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G.F. Unger ist der erfolgreichste deutschsprachige Western-Autor. Mit einer Rekordauflage von über 250 Millionen Exemplaren gehört er zur internationalen Spitzenklasse der Spannungsliteratur. Und das zu Recht!
Niemand vermag es wie er, die unermesslichen Weiten des amerikanischen Westens und die Stärke der unerschrockenen Männer, die sie erschlossen, zu beschreiben. Erleben Sie den amerikanischen "Wilden Westen", wie nur G.F. Unger ihn schildern kann: hart, authentisch, leidenschaftlich.
Dieser Sammelband enthält die Folgen 2560 bis 2562:
2560: Heiße Sättel
2561: Kriegsfährte
2562: Der Marshal
Der Inhalt dieses Sammelbands entspricht ca. 192 Taschenbuchseiten.
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Seitenzahl: 477
Veröffentlichungsjahr: 2024
BASTEI LÜBBE AG
Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben
Für die Originalausgaben:
Copyright © 2022 by
Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln
Vervielfältigungen dieses Werkes für das Text- und Data-Mining bleiben vorbehalten.
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Für diese Ausgabe:
Copyright © 2024 by
Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln
Covermotiv: © Faba/Norma
ISBN: 978-3-7517-6535-0
https://www.bastei.de
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https://www.luebbe.de
https://www.lesejury.de
Cover
Titel
Impressum
Inhalt
G. F. Unger Western-Bestseller 2560
Bannisters letzte Jagd
G. F. Unger Western-Bestseller 2561
Sterben in Red Bluff
G. F. Unger Western-Bestseller 2562
Trailmen
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Contents
Bannisters letzte Jagd
Es ist schon Nacht, als John Bannister die kleine Stadt am Santa Fé Trail erreicht und seinen grauen Wallach in den Mietstall bringt.
»Versorgen Sie ihn gut«, sagt er zu dem alten Stallmann.
Dieser nickt zu dem großen Mann empor und sagt dabei: »Sie können sich darauf verlassen, Sir, denn ich mag Pferde lieber als Menschen.«
John Bannister antwortet nicht. Er nimmt nur sein Gepäck herunter und das Gewehr aus dem Sattelschuh und macht sich wortlos auf den Weg zum Hotel.
Als er wenig später im Hotel seinen Namen in das Gästebuch einträgt, fragt der Nachtportier: »Bleiben Sie länger, Sir?«
»Vielleicht«, erwidert Bannister und geht hinauf, nachdem er einen kurzen Blick auf den Schlüsselanhänger warf.
»Es ist unser bestes Zimmer«, sagt der Portier hinter ihm her.
Der alte Mann, dem das Hotel zur Hälfte gehört, ist ein erfahrener Bursche. Er kennt sich aus mit Männern. Und so denkt er, indes er die Sporen des Mannes oben noch klingeln hört: Oho, es kam ein Wolf nach Trail City, ein zweibeiniger Wolf. Auf wessen Fährte mag er wohl sein?
Im Trail City Saloon ist noch eine Menge Betrieb. Es wird überall Karten gespielt, aber auch gewürfelt. An der langen Bar stehen die durstigen Kehlen. Mädchen streichen umher wie schmeichelnde Katzen. Am Klavier sitzt ein langhaariger Bursche, der wahrscheinlich wirklich mal ein erstklassiger Künstler war – bis er zum Säufer wurde.
John Bannister findet am Ende der Bar einen freien Platz, und er wirkt sehr bescheiden, friedlich, abwartend, ganz wie ein Fremder in einem fremden Revier.
Links neben ihm öffnet sich eine Tür, an der ein Schild angebracht ist, auf dem zu lesen ist: Privat.
Eine Frau tritt aus diesen Privaträumen, hält inne und starrt auf Bannister, der jäh den Kopf wendet, so als hätte ihn jemand berührt oder seinen Namen gerufen.
In seinen Augen ist nur einen kurzen Moment lang der Ausdruck von Überraschung. Dann lächelt er und zeigt unter seinem dunklen Sichelbart blinkende Zahnreihen.
»Hey, Molly«, sagt er, »das ist aber eine Überraschung. Ich freue mich sehr, dich zu sehen. Und du bist noch schöner geworden.«
Sie tritt langsam aus dem Türrechteck und zieht die Tür hinter sich zu, verharrt noch einmal zwei Atemzüge lang und bekommt sich unter Kontrolle.
Ja, sie ist mehr als überrascht. Es traf sie mitten ins Herz, ihn so unerwartet in ihrem Saloon zu sehen.
Langsam tritt sie zu ihm. Da er am Schanktischende verharrt, nimmt sie den Platz hinter dem Schanktisch ein. Als einer der Barkeeper kommt, sagt sie: »Schon gut, Charley. Dies ist mein persönlicher Gast, schon gut.« Sie holt eine Flasche unter der Bar hervor und füllt wortlos zwei Gläser.
Und erst als sie sich zutrinken, sagt sie: »Nun, hinter wem bist du denn jetzt wieder her, John Bannister, du verdammter Kopfgeldjäger?«
Die beiden letzten Worte spricht sie nicht böse, sondern mit einem Klang von bitterer Resignation.
Er lächelt immer noch blinkend und sagt: »Ich trinke auf deine Schönheit, Molly, auf deine grünen Augen und dein goldenes Haar, auf deinen wunderbaren Körper, an den ich mich in vielen Nächten erinnert habe – in einsamen Nächten.«
»Auf rauchigen Fährten«, spricht sie kehlig und leert das Glas mit einem Ruck.
Als sie ihre leeren Gläser hinstellen, werden Mollys Augen einen Moment schmal und zu richtigen Katzenaugen.
»O verdammt«, murmelt sie, »warum kommst du hierher und wieder in mein Leben? Warum bist du nicht zumindest tausend Meilen weit weg von hier?«
Und weil er nichts erwidert, nur blinkend lächelt, da fügt sie hinzu: »Oder hast du etwa gewusst, dass ich jetzt hier lebe und diesen Saloon besitze?«
Er schüttelt den Kopf und fragt zurück: »Hätte ich sonst mein Gepäck ins Hotel gebracht und nicht gleich zu dir, Grünauge?«
Nun nagt sie an ihrer Unterlippe. Ihre Augen funkeln vor Zorn. Ja, sie stampft sogar hinter der Bar mit dem Fuß auf.
In ihr jagen sich jetzt viele Gefühle und Gedanken. Die Erinnerungen sind nun wieder in ihr – gute und schlechte. Und die ganze Zeit starrt sie in seine dunklen Augen.
»O verdammt«, knirscht sie, »du wirst wieder eine Weile bei mir im Bett liegen, meine Zärtlichkeiten bekommen und bald wieder verschwinden. Und ich werde wieder die dumme Gans sein, die ...«
»Du wirst nie eine dumme Gans sein«, unterbricht er sie. »Du wirst stets eine unabhängige Katze sein, der man ihre Freiheit lassen muss. Wie kommt es, dass kein anderer Mann bei dir im Bett liegt an meiner Stelle?«
Nun funkelt der Zorn stärker in ihren Augen. Und ihre Antwort klingt fauchend.
»Weil ich immer wieder herausfinde, dass keiner so ist wie du, John Bannister, keiner. Und manchmal verspüre ich so etwas wie Hass gegen dich. Ich werde meinen Hausburschen zum Hotel schicken, damit er dort deine Siebensachen holt. Und dann soll er dir meine Badewanne mit Wasser füllen. Ich glaube, du stinkst nach Pferd, nach Schweiß, Staub, Feuerrauch und ...«
✰✰✰
Es ist drei Tage später und bereits Nachmittag, als der Marshal von Trail City Besuch von John Bannister bekommt, den man hier für einen durchreisenden Berufsspieler hält, einen alten Freund von Molly McLaine, der bei ihr wohnt und offenbar auch ihr derzeitiger Liebhaber ist.
Town Marshal Al Johnstone ist ein hagerer Mann mit einem langen Pferdegesicht, ein Mann mit einer rauchigen Vergangenheit, den sich die Bürger der Stadt anwarben, damit er sie vor dem Bösen beschützt.
Er hockt hinter einem narbigen Schreibtisch, hat sich im Sessel weit zurückgelehnt und seine Füße auf der Tischplatte liegen.
Als John Bannister eintritt, wird der Town Marshal sofort wachsam. Und deshalb nimmt er die Füße vom Tisch – nicht aus Höflichkeit, sondern um rasch aufspringen zu können.
Denn er spürt von Anfang an, dass dieser Spieler aus Mollys Saloon nicht als freundlicher Besucher kommt. Es geht von diesem John Bannister etwas aus, was den Marshal trifft wie ein kalter Hauch.
Alles in Al Johnstone ist plötzlich alarmiert. Das ungute Gefühl entsteht in seiner Magengegend.
Aber er knurrt: »Was wollen Sie, Spieler?«
John Bannister tritt an die Wand seitlich des Schreibtisches, an der einige alte und schon vergilbte Steckbriefe angeschlagen sind. Er studiert sie sorgfältig, und der Town Marshal fragt noch einmal, diesmal mit einem drohenden Klang in der Stimme: »He, was wollen Sie, Spieler? Und ich frage bestimmt nicht noch mal.«
John Bannister wendet sich ihm wieder zu, tritt näher und holt aus der Innentasche seiner Cordjacke einige zusammengefaltete Papiere heraus, die er dem Marshal auf den Tisch wirft.
»Das sind Steckbriefe«, sagt er, »die auch Sie mit der Bundespost erhalten haben. Warum wurden sie dort an der Wand nicht angeschlagen? Und warum können sich die Payne-Brüder in dieser Stadt frei bewegen wie unbescholtene Bürger? Sie tragen hier den Stern, Johnstone.«
Dieser erhebt sich nun grollend hinter dem Schreibtisch.
»He«, sagt er, »ich kenne keine Payne-Brüder. Und selbst wenn sie sich in meiner Stadt aufhalten sollten, hier liegt nichts gegen sie vor. Wenn sie sich irgendwo gegen das Bundesgesetz vergangen haben sollten, was geht mich das an? Ich bin kein US Marshal, auch kein Sheriff, nur ein kleiner Town Marshal, dessen Befugnisse ausschließlich innerhalb der Stadtgrenzen gelten. Was wollen Sie, Spieler?«
»Heften Sie diese Steckbriefe neben die alten da an die Wand«, erwidert Bannister ruhig.
»Den Teufel werde ich tun«, grollt der Town Marshal. »Und nun raus hier! Am besten verlassen Sie noch heute meine Stadt. Oder ich finde verdammt schnell einen Grund, Sie hinauszujagen.«
John Bannister nickt langsam. Er beugt sich über den Schreibtisch und nimmt von diesem wieder die zusammengefalteten Steckbriefe an sich, die der Town Marshal noch nicht entfaltet hat.
Er entfaltet sie und tritt an die Wand, spießt sie dort auf einige noch freie Nägel.
Als der Town Marshal bei ihm ist und ihn grollend an der Schulter herumreißen will, da gibt er nach – nein, er wirbelt herum und trifft ihn mit der Rechten genau auf den Gurgelknoten.
Es ist ein gnadenloser Schlag, der den Marshal fast umbringt.
Al Johnstone taumelt bis zur Wand, bekommt keine Luft mehr und greift sich ächzend mit beiden Händen an den Hals, als könnte er so seine Not lindern. Doch es wird nicht besser. Er glaubt, dass er erstickt oder sterben wird – und er vergisst den Revolver in seinem Holster.
Er rutscht mit dem Rücken an der Wand nieder, bis er hinter seinen angezogenen Knien hockt. Nur langsam wird es besser.
»Pass auf, du Hurensohn«, spricht Bannister zu ihm, »ich verstehe keinen Spaß, wenn sich jemand einen Stern anstecken lässt und gesuchten Mördern für schmutzige Dollars ein Asyl bietet. Wenn du etwas machst, was mir nicht gefällt, dann schicke ich dich mit den Payne-Brüdern in die Hölle.«
Al Johnstone ist ein harter Mann, und es geht ihm jetzt wieder etwas besser. Er kann sich sogar wieder erheben.
Doch er vergisst seinen Colt, obwohl Bannister ihm nun den Rücken zukehrt und das Marshal's Office verlässt.
Nein, Johnstone versucht nichts.
Denn er hat etwas gespürt, was er bisher noch niemals spürte, wenn er einem harten Mann gegenüberstand – nein, noch niemals. Es ist die absolute Gewissheit, dass er verlieren würde. Sein Instinkt sagt es ihm. Er spürte zu deutlich den Anprall einer gnadenlosen Härte.
Als Bannister verschwunden ist, keucht Johnstone immer noch. Und er denkt: Wer war das? Wer ist das? Warum verspürte ich plötzlich den Hauch von Todesgefahr? Verdammt, ich bin doch kein Feigling. Warum verspürte ich Furcht, nicht einfach nur Vorsicht, sondern kalte Furcht?
✰✰✰
Noch vor Nachtanbruch kommen die Payne-Brüder in die Stadt wie fast jeden Tag. Man kennt sie hier nur als die Baker-Brüder, die außerhalb von Trail City auf einer Siedlerstätte leben, die sie vor einiger Zeit für zweihundert Dollar kauften.
Man erzählt sich in der Stadt, dass bei ihnen noch einige andere Reiter leben und dass sie die Siedlerstätte in eine Ranch umwandeln wollen, sobald die Büffel vernichtet sind.
Als die Baker- oder Payne-Brüder vor dem Saloon anhalten und absitzen, sehen sie auf der anderen Straßenseite den Spieler am Rande des Plankengehsteigs stehen. Ja, auch sie halten ihn für einen berufsmäßigen Spieler und alten Freund von Molly McLaine und hatten bisher keinen Anlass, in ihm etwas anderes zu vermuten.
Als sie im Saloon verschwinden wollen, ruft er ihnen zu: »He, wartet mal, ich will euch etwas sagen!«
Und er setzt sich in Bewegung und nähert sich ihnen durch den knöcheltiefen Staub der Fahrbahn. Sie erwarten ihn wachsam. Ja, sie wittern bereits die Gefahr, können aber nichts erkennen, was sie beunruhigen könnte. Und vor einem einzigen Mann haben sie sich noch nie gefürchtet.
»Was willst du, Spieler?« So fragt Joe Payne.
Und sein Bruder Jeff fügt hinzu: »Vielleicht will er uns zum Poker einladen.«
»Nein«, erwidert Bannister. »Dies wird jetzt ein anderes Spiel. Ihr seid nicht weit genug geritten. Für euch bekomme ich tausend Dollar, tot oder lebend.«
Er hat nun alles gesagt.
Sie wissen in diesen Sekunden, dass sie eingeholt wurden und es nur noch eine einzige Chance für sie gibt.
Doch sie können nicht glauben, dass er allein ist.
Und so blicken sie erst einmal nach allen Seiten. Aber außer ihm sehen sie nichts, was ihnen gefährlich werden könnte. Gewiss, es blieben da und dort einige Passanten stehen, weil sie irgendwie begriffen, dass hier etwas in Gang ist, was für sie noch nicht völlig klar ist.
Doch in der nächsten Sekunde wird es für alle klar, auch für John Bannister.
Denn die Payne-Brüder schnappen nach ihren Colts. Sie tun es auf die Zehntelsekunde gleichmäßig, so wie es wahrscheinlich nur Zwillinge zu tun vermögen. Und Zwillinge sind sie.
Sie lassen ein heiseres Fauchen hören, wild und böse. Denn sie wissen, es geht um ihr Leben. Dieser große, dunkle Bursche da mitten auf der Fahrbahn, der es allein mit ihnen aufnehmen will, dieser Bursche ist gewiss einer dieser zweibeinigen Tiger, von denen es nur wenige zwischen Mexiko und Kanada gibt. Sie wissen sofort, dass ein Großer sie gestellt hat.
Noch niemals zogen sie so schnell wie jetzt in dieser schwarzen Sekunde.
Und als sie die Läufe ihrer Waffen hochschwingen und die Mündungen auf den Mann richten, der sie hier so unerwartet stellte, da blicken sie schon in das erste Mündungsfeuer. Zwischen diesem und dem zweiten Aufleuchten gibt es kaum eine Pause. Bannisters Waffe funktioniert mit einer schrecklichen Präzision. Nur aus diesem Grunde ist die schnelle Schussfolge möglich.
Seine Kugeln stoßen sie wie Huftritte im Moment ihres eigenen Abdrückens.
Und dann fallen sie.
Ihre Kugeln verfehlten ihn.
Das Krachen der Colts verhallt zwischen den Häusern von Trail City. Leute laufen aus Häusern und Läden, kommen auch aus dem Saloon. Die Straße rechts und links des Saloons füllt sich.
Aus seinem Office kommt der Town Marshal Al Johnstone, drängt sich durch die Menge. Als er vor Bannister verhält, schließt sich um beide ein Kreis. Denn sie alle wollen hören, was der Town Marshal zu sagen hat und was der vermeintliche Spieler erwidern wird.
Und sie hören es.
»Sie konnten es wohl nicht erwarten, Kopfgeldjäger?« So fragt Al Johnstone böse.
»Die Steckbriefe dieser beiden Mörder und Frauenschänder hängen in Ihrem Office, Marshal«, erwidert Bannister kühl. »Darüber, dass ich Ihnen die Arbeit abnahm, sollten Sie nicht ärgerlich sein. Oder waren die beiden Verbrecher sogar Ihre Freunde?«
Zum Schluss ist ein Klang von Hohn und Verachtung in Bannisters Stimme. Er hält immer noch seinen Revolver in der Hand. Nun schiebt er die Waffe ins Holster und setzt sich in Bewegung. Sein Ziel ist der Eingang zum City Saloon.
Und sie alle machen ihm Platz. Eine Gasse bildet sich.
Jemand sagt hinter ihm: »Wenn das Mörder und Frauenschänder waren, die steckbrieflich gesucht wurden ...«
Der Mann spricht nicht weiter.
Und überdies klingt Marshal Johnstones harte Stimme: »Los, schafft sie von der Straße! Bringt sie zum Leichenbestatter. Die Leichenschau findet in einer Stunde statt. Ich möchte alle Augenzeugen dabeihaben. Leute, ihr habt einen Kopfgeldjäger bei der Arbeit gesehen, der sich soeben tausend Dollar verdient hat.«
✰✰✰
Als Molly McLaine zu ihm tritt, steht er am Ende der langen Bar und trinkt den Whisky, welchen ihm einer der Barkeeper hingestellt hat.
Der Saloon füllt sich, diesmal früher als an anderen späten Nachmittagen. Denn alle wollen sie den Revolvermann und Kopfgeldjäger sehen, der es soeben mit zwei schnellen Revolverschwingern aufnahm und sie besiegte.
Sie wollen diesen Mann beobachten, ihn gierig aus einiger Entfernung betrachten, so wie ein wildes Tier im Käfig.
Doch Molly tritt zu ihm und zerrt ihn am Ärmel.
»Komm, John, komm«, sagt sie sanft. »Verdammt, lass dich nicht anstarren wie ein Ungeheuer mit zwei Köpfen, komm!«
Er blickt auf das leere Glas, so als hätte er den Wunsch, es sich nochmals vom Barkeeper füllen zu lassen. Doch dann folgt er ihr.
Sie verschwinden durch jene Tür, auf der Privat zu lesen ist.
Drinnen tritt sie an ein Wandschränkchen und holt eine Flasche und zwei Gläser heraus. Er steht am Fenster und starrt in den sterbenden Tag hinaus. Von Osten her kriecht die Dämmerung über die Stadt. Molly tritt mit den gefüllten Gläsern zu ihm und reicht ihm eines.
»Jetzt weiß ich endlich, warum du nach Trail City gekommen bist«, murmelt sie. »Es hat sich nichts geändert mit dir. Du jagst immer noch die Bösen und machst dich mit deinem schnellen Colt zu ihrem Henker oder Scharfrichter – oder wie man es sonst nennen mag. Warum führst du immer noch dieses Leben? Bedeutet dir das Töten mehr als alles andere auf dieser Erde? John, was ist mit dir los? Was treibt dich zu diesem Tun? Glaubst du, dass du die Welt verändern kannst, indem du die Bösen jagst? John, diese Welt ist voller Böser. Vielleicht solltest du dich einmal aussprechen, mit mir darüber reden, was dich zu einem Menschenjäger machte. John, ich mag dich so sehr, dass ich mit dir durch alle sieben Höllen und zurück gehen würde. Mit mir kannst du reden, mich in deinen Kern sehen lassen und ...«
Sie schweigt wie erschöpft und wirkt ratlos. Denn sie möchte ihm helfen, spürt mit dem feinen Instinkt einer Frau, dass es in ihm ein Geheimnis geben muss, das ihn beherrscht.
Aber er schüttelt den Kopf und leert dann das Glas mit einem einzigen Ruck. Sie nimmt ihm das Glas ab, um es ihm neu zu füllen.
Er verharrt am Fenster und starrt nach Osten in die heranziehende Nacht. Denn das Fenster führt nach hinten hinaus, wo man über einige Gärten und den Creek blicken kann.
Er denkt: Dieser Creek stinkt von den Abwässern dieser Stadt. Und so ist es auf der ganzen Welt. Überall stinkt es.
Sie reicht ihm das volle Glas. »Jetzt wirst du wohl nicht mehr lange bei mir bleiben«, spricht sie, und es ist keine Frage, sondern eine nüchterne Feststellung.
»Nein, nicht mehr lange«, murmelt er. »Ich muss gleich zur Leichenschau hinüber, damit der Town Marshal sein Protokoll anfertigen kann. Ich weiß nicht, ob die Stadt mir die ausgesetzte Belohnung auszahlen wird oder mir nur eine Bescheinigung gibt, mit der ich bis nach Kansas City zum Bundesmarshal muss. Denn die Steckbriefe wurden von einem Bundesrichter erlassen. Nein, Molly, ich werde nicht mehr lange bleiben. Nur diese Nacht noch.«
»Dann lass uns keine Zeit verschwenden«, flüstert sie und öffnet die Tür zum Schlafzimmer nebenan. »Dann lass mich dir noch etwas mitgeben auf deinen verdammten Weg. Lass mich versuchen, deinen harten Kern aufzubrechen. Und vielleicht erzählst du mir in dieser Nacht, was dich zum Menschenjäger machte. Auch damals warst du das schon.«
Es ist am späten Vormittag, als sie in ihren Privaträumen das Frühstück einnehmen. Er hat all ihre Zärtlichkeiten bekommen und dabei vergessen können, dass er wieder einmal mehr getötet hat. Ja, sie half ihm über die ersten Stunden hinweg. Dafür ist er ihr dankbar.
»Bleib bei mir«, verlangt sie nun schlicht. »Oder geh mit mir irgendwohin und lass uns gemeinsam ein neues Leben anfangen. Ich könnte meinen Saloon schnell verkaufen.«
Aber er schüttelt den Kopf.
Und noch einmal versucht sie es und spricht: »Du musst nicht nach Kansas City. Du könntest dir das Kopfgeld von dort schicken lassen, wenn du die Bescheinigung der Stadt mit der Post zum US Marshal sendest. Das alles dauert kaum mehr als eine Woche. Die Postkutschen verkehren täglich. Bleib so lange bei mir. Lass mich weiter versuchen, dich fühlen zu lassen, dass es sich immer lohnt, einen neuen Anfang zu machen, und dass unser Leben irgendwo sehr, sehr schön werden könnte. Auch ich wanderte auf rauen Wegen und möchte gerne einige Dinge vergessen wie böse Träume. Aber lass es uns gemeinsam ...«
»Nein, Molly«, unterbricht er sie ruhig und fast flüsternd. »Nein, mein Engel. Ich bin verdorben für solch ein Leben. Ich werde sie immer wieder jagen, diese Mistkerle, immer wieder und wieder, sobald ich von Verbrechern höre, die gemordet und geschändet haben.«
Er verstummt hart.
Sie aber flüstert fast tonlos: »Oh, jetzt weiß ich es ziemlich sicher. Solche Kerle haben dir irgendwann einmal sehr weh getan, dir gewissermaßen das Herz aus dem Leib gerissen. Nun lebst du nur noch mit deinem Hass gegen alle, die so sind wie jene, die dir einmal Schlimmes antaten. Was war damals? Haben sie ...«
Sie kommt nicht weiter, denn nun bricht es aus ihm heraus.
»Ja, sie haben«, schnappt er, »ja, sie haben! Sogar zweimal! Beim ersten Mal war ich noch ein kleiner Junge. Wir lebten in Texas auf einer Siedlerstätte, aus der wir gewiss eines Tages eine schöne Farm oder Ranch gemacht hätten. Als mein Vater mit mir auf dem Feld arbeitete, da kamen sie. Sie wurden gejagt und brauchten frische Pferde. Sie töteten meinen Vater und auch meine Mutter. Doch zuvor tobten sie sich aus. Sie hatten auch mich niedergeschossen, doch ich lebte. Ich konnte mich nicht mehr erheben und hörte meine Mutter und meine Schwester schreien und wimmern. Meine Schwester war erst dreizehn Jahre alt, ich war elf. Ich überlebte, weil Nachbarn kamen. Ich kam zu einem Waffenschmied in die Lehre, und ich wusste damals schon als Junge, dass ich Jagd machen würde auf diese Sorte menschlicher Bestien.«
John Bannister macht nun eine Pause und wischt sich über Stirn und Augen.
Molly McLaine sagt nichts. Sie weiß, dass Worte kaum etwas ändern könnten.
Doch sie beugt sich vor und legt ihre Hände auf die seinen. Eine Weile verharren sie so und sehen sich schweigend an.
»Aber das alles ist schon lange her«, murmelt sie schließlich. »Doch du sagtest vorhin, dass es zweimal passiert sei. Du hattest deine Familie verloren, Vater, Mutter und Schwester. Was haben sie dir noch angetan?«
»Nicht die gleichen Kerle«, murmelt er und blickt ins Leere, als könnte er so irgendwelche Bilder in seiner Erinnerung sehen. »Nein, es waren andere. Und ich war inzwischen ein Mann geworden, hatte geheiratet. Sally war eine wunderschöne Frau. Sie war mein Leben. Und sie hatte mir gesagt, dass wir in etwa fünf Monaten zu dritt sein würden und dass sie sicher sei, dass es ein Junge werde. Denn das Mädchen wünschte sie sich erst zwei Jahre später. Es sollte einen größeren Bruder haben, der es beschützen konnte. Ich hatte eine Pferderanch. Die Kerle kamen während meiner Abwesenheit. Wieder wollten sie Pferde, um die Verfolger schlagen zu können. Sie töteten meine beiden mexikanischen Helfer, schändeten meine Frau und ritten weiter. Sally hängte sich auf, bevor ich wieder daheim war. Und seitdem jage ich sie, wo ich sie nur finden kann.«
Er macht eine kleine Pause und sieht Molly fest an.
»Begreifst du nun, dass ich mich nicht mehr ändern kann? Ich habe schon ein Dutzend von ihnen getötet und werde es immer wieder tun. Immer dann, wenn ich einen Steckbrief sehe, auf dem zu lesen ist, dass der Gesuchte gemordet und geschändet hat, suche ich nach ihm, bis ich ihn gefunden habe. Auch die beiden, die ich gestern tötete, gehörten zu dieser Sorte. Molly, es war Zufall, dass du in dieser Stadt lebst, in die ich kommen musste, weil ich erfuhr, dass hier in der Nähe die beiden Gesuchten leben. Und vielleicht sollte ich mir auch noch euren Town Marshal vornehmen, weil er sie hier geduldet hat.«
Als er verstummt, sieht sie ihn immer noch fest an und schüttelt dann resigniert den Kopf. In ihren Augen ist ein tiefes Bedauern.
»Du tust mir leid«, flüstert sie schließlich. »John Bannister, du bist krank, richtig krank – hier drinnen.«
Sie deutet bei den letzten Worten mit ihrem Daumen gegen die Herzgegend.
»Ja, so ist es wohl«, nickt er und erhebt sich. »Deshalb kann ich nicht bei dir bleiben, Molly. Denn ich würde immer wieder auf Menschenjagd gehen müssen, und irgendwann wird es meine letzte Jagd sein, weil ich nicht immer Sieger bleiben kann. Irgendwann verliert jeder.«
»Du tust mir leid«, wiederholt sie. »Ich hätte dir so gerne geholfen. Doch dazu wäre nötig, dass auch du mich mit dem Herzen liebst. Aber dein Herz wurde ein harter Stein. Alles, was du von einer Frau noch willst, ist körperliche Liebe. Und so wird dir keine Frau helfen können. John, ich sage dir, dass nur die Liebe dich retten könnte.«
»Ja, so ist es wohl, Molly«, erwidert er und erhebt sich. »Aber ich hatte Eltern und eine Schwester, die ich liebte – und dann hatte ich eine Frau, die mir mehr bedeutete als mein Leben. Und was geschah mit ihnen? Molly, ich glaube an ein Schicksal, gegen das ich nicht ankämpfen kann, weil es mir bestimmt wurde. Und so werde ich irgendwann und irgendwo meine letzte Jagd machen. Ich reite jetzt gleich.«
Sie bleibt am Frühstückstisch sitzen.
Und sie sagt nichts mehr, versucht nichts mehr.
Es ist eine halbe Stunde später, als er auf seinem Pferd aus der Einfahrt des Mietstallhofes geritten kommt. Doch bevor er aus der Stadt reitet und den Weg nach Osten in Richtung Kansas City einschlägt, hält er noch einmal vor dem Marshal's Office an.
»Johnstone!«
So ruft er scharf. Er muss nicht lange warten. Der Town Marshal erscheint im offenen Türrechteck und lehnt sich lässig gegen den rechten Türpfosten.
»Was ist?« So fragt Johnstone mürrisch – und abermals verspürt er dabei ein ungutes Gefühl in seiner Magengegend, das wahrscheinlich eine Mischung aus Vorsicht und Furcht ist. Er kannte es bisher noch nicht. Doch jetzt ist er sich darüber klar.
Bannister beugt sich ein wenig aus dem Sattel.
»Wenn Sie unfreundlich werden sollten zu Molly McLaine«, sagt er, »wenn Sie ihr irgendwelche Schwierigkeiten machen sollten in dieser Stadt, dann werde ich das erfahren. Und dann komme ich zurück.«
Nach diesen Worten reitet er weiter.
Al Johnstone sieht ihm nach.
Eigentlich hatte er vorgehabt, Molly McLaine einige Schwierigkeiten zu machen mit ihrem Saloon. Denn sie ist ja die Frau, mit der Bannister im Bett lag. Ihm gab sie alles, was er, Al Johnstone, so gern bekommen hätte. Ihr hätte er gerne gezeigt, dass sie sich an den falschen Mann verschenkt hat.
Doch nun beschließt er, sie in Ruhe zu lassen und seine Niederlage wegzustecken.
Er ist sehr froh, Bannister fortreiten zu sehen.
✰✰✰
Es ist einige Tage später, als John Bannister das Office des US Marshals in Kansas City betritt und dem grauköpfigen Marshal die Bescheinigung der Stadt Trail City auf den Schreibtisch flattern lässt.
US Marshal Virgil Bannack sieht zu ihm empor. Sie kennen sich ziemlich gut. Virgil Bannack lässt an einen Adler denken, der ruhig in seinem Horst hockt, von oben die Welt beobachtet und stets bereit ist für die Jagd oder einen Kampf um die Herrschaft in seinem Revier.
Virg Bannack ist ein erfahrener Mann, der sich auf Männer versteht wie sonst kein anderer.
Und als er zu John Bannister aufblickt, erscheint einen kurzen Moment lang der Ausdruck des Bedauerns in seinen Augen. Doch dann nimmt er die Bescheinigung und liest sie aufmerksam.
Schließlich nickt er und sagt: »Gut, John Bannister. Ich schreibe eine Anweisung über tausend Dollar. Sie können sich das Kopfgeld gleich drüben bei der Bank auszahlen lassen.« Er macht eine kleine Pause und fragt dann: »Ist es nun genug, John Bannister?«
Dieser schüttelt den Kopf und wendet sich ab, um an das große Brett an der Wand zu treten, an das fast zwei Dutzend Steckbriefe angeschlagen sind. Einige sind schon alt und ein wenig vergilbt, aber einige sind ganz neu.
Er beginnt diese Steckbriefe zu studieren, liest jedes Wort sehr aufmerksam und prägt es sich genau ein.
Der US Marshal schrieb inzwischen den Scheck aus und beobachtet ihn nun. »Ich würde Ihnen den Stern anstecken, John«, spricht er schließlich. »Ich würde Sie von einem Kopfgeldjäger zu einem US Deputy machen. Dann jagen Sie nicht mehr aus Rache, sondern für das Gesetz.«
Bannister wendet sich um. »Und was ist das für ein Unterschied?«
Er deutet auf die Steckbriefe hinter sich, indem er mit dem Daumen über die Schulter hinweg auf das Anschlagbrett an der Wand zeigt.
»Zu was gibt es Steckbriefe? Doch nur deshalb, damit man die Gesuchten findet und unschädlich machen kann, nicht wahr? Und diese Pflicht hat jeder redliche Bürger gegenüber der menschlichen Gemeinschaft – oder? Ich brauche keinen Stern.«
»Er wäre besser für Sie, John«, widerspricht der US Marshal. »Denn er würde Sie an einen Eid binden. Sie müssten die Gesetze achten.«
»Tue ich das nicht?« John Bannister fragt es herausfordernd.
Virg Bannack wiegt seinen grauen Kopf.
»Mit einem Stern an der Brust und einem Eid müssten Sie die Hinrichtungen einem Henker überlassen und dürften nur im äußersten Notfall in Selbstverteidigung töten. Sie dürften keine persönliche Rache mehr nehmen wollen am Abschaum der menschlichen Gesellschaft. Sie würden ein Diener des Gesetzes sein mit allen Pflichten. Wenn ich Ihnen einen Stern anstecken würde und Sie sich an den Eid eines US Deputys halten müssten, dann würde Sie das vor der Hölle bewahren. Denken Sie mal darüber nach, John Bannister.«
Er verstummt ernst.
»Ich denke immerzu darüber nach«, murmelt John Bannister, »warum es auf dieser Erde so viele Böse gibt, die immer wieder davonkommen und von neuem Böses tun können.«
Er wendet sich wieder den Steckbriefen an der Wand zu und deutet nacheinander auf drei von ihnen. »Diese drei möchte ich haben und mitnehmen.«
»Da im Schrank«, deutet der Marshal in die Ecke, wo dieses Möbelstück steht. »Dort liegen sie stapelweise. Ich sehe, Sie sind nur an Steckbriefen interessiert, auf denen der Zusatz ›Tot oder lebend‹ steht. Sie gehen auf Menschenjagd, um zu töten.«
»Und alle, die ich stelle, haben ihre Chance«, erwidert John Bannister. »Ich schieße keinen aus dem Hinterhalt ab. Ich trete ihnen gegenüber, und sie haben dann die Wahl, sich zu ergeben oder zu kämpfen. Was ist falsch daran, dass sie lieber kämpfend sterben wollen, als gehenkt zu werden?«
Virg Bannack erwidert nichts.
Er beobachtet Bannister wortlos, indes dieser sich die gewünschten Steckbriefe aus dem Stapel im Schrank heraussucht.
Aber als er dann geht, sagt Virg Bannack hinter ihm her: »Sie können sich jederzeit einen Stern holen kommen, John – jederzeit, wenn Sie glauben, dass Sie damit den Hass besiegen könnten.«
Aber John Bannister gibt ihm keine Antwort. Er geht hinüber zur Bank und legt dort den Scheck vor. Zweihundert Dollar lässt er sich auszahlen, den Rest seinem Konto gutschreiben.
Der Bankangestellte sagt zu ihm: »Mr Bannister, Sie sind ein sehr erfolgreicher Kopfgeldjäger. Jetzt haben Sie schon mehr als zehntausend Dollar auf Ihrem Konto bei uns. Aber was ist, wenn Sie mal der Verlierer sind? Wer kann dann über Ihr Konto verfügen? Sie haben uns für diesen Fall noch keine Anweisungen gegeben! Was darf ich also in Ihrer Karteikarte vermerken?«
»Nichts«, erwidert John Bannister, nimmt die zweihundert Dollar und geht. Nach drei Schritten hält er an und wendet sich halb um. »Wenn ich mal der Verlierer sein sollte, Mister, dann ist es mir verdammt gleichgültig, was mit meinem Guthaben geschieht.«
Er geht hinaus.
Draußen hält er inne und sieht sich um.
Es ist ein schöner Sommertag. Was soll er hier in Kansas City an diesem schönen Tag anfangen?
Er denkt an die schöne Molly McLaine in Trail City zurück.
Und da verspürt er den Wunsch nach einer Frau, in deren Armen er für eine Weile alles vergessen kann, seinen Hass auf die Bösen, die vielen Toten und die vielen Menschenjagden.
Ja, er wird zu Fee Gallaway gehen, die in einem hübschen Haus am Rande der Stadt mit einer schwarzen Dienerin lebt.
Und selbst wenn Fee Gallaway schon einen anderen Gast haben sollte, wird sie diesen hinauswerfen, um ganz für ihn da zu sein in ihrem hübschen Haus. Da ist er sich sehr sicher.
✰✰✰
Drei Steckbriefe nahm er im Office des US Marshals an sich. Und die Namen auf diesen Steckbriefen lauten: Jed Sturges, Hank Maffitter und Les Lasalle.
Diese drei Mörder vergingen sich gegen das Bundesgesetz, weil sie im Auftrag einer Bodenverwertungsgesellschaft eine ganze Anzahl von Heimstättern vertrieben, sodass die Bodenverwertungsgesellschaft das Land übernehmen konnte, bevor die Heimstätter die Besitztitel bekamen – was erst nach fünf Jahren der Fall gewesen wäre.
Aber die Heimstätter hatten schon mehr als vier Jahre das Land bearbeitet, ihre Hütten gebaut und Ernte eingebracht.
Es geschahen damals viele Morde, Brandstiftungen – und auch Frauen- und Mädchenschändungen. Diese drei Verbrecher haben schlimme Untaten begangen und Furcht und Schrecken verbreitet.
Den ersten dieser Kerle findet John Bannister nach etwa zwei Monaten in einem kleinen Ort am Missouri. Es handelt sich um Les Lasalle, der am leichtesten zu finden war, weil er rote Haare hat.
John Bannister findet ihn in einem Freudenhaus, welches den Flößern und Flussschiffern alle käuflichen Sünden bietet, wenn sie hier anlegen müssen, weil dieser Teil des Stromes bei Nacht nicht zu befahren ist wegen der vielen Klippen, Untiefen und der sich hier ständig verändernden Fahrrinnen.
Es war nicht schwer, Les Lasalle zu finden, nur zeitraubend. Und die Fährte nahm John Bannister in Nebraska auf, dort, wo die Untaten von dem höllischen Kleeblatt begangen wurden.
John Bannister sprach mit einigen dieser Siedler – auch mit den geschändeten Frauen und Mädchen. Und was er hörte, ließ ihn wieder daran denken, was damals mit seinen Eltern und seiner Schwester und später dann auch mit seiner Frau geschah.
Abermals begann tief in seinem Kern das erbarmungslose Feuer zu glühen, von dem er genau wusste, dass es zum Ausbruch kommen würde, sobald er die Kerle gefunden hätte.
Und in River Bend ist es so weit.
Les Lasalle ist hier im Haus der Pussy-Cats einer der Beschützer. Als John Bannister am Abend Einlass begehrt, da empfängt ihn der Kerl am Eingang mit den Worten: »Eigentlich sind schon mehr Gentlemen zu Gast, als unsere sieben Schönen verkraften können. Mister, Sie werden vielleicht einige Stunden warten müssen, bis Sie an der Reihe sind. Eine ganze Flößermannschaft ist vor Ihnen dran.«
Er verstummt grinsend.
John Bannister aber grinst zurück und erwidert: »Ich will nicht zu euren Schönen. Ich will zu einem gewissen Les Lasalle. Er soll rote Haare und blaue Augen haben wie Sie – und Lassonarben auf dem Handrücken. Und er trägt einen Revolver links mit einem Griff aus Elfenbein, einen sehr kostbaren Colt. Ich wette, ich habe diesen Les Lasalle gefunden – oder?«
»Und wenn?« So fragt der rotschöpfige »Haremswächter«. »He – und wenn es so wäre, was dann?«
Er tritt einen Schritt zurück, um Bannister besser vor dem Revolver zu haben.
Dann verharrt er lauernd, ist bereit zum Ziehen. Wie ein Wolf, der sich eingekeilt fühlt, wirkt er von einer Sekunde zur anderen.
Aber Bannister grinst nur und hebt die Hände.
»Keine Sorge, Bruder«, sagt er mit einem Glucksen in der Kehle, so als wäre er sehr belustigt und amüsiert. »Ich komme nur als Bote. Denn da unten am Fluss unterhalb des Holzplatzes liegt ein Kielboot. Und in diesem Kielboot liegt ein angeschossener Mann. Er nennt sich Hank Maffitter. Du sollst zu ihm kommen, denn es geht ihm schlecht. Er sagte mir, dass ich dich hier finden würde. Nun, ich habe es dir also gesagt und kann wieder gehen.«
Nach diesen Worten wendet sich Bannister um und geht davon.
Jener rotköpfige Bursche, dessen Colt einen Beingriff hat und auf dessen Handrücken Lassonarben sind, starrt ihm nach. Und der denkt dabei einigermaßen verwirrt: Hank – Hank Maffitter? Verdammt, woher kommt Hank mit einem Kielboot? Der wollte sich doch mit Jed Sturges in den einsamen Hügeln von Nebraska auf einer Ranch verkriechen. Was ist geschehen, dass Hank angeschossen in einem Boot liegt und ...
Les Lasalle dreht sich um, öffnet die Tür und ruft ins Haus hinein: »He, George, ich muss mal weg! Übernimm du den Türposten, ich muss mal weg!«
Und dann setzt er sich auch schon in Bewegung.
Indes wurde es Nacht. In der kleinen Stadt River Bend sind alle Lichter an, auch an den Landebrücken werfen Laternen etwas Lichtschein über den Strom. Zwei Dampfboote haben festgemacht. Unterhalb der kleinen Bucht liegt ein gewaltiges Floss, breit wie eine Straße und an die zweihundert Yards lang, aufgeteilt in vier oder fünf bewegliche Glieder, die sich wie eine Schlange um die Biegungen des Flusses schlängeln können.
Les Lasalle geht am Holzplatz vorbei. Hinter diesem ist es dunkel. Hohe Büsche und auch Bäume säumen das Flussufer.
Verdammt, denkt Lasalle, wo liegt das Boot, in dem sich Maffitter befinden soll? Und so ruft er ärgerlich in die Dunkelheit hier am Fluss am Ende der Stadt: »Maffitter, he, Hank! Verdammt, Hank, kannst du mich hören? Wo bist du?«
Er hört in einiger Entfernung ein Stöhnen und dann eine heisere Stimme: »Hier, Les, hier am Ufer ...«
Und so drängt er sich durch die dichten Büsche und sieht nicht viel, weil er der erleuchteten Stadt den Rücken kehrt und vor ihm in den Büschen alles dunkel ist. Auch als er endlich die Uferkante erreicht, ist es immer noch dunkel, da die Büsche den Lichtschein der Stadt abschirmen.
»Wo bist du, Hank?« So ruft er wieder.
Vor ihm taucht eine Gestalt in der Dunkelheit auf. Lasalle greift vorsichtshalber nach seinem Colt. Denn plötzlich hat er ein ungutes Gefühl.
Aber im nächsten Moment bekommt er einen armdicken Knüppel quer über das Gesicht, der ihm das Nasenbein bricht und ihn zu Boden gehen lässt.
Es dauert dann eine Weile, bis er wieder bei Besinnung ist und sein Hirn zu denken beginnen kann.
Er setzt sich stöhnend auf, betastet sein zerschlagenes Gesicht und erinnert sich dabei daran, dass er vor nicht sehr langer Zeit manchen Siedler in Nebraska so zusammenschlug, um ihm eine böse Furcht einzuhämmern und ihn zum Aufgeben und Fortziehen zu veranlassen.
Nun bekam er selbst so ein Ding verpasst, und er ahnt, dass es noch schlimmer kommen wird.
Er hat den Wunsch, wenigstens sein Gesicht kühlen zu können, und so kriecht er zum Ufer und taucht sein Gesicht ins Wasser. Doch die Schmerzen lassen nicht nach.
Er setzt sich stöhnend wieder auf und fragt: »Wer seid ihr? Und warum macht ihr das mit mir?«
Seine Stimme klingt undeutlich, denn seiner Nase geht es gar nicht gut.
Ein Mann hockt sich neben ihm auf die Absätze. In der Dunkelheit erkennt Lasalle, dass es jener Mann ist, der ihn von dem Haus weggelockt hat.
»Was willst du? Was habe ich dir getan?« So fragt er.
»Ah, ich bekomme fünfhundert Dollar für dich«, erwidert Bannister. »Und auch für Maffitter und Sturges erhalte ich dieses Kopfgeld. Das sind zusammen eintausendfünfhundert Dollar. Das lohnt sich doch, oder? Und auf euren Steckbriefen steht tot oder lebendig. Na?«
Les Lasalle stöhnt nun noch erbärmlicher.
»Ein Kopfgeldjäger also«, ächzt er dann und fügt hinzu: »Aber wir könnten uns leicht auf dieser Fünfhundert-Dollar-Basis einigen. Das wäre kein Problem.«
»Und du würdest auch für deine Partner Maffitter und Sturges zahlen?«
»Bin ich verrückt?« So fragt der Mann knirschend und fauchend zugleich. »Was gehen mich Maffitter und Sturges noch an? Die waren nie meine Freunde. Wir hatten nur den Job angenommen, ein paar Dutzend Siedlern Feuer unter dem Hintern zu machen und sie zum Aufgeben zu veranlassen. Dann trennten wir uns.«
»Aber du weißt, wohin sie gingen, ja?«
»Und wenn ich es wüsste?«
»Dann brauchst du nicht für sie zu zahlen. Dann würde ich selbst bei ihnen kassieren, so oder so.«
Lasalle stößt einen grollenden Ton aus.
Dann sagt er: »Die sind irgendwo auf einer Ranch, deren Brandzeichen ein Topfhenkel ist. Ich weiß nicht wo genau in den Hügeln von Nebraska, aber jedenfalls am Arsch der Welt. Ich habe das Geld in einem Geldgürtel unter meinem Hemd. Kann ich es herausholen?«
»Sicher«, erwidert Bannister, und abermals ist das Glucksen einer grimmigen Erbarmungslosigkeit in seiner Stimme.
Er weiß genau, dass dieser Bursche etwas versuchen wird und gar nicht daran denkt, sich einfach zu ergeben und ihm seinen Kopfpreis gewissermaßen zu ersetzen.
Und so ist es auch.
In der Dunkelheit können sie sich nun einigermaßen erkennen, denn am Himmel kamen einige Sterne in einem Wolkenloch zum Vorschein.
In diesem schwachen Lichtschein blitzt nun ein Messer. Lasalle brachte es von irgendwoher ins Spiel als seinen einzigen Trumpf.
Er will es Bannister von unten in den Leib jagen, doch Bannister dreht sich weg und bekommt das Gelenk der ins Leere stoßenden Hand zu fassen.
Sie fallen beide in den Fluss, denn Lasalle ist ein starker Bursche, der sich auf wilde Grenzkämpfe versteht.
Es wird ein Kampf um Leben und Tod.
Und fast ertränken sie sich gegenseitig im Wasser des Missouri.
Bannister hätte diesen Mann erschießen können, nachdem er von ihm erfuhr, was er wissen wollte. Doch er ließ ihm letztlich diese Chance, die Lasalle ihm niemals gelassen hätte.
Man hört dann in der Nacht am Flussufer nur noch Bannisters Keuchen, als er aus dem Fluss kriecht, sich mehrmals erbricht und dann erschöpft liegen bleibt.
Doch dann muss er nochmals ins Wasser, um den Toten herauszuholen, bevor der Fluss ihn abtreibt.
✰✰✰
Es ist noch nicht Mitternacht, als er den Toten zum Town Marshal bringt, sich diesem als Kopfgeldjäger zu erkennen gibt und den Steckbrief vorweist.
Und wieder ist es so ähnlich wie damals in Trail City. Auch dieser Marshal lässt ihn spüren, wie sehr man Kopfgeldjäger verachtet, weil sie aus der Menschenjagd ein Geschäft machen.
Er tritt dann hinaus in die Nacht. Die kleine Stadt am Fluss ist noch voll in Betrieb. Die ausgesetzte Prämie für Lasalle kann er sich erst morgen von der Bank holen. Der Marshal schrieb nur eine Anweisung aus.
Bis zum Morgen muss er sich also die Zeit vertreiben.
Und er weiß, dass er nicht schlafen können wird. Also wäre es sinnlos, es überhaupt zu versuchen.
Er schwingt sich in den Sattel seines Pferdes und reitet aus der Stadt und zum Fluss hinunter.
Als er an einem Haus vorbeikommt, das schon ein wenig außerhalb der Stadt in einem schönen Garten liegt, beginnt auf der Veranda ein kleiner Hund zu bellen. Und eine Frauenstimme beruhigt den kleinen Kläffer, dessen Bellen jedoch nicht unfreundlich oder gar böse, sondern eher freundlich klingt.
Das kleine Tierchen kommt nun unter der Gartenpforte hindurch auf den Reit- und Fahrweg und umtanzt die Vorderhufe des Pferdes, springt immer wieder hoch, so, als wollte es vom Reiter hochgenommen werden.
Bannisters Pferd wird nicht nervös. Es ist, als wüsste es genau, dass dieses kleine Hündchen sie nur freundlich begrüßt.
Bannister beugt sich weit aus dem Sattel nieder und holt das kleine, zappelnde Tierchen zu sich herauf, hält das Wollknäuel dann in der Armbeuge. Und immer noch gibt das Tierchen freundliche Töne von sich, versucht Bannisters Gesicht zu lecken.
Die Frauenstimme von der Veranda fragt nun herüber: »Jack, bist du das? Bist du endlich wieder zu mir gekommen nach so langer Zeit?«
Die Stimme gefällt Bannister. Sein Instinkt sagt ihm, dass zu dieser Stimme gewiss eine besondere Frau gehört, eine Frau, welche schon lange auf einen bestimmten Mann wartet, einen Mann, dessen Name Jack ist.
Bannister zögert mit der Antwort. Denn er wünscht sich plötzlich, er wäre dieser ihm so unbekannte Jack. Dann würde ihn nicht nur dieses kleine Tierchen so freundlich begrüßen, sondern auch diese gewiss sehr reizvolle Frau, deren Stimme ihm gewissermaßen unter die Haut geht.
Doch dann kommt sie selbst. Er sieht sie in der Dunkelheit dicht bei der Gartenpforte auftauchen. Offenbar trägt sie einen hellen und sehr leichten Morgenmantel über einem noch dünneren Nachthemd. Und weil sie nicht schlafen konnte, saß sie in der linden Nacht auf der Veranda.
Sie öffnet nun die Gartenpforte und tritt zu ihm ans Pferd. »O Jack ...«, beginnt sie.
Und nun erst sieht sie, dass er ein Fremder ist. Sie hält inne. Und ihre zuerst wie jubelnd klingende Stimme ist nun beherrschter, kühler und auch irgendwie vorsichtig.
»Oh, Mister, ich hielt Sie für einen anderen Mann«, spricht sie. »Doch daran ist Quickly schuld. Verzeihen Sie ihm und mir, dass ...«
Sie bricht ab, als wären plötzlich besondere Gedanken und Empfindungen in ihr.
Und sie fragt: »Warum empfing Quickly Sie so freundlich, als wären Sie Jack? Was ist mit meinem Putzi los? So empfing er doch immer nur Jack. Aber Sie sind ein völlig Fremder. Bist du närrisch geworden, Quickly?«
Sie tritt näher an das Pferd heran und hebt ihre Arme, um Bannister das kleine Tierchen abzunehmen.
Bannister kann sie nun in der Nacht ziemlich gut erkennen. Ja, sie ist eine schöne und reife Frau.
Er behält das Hündchen noch in seinem Arm und erwidert: »Quickly ist gewiss nicht närrisch geworden, Ma'am. Es wird wohl daran liegen, dass ich diesem Jack sehr ähnlich bin, vielleicht so ähnlich wie ein Zwillingsbruder. Und wahrscheinlich ist auch mein Pferd dem Tier jenes Jacks sehr ähnlich. Es könnte aber auch sein ...«
Er bricht ab, denn er war soeben dabei, etwas zu sagen, was er besser nicht sagen sollte.
Doch sie spricht nun mit etwas spröder und herber Stimme zu ihm empor: »Sie meinen, dass dieses kleine Tierchen Sie für Jack hält, weil es irgendwie so ist, dass es diesen anderen Jack gar nicht mehr gibt?«
Er zögert mit der Antwort und reicht ihr stumm das Hündchen vom Pferd.
Sie nimmt das kleine, zappelnde Wollknäuel. Aber sie verlangt dabei: »Antworten Sie!«
Er schüttelt in der Nacht dort oben auf dem Pferd ein wenig hilflos seinen Kopf.
»Ich kenne diesen Jack nicht«, murmelt er. »Wie kann ich da etwas vermuten, was dieses Hündchen vielleicht instinktiv zu spüren vermag? Tiere fühlen manchmal irgendwelche Dinge, und man kann es nicht erklären. Ma'am, bitte, vergeben Sie mir, dass ...«
»Wer sind Sie, woher kommen Sie – und wohin reiten Sie?« So fragt sie, und es ist ein Klang von Ungeduld und auch Hoffnung in ihrer Stimme.
»Mein Name ist John Bannister«, sagt er. »Und ich bin das, was man einen Kopfgeldjäger nennt. Soeben habe ich einen Toten beim Town Marshal abgeliefert. Morgen werde ich die Prämie dafür von der Bank holen – und dann reite ich weiter. Gute Nacht, Ma'am.«
Er will anreiten.
Doch sie sagt schnell: »Halt, John Bannister, halt!«
Er lässt die Zügel sinken.
»Was ist noch?« Er fragt es ruhig und es ist, als wüsste er schon ihre Antwort, als ahnte er, was nun kommen würde.
Und wahrhaftig spricht sie: »Jack Marlowe ist ein Kopfgeldjäger wie Sie, John Bannister. Vielleicht kennen Sie ihn oder hörten Sie schon seinen Namen. Er gehört zu Ihrer Gilde. Und immer dann, wenn er Vergessen suchte, da kam er zu mir. Er war schon lange nicht mehr hier – fast ein Vierteljahr nicht. Haben Sie irgendwo etwas von ihm gehört? Männer eurer Gilde erfahren ja viel voneinander – oder?«
Bannister hockt einige Atemzüge lang bewegungslos im Sattel, und er begreift in diesen Sekunden, dass es wohl doch ein Schicksal gibt, das alle Wege der Menschen längst vorherbestimmt hat.
Er kam hier vorbeigeritten – und ein kleiner Hund sprang aus dem Garten und begrüßte ihn wie einen Freund.
Und diese Frau wartet auf die Rückkehr eines Kopfgeldjägers, der Jack Marlowe hieß – ja, hieß. Denn es gibt ihn nicht mehr. John Bannister hörte schon vor mehr als zwei Monaten, dass im Pecosland ein gewisser Jack Marlowe aus dem Hinterhalt getötet worden sei, als er die McLowry-Brüder jagte, die mit einer Beute von mehr als zwanzigtausend Dollar über den Pecos geflüchtet waren.
»Bitte, sagen Sie mir, wenn Sie etwas wissen«, verlangt die Frau, tritt noch näher zu ihm und dichter an das Pferd heran, legt ihm die Hand dicht über dem Knie auf den Oberschenkel.
Von dieser Hand scheint etwas auszugehen. Es ist ein prickelndes Gefühl.
Er räuspert sich und spricht dann: »Jack kommt nicht mehr. Er wurde im Pecosland, irgendwo in der Nähe von Langtry, aus dem Hinterhalt erschossen. Es tut mir leid, Ma'am. Jack wird nicht mehr kommen. Vielleicht spürte das Quickly und suchte in mir einen Ersatz, weil er irgendwie instinktiv fühlte, dass Jack Marlowe und ich zur gleichen Gilde gehören. Tut mir leid, Ma'am.«
Er will nun abermals anreiten.
Doch sie sagt kehlig: »Ich bin Esther Moore. Steigen Sie ab, John Bannister. Der Stall befindet sich hinter dem Haus. Ich will Sie als Gast haben, weil Jack nicht mehr kommen kann. Oder möchten Sie nicht mein Gast sein?«
Wieder verharrt er einige Atemzüge lang.
Und er weiß, dass er bei ihr wahrscheinlich für eine Weile vergessen kann, dass er einen Mann ertränkte wie eine Ratte.
Und so erwidert er: »Danke, Esther Moore, danke. Ja, ich glaube, dass ich sehr gerne Ihr Gast sein möchte, sehr gerne. Ich werde also mein Pferd in den Stall bringen und dann ins Haus kommen.«
✰✰✰
Er bleibt zwei Wochen, und als er wegreitet, da geschieht das in einer Nacht, als Esther fest schläft – oder jedenfalls so tut, als schliefe sie.
Er lässt ihr die Hälfte seiner Kopfprämie auf dem Nachtschränkchen zurück, obwohl er inzwischen weiß, dass Esther nicht das ist, was man eine Edelhure nennen könnte. Sie kann auch auf andere Weise für sich sorgen, denn sie ist eine wirklich erstklassige Gold- und Silberschmiedin und stellt wundervollen Schmuck her, für den sie auch großzügige Abnehmer hat, zumeist Handelsvertreter, die hier in River Bend Bestellungen für ihre Firmen aufnehmen, aber von Esther den Gold- und Silberschmuck nach dem Osten mitnehmen und dort gewiss mit gutem Gewinn an Juweliere oder private Abnehmer verkaufen.
John Bannister glaubt, dass sich Esther Moore hier in River Bend versteckt hat, weil sie aus irgendwelchen Gründen aus dem Osten flüchten musste.
Auch sie konnte ihn nicht von seinem Racheweg abbringen. Er musste wieder an die beiden anderen Mistkerle denken, deren Steckbriefe er noch in seiner Satteltasche hat.
Jed Sturges und Hank Maffitter sind ihre Namen.
Und sie sollen irgendwo in Nebraska zu einer Topfhenkel-Ranch geritten sein, wie Les Lasalle ihm sagte. Offenbar hatten sie vor, bei einem alten Freund unterzutauchen und Cowboy zu spielen, bis Gras über ihr Verbrechen gewachsen ist.
Bannister weiß, dass dies nicht wenige Banditen tun, nach denen gesucht wird. Auf einsamen Ranchen mitten unter einer Cowboy-Mannschaft, da sind sie zumeist sehr sicher.
John Bannister ist also nach Nebraska unterwegs.
Irgendwann und irgendwo wird er diese Topfhenkel-Ranch finden.
✰✰✰
Es wird ein langes Reiten.
Endlich findet er im Westen von Nebraska im Land der sandigen Hügel die erste Spur. Im Corral einer Poststation am Oregon Trail sieht er zwei Pferde, die den Topfhenkel-Brand tragen.
Als er sein Pferd tränkt, kommt einer der Stationsleute vorbei. Ihn fragt er nach dem Brandzeichen.
Der junge Bursche erwidert: »Die Topfhenkel-Ranch? O ja, die gibt es am Pine Creek in den Pine Hills, etwa fünfzig Meilen weiter nach Nordwesten. Unsere Post- und Frachtlinie nimmt jedes Jahr von dieser Ranch einige Pferde und auch Maultiere. Die junge Witwe hat es nicht leicht, seit Larry Scott, ihr Mann und Rancher, von einem wilden Stier getötet wurde. Die hat es wirklich nicht leicht mit dem Kind. Larry konnte die hartgesottene Mannschaft unter Kontrolle halten. Der musste keinen Befehl zweimal erteilen. Aber jetzt ...«
Der Junge verstummt fast erschrocken, so als begriffe er, dass er zu viel sagte. Und als wollte er sich entschuldigen für seine Anteilnahme, fügt er hinzu: »Sie ist sehr schön, diese Georgia Scott.«
Dann geht er rasch weiter, tut so, als müsste er eine eilige Arbeit verrichten.
John Bannister steht bei seinem Pferd am Wassertrog. Er starrt in die Ferne und denkt über das Gehörte nach.
Eine junge Witwe, die sehr schön sein soll, lebt nach dem Tod ihres Mannes auf einer einsamen Ranch in den Pine Hills inmitten einer hartgesottenen Mannschaft.
Und wenn stimmt, was Les Lasalle am Fluss sagte, dann gehören auch Jed Sturges und Hank Maffitter zu dieser Mannschaft.
Aber warum wurden sie dort aufgenommen? Stellte dieser Larry Scott sie vor seinem Tode ein? Kannte er sie aus früheren Zeiten? Offenbar wussten sie, dass sie dort aufgenommen werden würden und dass sie sich da verstecken konnten.
Ich werde alles noch herausfinden, denkt John Bannister.
Und wenig später, nachdem er und sein Pferd sich erfrischt haben, macht er sich auf den Weg.
John Bannister nimmt sich Zeit. Denn er will das Land ja möglichst gut kennenlernen. Er braucht für die etwa fünfzig Meilen lange Strecke zwei Tage und erreicht dann die kleine Stadt Pine Creek.
Die Stadt liegt wahrhaftig an einem Creek inmitten von Kiefernhügeln, die ihr Schutz geben. Es ist eine sehr kleine Stadt mit kaum einem Dutzend Häusern und den dazugehörenden Nebengebäuden.
Es gibt hier keine Poststation, nur einen Saloon, einen Store und eine Schmiede, deren Besitzer mit Pferden handelt und zugleich auch Wagenbauer ist.
Bannister hält vor dem Store an, um sich Tabak und Blättchen zu kaufen.
Der Storehalter ist ein hagerer Bursche mit einem dünnen Geierhals und wenigen Haaren auf dem Kopf. Er trägt eine Nickelbrille, hinter der farblose Augen blinzeln.
Als Bannister zahlt, fragt der Storehalter: »Und sonst möchten Sie nichts kaufen, Mister? Ich hätte auch Kleidung, Unterzeug, Hemden, Hosen, Stiefel – auch Wetterjacken. Denn es wird bald Herbst sein. Dann pfeift hier ein kalter Wind. Oder reiten Sie nur durch nach Süden?«
»Nein.« Bannister lächelt nachsichtig, denn er versteht die Neugierde des Mannes gut. In diesem Nest hier ist gewiss wenig los. Hier giert man geradezu nach einer Unterhaltung mit einem Fremden. Er fragt nun: »Wie weit ist es zur Topfhenkel-Ranch?«
Als er diese Frage stellt, kann er spüren, wie der Storehalter innerlich vorsichtig wird.
Doch dann sagt der Mann: »Immer nach Westen und am Creek entlang. Dieser Creek führt Sie direkt hin. Es sind etwa zwölf Meilen. Wenn Sie hier übernachten wollen, dann können Sie das in den oberen Zimmern des Saloons.«
Bannister nickt und dreht sich eine Zigarette, zündet diese an und bläst genüsslich den Rauch aus.
»Kommen die Topfhenkel-Reiter manchmal hierher?« So fragt er sanft.
»Selten«, knirscht der Storehalter, »sehr selten. Die kaufen hier wenig. Nur der Koch und Mrs Scott, die Rancherin, kaufen manchmal Vorräte. Die Reiter der Mannschaft kommen sehr selten her.«
Er verstummt mit einem Klang von Vorwurf und Unzufriedenheit in der Stimme. Auch sein Gesichtsausdruck ist bitter und beleidigt.
Er fügt plötzlich hinzu: »Die Topfhenkel-Reiter meiden ganz offensichtlich ihre Mitmenschen. Sie leben in ihren Hügeln wie auf einer einsamen Insel und jagen jeden Fremden zum Teufel. Sind Sie am Ende auch einer von denen, die dort einen Job suchen? Dann sagen Sie Ihren Freunden mal, dass sich unsere kleine Stadt sehr freuen würde, wenn sie etwas öfter Besuch von ihnen bekäme. Dann würde es drüben im Saloon auch zwei oder drei Mädchen geben. Sagen Sie es den Reitern der Topfhenkel, ja?«
John Bannister nickt.
Und wenig später macht er sich auf den Weg. Dieser Reit- und Fahrweg führt immerzu am Creek entlang durch die Kiefernhügel. Er nimmt sich Zeit, lässt sein Pferd ruhig traben, hält aber immer wieder an, um in die Runde zu spähen.
Und fast nach jeder Meile reitet er durch den Kiefernwald zu einem der Hügelrücken empor, um in die Runde zu blicken.
Denn sein Instinkt und auch all seine Erfahrung sagen ihm, dass es sehr notwendig werden könnte, sich in diesem Land möglichst gut auszukennen.
Als er etwa sechs Meilen geritten ist, sieht er die ersten Rinder mit dem Topfhenkel-Brand. Das Brandzeichen ist eigentlich ein J, welches auch oben ein wenig gebogen ist, sodass man es tatsächlich für einen Tassen- oder Topfhenkel halten könnte.
Wahrscheinlich entstand dieses Brandzeichen sozusagen notgedrungen, weil es keine Schmiede damals in der Nähe gab und man den Eisenstab nicht besser biegen konnte.
Es ist ein primitives Brandzeichen, leicht nachzumachen von Viehdieben. Denn man könnte daraus ein O machen, ein Wagenrad oder Ähnliches.
John Bannister reitet weiter, und er fragt sich, wann er auf die ersten Topfhenkel-Reiter stoßen wird. Denn er ist nun schon tief in das Gebiet der Ranch eingedrungen und muss damit rechnen, dass man ihn längst von irgendwelchen Beobachtungspunkten aus gesichtet hat.
Eine Ranch wie diese lässt ihre weiten Weidegebiete nicht unbeobachtet. Das kann sie sich nicht leisten, es sei denn, sie fände sich damit ab, dass man ihr Vieh stiehlt oder Siedler in die Hügel ziehen und sich Land abstecken.
John Bannister sieht ziemlich abgerissen aus. Er ist ja schon sehr lange unterwegs und übernachtete oft unter freiem Himmel. Ja, man könnte ihn tatsächlich für einen dieser Cowboys halten, die immerzu weiterziehen müssen, weil sie ständig hinter den nächsten Hügel blicken wollen, und nur so lange auf einer Ranch bleiben, bis sie sich wieder etwas Reisegeld verdient haben.
Die Sonne sinkt schon im Westen, als ihm plötzlich zwei Reiter den Weg versperren. Sie tauchten zwischen den Kiefern auf und blicken ihm im letzten Tageslicht entgegen.
Als er vor ihnen verhält, da kann er erkennen, dass es wirklich harte Burschen sind, denen die Revolver sicher sehr locker sitzen. Sie strömen gelassene, selbstsichere und gefährliche Entschlossenheit aus.
»Hallo«, sagt John Bannister freundlich. »Ich möchte zur Topfhenkel-Ranch. Seid ihr Topfhenkel-Reiter? Wie weit ist es denn noch?«
Sie betrachten ihn lauernd, und ihr wachsames Misstrauen prallt gegen ihn wie ein Atem. Schließlich fragt einer: »Und was willst du dort?«
Bannister hebt die Schultern und lässt sie wieder sinken.
»Ach«, sagt er, »sie liegt auf meinem Weg nach Norden. Und überdies hat jemand sie mir empfohlen. Wisst ihr, ich bin viel unterwegs und verdiene mir da und dort das Reisegeld. Vielleicht kann ich hier ein oder zwei Monate bleiben. Was meint ihr, hätte ich da eine Chance?«
»Wer hat dir unsere Ranch empfohlen?« Einer der Reiter fragt es hart.
Doch Bannister schüttelt den Kopf. »Ich verrate nie irgendwelche Namen. Und nun lasst mich durch zu eurer Rancherin.«
Er will sein Pferd wieder in Bewegung setzen, doch die beiden Reiter geben ihm den Weg nicht frei. Einer von ihnen sagt: »Wir stellen keine Reiter mehr ein. Die Mannschaft ist komplett. Kehr um und mach einen großen Bogen um diese Weide. Wir dulden hier keine fremden Reiter, die sich bei uns umsehen wollen. Hau ab!«
Sie grinsen ihn böse an, und er weiß, dass er nur noch eine Möglichkeit hat, will er zur Ranch und zu dieser hartgesottenen Mannschaft, zu der vermutlich auch Jed Sturges und Hank Maffitter gehören.
An die beiden kann er nur herankommen, wenn er ein Topfhenkel-Reiter wird. Denn in Pine Creek hörte er ja vom Storehalter, dass die Reiter der Ranch fast nie in die kleine Stadt kommen.
Bannister hat also keine Wahl.
Er nutzt die einzige Möglichkeit. Und so lässt er seinen grauen Wallach anspringen, treibt ihn vorwärts mit einem Pumaschrei und gibt ihm zugleich die Sporen, was er nur ganz selten tut.
Das starke Tier springt aus dem Stand vorwärts, bäumt sich dabei mit der Vorderhand etwas auf, macht einen Riesensatz und rammt zwischen die Tiere der beiden Reiter.