohn stimmt. Einer von euch muss diesen verdammten Job übernehmen!«

Er schaut jetzt von einem zum anderen.

»War einer von euch schon in Casa Coronado?«

Die drei Deputys schütteln stumm den Kopf und warten.

Der County Sheriff Adam McDonelly hockt hinter seinem narbigen Schreibtisch – narbig, weil von den Sporenrädchen ständig misshandelt – wie ein alter Adler in seinem Horst, von dem aus er die halbe Welt überblicken kann.

Er lässt sie nicht lange warten, sondern spricht weiter: »Ich bekam vom Gouverneur die unmissverständliche Anweisung, endlich in Casa Coronado Ordnung zu schaffen. Und das mit allen nötigen Mitteln und seiner vollen Rückendeckung. Aber Casa Coronado ist an die hundert Meilen weit entfernt. Das sind fast drei Tagesritte durch raues Land und mitten durch ein Apachengebiet. Casa Coronado liegt wie eine Banditeninsel an der Sonoragrenze. Aber einer von euch muss hin und dort Ordnung schaffen. Es wird ein verdammt einsamer Job sein. Die Bösen werden ihn hassen und die Guten werden zu feige sein, ihm beizustehen. Also, wer von euch will hin? Er hat alle Vollmachten und volle Rückendeckung, kann auch Deputys verpflichten. Und sein Gehalt wird um ein Drittel erhöht. Wer will hin?«

Seine Adleraugen funkeln bei der Frage. Seine Nasenflügel vibrieren, so als nähme er eine besondere Witterung auf.

Der Deputy Hank Nolen spricht zuerst: »Ich mache das, Boss.«

Doch auch Jubal McKenzie sagt: »Ich auch, Sir.«

Da grinst der dritte Deputy – sein Name ist Jake Clayton – und spricht ruhig: »Dann müssen wir wohl das Los entscheiden lassen.«

McDonelly nickt zufrieden.

»Ja, ihr seid mir alle gleich«, spricht er ruhig und wirft ein Kartenpäckchen auf den Tisch.

»Jungs, wer die höchste Karte zieht, der darf in dieses verdammte Drecknest.«

Hank Nolen zieht eine Kreuzzehn, Jubal McKenzie deckt einen Herzkönig auf, aber Jake Clayton zeigt ihnen das Kreuzass.

Und somit ist die Sache klar.

Nolen und McKenzie grinsen Jake Clayton am. Dann fragt Nolen: »Wie ist das mit deinem Vornamen, Jake? Soll auf deinem Grabstein Jake oder Jakob stehen?«

Sie grinsen nun alle. Doch Jake Clayton spricht dann ernst: »Jakob. Und wenn ich es nicht schaffen sollte in Casa Coronado, dann kann es ja einer von euch besser machen. Was ist das nur für ein seltsamer Name für eine Stadt? Casa Coronado – was ist das?«

Der grauköpfige Sheriff grinst: »Ganz einfach. Als damals die alten goldgierigen Spanier unter Coronado überall nach den sagenhaften goldenen Städten von Cibola suchten, die es gar nicht gab, da errichtete die Bande von Edelleuten einen Stützpunkt, nannte ihn Coronado nach ihrem Anführer. Rings um das alte Gemäuer entstand dann der Ort. Manchmal war er verlassen, dann wieder wurde er eine Zuflucht. Jetzt ist Casa Coronado so etwas wie eine Raubritterburg des alten Europa. Der Wagenweg über Casa Coronado stößt auf den Hauptweg nach Santa Fe und Taos, von dort über den Apachenpass hinüber nach Colorado, wo jetzt rings um Denver Zehntausende nach Gold suchen.«

Er macht eine kleine Pause und spricht dann zu Jake Clayton: »Es müssen auch Steuern eingetrieben werden, vor allen Dingen Grundsteuern. Ich gebe dir eine Liste mit. Von den eingetriebenen Steuern kannst du dein Office unterhalten, dir dein Gehalt zahlen und auch das deiner Deputys. Du musst nur ein Buch mit den Ein- und Ausgaben führen und den Überschuss mir schicken. Ich leite das dann weiter nach Santa Fe. Ist dir alles klar, Jake? Es ist ja im Grunde einfach, Jake, mein Junge.«

Dieser nickt nur.

Denn eigentlich gibt es ja auch nichts mehr zu sagen.

✰✰✰

Am nächsten Morgen bei Sonnenaufgang ist Jake Clayton unterwegs. Auf einem Packtier hat er seine wenige Habe und in einem wasserdichten Beutel aus derben Segeltuch alles, was ihm der County Sheriff an Listen, Kladden und Bürozeug mitgab.

Jake Clayton hätte auch mit einer der Postkutschen fahren können, welche alle drei Tage verkehren. Aber er möchte das Land besser kennenlernen, sich ein Bild von den Landmarken machen und sich länger als nur wenige Minuten bei den Pferdewechselstationen aufhalten.

Er ist ja während seiner Zeit als Deputy kaum weiter als dreißig Meilen südlich von Silver City gekommen.

Nun aber muss er hundert Meilen weit weg vom Sitz des County Sheriffs.

O ja, er ahnt jetzt schon, dass er verdammt allein sein wird, ganz auf sich allein gestellt, ein Mann ohne Freunde.

Doch es reizt ihn, sich zu behaupten. Und so stark oder so schwach wie er, so stark oder schwach wird auch das Gesetz sein.

Als er am Abend die erste Pferdewechselstation erreicht – es gibt zwischen Silver City und Casa Coronado drei –, da ist er nicht als Sheriff zu erkennen. Denn er trägt den Stern in der Tasche.

Zur Station gehört auch ein kleiner Store. Auf der Veranda haben es sich zwei Männer bequem gemacht, die sein Kommen bewegungslos beobachten.

Der Stationsmann kommt von den Corrals herüber und fragt: »Bleiben Sie die Nacht hier? Wollen Sie was essen? Meine Frau kocht gut. Wenn ich Ihre Pferde versorge und Sie bei uns essen, zahlen Sie einen Dollar. Sie können in der Scheune auf Maisstroh gut liegen.«

Jake Clayton nickt nur, und er hat den Eindruck, dass der Stationsmann froh über sein Kommen ist.

Er wäscht sich beim Brunnen am Wassertrog. Der Stationsmann verschwindet im Haus, wahrscheinlich, um seine Frau in der Küche zu informieren. Dann kümmert er sich Claytons Pferde.

Die beiden Männer auf der Veranda aber beobachten den Ankömmling unentwegt. Und als er auf die Veranda kommt, da starren sie ihn feindlich an.

Er hält sie für Burschen jener Sorte, die von ihrem Revolver leben. Und wahrscheinlich passt es ihnen nicht, dass sie nicht mehr allein Gäste der Station sind.

Jake Clayton hält inne und erwidert ihre Blicke. Dabei fragt er: »Habe ich zwei Köpfe? Oder warum starrt ihr mich sonst an?«

O ja, er weiß, dass seine Frage eine Herausforderung für sie ist. Denn sie gehören zu jener Sorte, die sich stets herausgefordert fühlt.

Sie starren ihn immer noch an, und sie sehen einen großen, blonden Mann, der bei aller Hagerkeit dennoch schwergewichtig ist und sich so geschmeidig wie ein Leichtgewicht bewegt. Er sieht gut aus, sehr viel besser als sie. Und wahrscheinlich fühlen sie sich allein schon deshalb herausgefordert.

Einer spricht mit einem heiseren Klang in der Stimme: »Wir starren dich an, weil du hier störst. Also hau wieder ab, wenn du das Steak und die Bohnen verschlungen hast. Wir wollen dich hier nicht haben. Oder willst du Ärger mit uns bekommen?«

Bevor er etwas erwidern kann, tritt eine junge Frau aus dem Stationshaus. Sie ist eine Mexikanerin und mehr als nur hübsch.

Und so weiß Jake Clayton plötzlich, warum sich die beiden Kerle durch ihn so gestört fühlen. Es ist wohl wegen der Frau. Denn so eine gibt es in hundert Meilen Umkreis gewiss kein zweites Mal.

Der Stationsmann ist zu beneiden.

Und so fragt sich Jake Clayton, wie der Mann zu so einer Frau kam, die auch noch bereit ist, mit ihm auf dieser einsamen Station zu leben, bei der nur alle drei Tage eine Postkutsche vorbeikommt.

Was mag diese mehr als hübsche Mexikanerin dazu bewogen haben?

Sie sieht zu ihm her und fragt: »Señor, wie wollen Sie das Steak? Nach Texasart oder mehr mexikanisch?«

»Mexikanisch«, erwidert er, geht zum anderen Ende des langen Tisches und setzt sich an das Kopfende, sodass er die beiden Kerle ständig im Blickfeld hat.

Er dreht sich eine Zigarette. Durch die offene Tür hört man das Zischen des Steaks in der heißen Pfanne.

Der Stationsmann kümmert sich bei den Corrals um Claytons Pferde. Ja, er übergießt sie mit Wasser, reibt sie ab und stellt sie an den Futtertrog, in dem sich Maiskörner befinden.

Den Sattel hat er über eine Corralstange gelegt. Nun will er den Packsattel mit dem wenigen Gepäck hinüber zur Scheune tragen.

Doch Jake Clayton ruft über den Hof: »Ich bleibe nicht hier! Nach dem Abendessen reite ich weiter!«

Der Stationsmann zuckt zusammen und verharrt bewegungslos.

Er wirkt durchschnittlich. Und er ist unbewaffnet. Sein blondes Haar leuchtet rötlich in der Abendsonne. Nach einer Weile bewegt er sich endlich und legt den Pferden wieder die Sättel auf.

Dann kommt er über den Hof auf die Veranda.

Die beiden Kerle betrachtet er mit einem schrägen Blick. Sie sehen ihn grinsend an, bevor er im Haus verschwindet.

Die Frau bringt nun die große Pfanne mit dem Steak und all dem Zubehör heraus und stellt alles vor ihm hin.

Er tritt die Zigarettenkippe auf dem Steinboden der Veranda aus und beginnt zu essen. Die Frau verharrt noch einige Sekunden bei ihm, so als wollte sie etwas sagen oder fragen.

Dann aber verschwindet sie wieder im Haus.

Die beiden Kerle lachen leise, aber es ist ein böses Lachen.

Vom Stationsmann ist nichts mehr zu sehen.

Aber es weht nun noch stärker ein unheilvoller Atem.

Clayton beendet seine Mahlzeit. Die Sonne versinkt hinter den flachen und gelblich leuchtenden Tortillas. Und von Osten her kommt die Nacht herangekrochen wie ein schwarzes Geheimnis.

Clayton leert den großen Kaffeebecher und legt dann einen Dollar auf den Tisch.

Als er sich erhebt, da spricht einer der beiden Kerle hart: »Das wird auch Zeit. Schleich dich endlich, bevor wir dir Beine machen!«

In seiner Stimme schwingt Ungeduld und böse Drohung.

Jake Clayton verharrt einige Sekunden lang und hält sich nur mühsam unter Kontrolle. Er weiß, wenn er nicht gehorcht, wird er die beiden großspurigen Revolverschwinger erschießen müssen.

Im Stationshaus wurde noch keine Lampe angezündet. Drinnen ist alles dunkel.

Jake Clayton bewegt sich plötzlich und geht sporenklingelnd von der Veranda über den Hof zu seinen Pferden.

Er sitzt auf und reitet davon. Das hohnvolle Lachen der beiden Kerle folgt ihm. Nach einer Viertelmeile jedoch hält er an, bindet die Pferde an einen Busch und macht sich zu Fuß auf den Rückweg zur Station.

Dabei denkt er grimmig: Wenn ich sie schon erschießen muss, dann will ich einen besonderen Grund dafür haben.

✰✰✰

Der Hufschlag ist kaum verklungen, als einer der Kerle ins Haus hineinruft: »Hoi, Jimmy McLowry, zünde die Lampen an! Wir wollen für unser Fest eine Festbeleuchtung! Und wenn du die Lampen angezündet hast, dann wirst du die Nacht in der Scheune verbringen. Denn die schöne Ramona gehört dann uns, bevor wir sie morgen zurück nach Sonora ins Hurenhaus bringen, von wo sie mit dir geflohen ist. Na los, Jimmy!«

Drinnen im Haus ist es einige Atemzüge lang still. Dann hören sie die Stimme von Ramona laut genug sagen: »Sie werden dich sonst töten, Jimmy. Du musst tun, was sie dir befehlen. Und ich war ja drüben wirklich nur eine Puta. Gehorche ihnen also. Ich bitte dich, Jimmy. Ich möchte nicht die Ursache für dein Sterben sein.«

Abermals bleibt es eine Weile still.

Dann werden drinnen die Lampen anzündet. Der Stationsmann Jimmy McLowry kommt durch die offene Tür heraus auf die Veranda, hält dort inne und wendet sich den beiden Revolverschwingern zu.

Heiser fragt er: »Es hat wohl keinen Sinn, dass ich vor euch auf die Knie falle? Warum wollt ihr Ramona wieder dorthin bringen, von wo ich sie herausgeholt habe?«

»Warum, Jimmy, warum fragst du? Oho, für tausend Dollar. Denn sie war ja eine wunderschöne Edelhure in diesem Haus. Für die musste man viele Dollars zahlen! Wir konnten sie uns niemals leisten, deine schöne Ramona. Doch jetzt werden wir mit ihr die ganze Nacht ein Fest feiern – die ganze Nacht ohne zu bezahlen, hahaha!«

Jimmy McLowry steht im herausfallenden Lichtschein. Man kann erkennen, wie sehr er am ganzen Körper zittert.

Sie hatten ihm ja schon bei ihrem Kommen alle Waffen weggenommen. Wahrscheinlich hätte er sonst längst gekämpft.

Und wieder zischt einer der beiden Kerle: »Hau endlich ab! Verschwinde in der Scheune und verstopf dir die Ohren! Vorwärts!«

Jimmy McLowry lässt nun ein hilfloses Stöhnen hören.

Drinnen im Haus ruft Ramonas Stimme: »Was ist schon dabei, Jimmy! Ich bin wieder im alten Gewerbe. Was ist schon dabei?«

Und da verschwindet Jimmy von der Veranda und schleicht wie ein Betrunkener über den staubbedeckten Hof.

Jimmy McLowry ist gewiss kein Weichei. Er hielt sich bisher für einen zähen und harten Burschen.

Doch jetzt ...

Er weiß zu gut, dass sein Sterben die Dinge nicht ändern würde. Er könnte ja nur mit einer Mistgabel aus dem Stall auf die beiden Kerle losgehen. Er lehnt sich gegen das Scheunentor und stöhnt immer wieder vor Hilflosigkeit.

Drüben im Stationshaus tönt das Gelächter der Kerle.

Einer ruft: »Los, schöne Ramona, trink! Du sollst trinken, damit du lustig wirst! Und auch tanzen sollst du für uns, so nackt wie Eva vor dem Adam, bevor der den Apfel fraß, hahaha!«

Jimmy McLowry hält sich die Ohren zu. Er möchte fortlaufen und will es dann doch nicht. Seine Hilflosigkeit ist so groß, dass er nun die Tränen auf seinen Wangen spürt.

Dann aber ist er plötzlich nicht mehr allein vor dem Scheunentor.

Ein Mann ist neben ihm. Im Lichtschein der Sterne erkennt er den Fremden, dessen Pferde er versorgte und dem Ramona das Steak briet.

»Erzählen Sie es mir«, spricht Clayton ruhig. »Um was geht es?« Jimmy McLowry saugt tief die Luft ein. Dann spricht er seltsam ruhig: »Mister, wenn Sie mir Ihren Revolver ausborgen könnten ...«

»Nein«, unterbricht ihn Clayton. »Ich bin Deputy Sheriff. Doch wenn ich eingreife, dann muss ich wissen, worum es geht. Also?«

McLowry saugt wieder die Luft ein.

Dann erwidert er: »Das ist ganz einfach. Ramona arbeitete in einem Bordell jenseits der Grenze. Man hatte sie dorthin verkauft. Als ich dort einer ihrer Besucher war, überredete ich sie zur Flucht mit mir. Das war vor einem halben Jahr. Wir wussten, dass wir uns verstecken mussten. Deshalb nahm ich diesen Job bei der Post- und Frachtlinie an und übernahm diese Station. Aber Ramona ist dem Hurenhaus tausend Dollar wert. Und deshalb suchten die Kerle nach ihr. Eigentlich sind sie Skalpjäger. Doch es gibt nicht mehr so viele Apachenskalpe zu erbeuten.«

Als Jimmy McLowry verstummt, holt Jake Clayton seinen Stern aus der Tasche und steckt ihn sich an die Weste.

Dann setzt er sich in Bewegung.

Als er im Stationshaus in die Gaststube tritt, da sind die beiden Kerle unmissverständlich mit Ramona beschäftigt.

Einer wendet sich um und erkennt den Fremden, den sie verjagt zu haben glaubten.

Er sieht auch den Stern und stößt einen Warnschrei aus, wobei er nach der Waffe schnappt, so schnell er nur kann.

Aber er ist nicht schnell genug. Auch sein Partner oder Kumpan schafft es nicht. Jake Clayton ist zu gut mit der Waffe.

Sie sterben stehend und fallen dann einfach um. Durch den Pulverdampf seiner Waffe spricht Clayton ruhig: »Ma'am, es ist vorbei. Sie sollten sich wieder ankleiden. Es ist vorbei. Ich bin Deputy Sheriff Jake Clayton. Es ist vorbei.«

Sie steht halb nackt vor ihm und wischt sich über Stirn und Augen.

»Ich sollte nackt vor ihnen tanzen«, flüstert sie. »Und morgen wollten sie mich wieder ...«

Die Stimme versagt ihr.

Hinter Clayton kommt Jimmy McLowry herein, hält inne und starrt auf die beiden leblosen Körper am Boden. Dann spricht er zu Ramona: »Ich hatte ja keine Waffe. Ich konnte ...«

»Ich weiß, Jimmy, ich weiß«, unterbricht sie ihn und verschwindet in einem Zimmer, welches offenbar der Schlafraum des Paares ist, um sich anzukleiden.

Jimmy spricht stöhnend: »Sie haben alle meine Waffen in den Brunnen geworfen. Ich hätte es sonst mit ihnen aufgenommen.«

»Ich weiß«, erwidert Clayton ernst. »Wir werden morgen Ihre Waffen aus dem Brunnen bergen und auch die beiden Kerle beerdigen. Dann muss ich weiter nach Casa Coronado. Kennen Sie das Nest?«

Jimmy McLowry nickt. »Dort werden Sie verdammt einsam und allein sein, Sheriff. Auf der anderen Seite der Grenze liegt die Casa Paraiso. Dort holte ich damals Ramona weg. Die ganze Gegend zu beiden Seiten der Grenze ist voller Böser, vor denen sich die Guten fürchten.«

✰✰✰

Es ist schon später Vormittag, als sich Jake Clayton wieder auf den Weg macht.

Er reitet bis spät in die Nacht hinein, gönnt sich und den Tieren nur kurze Pausen. Und dann endlich sieht er die Lichter der zweiten Pferdewechselstation vor sich unter dem Licht der Sterne, welches so kalt und unirdisch ist.

Diese Station ist offensichtlich etwas größer als jene der McLowrys.

Er freut sich auf das Abendessen. Denn nach diesem langen Tag verspürt er einen starken Hunger.

Bei der Station herrscht einiger Betrieb. Denn ein ganzer Frachtwagenzug rastet hier am Ufer eines Creeks. Er kann nun einigermaßen sicher sein, hier keinen Ärger zu bekommen.

Wenig später sitzt er im Gastraum beim Abendbrot. Seine beiden Pferde werden von einem Gehilfen des Stationsmannes versorgt.

Er bekommt guten Hammelbraten. Die Frau des Stationsmannes ist eine Halbindianerin. Doch sie kann kochen wie eine Weiße.

Da es schon spät ist, sitzen nur noch zwei andere Gäste am langen Tisch. Sie betrachten Clayton immer wieder vorsichtig, denn sie wissen den Texaner nicht einzuschätzen, fragen sich, zu welcher Sorte er gehört.

Und so eröffnet er das Gespräch und fragt: »Kommen Sie von Casa Coronado über die Grenze?«

Der ältere Mann nickt. Er ist schon älter, hat graue Haare und ist von bulliger Gestalt. Der andere Mann ist in Claytons Alter. Clayton hält ihn für einen Revolvermann.

Und dieser fragt: »Wollen Sie dorthin, in dieses verdammte Banditennest, Mister?«

Clayton nickt, fragt dann: »Hatten Sie dort Ärger? Sie mögen Casa Coronado wohl nicht. Warum?«

Die beiden altersmäßig so ungleichen Männer grinsen bitter.

Dann spricht der ältere Mann: »Wenn Sie hinreiten, werden Sie es herausfinden. Mir gehört der Wagenzug dort draußen. Ich bringe Waren aus Mexiko herüber. Doch ich musste wegen der Wasserstellen den Weg über Casa Coronado wählen. Ich habe zehn Wagen mit je acht Maultieren, dazu noch einige Reiter auf Pferden. Sie alle benötigen eine Menge Wasser. Die kleinen Wasserstellen nützen mir nichts. Also muss ich über Casa Coronado und dort den Banditen einen hohen Zoll zahlen – für Wasser, Durchzugserlaubnis und wer weiß noch was. Es gibt dort kein richtiges Gesetz, nur das Gesetz dieser Banditen. Ich frage mich, warum die County-Behörde den Handel in diesem Land nicht schützt. Oder sie finden niemanden, der sich in dieses Drecknest wagt, weil er dort so einsam und allein wäre wie ein Hund unter Wölfen.«

Er verstummt grimmig.

Der jüngere Mann neben ihm nickt heftig und spricht klirrend: »Wahrscheinlich würde dort ein Gesetzesmann nicht lange leben, denn er hat dort allein keine Chance. Die wenigen Guten dort fürchten sich.«

»Wir werden sehen«, erwidert Jake Clayton und fragt: »Kommen Sie wieder durch Casa Coronado, Mister?«

Er sieht bei seiner Frage den älteren Mann an.

»Ich muss ja«, knurrt dieser. »Ich lade auf der Rückfahrt Blei und Kupfer aus den Minen, zu denen ich jetzt Proviant und viele andere Waren bringe. Ich versorge an die tausend Minenleute in diesem Gebiet. Und so werde ich wahrscheinlich in etwa drei bis vier Wochen wieder durch Casa Coronado müssen. Die werden grinsend auf mich warten am Black Lake dicht bei der Stadt und der Grenze.«

Er hat nun alles gesagt und will sich mit seinem Begleiter erheben.

Da spricht Clayton ruhig: »Mister, ich kenne zwar Ihren Namen noch nicht, aber ich verspreche Ihnen, dass ich tun werde, was ich kann, damit Sie diesmal keinen Zoll zahlen müssen in diesem Banditennest.«

Die beiden Männer halten inne und starren ihn an.

Da sagt er: »Mein Name ist Jake Clayton. Ich bin der Sheriff von Casa Coronado.«

Er sieht den jüngeren Mann an, den er für einen Revolvermann hält, den sich der Wagenboss zum Schutze hält.

»Freund«, sagt er und grinst schmal, »es wagt sich nun das Gesetz doch nach Casa Coronado. Es gibt immer einen Anfang.«

Sie starren ihn staunend an.

Dann murmelt der Wagenboss: »Mein Name ist Herb Nelson. Und dies ist Johnny Fisher. In Casa Coronado waren drei Schrotflinten auf ihn gerichtet. Ich wollte nicht, dass er nach seiner Waffe griff. Nun, Sheriff, wir werden ja sehen, was sein wird, wenn wir wieder durch Casa Coronado kommen. Und wenn Sie beerdigt sind, dann werde ich Ihr Grab besuchen.«

Er erhebt sich und geht zur Tür.

Sein Leibwächter aber verharrt noch und starrt Clayton an.

»Oh, Mann«, murmelt er dann, »entweder sind Sie verrückt oder ein ganz Großer unserer Zunft. Doch Ihren Namen habe ich noch nie gehört.«

Nach diesen Worten geht auch er.

✰✰✰

Die dritte Pferdewechselstation gehört schon zu Casa Coronado. Es waren nochmal an die vierzig Meilen, die Clayton reiten musste.

Als er auf dem letzten Hügel vor Casa Coronado verhält, da liegt die Stadt im Mond- und Sternenschein zu seinen Füßen.

Das Licht der Gestirne lässt den See neben den Häusern und Hütten silbern leuchten. Clayton sieht eine Menge gelber Lichter.

Vom Hügel aus wirkt alles so friedlich.

Er reitet dann langsam im Schritt hinunter.

Wenig später erreicht er die ersten Adobehütten, dann auch den Wagenhof mit dem Mietstall und der Schmiede. Er biegt in den Hof ein. Aus dem offenen Stall kommt ein Mann gehinkt und betrachtet ihn im Licht der Gestirne. Das gelbe Licht der Stalllaterne reicht nicht bis zu ihm.

Der Stallmann blickt zu ihm auf und fragt: »Weit und lange geritten? Die Pferde brauchen jetzt was Gutes, nicht wahr? Soll ich mich ihrer annehmen oder wollen Sie einen Dollar sparen und es selbst tun?«

»Hier ist der Dollar«, erwidert Clayton und wirft ihm das Geldstück zu.

Der hinkende Stallmann ist mit den Händen blitzschnell, denn er fängt den Dollar wie eine Fliege trotz der schlechten Beleuchtung.

Clayton sitzt ab und spricht: »Mein Gepäck hole ich später.«

»Aaah, wollen Sie länger in unserer fairen und noblen Stadt bleiben?« Der Stallmann hat bei seiner Frage einen Klang von Sarkasmus – also schneidenden Spott – in der Stimme.

Clayton aber erwidert nichts, sondern macht sich auf den Weg.

Er ist durstig und hungrig.

Er kommt am Holzplatz und der Schreinerei vorbei. Schräg gegenüber erkennt er eine Sattlerei. Dann erreicht er den Barbierladen mit der Badeanstalt. Und auf der anderen Straßenseite ist ein großer Store.

Es ist wie überall in solchen Städten. Geschäfte und Wohnhäuser reihen sich aneinander. Es ist alles ganz normal.

Dann erreicht er den ersten Saloon, der eine Mischung aus halb mexikanischem und halb angloamerikanischem Stil ist.

Er tritt ein. Sein schneller Blick fliegt in die Runde. Er schätzt die Anzahl der Gäste auf etwa zwei Dutzend.

Der Wirt hinter dem Schanktisch betrachtet ihn kritisch und fragt: »Bier, Tequila, Pulque – und was zum Beißen?«

»Bier und ein Steak, mexikanisch mit Gemüse«, erwidert Clayton. Er sieht dem Wirt an, dass dieser mal Preiskämpfer war. Er erkennt es an den Narben im Gesicht des Mannes und besonders an dessen Blumenkohlohren. Solche Ohren bekommt man von harten Fäusten geschlagen, die auch das schönste Ohr zu Blumenkohl zerhämmern können, wenn die Deckung nicht stimmt.

»Es sind genügend Plätze frei«, sagt der Wirt und grinst. »Und Sie bekommen das beste Steak auf hundert Meilen in der Runde ...«

Clayton nickt nur. Er nimmt das Bier mit zu einem Tisch und setzt sich. Als er das Glas erst halb geleert hat, kommt ein Mann zu ihm an den Tisch und setzt sich. Der Mann ist zur Hälfte mexikanischer Abstammung.

Wahrscheinlich trägt er in einer Nackenscheide einige Wurfmesser. Clayton kann das erkennen, weil das Rüschenhemd des Mannes im Nacken nicht anliegt.

»Fremd hier, nicht wahr?« So fragt der Bursche und lässt unter seinem schwarzen Schnurrbart scharf und herausfordernd weiße Zähne blinken.

Clayton aber sagt: »Hombre, ich habe dir nicht gesagt, dass du dich setzen sollst. Also hau wieder ab.«

Der Mann staunt ungläubig. Dann blickt er in Claytons stahlblaue Augen und erkennt darin etwas.

Es ergeht ihm etwa wie einem Mann, der zu spät erkannt hat, dass der Hund ein Wolf ist.

Und alle im Raum, die das Geschehen beobachteten, auch alles hören konnten, begreifen nun, dass ein harter Mann nach Casa Coronado kam.

Jemand lacht in der Ecke und spricht halblaut: »Ay, Snake, was nun?«

Doch jener Snake erhebt sich wortlos und verschwindet aus dem Saloon.

Clayton aber leert das Bierglas. Der Wirt bringt ihm ein zweites.

Als er es vor Clayton auf den Tisch stellt und nach dem leeren Glas greift, da fragt Clayton ruhig: »Wer war das?«

»Das war Snake«, grinst der Wirt. »Der macht sich an alle Fremden ran. Er hat noch einen anderen Namen, aber hier wird er nur Snake genannt. Sie haben ihn soeben gedemütigt. Das wird er nicht auf sich sitzen lassen. Der wirft Ihnen ein Messer in den Rücken.«

Nachdem der Wirt das kalt und hart gesagt hat, kehrt er wieder hinter den Schanktisch zurück.

Wenig später bringt er Clayton das Steak aus der Küche und fragt: »Wollen Sie diese Nacht bleiben? Meine Schwester betreibt eine kleine Pension. Es ist nur vier Häuser weiter.«

Er zögert zwei lange Atemzüge lang, will sich schon zum Gehen wenden. Doch dann fragt er: »Wenn Sie wegen irgendwelcher Geschäfte hier sind, brauchen Sie dann Auskünfte? Denn Sie sind doch gewiss fremd in unserer Stadt.«

»Nicht mehr lange, mein Freund«, erwidert Clayton lächelnd. »Casa Coronado wird mich bald gründlich kennenlernen. Vielleicht entsteht dann eine innige Freundschaft zwischen mir und dieser Stadt.«

Als er verstummt, werden die Augen des bulligen und schwergewichtigen Wirts ganz schmal, und er senkt den Kopf wie ein Toro, der einen Feind auf die Hörner nehmen will. Doch dann grinst er, sagt: »Nun gut.« und geht hinter den Schanktisch zurück, wo er Gläser zu spülen beginnt.

Jake Clayton isst mit Appetit, und er spürt, dass er von allen Seiten beobachtet wird.

Doch das ist für ihn sehr verständlich. In diesem Ort an der Grenze halten sich gewiss Männer auf, welche Schatten auf ihrer Fährte haben.

Und so müssen sie entweder mit Kopfgeldjägern oder mit Rächern rechnen.

Jeder Fremde, der hier auftaucht, könnte solch ein Verfolger sein.

Als Clayton seine Abendmahlzeit beendet hat, legt er einen Dollar für seine Zeche auf den Tisch und erhebt sich.

Er hat inzwischen festgestellt, dass die kleine Tür rechts neben dem Schanktisch zum Hof hinausführt.

Als er zu dieser Tür geht, sagt der Wirt: »Ja, dieser Snake wird in der Gasse lauern und denken, Sie kämen ahnungslos durch die Vordertür heraus. Gut, gut, Mister!«

Er hat zuletzt ein grimmiges Lachen in der Kehle. Clayton hält inne und betrachtet den Wirt nochmals. Er wird nicht so recht schlau aus dem Mann und fragt sich in diesem Moment, ob der einstige Preiskämpfer zu den Guten oder Bösen in dieser Stadt gehört.

Er fragt ihn: »Wie ist eigentlich Ihr Name? Meiner ist Clayton, Jake Clayton.«

Der Wirt grinst mit seinen narbigen Lippen, die von harten Fäusten in vielen Kämpfen zerschlagen wurden.

»Ich bin Jedson Bullock«, spricht er. »Und man nannte mich einst den Hammer vom Mississippi. Schon mal von mir gehört? Ich war zwei Jahre lang zwischen New Orleans und Saint Louis ungeschlagen.« Er verstummt wie ein Mann, welcher stolz auf seine Vergangenheit ist.

Clayton schüttelt den Kopf.

»Nein, ich habe nie von Ihnen gehört«, spricht er.

Dann öffnet er die Tür und tritt hinaus in den Hof, schiebt sich sofort an der Hauswand zur Seite. Er verharrt in der Dunkelheit. Hier im Hof brennt keine Laterne.

Er macht sich auf den Weg in die schmale Gasse, die neben dem Saloon nach vorn zur Hauptstraße führt, und er bewegt sich leise wie ein Schatten, bis er jenen Snake erreicht, der in der Gassenmündung verharrt und wieder einmal um die Hausecke späht.

Er fragt ihn ganz ruhig: »Wartest du auf mich, Snake?«

Dieser reagiert wahrhaftig so blitzschnell wie eine Schlange, welche sich bedroht fühlt und mit ihren Giftzähnen zubeißen will.

Snake duckt sich und wirbelt herum. Sein Messer – welches er auf Clayton werfen wollte, wäre dieser durch den Vordereingang herausgekommen – blinkt im Halbdunkel.

Nun will er es Clayton aus der geduckten Haltung von unten herauf in den Bauch stoßen. Doch Clayton fasst zu wie nach einer zustoßenden Schlange.

Und dann bricht er dem Messerhelden über seinem Knie den Arm wie einen Holzknüppel. Er ist jedoch noch nicht fertig mit jenem Snake. Erst als er dessen Gesicht zweimal gegen die Hauswand gestoßen hat, lässt er ihn fallen, steigt über ihn hinweg und wendet sich nach rechts, um seinen ersten Rundgang durch Casa Coronado zu beginnen.

Ja, in ihm ist ein grimmiger und bitterer Zorn.

Doch was hätte er tun können?

Er besitzt noch kein Office mit einigen Gitterzellen. Er hätte Snake nicht einsperren können, sondern war gezwungen, ihn auf diese Art unschädlich zu machen. Sonst wäre dieser Kerl hinter ihm hergeschlichen und hätte es bei der ersten günstigen Gelegenheit erneut versucht.

Was für ein Empfang, was für eine Begrüßung!, so denkt er.

Und er beginnt jetzt schon zu ahnen, dass er sich eines Tages gewiss fragen wird, warum er sich das angetan hat, hier den Stern zu tragen.

Das nächste Haus ist eine Waffenhandlung und die Werkstatt eines Waffenschmieds oder Büchsenmachers.

Drinnen im Laden brennt noch Licht. Durch das Auslagenfenster kann er eine junge Frau sehen, die in der Ecke an einem Tisch sitzt und im Licht einer Lampe offenbar eine Taschenuhr repariert. Und so nimmt er an, dass hier nicht nur Waffen verkauft und repariert werden, sondern auch Uhren.

Und weil seine Nickeltaschenuhr schon seit einiger Zeit immer stärker nachgeht, entschließt er sich und tritt ein.

Eine silbern bimmelnde Glocke klingt melodisch.

Die junge Frau kommt von ihrem Arbeitstisch zu ihm an den Ladentisch. Ihr grünäugiger Blick ist prüfend, aber es ist nicht dieser Blick, der ihn staunen lässt. Denn er sieht eine wunderschöne Frau. Ja, sie ist schön auf eine rassige Art. Ihr schwarzes Haar glänzt im Lampenschein. Auf der Nase hat sie ein paar Sommersprossen, und das gefällt ihm. Ihr Mund ist geschwungen und ausdrucksvoll. Dieser Mund verrät viel über ihre Gefühle.

Im Moment sind sie misstrauisch, prüfend, wachsam.

Er lächelt sie an, und dieses Lächeln verändert sein Gesicht ganz und gar. Es wirkt nun jünger. Wer ihn so sieht nach dieser Veränderung seines Ausdrucks, der ahnt, dass dieser vorhin noch so hart wirkende Mann zwei Seiten hat – nämlich eine, welche hart und unerbittlich ist – und eine andere, die sanft und fröhlich sein kann, lebenslustig und aufgeschlossen.

Sie spürt das auf der anderen Seite des Ladentisches, streicht sich eine Haarsträhne aus der Stirn und erwidert sein Lächeln, sodass auch ihr Gesicht sich verändert, weicher und noch schöner wirkt.

»Ich habe eine alte Uhr, welche immer mehr nachgeht«, murmelt er. Er sieht dabei in ihre grünen Augen und verspürt bis tief in seinen Kern hinein einen Zauber.

Ja, es geht von ihr ein Zauber aus. Und so fragt er sich verwundert: He, was ist das? Ist sie ein Engel, der sich nach hier verirrt hat?

»Dann zeigen Sie mir diese Uhr«, hört er sie sagen, und ihre Stimme verstärkt den Zauber noch mehr, der von ihr ausgeht.

Er holt endlich die Nickeluhr aus der Westentasche und legt sie vor sie auf den Ladentisch.

»Es ist eine alte, einfache Uhr«, murmelt er. »Aber sie gehörte meinem Vater. Deshalb sollte sie noch lange leben.«

Sie nimmt die Uhr, klappt sie hinten auf und betrachtet das Werk.

Dabei spricht sie ernst: »Ja, eine Uhr lebt. So ist es. Eine Uhr ist voller Leben. Und man muss sie pflegen wie ein Lebewesen. Diese hier ist verharzt und müsste gründlich überholt werden. Ich müsste sie total auseinandernehmen. Aber das kostet mehr als eine neue Uhr dieser Art. Es ist eine billige Uhr.«

»Nicht für mich, Ma'am«, erwidert er. »Mein Name ist Clayton, Jake Clayton. Ich bin heute erst hier angekommen und werde eine Weile in dieser Stadt bleiben. Sie haben also Zeit für die Reparatur.«

Sie blickt wieder fest in seine stahlblauen Augen und spürt die von ihm ständig ausgehende Kraft, die etwas Greifbares hat. Jedenfalls verspürt sie dieses Gefühl ganz plötzlich.

Und so erwidert sie: »Ich bin Josie West. Ich führe hier den Laden und die Werkstatt meines Vater weiter und bin zugleich Uhrmacherin. Ich habe beide Geschäft vereint. Doch hier tragen oder besitzen die Menschen nur wenige Uhren. Bei Waffen ist das anders.«

Er staunt. »Sie sind Waffenmeisterin?«

»Auch«, lächelt sie. »Ich wollte meinem Vater stets den Sohn ersetzen, den er leider nicht bekommen konnte. Und so erlernte ich beide Berufe. Aber warum eigentlich erzähle ich Ihnen das alles? Kommen Sie in drei Tagen Ihre Uhr abholen.«

Sie verstummt spröde und irgendwie zornig über sich selbst.

Er lacht leise und erwidert: »Was ist falsch daran? Ich würde gerne noch eine Menge mehr über Sie wissen. Doch das wird sich gewiss noch ergeben. Wir haben Zeit, uns besser kennenzulernen. Denn ich bleibe lange in dieser Stadt.«

Er greift an die Hutkrempe, verbeugt sich leicht und geht hinaus.

Und als sich die Tür hinter ihm geschlossen hat, da starrt sie noch eine Weile auf die Tür, so als könnte sie ihn dort noch sehen.

Und sie flüstert leise: »He, Josie, was ist geschehen? Da ist nur ein neuer Mann nach Casa Coronado gekommen, mehr nicht. Und auch er wird einer dieser zweibeinigen Tiger sein.«

Sie nimmt die Uhr und geht zu ihrem kleinen Werktisch in der Ecke zurück.

✰✰✰

Jake Clayton geht weiter. Im nächsten Haus ist eine Schneiderei für Ladys und Gentlemen. Im erleuchteten Schaufenster sind auch Hüte ausgestellt, auch ganz verrückt wirkende Damenhüte.

Er grinst und geht weiter. Doch nun weiß er, dass es Frauen in Casa Coronado geben muss – auch solche des ältesten Gewerbes auf dieser Erde. Denn sonst gäbe es hier nicht so verrückt gemachte Hüte zu kaufen.

Das nächste Haus ist jene Pension, die der Wirt ihm empfohlen hat.

Auf der Veranda knarrt ein Schaukelstuhl. Aus einem der Fenster fällt Lichtschein. Er hält inne und erkennt im knarrenden Schaukelstuhl eine unförmig wirkende Frau.

Aber ihre Stimme klingt melodisch und warm, so als gehörte sie zu einer Schönheit.

»Wollen Sie zu mir, Fremder? Ich bin Mrs Lisa Bullock.«

»Wenn Sie für mich ein Zimmer frei haben, Ma'am«, erwidert er. »Ihr Bruder hat mich auf Ihre Pension aufmerksam gemacht.«

Sie lacht leise. Es ist ein angenehmes Lachen.

»Aaah, Jedson schickt mir immer Gäste, weil er glaubt, dass ich sonst verhungern würde. Kommen Sie herein, Fremder. Sehen Sie sich das Zimmer an. Und über das Frühstück werden Sie sich nicht beklagen müssen.«

Sie erhebt sich aus dem Schaukelstuhl, und nun sieht er, dass sie eine gewaltige Walküre ist, ein Riesenweib mit einem kleinen Kopf, der überhaupt nicht zu ihrem Körper passt.

Und weil sich dieser Kopf nun im aus dem Fenster fallenden Lichtschein befindet, kann er erkennen, dass es ein wunderschöner Kopf ist, der genau zu ihrer Stimme passt.

Aber ihr unförmiger Körper ...

Er spricht schnell. »Ich nehme das Zimmer unbesehen, Ma'am. Mein Name ist Clayton, Jake Clayton. Mein Gepäck ist noch bei meinen Pferden im Mietstall.«

»Das lasse ich sofort von Pedro holen«, spricht sie. »Kommen Sie, wann Sie wollen. Ich muss Ihnen jedoch gewiss nicht sagen, dass dies hier eine böse Stadt ist, Mister Clayton?«

»Nein, das müssen Sie nicht, Mrs Bullock.« Er hat ein grimmig klingendes Lachen in der Kehle. Dann geht er weiter.

Und auch diese Frau starrt ihm nach, als er schon verschwunden ist und flüstert: »Oha, es ist wohl ein neuer Tiger gekommen. Aber Jedson hat ihn mir geschickt.«

Indes geht Jake Clayton weiter, und er wundert sich über diese Stadt.

Denn sie wirkt sehr ruhig und still. Es herrscht kaum Betrieb – auch nicht in den anderen Saloons, Bodegas und Cantinas.

Aus einer dieser Cantina tönen Gitarrenklänge und klappern Kastagnetten. Er hält inne und blickt durch den offenen Eingang.

Drinnen tanzt eine rassige Mexikanerin einen spanischen Tanz.

Die Mehrzahl der Gäste ist mexikanischer Abstammung, zumeist sind es Maultiertreiber und Schafhirten.

Und sie alle sind hingerissen von der Darbietung. Clayton geht weiter. Vor ihm öffnet sich die Plaza. Es ist ein schöner Platz mit alten Bäumen und einem Brunnen. Die Quelle, welche hier sprudelt und den Brunnen füllt, bekommt von irgendwoher Druck. Denn der Brunnen läuft über und füllt ein Bassin. Doch Clayton achtet nicht so sehr auf den Brunnen. Es ist ein ziemlich großes Bauwerk, welches sein ganzes Interesse auf sich zieht.

Er weiß sofort, dass er die Casa Coronado sieht. Das Gebäude, welches die alten Spanier einst als Stützpunkt errichteten, ist wie ein Fort aus Steinen gebaut.

Und später scharten sich die Hütten und Häuser um dieses Fort.

Ja, es sieht trutzig aus. Und es hat Jahrhunderte überdauert.

Er hält beim Brunnen inne und blickt hinüber.

Aus der Einfahrt zum Innenhof fällt Lichtschein. Und auch die schießschartenartigen Fenster in den Mauern aus Bruchsteinen lassen gelbes Licht nach außen fallen.

Vor der Einfahrt zum Innenhof aber steht ein Mann. Er trägt eine doppelläufige Schrotflinte in der Armbeuge und bewacht ganz offensichtlich den Zugang.

Auf dem Rand des Brunnenbeckens hockt ein kleiner Mann und wäscht sich die Füße. Er lacht zu Clayton herüber, den er offensichtlich im Mond- und Sternenschein als Fremden einschätzt und ruft halblaut herüber: »Hoi, Mister, da staunen Sie wohl, nicht wahr? Die alten Dons haben für die Ewigkeit gebaut. Aber solche Mauern brauchten sie wohl auch, um nicht von den Apachen massakriert zu werden. Dann die haben ja damals sogar den alten Francisco de Coronado aus dem Land und zurück nach Mexiko gejagt. Sie sind wohl neu hier, Mister?«

Clayton setzt sich wieder in Bewegung und geht zum Brunnen, verharrt neben dem kleinen Mann, der seine nackten Füße immer noch im sprudelnden Wasser lässt.

»Das ist gutes Heilwasser«, sagt der Kleine und grinst unter seinem großen Hut. »Viele Leute baden hier immer wieder ihre Füße. Und meine sind schon alt. In diesem Wasser muss Magnesium sein. Das löst die Krämpfe, wenn man zu starke Krampfadern hat. Aber Sie, Mister, sind ja noch jung. Sie kennen diese Probleme nicht, oder?«

»Nein«, erwidert Clayton und setzt sich auf den Rand des Bassins, lässt seine Füße jedoch auf der trockenen Seite am Boden stehen.

»Wer lebt denn in diesem Kastell?« Er fragt es höflich.

Der kleine Mann lacht wieder.

»Das ist die Burg von Duke James«, kichert er. »Und alle Lebewesen in Casa Coronado leben in seinem Schatten. Wenn er will, kann er alles hier in seinem Schatten verdorren lassen. Aber so ist es wohl überall auf unserer Erde. Es gibt Große, die ihre Schatten werfen – und Kleine, die in diesem Schatten leben. Ist es nicht so?«

»Sie sind wohl ein Philosoph.« Clayton grinst und holt sein Rauchzeug hervor, um sich eine Zigarette zu drehen. Dann bietet er Tabaksbeutel und Blättchen seinem Nachbarn an und fragt: »Wollen Sie?«

»O ja, auch ich gehöre zu den Süchtigen«, lacht der kleine Mann und bedient sich. Er besitzt eine unwahrscheinliche Fingerfertigkeit und dreht sich blitzschnell eine Zigarette.

Eine Weile rauchen sie schweigend und betrachten sich im Licht der Gestirne. Es ist eine sehr helle Nacht, und dort, wo das Mondlicht nicht hinfallen kann, da sind tiefe Schatten.

Der kleine Mann ist schon alt. Clayton schätzt ihn auf mehr als sechzig Jahre.

Er fragt nach einer Weile: »Ein Duke James lebt also in diesem Kastell?«

Der kleine Mann lacht wieder leise und erwidert etwas kichernd: »Der große Gott lebt im Himmel. Wir hier in Casa Coronado haben auch einen Gott. Ja, und er wohnt dort in diesem Kastell und heißt James Hoker. Aber er freut sich stets, wenn man ihn Duke nennt. Und Duke, dies bedeutet Herzog, nicht wahr?«

Clayton nickt. Er betrachtet den kleinen Mann und wird sich endgültig darüber klar, dass dieser kein primitiver und ungebildeter Mensch ist. Denn seine Ausdrucksweise verrät eine gewisse Bildung.

Und so fragt er geradezu: »Warum leben Sie hier, Mister?«

Und wieder lacht der Kleine unter seinem großen Hut.

Er schwingt seine Füße aus dem Becken und wendet sich in die andere Richtung. Denn dort stehen seine alten Stiefel. Es sind Apachenstiefel. Er hat einige Mühe, seine nassen Füße in die Stiefel zu bekommen.

Als er es geschafft hat, spricht er ernst: »Ach, ich sammle dort draußen im weiten Umkreis Leichen – Kakteenleichen, keine menschlichen. Hier sind vertrocknete Kakteen das einzige Brennmaterial. Sie brennen besser als trockener Büffelmist, den man im Norden auf der Hochprärie zum Feuermachen verwendet. Ich versorge alle Küchenöfen von Casa Coronado mit Kakteenleichen. Das ist mein Job. Davon leben ich und meine beiden Maultiere, die meinen Wagen ziehen. Ich bin Bac Wannagan. Und wer sind Sie, mein junger Freund?«

»Jake Clayton ist mein Name. Erzählen Sie mir doch was über diesen Duke James Hoker. Dieser ist wohl ein harter Mann – oder?«

Bac Wannagan schweigt einige Atemzüge lang, so als zögerte er und müsste sich erst zu einer Antwort durchringen.

Doch dann spricht er ernst: »Dieser Duke ist böse und gnadenlos. Und seine Männer sind von der Sorte, die auf der Flucht vor dem Gesetz ist. Sie fanden hier eine Zuflucht, weil es hier kein Gesetz gibt, nur die Macht von Duke James. He, Jake Clayton, was hat Sie hergeführt nach Casa Coronado? Sind auch Sie auf der Flucht? Doch wenn Sie bei James Hoker unterkriechen wollen, dann müssen Sie ohne Gewissensbisse töten können. Können Sie das? Sind Sie ein Revolvermann der bösen Sorte?«

Clayton gibt ihm auf seine klare Frage keine Antwort, sondern denkt erst noch nach, befragt auch seinen Instinkt.

Dann fragt er: »Was haben Sie vorher gemacht, Bac Wannagan – ich meine, bevor Sie trockene Kakteen zu sammeln begannen?«

Bac Wannagan schweigt lange. Dann fragt er: »Kann ich mir aus Ihren Beutel noch mal eine Zigarette drehen?«

Clayton holt wortlos den Tabaksbeutel hervor und reicht ihn Wannagan.

Dieser nimmt sich Zeit. Erst als die Zigarette brennt und er einige Züge gemacht hat, spricht er: »Ich weiß nicht, Jake Clayton, warum ich Ihnen diese Frage beantworte. Aber ich möchte es tun. Ich war mal in Boston Professor für Geschichte. Aber das ist schon lange her. Ich habe es fast vergessen. Etwa dreißig Jahre ist das schon her. Ich hatte auch eine schöne Frau. O ja, sie war wunderschön. Leider betrog sie mich mit einem meiner Kollegen, den ich für meinen Freund hielt. Ich habe ihn dann erschossen, als er im Bett auf meiner Frau lag. Dann war ich ständig auf der Flucht, bis ich nach all den langen Jahren hier gelandet bin. Jetzt wissen Sie eine Menge von mir, mein junger Freund. Aber ich musste das wohl mal loswerden. Und nun sind Sie an der Reihe, Jake Clayton.«

Dieser nickt langsam.

Dann entschließt er sich aus einem Instinkt heraus, einer inneren Stimme, die ihn dazu treibt.

Und so spricht er ruhig: »Ich trage einen Stern in der Tasche. Ich wurde hergeschickt, um hier in Casa Coronado dem Gesetz Geltung zu verschaffen. Es kamen zu viele Beschwerden zum Gouverneur.«

Als er verstummt, da lacht Wannagan schallend.

Dann keucht er vor sarkastischem Vergnügen: »Aber was ich damals tat, geschah in Boston, in einem ganz anderen Staat.«

»Ich hätte an Ihrer Stelle den Liebhaber meiner Frau auch erschossen«, erwidert Jake Clayton. »Und was taten Sie mit Ihrer Frau?«

»Nichts. Sie war zu schön, um getötet zu werden. Ja, sie war ein Kunstwerk der Schöpfung, welches ich nicht zerstören konnte. Denn ich war ja damals ein Schöngeist, hahaha!«

Er krümmt sich vor Lachen.

Dann aber wird er ernst und spricht: »Sheriff, Sie werden hier nicht lange leben. Mein Junge, Sie tun mir leid. Warum tun Sie sich das an? Die Menschen werden es Ihnen nicht danken.«

Er will sich erheben. Doch dann sieht er, dass der Wächter vor dem Eingang des Innenhofes herüberkommt, und bleibt neben Clayton auf dem Bassinrand sitzen.

Der bullige Mann mit der Schrotflinte verhält vor ihnen und wippt auf den Stiefelsohlen.

»He, du alter Zwerg«, sagt er und grinst, »erzählst du wieder Witze? Ich hörte euer Lachen. Also lass mich mitlachen. Was war das für ein Witz?«

Wannagan und Clayton schweigen einige Atemzüge lang. Da richtet der Mann die Doppelmündung auf sie: »Los, ich will hören, worüber ihr gelacht habt. Oder ich putze euch vom Rande des Beckens. Also, verdammt, auch ich will mal lachen!«

Seine Stimme klingt wütend. Er ist denkbar schlecht gelaunt, weil er Wache halten muss.

»Nur ruhig«, spricht Wannagan. Dann fragt er: »Kennst du die Geschichte von der Frau mit den drei Scheiteln, Fargo?«

»Kenne ich nicht«, knurrt Fargo, denn so heißt der Mann. »Aber du wirst sie mir ja gleich erzählen. Und dann kenne ich sie. Also?«

»Ach, die hatte soeben geheiratet«, beginnt Wannagan. »Und da sagt sie zu ihrem frisch angetrauten Mann: He, Mausebär, wenn ich meinen Scheitel links trage, dann habe ich Migräne, wenn ich den Scheitel rechts trage, dann habe ich meine Tage. Doch wenn ich den Scheitel in der Mitte trage, da bin ich scharf auf einen Mann. Hast du das kapiert, mein Mausebär? Und er antwortet: O ja, meine Honigmaus. Aber auch ich habe meine Eigenarten. Ich trinke vor dem Frühstück einen Whisky und vor dem Mittagessen zwei. Am Abend aber trinke ich eine ganze Flasche. Und dann sind mir deine drei Scheitel scheißegal. Hast du das auch verstanden, Honigmaus?«

Als Wannagan verstummt, da krümmt sich der Wächter vor Lachen und geht zu seinem Platz vor der Casa zurück.

»Dem muss ich immer wieder Witze erzählen«, knurrt Wannagan. »Manchmal fallen mir aber keine neuen mehr ein. Dieser Fargo ist ein verdammtes Arschloch. Der heißt eigentlich Jennison, aber er fuhr mal für die Fargo-Postlinie Kutschen. Deshalb nennen sie ihn alle so. Er hat dann mal mit Banditen gemeinsame Sache gemacht und wird nun steckbrieflich gesucht. Oh, der hat eine Menge auf dem Kerbholz.«

Er erhebt sich nun und verharrt vor Clayton.

»Viel Glück, Sheriff. War nett, Sie kennengelernt zu haben. Ich bade hier stets nach dem Abendessen meine Beine. Vielleicht sieht man sich mal wieder.«

Er geht mit kleinen Schritten davon.

Clayton aber bleibt noch eine Weile auf dem Beckenrand sitzen und starrt auf die Casa Coronado.

Er verspürt ein ungutes Gefühl und weiß es zu deuten.

Denn je länger er auf das steinerne Kastell blickt, desto stärker spürt er die Bedrohung, die von dort herüber weht wie ein Atem. Er erhebt sich endlich und geht zurück zu seinem Quartier.

Als er auf die Veranda kommt, da sitzt die unförmige Frau immer noch im Schaukelstuhl. Die kleine Stadt ist inzwischen etwas lebhafter geworden. Es kamen einige Reiter herein, deren Pferde nun vor den Saloons und Cantinas stehen.

Lisa Bullock spricht mit ihrer schönen und melodischen Stimme: »Ihre Sachen hat Pedro aufs Zimmer gebracht. Es ist oben die dritte Tür rechts. Haben Sie noch Wünsche?«

»Nein, Ma'am«, erwidert er. »Ich habe keine Wünsche mehr.«

Er tritt ein. Die Treppe ist schwach beleuchtet. Oben findet er sein Zimmer schnell. In einem Krug steht genügend Wasser neben dem Waschtisch.

✰✰✰

Als er am nächsten Morgen erwacht, da bleibt er erst einmal bewegungslos liegen und hält alles für einen Traum.

Doch dann fällt ihm jene schöne Frau aus dem Waffen- und Uhrenladen wieder ein.

Heiliger Rauch, denkt er, was ist sie für ein Wunder in dieser armseligen Stadt, die von einem Despoten beherrscht wird, gegen den ich wahrscheinlich allein stehe.

Ihm fällt auch der alte Mann wieder ein, der sich im Brunnenbecken die Füße wusch.

Ja, Clayton glaubt, dass Bac Wannagan tatsächlich einmal Professor in Boston war, an einer noblen Universität. Und so ist dies wieder einmal mehr ein Beweis für ihn, dass jeder Mensch sein vorbestimmtes Schicksal hat, gegen das es kein Gegenankämpfen gibt.

Er erhebt sich endlich, denn er muss ja etwas in Gang bringen.

Er geht wenig später hinunter zum Frühstück.

Die bei Tageslicht noch unförmiger und gewaltiger wirkende Lisa Bullock bringt ihm Kaffee, Eier mit Speck und frische Biskuits aus der Küche. Ihr schönes Gesicht wirkt freundlich.

»Nun, Mister Clayton, wie gefällt Ihnen unsere Stadt?« So fragt sie sanft.

Er lächelt von seinem Sitz aus zu ihr hoch.

»Das kann ich erst sagen, wenn ich Duke James Hoker kennengelernt habe«, erwidert er. »Wie ich da und dort hörte, ist er hier der große Bulle im Corral, und diese Stadt lebt in seinem Schatten.«

»So ist es«, erwidert sie und geht bis zu der offenen Küchentür. Dort hält sie noch einmal inne und spricht von dort: »Ihre Pferde wurden scharf geritten. Ich weiß es von Pedro. Sind Sie auf der Flucht, Mister Clayton? Oder warum sonst wollten Sie so verdammt schnell hierher, einem Ort dicht an der Grenze? Halt, Mister! Ich frage nicht aus Neugierde, sondern will Ihnen klarmachen, dass sich auch James Hoker diese Frage stellen wird. Der weiß längst, dass ein Fremder von Ihrer Sorte kam, der es verdammt eilig hatte, nach Casa Coronado zu kommen.«

Nach diesen Worten geht sie in die Küche zurück. Dort hört er sie hantieren und mit Geschirr klappern. Dazu singt sie. Ihre Stimme klingt wie die einer ausgebildeten Sängerin. Und so fragt er sich, was diese Frau und deren Bruder hierher verschlagen hat.

Aber er weiß, er wird dies alles noch erfahren, wenn er lange genug am Leben bleibt.

Und so macht er sich nach dem Frühstück auf den Weg.

Eigentlich will er zuerst zum Mietstall, um dort nach seinen beiden Pferden zu sehen. Sein grauer Wallach musste neue Eisen haben. Also muss Clayton mit dem Schmied reden.

Auf der einzigen richtigen Straße von Casa Coronado ist nicht viel Betrieb.

Der Sattler sitzt neben dem Eingang seines Ladens und näht neue Steigbügelbänder an einen Sattel. Er blickt auf, als Clayton bei ihm verhält, und fragt: »Brauchen Sie etwas aus meinem Laden – einen Sattel, Chaps oder Satteltaschen? Bei mir bekommen Sie alles.«

»Nein, ich brauche nichts«, erwidert Clayton. Dann fragt er: »Die Geschäfte hier gehen wohl nicht besonders gut – oder?«

Der Sattler weicht seinem Blick aus und murmelt: »Ich kann mich nicht beklagen, Mister. Dies ist eine hübsche, kleine, freundliche Stadt. Und sie wird von Duke James beschützt. Was wollen wir mehr?«

Die letzten Worte klingen bitter.

»Dann seid ihr alle hier wohl so richtig glücklich.« Clayton grinst und geht weiter.

Ja, er spürt nun ein Gefühl des Ärgers, fast schon Zorn. Als er nach einigen Dutzend Schritten das nächste Haus erreicht, wird dort ein großer Wagen mit Hausrat beladen. Ein Mann, eine Frau und zwei größere Kinder sind damit beschäftigt.

Am Haus ist ein Schild befestigt, auf dem man lesen kann, dass hier ein Brunnenbauer wohnte, der auch Pumpen und Windräder verkaufte.

Clayton hält inne und betrachtet das Haus. Es ist ein einfaches Haus, doch aus Bruchsteinen gemauert. Und es gibt eine Hofeinfahrt zu Nebengebäuden, also Lagerschuppen und einer Werkstatt.

Der Mann – wahrscheinlich ist er der Brunnenbauer – kommt mit einer Kiste aus dem Haus und hebt sie auf den Wagen.

Dann wendet er sich Clayton zu, hat einen fragenden Ausdruck in den Augen.

Und so fragt Clayton: »Ziehen Sie fort?«

»Was bleibt mir übrig«, murmelt der Mann. »Ich kam mit meiner Familie her, weil ich darauf setzte, dass im weiten Umland Farmen oder zumindest Siedlerstätten entstehen würden, nachdem die Apachengefahr nicht mehr so schlimm ist. Ich wollte Wasseradern finden, Brunnen bauen, Windräder aufstellen. Auch kleine Pumpen in die Küchen wollte ich installieren. Aber das Umland hier hat keine Zukunft. Ja, ich verschwinde von hier.«

Er will sich abwenden und ins Haus zurück gehen.

Doch Clayton fragt: »Was ist mit dem Haus? Ist es schon verkauft?«

Der Brunnenbauer staunt ihn an. »Verkauft?« So fragt er. »Hier darf niemand ohne die Erlaubnis von Mister Hoker etwas verkaufen oder kaufen. Nein, ich gebe einfach alles auf und geh mit meiner Familie fort.«

Er will sich endgültig abwenden, doch Clayton fragt: »Und wenn Sie es verkaufen könnten, wie viel würden Sie dafür fordern?«

Nun staunt der Mann ihn abermals an, diesmal noch stärker und ungläubiger.

Dann aber erwidert er: »Es ist ein gutes Haus mit vier Räumen und oben einem Speicher. Ich habe es renoviert. Und im Hof sind Nebengebäude, ist auch ein Brunnen. In der Küche war eine Handpumpe, doch die habe ich abgebaut. Ich würde vierhundert Dollar fordern. Das wäre ein fairer Preis. Aber was ist hier in Casa Coronado schon fair?«

Seine Stimme klingt zuletzt verbittert.

Jake Clayton aber sagt: »Ich kaufe das Haus zu diesem Preis, wenn Sie die Handpumpe wieder installieren. Und Sie müssten zur County-Hauptstadt, um dort beim County Sheriff den Kaufpreis zu kassieren. Denn Sie bekommen hier von mir nur eine Zahlungsanweisung. Wollen Sie? Dann setzen wir da drinnen den Kaufvertrag auf.«

Der Brunnenbauer starrt ihn an, und man kann ihm ansehen, wie sehr sein Hirn nun arbeitet.

Nach einer Weile sagt er: »Aha, ich verstehe. Das Gesetz will herkommen. Doch ich will immer noch weg von hier mit meiner Familie. Mister, wir sind im Geschäft. Mein Name ist Tom Perrit aus Alabama. Wir sind im Geschäft.«

✰✰✰

In der nächsten halben Stunde wird den Bürgern von Casa Coronado immer mehr klar, dass der Fremde, der bei Lisa Bullock wohnt, eine Menge in Gang bringt.

Denn sie sehen ihn zum Schmied gehen und dann mit dem Schmied in der Werkstatt des Schreiners verschwinden.

Alle drei Männer verschwinden zusammen im Haus des Brunnenbauers, der mit seiner Familie inzwischen abgefahren ist.

Doch die Bürger von Casa Coronado hören nicht, was Jake Clayton drinnen den beiden Handwerkern erklärt. Sie hören ihn auch nicht fragen: »Wollen Sie die Aufträge annehmen und ausführen?«

Der Schmied und der Schreiner sehen sich an. Der Schreiner schwitzt heftig und muss sich mit seinem roten Schnupftuch das Gesicht abwischen.