G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 70 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 70 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

3 spannende Westernromane lesen und sparen!

G.F. Unger ist der erfolgreichste deutschsprachige Western-Autor. Mit einer Rekordauflage von über 250 Millionen Exemplaren gehört er zur internationalen Spitzenklasse der Spannungsliteratur. Und das zu Recht!

Niemand vermag es wie er, die unermesslichen Weiten des amerikanischen Westens und die Stärke der unerschrockenen Männer, die sie erschlossen, zu beschreiben. Erleben Sie den amerikanischen "Wilden Westen", wie nur G.F. Unger ihn schildern kann: hart, authentisch, leidenschaftlich.

Dieser Sammelband enthält die Folgen 2557 bis 2559:

2557: Medicine Road
2558: Einsamer Job
2559: Wilde Camps

Der Inhalt dieses Sammelbands entspricht ca. 192 Taschenbuchseiten.
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Seitenzahl: 481

Veröffentlichungsjahr: 2024

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G. F. Unger
G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 70

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben

Für die Originalausgaben:

Copyright © 2022 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Vervielfältigungen dieses Werkes für das Text- und Data-Mining bleiben vorbehalten.

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2024 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Covermotiv: © Faba/Norma

ISBN: 978-3-7517-6534-3

https://www.bastei.de

https://www.sinclair.de

https://www.luebbe.de

https://www.lesejury.de

G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 70

Cover

Titel

Impressum

Inhalt

G. F. Unger Western-Bestseller 2557

Kriegsfährte

G. F. Unger Western-Bestseller 2558

Der Marshal

G. F. Unger Western-Bestseller 2559

Riverman-Poker

Guide

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Contents

Kriegsfährte

Als man im Jahre 1850 im Arizona-Territorium reiche Bodenschätze zu entdecken begann, verfiel das Land in einen wilden Rausch. Aber der Zuzug von Weißen brachte die Apachen schnell auf den Kriegspfad.

Sie sperrten fast alle wichtigen Straßen und Wege. Sie überfielen kleinere Städte und Siedlungen, und selbst Minen mit Belegschaften von mehr als hundert Mann mussten aufgegeben werden. Die größeren Städte waren zeitweilig von der Außenwelt abgeschnitten. Sie wussten sich nicht anders zu helfen, als auf Apachenskalpe Belohnungen auszusetzen.

Wie grausam die gegenseitige Feindschaft war, wird durch folgendes, historisch belegtes Geschehnis wohl am besten deutlich:

In den siebziger Jahren zogen zweihundert schwer bewaffnete Bürger aus Tucson in den Arivaipa Canyon und überfielen dort das Dorf des Häuptlings Eskimenzin, der in dieser Zeit mit seinen Kriegern in Mexiko zum Pferdehandel war.

Die Weißen aus Tucson töteten einhundertacht Frauen und Kinder und brachten neunundzwanzig Kinder als Gefangene nach Tucson, von wo aus man sie später als Sklaven nach Mexiko verkaufte.

Natürlich schlugen die Apachen grausam hart zurück. Ihr Hass gegen die Weißen war durch nichts mehr zu überbieten.

Nun, liebe Leser, wird wohl besser verständlich sein, warum sich die folgende Geschichte in diesem Arizona-Territorium abspielen konnte.

Sie nähern sich der Picacho-Station nicht auf der Poststraße, sondern über einen Hügel, von dem aus sie auf die Station niederblicken können.

Vor den zerstörten, ausgebrannten Adobegebäuden sehen sie auch die Trümmer der Postkutsche. Pedro Picachos Milchkühe, die paar Schafe, der große Hund und zwei Esel liegen tot bei der Station. Nur die Pferde wurden von den Apachen mitgenommen.

Cash Kincaid späht lange hinunter, und immer wieder geht sein scharfer, wachsamer Blick in die Runde und kontrolliert die Umgebung.

Nach einer Weile wendet er sich an seinen Gefangenen, dessen breite Gelenke von soliden Handschellen umschlossen sind.

»Wir müssen hinunter, Ringo. Wir brauchen Wasser. Vielleicht haben die Apachen den Brunnen nicht unbenutzbar gemacht, weil sie ihn selbst benötigen. Reiten wir!«

Ringo Callaghan zögert. Er ist groß, geschmeidig und hellhaarig, mit blauen Augen und einem verwegenen Gesicht.

Langsam schüttelt er den Kopf. »Ich würde lieber durstig nach Santa Cruz weiterreiten«, sagt er heiser. »Und überhaupt ist es geradezu Mord, mich mit Handschellen reiten zu lassen, wo doch die Apachen in der Nähe sein müssen. Oder?«

Cash Kincaid gibt ihm keine Antwort. Er macht nur eine unmissverständliche Kopfbewegung.

Ringo Callaghan hat bisher geglaubt, mit jedem Mann zurechtzukommen. Aber der Sheriff von Santa Cruz konnte nicht nur seiner Fährte folgen und ihn bei einer Wasserstelle überrumpeln. Nein, Ringo Callaghan hatte danach zweimal die Chance, den Sheriff hereinzulegen, aber es ist ihm stets missglückt. Zweimal hat er Prügel bezogen, bis er sich ergab.

Jetzt gehorcht er. Doch während er vor Cash Kincaid den Hügelhang hinunterreitet, sagt er bitter: »Sheriff, ich schwöre dir bei allem, was mir heilig ist, dass ich nicht zuerst den Revolver zog. Die Leute in Santa Cruz lügen, weil dieser Narr, den ich tötete, ihr Freund und ich in dieser erbärmlichen Stadt ein Fremder war. Sollte ich mich vielleicht von einem betrunkenen Narren töten lassen?«

Cash Kincaid gibt ihm keine Antwort. Er hat diese Worte auch schon viele Male gehört. Am Anfang erwiderte er stets, dass zwei ehrenwerte Bürger der Stadt das Gegenteil behauptet hätten. Sie hätten gesagt, Ringo Callaghan habe zuerst den Colt gezogen. Bill Henderson sei viel zu betrunken gewesen, um überhaupt noch die Waffe ziehen zu können. Deshalb habe er, der Sheriff, den flüchtigen Ringo Callaghan als Mörder verfolgen müssen.

Ringo Callaghan schweigt wieder. Er späht scharfäugig in die Runde und ist jetzt dem Sheriff von Santa Cruz gewiss eine wertvolle Hilfe, da vier Augen mehr sehen als zwei.

Hinter dem Brunnen entdecken sie den ersten Toten. Es ist einer von Pedro Picachos Gehilfen. Obwohl er indianischer Abstammung ist, haben ihn seine Halbvettern nicht verschont. Sie haben ihm das Sterben auch nicht besonders leicht gemacht. Das gilt auch für die neun anderen Toten, die Cash Kincaid und Ringo Callaghan nach und nach finden.

Die Apachen mussten sich in einer wilden, bösartigen Wut befunden haben.

Nur Pedro Picachos Apachenfrau und das Kind sind nirgendwo zu finden. Sechs von den insgesamt zehn männlichen Toten gehörten offensichtlich zu der Überlandpost.

»Nun«, sagt Ringo Callaghan, »wir können nichts mehr für die armen Teufel tun, deshalb sollten wir so schnell wie möglich von hier verschwinden. Kincaid, ich will nicht länger mit Handschellen reiten. Los, mach sie mir ab, Sheriff!«

Cash Kincaid schüttelt den hageren Kopf. Sein Gesicht ist etwas hohlwangig und hat tiefe, dunkle Linien. Sein Hals, der im offenen Hemd sichtbar wird, wirkt muskulös. Er ist ein kräftiger Mann von hundertneunzig Pfund Gewicht.

Kincaid geht zum Brunnen zurück.

»Wir werden sehen, ob das Wasser noch genießbar ist«, sagt er und lässt den Holzeimer hinunter.

Von unten tönt die Stimme einer Frau herauf: »Der Brunnen ist sauber. Die Apachen haben ihn nicht unbrauchbar gemacht. Bitte, ziehen Sie mich hinauf!«

Die Stimme klingt etwas dumpf und hohl, doch sie gehört ohne Zweifel einer Frau. Cash Kincaid und Ringo Callaghan staunen nicht lange. Sie wissen zu gut, dass es in diesem Land nach Apachenüberfällen immer wieder Wunder gibt.

Kincaid und Callaghan beugen sich weit über den Brunnenrand. Unten können sie eine Gestalt erkennen. Etwa zwei Yards über dem Wasserspiegel muss es in der Brunnenwand eine Nische geben, aus der sich die Frau beugt.

»Wurden Sie mit dem Eimerseil niedergelassen?«, fragt Cash Kincaid.

»Ja«, klingt es zurück. »Ich kann mit einem Fuß im Eimer stehen, wenn Sie mich mit der Winde hinaufziehen.«

Während Cash Kincaid wenig später die Winde bedient, das Seil sich um den Balken wickelt und die menschliche Last Zoll für Zoll heraufholt, sagt er: »Bleib mir nur drei Schritte vom Leib, Ringo, solange ich meine Hände an dieser Winde habe.«

Er hat kaum ausgesprochen, als der Kopf der Frau auftaucht – ein dunkler, wirrhaariger Kopf.

Dann kommt sie ganz zum Vorschein, verschmutzt, zerschunden und mit Spinnweben bedeckt – aber unverkennbar jung, schlank, blauäugig und mehr als hübsch.

Auf ihrer kleinen Nase sind ein paar Sommersprossen. Sie blinzelt gegen das Sonnenlicht und versucht, ihre Retter zu betrachten. Erst allmählich gelingt ihr das.

Sie zuckt zusammen, als sie an Ringo Callaghan die Handschellen entdeckt, und atmet wieder auf, als sie Cash Kincaid betrachtet und unter dessen offener Weste den Sheriffstern erkennen kann.

»Vielen Dank, Sheriff«, sagt sie. »Ich ...«

Ihr Blick schweift in die Runde. Sie hat sich nun an die Helligkeit gewöhnt und sieht die Toten.

»Du lieber Vater im Himmel«, flüstert sie heiser und kehlig, »sie sind alle tot! Ich bin die einzige Überlebende, nicht wahr?«

»Wir fanden zehn tote Männer«, nickt Kincaid. »Wie war das überhaupt alles? Können Sie darüber reden? Haben Sie Hunger? Aaah, wir brauchen ja Wasser für uns und unsere Pferde.«

Er lässt den Eimer in den Brunnen.

Diesmal holt er ihn voll Wasser herauf und stellt ihn auf den Brunnenrand. Die Indianer hatten sogar die hölzerne Schöpfkelle unbeschädigt an Ort und Stelle gelassen, obwohl sie sonst alles zerstörten. Vielleicht wollen sie sich diesen Brunnen für den Rückzug erhalten.

»Ich bin Cash Kincaid, der Sheriff von Santa Cruz«, stellt Cash sich vor. Er deutet mit dem Daumen auf Callaghan. »Das ist ein Revolverheld mit Namen Callaghan. Wir sind auf dem Rückweg nach Santa Cruz. Wohin wollten Sie, Miss? Die Postlinie führt von Tucson nach Fort Grant östlich vom Pedro River. Wollten Sie nach Fort Grant?«

»Ja«, sagt sie. »Ich bin Sue Adamson. Mein Verlobter, First Lieutenant Emmet Stedloe, dient in Fort Grant. Ich war zu ihm unterwegs, um ...« Sie bricht mitten im Satz ab. »Können Sie mich nach Fort Grant bringen, Sheriff?«

»Nein«, sagt Kincaid. »Aus verschiedenen Gründen kann ich das nicht. Sie müssen mit uns nach Santa Cruz kommen. Bitte, berichten Sie mir, wie das alles kam, Miss Adamson«, sagt er drängend. »Ich muss es wissen.«

Sie hat inzwischen einige Schlucke aus der hölzernen Schöpfkelle getrunken und sich zusehends erholt. Nun wird sie sich ihres Aussehens bewusst.

»Haben Sie einen Kamm, Sheriff?«, fragt sie hastig.

Er reicht ihr einen Kamm und sieht dann zu, wie sie versucht, ihr wirres Haar einigermaßen zu säubern und zu bändigen. Dabei berichtet sie: »Wir kamen gestern am Abend hier an. Der Stationsmann sagte uns, dass Indianer in der Nähe wären und es besser sei, wenn wir auf der Station übernachteten. Er glaubte, dass es Coloradas Loco mit seiner starken Bande wäre, und Coloradas Loco gehörte nicht zu den abergläubischen Apachen, sondern würde lieber bei Nacht angreifen. Wir hatten noch nie etwas von Coloradas Loco gehört. Er aber kannte diesen Häuptling genau. Picacho erklärte uns, Coloradas Loco sei aus Mexiko herübergekommen, sei sogar weitläufig mit ihm verwandt und er habe ihm vor einigen Jahren die Frau, mit der er heute verheiratet sei, weggeschnappt. Oh, Pedro Picacho war in großer Sorge. Wir fanden schnell heraus, dass er uns vor allen Dingen deshalb dabehalten hatte, weil so viele kampffähige Männer in der Postkutsche waren. Pedro Picacho wollte mit seinen indianischen Gehilfen nicht allein sein. Unsere Postkutsche war ihm wie die letzte Rettung erschienen. Natürlich wachten die Männer, aber im Laufe der Nacht war dann plötzlich Pedro Picachos indianische Frau mit ihrem Kind weg. Niemand konnte sich erklären, wie sie es fertiggebracht hatte, sich mit dem Kind unbemerkt zu entfernen. Pedro Picacho aber wusste nun, dass seine Apachenfrau ihn verlassen und zu dem Häuptling übergelaufen war, weil sie ihm nicht mehr die geringste Chance gab. Irgendwie musste die Apachin geheime Signale aufgenommen haben. Sie war also fort. Wir aber rechneten mit einem Angriff im Morgengrauen. Es war uns klar, dass wir uns nicht lange würden halten können. So kamen die Männer auf die Idee, mit der Postkutsche den Durchbruch zu versuchen. Wir wollten vor Morgengrauen losfahren. Aber dazu kam es nicht. Als die Männer die Kutsche fertig hatten, kamen die Apachen. Sie wurden noch einmal zurückgeschlagen, doch wir hatten erkennen können, dass es eine sehr starke Bande war. Die Hälfte der Männer war schon tot. Pedro Picacho ließ mich in den Brunnen und sagte mir etwas von einer Nische in der Brunnenwand, in der ich Schutz suchen könne. Und – und dann hörte ich bald darauf, wie sie oben den letzten Kampf kämpften. Ich hatte fürchterliche Angst, dass Picachos indianische Frau den Apachen von mir erzählt haben könnte, dass sie alle nach meinem Versteck suchen würden. Aber sie hat wohl nichts von mir gesagt. Ich verdanke ihr, dass man nicht nach mir suchte. Das ist alles, was ich zu berichten weiß. Jetzt möchte ich fort von hier, nichts als fort.«

In ihrer Stimme ist plötzlich ein schriller Ton. Ihr flackernder Blick schweift ständig in die Runde.

Bisher hat sie sich beherrscht. Nun bricht ihre Angst immer mehr durch. Sie achtet nicht auf Hunger und Erschöpfung, sie will fort.

»Sobald wir die Pferde getränkt und unsere Wasserflaschen gefüllt haben, geht es weiter«, sagt Cash Kincaid. »Ich weiß, dass wir keine einzige Minute Zeit zu verschwenden haben. Sie werden hinter Callaghan reiten, Miss Adamson.«

✰✰✰

Um diese Zeit etwa überfallen Coloradas Locos Reiter die Aurora-Mine. Es ist eine große Mine mit fast sechzig Mann Belegschaft.

Nachdem sie alle Arbeiter bei der Erzmühle, bei der Schmelze und bei den Wohngebäuden niedergemacht haben, dringen sie sogar in die Stollen der Mine ein. Sie haben keine besonders großen Verluste, denn die Krieger, die Coloradas Loco um sich sammelte, sind im Kampf gegen die Weißen erprobt und erfahren. Und für sie ist der Krieg gegen die weiße Rasse ein heiliger Krieg, der ihnen die Chance bringt, zu überleben und die Heimat zu behalten.

Coloradas' Krieger sind – wenn man so will – Besessene. Es war von Anfang an ihre Absicht, eine deutliche Fährte zu ziehen, eine Fährte von Erfolg zu Erfolg gegen die Weißen.

Nun, Coloradas Loco überfällt also die Aurora-Mine. Es ist ein schneller Handstreich im Vorbeireiten.

Sein nächstes Ziel ist Santa Cruz.

✰✰✰

An dem Nachmittag, da der Sheriff Cash Kincaid mit seinem Gefangenen die Picacho-Station erreicht und dort eine Frau aus dem Brunnen zieht und dreißig Meilen weiter Coloradas Loco die Aurora-Mine überfällt, kommen von Norden her vier Reiter nach Santa Cruz – vier hartäugige, scharfgesichtige Burschen auf guten Pferden und erstklassig bewaffnet.

Sie halten vor der Stadt auf einem der Hügel an und blicken auf die Häuser nieder.

Jeff Mallone sagt trocken: »Das ist es.« Jim Griffit grinst schief. »Sieht mies aus. In diesem traurigen Nest soll es für hunderttausend Dollar Gold geben? Pah!« Er spuckt zur Seite.

Pecos Slim Miller zuckt mit den hageren Schultern. »Warum sollen dort nicht hunderttausend Dollar in Gold sein? Ich weiß zufällig, dass es hier in dieser Gegend eine Menge Minen gab. Deren Besitzer werden ja irgendwohin gegangen sein, um auf bessere Zeiten zu warten. Jeffs Informationen können durchaus stimmen. Da wir schon mal den weiten und gefährlichen Weg gewagt haben, sollten wir auch – wie besprochen – weitermachen.«

»Richtig«, sagt der vierte Mann, der unter dem Namen Russ Rapkin steckbrieflich gesucht wird. »Ich glaube schon, dass Jeff Mallones Informationen stimmen. Nehmen wir also an, dass das Gold wirklich dort unten im Tresor der Post- und Frachtlinie liegt, weil man es bisher nicht wagen konnte, einen Transport nach Santa Fe durchzuführen, oder weil einige der Minenbesitzer in Santa Cruz auf eine Besserung der Verhältnisse warten und ihre bisherige Ausbeute nur in Aufbewahrung gaben. Wir werden in die Stadt reiten, uns den Postagenten schnappen und ihn ...«

✰✰✰

Wie immer, wenn es Abend wird, versorgt Sam Trasher die Tiere in den Corrals.

Sam Trasher ist schon über fünfzig. Vor dem Krieg, als er hier in Santa Cruz Post- und Frachtagent wurde, hatte er geglaubt, dass dies ein sehr ausbaufähiger Job wäre. Aber das war ein Irrtum. Anstatt für ein Dutzend Angestellte und Helfer der Postmeister sein zu können, wurde er nichts anders als Stationsmann und Pferdewächter.

Sam Trasher verrichtet die allabendliche Arbeit mit müden Bewegungen, die etwas von der bitteren Resignation erkennen lassen, die in ihm ist. Als es dann dunkel wird und er sich am Brunnen wäscht, spürt er, dass er auch heute wieder keinen Appetit zum Abendessen, dafür aber Verlangen nach Feuerwasser hat.

Ich werde zum Säufer, denkt er, und er erschrickt nicht bei dieser Erkenntnis, sondern spürt eine Gleichgültigkeit.

Was hat er schon vom Leben?

Als er fertig ist, das Handtuch an den Nagel in der Stallwand hängt und sich zum Gehen wendet, entdeckt er plötzlich, dass er nicht mehr allein ist.

Die Dunkelheit kam sehr schnell, und mit der Dunkelheit kamen vier Männer.

Sie sind maskiert, das kann er unschwer erkennen. Er sieht unter ihren Hüten und über den bis über die Nasen gezogenen Halstüchern nur ihre Augen funkeln. Kundige Hände durchsuchen ihn nach Waffen.

»Mach nur keine Dummheiten, Hombre«, sagt eine heisere Stimme. »Wir gehen jetzt in dein Office, und dann hast du nur die Wahl, uns den Geldschrank zu öffnen oder zu sterben. Also los!«

Sam Trasher gehorcht. Er wundert sich, dass er keine Furcht spürt. Ihm ist plötzlich alles gleichgültig. Doch sterben – nein, sterben möchte er gewiss nicht. Wozu auch? Noch gibt es in diesem Leben einige kleine Freuden für ihn. Noch kann er sich betrinken, auf die Zukunft hoffen und im Saloon mit anderen Männern, die zum Teil seine Freunde sind, ein Spielchen machen.

Er gehorcht. Er führt sie durch den Hintereingang in sein Office. Hier steht auch der Geldschrank seiner Postgesellschaft.

Die vier maskierten Banditen zünden die Lampe an. Es gibt hier im Hinterzimmer nur zwei kleine Fenster, die durch starke Läden verschlossen werden können.

Als er zurück ist, nickt er.

»Nun mach das Ding mal auf, Onkel«, sagt der heisere Sprecher der Bande. »Oder möchtest du hier ein Engel mit einer Harfe werden?«

In seiner Stimme ist plötzlich eine schonungslose Härte. Und Sam Trasher, der sich auskennt, weiß, dass hier nicht nur die Apachen gnadenlos sind. Dieses Land prägt die Menschen, und es macht selbst die gut gearteten härter als sonst wo. Die Bösen aber sind schlimmer als in jedem anderen Land. Hier im Apachenland gibt es nur Jäger und Gejagte.

Sam Trasher weiß das. Er öffnet wortlos das Zahlenschloss und stellt schließlich auch das Buchstabenschloss so ein, dass sich alle Verriegelungen lösen, als er an dem Knebelgriff dreht. Die Tür öffnet sich mit einem saugenden Geräusch.

Bisher war das Gold, das von den Minen nach Santa Cruz gerettet werden konnte, hier sicher aufgehoben.

Doch jetzt ...

Die vier Banditen holen es heraus. Sie brachten ihre Satteltaschen mit, in denen sie jetzt das Gold unterbringen. Es nimmt nicht viel Platz in Anspruch, aber es ist dennoch schwer.

Alles zusammen sind es gewiss nicht weniger als hundert Pfund Gold.

Als sie fertig sind, betrachten sie den Posthalter.

Jetzt fürchtet Sam Trasher sich doch. Es könnte ihnen vielleicht sicherer erscheinen, ihn als Toten zurückzulassen.

Doch sie gehören wahrscheinlich nicht zu der ganz üblen Sorte. Ihr Sprecher sagt nämlich: »Ich denke, wir wickeln ihn in ein Lasso ein und binden ihm was über den Mund. Bei dieser Dunkelheit genügt uns eine einzige Stunde Vorsprung, selbst wenn wir ganz sichergehen wollen. Also, Onkel, wir werden dir nicht wehtun. Komm schon!«

Sam Trasher gehorcht wieder. Wenig später ist er allein. Sie haben ihn tatsächlich in ein Lasso gewickelt und ihm ein Handtuch über das Gesicht gebunden. Er rollt sich zur Hintertür und beginnt, immer wieder mit seinen gefesselten Füßen dagegen zu treten, so fest er nur kann.

Vielleicht kommt jemand hinter dem Haus vorbei und kann ihn hören.

✰✰✰

Inzwischen sind die vier Banditen unterwegs zu ihren Pferden, die sie gut verborgen und zuverlässig angebunden vor der Stadt zwischen den Ruinen einer alten Mission der Jesuiten-Padres ließen.

Die vier Burschen sind in prächtiger Laune. Seit der Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft haben sie schon so manches gewagte Unternehmen ausgeführt. Doch es hatte ihnen nie viel eingebracht.

Aber diesmal!

Oho, das hier ist der größte Coup ihres Lebens! Sie haben ausgesorgt für alle Zeiten. Jeder von ihnen wird fünfundzwanzig Pfund Gold besitzen. Mit dem Erlös kann sich jeder eine große Ranch kaufen, denn Ranches sind jetzt in Texas billig zu haben. Niemand kann Steuern zahlen.

Ja, sie sehen die große Chance vor sich.

Dann erreichen sie die Missionsruine. Der Mond kam inzwischen über die Hügel und lässt sein blasses Licht auf die Erde sickern.

Die Pferde sind fort. Selbst in den dunklen Winkeln, wo geheimnisvolle Schatten sind, ist kein Pferd verborgen.

Die vier Banditen verharren. Jeder hält den schussbereiten Colt in der freien Hand. Jeff Mallone wirft sich seine Satteltaschen über die linke Schulter und hält dann sogar beide Revolver in den Händen.

Er ist es, der leise flüstert: »Da hat sich jemand einen bösen Scherz mit uns erlaubt und ...«

Pecos Slim hat sich inzwischen dort niedergekniet, wo man im Mondschein die Fährte der Pferde im knöcheltiefen Staub besonders gut betrachten kann. Er deutet auf einige Fußabdrücke neben der Hufspur.

»Apachen«, sagt er. »Jungs, wenn wir von hier fortreiten wollen, dann müssen wir blitzschnell in die Station zurück und uns dort mit Pferden und Ausrüstung versorgen. Aber wenn es nicht nur wenige indianische Pferdediebe waren, dann ...«

Er spricht nicht weiter, und das braucht er auch nicht, denn seine drei Partner wissen auch so Bescheid.

Sie machen sich schnell auf den Rückweg zur Posthalterei.

Nun ist ihre sorglose Freude fort. Sie sind jetzt vier wachsame, gefährliche Burschen, die sich schon oft – und nicht zuletzt während des Krieges als Guerillakämpfer – in gefährlichen Situationen befanden.

Als sie die Corrals der Post- und Frachtstation erreichen, kommen sie zu spät.

Ein Rudel Apachen ist soeben dabei, schweigsam und schnell alle Tiere aus den Corrals zu treiben. Im Mondlicht ist das für erfahrene Burschen, wie es die vier Banditen sind, schnell zu erkennen.

Jeff Mallone hätte gewiss nicht zu schießen begonnen, wäre er nicht von zwei Apachen, die aus dem Schatten eines abgestellten Erzwagens auftauchten, angegriffen worden.

Er trifft beide Angreifer mitten im Sprung, und er schnellt zur Seite, als sie getroffen vor seine Füße rollen, mit blitzenden Messern in den Händen.

Jeff Mallones Schüsse sind ein Signal. Sie alarmieren Santa Cruz, zumal einer der tödlich getroffenen Apachen einen wilden Schrei hören lässt.

Und da Jeff Mallone schon mal mit dem Schießen begann, macht er auch gleich weiter. Auch seine drei Partner feuern, denn es sind plötzlich mehr als ein halbes Dutzend Apachen da.

Sie greifen brüllend an. Doch ihr Brüllen wird übertönt vom Krachen der Revolver.

Trotzdem können die vier Banditen nicht verhindern, dass die anderen Indianer alle Pferde und Maultiere forttreiben. Sie können nur das halbe Dutzend Angreifer erledigen.

Dabei werden Russ Rapkin und Pecos Slim leicht verwundet.

Sie ziehen sich schießend durch den Hintereingang ins Office zurück und finden sich somit wieder bei Sam Trasher, der zwar auf Befreiung hoffte, doch gewiss nicht damit rechnete, von den Männern befreit zu werden, die ihn zuvor in das Lasso gewickelt hatten.

»Das Leben ist voller Überraschungen«, sagt Jeff Mallone bitter, als sie ihn losbinden und das Gold wieder in den Geldschrank legen.

Dann öffnen sie die Fenster und verteilen sich, um auf die Apachen zu schießen, die nun da und dort für Sekundenbruchteile auftauchen.

Es wird jetzt überall in der Stadt geschossen. Schon beim Krachen der ersten Schüsse gingen überall die Lichter aus. Alle Einwohner sind bereit, ihr Leben so teuer wie möglich zu verkaufen.

Das Krachen der Schrotflinten tönt immer wieder. Fast jeder Einwohner von Santa Cruz besitzt eine solche Flinte, die mit sogenanntem »Indianer- oder Apachenschrot« geladen wird, einer Mischung aus gehacktem Blei, Nägeln und ähnlichem Zeug.

Seit man hier in Santa Cruz auf sich selbst angewiesen ist und fürchten muss, von jeder größeren Banditen- oder Apachenhorde bedroht zu werden, stellte man sich auf solche Möglichkeiten ein.

Die Apachen ziehen sich nach einer Weile zurück. Die Krieger hatten eigentlich nur den Auftrag, alle Pferde zu stehlen.

Und das ist der Vorhut von Coloradas Locos Horde ja auch geglückt.

✰✰✰

Die vier Banditen finden sich wieder bei Sam Trasher im Hinterzimmer des Post- und Fracht-Office ein. Sie fluchen nicht einmal. In ihrer Art ist etwas Gelassenes, fast Gleichgültiges.

Auch Sam Trasher schweigt. Eines weiß er genau: Diese vier Banditen sind Revolvermänner und für die Menschen in Santa Cruz eine willkommene Verstärkung. Sie sind wertvoller als ein Dutzend reguläre Soldaten.

»Das waren nicht nur ein paar Pferdediebe, denke ich«, sagt Jeff Mallone trocken. »Diese roten Burschen wollten die Stadt erobern, und es wäre ihnen wahrscheinlich geglückt, wären sie nicht uns und wir ihnen in die Quere gekommen. Onkel, wir nehmen für uns in Anspruch, euch allen noch einmal die Skalps gerettet zu haben. Und das Gold liegt wieder im Geldschrank. Wie stehen wir jetzt zueinander?«

Es ist eine klare, sachliche Frage, und Sam Trasher kann klar und sachlich denken.

»Wir sind verdammt froh, dass ihr noch vor den Apachen die Stadt erreichen, den ersten Angriff aufhalten und Alarm geben konntet«, sagt er. »In ganz Santa Cruz gibt es gewiss keinen Menschen, der nicht euer Freund sein möchte. Ich hatte vorhin einen bösen Traum. Banditen hatten mich überfallen, gefesselt und waren mit dem Gold verschwunden. Doch es war nur ein Traum, denn ich bin nicht gefesselt. Auch das Gold ist nicht weg. Wahrscheinlich war ich wieder einmal betrunken. Wollt ihr einen Schluck haben, Jungs?«

Er geht zum Schrank und holt dort eine noch halb volle Flasche heraus. »Es ist Brandy«, sagt er. »Diese Flasche ist meine Reserve, und ich denke, dass wir einen Schluck trinken sollten.«

Einer der vier Banditen nimmt die Flasche, trinkt, reicht sie weiter, und als sie bei Sam Trasher anlangt, ist nur noch ein einziger großer Schluck für ihn darin.

»Ja, es ist guter Brandy«, sagt Pecos Slim. »Was nun, Jungs?«

»Ich sagte es schon«, wiederholt Jeff Mallone pulvertrocken. »Das waren nicht nur ein paar Pferdediebe. Diese roten Bastarde wollten die Stadt im Handstreich erobern, und deshalb denke ich, dass sie die Vorhut einer großen Bande sind. Onkel, es wird Zeit, dass du uns mit den anderen Leuten bekannt machst, damit wir gemeinsam auf eine gute Idee kommen. Santa Cruz wäre nicht die erste Siedlung, die von Apachen klein gemacht wird. Wie viele kampffähige Männer gibt es hier?«

»Nennt mich nicht immerzu Onkel. Ich bin Sam Trasher, der Postagent. Wie viele kampffähige Männer wir hier sind? Oh ...«

Er beginnt an den Fingern abzuzählen.

Dann sagt er: »Wir sind hier genau zehn Bürger angloamerikanischer und sieben Bürger mexikanischer Abstammung – somit siebzehn Männer. Dazu kommen neun Frauen und Mädchen und fünf Kinder unter zwölf Jahren. Unser Sheriff ritt vor drei Tagen hinter einem Revolverhelden her, der hier einen Mann getötet hat. Aber er wird nach Santa Cruz zurückkommen. Bestimmt! Cash Kincaid lässt uns nicht in der Patsche sitzen. Niemals! Sonst wäre er ja nicht bei uns als Sheriff geblieben. Der kommt, oder er holt zumindest Hilfe von Fort Grant.«

»Das wollen wir hoffen, Onkel.« Mallone grinst.

✰✰✰

In dieser Nacht trifft auch Coloradas Loco mit dem Hauptteil seiner Kriegshorde bei Santa Cruz ein.

Er lässt sich berichten und betrachtet die Toten, die man von Santa Cruz mitgebracht hat. Dann sieht er nach den erbeuteten Pferden und Maultieren.

»Ihr habt sie teuer bezahlt«, sagt er zu den beiden Anführern der Vorhut. »Euer Befehl lautete, dass ihr die Pferde der Stadt stehlen und damit verhindern solltet, dass jemand flüchten kann. Nichts anderes solltet ihr tun. Aber ihr seid so dumm wie träge Hammel auf einer Wiese in der Sonne. Ihr solltet nur die Reittiere stehlen, nicht angreifen. Man sollte euch nur für Pferdediebe halten. Jetzt weiß man in Santa Cruz, dass wir uns stark genug fühlen, die Stadt anzugreifen. Und ich kann es mir nicht leisten, Santa Cruz unbehelligt an unserer Kriegsfährte liegen zu lassen, denn das machte mich in den Augen aller Apachen zu einem kleinen Häuptling. Unsere Kriegsfährte führt genau auf Santa Cruz zu. Also müssen wir diese Stadt auch zerstören. Morgen werde ich meinen Kriegern sagen, wie das gemacht werden muss. Bis zum Anbruch des Tages halten wir die Stadt nur umklammert und lassen niemanden heraus.«

Nach diesen Worten beziehen die Apachen zwischen den Trümmern der alten Mission ein Camp.

Der Häuptling Coloradas Loco umkreist später die kleine Stadt. Im Mondlicht kann er sich alles gut ansehen, und er weiß auch, dass in den Häusern und den tiefen Schatten dazwischen Gefahr lauert. Die Bewohner dieser Stadt können kämpfen. Was aber noch wichtiger ist – und schlecht für die Apachen: Santa Cruz ist gewarnt.

Immer wieder denkt Coloradas Loco daran, einfach weiterzuziehen.

Doch bei diesem Gedanken weiß er sofort, dass er es nicht kann, nicht darf.

Er will ein großer Häuptling werden, der größte Häuptling des Apachenvolkes. Coloradas Loco hat den festen Glauben an sich selbst. Er glaubt daran, berufen zu sein, das Volk der Apachen zu einem neuen Aufstieg zu führen.

Die Häuptlingswürde ist bei den Apachen nicht erblich. Ihre Häuptlinge werden auf demokratische Weise gewählt, und dabei haben sogar die Frauen Stimmrecht. Ein Mann wie Coloradas Loco könnte also wirklich der größte Häuptling des ganzen Apachenvolkes werden, wenn dieses nur an ihn glaubt.

Aber wenn eine so kleine Stadt wie Santa Cruz ihn schon zwingen kann, um sie einen respektvollen Bogen zu schlagen ...

Aaah, er darf es einfach nicht!

✰✰✰

Cash Kincaid, sein Gefangener und Sue Adamson stellen in dieser Nacht fest, dass es bei der Aurora-Mine keine Lebenden mehr gibt.

Santa Cruz liegt dreißig Meilen von der Mine entfernt. Kincaid muss den Pferden eine längere Ruhepause gönnen, zumal Ringo Callaghans Tier auch noch das Mädchen tragen muss.

Sie verlassen die Mine, sobald sie ihre Pferde getränkt und sich selbst etwas erfrischt haben. Cash Kincaid führt sie noch drei Meilen weit durch die Nacht, bis sie eine Schlucht erreichen. In einer kleinen Höhle können sie es wagen, ein Feuer anzuzünden und Kaffee zu kochen. Darüber hinaus haben sie nicht mehr viel Proviant. Er reicht nur noch für eine Mahlzeit.

Aber am nächsten Tag wollen sie ja auch schon in Santa Cruz sein.

Ringo Callaghan hat die letzten Stunden wenig gesprochen. Plötzlich sagt er: »Die Stadt hat doch keine Chance, Sheriff. Wir sollten nach Fort Grant hinüber. Dort können wir die Armee alarmieren und ...«

»Die Fortbesatzung ist viel zu klein für eine so starke Apachenhorde«, unterbricht ihn Cash Kincaid. »Man hat die Armee so kurz nach dem Krieg noch längst nicht wieder auf den notwendigen Stand gebracht – ich meine hier im Arizona-Territorium. Das neue Fort ist kaum mehr als ein primitives Camp. Die paar Soldaten könnten den Apachen keinen größeren Gefallen tun, als sich hinaus in das wilde Land zu wagen. Dann gäbe es Fort Grant nicht mehr. Wenn dieser Häuptling Stadt und Fort vernichten könnte, wäre er mit einem Schlag berühmt. So ist das, Ringo! Nein, wir reiten nach Santa Cruz. Selbst wenn es von Apachen eingeschlossen ist, reiten wir hinein.«

Der Revolverheld staunt.

»Du bist ja verrückt, Sheriff«, sagt er. »Kincaid, ich schwöre dir, dass dieser Bill Henderson nicht so betrunken war, wie die Zeugen es behaupten. Er hielt seinen Colt schon auf mich gerichtet und gab auch den ersten Schuss ab, nur traf er mich nicht. Sollte ich warten, ob er mit dem zweiten Schuss treffen würde? Kincaid, gib mich frei! Ich werde mit Miss Adamson nach Fort Grant reiten und ...«

»Nein!«, sagt Kincaid entschieden.

Das Feuer ist fast erloschen. Nur noch ganz schwach liegt etwas rötlicher Lichtschein auf den drei Gesichtern.

Der Sheriff wendet sich an das Mädchen: »Miss Adamson, Bill Henderson war einer der wenigen Menschen, die im Lande blieben und nicht fortliefen. Das ist etwas, was zählt, denn dies hier ist ein schönes, großartiges Land. Es muss erschlossen und zivilisiert werden. Zum Teufel, auch ich bin doch als Sheriff einer lächerlich kleinen Stadt geblieben! Meine Aufgabe ist es, die Menschen zu schützen. Ich konnte Bill Hendersons Tod nicht verhindern. Doch ich werde den Mann aufknüpfen, der ihn erschoss. Um Bill Henderson war es schade, weil er in diesem unglücklichen Land aushielt. Um einen Revolverhelden wie Ringo Callaghan ist es nicht schade. Im Gegenteil, er wird nicht noch irgendwo einen anderen Mann töten können. Das ist es, Miss Adamson. Und nun möchte ich nicht mehr über die Sache reden.«

Er lehnt sich zurück, nimmt seinen Revolver in die Hand und entspannt sich. Man sieht ihm an, dass er ausruhen will. Vielleicht wird er einschlafen.

Ringo Callaghan starrt eine Weile zu ihm hinüber, dann wendet er sich an Sue Adamson. »Kincaid hat den Schlüssel zu meinen Handschellen in seiner linken Westentasche. Aber ich habe keine Chance, an ihn heranzukommen. Vielleicht schläft er fest ein. Ich glaube, er ist schon den dritten Tag ohne Schlaf. Ich glaube fast, dass er nicht länger durchhalten kann.«

»Ich kann«, sagt Kincaid. »Und solltest du mich nochmals angreifen, Ringo, so bekommst du diesmal nicht nur Prügel, sondern ich erschieße dich.«

Ringo Callaghan erwidert nichts. Sie schweigen nun alle, und Sue Adamson, die für eine Weile von den eigenen Problemen abgelenkt wurde, beginnt wieder, sich damit zu beschäftigen. Sie sagt nachdenklich: »In Fort Grant wird man sich über mein Ausbleiben Sorgen machen, denn meine Ankunft ist längst überfällig. Man wusste im Fort, dass ich kommen würde. Ein indianischer Scout ritt in Tucson vor Abfahrt der Postkutsche los, um mein Kommen zu melden. Sicherlich hat man der Kutsche eine kleine Patrouille entgegengeschickt. Wahrscheinlich wird diese Patrouille von meinem Verlobten geführt. Oh, vielleicht hätte ich lieber bei der Picacho-Station warten sollen ...«

»Sie reden Unsinn, Miss Adamson«, murmelt Cash Kincaid. »Sie sind eine sehr reizvolle Frau, aber jetzt reden Sie Unsinn.«

✰✰✰

Schon drei Stunden später reiten sie weiter. Als Sue Adamson wieder hinter Ringo Callaghan auf dem Pferd sitzt, fragt dieser flüsternd: »Sue, wollen Sie mir nicht helfen? Ich bringe Sie dafür nach Fort Grant zu Ihrem Verlobten. Ich schwöre Ihnen, dass ich unschuldig bin. Die beiden Zeugen in Santa Cruz lügen, und der Sheriff hält zu den Leuten von Santa Cruz bis in die Hölle und zurück. Für ihn sind sie Helden, weil sie in diesem Land aushalten wollen, bis bessere Zeiten kommen. Sue, helfen Sie mir! Bitte.«

Diese Bitte fiel ihm sicherlich schwer, doch er sieht keine andere Chance.

»Wie könnte ich Ihnen helfen, Ringo? Selbst wenn ich es wollte – wie könnte ich Ihnen helfen?«, fragt sie leise.

Er schnauft vor Erregung. Seine äußerlich so lässige Kühle ist also gespielt.

»Mit meinen gefesselten Händen habe ich keine Chance gegen den Sheriff«, murmelt er. »Ich habe es schon zweimal versucht und bekam immer fürchterliche Prügel. Sue, Sie haben gewiss welche von diesen kleinen dünnen Lockennadeln in Ihrem Haar. Bitte geben Sie mir eine. Ich bekomme damit ganz bestimmt meine Handschellen auf. Dann brauchen Sie den Sheriff nur etwas abzulenken – nur eine Sekunde. Sue, helfen Sie mir, sonst sind Sie mitschuldig, wenn sie mich in Santa Cruz hängen. Bitte, Sue! Sie helfen mir und sich selbst, denn ich bringe Sie nach Fort Grant.«

Sue Adamson weiß nicht, warum sie gehorcht. Als sie eine der kleinen Nadeln aus dem Haar holt und unter Ringos angewinkeltem Arm hindurch nach vorn reicht, bereut sie ihre Handlungsweise schon.

Doch es ist zu spät.

Ringo Callaghan hat die Nadel bereits.

Außerdem ist es Nacht.

In Sue Adamson ist plötzlich ein Widerstreit von Gefühlen. Jetzt, da sie Ringo Callaghan die Haarnadel zusteckte, kommt sie sich plötzlich wie eine gemeine Verräterin vor.

Sie blickt über Ringo Callaghans Schulter und kann erkennen, wie er die Nadel zwischen die Zähne nimmt und eine der beiden Spitzen verbiegt. Dann beginnt er damit am Schloss der Handschellen zu hantieren. Der Spielraum, den ihm das Verbindungsstück zwischen den Handschellen lässt, ist groß genug.

Sue begreift, dass sie handeln muss, wenn sie ihre Tat rückgängig machen will, denn schon in der nächsten Sekunde kann Ringo Callaghan freikommen.

Sie sagt plötzlich: »Es war falsch von mir. Ich will meine Haarnadel zurück. Callaghan, wenn Sie mir nicht sofort das Ding wiedergeben, informiere ich Kincaid.«

»Das werden Sie nicht tun, Sue«, zischt Callaghan, und er arbeitet dabei fieberhaft an dem Schloss der Handschellen.

»Doch«, sagt sie entschlossen, und er hört ihrer Stimme an, dass sie nicht blufft.

Deshalb hält er inne.

»Na gut«, flüstert er. »Hier ist das Ding. Sie sind eben nur ein Mädel von durchschnittlicher Art. Diese Sorte wird leicht wankelmütig. Die weiß nie richtig, was sie will. Aber denken Sie daran, wenn sie mich in Santa Cruz hängen, dass Sie die Möglichkeit hatten, mich zu retten.«

Nach diesen Worten schweigen sie beide. Aber sie müssen auf dem Pferd beieinanderbleiben. Manchmal, wenn das Gelände rau wird, muss Sue Adamson sich sogar an Ringo Callaghan festhalten.

Cash Kincaid führt sie vorsichtig durch das Land. Sogar der unerfahrenen Sue Adamson fällt auf, wie geschickt er die natürlichen Bodenbeschaffenheiten ausnutzt und in dem Schatten der Hügelketten bleibt.

Langsam kommt der Tag. In der Morgendämmerung wird es noch kühler. Weit im Osten scheint die Sonne zu explodieren und Lichtbündel zum Himmel zu feuern. Mit einem Mal ist es hell, und nun reitet Cash Kincaid noch vorsichtiger. Er kennt das Land und seine Eigenarten. Sue Adamson hätte nie geglaubt, dass man sich auch bei Tag so unauffällig und vorsichtig durch ein raues Land bewegen kann.

Langsam nähern sie sich Santa Cruz. Wenn die Apachen nicht ganz besonders gute Späher auf ihrer Fährte zurückließen, sind die drei Reiter gewiss noch nicht entdeckt worden.

Irgendwann, als es schon heiß ist, halten sie an, um sich aus den Wasserflaschen zu erfrischen und auch ihren Tieren etwas Wasser zu geben. Cash Kincaid lässt die Pferde nacheinander aus seinem Hut saufen.

Dann rasten sie im Schatten eines roten Felsens. Kincaid ist sehr erschöpft. Seine Augen sind gerötet und lassen seine Übermüdung deutlich erkennen.

Für einige Sekunden nickt er ein. Sue Adamson merkt es gar nicht, doch Ringo Callaghan stellt es sofort fest, und er handelt.

Als Sue Adamson, die ebenfalls ihre Augen schloss, diese wieder öffnet, sieht sie plötzlich, dass Ringo Callaghan nicht mehr gefesselt ist. Er hat sich der Handschellen entledigt. Er musste sie mit der Haarnadel aufbekommen haben, bevor er die Nadel an Sue zurückgab. Er hat Sue getäuscht.

Sie sieht, wie er seine kauernde Haltung verändert, und erkennt, dass er sich im nächsten Sekundenbruchteil auf Cash Kincaid werfen wird.

Das Mädchen stößt einen Warnruf aus.

Kincaid reißt beide Füße hoch und stößt sie dem auf ihn hechtenden Gegner vor die Brust, wirft ihn zurück, sodass sich Callaghan am Boden überschlägt. Dann hat Kincaid plötzlich seinen Colt in der Hand.

»Jetzt bin ich es leid, mich immer wieder mit dir zu prügeln«, knirscht er heiser und mit der Bitterkeit eines erschöpften Mannes, der endlich genug hat. »Jetzt reicht es mir, Bursche, ich mache meine Drohung wahr. Steh auf, Callaghan! Steh auf, sage ich dir! Ich habe dich gewarnt!«

»Nein! Nein!«, ruft Sue Adamson schrill.

Dann sieht sie, wie sich Ringo Callaghan langsam erhebt. Er klopft sogar den Staub von seiner Kleidung, und er sieht Kincaid furchtlos an.

»Schieß doch, du verdammter Menschenjäger!«, sagt er heiser. »Schieß doch endlich!«

Sue Adamson springt auf, um sich zwischen die Männer zu werfen.

Aber sie erkennt, als sie Kincaid ansieht, dass dieser nicht schießen wird.

Cash Kincaid schluckt schwer.

»Wir reiten weiter«, sagt er. »Es ist nicht mehr weit bis Santa Cruz. Sue, ich danke Ihnen für den Warnruf.«

✰✰✰

Als es in Santa Cruz Tag wird, ist dort die Lage klar.

Man hat die Verteidigungsstellungen längst bezogen, und man hat im Laufe der Nacht eine Menge Arbeit geleistet.

Santa Cruz ist jetzt ein befestigtes Fort.

Die Hauptstraße wurde von Süden und Norden her mit Wagen, Bauholz, leeren Fässern, Kisten und anderem Zeug gesperrt.

Auf der Westseite des gesperrten Straßenabschnittes befinden sich der Saloon und die Sattlerei. Auf der Ostseite liegen Post Office, Hotel und Generalstore. Man kann im Schutz der Barrikaden von einer Straßenseite zur anderen gelangen.

Was außerhalb dieser Barrikaden und der fünf Gebäude liegt, musste man von Anfang an den Apachen überlassen, denn es wäre von den paar Menschen nicht zu verteidigen.

Vor dem Hotel und dem gegenüberliegenden Saloon weitet sich die Straße etwas. In ihrer Mitte steht eine mächtige Burreiche, unter der sich ein Brunnen mit Wassertrögen befindet.

Die Apachen dringen im Morgengrauen in die Stadt ein. Sie durchsuchen alle verlassenen Häuser, und sie finden allerlei Dinge, die ihnen gefallen. Was ihnen nicht gefällt, zerstören sie und zünden es an. So kommt es, dass in Santa Cruz die meisten Häuser außerhalb der Verteidigungslinie bald in Flammen aufgehen. Nur die Adobewände bleiben stehen.

Den starken Rauch benutzen die Apachen als Deckung. Sie greifen nacheinander von verschiedenen Stellen her an, um herauszufinden, wo sich die schwachen Punkte befinden.

Doch es gibt keine schwachen Punkte.

Im Saloon sind außer Chip Dragon, dem Besitzer, noch einige harte Burschen, nämlich die Minenbesitzer Earl Quinson, Wyatt Beestone und die Minenbesitzerin Jayne Peterson. Dazu kommen noch Chip Dragons Gehilfen, zwei Mexikaner. Im Sattlerladen gleich nebenan sind John Fitsimmons, dessen Frau Mary, von der man sagt, dass sie Haare auf den Zähnen hat, und seine Tochter. Der Schmied mit seiner Frau und dem zwölfjährigen Sohn sind bei ihnen, denn die Schmiede liegt am Rande des Ortes und konnte nicht verteidigt werden.

Im Store befinden sich Nad Barnett mit Frau und Tochter. Zwei weitere Bürger sind bei ihm. Das Hotel verteidigt Juan Hernandez mit seiner Frau und zwei entfernten Verwandten. Und im Post Office haben sich der Postagent und Pecos Slim Miller sowie Russ Rapkin festgesetzt.

Jeff Mallone und Jim Griffit befinden sich oben auf den Dächern. Sie können vom Post Office auf das Hotel und von dort auf den Store springen.

Der Rest der Verteidiger hält sich für unerwartete Fälle bereit.

Für die Apachen ist es wirklich nicht leicht, irgendwo eine schwache Stelle zu finden, obwohl sie es von allen Seiten und vor allen Dingen von den Rückseiten der Gebäude her versuchen.

Sie bekommen von überall Feuer, und wenn sie in die Nähe der Fenster und Schießscharten kommen, krachen die Schrotflinten. Vor diesen grausamen Schrotflinten haben die Apachen schon bald großen Respekt.

Nach diesem ersten Abtasten ziehen sie sich zurück.

Sie glauben nun, über die Stärke der Verteidiger und deren Feuerkraft einigermaßen Bescheid zu wissen. Man kann gewiss nicht sagen, dass die Roten von dieser harten Nuss begeistert sind.

Ihr Häuptling Coloradas Loco aber kann sich nicht davonschleichen. Vorerst schickt er seine beiden Scharfschützen den halb zerfallenen Glockenturm der Mission hinauf.

Und dann gibt es für eine Weile ein recht spannendes Duell zwischen ihnen und den beiden Banditen Mallone und Griffit, die sich oben auf den Dächern befinden.

Eine Zeit lang hört man die vier Gewehre krachen.

Dann segelt ein Apache brüllend vom Turm zur Erde.

Sein Partner gibt auf, und dann beginnt der zweite Apachenangriff ganz plötzlich und unerwartet.

Sie kommen über die südliche Barriere, und wenn sie glaubten, dass man sie hinter der Barriere aufhalten würde, so erweist sich das schnell als Täuschung.

Man lässt sie herein. Mehr als zwei Dutzend kommen herüber, verteilen sich nach rechts und links, um zu versuchen, in die Häuser zu gelangen.

Aber dann bekommen sie es.

Nur einem der Apachen gelingt es, sich unter die Veranda des Saloons zu rollen. Doch er wird wenig später erschossen.

Dann ist es wieder still.

Die Apachen ziehen sich nach Süden zu aus der Stadt zurück und sammeln sich erneut in den Ruinen der alten Mission.

Natürlich halten sie die Stadt immer noch mit einem losen Ring von Kriegern umklammert.

Jeff Mallone, der auf dem Hoteldach hockt, entdeckt plötzlich von Osten her zwei Reiter. Sie tauchen – selbst für die Apachen unerwartet – aus den nahen Maisfeldern und Obstgärten auf.

Jeff Mallone sieht erst auf den zweiten Blick, dass hinter dem einen Reiter noch ein zweiter auf dem Pferd sitzt – eine Frau, die sich fest an den Mann klammert.

Der andere, der allein auf dem Pferd reitet, lenkt das Tier nur mit den Schenkeln und feuert aus zwei Revolvern, als einige Apachen ihnen den Weg verlegen wollen.

»Hoi, da kommt der Sheriff! Er schießt für sich und seine Begleiter den Weg frei!«, brüllt Jeff Mallone triumphierend. Jeff hat unter der wehenden Weste den Sheriffstern blitzen sehen.

Zwischen Hotel und Post Office ist nur ein schmaler Raum, den man von Dach zu Dach überspringen kann. Durch diese Gasse kommen die Reiter zur Hauptstraße, schwenken ein und halten vor dem Hotel.

Einige Männer kommen aus den Häusern.

Jeff Mallone und dessen Partner hören eine Stimme grimmig rufen: »Respekt, Sheriff, Respekt! Du hast nicht nur den Schurken erwischt, der unseren guten Bill Henderson von den Beinen schoss, du bist auch zu uns zurückgekommen. He, wir brauchen dich mehr denn je, Cash! Und diesen Schuft werden wir gleich aufhängen, bevor ihn und uns die Apachen erwischen! Wir hängen ihn dort!«

Nun mischt sich Jeff Mallone auf dem Hausdach ein. Von Sam Trasher weiß er längst, warum der Sheriff nicht in der Stadt war und was geschah.

Jeff Mallone schiebt sein Gewehr über die Dachkante und ruft hinunter: »Keine Hängepartie, Jungs! Wir brauchen jetzt jeden Mann. Selbst wenn dieser Hombre dort unten wirklich euren Bill Henderson getötet haben sollte, so ist uns das völlig gleich. Dieser Gelbkopf sitzt mit uns in der Klemme und kann seine Schuld am besten damit abbüßen, dass er möglichst viele Apachen umlegt. Lasst ihn frei und gebt ihm Waffen! Los, wir spaßen nicht!«

Ringo Callaghan streicht sich das blonde Haar aus der Stirn, blickt nach oben und ruft: »Vielen Dank, Bruder! Es gibt also noch ein paar vernünftige Burschen in diesem Nest.« Er blickt sich nach allen Seiten um, starrt mit funkelnden Augen in die Gesichter der ihn umringenden Männer.

»Wer sind denn die beiden Lügner, die mich beschuldigen, zuerst nach dem Colt gegriffen zu haben? He, wer von euch hat das behauptet?«

Niemand gibt ihm Antwort. Aber Ringo Callaghan spürt den Hass, der ihm entgegenschlägt, ganz genau.

Inzwischen blickte Cash Kincaid zu Jeff Mallone empor und fragt einen der neben ihm stehenden Männer: »Wer ist das, George?«

Es ist der Schmied, der gemeint ist, und er erwidert: »Sie kamen kurz vor dem Apachenüberfall in die Stadt. Sie sind vier Mann. Wären sie nicht gewesen, hätten die Apachen unsere Stadt im Handstreich erobern können. Sie aber machten mit ihren Revolvern eine Menge Lärm und töteten ein halbes Dutzend Rote, bevor wir überhaupt richtig wussten, was los war. Wir verdanken ihnen ziemlich viel, Cash.«

Der Sheriff versteht schnell, er nickt. Jetzt sieht er auch Jim Griffit auf dem Dach neben Jeff Mallone auftauchen, und drüben beim Post Office entdeckt er Pecos Slim Miller und Russ Rapkin.

»Warum ergreift ihr für ihn Partei?«, fragt Kincaid Jeff Mallone. »Ist er euer Freund und Partner? Kam er nach Santa Cruz, um hier auf euch zu warten?«

Jeff Mallone gibt ihm keine Antwort, hält jedoch seine Gewehrmündung wie zufällig auf den Sheriff gerichtet.

»Wir brauchen jeden Mann, und einen Revolverkünstler brauchen wir sogar doppelt und dreifach. Deshalb sage ich, dass der Gefangene frei ist und Waffen bekommt! Sheriff, wenn hier alles vorbei ist, können wir uns immer noch darüber Gedanken machen, was mit dem gelbhaarigen Pilger geschehen soll. Also? Wo ist sein Revolver? Er trägt nur einen Waffengurt mit leerem Holster. Wo ist seine Kanone?«

Kincaid blickt in die Gesichter der Umherstehenden – dann schaut er zu Jeff Mallone empor.

»Haben Sie hier das Kommando übernommen?«, fragt er.

»Nein«, erwidert Jeff Mallone. »Das Kommando haben Sie, Sheriff. Daran gibt es keinen Zweifel. Aber ...«

»Schon gut, Freund«, unterbricht ihn Cash Kincaid. Er zieht Ringo Callaghans Colt aus dem Hosenbund und wirft ihn Callaghan zu.

»Wenn alles vorbei ist und wir zwei noch leben«, sagt er ruhig, »werde ich deinen Colt schon wiederbekommen, Ringo. Du hast einen unserer besten Männer getötet: Bill Henderson. Nun, jetzt nimm hier seine Stelle ein! Ersetze ihn als Kämpfer für diese Stadt. Wenn man es so sieht, hatte es doch einen Sinn, dich nach Santa Cruz zurückzubringen. Und jetzt lasst mich erst mal zwei oder drei Stunden schlafen.«

Als er absitzt und ins Hotel geht, sieht man ihm an, wie müde er ist.

✰✰✰

Cash Kincaid erwacht aus einem traumlosen Schlaf, der wie eine tiefe Bewusstlosigkeit war. Noch bevor er richtig wach ist, hört er den Lärm des erbitterten Kampfes.

Revolver, zwei oder drei Remington-Repetiergewehre und mehrere Schrotflinten krachen. Durch diesen Lärm tönen brüllende Männerstimmen, das Kreischen einer Frau und das Weinen von Kindern.

Die Apachen kämpfen diesmal fast schweigend. Nur dann und wann hört man schrille Rufe, mit denen sie sich verständigen.

In Cash Kincaids Zimmerfenster taucht plötzlich ein Apache auf. Obwohl Jeff Mallone und Jim Griffit auf den Hausdächern sind, gelang es dem Indianer, auf das niedrige Schuppendach und von dort aus an dieses Fenster zu kommen. Nun will er herein.

Aber der Sheriff hat seinen Colt mit im Bett. Er hielt ihn während des Schlafes in der Hand. Die Kugel stößt den Apachen zurück und wirft ihn rücklings auf das Schuppendach.

Ein zweiter Apache feuert von draußen ins Zimmer. Doch er zeigt dabei etwas von seinem Kopf und der rechten Schulter.

Kincaid trifft ihn.

Als Kincaid dann aus dem Fenster späht, den Revolver schussbereit in der Faust, tönt von oben Jeff Mallones Stimme: »Na fein, Sheriff, dass Sie wieder aufgewacht sind. Ich war gerade auf der anderen Seite beschäftigt, und Jim Griffit ist auf dem Dach des Stores. Diese Apachen sind unheimlich schnell, wenn sie eine Chance erkennen. Aber ich glaube, wir haben auch diesen Angriff abgeschlagen. Es wird Nacht. Sie werden in dieser Nacht gewiss nicht angreifen. Sie können ihr Nickerchen fortsetzen, Sheriff.«

In seiner Stimme klingen bissige Härte und Spott.

Cash Kincaid zieht sich in sein Zimmer zurück. Im letzten Licht des sterbenden Tages blickt er sich im Spiegel an – und erschrickt. So verdreckt, stoppelbärtig und verschwitzt sah er sich noch nie.

Draußen ist es still. Erst nach einer Weile ruft eine Stimme: »Sie sind abgezogen! Wir haben es noch mal geschafft! He, Sheriff, bist du in Ordnung?«

Cash geht wieder zum Fenster.

»Ja, ich bin in Ordnung, Nad Barnett«, erwidert er laut. »Du hast doch noch eine Kiste mit Dynamitstangen im Keller. Warum verteilst du sie nicht mitsamt einer Kiste Zigarren? Wenn die Lunten kurz genug sind, damit die Apachen die Dinger nicht zu uns zurückwerfen können, sind das doch prächtige Teufelseier. Oder?«

Nach diesen Worten bleibt es still.

Dann sagt jemand stöhnend: »Heiliger Rauch, warum haben wir nicht schon selbst daran gedacht? Wir alle wissen doch, dass wir Sprengstoff im Store liegen haben. Jetzt aber los, Freunde!«

Cash Kincaid zieht sich wieder in sein Zimmer zurück, entkleidet, rasiert und wäscht sich und zieht frische Kleidung an. Nun fühlt er sich schon besser, obwohl er längst noch nicht ausgeschlafen ist, denn dann hätte er gewiss länger als zwölf Stunden schlafen müssen.

Als er sein Zimmer verlässt, trifft er draußen auf dem kleinen Gang zur Treppe auf Sue Adamson. Sie trägt eines von Juanita Hernandez mexikanischen Kleidern, und sie sieht darin besonders reizvoll aus.

Wortlos betrachten sie sich.

»Wie geht's?«, fragt er.

»Danke«, erwidert sie. »Wenn ich ein Gewehr oder einen Revolver bekomme, werde ich nicht schlechter kämpfen als alle anderen Frauen hier.«

Er nickt. »Und Sie sind mir nicht böse, weil ich mit Ihnen nicht nach Fort Grant ritt, sondern Sie hierher mitgenommen habe?«

Er kann sehen, wie sie sich noch mehr aufrichtet und ihr Kinn hebt. »Nein«, erwidert sie. »Sie mussten zu Ihrer Stadt, Cash – zu diesen Leuten hier, deren Sheriff Sie sind.«

Plötzlich kommt ihr ihre eigene Angelegenheit so unwichtig vor.

»Haben Sie auch so einen Hunger wie ich?«, hört sie Cash Kincaid sagen.

»O ja«, erwidert sie.

Sie gehen hintereinander die schmale Stiege hinunter. Cash geht zuerst und hält seine Hand über die Schulter, sodass Sue sich darauf stützen und von ihm führen lassen kann.

Jeder spürt die Nähe des anderen, und beide haben ein merkwürdiges Gefühl. Aber das dauert nur wenige Sekunden.

Unten im Gastraum riecht es nach Pulverrauch.

Juanita Hernandez taucht auf.

»Ich glaube, wir können zur Straßenseite hin eine Lampe anzünden«, überlegt sie und fragt, wie Sue sich fühle und ob ihr Wäsche und Kleid passen.

»Ich bin tief in Ihrer Schuld, Juanita«, sagt Sue. »Sie sollten mich nur mit Sue anreden. Das wäre mir lieb. Ich möchte Ihnen helfen, so gut ich kann, und erwarte, dass Sie mir in diesem Haus eine Aufgabe zuweisen.«

»Aber erst, wenn Sie gegessen haben, Sue – Sie und Cash. Dieser Ringo Callaghan war schon vor einer Stunde hier. Er stopfte sich den Bauch voll wie ein Wolf. Aber er soll gut gekämpft haben, wie ich vorhin hörte. Er ist wirklich eine Verstärkung für uns, wie es auch die vier Fremden sind, die so plötzlich vor den Apachen in Santa Cruz auftauchten. Kommt mit in die Küche. Dort ist alles abgedunkelt. Die Fensterläden sind dicht geschlossen.«

Sie folgen ihr und setzen sich an den Küchentisch.

Es gibt Bohnensuppe mit Rauchfleisch.

»Wir müssen ständig für die Verpflegung sorgen«, sagt Juanita zu Sue. »Überdies wird man die Schwerverwundeten in die Hotelzimmer bringen, und wir haben sie zu betreuen. Bis jetzt gab es noch keine Schwerverwundeten, nur Leichtverwundete – und leider auch zwei Tote.«

Sie wendet sich dem Herd zu, bringt den Kaffeetopf herüber zum Tisch, holt Tassen und Zucker und schenkt ein. Dabei wirkt sie sehr nachdenklich.

»Wir überlegen alle, wie Ringo Callaghans Revolverkampf mit Bill Henderson, der aus sehr geringfügigem Anlass stattfand, zu dem plötzlichen Auftauchen der vier Fremden passen könnte«, murmelt sie. »Cash, nachdem Ringo Callaghan seinen Gegner Bill Henderson getötet hatte, ergriff er die Flucht. Sie – als Sheriff von Santa Cruz – mussten ihn verfolgen. Vielleicht sollte er Sie nur einige Tage lang hinter sich her reiten lassen, um Sie unserer Stadt fernzuhalten. Cash, es wissen nicht viele Menschen, dass im Postbüro die Goldausbeute einiger Minen lagert – aber es könnte dennoch irgendwie durchgesickert sein. Was ist, wenn die vier Fremden hinter dem Gold her waren und dieser Ringo Callaghan den Auftrag hatte, den Sheriff fortzulocken? Wenn das stimmt, Cash, haben wir fünf Banditen unter uns. Und wenn es stimmt, hätte sich das Schicksal einen schlechten Scherz erlaubt. Die Apachen verhinderten dann den Goldraub und zwangen uns alle zum gemeinsamen Handeln. Man könnte darüber lachen, wäre alles nicht so bitterernst.«

Cash Kincaid kaut langsam. Er nickt. »Ja, so könnte es auch gewesen sein«, murmelt er. »Doch das ist im Moment nicht wichtig. Erst müssen wir überleben. Der Häuptling dort draußen ist Coloradas Loco, ein kleiner Häuptling noch. Aber er will mächtig werden. Dazu ist es notwendig, Santa Cruz zu vernichten. Ich danke für das Essen. Jetzt muss ich hinaus.«

✰✰✰

Cash Kincaid macht seine Runde. Im Post Office trifft er Sam Trasher und die ihm noch fremden und leicht verwundeten Pecos Slim Miller und Russ Rapkin.

Auch hier sind alle Fensterläden geschlossen, sodass man eine Lampe anzünden konnte. Die Männer sind dabei, Abendbrot zu essen.

Cash Kincaid blickt auf Sam Trasher, der ihm kauend zunickt und dann mit noch halb vollem Mund sagt: »Schön, dass du wieder bei uns bist, Cash.«

Der Sheriff betrachtet die beiden anderen Männer, und sie erwidern bei dem schwachen Lampenlicht seinen forschenden Blick. Auch sie versuchen ihn abzuschätzen.

Cash Kincaid sieht wieder auf Sam Trasher. »Kommst du zurecht, Sam?«, fragt er, und in seiner Frage ist für Sam Trasher die Chance, ihm einen Hinweis zu geben, wenn irgendetwas nicht in Ordnung wäre.

Aber Sam Trasher grinst kauend.

»Ich komme zurecht«, sagt er, und er wirkt irgendwie anders als sonst. »Die beiden Jungs hier sind goldrichtig«, erklärt er dem Sheriff. »Und auf den Dächern sind nochmals drei muntere Knaben, die von dort aus jetzt auch noch mit Sprengpatronen werfen können. Ah, ich mache mir keine besonders großen Sorgen. Wenn die Apachen keine Verstärkung bekommen, können sie uns gar nicht packen, denn sie verlieren bei jedem Angriff ein paar Krieger.«

Er senkt nach dieser Erklärung seinen grauen Kopf und isst gierig weiter. Und abermals wundert sich Cash Kincaid, wie verändert dieser einst so verbitterte Mann wirkt. Es ist, als brenne plötzlich wieder das Feuer der Jugend in ihm.

Ist es der Kampf, der ihn so verändert?, fragt sich Cash Kincaid, während er wieder draußen an der Barrikade entlang auf die andere Seite geht.

Hinter der Barrikade trifft er auf drei Bürger der Stadt. Zwei von ihnen liegen am Boden und versuchen zu schlafen, die Waffen dicht neben sich. Der dritte Mann hält Wache.

»Da draußen geht etwas vor«, sagt er zu Cash Kincaid. »Ich höre dann und wann Pferde. Sie werden geführt und schleifen etwas hinter sich her. Es hört sich an wie Gestrüpp, das man zu riesigen Bündeln zusammengebunden hat und über den Boden ziehen lässt. Wenn nur der Mond hochkommen würde, dann könnte man gewiss etwas sehen.«

Cash Kincaid nickt. Er denkt einige Sekunden lang nach.

»Ja«, sagt er. »Es wird Gestrüpp sein. Dürres Zweigwerk, darauf kommt frisches Zeug. Wenn sie es anzünden, wird Santa Cruz von dichten Qualmwolken eingehüllt. Und aus diesem Qualm springen dann die Apachen wie Teufel aus der Hölle. Nun, wir werden sie bis kurz vor Tagesanbruch arbeiten lassen.«

Er geht weiter und erreicht den Saloon.

Als er eintritt, sieht er Jayne Peterson beim Lampenschein an einem Tisch sitzen und eine Patience auslegen. Er geht näher an den Tisch, und Jayne blickt zu ihm auf.

Ihr Mund ist herb und dennoch voll und verrät vitale Lebendigkeit. Sie ist blond und wirkt kühl, fast spröde. Für eine Frau ist sie recht groß, doch wunderbar gewachsen.

Dass sie keine dieser verwöhnten Puppen ist, hat sie längst bewiesen. Sie kann sich mit ihrer Revolverschnelligkeit gegen jeden Mann behaupten.

Dennoch ist diese Frau kein Mannweib der Grenze.

Sie sieht zu dem herantretenden Cash Kincaid auf und lächelt. Dieses Lächeln macht sie fast schön, und sie lächelt nur, spricht nichts.

Cash setzt sich zu Jayne Peterson. Dann blickt er sich um und versucht, außerhalb des Lichtkreises in den dunklen Ecken des Saloons etwas zu erkennen.

»Chip Dragon und Earl Quinson schlafen«, murmelt Jayne. »Und Wyatt Beestone ist oben auf dem Dach. Wir sind ganz ungestört, Cash. Wolltest du das herausfinden? Oder warum starrst du sonst in alle Ecken? Willst du mich küssen?«

Ihre Augen funkeln, und ihr Lächeln ist jetzt spöttisch und herausfordernd zugleich.

Cash Kincaid betrachtet sie ernst.

»Ja«, sagt er, »vielleicht sollten wir uns endlich küssen, denn vielleicht ist alles bald vorbei. Willst du es wagen, Jayne?«

Sie ist gewachsen wie eine Amazonen-Königin, und Cash Kincaid überragt sie nur um knapp einen halben Kopf. Sie wären wirklich ein prächtiges Paar, dieser dunkle, indianerhafte Sheriff und die helle, herbe Schönheit.

Doch sie wendet sich von ihm ab, geht aus dem Licht der Lampe und wandert im Raum umher.

»Ob ich es wagen will? Ha, was gibt es da zu wagen? Aber wer bin ich schon! Eine Spielerin, die in den Saloons und Spielhallen lebte und jeden Dummkopf ausnahm, der bei ihr sein Glück versuchte. Ich bin ein weiblicher Revolverheld. Auch jetzt halte ich mich hier im Saloon auf, denn zu den Frauen dieser Stadt gehöre ich nicht. Ja, ich hielt es für ein großes Glück, dass ich beim Spiel eine Goldmine gewann. Sie sollte für mich das Sprungbrett in eine bessere Zeit sein – nicht mehr spielen, nicht mehr herumziehen müssen, keine Ungewissheit mehr – und keine Männer, die mich nicht nur am Spieltisch besiegen wollen. Schon Monate warte ich hier in diesem jämmerlichen Nest darauf, dass die Armee alle Apachen zum Teufel jagt und endlich der Aufbau beginnen kann. Doch so langsam begreife ich, dass wir alle noch Jahre warten müssen – viele Jahre! Ob ich es wagen will, mich von dir küssen zu lassen, Cash? Ha, du bist der einzige Mann auf tausend Meilen in der Runde, von dem ich mich küssen ließe. Die Frage ist nur, ob du es wagst, dich mit mir einzulassen.«

Sie kommt plötzlich zu ihm, und sie stehen sich dicht gegenüber.

Cash greift nach ihr und zieht sie an sich.

Sie küssen sich lange.