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G.F. Unger ist der erfolgreichste deutschsprachige Western-Autor. Mit einer Rekordauflage von über 250 Millionen Exemplaren gehört er zur internationalen Spitzenklasse der Spannungsliteratur. Und das zu Recht!
Niemand vermag es wie er, die unermesslichen Weiten des amerikanischen Westens und die Stärke der unerschrockenen Männer, die sie erschlossen, zu beschreiben. Erleben Sie den amerikanischen "Wilden Westen", wie nur G.F. Unger ihn schildern kann: hart, authentisch, leidenschaftlich.
Dieser Sammelband enthält die Folgen 2368 bis 2370:
2368: Nur ein Marshalstern
Es war nur ein Stück Blech, das sich Jim Derrick an die Weste heftete, um für seinen Vater gegen Pat Fargos Killergarde zu kämpfen - aber es stand für Recht und Gesetz ...
2369: Das harte Spiel
Die Stunde der Abrechnung zwischen mir und Jim Hughan war gekommen. Doch statt um sein Leben zu betteln, machte er mir ein verblüffendes Angebot ...
2370: Mein Wort, Tom!
Eine enttäuschte Frau und die Mächtigen im County beschlossen Tom Overhoffs Untergang. Doch Tom hatte Freunde, die bis zum Letzten an seiner Seite standen ...
Der Inhalt dieses Sammelbands entspricht ca. 250 Taschenbuchseiten.
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Seitenzahl: 471
Veröffentlichungsjahr: 2019
G. F. Unger
Western-Bestseller Sammelband 7
Cover
Impressum
Nur ein Marshalstern
Vorschau
Nur ein Marshalstern
Der Siedler Jack Smith reitet von Norden her in die Stadt – und so klein und krumm er auch ist, er besitzt den Stolz eines echten Mannes. Denn auch ein kleiner, armer, mit sieben hungrigen Kindern geplagter Siedler kann stolz und furchtlos sein, und der Stolz ist sein kostbarster Besitz, den er sich nicht nehmen lässt – auch nicht von Patrick Fargos Leuten.
Jack Smith reitet auf der staubigen Fahrbahn in die Stadt. Er sitzt in einem alten Sattel, mit einem alten Colt im Hosenbund und auf seinem besten Ackerpferd. Ja, wie ein kleiner und entschlossener Kampfhahn kommt er in die Stadt Comanche geritten. Aber als er die Männer auf der Veranda des Bell Star Saloons erkennt, fühlt er sein Herz im Hals klopfen, und er muss mehrmals trocken schlucken.
Warum bin ich nicht von der Südseite her in die Stadt geritten?, denkt er bitter. Dann hätte ich nicht am Saloon vorbeireiten müssen.
Einen Moment fühlt er sich versucht, sein Vorhaben aufzugeben und die Stadt wieder zu verlassen. Aber da spürt er wieder seinen Stolz in sich.
»Sie werden es nicht wagen«, knurrt er heiser und reitet weiter …
Als er nur noch fünfzig Schritt von der Veranda des Bell Star Saloons entfernt ist, bewegt sich einer der drei Riesen, tritt die Stufen hinunter und stellt sich Jack Smith in den Weg.
Jack Smith hält dicht vor Noel Field an, beugt sich drahtig vor, zieht seine Augenbrauen zusammen und fragt: »Was willst du von mir, Field?«
»Das weißt du doch, Kleiner«, grinst der Riese und verzerrt dabei sein zerschlagenes und von vielen Zeichen harter Kämpfe geprägtes Gesicht.
»Das weißt du doch, Jacky«, wiederholt er und tritt dicht an Jack Smiths Steigbügel, sodass seine mächtige Brust Jacks Knie berührt.
Jack Smith schluckt wieder hart, aber dann sieht er fest in die gierigen Augen des einstigen Preiskämpfers und sagt: »Ich bin unterwegs zum Sheriff – und niemand wird mich aufhalten. Ich werde dem Sheriff schon die Augen über euch Halunken öffnen!«
»Aber Jacky!« Noel Field grinst. »Wir haben dir doch verboten, zum Sheriff zu gehen. Wir haben dir doch gesagt, dass du mit deiner Familie zu verschwinden hast. Und nun kommst du stolz in die Stadt geritten und willst eine Anzeige gegen uns erstatten? Du bist ein Narr, kleiner Jacky! Überdies ist der Sheriff gar nicht da. Also reite lieber wieder zurück, pack deine Siebensachen auf den Wagen und verschwinde! Du weißt doch, dass du so sehr verschuldet bist, dass dir deine Siedlerstätte schon gar nicht mehr gehört. Sei vernünftig, Jack! Ich müsste dich sonst vom Pferd holen und verprügeln. Mein Boss will es so, wenn du nicht zur Vernunft kommst. Also Jacky …«
»Genug!«, zischt Jacky Smith. »Ihr Schufte habt gestern meine Ernte abgebrannt, sodass ich jetzt meine Schuldzinsen nicht bezahlen kann. Ich habe euch erkannt. Ich werde dem Sheriff …«
Weiter kommt Jack Smith nicht. Obwohl er sein Pferd wieder antrieb und mit der Rechten schon an den alten Colt im Hosenbund griff, reißt ihn Noel Field jetzt mit einem einzigen Ruck aus dem Sattel. Jack Smith bekommt zwar den Colt frei, aber der riesige Muskelmann wirft ihn, mit dem Gesicht voraus, in den tiefen Staub der Fahrbahn und tritt dann auf Jacks Handgelenk.
Jack stöhnt vor Schmerz, aber er taumelt hoch und tritt nach den Schienbeinen des fast doppelt so schweren Mannes.
Darauf bekommt er die fürchterlichste Tracht Prügel seines Lebens.
Dies geschieht mitten auf der Hauptstraße von Comanche, und obwohl viele Menschen zusehen, erhält Jack Smith vorerst von keiner Seite Hilfe.
Als Jack Smith dann nur noch ein stöhnendes Bündel ist, hebt ihn Noel Field aus dem Staub und wirft ihn ins Wasser des Tränktroges vor dem Saloon. Er lässt ihn einige Sekunden darin liegen, holt ihn wieder heraus und legt ihn über den Sattel des breiten Ackerpferdes. Er wendet das Tier und schlägt ihm den Hut auf die Hinterhand.
»Jacky, wenn du noch einmal in die Stadt kommst, reiße ich dich in kleine Stücke!«, ruft er, aber es ist nicht sicher, ob Jack Smith die Worte überhaupt versteht.
Das Pferd marschiert langsam dem Ortsausgang zu. Quer über dem Sattel liegt der Siedler – und halb Comanche sah dieser Prügelei zu und mischte sich nicht ein.
Noel Field grinst zufrieden, schnauft und wischt sich die Hände am rot karierten Hemd ab.
Er will sich wieder seinen Partnern und Freunden auf der Veranda zuwenden, doch vorher wirft er nochmals einen scharfen Blick in die Runde.
Drüben stehen der Barbier und der Sattler vor ihren Geschäften. Vor dem Hotel sind einige Männer zu sehen, die zumeist fremd in der Stadt sind. Beim General Store stehen sogar einige Frauen unter der Gruppe der Zuschauer, und Jake Wilson, der Mietstallbesitzer, ist in der breiten Hofeinfahrt zu sehen. Überdies sind noch einige Minenarbeiter von Cottons Kupfermine und einige Cowboys von den umliegenden Ranches in der Stadt.
Aber alle haben sie nur zugesehen – und niemand mischte sich ein.
Noel Field ist zufrieden, und er denkt: Yeah, die Stadt gehört meinem Boss Patrick Fargo. Hier regieren wir auf unsere Art – und niemand muckt mehr gegen uns auf. Aber wo ist denn der Marshal? Der wollte doch …
Noel Field dreht plötzlich bei dem Gedanken an den Marshal den runden Kopf. Es ist ihm plötzlich, als erhalte er ein unsichtbares Signal. Zu gleicher Zeit hört er seinen Freund Gag Jenkins hinter sich auf der Veranda sagen: »Pass auf, Noel! Drüben in der Gasse!«
Im selben Moment hat der Schläger auch schon den alten Marshal in der Gassenmündung entdeckt. Er flucht bitter, denn der Marshal hält ein gutes Winchestergewehr halb im Anschlag, und weil diese Waffe bedeutend weiter reicht als die Colts von Noel Fields Freunden auf der Veranda, ist der Marshal vorerst im Vorteil.
»Komm her, Noel Field! Du bist verhaftet! Komm her, Field!«
Noel Field starrt auf den Oldtimer und murmelt dabei unaufhörlich böse Flüche. Aber er bewegt sich nicht. Er gehört zu Patrick Fargos Schlägern, und weil er jetzt mächtig im Druck ist, wartet er darauf, dass Patrick Fargos Revolverhelden eingreifen. Er weiß sie hinter sich auf der Veranda, und obwohl der gefährliche Jesse Earp nicht dabei ist, glaubt Noel Field, dass sie den Marshal gleich zurechtstutzen werden.
Aber zu diesem Zweck müssten sie erst die Veranda verlassen. Die Entfernung ist für ihre Colts zu weit, denn der Marshal bleibt in der Gassenmündung stehen und hütet sich, dem Rudel auf der Veranda in Coltschussnähe zu kommen.
»Zum letzten Mal, Field – komm her zu mir!« So klingt es kalt und hart, und Noel Field wird sich jetzt darüber klar, dass Fargos Revolverschwinger nicht mit ihren Colts gegen das Gewehr des Marshals vorgehen werden.
In seiner Not sieht er über seine breite Schulter zur Veranda hinauf und krächzt: »Nun, was ist denn mit euch? Wollt ihr vielleicht zusehen, wie er mich einsperrt?«
Aber bevor seine Kumpane etwas erwidern können, wird die Schwingtür des Saloons aufgestoßen, und zwei Männer kommen heraus.
Patrick Fargo sieht prächtig aus. Er ist groß, gut gebaut, blond und blauäugig. Er wirkt wie ein Königssohn aus einer nordischen Heldensage.
Aber er ist ein mitleidloser Raubwolf. Das haben schon eine Menge Leute herausgefunden.
Patrick Fargo kommt also heraus, und hinter ihm erscheint noch ein Mann, bei dessen Anblick man sofort an einen mageren, ständig hungrigen und gefährlichen Wüstenwolf denkt.
Das ist Jesse Earp, dünn, sehnig, lang und tödlich. Es hat schon eine Menge Revolverhelden gegeben, die ruhmsüchtig angeritten kamen, um ihr Glück mit dem Revolverkönig Jesse Earp zu versuchen. Sie wollten mit ihm kämpfen, um dadurch noch berühmter zu werden.
Aber nur sehr wenige hatten es versucht. Die meisten dieser eitlen Schießer waren wieder bescheiden weggeritten, nachdem sie einen kurzen Moment in Jesse Earps eiskalte Augen sahen und seine lässige Stimme fragen hörten: »Wollen Sie es wirklich versuchen, Mister?«
Es war immer ein besonderer Klang in dieser Stimme. Die meisten Männer glaubten, plötzlich den Atem des Todes zu spüren.
Ja, dann ritten sie mit einer Entschuldigung davon.
Solch ein Mann ist also Jesse Earp, der hinter Patrick Fargo aus dem Saloon kommt. Sie bleiben beide am Verandageländer stehen, sehen erst auf Noel Field und dann zu Marshal Bill Derrick hinüber.
Dann sagt Patrick Fargo ruhig zu seinem angeworbenen Schläger: »Geh nur mit, Noel, und mach dir keine Sorgen. Ich gebe dir mein Wort, dass du nicht lange in seiner Zelle sitzen wirst.«
Da geht Noel Field durch den Staub der Fahrbahn, und als er beim Marshal ist, lässt ihn dieser vor sich her zum Office gehen. Als sie beide von der Straße verschwinden, löst sich die Spannung. Die vielen Zuschauer bewegen sich wieder, und auch Patrick Fargo kehrt mit Jesse Earp in den großen Saloon zurück.
»Hoffentlich hast du keinen Fehler gemacht, Pat«, murmelt Jesse Earp sanft.
»Ich mache keinen Fehler, Jesse. Diese Stadt wird bald einen neuen Marshal brauchen. Ich werde meinem Freund Jim diesen Posten geben. Wenn Jim nur endlich eintreffen würde. Mit ihm und dir, Jesse, bin ich einfach nicht zu schlagen. Wir drei Tiger werden uns ein Stück dieser Welt erobern. Und hier in Comanche fangen wir damit an.«
»Dein Freund Jim muss ein Wunderknabe sein. Woher kennst du ihn, Pat?«
»Wir waren im Krieg zusammen. Jeder von uns verdankt dem anderen sein Leben. Und wenn du ein gefährlicher Wolf bist, Jesse, so ist Jim ein scharfer Tiger. Wenn er eintrifft, möchte ich, dass ihr euch vertragt. Ich brauche euch beide.«
☆☆☆
Indes schließt der grauhaarige Marshal seinen Gefangenen in die Zelle ein und setzt sich hinter den Schreibtisch. Er starrt durch die offene Tür auf die Straße und hat einen Colt griffbereit vor sich auf der narbigen Tischplatte liegen.
Aus einem der vier Gitterkäfige, die den Hintergrund des Office bilden, sagt Noel Fields heisere Stimme: »Verdammt, ich will endlich ganz genau wissen, warum du mich eingesperrt hast, Marshal!«
Bill Derrick wendet nicht einmal den Kopf, als er ruhig und fast gleichgültig sagt: »Wegen Verletzung des Stadtfriedens, Noel Field. Du hast ohne Grund einen Siedler vom Pferd gerissen und verprügelt. Ich bin nur ein kleiner Town Marshal, dessen Amtsbefugnisse nicht über die Stadtgrenzen reichen, aber in meiner Stadt wird niemand verprügelt.«
»Deshalb wirst du sicherlich bald sterben, Marshal. Lass mich aus dem Käfig, und ich werde Patrick Fargo sagen, dass du nun vernünftig geworden bist.«
»Du bleibst fünf Tage in der Zelle, Field. Und wenn ich dich entlasse, so bekommst du Stadtverbot für alle Zeiten. Ich habe dich oft genug gewarnt. Das war deine letzte Schlägerei in Comanche. Und jetzt möchte ich keine Drohungen mehr hören – kein Wort will ich noch von dir hören.«
Noel Field schweigt auch wirklich.
Und der alte Marshal sitzt bewegungslos hinter seinem Schreibtisch, denkt bitter und freudlos über verschiedene Dinge nach und sieht dabei blicklos zur offenen Tür auf die Straße hinaus.
Comanche war eine stolze Stadt – bis Patrick Fargo kam und den Bell Star Saloon kaufte. Dann wurde es schnell anders. Bill Derrick kennt Fargos Pläne ganz genau. Jeder kennt Fargos Ziele. Und keiner tritt ihm in den Weg. Alle ducken sich vor ihm.
In wenigen Wochen wird hier in Comanche der Schienenstrang einer Anschlusslinie enden. Dann wird Comanche eine wilde Treibherdenstadt mit einer großen Zukunft sein. Aber wenn die Dinge so weiterlaufen, wird ganz Comanche bald in Patrick Fargos Hand sein. Er wird diese Stadt vollkommen in der Hosentasche haben, und eine Menge bald sehr wertvolles Land ringsum dazu.
Fargo wird ein König sein, wenn nicht ein Mann auftaucht, der ihn zerbricht.
Über diese Dinge denkt der Marshal nach und auch über den Sinn seines Lebens, über die Kämpfe in all den Jahren, da er den Stern trug.
Und er erkennt, dass ihm nichts blieb als einige Ersparnisse, Narben und der Stolz, stets dem Recht die Treue gehalten zu haben.
Bill Derrick denkt auch jetzt daran, dass er einen Sohn hatte. Aber Jim Derrick war in schlechte Gesellschaft geraten. Damals war Bill Derrick Sheriff, und als er mit einem starken Aufgebot einige Bankräuber stellte, fand er seinen eigenen Sohn unter den gestellten Banditen.
Von dieser Stunde an hatte er keinen Sohn mehr. Und später hörte er mit unbewegtem Gesicht zu, wie Jim Derrick zu drei Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Die Strafe war sehr gering gegenüber den Strafen der anderen Banditen, aber Jim Derrick war damals erst achtzehn Jahre alt. Er hatte nur die Pferde der Bankräuber bewacht und später rechtzeitig vor die Bank gebracht. Und vielleicht wollten die Richter dem Sohn eines geachteten Sheriffs noch einmal eine Chance geben.
Bill Derrick denkt jetzt daran, dass Jim gerade einundzwanzig gewesen sein musste, als er aus dem Gefängnis entlassen wurde. Dann brach der Bürgerkrieg aus. Bill hörte noch, dass Jim in die Konföderierten-Armee eingetreten wäre, aber dann hörte er nichts mehr von ihm. Er selbst hat Texas bereits vor dem Krieg verlassen und in mehr als einem halben Dutzend Staaten den Stern getragen.
So war es damals.
Und jetzt, wo Bill Derrick gewissermaßen das Fazit seines Lebens zieht, sagt er sich, dass sein Pluskonto höher wäre, wenn er eines Tages einen Prachtkerl von Sohn hinterlassen hätte. Und er gibt sich zum größten Teil selbst die Schuld, dass Jim damals in schlechte Gesellschaft geraten war. Aber er hatte als ständig beschäftigter Sheriff wirklich nie Zeit für den heranwachsenden Jungen gehabt.
Nun, ich hätte mir diese Zeit einfach nehmen müssen!, denkt er.
Seine immer noch kraftvolle und geschmeidige Revolverhand nähert sich schnell der Waffe, als Patrick Fargo in der offenen Tür auftaucht und mit der flachen Hand gegen die Türfüllung klatscht.
»Marshal, ich möchte mit Ihnen reden«, sagt Fargo mit blitzendem Lächeln.
Bill Derrick nickt.
»Ich habe darauf gewartet, dass Sie jetzt deutlich werden, Fargo«, murmelte er sanft. »Wo haben Sie denn Ihren berühmten Schießer, Jesse Earp? Sie hätten ihn mitbringen sollen, Fargo. Vielleicht hätte Earp mir mehr Angst gemacht als Sie. Nun, wenn Sie Noel Field loseisen wollen, so kostet das für jeden Tag Haft zwanzig Dollar. Also hundert Dollar! Aber sobald er die Zelle verlässt, hat er Stadtverbot für immer. Ich kann euch außerhalb der Stadtgrenze nicht das Handwerk legen, ich bin leider nicht der zuständige Sheriff. Aber hier in Comanche werde ich dafür sorgen, dass …«
»Hier sind die hundert Dollar, Derrick. Sie haben wohl schon gewusst, dass ich vom Bürgermeister die Genehmigung in der Tasche habe, Noel Field freizukaufen.«
»Jorge Tannace ist Ihr Handlanger geworden, Fargo. Zum Glück kann er mich nicht absetzen, solange ich meine Pflicht tue. Und ich werde immer …«
»Doch«, grinst Patrick Fargo. »Sie sind abgesetzt, Derrick!«
»Von Tannace?«
»Nein, von mir! Ich sage Ihnen jetzt, Derrick, dass Sie das Amt niederlegen sollen. Sie sind fertig hier. Sie packen Ihr Bündel und verschwinden aus dem Land. Ich dulde keinen Marshal in dieser Stadt, der gegen mich und meine Pläne eingestellt ist. Dies ist meine Stadt, Bill Derrick! Sie waren bis jetzt der einzige Mann, der sich meinen Wünschen nicht unterordnete. Wenn Sie bei Sonnenuntergang noch in Comanche sind, machen meine Leute Jagd auf Sie. Das ist alles!«
Er wirft fünf Zwanzigdollarstücke auf den Tisch und geht auf die Straße hinaus, ein großer, geschmeidiger und prächtiger Mann, der in diesem Land ein König werden will und der alle Männer, die sich ihm in den Weg stellen, in den Boden tritt.
Marshal Bill Derrick erhebt sich langsam, tritt zu den Zellen und lässt den grinsenden Noel Field hinaus.
»Wenn ich dich in einer Stunde noch in der Stadt treffe, sperre ich dich wieder ein. Und gemäß unseren Stadtgesetzen kann der Bürgermeister dich dann nicht gegen Zahlung einer Geldstrafe freilassen. Hast du mich verstanden, Field?«
»Hast du Patrick Fargo gehört? Pack lieber dein Bündel und verschwinde! Du bist einsam hier. Diese Stadt gehört Fargo. Niemand hilft dir gegen ihn. Du bist fertig hier, Bill Derrick!«
Mit diesen Worten geht Noel Field hinaus.
Der Marshal trägt die Strafe in ein Buch ein, legt das Geld in einen Blechkasten und tritt dann vor den blinden Spiegel an der Wand. Er gießt Wasser in den Napf, nimmt Seife und Pinsel und schlägt Schaum. Dabei sieht er sich im fleckigen Spiegel an, und er sieht einen hageren Mann mit Falkenaugen und scharfer Nase, mit einer grauen Bartbürste über den schmalen Lippen und einer Narbe auf der Wange.
Er sieht in seine rauchgrauen Augen, und er erkennt darin nicht das geringste Anzeichen von Furcht.
Mit ruhiger Hand rasiert er sich.
Er hat sich stets gern vor einem harten Kampf rasiert, denn es konnte immer der letzte Kampf sein, und er möchte auf keinen Fall unrasiert sterben.
Das ist nun einmal sein Stil. Auch, dass er jetzt in seine Kammer geht und sich seinen besten Anzug und ein sauberes Hemd anzieht. Dann putzt er seine Stiefel, bürstet den Hut und sieht seinen Colt sorgfältig nach.
Als er langsam auf den hölzernen Gehsteig tritt und das Office hinter sich abschließt, ist es bereits dunkel.
Langsam setzt er sich in Bewegung, um seine erste Abendrunde zu machen.
Vor dem Eingang zum Speisesaal des Hotels trifft er auf den kleinen und seehundsbärtigen Ben Cody. Der kleine Doktor bleibt einen Moment im Lichtschein stehen und wendet sich ihm zu.
»Verdammt, Bill«, knurrt er, »wenn jemand mit dem Kopf gegen eine Wand rennt, so geht der Kopf zum Teufel und nicht die Wand. Pass gut auf dich auf, Bill!«
»Mach dir nur keine Sorgen um mich, Doc.« Bill Derrick grinst bitter und geht weiter. Er kommt an der Bank vorbei und durchquert dann die breite Lichtbahn des General Stores. An der Hausecke bleibt er im Schatten stehen und späht wachsam zur Veranda des Bell Star Saloons hinüber. Fargos Rauswerfer setzen soeben einen grölenden und vollkommen betrunkenen Minenarbeiter an die Luft. Aber der brüllende und fluchende Kerl bekommt Hilfe von einigen Kameraden, die soeben mit einem Wagen vorfuhren und in den Saloon wollen.
»Hoiii! Hiii-heee-haaa! Zeigen wir’s den Saloon-Bullen mal!«, heult eine kampflustige Stimme.
Und dann entwickelt sich vor dem Saloon eine solide Rauferei, und Bill Derrick erkennt auch Noel Field unter den Männern.
Der Marshal seufzt bitter, geht über die Straße, zieht seinen Colt und ruft scharf: »Schluss damit! Hölle, ich werde euch Mann für Mann einsperren, wenn ihr nicht aufhört!«
Die Miner gehorchen fast aufs Wort. Sie kennen den Marshal von Comanche gut genug, und sie wissen deshalb, wie hart und rau er werden kann. Nur Noel Field, der den betrunkenen und an die Luft beförderten Miner am Kragen hat, hört noch nicht auf.
Er schlägt dem Mann die Faust an den Kopf, packt den Taumelnden, bevor dieser fällt, und stößt ihn gegen den Marshal.
Der Zusammenprall ist heftig. Bill Derrick wird von dem Körper des Miners gegen das Geländer gestoßen – und weil es sich um ein sehr morsches Geländer handelt, bricht es unter dem Anprall. Bill Derrick fällt rücklings in den Staub der Fahrbahn und der brüllende Miner auf ihn drauf.
Obwohl der Marshal immer noch den Colt in der Hand hält, gibt er keinen Schuss ab. Er flucht nur bitter, und als der betrunkene Miner von ihm herunterrollt, will er sich schnell erheben.
Aber da ist plötzlich der riesige Noel Field bei ihm.
»Jetzt pass auf, Marshal!«, heult Field vor wilder Freunde und stößt dem Marshal, der sich erst halb erhoben hat, das Knie ins Gesicht. Bill Derrick wird zurückgeworfen, und als er abermals mit dem Rücken im Staub landet, reißt er den Colt hoch.
Aber ein Stiefel tritt mit aller Wucht den Colt aus seiner Hand. Er sucht mit der Linken nach dem Colt, doch er findet ihn nicht mehr.
Field ist ein muskelbepackter Riese von zweihundertdreißig Pfund. Der alte Marshal hat gegen diesen Schläger ohne Waffe gar keine Chance, zumal auch der Altersunterschied fast dreißig Jahre sein dürfte.
Aber Bill Derrick versucht sein Bestes. Er wirft sich knurrend gegen die Beine des Rowdys, doch er kann ihn nicht zu Fall bringen. Dafür packt ihn Noel Field jetzt, stellt ihn auf die Beine, hält ihn mit der Linken fest und hämmert mit der gewaltigen Rechten mehrmals in ihn hinein.
Bill Derrick ist zwar fast schon ohne Besinnung, aber er spürt diese Faust mehrmals wie einen Huftritt.
Dann weiß er nichts mehr.
☆☆☆
Als Jim Newman die Lichter von Comanche in der Nacht erblickt, hält er sein müdes Pferd an und dreht sich eine Zigarette. Das kleine Flämmchen des Zündholzes beleuchtet sein hageres, dunkles und indianerhaftes Gesicht.
Dann verlöscht die kleine Flamme, und nur der kleine Glühpunkt der Zigarette bleibt. Jim lässt die Zigarette im Mundwinkel hängen, beugt seine lange Gestalt nach vorn und legt die Unterarme über das Sattelhorn.
Er denkt an Patrick Fargo, der ihm einen verheißungsvollen Brief geschrieben hatte.
»Verdammt«, murmelt er, »ich sollte Pat doch recht gut kennen. Er hat schon immer nach mir gebrüllt, wenn er eine Sache allein nicht schaffen konnte oder wenn er eine Idee hatte, die er allein nicht ausführen konnte. Nun, er hat mir mal das Leben gerettet, und er hat ein Recht auf meine Hilfe. Wir werden sehen.«
Nach diesen Worten nimmt er noch einen tiefen Zug aus der Zigarette und reitet auf die Lichter der Stadt zu.
Etwa eine halbe Meile vor dem Ortseingang sieht er ein Pferd am Rand der Poststraße. Als er erkennt, dass es sich um ein reiterloses Sattelpferd handelt, hält er an, wittert mit scharfen Sinnen in die Nacht und ruft schließlich halblaut: »Hoii! Ist hier jemand?«
Er erhält keine Antwort. Nur das Pferd schnaubt. Jim Newman reitet näher an das Tier heran, beugt sich aus dem Sattel und erkennt selbst in der Dunkelheit, dass es sich um ein schweres Ackerpferd handelt.
»Ein Schollenbrecher also«, murmelt er und sitzt ab.
In der Nähe hört er das leise Murmeln eines Baches, der hier ein Stück längs der Poststraße verläuft. Aber plötzlich ist ihm, als wäre außer dem Geräusch des Baches noch ein schwaches Stöhnen zu vernehmen.
Jim Newman greift wie beiläufig nach seinen Colts und überzeugt sich so, ob sie locker in den tief hängenden Holstern stecken. Dann geht er in Richtung des Stöhnens, erreicht den Bach und findet neben einem Weidengebüsch einen Mann.
Im Schein eines Zündholzes betrachtet er ihn, und er sieht, dass der Unglückliche übel zerschlagen ist.
»Verdammt!«, murmelt er. Dann bückt er sich, nimmt den kleinen Siedler in seine starken Arme und trägt ihn zu dem breiten Ackerpferd.
Er legt ihn über den Sattel, sitzt wieder auf und nähert sich der Stadt. Jim findet bald das Doktorhaus. Er sitzt ab, nimmt den Bewusstlosen herunter und hält ihn wie einen Knaben in seinen Armen. Er tritt damit vor die Tür und stößt mit der Stiefelspitze mehrmals dagegen.
»Verdammt noch mal«, ertönt es wenig später hinter der Tür. »Warum habe ich da draußen einen Klingelzug, wenn jeder Bulle mit seinen Hufen gegen meine Tür ballert?«
Dann öffnet sich die Tür. Lampenschein fällt heraus, und der kleine Doc sagt mit einem Blick auf Jims Last: »Ah! Jacky Smith. Ich habe gehört, dass Noel Field ihn arg verprügelt hat. Bringen Sie ihn rein, Mister! Wo haben Sie ihn gefunden?«
»Eine halbe Meile vor der Stadt. Er war wohl vom Pferd gefallen und dann zum Bach gekrochen. Aber dann wurde er wieder bewusstlos. Ich glaube, sein Arm ist gebrochen, und sein Gesicht sieht schlimm aus.«
Jim folgt dem Doc in ein Krankenzimmer. Zwei Betten stehen hier, und eines davon ist bereits belegt.
Der Doc breitet über das freie Bett eine Decke. »Legen Sie ihn hier darauf, Fremder. Ich muss ihn erst ausziehen, waschen und zurechtflicken. Oha, dieser Noel Field hat auch Jacky schlimm zugerichtet, aber nicht so schlimm wie den Marshal.«
Jim Newman nickt freudlos und sieht zum anderen Bett hinüber.
»Ist das der Marshal?«
»Yeah«, knurrt der Doc und verlässt den Raum, um draußen zu brüllen: »Sam! Sam, du schwarze Seele! Bist du noch nicht zur Stelle? Wir müssen noch mehr Überstunden machen! Hier ist noch ein Gentleman, den Mister Fields Fäuste zerschlagen haben. Schaff das Zeug herbei, damit ich anfangen kann!«
Hinten im Gang antwortet die Stimme eines Negers, kehlig, ärgerlich und laut.
»Ja, Mastah! Aber dann brennen die Steaks an und schmecken wie Schuhsohlen.«
»Hölle, bist du noch nicht hier, du Lümmel?«
Indes betrachtet sich Jim Newman den Mann im anderen Bett, von dem der Doc behauptet, es handle sich um den Marshal von Comanche.
Wangen, Stirn, Kopf und Nase des Bewusstlosen sind verpflastert. Sein rechter Arm ist geschient. Als Jim vorsichtig die Bettdecke etwas lüftet, sieht er den festen Verband um den Oberkörper des Mannes und weiß, dass diesem einige Rippen gebrochen wurden. Die Augen sind zugeschwollen. Dieser Mann sieht wirklich aus, als sei er unter eine Rinderherde geraten und arg zertrampelt worden. Ja, dieser Marshal sieht schlimmer aus als der Siedler.
Jim Newman erkennt Bill Derrick nicht. Bill Derrick würde sich selbst nicht mehr im Spiegel erkennen.
Jim tritt zurück. Er wundert sich über sein Interesse an dem zerschlagenen Marshal. Er weiß dieses Gefühl nicht zu deuten und hält es für Neugier.
Vielleicht würde er nicht so ruhig am Bett stehen, wenn der Doc ihm den Namen des Marshals genannt hätte.
Bill Derrick!
Jim Newmans richtiger Name ist Derrick – Jim Derrick. Als Jim Derrick wurde er damals zu Gefängnis verurteilt. Aber als er dann entlassen wurde, legte er sich einen anderen Namen zu. Und weil er die Absicht hatte, neu zu beginnen und ein anderer Mann zu werden, nannte er sich »Newman«, also Neumann. Unter diesem Namen trat er in die Armee ein und wurde mehrmals wegen außergewöhnlicher Tapferkeit vor dem Feind befördert. Und er behielt seinen angenommenen Namen auch nach dem Krieg.
So ist das also!
Jim wendet sich zum Doc, der schon mithilfe eines alten Negers an Jack Smith arbeitet.
»Warum wurden diese beiden Männer so arg zerschlagen?«, fragt er ruhig.
Der Doc sieht ihn einen Moment forschend an und kaut an seinem Seehundsbart.
»Fremder«, sagt er dann, »da müssen Sie einen weißen Gentleman mit Namen Patrick Fargo fragen. Dieser ehrenwerte Mister gibt die Befehle in dieser Stadt. Ich bin nur ein unwichtiger Knochenflicker. Mich wird man auch nicht dafür bestrafen, dass ich den Marshal und diesen Jacky Smith am Leben halte. Aber wenn es herauskommt, Fremder, dass Sie Smith aufgelesen hergebracht haben, so könnte Noel Field Ihnen einigen Kummer bereiten. Nur so zum Spaß, damit er in Form bleibt. Und wenn es Noel Field allein nicht schaffen sollte, weil Sie zwei Colts tragen, Fremder, so sind auch noch einige andere Prachtwölfe in dieser Stadt, die immer wieder gern zeigen, wie sehr sie das Heft in der Hand halten. Ich würde zur Sicherheit noch in dieser Stunde weiterreiten, Fremder.«
Jim Newman gibt keine Antwort. Er wendet sich zur Tür.
Sein Blick richtet sich unwillkürlich auf die Jacke am Haken. Es ist eine einfache, aber noch sehr neue Lederjacke, und ein Marshalstern steckt an ihr, glänzt im Lampenschein und wirkt ganz wie das stolze Zeichen von Recht und Gesetz.
»Das gibt es hier wohl nicht«, sagt Jim Newman zu sich selbst. Er bleibt in der Tür noch einmal stehen und sagt über die Schulter zu dem kleinen Arzt: »Noel Field und die anderen Burschen machen mir keine Sorge. Mein Name ist Jim Newman, und Patrick Fargo ist ein alter Freund von mir. Aber das bedeutet nicht, dass ich mit Noel Field an einem Tisch sitzen würde.«
Sporenklirrend geht er hinaus, ein langer, hagerer, sehniger und lässiger Mann mit schmalen Hüften und breiten Schultern.
☆☆☆
Indes führt Jim Newman die beiden Pferde zum Mietstall.
Am geschlossenen Stalltor lehnt ein großer Mann. Jim sieht ihn erst im letzten Moment, bleibt stehen und fragt: »Sind Sie der Stallmann?«
»Nein, Freundchen.«
»Nennen Sie mich nicht Freundchen, Mister! Wo ist der Stallmann?«
»Scher dich zum Teufel, Freundchen, sonst mache ich dir Beine!«, erwidert der Mann rau, stößt sich vom Tor ab und macht einen Schritt, der ihn dicht an Jim heranbringt.
Eine große Hand packt Jims Hemdbrust, und die Stimme des Mannes klingt jetzt noch rauer.
»Im Moment störst du hier. Geh zum Teufel, Cowpuncher!«
Der Mann will ihn wegstoßen, aber Jim reißt sein Knie hoch, zieht dabei seinen rechten Colt, und als der Rowdy vor Schmerz stöhnt und eine Verbeugung macht, schlägt Jim zu. Er hat es noch nie geduldet, von einem großspurigen Burschen auf diese Art behandelt zu werden.
Er steigt über den Mann hinweg, findet im großen Tor eine kleine Tür, öffnet diese und gleitet in den Mietstall.
Der Vorraum ist bis auf die Futterkisten und die Sättel und sonstiges Geschirr leer. Ein Gang führt nach hinten. Rechts und links sind mehr als zwanzig Boxen, die zumeist belegt sind.
Jim späht den Gang entlang, und im Lichtschein dort hinten entdeckt er einige Männer. Schläge klatschen scharf und übertönen die Geräusche der nervösen Pferde.
Jim geht langsam den Gang entlang, und als er nahe genug ist, hört er eine grimmige Stimme wütend sagen: »Also, Jake, ich will dir noch einmal ganz genau sagen, was du tun sollst, damit wir dich nicht totschlagen: Pass auf, Jake! Hier ist die Verkaufsurkunde. Du musst sie nur unterschreiben. Dann kannst du dein Bündel packen und aus dem Land verschwinden. Du bekommst fünfhundert Dollar und dein Leben. Das ist ein guter Preis für einen Mietstall. Also, Jake, wie willst du es haben?«
»Mein Grundbesitz und der Stall sind mehr als fünfhundert Dollar wert, wenn erst einmal die Bahnlinie in dieser Stadt endet«, keucht eine gepresste Stimme. »Ihr wollt nur meine Unterschrift. Dann werdet ihr mir einen Revolverbanditen schicken, der mich umlegen wird, bevor ich zehn Meilen weit geritten bin. So habt ihr es doch schon mit anderen Leuten gemacht. Schlagt mich doch tot, ihr Schufte! Oh, ihr macht es jetzt zu rau und hart in dieser Stadt. Bald werdet ihr den Bogen überspannt haben. Und dann werden sie euch eines Tages dafür hängen. Ich verkaufe nicht, und ich lasse mich auch nicht aus der Stadt vertreiben!«
Kaum verstummt die Stimme, da klatschen wieder Schläge. Der Mietstallbesitzer brüllt einmal schmerzvoll auf.
Jim Newman hat das Ende des Ganges erreicht. Rechts von ihm befindet sich ein Verschlag, in dem der Stallmann sein Lager hat und in dem sich auch das kleine Stallbüro befindet.
In dem freien Vorraum stehen zwei Männer, die zusehen, wie zwei andere auf einen blutenden Mann einschlagen.
»So geht das nicht«, meldet sich Jim Newman mit lässiger Stimme und lässt den Hammer seines rechten Colts klicken.
Die beiden Männer vor ihm wenden sich schnell um, und die beiden anderen lassen ihr Opfer einfach fallen und starren ihn ebenfalls an.
»Hölle, wer hat dich denn hereingelassen?«, fragt eine wütende Stimme. »Gag Jenkins ist doch draußen. Warum hat er dich hereingelassen, Mann?«
»Er schläft«, grinst Jim scharf. »Und ihr verschwindet hier! Heißt einer von euch zufällig Noel Field?«
»Das bin ich!«, erklärt der Sprecher von eben und sieht Jim drohend an.
Nun weiß Jim gut Bescheid. Er hat inzwischen die vier Männer lange genug betrachten können und weiß, dass es sich um zwei Schläger und bei den beiden anderen um zwei Revolverhelden handelt, die eben dabei waren, einen Mann zum Verkauf seines Besitzes zu zwingen.
Jim fragt jedoch noch vorsichtig, um es ganz genau zu wissen: »Arbeitet ihr für Fargo?«
»Yeah, du Witzbold! Und jetzt werden wir dir gleich die Haut abziehen«, grollt Field, steigt über den stöhnenden Stallbesitzer hinweg und will sich Jim nähern.
Der hält seinen rechten Colt ganz lässig in der Hand, aber plötzlich spuckt die Waffe Feuer, und die Kugel reißt ein Stück von Fields Stiefelspitze ab.
»Nur ruhig, diese Vorstellung wird jetzt von mir geleitet!«, sagt Jim kalt. »Verschwindet hier! Geht zu Fargo und sagt ihm, dass ich ihn bald besuchen werde. Ihr macht es etwas zu rau und …«
Jim verstummt, denn er sieht die vier Kerle plötzlich grinsen, als hätten sie nun gleich eine große Freude vor Augen. Zur gleichen Zeit verspürt er aber auch schon den Atem eines Mannes im Nacken und fühlt den Druck einer Coltmündung auf der Niere.
»Wen haben wir denn da?«, sagt eine lässige Stimme hinter ihm, die so kühl wie ein Eishauch ist.
Jim steht ganz steif, denn er weiß sofort, dass er einen Revolvermann hinter sich hat. Auch dieser Mann ist, wie kurz zuvor Jim auch, leise den dunklen Gang entlanggekommen, und die vielen Geräusche der Pferde haben ihm eine unbemerkte Annäherung erlaubt.
Jim wendet langsam den Kopf, sieht über die Schulter und erkennt im spärlichen Licht einen blassen und farblosen Mann, der die bösen Augen eines Wolfes hat, und überhaupt denkt Jim beim Anblick Jesse Earps sofort an einen Wüstenwolf.
Indes Jim in Earps Augen sieht, hört er Noel Field. Aus den Augenwinkeln heraus sieht er, wie Fields große Faust wie eine große Kokosnuss nach seinem Kopf zielt. Jim macht eine schnelle Drehung und nimmt den Kopf weg.
Die Kugel des Revolvermannes zerfetzt sein Hemd und ritzt brennend die Haut.
Aber Noel Fields Riesenfaust, die Jims Kopf treffen sollte, stößt mit viel Wucht mitten in Jesse Earps Gesicht.
Der Revolvermann fällt, aber er schießt nochmals – und seine Kugel stößt Noel Field heftig gegen einen Pfosten.
Das alles ging sehr schnell.
Die beiden anderen Revolverschwinger und der Schläger sind einigermaßen überrascht, denn sie haben felsenfest damit gerechnet, dass Noel Field und Jesse Earp den großspurigen Fremden fertigmachen würden.
Nun zeigt ihnen Jim grinsend seine Colts und sagt: »Oh, ihr Narren! Jetzt weiß ich erst, warum Pat einen Vormann und Partner braucht. Nun, jetzt ist Schluss hier! Nehmt die beiden Gentlemen und verschwindet! Ich bin Jim Newman. Und ich werde Pat erzählen, was für Idioten für ihn arbeiten. Los!«
Sie starren ihn an.
Dann sagt einer seufzend: »Warum hast du uns nicht gleich gesagt, dass du Fargos sehnlichst erwarteter Freund bist? Hölle, Noel hat seine Faust in Jesse Earps Gesicht gestoßen. Wenn Earp wieder zur Besinnung kommt, schießt er Noel beide Ohren weg.«
»Er hat mir schon was in die Schulter gejagt«, keucht Noel Field ziemlich jämmerlich, denn wie alle rohen Burschen ist er nicht besonders hart, wenn er selbst Schmerzen ertragen muss.
»Herrgott, ich verblute«, wimmert er. »Ich muss zum Doc. Helft mir auf die Beine. Ich muss zum Doc! Ich verblute!«
Jim tritt zur Seite, sieht zu, wie sie ihm aufhelfen. Einer hilft Jesse Earp auf die Beine.
Earp kommt schnell zur Besinnung. Er flucht nicht, und er stöhnt auch nicht, obwohl ihm Fields Faust das Nasenbein zerschmettert und den Mund zerschlagen hat. Er nimmt ein blütenweißes Taschentuch heraus und drückt es gegen sein blutendes Gesicht. Über das weiße Tuch hinweg starrt er auf Jim. Jesse Earps Augen sind so kalt und ausdruckslos wie zwei Stücke Eis.
Aber dann nimmt Earp das blutige Taschentuch vom Gesicht, verzerrt seinen zerschlagenen Mund zu einem kalten Lächeln und sagt: »Ich sorge schon für meine Nase. Nun, Newman, Pat hat mir gesagt, dass wir uns vertragen sollen. Er braucht uns beide für seine Pläne. Aber wenn er eines Tages einen von uns nicht mehr benötigen sollte, so werde ich dich töten, Newman. Ich kann es nicht vertragen, wenn mich ein Mann zum Narren macht. Und du hast mich mit Fields unfreiwilliger Hilfe zu einem Narren gemacht. Jetzt eben hast du Pat Fargos Leute bei der Arbeit aufgehalten. Das wirst du Fargo erklären müssen. Wenn du noch einmal eine ähnliche Sache versuchst, wird Fargo nicht mehr dein Freund sein. Dann wird er auch keinen Wert mehr darauf legen, dass wir uns vertragen. Und dann wirst du in mein Coltfeuer sehen – du wirst hineinsehen!«
Langsam bückt er sich nach seinem Colt, der ihm entfallen war, als Noel Fields Schlag ihn bewusstlos machte. Er fasst die Waffe vorsichtig mit zwei Fingern, aber dann macht er eine blitzschnelle Handbewegung, und der Kolben liegt fest in seiner Faust, während sich die Mündung auf Jim richtet.
Jim bewegt sich nicht.
»Das ist auch ein tödlicher Trick, Newman«, sagt Earp rau, senkt den Colt, steckt ihn weg und folgt den anderen Männern, die längst mit dem jammernden Noel Field den Stall verlassen haben.
Jim seufzt bitter und sieht sich nach dem Stallbesitzer um. Der richtet sich soeben stöhnend auf, und es ist sicher, dass er schon eine Weile bei Besinnung ist und dem Gespräch gelauscht hat.
»Kann ich etwas für Sie tun?«, fragt Jim.
Jake Wilson gibt ihm noch keine Antwort. Er hockt stöhnend am Boden und betastet sein Gesicht und seine Rippen. Sein Atem geht gepresst, pfeifend und kurz. Dabei stöhnt er manchmal. Aber er hat Jims Frage gehört, denn nach einer Weile schüttelt er langsam den Kopf.
»Sie haben schon genug für mich getan, obwohl Sie selbst sagten, dass Sie Patrick Fargos Freund sind. Und Sie werden nicht mehr sein Freund sein, wenn Sie mir helfen. Dann lässt er Sie erschießen. Auch mich wird er erschießen lassen. Ich muss aus dem Land verschwinden, bevor seine Kreaturen mich töten. Er kann sich einen Prestigeverlust nicht leisten. Wenn er mich nach dieser Sache duldet, könnte sich das herumsprechen, und andere Leute könnten auf die Idee kommen, ihm die Zähne zu zeigen. Ich bin ein Narr! Ich hätte sein Angebot annehmen sollen. Da hätte ich jetzt wenigstens ein paar Dollars in der Tasche.«
Der Mann verstummt bitter, keucht gepresst und quält sich dann auf die Beine. Jim beobachtet ihn, und er erkennt, dass Jake Wilson bestimmt nicht wird reiten können.
»Sie können nicht reiten, Jake«, sagt er zu ihm. »Und Sie wollen doch nicht Ihren Mietstall aufgeben?«
»Wenn ein Mann sein nacktes Leben retten will, kann er reiten. Und er gibt alles auf, was er besitzt, wenn er nur sein Leben retten kann«, keucht Jake Wilson und stolpert zu seinem Verschlag, in dem eine Lampe brennt.
Jim will sich schon abwenden, um die beiden Pferde vom Hof hereinzuholen. Vor allen Dingen denkt er an seinen großen Rappwallach, der müde ist und nach dem tagelangen Ritt ein gutes Kraftfutter vertragen könnte.
Aber Jim bringt es nicht fertig, den Mann in seiner Not allein zu lassen. Er folgt dem Mietstallbesitzer und bleibt in der offenen Tür des Verschlages stehen.
Jake Wilson sitzt auf seiner Schlafstelle und zieht sich sitzend eine Jacke an.
»Was für einen Wert hat dieser Mietstall mit allem Drum und Dran?«, fragt Jim.
Wilson sieht ihn dumpf an.
»Es ist ja nicht nur der Stall«, sagt er. »Ich habe all die Jahre jeden Cent gespart und dafür die angrenzenden Landparzellen gekauft. Hinter dem Hof gehört mir ein breiter Streifen Land. Ich habe einige Corrals dort und baue auch Hafer an. Aber das ist nichts gegen den Gewinn, den mir die Grundstücke einbringen werden, sobald die Bahnlinie Comanche erreicht und diese Stadt zu wachsen beginnt. Ich habe diese Entwicklung vorausgesehen. Auf meinen Grundstücken wird eines Tages die neue Hauptstraße von Comanche mit vielen Geschäftshäusern entstehen, denn die Stadt kann sich nur in dieser Richtung ausdehnen. Aber was nützt mir das alles, wenn ich tot bin?«
Jake Wilson verstummt bitter. Wieder betastet er seine Rippen und die Magengegend.
»Fünftausend Dollar wären ein fairer Preis, obwohl dieser Besitz in wenigen Monaten bereits das Doppelte einbringen könnte«, murmelt er schließlich. Er seufzt, erhebt sich und geht zu einem kleinen und sehr wackligen Schrank.
Als er die Tür öffnet und in eine Satteltasche die notwendigsten Dinge zu packen beginnt, sagt Jim vorsichtig: »Ich habe im Moment nur siebenundfünfzig Dollar in der Tasche. Aber es gibt einen anderen Weg, Ihnen zu helfen, Jake.«
Der Mietstallbesitzer wendet sich mühsam um, lehnt sich gegen den Schrank und fragt: »Warum wollen Sie mir helfen, Newman? Sie sind doch Fargos Freund! Warum also wollen Sie mir helfen?«
Jim zögert unmerklich. Seine Worte kommen dann langsam: »Sie sind in Not, Jake. Irgendwie gefällt mir Ihr Trotz von vorhin, als Noel Field Sie bearbeitete. Ja, ich bin Fargos Freund. Aber sein jetziger Stil gefällt mir nicht. Er ging früher nicht so rau vor. Er muss verrückt geworden sein. Es könnte eine Weile dauern, bis ich ihn zur Vernunft gebracht habe. Ich will Ihnen einen Vorschlag machen, Jake.«
»Ein Mann in meiner Lage hört sich jeden Vorschlag an.«
»Well, Jake, verkaufen Sie mir Ihren Besitz für einen Dollar. Halt! Ich bin noch nicht fertig! Hören Sie weiter, Jake: Sie stellen mir mit dem heutigen Datum eine Verkaufsbescheinigung aus. Und ich gebe Ihnen mit dem Datum des morgigen Tages schriftlich, dass ich Ihnen den Besitz für einen Dollar zurückverkauft habe. Ihren Schein zeige ich Fargo und sage ihm, dass Sie für mich als Stallmann arbeiten. Meinen Schein verwahren Sie gut. Wenn wir es auf diese Art machen, lässt Fargo Sie in Ruhe. Sie arbeiten im Stall wie immer, und niemand außer mir und Ihnen weiß, dass Sie schon morgen wieder im Besitz Ihres Eigentums sind. Das ist mein Vorschlag, Jake! Wenn ich Patrick Fargo zur Vernunft gebracht habe, können wir ihm den Trick verraten.«
»Und wenn ich überfallen werde, Newman, und man mir Ihre Bescheinigung abnimmt? He, dann gilt meine, die Sie in der Tasche haben. Dann gehört Ihnen mein Besitz, als ob Sie ihn mir niemals zurückverkauft haben.«
»Dieses Risiko müssen Sie eingehen, Jake. Ich kann Ihnen nur mein Wort geben, dass ich es ehrlich meine. Ich will Ihnen helfen, Jake, weil Sie mir gefallen und weil ich seit einiger Zeit nur noch Dinge tue, die auch mein ehrenwerter Vater gutheißen würde. Überlegen Sie schnell, Jake!«
Der starrt ihn aus seinen zugeschlagenen Augen forschend an.
Dann zuckt er mit den Schultern. »Ich habe nur noch mein Leben zu verlieren, und wenn Sie Ihr Wort halten, Jim, so habe ich eine Chance. Ich setze diesen Chip!«
»Gut, dann schreiben wir«, murmelt Jim, setzt sich an den Tisch, nimmt Papier und Feder und schreibt.
Und dann schreibt Jake Wilson. Sie tauschen die Papiere und sehen sich im Lampenschein an.
»Sie haben Patrick Fargo wohl lange nicht gesehen?«, fragt Jake plötzlich ruhig.
»Seit dem Krieg nicht. Wir wurden in der Gefangenschaft getrennt und zu verschiedenen Zeiten entlassen. Aber wir versprachen uns, einander zu benachrichtigen, sobald einer von uns eine Chance für ein gutes Geschäft aufspürt.«
»So ist das also!«, murmelt Jake Wilson nachdenklich und legt sich auf sein Lager.
»Jim«, murmelt er, »ich denke mir, dass Sie und Fargo sich sehr unterschiedlich verändert haben. Irgendwie habt ihr früher sicherlich gut zueinander gepasst. Aber ihr habt euch verändert. Der eine in diese und der andere in jene Richtung. Ihr werdet es herausfinden. Und dann werdet ihr euch bekämpfen. Ich bin der dritte Mann heute, den Noel Field so zerschlagen hat. Und vor mir, dem Marshal und einem Siedler wurden andere Männer zerschlagen und zerbrochen. Wir haben einen Deputy Sheriff hier, der Fargos Taten deckt. Im Comanche County herrscht das Faustrecht. Fargo ist der starke Mann. Er erteilt die Befehle, und wenn er etwas haben will, so nimmt er es sich. Er ist nichts anderes als ein Pirat. Jetzt, wo er Marshal Derrick erledigt hat, tritt ihm keiner mehr in den Weg. Seine Macht …«
»Wie heißt der Marshal?«, zischt Newman scharf.
»Derrick – Bill Derrick. Er ist ein prächtiger Oldtimer, der schon in einem Dutzend anderer Städte den Stern trug. Aber jetzt ist er wohl zu alt geworden. Er war Fargos Macht nicht gewachsen. Und er war ganz allein, weil hier in dieser Stadt niemand sterben will.«
Jim schwankt leicht und muss sich an die Wand lehnen. In ihm ist ein starker Sturm von Gefühlen, und vor seinen Augen ist das Bild des bewusstlosen, zerschlagenen und mit vielen Pflastern und Binden bedeckten Marshals, den er beim Doc im Bett liegen sah.
Es ist mein Vater!, denkt er. Und seine Wut, die zuerst wie eine heiße Flamme aufzuckte, wird plötzlich eiskalt und berechnend.
Er ist mein Vater! Ich habe nach all den Jahren meinen Vater gefunden, in dieser kleinen Stadt, in höchster Not. Und der Freund, dem ich mein Leben verdanke, ist ein Schuft geworden!
Er hört Jake Wilson bitter sagen: »Nun ist der Marshal also ausgeschaltet, und der verdammte Bürgermeister hat endlich einen Grund, einen neuen Marshal zu ernennen. Dieser neue Marshal aber wird einer von Fargos Leuten sein, vielleicht sogar Jesse Earp oder aber …«
Jim geht hinaus. Er trägt sein Bündel unter dem Arm, macht lange Schritte und geht zum Hotel.
Der Mann hinter dem Pult sagt mit vorsichtiger Höflichkeit: »Wenn Sie Mister Newman sind, so steht das beste Zimmer für Sie bereit. Und wenn Sie fertig sind, möchten Sie ins Büro von Mister Fargo kommen. Hinter dem Bell Star Saloon führt eine Außentreppe hinauf.«
»Sicher, ich werde Mister Fargo besuchen.« Jim grinst scharf, und als der Hotelmann einen Moment in Jims Augen sieht, verspürt er eine jähe Furcht, die sein Herz wie wild schlagen lässt.
☆☆☆
Jim hat sich nicht sonderlich beeilt, und es ist lange nach Mitternacht, als er, gewaschen, rasiert und mit einem reichlichen Abendessen im Leib, um den Bell Star Saloon herumgeht und am Fuß der Außentreppe vor einem Mann verhält.
»Jim Newman?«, fragt der Wächter.
»Yeah.«
»Dann geh nur hinauf, Jim. Einer von uns hält hier immer Wache, damit der Boss nicht gestört wird. Er sitzt wieder mit Tom Cotton und einigen Freunden beim Poker, und ehe der Morgen graut, wird er um einige Dollars reicher sein. Geh nur hinauf, Jim!«
Jim steigt wortlos die Treppe hinauf. Als er die Tür öffnet und in den Korridor tritt, sieht er neben einer Tür einen grinsenden Mann auf einem Stuhl sitzen. Auch dieser Bursche gehört zu Patrick Fargos Revolverhelden. Er spielt mit seinem Colt und nickt Jim grinsend zu.
»Hier hinein! Der Boss hat schon mehrmals nach dir gefragt, und er sitzt schon seit zwei Stunden in solch einer Glückssträhne, dass er das Spiel nicht abbrechen möchte.«
»Yeah, er hatte schon immer eine prächtige Glücksträhne«, murmelt Jim und öffnet die Tür.
Langsam tritt er ein, schließt die Tür und nimmt jede Einzelheit im Raum in Sekundenschnelle auf.
Drüben am Fenster steht Patrick Fargos Schreibtisch, aber um den großen, runden Tisch unter dem Kronleuchter sitzen einige Männer beim Poker.
»Hallo, Jim!«, ruft Patrick Fargo und winkt mit den Karten. »Du musst schon entschuldigen, aber ich will auch diesen Pott gewinnen. Mister Cottons Geld ist gleich alle, und dann hören wir ohnehin auf. Sei willkommen, Jim! Du hast mich lange warten lassen. Jetzt musst du eine kleine Weile warten. Und du siehst immer noch wie ein Indianer aus.«
Jim nickt, winkt kurz mit der Hand, sieht die anderen Männer der Reihe nach an und nickt ihnen kurz zu. Patrick Fargo stellt schnell vor.
»Das ist unser verehrter Bürgermeister Jorge Tannace, und das ist der Bankier von Comanche, Mister Lee Bannister! Dieser junge Gentleman ist Tom Cotton, und dies ist Deputy Sheriff Dick Feeman. Aber jetzt geht das Spiel weiter, Gentlemen! Ich halte mit und verdopple mit tausend Dollar.«
Jim geht durch das Zimmer und findet ein kaltes Büfett auf einem Tisch. Er schenkt sich ein Glas Wein ein und nimmt eine gebratene Hühnerkeule in die Hand. Kauend und trinkend lehnt er sich an die Wand.
Nur Patrick Fargo und der noch ziemlich junge Tom Cotton sind im Spiel. Alle anderen sind ausgestiegen. Im Pott liegen mehr als viertausend Dollar.
Jim sieht den jungen Mann von der Seite her an. Der Junge ist sehr hübsch, aber sein Kinn ist schwach entwickelt, und ganz bestimmt ist er in schlechter Gesellschaft.
Schweiß steht auf Cottons Stirn. Er kaut an seiner Unterlippe, starrt dann auf Patrick Fargo und sagt endlich heiser: »Ich lasse mich mit dieser Karte nicht aus dem Spiel bluffen, Pat. Wenn Ihnen meine Unterschrift gut genug ist, so halte ich jeden Einsatz.«
»Tom, Sie haben doch Ihrer Schwester versprochen, keine Schuldscheine mehr zu unterschreiben«, sagt Patrick Fargo sanft. »Ich habe Ihnen heute Revanche gegeben, Tom, damit Sie etwas von Ihren Verlusten der letzten Tage wieder aufholen. Aber jetzt haben Sie schon wieder verloren, Tom. Sie sollten keinen scharfen Poker spielen. Sie sind kein Pokerspieler. Sie werden noch Ihren Anteil an der Mine verspielen. Hören wir lieber auf, und lassen Sie sich die Erfahrungen der letzten Tage eine Lehre sein. Jeder junge Mann muss erst einmal seine Lektionen bekommen.«
Fargos Stimme ist sanft, aber Jim, der seinen Freund gut kennt, weiß genau, dass dies zu Fargos Spiel gehört.
Und er hat sich auch nicht getäuscht.
Der junge Tom Cotton wird wild.
»Pat, sagen Sie mir nicht, wann ich aufhören soll! Ich kann gut für mich sorgen und denke auch für mich allein. Ich habe eine gute Karte, und ich glaube, dass Sie nur bluffen. Auf dieser Karte in meiner Hand gebe ich Ihnen Schuldscheine in jeder Höhe. Sie können mich gar nicht schlagen.«
»Nun gut«, erwidert Patrick Fargo und trommelt mit den Fingernägeln auf seinem kleinen Kartenhäufchen herum. »Ich nehme Ihre Schuldscheine in jeder Höhe, Tom. Aber ich warne Sie! Sie verlieren die Runde!«
Tom Cotton zögert. Er starrt Patrick Fargo unentwegt an und leckt sich über die trockenen Lippen.
Nun erklingt die würdige und väterliche Stimme des Bürgermeisters.
»Tom«, sagt er, »wenn Sie dieses Spiel noch höher treiben und verlieren, so können Sie Ihre Schulden nicht mehr bezahlen. Lassen Sie sich von dem alten Freund Ihres Vaters einen Rat geben: Hören Sie auf! Mir würde wahrhaftig das Herz brechen, wenn Sie sich ins Unglück stürzen, Sohn.«
»Er ist ein Mann, und jeder Mann muss sich selbst entscheiden und für seine Entscheidung eintreten können«, knurrt der Deputy Sheriff scharf.
»Sie haben Ihr Bankkonto bereits überzogen, Tom, und Ihre Schwester hat mir verboten, ihr Konto zu Ihren Gunsten zu belasten. Hören Sie auf, Tom!«
Aber der junge Mann schüttelt eigensinnig den schmalen Kopf. Seine braunen Locken sind zerzaust, weil er sich immer wieder durch die Haare fährt.
»Ihr wollt nur alle, dass ich aufgebe!«, ruft er wütend. »Ihr wisst alle, dass ich Pat Fargo jetzt schlagen kann. Deshalb wollt ihr, dass ich passe. Aber ich lasse mich nicht aus dem Spiel bluffen. Ich halte mit bis in die Hölle! Und wenn ich meinen Anteil an der Mine einsetzen müsste!«
Er verstummt heiser und starrt Patrick Fargo herausfordernd an.
Der zuckt jetzt mit den Schultern.
»Well, Tom, Sie sind alt genug. Ich habe Sie gewarnt. In Ordnung. Ich erhöhe um weitere Zehntausend! Wenn Sie diesen Einsatz halten, so will ich das Spiel nicht noch höher treiben, obwohl ich mit meinem Blatt immer wieder jeden Einsatz von Ihnen halten und sogar noch erhöhen könnte.«
Tom Cotton seufzt. Er zögert einen Moment und zittert. Aber dann gibt er sich einen Ruck, holt ein Notizbuch aus der Jacke, wirft einige Worte auf ein Blatt und reißt es heraus.
»Hier sind zwanzigtausend Dollar!«
»Das halte ich. Und da ich auch nicht eine solche Summe zur Hand habe, muss ich ebenfalls einen Schein ausfüllen.«
Patrick Fargo schiebt sein ganzes Geld in die Tischmitte zu dem Haufen und füllt für den Rest einen Schuldschein aus. Dann lehnt er sich zurück und macht ein sehr ernstes Gesicht.
»Nun Tom?«
Der junge Mann zögert. Er zittert jetzt am ganzen Leib, und eine Schweißperle rinnt von seiner Stirn an seinem Nasenrücken herunter.
»Gut«, sagt er heiser und deckt auf.
Jim tritt schnell näher, denn es interessiert ihn sehr, was der junge Mann für ein Blatt aufdeckt.
Es sind vier Zehnen: Karo-, Herz-, Pik- und Kreuzzehn. Es ist eine wirklich gute Pokerkarte, die nur durch einen besseren Vierer oder einen Straight Flush zu schlagen ist.
»Tom, Sie sind ein Narr!«, sagt Patrick Fargo milde und deckt auf.
Es sind vier Asse.
»Mein Gott!«, sagt Jorge Tannace ächzend.
»Feierabend!«, knurrt Lee Bannister.
»Er hat vier Asse«, stellt Dick Feeman betont lässig fest und poliert wie zufällig mit dem Ärmel seinen funkelnden Stern.
Tom Cotton aber hält sich an der Tischkante fest, beugt sich vor und starrt auf die vier Asse.
Dann springt er mit einem irren Schrei hoch.
»Fargo! Du Schuft! Das Pik-Ass hatte ich weggelegt, als ich die vierte Zehn kaufte! Du hast dir das Ass aus dem Stapel der abgelegten Karten geholt! Falschspiel! Falschspiel ist das! Sheriff, verhaften Sie sofort diesen Falschspieler!«
Er zeigt mit zitternder Hand auf Patrick Fargo, der ruhig in seinem Sessel sitzt und keine Miene verzieht.
Dick Feeman aber poliert immer noch seinen Stern und sagt mit seiner aufgesetzten Lässigkeit: »Sie sind sehr erregt, Tom, und bestimmt nicht zurechnungsfähig. Wir sind hier am Tisch alles ehrenwerte Gentlemen. Vielleicht haben Sie irgendwann im Laufe des Abends mal ein Ass abgelegt, aber bestimmt nicht in dieser Runde. Nein, Tom. Ihre Anschuldigung ist lächerlich. Ja, wenn Sie einen Zeugen dafür hätten, dass Sie das Ass wirklich …«
Mit einem irren Schrei stürmt Tom Cotton um den Tisch herum, um Patrick Fargo in seine Reichweite zu bekommen. Der junge Mann ist so von Sinnen, dass er sich nach einer Gewalttat sehnt. Er muss etwas tun, um seine wilde Wut zu befriedigen.
Natürlich hätte er gegen den um fast fünfzig Pfund schwereren Patrick Fargo keine Chance, überdies erhebt sich nun auch der Deputy Sheriff schnell und tritt ihm in den Weg.
»Cotton, wenn Sie hier den Verrückten spielen, so muss ich Sie einsperren! Wenn Sie mit Gentlemen Poker spielen, so müssen Sie auch wie ein Gentleman verlieren können! Schluss damit! Ihre Beschuldigung ist lächerlich!«
»Du Lump, du stehst ja auf Fargos Lohnliste!«, heult Tom Cotton gellend und stößt seine Faust in den Magen des Deputy Sheriffs.
Aber der junge Mann ist ein Leichtgewicht, und der Sheriff ist schwergewichtig. Er schnappt zwar nach Luft und flucht schmerzvoll, doch dann zieht er den Colt und schlägt den Lauf quer über Tom Cottons Stirn.
Cotton bricht zusammen.
Dick Feeman betastet stöhnend seinen Magen und fragt dann mühsam: »Soll ich ihn einsperren, Pat?«
»Nein. Holt die Jungs herein!«
Jorge Tannace ist es, der zur Tür geht, sie öffnet und auf den Gang ruft: »Zwei Mann sollen kommen!«
Eine halbe Minute später erscheinen die beiden Revolverschwinger, die draußen die Außentreppe und die Tür bewachen.
»Schafft ihn fort!«, sagt Fargo ruhig. »Gießt ihm eine Flasche Whisky in den Hals und legt ihn in seinen Zweispänner. Die Pferde finden den Weg allein. Hinaus mit ihm!«
Als die beiden Kerle grinsend den Bewusstlosen aus dem Raum tragen, grinsen sich auch die anderen Männer an. Nur Jim grinst nicht mit.
»Verflixt, dass er sich an das Ass erinnern konnte«, kicherte Jorge Tannace schließlich.
»Wenn die Boys ihm den Whisky eintrichtern, wird er sich an nichts mehr erinnern«, grinst Dick Feeman.
»Es war aber ein plumper Fehler«, grollt Lee Bannister.
Patrick Fargo macht eine wegwerfende Handbewegung.
»Die kleine Panne ist nicht wichtig. Geht hinunter! Ich möchte mit meinem Freund allein sein. Wir können später unten noch einen Whisky trinken.«
Die Männer blicken jetzt alle plötzlich wie auf Kommando auf Jim, der soeben einen zweiten Hühnerschenkel verspeist.
Und dann gehen sie, treue und folgsame Handlanger eines gefährlichen Mannes, der sie beherrscht und der sie als Figuren für ein großes Spiel benötigt.
»Ah, gleich wird Esther May unten auftreten. Wir werden wieder um ihre Gunst buhlen, bis du eifersüchtig wirst, Pat«, kichert Jorge Tannace und eilt als Erster aus dem Raum.
Als sich die Tür hinter den Männern schließt, sehen sich Patrick Fargo und Jim eine Weile schweigend an.
Dann grinst Fargo und fragt: »Wie gefällt dir das, Partner?«
»Nicht sehr. Für mich sieht es vorerst so aus, als würdest du um eine Idee zu rau vorgehen. Dabei hat sich schon so mancher Mann das Genick gebrochen.«
»Ich habe nicht viel Zeit. Die Eisenbahn hat Comanche bald erreicht. Bis dahin muss ich es geschafft haben.«
Mit diesen Worten tritt Fargo neben Jim. Er schenkt zwei Gläser mit Whisky voll, nimmt sie, dreht sich zu Jim um und reicht ihm eines.
»Auf unser Wiedersehen, Jim!«
»Auf unser Wiedersehen, Pat!«
Sie trinken, gehen dann zum Tisch und setzen sich gegenüber.