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G.F. Unger ist der erfolgreichste deutschsprachige Western-Autor. Mit einer Rekordauflage von über 250 Millionen Exemplaren gehört er zur internationalen Spitzenklasse der Spannungsliteratur. Und das zu Recht!
Niemand vermag es wie er, die unermesslichen Weiten des amerikanischen Westens und die Stärke der unerschrockenen Männer, die sie erschlossen, zu beschreiben. Erleben Sie den amerikanischen "Wilden Westen", wie nur G.F. Unger ihn schildern kann: hart, authentisch, leidenschaftlich.
Dieser Sammelband enthält die Folgen 2566 bis 2568:
2566: Trailmen
2567: Keine Chance in Jericho
2568: Big-Muddy-Wolf
Der Inhalt dieses Sammelbands entspricht ca. 192 Taschenbuchseiten.
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Seitenzahl: 465
Veröffentlichungsjahr: 2024
BASTEI LÜBBE AG
Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben
Für die Originalausgaben:
Copyright © 2022 by
Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln
Vervielfältigungen dieses Werkes für das Text- und Data-Mining bleiben vorbehalten.
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Für diese Ausgabe:
Copyright © 2024 by
Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln
Covermotiv: © Faba/Norma
ISBN: 978-3-7517-6537-4
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https://www.luebbe.de
https://www.lesejury.de
Cover
Titel
Impressum
Inhalt
G. F. Unger Western-Bestseller 2566
Der böse Clan
G. F. Unger Western-Bestseller 2567
Dukes Gesetz
G. F. Unger Western-Bestseller 2568
Verlorener Mann
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Contents
Der böse Clan
Als die Postkutsche den Stadteingang erreicht, wird sie von einem dicken Mann angehalten, der mit ausgebreiteten Armen mitten auf der staubigen Fahrbahn steht.
Windy, der alte, ledern und zäh wirkende Fahrer, hält das Sechsergespann fluchend an und fragt durch den aufgewirbelten Staub auf den Dicken nieder: »He, Weaverly, was soll das?«
Der Dicke aber spricht zu ihm empor: »Die Hacketts sind gerade bei der Arbeit. Ich möchte nicht, dass sich die schöne Abbot & Downing Chase plötzlich mitten im Kugelhagel befindet und die ganze Sache stört. Wartet also. Es wird gleich vorbei sein.«
Weaverly ist der Bürgermeister von Silverhole, einer kleinen Silberstadt in den Whitestone Hills.
Aus der Postkutsche beugen sich nun einige Köpfe ins Freie, darunter aus dem hinteren linken Fenster der Kopf einer Frau.
Die noch junge und ungewöhnlich schöne Frau fragt mit dunkler und etwas kehlig klingender Stimme: »He, Mister, sagten Sie soeben, dass die Hacketts bei der Arbeit wären?«
Der Dicke wendet sich ihr zu und tritt dann neben die Kutsche. »Gewiss, Lady, das sagte ich. Die Männer des berühmt-berüchtigten Hackett-Clans sind gerade dabei, die Fowley-Bande aus unserer Stadt zu jagen.«
»Aha«, stößt die junge Schöne aus. »Und was haben die Hacketts gegen die Fowleys?«
»Eigentlich persönlich nichts.« Der Dicke grinst. »Aber sie wurden von der Stadt für den Job angeworben. Denn die Fowleys haben sich hier bei uns eingenistet wie Parasiten. Wir alle hier mussten sie an unseren Einkünften beteiligen. Sie nannten das Schutzgeld und pressten die Stadt aus wie eine Frucht. Und da ließen wir den Hackett-Clan kommen. Gleich geht's los. Die Fowleys stellen sich, denn feige sind sie nicht. Zumindest ist ihr Revolverstolz stärker als jede Furcht. Denn wenn sie unsere Stadt weiter melken und auspressen wollen, dann müssen sie sich gegen die Hacketts behaupten. Ist Ihnen nun alles klar, schöne Lady?«
Die Schöne nickt.
Und dann steigt sie aus, springt vom Trittbrett der Kutsche in den fast knöcheltiefen Staub. Und als sie bei dem Dicken verhält, da spricht sie ganz ruhig: »Das sehe ich mir an.«
»Das werden Sie nicht«, faucht der dicke Bürgermeister. »Ich werde Sie nicht so dicht ...«
»Doch, das werden Sie«, unterbricht sie ihn. »Denn ich bin eine Hackett.«
Nach diesen Worten setzt sie sich in Bewegung, und der Dicke holt tief Luft, will etwas sagen. Doch er lässt es bleiben und murmelt nur bitter: »Wenn sie eine Hackett ist ...« Er bricht ab und macht nur eine müde und resigniert wirkende Armbewegung. Dann blickt er nach rechts und links zu den Leuten an den Straßenrändern und ruft: »Sie ist eine Hackett!«
Und da lassen sie die Schöne gehen, bewundern nur ihr geschmeidiges Schreiten durch den knöcheltiefen Staub. Sie bewegt sich wie eine ausgebildete Tänzerin, hat ihre Röcke etwas gerafft, sodass man ihre Beine bis über die Waden sehen kann.
O ja, sie ist wie eine wirkliche Lady gekleidet, die aus dem seriösen Boston kommt, nicht etwa aus New Orleans. Die Gegensätze dieser beiden Städte könnten nicht größer sein, und so ist es auch bei der Kleidung der Ladys. Boston bevorzugt englische Mode, New Orleans die französische.
Sie sehen die Schöne also in die Stadt schreiten. Am rechten Arm trägt sie eine Beuteltasche, und auf dem Kopf ist ein kleines rosafarbenes Hütchen zu bewundern. Ihr Haar hat die Farbe von reifem Weizen.
Die schnurgerade verlaufende Straße mit der staubigen Fahrbahn ist menschenleer. Nur aus den Fenstern der oberen Stockwerke beugen sich da und dort Köpfe.
Die junge Schöne ist wirklich eine Hackett. Ihr Vorname ist Emely. Und sie hat tatsächlich von Boston eine lange Reise hinter sich, die Wochen dauerte, da sie ja nach ihrem Clan suchen musste.
Sie kommt nun an der Silverhole Hall vorbei, wo auf dem Balkon des oberen Stockwerks die Amüsier- und Tanzmädchen voller Neugierde und Sensationsgier stehen.
Eines dieser Mädchen ruft zu Emely Hackett nieder: »He, Schwester, was kitzelt dich so, dass du ganz nahe dabei sein willst, wenn sich Männer gegenseitig umbringen?«
Emely Hacket hält inne und blickt zu den Pussycats hinauf, die spöttisch auf sie niederblicken.
»Oh, ihr Süßen, kümmert euch nicht um mich! Passt lieber auf, dass ihr nicht vom Balkon runterfallt.«
Nach diesen Worten geht sie weiter. Sie aber lachen hinter ihr her. Und eine sagt dann: »Zu welcher Sorte gehört die wohl? Ist sie eine wirkliche Lady oder eine Edelhure?«
Aber das hört Emely Hackett nicht. Ihre Aufmerksamkeit ist nach vorn gerichtet. Sie legt noch etwa fünfzig Yards zurück, dann treten einige Männer aus einer Gasse hervor und bilden quer über die Fahrbahn hinweg eine Front. Es sind fünf Männer. Sie werfen Blicke auf Emely Hackett, welche angehalten hat und nun mitten auf der Fahrbahn steht, also hinter ihnen, sodass sie ihr den Rücken zukehren.
Das gefällt ihnen nicht. Und so ruft ihr einer zu: »He, Süße, geh schnell zur Seite! Verdrücke dich in die Hausnische da drüben!«
Aber Emely erwidert nichts.
Sie verharrt bewegungslos. Nun ließ sie auch die gerafften Röcke wieder fallen. Sie starrt an den fünf Männern vorbei weiter die Straße hinauf.
Und dort werden nun vier andere Männer sichtbar. Auch sie bilden auf der Fahrbahn eine Front. Doch sie verharren nicht, sondern bewegen sich vorwärts, nähern sich also Schritt für Schritt den fünf Wartenden.
Es ist still in der Stadt. Und dennoch ist es, als würde eine Wolke des Unheils über Silverhole schweben und der kalte Atem bevorstehender Gewalttat wehen wie kalter Hauch.
Emely Hackett erkennt die vier Männer, die den fünf Wartenden mit ruhigen Schritten entgegenkommen. Und je näher sie kommen, umso besser erinnert sich Emely an sie, obwohl viele Jahre vergingen, seit sie sich trennten.
Ja, da ist ihr Onkel Phil Hackett, der Bruder ihres Vaters. Da sind Johnny und Rusty ihre Brüder. Und da ist noch Lance, ihr Vetter, den sie damals schon als junges Ding besonders mochte. Ja, das sind die Hacketts.
Ihr Revolverruhm war schon damals beachtlich.
Und jetzt ist er noch beachtlicher und legendärer.
Einst waren sie sieben. Damals gehörte Emelys Vater noch dazu, ebenso waren die beiden Brüder ihrer Mutter noch dabei. Doch diese drei Revolvermänner sind schon lange tot.
Der Hackett-Clan besteht nur noch aus vier Mann und Emely.
Wer wird jetzt sterben?
Das fragt sie sich und öffnet ihre Beuteltasche, holt dort den Revolver heraus.
Als einer der fünf Männer vor ihr sich umsieht, da bemerkt er es und wendet sich ihr zu: »He, Süße, willst du etwa mitmachen?«, fragt er staunend.
»Ich bin eine Hackett«, erwidert sie.
Im nächsten Moment aber beginnen die Revolver zu krachen. Denn die vier Hacketts sind nun nahe genug. Es wurden keine Worte mehr gewechselt, denn es gab nichts mehr zu sagen.
Die Fowleys beherrschen die Silberstadt.
Und die Bürger von Silverhole ließen die Hacketts kommen. Sie wollten wieder frei sein. Es gab also nichts mehr zu sagen.
Die Revolver erfüllen mit ihrem Krachen und Donnern die Straße zwischen den beiden Häuserreihen.
Und dann beginnt das Sterben und Blutvergießen.
Emely Hackett kann nicht mehr nur zusehen. Denn der Bursche, der sich ihr zuwandte und den Revolver in ihrer Hand sah, schnappt nach der Waffe. Dabei brüllt er böse: »Sie ist eine Hackett, verdammt!«
Er zaubert seinen Revolver gedankenschnell heraus, doch als er den Lauf hochschwingt und die Mündung auf Emely richten will, da trifft ihn ihre Kugel voll.
Er fällt in den Staub.
Und auch das Krachen der anderen Revolver verstummt. Nun ist es wieder unheimlich still. Selbst der Hund in einem der Hinterhöfe jault nicht mehr.
Die Leute von Silverhole sehen nun drei Fowleys am Boden liegen.
Zwei stehen noch, aber sie halten sich nur mühsam auf den Beinen, denn sie wurden böse angeschossen.
Die Hacketts dagegen stehen alle noch. Aber zwei von ihnen wurden ebenfalls verwundet. Man sieht es nun, als sie sich zu bewegen beginnen. Dennoch sind sie die Sieger, denn keiner von ihnen fiel um.
Und dann kommen die Bürger von Silverhole angelaufen. Sie brüllen, fluchen und stoßen befreite Schreie aus, so als fühlten sie sich als die Sieger.
Sie stürzen sich auf die besiegten Fowleys. Es ist ja keine Gefahr mehr für sie vorhanden.
Emely kümmert sich nicht um dieses Geschehen.
Sie sieht Onkel Phil, Vetter Lance und ihren Brüdern Johnny und Rusty entgegen.
Ihren Revolver hält sie immer noch in der Hand, jedoch mit der Mündung zum Boden gerichtet. Und es sieht fast so aus, als würde sie die Waffe zu Boden fallen lassen wollen, so als wäre sie ihr zu schwer geworden. Dann sind die vier Hacketts bei ihr.
»Du bist Emely«, spricht ihr Onkel grimmig. »Nicht wahr, du bist Emely? Was für ein Teufel hat dich geritten? Kleine, hast du Locokraut gefressen?«
Seine Stimme klingt richtig böse, grollend, giftig. Aber in seinen stahlblauen Augen erkennt sie die Sorge. Und sie erinnert sich wieder daran, dass der Onkel sie wie ein Vater geliebt hat und auch sie ihn wie einen Vater liebte, nachdem sie ihren Vater verloren hatte.
Sie will etwas erwidern, doch da ruft ihr Bruder Johnny: »Seht doch mal, wie schön sie geworden ist! Hey, was ist aus der kleinen Kröte geworden!«
Johnny blutet zwar an der Seite, wo seine Jacke von einer Kugel aufgerissen wurde. Aber er achtet nicht auf seine blutende Wunde. Er staunt Emely an.
Rusty und Lance aber nicken heftig, und Lance spricht dann überzeugt: »Ja, sie ist ein neues Weltwunder geworden. Und schießen kann sie wie jeder Hackett. Aber wir hätten die fünf Fowleys auch ohne dich geschafft, Emely.«
Onkel Phil mischt sich nun grimmig wieder ein und spricht trocken: »Gehen wir ins Hotel. Diese feige Stadt soll nicht zusehen und auch nicht zuhören. Überdies müssen wir unsere Wunden versorgen. Mir läuft das Blut in die Stiefel. Gehen wir endlich!«
Sie gehorchen ihm. Denn er ist der Kopf des Clans.
»Ich habe noch Gepäck in der Kutsche«, spricht Emely.
»Das wird vor dem Hotel abgeladen.« Rusty grinst. »Da kannst du dich drauf verlassen, Kleine. Denn eigentlich gehört die Stadt jetzt uns. Wir könnten die Fowleys ablösen, hahaha! Aber Onkel Phil ist halt immer noch ein seriöser Geschäftsmann. Gehen wir also, Kleine!«
Emely erwidert nichts. Doch sie geht inmitten der vier Männer das kurze Stück bis zum Silverhole Hotel. Hier empfängt sie der dicke Bürgermeister mit den drei Stadträten.
Die vier Männer wirken etwas unsicher.
»Wenn Sie jetzt die Stadt verlassen wollen, dann werde ich Ihnen sofort Ihr Honorar auszahlen, Sir.«
So spricht Bürgermeister Weaverly mit vorsichtiger Höflichkeit.
»Wir bleiben noch eine Weile«, erwidert Phil, Hackett. »Und wir brauchen fünf gute Zimmer in Ihrem Hotel, Mister Weaverly. Unsere Pferde sollen bestens im Mietstall versorgt werden.«
»Yes, Sir«, murmelt der Dicke, und in seinen Augen erkennt man den Ausdruck von Sorge.
✰✰✰
Sie versammeln sich in Phil Hacketts Zimmer, denn dieses ist das größte. Überdies wurde Phil ja am Bein verwundet. Er sitzt bequem in einem Sessel und hat das inzwischen gut versorgte Bein auf einen Hocker gelegt. Der Verband weist einen roten Fleck auf. Doch nun blutet die Wunde nicht mehr. Lance hat seinem Vater die Kugel herausgeholt.
Auch Emely ist im Zimmer. Sie hat ebenfalls in einem Sessel Platz genommen. Rusty aber steht am Fenster und blickt auf die Straße hinunter.
Ohne den Kopf ins Zimmer zu wenden, spricht er trocken: »Was für eine feige Bande doch hier in Silverhole lebt. Sie haben die überlebenden Fowleys fast totgeschlagen. Und die Toten karrten sie zum Friedhof vor der Stadt. Nun kommen sie zurück. Jetzt glauben sie, dass ihre Stadt wieder sauber und rein wäre. Wir sollten nun die Stelle der Fowleys einnehmen. Hier könnte man tüchtig melken. Diese Stadt inmitten des Silberlandes braucht Schutz. Wir sollten bleiben.«
Es bleibt still nach seinen Worten.
Doch dann spricht Phil Hackett ruhig: »Nein! Wir bleiben bei unserer Linie und helfen nur dort mit unseren Colts, wo man uns darum bittet und ein gutes Honorar zahlt. Wir sind keine Fowleys. Basta! Und nun kommen wir zu dir, Emely. Was für ein Kraut hast du gegessen, dass du auf die verrückte Idee kamst, nach uns zu suchen und zu uns zu kommen? Was ist mit deiner Mutter? Wir schickten euch damals nach dem Tod deines Vaters nach Boston. Du solltest in ein nobles Internat, wo man aus dummen Mädchen richtige Ladys macht. Und deine Mutter sollte ein schönes Leben führen können und in deiner Nähe wohnen. Was ist passiert? Und wieso kannst du so gut mit einem Revolver umgehen? Antworte, meine Kleine, antworte schnell!«
Seine Stimme klingt mehr als nur ärgerlich.
Aber Emely lächelt ihn an und erwidert: »Mom hat sich vor zwei Jahren in einen Kapitän und Schiffseigner verliebt. Er nahm sie mit an Bord. Wahrscheinlich hat er sie drüben in Europa sogar geheiratet. Ich war ihr nicht böse, als sie mich verließ. Denn sie hat ein Recht auf ihr eigenes Leben und ein neues Glück. Und ich war ja inzwischen erwachsen geworden. Auch ich verliebte mich in einen Mann. Er war ein Abenteurer, Glücksjäger und Spieler. Ich verließ das Internat und ging mit ihm in die weite Welt. Er brachte mir eine Menge bei, auch den Umgang mit einem Revolver. Und ich lerne stets schnell, sehr viel schneller als andere Mädchen. Er hat mich auch zur Frau gemacht. Mir ist eine Menge auf dieser Erde nicht mehr fremd. Er wurde in einem kleinen Hafen am Spieltisch erschossen, weil einer seiner Gegenspieler nicht verlieren konnte. Und da kam ich auf die Idee, nach euch zu suchen. Ich bin halt auch eine Hackett und kein sanftes Lamm. Ich wusste immer, womit ihr das Geld verdient habt, welches mir meine Mutter schickte. Ich las auch alle Briefe, Onkel Phil, die du Mom sandtest. Ich bin eine Hackett, und ich meine, dass Abenteuer auch mein Leben süß machen werden. Also werde ich bei euch bleiben und mich nützlich machen. Basta!«
Als sie verstummt, holt Phil Hackett Luft, um etwas loszulassen. Aber sie sagt mit ruhiger Stimme: »Halt, Onkel Phil, halt! Bevor du jetzt etwas sagst, bedenke, dass ich inzwischen kein dummes Ding mehr bin, welches ihr im Internat zu einer Lady machen lassen wolltet. Ich bin jetzt zweiundzwanzig Jahre alt und eine erwachsene Frau. Als ich mit Mom nach Boston musste, war ich vierzehn. Und auch aus meinen Brüdern und Lance, meinem Vetter, wurden ja inzwischen gestandene Männer. Also, Onkel Phil, behandle mich nicht wie ein dummes Ding.«
Sie verstummt ernst, und weil Phil Hackett in ihre grünblauen Augen sieht, kann er eine Menge erkennen.
Er lässt also die Luft wieder ab. Dann nickt er und blickt in die Runde. Und die drei jüngeren Männer – keiner ist älter als dreißig – grinsen ihn an.
Lance spricht zuerst. Er sagt ruhig: »Sie ist eine Hackett, eine besonders schöne Hackett. Sie ist gebildet und kann wie eine Lady auftreten.«
»Aber sie kann auch schießen«, sagt ihr Bruder Johnny und grinst dabei. »Wenn sie nicht meine kleine Schwester wäre, würde ich alles versuchen, sie ins Bett zu bekommen. Und dies wird jeder Mann wollen. Sie könnte uns sehr nützlich sein auf unseren Wegen.«
Er hat nun alles gesagt und damit Lances Meinung noch ergänzt.
Lance sieht nun seinen Vater Phil an und spricht mit einem Lachen in der Kehle: »Du würdest überstimmt werden, Oldman Hackett.«
✰✰✰
In dieser Nacht legt Evelyn dann gewissermaßen ihre Aufnahmeprüfung ab. Und sie wird eine Sensation in der Spielhalle von Silverstone. Ihre Schönheit kommt im Lampenschein voll zur Geltung, und ihr Kleid ist von wirklich erlesener, seriöser Eleganz. Es ist kein frivol lockendes Kleid, welches alle Reize zeigt – nein, es ist das Kleid einer Lady. Und dennoch lässt es alle Schönheit ahnen, die unter der roten Seide verborgen ist.
Emely spielt gegen fünf hartgesottene Burschen. Zwei von ihnen sind reiche Minenbesitzer, einer lässt auf seinem Claim fünf Arbeiter für sich schuften – und zwei leben von unbestimmbaren Einkünften, sind wahrscheinlich Banditen, welche Silbertransporte überfallen.
Rings um den Pokertisch hat sich ein dichter Kreis gebildet.
Und sie alle bewundern die schöne Frau, erfreuen sich an ihrem Lächeln, an ihren Bewegungen, wenn sie die Karten austeilt, oder am Klang ihrer Stimme. Sie bietet einen faszinierenden Anblick.
Die fünf missmutig wirkenden Spieler am Tisch strömen genau das Gegenteil aus.
Als die Einsätze wieder einmal erhöht werden, weil Emely Hackett mit ihrer dunklen und melodisch klingenden Stimme sagt: »Ich gehe mit und erhöhe um fünfhundert«, da wirft einer der Spieler fluchend seine Karten hin und schiebt mit den Kniekehlen den Stuhl zurück, indes er sich erhebt.
Der Stuhl kippt um. Und der Mann sagt böse: »Lady, Sie sind wunderschön, aber Ihr Kartenglück ist mir zu unheimlich. Ich kann nicht mehr daran glauben, dass die Karten nur auf Ihrer Seite sind. Verdammt, schöne Lady, wie machen Sie das?«
Emely, welche diesmal die Karten austeilt, legt ihr Blatt fast bedächtig hin. Dann spricht sie langsam: »Mister, wenn Sie gegen eine Frau nicht verlieren können, dann scheren Sie sich zum Teufel und jammern nicht herum.«
Ihre Worte würden unter Männern nun gewiss einen Kampf zur Folge haben, denn der Mann trägt einen Revolver tief unter der Hüfte.
Aber weil er glaubt, sich nicht mit einer schönen Frau schießen zu können, muss der Mann nun auf andere Weise seinen Zorn herauslassen. Und so stößt er hervor: »He, du siehst aus wie eine Lady, aber ich wette, das ist nur dein Trick. Du bist in Wirklichkeit ...«
»Halt, Mister!« Eine scharfe Stimme unterbricht ihn mit diesen beiden Worten.
Und im nächsten Moment löst sich der dichte Kreis der Zuschauer auf. Und der wütende Verlierer bekommt nun den Sprecher besser zu sehen.
Es ist Rusty Hackett. Er steht etwas weiter rechts vom Pokertisch, etwa drei Schritte von Emely entfernt. Und nun fügt er seinen beiden ersten Worten hinzu: »Wenn Sie die Lady beleidigen, bekommen Sie es mit mir zu tun.«
»Und wer bist du?« So fragt der wütende Mann hart. »He, wer bist du, Rotkopf?«
»Ich bin der Bruder dieser Lady. Und unser Name ist Hackett. Wollen Sie meine Schwester also beleidigen oder nicht?«
Der Mann weiß plötzlich Bescheid, und so hartgesotten er auch sein mag, er weicht zurück, hebt sogar die Hände in Brusthöhe.
Als er weit genug zurückgewichen zu sein glaubt, wendet er sich um und verschwindet mit schnellen Schritten.
Die Spannung löst sich nun.
Jemand sagt: »Das war es wohl.«
Der Kreis, welcher sich öffnete, sodass Rusty freistand, schließt sich immer noch nicht wieder um den runden Pokertisch.
Nun blicken alle Augen auf Rusty Hackett. Und sie sehen einen hartbeinig wirkenden Feuerkopf, von dem eine beherrschte Wildheit ausgeht. Sie ahnen es alle, dass dieser Mann explodieren kann wie eine Sprengladung, wenn er seine Wildheit nicht mehr zu beherrschen vermag. Sie brennt in seinem Kern wie ein Feuer.
Emely aber sagt am Tisch: »Gentlemen, wir sollten das Spiel beenden. Oder ist noch jemand unter Ihnen, der nicht verlieren kann und mich deshalb beleidigen möchte? Was kann ich dafür, dass ich besser Poker spiele als Sie, Gentlemen?«
Die vier Spieler sehen sich an, tauschen Blicke des Einverständnisses aus. Sie blicken auch zu Rusty hinüber, welcher abwartend verharrt und deutlich erkennbar für alles bereit ist.
Sie werfen plötzlich wie auf Kommando ihre Karten hin.
Einer spricht höflich: »Lady, wir passen. Was da im Topf liegt, gehört Ihnen. Wir könnten gegen Sie wohl niemals gewinnen. Bitte entschuldigen Sie uns.«
Und dann erheben sie sich und gehen davon. Sie streben der Bar zu. Denn wahrscheinlich brauchen sie einen Drink.
Emely aber wischt das Geld vom Tisch in ihre große Beuteltasche, in der sich auch ihr kurzläufiger Revolver befindet.
Dann erhebt sie sich und nickt Rusty zu. »Gehen wir, Bruderherz, gehen wir.«
Sie verlassen die Spielhalle. Schweigen folgt ihnen – und dann auch Bruder Johnny, der sozusagen die Nachhut bildet.
Draußen in der kühlen und klaren Nachtluft halten sie inne und bilden auf der großen Veranda eine Dreiergruppe.
»Oh, Schwesterherz«, stöhnt Rusty, »was hast du ihnen abgenommen?«
»Um die zehntausend Dollar«, erwidert Emely. »Seid ihr nun endlich überzeugt, dass ich ein wichtiges Glied in unserem Clan sein werde?«
✰✰✰
Als sie beim Frühstück sitzen, da kommen Weaverly und die drei Stadträte.
Der Bürgermeister legt einen Umschlag auf den Tisch und spricht hoffnungsvoll: »Da ist Ihr Honorar wie ausgemacht. Wenn Sie unsere Stadt jetzt verlassen, wie wird dann die Lady reisen? Sollen wir einen leichten Wagen mit einem guten Gespann bereitstellen? Da würden wir uns nicht undankbar erweisen. Auf diesen Erfolgsbonus käme es uns nicht an. Also?«
Phil Hackett zeigt zwischen seinem Bart blinkend die Zahnreihen.
Seine Stimme klingt sanft und freundlich, als er spricht: »Mister Weaverly, diese Stadt wird Ihnen jede Nacht mehr außer Kontrolle geraten. Eigentlich sollten Sie uns darum bitten, dass wir bleiben. Aber das würden wir nicht tun. Ja, wir möchten für meine Nichte einen leichten Wagen mit einem guten Gespann. Ich wurde am Bein verwundet und würde nur ungern reiten. Wir verlassen in einer Stunde die Stadt, und ich sage Ihnen jetzt schon, dass Sie uns bald sehr gerne wieder hier hätten. Doch wir würden nicht kommen. Silverhole wird bald ganz und gar der wilden Horde gehören, der Gilde der Schmutzigen. Es wird ein böses Nest inmitten des Silberlandes sein, ein neues Babylon, bis alles platzen wird wie eine Eiterbeule. Aber wir haben nun andere Pläne. Wir kämpfen nie wieder für andere Leute, mögen es Städte und sonst wer sein. Gehen Sie, Mister Weaverly. Lassen Sie unsere Pferde und den Wagen vor das Hotel bringen. Umso schneller sind Sie uns los.«
Der Dicke und die drei Stadträte bekommen rote Gesichter. Auch müssen sie ziemlich mühsam schlucken. Aber dann trotten sie aus dem Speisesaal. Ihnen ist nicht wohl. Denn sie wissen, dass ihnen Phil Hackett die Zukunft von Silverhole ziemlich genau vorausgesagt hat.
Die Hacketts aber sitzen gelassen um den Frühstückstisch und lassen es sich schmecken. Es gibt Eier mit Speck, frische Biskuits, Pfannkuchen mit Ahornsirup und starken Kaffee.
Der Umschlag mit dem Revolverlohn liegt noch eine Weile ungeöffnet auf dem Tisch.
Dann endlich ergreift Phil Hackett wieder das Wort.
»Emely hat fast zehntausend Dollar gewonnen«, spricht er langsam. »Und unser Honorar hier in dieser Stadt beträgt fünftausend Dollar. In Saint Louis haben wir mehr als fünfzigtausend Dollar auf der Bank. Von nun an werden wir nur noch für unsere Interessen kämpfen, nicht mehr für Revolverlohn für andere Leute. Wir beginnen in Saint Louis völlig neu.«
Sie starren ihn an und denken über seine Worte nach.
Dann fragt Lance Hackett: »Wie?«
»Wir schaffen uns ein eigenes Imperium«, erwidert Phil Hackett.
»Und was verstehst du darunter, Onkel Phil?«, fragt Rusty.
Phil Hackett grinst wieder blinkend und erklärt dann: »Wir schaffen uns so etwas wie ein eigenes Königreich. So jedenfalls verstehe ich das. Und wir werden uns solch ein Imperium auf dem Missouri schaffen. Dort können wir noch etwas erobern. Wir reisen nach Saint Louis. Dort werden wir Möglichkeiten zu einem Anfang finden.«
✰✰✰
Als sie Silverhole verlassen, ist es später Mittag. Und die Stadt wirkt ruhiger als sonst um diese Zeit.
Phil Hackett fährt einen zweirädrigen Wagen. Neben ihm sitzt Emely. Und hinter ihnen auf der kleinen Ladefläche liegt das wenige Gepäck der Hacketts.
Johnny, Lance und Rusty reiten hinterher.
So ziehen sie hinaus, vier Männer und eine Frau.
Und alle haben sie schon getötet. Ja, sie besitzen einen traurigen Ruhm. Sie sind im Grunde ein böser Clan. Es ist nichts zu bewundern an ihnen. Denn sie lebten von ihren Colts, vom Kampf. Sie waren käufliche Söldner.
Aber sie ziehen stolz hinaus. Denn ihnen ist bewusst, dass man sich vor ihnen fürchtet und ihnen deshalb Respekt zollt.
In den vier Männern ist ein ganz neues Gefühl. Denn nun ist die schöne Emely bei ihnen. Sie trägt ein Reisekostüm und wirkt noch seriöser.
Sie folgen dem Wagenweg nach Osten, denn irgendwo im Osten, gewiss mehr als tausend Meilen entfernt, da muss der Mississippi fließen.
Sie werden dann die Reise nach Saint Louis den mächtigen Strom hinauf auf einem Dampfboot genießen können. Denn die mächtigen Raddampfer sind schwimmende Amüsierpaläste.
Doch noch ist es ein weiter Weg.
✰✰✰
Als sie nach einigen Tagen Santa Fe erreichen, haben sie genug vom langsamen Reisen und den vielen Camps unter freiem Himmel.
Sie bekommen fünf Plätze in einer noblen Postkutsche und reisen in ihr das Pecos Valley hinunter nach Texas hinein und später dann vom Pecos nach Austin hinüber, wo sie eine andere Überlandpostkutsche nach Galveston bekommen.
Es ist eine lange, beschwerliche Reise auf manchmal schlechten Wegen in der rüttelnden Kutsche, die nach etwa dreißig Meilen stets ein frisches Sechsergespann bekommt, immer wieder abgeschmiert wird und deren Fahrer manchmal wechseln.
Sie werden gerüttelt, gestoßen, schlucken Staub und fühlen sich bald wie gerädert.
Aber sie kommen nun sehr viel schneller vorwärts.
Als sie den Hafen erreichen, welcher voller Seeschiffe ist, die aus Europa viele Waren herüberbringen oder von hier aus nach Europa schaffen – Baumwolle zum Beispiel –, da wissen sie, dass sie von nun an bequemer reisen werden. Aber erst mieten sie sich in ein Hotel ein und liegen bald in der Badewanne.
Zwei Tage später fahren sie auf einem Dampfschiff nach New Orleans und haben endlich den Mississippi erreicht.
Als sie in einem Hotel beim Abendessen sitzen, erzählt ihnen Phil Hackett alles, was er über New Orleans weiß, und er endet mit den Worten: »Oh, was für eine prächtige Stadt ist aus dem einst so armseligen Dorf geworden! Wir werden es uns in den nächsten Tagen ansehen. Und dann werdet ihr begreifen, dass manchmal aus den armseligsten Anfängen etwas Großes und Mächtiges entstehen kann. Und so wird es auch mit uns geschehen. Bisher waren wir nur eine Bande von Revolvermännern, die ihre Colts vermieteten. Wir waren ein böser Clan. Doch wir schufen uns auf diese Weise eine Basis durch unser Startkapital. Wir haben Geld und immer noch unsere schnellen Colts. Wer kann uns denn auf dem Oberen Missouri aufhalten?«
Er blickt nach seiner Frage in die Runde.
Sie sehen ihn staunend an.
Dann spricht Lance, der sein Sohn ist: »Niemand! Uns hält niemand mehr auf, wenn wir zuerst dorthin gehen, wo es noch kein Gesetz gibt. Und wenn wir erst groß und mächtig genug sind, machen wir die Gesetze. Das ist auf der ganzen Welt so. Richtig, Dad?«
»Richtig, mein Junge.«
Phil Hackett grinst blinkend.
✰✰✰
Sie verbringen einige Tage und Nächte in New Orleans und genießen das französische Flair, leben sich aus nach den langen Wochen seit Silverhole.
Aber in einer Nacht dann, da klopft Lance an Emelys Zimmertür. Es ist schon zwei Stunden nach Mitternacht.
Als sie ihm öffnet und etwas schlaftrunken fragt: »Was ist, Lance?«, da drängt er sie in ihr Zimmer, knallt hinter sich mit dem Absatz die Tür zu und stößt sie aufs Bett.
Ja, er ist ziemlich betrunken.
Und sie hört ihn knirschend sagen: »Jetzt bist du fällig, Cousine. Ich habe in ganz New Orleans nach einer Frau gesucht, welche dir das Wasser reichen könnte. Aber es gibt keine. Und so gehst du mir nicht aus dem Sinn, wenn ich eine andere in den Armen halte und sie sich alle Mühe gibt, mich dem Himmel nahe zu bringen. Keine kann das Verlangen nach dir in mir wegzaubern. Also sperr dich nicht, schöne Emely. Ich will dich nun mal. Und ich habe mir schon immer genommen, was ich haben wollte. Du hast keine Chance gegen meine Wünsche. Also ergib dich endlich!«
Er verstummt grinsend. Und dann beginnt er sich auszukleiden.
Sie aber liegt noch rücklings quer über dem Bett, auf welches er sie stieß.
Ganz ruhig, doch mit spröder Härte spricht sie: »Lance, halte ein! Du bist betrunken, deshalb verzeihe ich dir, wenn du sofort verschwindest. Halt ein, Lance Hackett! Mach dich nicht zum Narren!«
Aber er lacht nur und will sich nun auch seines Hemdes entledigen.
»Jetzt bist du dran«, keucht er. »Ich will dich nicht immer nur ansehen dürfen und mir vorstellen, wie es mit dir wäre. Ich will dich jetzt!«
Da greift sie unters Kopfkissen und holt ihren kurzläufigen Colt hervor, richtet die Mündung auf seinen Bauch.
»Jetzt reicht's«, faucht sie. »Du verdammter Narr machst alles zwischen uns kaputt. Wenn du dich jetzt auf mich werfen solltest, dann bekommst du die Kugel mitten in den Bauch.«
Er hält inne. Ein letzter Rest von Verstand besiegt seine Trunkenheit und lässt ihn sein Tun begreifen. Schwankend verharrt er vor ihrem Bett.
»Du – du – würdest es wahrhaftig tun?« So fragt er staunend.
»Ich gebe dir mein Wort darauf«, erwidert sie spröde.
Er spricht kein Wort mehr. Doch er knöpft sich das Hemd wieder zu, bückt sich und hebt Jacke und Hut vom Teppich auf. Wortlos geht er zur Tür und verlässt das Zimmer.
Sie liegt noch eine Weile unbeweglich auf dem Bett. Dann hebt sie den Revolver vor ihr Gesicht und betrachtet die Waffe im schwachen Lampenschein.
Und sie fragt sich, ob sie wirklich abgedrückt hätte, und findet keine ehrliche Antwort.
»Verdammt«, murmelt sie.
✰✰✰
Als sie am nächsten Vormittag beim Frühstück zusammensitzen, da kommt Lance zuletzt. Er hält seinen Blick fragend auf Emely gerichtet, und sie erkennt die Bitte in seinen Augen. Ja, er bittet stumm um Vergebung.
Und so sagt sie ruhig: »Du warst wohl schlimm betrunken, Lance. Und wenn du es immer noch bist, der Kaffee ist stark.«
Er versteht ihre Worte und murmelt, indes er auf seinem Stuhl Platz nimmt: »Ja, ich habe mich schlimm beschlaucht. Vielleicht haben sie mir auch was in die Drinks getan. O verdammt, mir platzt der Kopf.«
Er gießt sich Kaffee ein und trinkt. Phil Hackett betrachtet seinen Sohn ernst und forschend.
»Es wird wohl Zeit, dass wir nach Saint Louis fahren«, spricht er dann. »Wir suchen uns heute noch eine Passage den Mississippi hinauf.«
Er betrachtet Johnny und Rusty lauernd. »Auch euch würden die lockenden Sünden dieser Stadt zu sehr verändern, Jungs. Denkt daran, dass wir auf dem Missouri härter sein müssen als alle anderen auf dem Strom und zu beiden Seiten. Hier verkommt ihr nur bei diesem süßen Leben. Seid froh, dass ihr mich habt. Ich rette euch vor den Sünden dieser Stadt.«
Sie grinsen ihn an. Dann spricht Rusty mit übertriebener Dankbarkeit in der Stimme: »Oh, wir sind dir ja so dankbar, Oldman Hackett.«
Dann richtet er seinen Blick auf Emely und spricht: »Du hast hier im Hotelsaloon mit einigen wichtigen Burschen Poker gespielt. Hat es sich gelohnt?«
Sie lächelt. »Es waren drei Schiffseigner und ein Kapitän. Ich habe fast dreitausend Dollar gewonnen.«
Sie staunen Emely an.
»Wie machst du das?«, fragt Johnny fast ärgerlich. »Betrügst du mit Kartentricks oder wie sonst?«
»Ich spiele ehrlich«, erwidert sie sanft. »Aber ich habe einen guten Instinkt. Ich weiß stets, ob meine Gegenspieler nur bluffen oder wirklich ein gutes Blatt haben. Johnny, ich bin eine Frau. Frauen sind sensibler.«
»Vielleicht kann sie ihre Gegenspieler hypnotisieren«, brummt Lance.
Phil Hackett klopft auf den Tisch.
»Wir packen jetzt unsere Siebensachen und bestellen eine Droschke, die uns zum Hafen bringt. Dort liegen ein halbes Dutzend Steamer, die uns den Strom hinaufbringen wollen. Suchen wir uns einen besonders schnellen aus.«
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Es ist drei Wochen später, als sie in Saint Louis sind und dort ihr Konto bei der Bank auflösen. Auch unterwegs an Bord der General Washington saßen sie immer wieder an den Spieltischen und gewannen. Besonders die schöne Emely zog fast jede Nacht einigen Gentlemen das Fell über die Ohren. Und das war dann für diese wohlhabenden Gentlemen stets der Preis dafür, dass sie mit einer schönen Frau an einem Tisch sitzen, ihre Stimme und ihr Lächeln wie ein Geschenk bekamen.
Es wird hoch gespielt auf der »General Washington«, denn sie ist ein Luxus-Steamer.
Sie besitzen in Saint Louis insgesamt nun achtzigtausend Dollar.
Das ist zwei Jahre nach dem Krieg eine gewaltige Summe.
Sie brauchen dann einige Tage, um sich umzuhören und zu suchen.
Am vierten Tag finden sie, was sie haben wollen.
Und so betreten Phil Hackett und die schöne Emely an diesem Vormittag das Office der kleinen Northern-Star-Reederei.
Der ziegenbärtige Reeder Eric Benson begrüßt sie höchstpersönlich und fragt: »Was kann ich für Sie tun? Um was geht es?«
»Um Ihre Reederei und Ihre drei Dampfboote, Mister Benson«, erwidert Phil Hackett mit ruhiger Freundlichkeit. »Wir wollen Ihre Reederei übernehmen. Und wir haben natürlich genaue Erkundigungen eingezogen. Wir wissen gut Bescheid. Sie sind ein alter Mann, der seine Söhne im Krieg verlor. Sie haben keine Erben. Und eigentlich ist die Reederei eine Belastung für Sie. Ihre Kapitäne betrügen Sie nach Strich und Faden, aber Sie können nicht viel dagegen tun. Sie sind zu alt geworden. Es fehlt Ihnen an Energie. Wir sind da anders. Ich habe einen Sohn und zwei Neffen. Mit denen werde ich etwas schaffen, was groß und mächtig sein wird. Und da ist auch noch meine schöne Nichte hier. Sie, Mister Benson, haben nun die Wahl. Wir könnten Sie mit zehntausend Dollar auszahlen – oder Sie mit zehntausend Dollar als stillen Teilhaber in unsere Company hereinnehmen. Sie haben die Wahl.«
Der alte, ziegenbärtige Eric Benson starrt in Phil Hacketts Augen. Und weil er ja allein schon wegen seines Alters ein erfahrener Mann ist, kann er in diesen Augen eine Menge erkennen. Er beginnt zu begreifen, dass er einem zweibeinigen Tiger gegenübersitzt. Er richtet seinen Blick auf die schöne, junge Frau.
Emely schenkt ihm ein warmes Lächeln und spricht dann freundlich: »Sie würden reich werden, Mister Benson. Wissen Sie, es geht uns um Konzessionen, welche nur eine Reederei bekommen kann. Sie hätten von nun an ein bequemes Leben.«
Er nickt, sieht dann aber wieder Phil Hackett an.
»Und wenn ich nicht will?«, fragt er.
Phil Hackett zuckt mit den Schultern. »Mister Benson«, murmelt er, »ich könnte Ihnen drohen. Das aber wäre dumm und primitiv. Ich möchte mich gütlich mit Ihnen einigen. Ihr Geschäftsanteil von zehntausend Dollar würde bald hunderttausend wert sein. Und das ist hunderttausend Mal mehr als nichts. Oder?«
Eric Benson starrt wieder in die blaugrauen Augen des Mannes und denkt: Der ist aus Stahl. Und was hätte ich zu verlieren?
Er spricht dann ruhig: »Ja, ich weiß, dass meine drei Kapitäne mich betrügen, dass ihre Abrechnungen nicht stimmen. Sie betrachten meine drei Steamer sozusagen schon als ihre Boote, haben sie sogar mit Kanonen ausgerüstet. Ich weiß nicht, was sie dort oben auf dem Big Muddy treiben. Und das Geld, was sie mir abgaben, war wenig genug. Aber ...«
»Wir ziehen ihnen die Ohren lang«, unterbricht ihn Phil Hackett. »Wollen wir also zu einem Notar gehen?«
Eric Benson nickt langsam.
»Ich bin ein alter Mann«, murmelt er. »Vielleicht mache ich noch ein paar Jahre und kann zusehen. Und ich möchte auch weiterhin in diesem Office sitzen können. Ich habe noch ein paar alte Freunde in der Stadt, Kapitäne und Lotsen aus alten Zeiten. Ja, wir können zu einem Notar gehen. Ich bin froh, wenn ich diese Last abwerfen kann. Mister Hackett – so ist doch Ihr Name? –, Sie haben sich wirklich die richtige Reederei mit dem richtigen Mann ausgesucht. Vielleicht wäre ich im nächsten Jahr schon pleite gewesen, wegen meiner betrügerischen Kapitäne. Nun wird es mir Freude machen, wenn man den Halunken die Ohren langzieht. Abschneiden wäre noch besser.«
»Auch das können Sie haben, Mister Benson.« Phil Hackett grinst und streckt Benson die Hand hin. »Wir werden unsere Abmachungen strikt einhalten«, verspricht er.
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Und so kommt es, dass der Hackett-Clan in den Besitz der kleinen Northern-Star-Reederei gelangt, einer noch unwichtigen Reederei mit drei kleinen Dampfbooten, deren Schiffsführer ihren Reeder schon längere Zeit nach Strich und Faden betrügen und auf dem Oberen Missouri eigene Geschäfte machen.
Es vergehen einige Tage, als die »Belle Mary« von Fort Buford herunterkommt und an der Landebrücke der Northern-Star-Reederei festmacht. Einige Dutzend Passagiere – zumeist Goldgräber und Minenleute aus Montana – gehen von Bord.
Und wenig später gehen auch der Kapitän und sein Steuermann von Bord und betreten das Office der Reederei.
Und hier sitzt Phil Hackett hinter dem Schreibtisch. Eric Benson aber steht in der Ecke an einem kleinen Tischchen und gießt sich dort einen Drink ein. Dabei raucht er eine dicke Zigarre, und man sieht ihm an, dass er sich ziemlich behaglich fühlt.
Ja, er prostet dem Kapitän freundlich zu und sagt: »Hey, Purdom, schön, dass Sie mal wieder hier auftauchen. Haben Sie gute Geschäfte gemacht?«
Der Flusskapitän ist ein riesiger Bursche, einer von der harten Sorte, die sich emporgekämpft haben und von der Pike an das große Einmaleins des Missouri lernten.
Denn das Beherrschen dieses sich ständig verändernden Stromes ist wahrhaftig eine Wissenschaft für sich. Besonders der Obere Missouri oder »Big Muddy« macht ein ständiges Lernen erforderlich.
Und überdies müssen die Flusskapitäne auf diesem Strom, der durch Indianergebiet führt, mit einer harten und raubeinigen Mannschaft zurechtkommen. Denn eine andere Sorte von Flussmännern fährt nicht so weit bis nach Montana hinauf.
Kapitän Purdom ist also ein beachtlicher Bursche.
Phil Hackett, der ihn aufmerksam betrachtet, schätzt ihn sofort richtig ein.
Er hört Purdom nun sagen: »Benson, wir hätten gute Geschäfte gemacht, wenn wir nicht unterwegs wegen Maschinenschaden die Werft bei Fort Bismarck hätten anlaufen müssen. Ich bringe Ihnen also nur siebenhundert Dollar Gewinn. Unsere Löhne habe ich schon abgezogen. Hier ist das Bordbuch. Und hier ist das Geld. Wir werden jetzt zum Holzplatz verholen. Wer ist der denn?«
Er wirft Bordbuch und Geld auf den Schreibtisch und deutet dann auf Phil Hackett.
Eric Benson aber nimmt erst noch einen Schluck vom guten Whisky und einen Zug aus der Zigarre.
Dann spricht er mit einem Glucksen in der Kehle: »Haggerty, es hat sich hier einiges verändert. Ich bin jetzt nur noch ein so genannter stiller Gesellschafter. Ich sehe nur noch zu. Mister Hackett ist jetzt der Boss der Northern-Star-Reederei.« Er verstummt so richtig zufrieden.
Haggerty und Hackett aber betrachten sich einige Atemzüge lang wortlos.
Dann fragt Haggerty ziemlich grob: »Ändert sich was für mich, Mister Hackett?«
»Alles.« Phil Hackett lächelt. »Für Sie alles, Mister Haggerty. Sie sind entlassen. Suchen Sie sich einen anderen Reeder.«
»He, was haben Sie gegen mich?« Haggertys Stimme klingt scharf und drohend.
»Sie machen – aus welchen Gründen auch immer – für diese Reederei zu wenig Gewinn. Ich habe mir die Bücher des letzten Jahres angesehen. Sie machen mit jeder Fahrt stets nur so viel Gewinn, dass die Reederei am Leben erhalten bleibt. Holen Sie sich Ihre Siebensachen von Bord. Und Sie auch.«
Seine letzten drei Worte sind an den Steuermann gerichtet, welcher bisher schweigend im Hintergrund stand. Dieser Steuermann ist ein Halbblut. Sein Name lässt jedenfalls darauf schließen, denn er lautet: Cheyenne Clum.
Und Cheyenne Clum grinst nun blinkend. Dann spricht er: »Mister Hackett – das war doch Ihr Name? –, Sie sollten sich das überlegen. Denn vielleicht machen Sie einen Fehler. Wir gehören einer Bruderschaft an, der Bruderschaft aller Flusslotsen. Uns kann man nicht einfach so feuern wie unwichtige Decksleute.«
»Ich weiß.« Wieder grinst Phil Hackett. »Aber ich mache es trotzdem. In einer halben Stunde komme ich auf die ›Northern Star‹. Sie ist ja das so genannte Flaggschiff der Reederei. Wenn Sie und Haggerty dann noch an Bord sind, dann mache ich euch Beine.«
Haggerty und Cheyenne Clum sprechen kein Wort mehr.
Sie gehen einfach hinaus.
Und als sich die Tür hinter ihnen schließt, spricht Eric Benson trocken: »Die werden uns die ›Northern Star‹ stehlen. Wenn sie Holz übernommen haben, sind wir das Dampfboot los.«
»Oh, Mister Benson«, sagt Phil Hackett und lächelt nachsichtig. »Ich glaube, Sie sind sich über mich und meine Jungs immer noch nicht richtig klar.«
Er erhebt sich nach diesen Worten und deutet auf das Bordbuch und den Lederbeutel mit dem Geld.
»Führen Sie bitte auch in Zukunft die Bücher, Mister Benson. Sie wollten doch weiter im Office sitzen und so in Ihrer vertrauten Umgebung bleiben. Tun Sie es also! Bald werden Sie mehr als nur siebenhundert Dollar Einnahmen zu verbuchen haben.«
Er verlässt nach diesen Worten das Office und tritt auf die Hafenstraße.
Der Missouri fließt hier breit und scheinbar gemächlich. Aber das täuscht, denn er hat auch hier vor seiner Einmündung in den Mississippi ein starkes Gefälle.
Die »Northern Star« steht noch unter Dampf. Sie macht nun die Leinen los, um zum Holzplatz zu verholen. Wahrscheinlich hat sie kaum noch Feuerholz für die beiden Kessel an Bord.
Phil Hackett hält inne. Bis zum Steamer sind es etwa hundert Schritte. Er kann also alles gut betrachten. Und da er einige Erfahrungen mit solchen Dampfbooten hat, kann er schnell feststellen, dass ihm die »Northern Star« gut gefällt.
Es ist ein nicht sehr großes, doch starkes Dampfboot mit zwei Schornsteinen.
Oben auf dem Sturmdeck sieht er eine Kanone, wahrscheinlich eine Haubitze aus dem Krieg. Und auf dem Vorschiff steht ein zweites Geschütz.
Dass diese Dampfboote Kanonen an Bord haben, ist inzwischen üblich geworden. Denn bis nach Fort Benton hinauf muss man durch Indianerland. Auch gibt es am Oberen Missouri Flusspiraten, welche immer wieder mit schnellen Booten aus ihren Verstecken kommen und die Dampfboote entern. Die »Northern Star« ist für solche Schwierigkeiten gut ausgerüstet.
Sie legt nun ab und dampft wieder stromauf. Denn der Holzplatz, zu dem sie will, liegt ein Stück den Strom hinauf.
Phil Hackett schlendert zum Hotel. Hier sitzen Lance, Johnny und Rusty auf der Veranda und sehen sich das Leben und Treiben an.
Phil Hackett tritt zu den jungen Männern, die er ja als seine Jungs bezeichnet. Und er ist ja auch Lances Vater und Onkel von Johnny und Rusty.
Er sagt knapp: »Es ist so weit. Gehen wir. Wo ist Emely?«
»Die hat sich beim Mietstall ein Pferd gemietet und reitet herum«, spricht Lance etwas ärgerlich. »Ich wollte sie begleiten, aber sie wollte allein reiten.«
»Na gut, dann kommt«, sagt Phil Hackett und nickt.
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Kapitän Haggerty, sein Steuermann Cheyenne Clum und einige andere Männer der Besatzung stehen bei der Landebrücke des Holzplatzes auf dem Uferweg, als die Hacketts erscheinen.
Sie nähern sich gemächlichen Schritts, so als gingen sie nur spazieren.
Dennoch hat ihr Näherkommen etwas Drohendes.
Das spüren die Männer bei Haggerty mit einem Mal. Und einer knurrt: »He, das sind vier Revolvermänner – keine zweit- oder drittklassigen Revolverschwinger. Jungs, wenn wir uns mit denen einlassen, dann gibt es Tote.«
»Na und?« So fragt Haggerty scharf. »Haben wir oben nicht überall gekämpft, Männer? Hatten wir es nicht immer wieder mit Indianern, Piraten und Revolverhelden zu tun? Was ist das jetzt für ein Unterschied?«
Sie schweigen zu seiner Frage, doch sie alle spüren instinktiv, dass es nun anders ist. Die vier dunkel gekleideten Männer strömen irgendwie eine Unbarmherzigkeit und Unbeirrbarkeit aus, die sie wie ein kalter Hauch trifft. Denn sie alle sind ja erfahrene Flussmänner, die schon durch viele Kämpfe gingen.
Sie sind sieben Mann. Zwei von ihnen tragen abgesägte Schrotflinten, die anderen Colts, die sie hinter den Hosenbund schoben.
Aber die vier Hacketts tragen ihre Revolver in tief geschnallten Holstern.
So nähern sie sich also Schritt für Schritt. Und als sie nahe genug sind, da halten sie an. Phil Hacketts Stimme fragt kühl: »Nun, Haggerty, warum sind Sie noch hier? Sie sollten doch Ihre Siebensachen zusammenpacken. Und Ihr Steuermann ebenso. Die anderen können bleiben, wenn sie wollen. Aber ihr zwei seid ...«
Weiter kommt er nicht.
Denn Haggerty zischt: »Jetzt!«
Dieses »Jetzt« sollte das Zeichen sein. Er und Cheyenne Clum reißen auch tatsächlich ihre Waffen hinter dem Hosenbund heraus. Und einer der anderen Männer hebt seine abgesägte Schrotflinte. Vielleicht wollte er nur drohen und seine Bereitschaft zeigen.
Die anderen vier Flussmänner dagegen zögern.
Und das ist gut für sie. Denn die Revolver der Hacketts krachen nun. Sie zogen unwahrscheinlich schnell. Es ist wie Zauberei. Haggerty, sein Steuermann und der Bursche mit der abgesägten Schrotflinte kommen gar nicht mehr zum Schuss, so schnell bekommen sie das heiße Blei.
Die anderen vier Männer lassen ihre Waffen fallen und heben die Hände.
Und an Bord, wo noch ein weiteres Dutzend Decksmänner, darunter einige Maschinisten und Heizer, stehen, rührt sich niemand. Sie alle stehen nur wie gebannt da und staunen.
Dann können sie sehen, wie Haggerty, Cheyenne Clum und der dritte Mann zu Boden gehen. Sie können sich nicht mehr auf den Beinen halten, so schlimm wurden sie angeschossen.
Auf dem Holzplatz, wo mithilfe der Dampfwinde immer wieder der große Korb mit Holz vom Ladebaum an Bord gehievt wurde, ist es still.
Dann nähert sich der Holzplatz-Vormann.
»He, was ist das?« So fragt er scharf. »Muss ich den Marshal holen lassen?«
»Wenn Sie wollen«, erwidert Phil Hackett. »Ich bin der neue Boss und Geschäftsführer der Northern-Star-Reederei, die sich jetzt Northern Star Enterprise nennt. Diese Männer habe ich entlassen. Aber sie weigerten sich. Wahrscheinlich wollten sie das Dampfboot stehlen, sobald es genügend Brennholz übernommen hatte. Mein Name ist Hackett, Phil Hackett. Schicken Sie einen Mann zu Mister Eric Benson. Dann klärt sich alles.«
Der Holzplatz-Vormann denkt nicht lange nach.
»Wenn es so ist«, murmelt er, deutet aber auf die stöhnenden Männer und fragt: »Was machen wir mit denen?«
»Die lassen wir mit einem Wagen zum Doc bringen«, erwidert Phil Hackett.
Er wendet sich an die vier anderen Flussmänner, welche immer noch ihre Hände in Brusthöhe halten und so ihre Friedlichkeit demonstrieren. Seine Stimme klingt dann laut genug, dass man es auch an Bord hören kann, wo die Männer an der Reling stehen.
»Wer ist hier der Bootsmann?«
»Ich«, erwidert ein bulliger Bursche. »Wollen Sie mich auch entlassen, Mister?«
»Noch nicht. Ihr bekommt vorerst alle eine Chance. Dann werden wir sehen.«
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Es ist noch keine Stunde später, als sich Phil Hackett wieder im Office einfindet, wo der alte Reeder ihn mit großen Augen erwartungsvoll ansieht.
»Es hat sich schon überall herumgesprochen«, sagt Benson dann. »Ein Deputy Marshal war auch schon bei mir. Ich sagte ihm, dass alles seine Richtigkeit hat. Und wie soll es nun weitergehen?«
»Das ist einfach«, erwidert Phil Hackett. »Die Mannschaft bleibt vorerst an Bord. Sie will auch unter uns fahren. Wir brauchen aber einen Kapitän und einen erstklassigen Lotsen. Und natürlich setzten wir auch noch ein Dutzend wirklich harte Burschen auf unsere Lohnliste. Es geht alles seinen Gang. Kapitän Haggerty drohte uns mit der Bruderschaft aller Kapitäne und Lotsen. Hat die irgendwo ihr Hauptquartier?«
Eric Benson nickt.
»An der Osage-River-Mündung gibt es einen kleinen Ort. Da ist das Hauptquartier der Bruderschaft. Eigentlich ist es eine Banditenbande, welche uns Reeder erpresst. Wer sich gegen sie stellt, keine Schutzgelder zahlt, dem explodieren irgendwann und irgendwo die Dampfkessel. Es ist leicht, in einem ausgehöhlten Holzscheit ein Pfund Sprengpulver unterzubringen. Es gibt auch noch viele andere Möglichkeiten. Die Bruderschaft beherrscht den ganzen Missouri bis hinauf nach Montana. Sie haben zwei von ihren Mitgliedern von Bord gejagt und fast totgeschossen. Das ist Rebellion. Sie werden bald mit der Bruderschaft zu tun bekommen, Mister Hackett.«
»Nein, so lange warte ich nicht«, grinst dieser. »Die bekommen es mit uns zu tun.«
Der alte Benson wiegt den Kopf.
Dann murmelt er: »Sie könnten auch dieses Haus mit dem Office in die Luft jagen. Dann bin ich vielleicht schnell ein toter Mann.«
»Sie müssen nicht hier im Office sitzen, Benson. Gehen Sie spazieren, oder angeln Sie von der Landebrücke aus.«
Nach diesen Worten verlässt Phil Hackett den Reeder. Denn er muss noch eine Menge auf den Weg und in Gang bringen.
Als er wieder auf die Uferstraße tritt, sieht er Emely auf einer schönen roten Stute dahergeritten kommen. Sie trägt einen geteilten, rehledernen Reitrock, eine Flanellbluse und eine Lederweste. In ihrem Waffengurt steckt ihr kurzläufiger Colt.
Wie eine wunderschöne Amazone wirkt sie auf alle Betrachter. Und das sind viele. Manchmal folgen ihr anerkennende Pfiffe.
Als sie bei Phil Hackett ist, hält sie an. »Hey, Onkel Phil«, ruft sie und lächelt vom Sattel aus auf ihn nieder.
Er lächelt zurück und spricht: »Du hast eine Menge versäumt. Wenn die ›Northern Star‹ wieder hier an der Landebrücke liegt, gehen wir an Bord. Wir müssen nur noch einen anderen Kapitän und einen Flusslotsen anheuern, dazu etwa ein Dutzend hartgesottener Burschen als Kampfmannschaft. Das erledigen wir in zwei Tagen. Dann geht es den Strom hinauf. Du bist scharf geritten. Dein Pferd ist mit Schweiß bedeckt.«
Sie nickt. »Es macht mir Freude, scharf zu reiten. Ich habe da draußen in den Hügeln auch mal wieder mit meiner Waffe geübt. Nehmen wir auch Passagiere an Bord?«
»Nein«, erwidert er. »Erst müssen wir uns den Big Muddy erobern.«
Sie nickt und reitet weiter. Er sieht ihr nach. Und sie erinnert ihn an ihre Mutter. Doch die schnappte ihm sozusagen sein Bruder weg.
Er geht weiter. Es gibt noch viel zu tun.
Auch seine drei Jungs – wie er sie ja immer wieder in Gedanken nennt – haben eine Menge zu tun. Er hat ihnen die Aufgaben genau klargemacht und zugeteilt.
Ja, jetzt kommen wir in Gang, denkt er zufrieden. Jetzt machen wir lange Schritte. Denn mit unserem Geld kann man sich eine Menge kaufen.
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Von der Mündung des Missouris bis nach Osage sind es einhundertsechsundfünfzig Flussmeilen.
Die »Northern Star« hat starke Maschinen und ein mächtiges Heckschaufelrad. Sie kann ohne große Mühe gegen die Strömung acht Meilen in der Stunde fahren, und so schafft sie die Strecke in gut zwanzig Stunden.
Denn sie bekamen einen guten Kapitän und einen sehr erfahrenen Flusslotsen. Es sind Männer, die sich einst gegen die Bruderschaft auflehnten und dafür mit dem Verlust ihres Dampfbootes bestraft wurden.
Eric Benson konnte ihnen diese Männer empfehlen. Und diese erinnerten sich wieder an andere Männer in Saint Louis, denen die Bruderschaft übel mitgespielt hat, weil sie auf der falschen Seite standen.
Nun, es sind gewiss keine edlen Burschen, keine fairen Ritter. Einige sind Revolverhelden, ehemalige Guerillas aus dem Krieg, Banditen und Pferdediebe. Aber für die Hacketts sind sie zusammen die richtige Mischung.
Von der alten Besatzung blieben fast alle an Bord, auch die Kanoniere, die schon während des Krieges als Artilleristen dienten.
Sie brauchen also etwa zwanzig Stunden bis zur Mündung des Osage River und dem kleinen Ort, zu dem eine Sägemühle, eine Schindelfabrik und einige Hütten gehören.
Etwas abseits aber steht ein großes, nobles Haus inmitten eines eingezäunten Gartens, der bis zum Fluss reicht. Auch zwei Landebrücken gibt es hier.
Sie legen an der Landebrücke bei der Schindelfabrik an. Denn an der anderen Landebrücke liegt ein Dampfboot.
Es ist die »Sundance Mary«, ein Steamer wie die »Northern Star«, bestückt mit zwei Kanonen wie diese. Und sie steht unter Dampf, könnte also jederzeit losmachen und ablegen.
Phil Hackett sieht sich das alles vom Ruderhaus mithilfe eines Fernrohrs genau an.
Und dann gibt er seine Befehle.
Als sie angelegt und festgemacht haben, erscheinen zwei Männer auf der Landebrücke, die mit Schrotflinten bewaffnet sind.
Als die Hacketts von Bord aus auf die Landebrücke treten, sagt einer dieser beiden Männer: »Wer seid ihr denn? Wo sind Haggerty und Cheyenne Clum? Dies ist doch immer noch die ›Northern Star‹ – oder?«
Phil Hackett nickt. »Sie gehört jetzt mir«, spricht er. »Ich bin Phil Hackett, und ich möchte hier meine Aufwartung machen. Man hat mir gesagt, dass man hier ...«
»Schon gut«, unterbricht ihn der Mann. Dann setzt er hinzu: »Sie haben es also kapiert, Mister Hackett. Das ist gut. Aber Sie müssen allein zum Chef gehen.«
Phil Hackett nickt. »Ich darf aber wohl meine Nichte mitnehmen?« So fragt er friedlich und deutet auf Emely, welche den Mann freundlich anlächelt.
Der Mann und sein Partner grinsen. Dann spricht der Wortführer: »O ja, über diesen Anblick wird sich der Chef freuen. Vielleicht wird er die Lady sogar malen wollen. Er ist ein großer Maler, hat schon viele Schönheiten mit seiner Kunst verewigt. Gehen Sie nur mit Ihrer schönen Nichte.«
Phil Hackett nickt. Er wendet sich den drei anderen Hacketts zu. »Ihr bleibt also an Bord, Jungs, und wartet auf uns.«
Als er sich in Bewegung setzt, da folgt ihm Emily. Und so gehen sie den Kiesweg entlang, dann durch die Gartenpforte und schließlich durch den schönen Garten auf das große, wunderschöne und prächtige Haus zu, welches fast wie ein Schloss gebaut wurde und noch nicht älter als zwei Jahre sein kann.
Auf der Veranda werden sie von zwei anderen Männern mit Schrotflinten empfangen.
Einer fragt: »Wollen Sie zu Mister Duke Donovan?«
»Wohin sonst?«, fragt Phil Hackett grinsend zurück.
Sie dürfen nun eintreten, aber einer der beiden Männer bleibt mit seiner abgesägten Schrotflinte hinter ihnen und lässt so erkennen, dass er ein Leibwächter ist.
Sie treten in eine große Halle.
Hier steht eine nackte Frau auf einem erhöhten Podium. Sie ist wunderschön und lässt an die sagenhafte Venus denken, jene Schaumgeborene.
Ein kleiner Mann aber steht an einer Malstaffelei und ist offensichtlich dabei, dieses Kunstwerk aus Fleisch und Blut zu einem Kunstwerk auf der Leinwand werden zu lassen.
Er wendet sich den Besuchern zu und grinst freundlich zwischen seinem Bartgestrüpp, wobei er starke Zähne zeigt.
»Ich bin Duke Donovan«, spricht er mit einer tiefen Stimme. »Mit wem habe ich das Vergnügen? Sie sind mit der ›Northern Star‹ gekommen. Aber mit der kam bisher stets Haggerty. Was hat sich verändert?«
»Alles, Mister Donovan – einfach alles hat sich verändert und wird sich noch weiter verändern«, erwidert Phil Hackett freundlich. »Ich habe gehört, dass dies hier das Hauptquartier der Bruderschaft ist und man sich hier einen gewissen Schutzbrief holen müsste, will man unbehelligt stromaufwärts kommen. Mein Name ist Phil Hackett. Ich habe die Northern-Star-Reederei übernommen. Ich bin noch sehr neu hier auf dem Strom. Gewiss muss ich noch eine Menge lernen, nicht wahr?«
»So ist es wohl, Mister Hackett«, spricht der kleine Mann mit seiner sonoren Stimme, die man bei einem Zwei-Zentner-Mann eher vermuten würde. »Wissen Sie, ich freue mich immer, wenn Menschen etwas zu lernen bereit sind. Der Schutzbrief bis nach Fort Benton hinauf und auch wieder herunter kostet viertausend Dollar. Haben Sie das Geld dabei? Sie bekommen dann den Topwimpel der Bruderschaft. Wenn Sie den am Flaggenmast wehen lassen, sieht jeder, dass Sie unter dem Schutz der Bruderschaft stehen.«
»Und wenn ich nicht zahlen will?« Wieder fragt es Phil Hackett mit einem freundlichen Klang in der Stimme.
Der kleine Kunstmaler hebt den Pinsel wie einen langen Zeigefinger und fordert so besondere Aufmerksamkeit.
»Die Bruderschaft«, spricht er dann, »die ich als Big Master vertrete, ist da sehr empfindlich. Sie würden eine Menge Schwierigkeiten bekommen. Zum Beispiel bekämen Sie nirgendwo Brennholz. Flusspiraten könnten Sie am Oberen Missouri überfallen. Und auch Ihr schönes Dampfboot könnte Schaden nehmen, einfach in die Luft fliegen. Sie wären auf fast zweitausend Flussmeilen stromauf und stromab ohne Schutz und ganz allein auf sich selbst angewiesen. Oh, es wäre schade um Sie und Ihre Leute, auch um das schöne Dampfboot. Zahlen Sie lieber, Mister Hackett.«
Er verstummt und bekam zuletzt einen sehr besorgten und fast traurigen Klang in seine Stimme, so etwa, als wenn ein guter Freund dem anderen voller Besorgnis einen Ratschlag erteilt.
Phil Hackett nickt.
»Ja, dann zahle ich lieber für den Wimpel der Bruderschaft«, lächelt er und öffnet seine Jacke.
Der Revolver springt ihm aus dem Schulterholster wie von selbst in die Hand.
Zuerst schießt er unter seinem erhobenen Arm hindurch nach hinten auf den Leibwächter, dem die abgesägte Schrotflinte auch nichts mehr nützt, da ihn die vierundvierziger Kugel auf das Brustbein trifft.
Dann schießt Phil Hackett den kleinen Kunstmaler und Big Master von den kurzen Beinen. Und die Schöne auf dem Podium verharrt immer noch bewegungslos, zeigt weiterhin ihre nackte Makellosigkeit und fragt schließlich mit einer süßen Kinderstimme: »Ist es nun vorbei? Kann ich mich bewegen? Ich habe nirgendwo eine Waffe an mir versteckt, wie Sie sehen können. Und ich wäre froh, endlich von hier wegkommen zu können. Ich war seine Gefangene. Er hat mich aus Saint Louis entführen lassen. Ich war nur sein Modell, denn ich glaube, er konnte keine Frauen lieben, selbst mich nicht, obwohl mein Körper doch einmalig ist. Kann ich mich ankleiden?«
Als sie verstummt, da staunt sogar Phil Hackett, obwohl er doch auf seinen Wegen schon viel erlebt hat.
»Wie heißt du denn?« So fragt er und scheint ganz vergessen zu haben, dass er soeben zwei Männer blitzschnell getötet hat.