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G.F. Unger ist der erfolgreichste deutschsprachige Western-Autor. Mit einer Rekordauflage von über 250 Millionen Exemplaren gehört er zur internationalen Spitzenklasse der Spannungsliteratur. Und das zu Recht!
Niemand vermag es wie er, die unermesslichen Weiten des amerikanischen Westens und die Stärke der unerschrockenen Männer, die sie erschlossen, zu beschreiben. Erleben Sie den amerikanischen "Wilden Westen", wie nur G.F. Unger ihn schildern kann: hart, authentisch, leidenschaftlich.
Dieser Sammelband enthält die Folgen 2569 bis 2571:
2569: Kerrigan
2570: Der böse Clan
2571: Dukes Gesetz
Der Inhalt dieses Sammelbands entspricht ca. 192 Taschenbuchseiten.
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Seitenzahl: 475
Veröffentlichungsjahr: 2024
BASTEI LÜBBE AG
Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben
Für die Originalausgaben:
Copyright © 2022 by
Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln
Vervielfältigungen dieses Werkes für das Text- und Data-Mining bleiben vorbehalten.
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Für diese Ausgabe:
Copyright © 2024 by
Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln
Covermotiv: © Faba/Norma
ISBN: 978-3-7517-6538-1
https://www.bastei.de
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https://www.luebbe.de
https://www.lesejury.de
Cover
Titel
Impressum
Inhalt
G. F. Unger Western-Bestseller 2569
Nur einer reitet noch
G. F. Unger Western-Bestseller 2570
Blutiges Gras
G. F. Unger Western-Bestseller 2571
Mort Cabes Gesetz
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Contents
Nur einer reitet noch
Vormann Jack Starlight beobachtet aus schmalen Augen die Männer auf der anderen Straßenseite. Die verteilen sich jetzt. Zwei Gruppen wandern ab, überqueren oberhalb und unterhalb des Hotels die Straße und erreichen den langen Gehsteig, der mit der Hotelveranda verbunden ist. Dann halten sie an.
Der Vormann der Sun Hill Ranch und sein alter, invalider Rancher sehen auf den Mann, der langsam durch den Staub der Fahrbahn stapft und vor der Veranda stehen bleibt.
Etwas Wildes und Furchtloses geht von dem Mann aus. Seine schwarzen Augen richten sich nicht auf den alten Rancher, sondern auf Jack Starlight.
»Es hat nicht geklappt, Jack«, sagt er spöttisch, und seine Stimme zittert dabei vor unterdrückter Wut.
»Nein«, erwidert Jack Starlight lächelnd, »es hat nicht geklappt. Dein Beschützer hat gezeigt, wie groß sein Schatten ist. Du hast mit einigen Leuten unser Vieh gestohlen. Wir haben euch gejagt, ich konnte dein Pferd zusammenschießen. Du warst bewusstlos, als wir dich fanden. Well, wir brachten dich vor Gericht, aber die Geschworenen waren feige und sprachen dich frei. Mein Rancher glaubte an Recht und Gesetz. Nun weiß er, dass es so etwas hier nicht gibt. Das ist gut! Wenn wir dich noch einmal beim Viehdiebstahl erwischen, hängen wir dich auf. Bleib von unserer Weide, Slim Tinkerton!«
Jack Starlight sagt es sanft und ruhig. Gerade deshalb, weil er dabei so ruhig und beherrscht bleibt, wirken seine Worte unerbittlich und mitleidlos.
Da steht ein berüchtigter Viehdieb, der der Freund eines Großranchers ist und der von einer ängstlichen Jury wegen angeblichen Beweismangels freigesprochen wurde.
Und auf der Veranda steht der Vormann einer mittelgroßen Ranch, ein Mann, der gewissermaßen die Verkörperung der Sun Hill Ranch bedeutet.
Ohne Jack Starlight könnte die Ranch nicht ihre Ansprüche aufrechterhalten. Denn Jack Starlight gilt etwas in diesem Land. Er ist eine ganze Mannschaft wert. Da der Rancher nicht mehr viel zählt, wird die Sun Hill Ranch mit ihrem Vormann fallen oder bestehen bleiben.
So ist das!
Slim Tinkerton hat mit schräg geneigtem Kopf Jacks Worten gelauscht.
Nun sieht er in Jack Starlights rauchgraue Augen und erkennt darin nichts als düstere Ruhe.
»Starlight«, murmelt er, »du bist ein harter Bursche. Es gibt eine Menge Männer in diesem Land, die sich nicht an dich herantrauen. Aber ich möchte es mit dir probieren – nicht nur deshalb, weil du mein Pferd erschossen hast, sondern aus vielen anderen Gründen. Wie wär's, Starlight? Ich will sehen, ob du wirklich besser bist als ich! Und, vergiss es nicht, du bist mir etwas schuldig!«
Er beugt sich lauernd vor. Vor wenigen Minuten ist er noch waffenlos gewesen. Nun trägt er zwei Colts im Kreuzgurt. Seine Leute, die bei seinem Freispruch das Beifallsgebrüll ausstießen, haben ihm die Waffen mitgebracht.
Ein großer, wilder, geschmeidiger, rücksichtsloser und herausfordernder Mann, der im Schatten eines noch größeren Mannes lebt und von diesem geduldet wird, obwohl er ein Viehdieb ist.
Jack Starlight lächelt seltsam. Er macht einen langsamen Schritt, erreicht das Geländer der Veranda und stützt seine Hände darauf. Es sind lange, schlanke und nervige Hände. Seine rauchgrauen Augen, tief unter ausgebleichten Augenbrauen sitzend, wirken im Sonnenlicht heller, als sie in Wirklichkeit sind.
Er sieht über Slim Tinkerton hinweg und zum Sheriff hinüber, der drüben am Pfosten der Officetür lehnt. Jetzt bewegt er sich und tritt bis zum Rand des Gehsteigs.
»He, Tinkerton! Nicht hier!«, ruft er herüber.
Der große Rustler wendet nicht einmal seinen Indianerkopf.
»Halt dich raus, Stone!«, ruft er. Dabei flackern seine tintenschwarzen Augen wütend.
Sheriff Lee Stone gibt keine Antwort mehr. Er geht bis zum Eingang seines Office zurück und bleibt einen Moment stehen, als zögere er. Dann verschwindet er im Haus und taucht zehn Sekunden später mit einer Schrotflinte wieder auf.
Jack Starlight sieht das alles. Neben sich hört er den alten Rancher schwer atmen. Und dann bellt Slim Tinkertons kehlige Stimme ihn an: »Worauf wartest du noch, Mann? Keine Sorge! Die anderen halten sich raus, wenn es zwischen uns bleibt. Los, ich will es ausprobieren, denn seit einiger Zeit ist einer von uns auf dieser Welt zu viel!«
Jack Starlight schüttelt den Kopf, sieht ruhig und kühl in die schwarzen Augen des Rustlers und sagt: »Ich schieße mich mit dir, wenn ich dich bei deinem nächsten Viehdiebstahl erwische, Rustler!«
Er wendet sich halb um und nickt dem alten Rancher zu. »Gehen wir auf Ihr Hotelzimmer.«
Der dunkelhäutige Viehdieb hat jetzt den Zustand erreicht, da sich ein heißblütiger und zu extremen Exzessen neigender Mann nicht länger beherrschen kann.
»Zieh, Starlight!«, faucht er und schnappt nach den Colts.
Da zeigt Jack Starlight, was er kann, warum er eine ganze Mannschaft wert ist und warum er für die Sun Hill so viel bedeutet.
Starlight ist ein Kämpfer mit unwahrscheinlichem Reaktionsvermögen. Er ist schneller als ein Blitz. Seine lässige Ruhe und düstere Gleichgültigkeit, die sonst von ihm ausgehen, sind nur ein Mantel, unter dem sich ein heißblütiger, vitaler und schneller Kämpfer verbirgt.
Aus den Augenwinkeln sah er Tinkertons schnelle Bewegung. Er dachte nicht darüber nach, sondern flankte mit einem Satz über die Verandabrüstung.
Seine Füße stoßen hart gegen die Schultern des aufbrüllenden Mannes, der gerade die Colts hochreißen will und nicht mehr kann, da er rückwärts taumelt und rückwärts in den Straßenstaub fällt.
Jack Starlight landet auf der Seite, schnellt sich hoch und ist eine halbe Sekunde früher als Tinkerton auf den Beinen. Er wirft sich in die Staubwolke hinein, die dieser aufwirbelt. Diese Staubwolke vergrößert sich, wird so dicht, dass man kaum etwas darin erkennen kann. Man hört klatschende Faustschläge, wildes Stöhnen und heisere Laute. Manchmal sieht man die beiden Männer undeutlich. Aber dann rollen sie wieder eng umschlungen durch den knöcheltiefen Staub, wirbeln ihn auf und machen sich unsichtbar.
Es fällt kein einziger Schuss, obwohl fast zwei Dutzend Männer zum Kampf bereit sind.
Von Sheriff Lee Stone ist nichts mehr zu sehen. Dafür zeigt sich der Doppellauf seiner Schrotflinte am Türpfosten. Vielleicht bewirkt dieser Doppellauf, der mit groben Sauposten geladen ist, dass sich die Männer zurückhalten.
Dann senkt sich die Staubwolke. Es ist still.
Ein leichter Wind kommt von der Prärie her in die Straße und fegt den sich lichtenden Staub weg. Ein paar Männer husten, einer niest kräftig.
Dann taucht Jack Starlight auf.
Sein Mund ist blutig, sein linker Backenknochen ist aufgeschlagen. Er ist schmutzig und voller Staub, der sich mit Schweiß vermischt hat. Sein Hemd ist vorn aufgerissen und im Rücken aufgeplatzt. Er keucht und atmet schwer. Aber er ist all right. Er nickt kurz und geht ins Hotel hinein.
Der Rancher folgt.
Alle Augen richten sich auf die Gestalt, die mitten auf der Fahrbahn im Staub liegt. Niemand bewegt sich. Tinkertons Mannschaft starrt auf ihren Boss. Sie wissen, dass er tollwütig werden würde, wenn ihm jemand Hilfe leisten wollte.
Er ist geschlagen, verprügelt worden!
Fortan wird die Hölle noch stärker in ihm brennen.
Slim Tinkerton stemmt sich langsam auf die Hände und Knie. In dieser Stellung verharrt er eine Weile und schüttelt dabei den Kopf. Als er seine Benommenheit abgeschüttelt hat, erhebt er sich, steht schwankend und ist erst nach einer ganzen Weile sicher auf den Beinen.
Seine Leute kommen herbei und bilden eine dichte Gruppe um ihn, schweigsam, abwartend.
»Jetzt werden wir es diesem Kuhdorf mal zeigen«, keucht Slim Tinkerton und wischt sich über das zerschlagene Gesicht. »Wir reißen ganz Best Chance ein! Und mit dem Hotel beginnen wir!«
Er greift nach den Colts. Aber die befinden sich nicht in den Holstern. Seine Hände schnappen also ins Leere. Jemand reicht ihm eine der verlorenen Waffen. Die andere liegt irgendwo im tiefen, feinen Staub der Fahrbahn, die sich zur Regenzeit in einen Morast verwandelt.
»Los! Jetzt will ich alles zur Hölle schicken, was gegen mich ist!«
Er drängt sich durch seine Leute. Diese schwärmen wieder aus.
»Slim Tinkerton, du bist ein Narr, wenn du nicht sofort Best Chance verlässt!«, ruft die Stimme des Sheriffs aus der offenen Tür des Office.
Tinkerton wirbelt plötzlich herum, als erinnerte er sich jetzt daran, dass der Sheriff nicht auf seiner Seite ist.
»Oha, du Wicht! Wir können ebenso gut auch mit dir beginnen!«
Er will sich in Bewegung setzen. Doch da kommen Reiter von der Prärie herein. Tinkerton murmelt einen Fluch. Er steckt seinen Colt weg. Seine Leute weichen auf die Gehsteige zurück.
Die Reiter kommen schnell näher. Als sie anhalten, treibt der leichte Wind die Staubwolke über sie hinweg und weiter die Straße entlang.
Ein Mann verhält vor Tinkertons großem Pferd und beugt sich leicht aus dem Sattel.
»Verschwinde, du Narr«, sagt der Mann kurz. »Pack dich – oder ich jage dich mitsamt deinem Rudel bis zur Nordgrenze hinauf! Wer, zum Teufel, erlaubt dir, hier den wilden Mann zu spielen? Ich sehe dich heute Abend! Verlass den Ort!«
Dann reitet der Mann zur Haltestange und gleitet aus dem Sattel. Er ist ein kräftiger, fleischiger und grobknochiger Mann. Er wirkt fast wie ein rotwangiger Farmer in Cowboytracht. Seine Kleidung ist alt, mitgenommen und abgenutzt.
Und dennoch ist Sloan Duane der reichste und mächtigste Mann im County. Er ist der Mann, in dessen Schatten Slim Tinkerton leben darf.
Der große Sloan Duane, der wie ein Farmer aussieht, aber dessen Schatten über den größten Teil des Landes fällt, ist nach Best Chance gekommen.
Die kleine Rinderstadt lebt zum größten Teil von Sloan Duane, von der großen Yellow Rock Ranch, die immer mehr Vorwerke errichtet, ihre Grenzen immer mehr vorschiebt und wie ein unersättlicher Moloch alles frisst, was ihr Wachstum fördert und ihre Macht vergrößert.
Neben Sloan Duane rutscht ein anderer Mann aus dem Sattel. Er ist ein langer, hagerer, sehniger, ausgetrockneter Mann mit sandfarbenem Haar, kleinen, harten, kalten Augen. Er trägt keinen Waffengurt um die Hüften, dafür jedoch unter der offenen knopflosen Lederweste ein doppeltes Schulterholster, aus dem die dunkelbraunen Griffe zweier kurzläufiger Colts ragen.
Das ist Duff Dance, ein Mann aus Texas, der schon lange Jahre die Mannschaft der Yellow Rock Ranch führt. Ein schweigsamer, lässiger Mann, der jedoch in der Lage ist, die wilde Mannschaft der Yellow Rock zu führen, sie zu bändigen und ihr den Willen des Ranchers aufzuzwingen.
Er winkt leicht mit der Hand, worauf die fünf anderen Reiter wieder anreiten und weiter unterhalb vor dem Saloon anhalten.
Indessen war Slim Tinkerton wie ein zurechtgewiesener Hund davongegangen. Seine Mannschaft folgte ihm. Sie hatten ihre Pferde vor dem Gerichtsgebäude stehen. Nun sitzen sie auf und verlassen in südlicher Richtung den Ort.
Die Spannung im Ort löst sich mit einem Male. Menschen kommen aus Häusern und Läden. Die Straße füllt sich.
Sloan Duane und Duff Dance treten ins Sheriff's Office. Duane geht zum bequemsten Sessel und wirft sich hinein. Sein Vormann Dance bleibt neben der Tür stehen. Er greift in die Tasche, holt ein Stück Kandiszucker heraus und schiebt es zwischen die dünnen Lippen. Wie eine Schlange stiert er auf den Sheriff, aber dieser achtet nicht darauf – vielleicht ist er daran gewöhnt, dass Duff Dance alle Menschen so anstarrt.
»Er hätte ganz Best Chance abgerissen«, knurrt der Sheriff. »Ich konnte ihn nicht auf eine andere Idee bringen. Er wollte sich mit Jack Starlight schießen, aber der hat ihn nur verprügelt. Ich frage mich, Duane, ob es für Sie gut ist, wenn Sie den wilden Narren noch länger im Land dulden.«
Er macht eine kurze Pause und zögert. Sein unregelmäßiges Gesicht zuckt nervös.
»Duane«, murmelt er dann, »heute sind vielen Leuten die Augen richtig aufgegangen. Die Jury und der Richter haben mit dem heutigen Tag ihr Gesicht verloren. Man fürchtet Sie, Duane. Aber Sie haben keine Freunde im County. Eines Tages wird die Hölle losbrechen. Alles wird wie ein böses Geschwür aufplatzen. Dann werden Sie den Bogen überspannen müssen. Dabei kann und will ich Sie nicht decken, Duane!«
Der Sheriff sagte es schwer und sorgenvoll.
Duff Dance meldet sich mit sanfter Stimme. »Lee, du bist ein lächerlicher Waschbär – und wenn du gegen die Yellow Rock bist, wirst du eines Tages zertreten. Die Yellow Rock zertritt alles! Niemand hat eine Chance gegen die Rock. Das solltest du niemals vergessen, Stone.«
Er verstummt, zermahlt mit kräftigen Zähnen deutlich hörbar den Kandis und schiebt ein neues Stück in den Mund.
Sloan Duane hat noch kein Wort gesprochen, er hatte nur immer auf die Sonnenkringel an der Wand gesehen und über irgendwelche Dinge nachgedacht.
»Ich musste dem County meine Macht zeigen«, murmelt er. »Einige Leute hätten Morgenluft gewittert, wenn Slim Tinkerton verurteilt worden wäre. Nun habe ich diesen Leuten wieder eine Menge Furcht eingejagt. Ich werde es immer wieder tun – bis es hier nur noch die Yellow Rock Ranch gibt.«
»Sie können sich nicht dauernd offen hinter einen berüchtigten Viehdieb stellen, Duane«, murmelt der Sheriff.
»Viehdieb? Oha, mir stiehlt er keine Rinder! Und wenn er anderen Leuten die Kühe stiehlt, so sollen diese Leute ihn zur Hölle schicken. Ich selbst habe keine Veranlassung, ihn zu jagen – meine Herden lässt er in Frieden. Das ist es! Und alles andere ist Gerede!«
Er erhebt sich und steckt sich ein Zigarillo zwischen die Lippen. Nach drei langen Zügen sagt er: »Sie haben eben etwas gesagt, Sheriff – und mein Vormann hat Ihnen geantwortet. Wenn Sie nicht auf meiner Seite sind, Stone, werde ich nicht einmal die nächste Sheriffwahl abwarten, um Sie davonzujagen.«
Er sagt es freundlich und sanft. Dann geht er. Sein Vormann folgt ihm.
✰✰✰
Sloan Duane und Duff Dance schlendern zum Hotel und treten ein.
»Al Fletcher?«, fragt Duane kurz.
»Zimmer neun«, murmelt der Mann hinter dem Pult.
Duane geht sofort zur Treppe. Dance bleibt einen Moment stehen. Interessiert starrt er auf den Mann, der Zigarren in eine Kiste sortiert.
»Coly«, knurrt Dance, »wenn du das nächste Mal deine Klappe nicht freundlicher aufmachst, wenn du mit meinem Boss redest, wird es bitter für dich.«
Dann geht er weiter und steigt die Treppe hinauf, ein Mann, der sorgfältig darüber wacht, dass sein Herr und Meister und die ganze Yellow Rock respektiert werden, der jede Unfreundlichkeit gegen die Yellow Rock als Feindschaft auffasst und unerbittlich bekämpft.
Duane hatte angeklopft und öffnet nun die Tür. Er lässt sie für den Vormann offen. Dieser schließt sie hinter sich, bleibt dann, wie es seine Angewohnheit ist, neben der Tür an der Wand stehen und schiebt ein neues Stück Kandis zwischen seine Zähne. Aber in seiner ganzen Haltung ist plötzlich das Lässige verschwunden. Etwas Gespanntes und Lauerndes ist in ihm, etwas, das im Sheriff's Office nicht zu erkennen war.
Er sieht auch sofort quer durch das Zimmer und heftet seine Augen auf Jack Starlight, der auf dem Fensterbrett sitzt.
Al Fletcher sitzt an einem kleinen Tisch. Es sieht so aus, als hätte der alte Rancher mit seinem Vormann eine ernste Unterredung gehabt. Er bietet Sloan Duane einen Stuhl an. Der setzt sich lächelnd und bietet dem Alten eine Zigarre an. Doch dieser schüttelt den Kopf und zieht eine eigene vor.
»Was wollen Sie, Duane?«, fragt der Alte.
»Mein Angebot noch einmal wiederholen – ich habe nun einmal die Idee gefasst, dass meine Ranch die größte von Nevada und Oregon werden soll. Ich will es so haben, Oldtimer!«
»Meine Ranch bekommen Sie nicht, Duane. Wenn Sie nur aus diesem Grund hergekommen sind, hätten Sie sich den Weg sparen können.«
Sloan Duane nickt. Seine roten Wangen werden dunkler. Er verzieht die vollen Lippen zu einem Lächeln und wendet seinen runden, dicken, rothaarigen Kopf. Seine gelblichen Augen glitzern. Eine heiße Flamme steht in ihnen.
»Starlight«, sagt er sanft, »können Sie dem alten Mann versprechen, dass er die Ranch behält? Ich weiß ganz genau, was Sie wert sind, und ich weiß auch, dass Sie ein paar prächtige Freunde haben. Aber sind Sie wirklich fest davon überzeugt, dass die Sun Hill ihre Ansprüche behaupten kann, wenn ich gegen sie vorgehe? Glauben Sie, Starlight, dass Sie gut genug sind, um mir die Zähne zeigen zu können? Sie sehen nicht wie ein Narr aus, Starlight. Deshalb wäre es Zeit, dass Sie dem Oldtimer reinen Wein einschenken. Ich biete immerhin einen guten Preis für die Sun Hill. Denn ich weiß, dass ich diesen Bissen nicht so leicht schnappen kann. Genauer gesagt, Starlight: Ich biete diesen Preis, weil ich genau weiß, was Sie können. Sie sehen, ich spreche ganz offen!«
Eine kleine Weile ist es still. Dann hebt Jack Starlight die Hand.
»Sie fühlen sich schon so groß und stark, dass Sie keine Hemmungen mehr haben. Sie sind ehrgeizig – aber dieser Ehrgeiz artet jetzt in eine Krankheit aus. Vielleicht sind auch noch ein paar andere Dinge im Spiel. Vielleicht wollen Sie dem Land nur beweisen, dass Sie sich an eine Sache heranwagen, die von mir geleitet wird. Sie wissen ganz genau, dass ich all die Leute hinter mir haben werde, die die Yellow Rock hassen gelernt haben. Well, ich bin nur der Vormann der Sun Hill. Mr Fletcher ist der Rancher. Wenn er verkauft, so verlasse ich das Land – aber wenn er Ihnen die Zähne zeigen will, so wird es schlimm für Sie, Duane!«
»Oho!«, meldet sich Duff Dance von der Tür.
Starlight wirft ihm einen harten Blick zu. »Ich bin sicher, Dance«, murmelt er sanft, »dass du, Tinkerton und auch Duane bald euren Spaß haben werdet.«
Er wendet sich an Al Fletcher.
»Well, Boss – es liegt an Ihnen!«
Der Alte zögert und überlegt. Noch vor wenigen Jahren hätte er nicht zu überlegen brauchen. Aber jetzt ist er alt. Früher hätte er einen erwischten Viehdieb auch nicht vor ein Gericht gebracht. Die Ansichten eines Mannes ändern sich oft mit der Anzahl seiner Jahre.
Al Fletcher steht vor einer schweren Entscheidung. Er weiß, dass seine Ranch der letzte große Brocken ist. Und er weiß, dass viele Männer im County darauf warten, dass Duane mit der Sun Hill beginnt. Von Fletchers Entscheidung hängt vieles ab.
Männer werden ihr Blut vergießen müssen.
Aber wenn er verkauft, werden auch die letzten Siedler und die kleinen Leute, denen die Sun Hill gewissermaßen Schutz bietet, vertrieben.
Er sieht in die Augen seines Vormanns. Er erkennt die Stärke in ihm, die gewaltige Kraft und den eisernen Willen.
Und er denkt: Nur durch ihn kann Duane aufgehalten und bezwungen werden. Nur Jack Starlight wäre ihm gewachsen. Alles wartet darauf, dass Starlight und Duane aneinandergeraten. Slim Tinkerton war der Anfang. Jemand muss dem Weidepiraten die Zähne zeigen. Es geht nicht an, dass ein rücksichtsloser Mann ungestraft Land rauben darf. Die Sun Hill ist dazu ausersehen, dem Räuber Einhalt zu gebieten und die Rechte der anderen zu erhalten.
Als er dieses gedacht hat, zögert er immer noch. Er sieht noch tiefer in die Augen seines Vormanns und erkennt plötzlich dessen heißen Wunsch. Er weiß nun, dass Jack Starlight die ganzen Monate darauf gewartet hat, Sloan Duane entgegenzutreten.
»Jack«, murmelt er. Aber bevor er noch ein weiteres Wort formen kann, wird die Tür zum Nebenzimmer aufgerissen.
Nan Fletcher, die Tochter des Ranchers, tritt ein, schnell, energisch und erregt.
»Ich habe gelauscht, denn ich bin die Erbin der Sun Hill! Was gibt es noch zu überlegen, Dad? Warum zögerst du? Da am Tisch sitzt ein Raubwolf, der ein wildes Rudel anführt und ein anderes beschützt. Das ganze Land wartet darauf, dass die Sun Hill kämpfen wird! Wir sind nicht wert, eine Ranch zu besitzen, wenn wir nicht um sie kämpfen – für sie – und für alle anderen, die schwach sind und ohne unsere Hilfe von diesem Moloch aufgefressen werden. Ich bin nur ein Mädchen! Ich hasse jede Gewalttat, jeden Streit und jeden Kampf. Ich werde um jeden Mann weinen, der sein Blut vergießen muss. Aber es darf nicht sein, dass wir der Sun Hill und allen kleinen Leuten untreu werden!«
Stolz, erregt, so steht sie vor der Tür und hebt jetzt den Arm, der gebräunt ist und dessen feiner Haarflaum wie Gold glänzt. Sie zeigt auf Sloan Duane, der sie nachdenklich und zugleich gierig betrachtet.
»Sagt ihm, er soll die Grenze respektieren! Sagt ihm, er soll endlich aufhören! Er soll auch keine Rinder mehr von Slim Tinkerton kaufen! Und seine Reiter sollen nicht mehr auf Menschen schießen!«
Sie verstummt.
In den alten Rancher kehrt der alte Geist zurück. Al Fletcher kam vor vierzig Jahren aus Texas in dieses Land. Er war der erste Siedler in diesem Land und war lange Zeit der größte Rancher.
Al Fletcher sieht seine Tochter an, dann nickt er langsam und wendet sich wieder an Jack Starlight.
»Jack, du bist jetzt der Boss«, sagt er heiser, aber fest. »Ich ziehe mich auf mein Altenteil zurück. Du führst die Ranch, bis Nan eines Tages heiratet und ein neuer Rancher ...«
Er bricht ab, denn er hat jetzt eine Sache berührt, die ihm einigen Kummer macht. Er wendet sich an Sloan Duane.
»Jetzt wissen Sie es! Starlight führt die Ranch! Und nun liegt es an Ihnen, Duane, ob es zu einer Hölle wird. Ich bin kein Hellseher, wenn ich voraussage, dass Slim Tinkerton keine sehr große Hilfe mehr für Sie sein wird. Und jetzt verlassen Sie bitte mein Zimmer!«
Er erhebt sich.
Nan tritt schnell neben den Vater und schiebt ihre Hand unter den Oberarmstummel.
Auch Jack Starlight bewegt sich. »Dance«, sagt er lässig, »mach die Tür auf.«
Der Vormann der Yellow Rock bewegt sich nicht. Er starrt auf Starlight und grinst dann böse.
»So wollte ich es haben, Starlight! Ganz genau so! Bis jetzt lag ich an der Kette. Ich wollte dir schon immer die heilige Mannesfurcht beibringen, denn ich konnte dich nie leiden. Du warst mir immer zu großspurig. Na, ich hoffe, dass du mit Tinkerton fertig wirst – denn ich will es mit dir spielen, das alte, gute Spiel!«
Er bricht ab und studiert jetzt den Gesichtsausdruck in Sloan Duanes Gesicht.
Der stößt den Rauch seiner Zigarre aus. Die grauen Schwaden umziehen seinen runden Kopf. Er bewegt die Hand und verscheucht den Rauch. Dann lacht er leise, als fiele ihm plötzlich ein prächtiger Witz ein.
»Es ist mein Zimmer, Fletcher, es ist mein Zimmer und mein Hotel, in dem Sie wohnen. Yeah, ich weiß, dass jeder denkt, Mr Cumming wäre der Besitzer. Er ist nur mein Geschäftsführer! Mir gehört noch mehr in Best Chance! Vielleicht zeige ich bald, was mir hier alles gehört. Na ja, gute Ruhe in meinem Haus, Al Fletcher!«
Er lacht wieder spöttisch und geht langsam auf die Tür zu. Dance öffnet sie wirklich. Doch Duane wendet sich noch einmal um.
»Sie haben eine mutige Tochter, Al«, sagt er lässig.
Dann tritt er auf den Korridor. Dance folgt ihm und zieht hinter sich sanft die Tür zu.
Draußen stehen Pat Rockman und Steve Merritt, zwei Cowboys der Sun Hill.
Sloan Duane geht lächelnd an ihnen vorbei und beachtet sie nicht. Doch Duff Dance bleibt stehen und sieht sich die beiden Männer genau an, studiert sie Zoll für Zoll.
Der kleine Steve grinst ihn scharf an.
Der riesige Pat steckt seinen kleinen Finger ins Ohr und schüttelt es.
»Nimm dir nicht so viel vor die Brust, Dance – so breit ist die gar nicht«, brummt er.
Dance geht weiter. Sporenklirrend steigt er die Treppe hinunter.
Die Zimmertür wird aufgerissen. Al Fletcher ruft: »Macht den Wagen fertig! Wir fahren jetzt noch! Dieses Hotel gehört Sloan Duane!«
»Ho«, murmelt Pat Rockman, »das ist allerdings ein triftiger Grund, die ganze Nacht zu fahren. Aber ich würde trotzdem nicht fahren und im Ort eine andere Unterkunftsmöglichkeit suchen.«
»Nein, wir würden überall auf Duane stoßen«, knurrt der Alte eigensinnig und knallt die Tür zu.
Die beiden Cowboys sehen sich an.
»Das passt mir nicht«, murmelt Pat verdrossen. Denn er denkt an Slim Tinkerton und dessen Rudel, das irgendwo draußen auf dem Weideland ist. Steve Merritt murmelt ein undeutliches Wort, das wie ein böser Fluch klingt. Dann gehen sie davon. Als sie die Treppe hinuntersteigen, schaben Steves Lederchaps an der Mauer entlang.
Sie sind kaum verschwunden, da öffnet sich auf der anderen Seite des Korridors eine Tür. Ein blondes Mädchen wird sichtbar. Sie ist groß, schlank, biegsam, stolz und schön. Das erkennt man auf den ersten Blick. Ihre grünlichen Augen funkeln seltsam. Sie starrt bewegungslos auf die Tür gegenüber. Sie braucht nicht sehr lange zu warten, da wird die Tür geöffnet, und Jack Starlight kommt heraus.
Er sieht Ester Brown sofort. Sein hartes Gesicht verliert etwas von dem undurchdringlichen Ausdruck. Er geht auf sie zu. Sie tritt in das Zimmer zurück, wartet, bis er die Tür hinter sich geschlossen hat, und wirft sich dann an seine Brust.
»Oh, Jack! Ich habe es die ganze Zeit kommen sehen! Nun ist es da! Was wird aus uns? Ich will nicht länger warten! Ich hasse die Sun Hill und alle Leute, die darauf leben. Ich habe immer befürchtet, dass die Sun Hill stärker ist als ich. Und nun frage ich dich: Was soll werden?«
Er sieht sie eine Weile stumm an. Er hat seine Hände um ihre schlanke Taille gelegt. Sie legt ihre Hände vor seine Brust, beugt den Kopf zurück und sieht aufmerksam in sein Gesicht.
Noch nie erschien ihr Jack so hart und düster. Aber sie erkennt auch im Hintergrund seiner rauchgrauen Augen das stählerne Funkeln.
Er gibt ihr keine Antwort – aber sie braucht nicht erst Worte zu hören, um zu wissen, wofür Jack sich entschieden hat.
Da löst sie sich von ihm und weicht bis zur Fensterbank zurück.
»Wen willst du heiraten?«, fragt sie ruhig und fest.
»Dich«, sagt er ruhig.
»Dann musst du dich jetzt auf der Stelle entscheiden. Ich oder die Sun Hill! Ich habe dein Wort! Ich will nicht, dass man dich tötet. Seit zwei Jahren versprichst du mir, nicht mehr für Al Fletcher zu arbeiten und unsere kleine Ranch zu übernehmen. Mein Vater ist genauso alt und hilflos wie Al Fletcher. Du sollst einmal der Schwiegersohn meines Vaters werden. Wir brauchen dich, ich, die Ranch und mein Vater. Aber du liebst die Sun Hill mehr als alles andere auf der Welt, mehr als mich! Mach endlich ein Ende, mach dich frei und ...«
»Es ist zu spät, Ester! Ich war schon Vormann der Sun Hill, bevor wir uns einig wurden. Ich bin immer noch die Sun Hill, mehr als früher. Ich muss ihr die Treue halten. Du musst warten, Ester, bis alles vorbei ist. Die Sun Hill wird nicht nur für sich selbst kämpfen, sie vertritt auch die Leute, zu denen dein Vater gehört. Du musst warten! Du hast mein Wort! Ein paar Monate oder ein ganzes Jahr spielen keine Rolle.«
Er sagt es sanft, aber entschlossen.
Ruhig steht er im Zimmer, groß, ernst und stolz. Ein Vormann, der seiner Ranch die Treue hält, für den es in dieser Beziehung keine Zweifel gibt.
Sie richtet sich auf. Ihre Augen glitzern. Ihr schönes Gesicht rötet sich, bis es tiefrot wird. Sie atmet rasch. Sie ist schön, aber sie ist nicht geduldig. Sie ist bestimmt nicht großmütig und einsichtig. Und auf die Sun Hill ist sie eifersüchtig. Sie kann es nicht verstehen, dass einem Mann die Pflicht und die Treue über alles gehen.
»Nein«, sagt sie scharf und fordernd zugleich. »Ich warte keinen Tag mehr. Ich oder die Sun Hill! Entscheide dich! Denn wenn du dich für die Sun Hill entscheidest, bist du bald ein toter Mann. Ich will nicht Witwe werden, bevor ich Ehefrau wurde. Ich will leben. Ich liebe dich, Jack, aber ich will auch an erster Stelle in deinem Herzen stehen. Entscheide dich!«
Er hebt die Hand.
»Du hast dir deine Worte nicht überlegt. Es muss erst ausgekämpft werden und ...«
»Sag mir ein klares Wort! Und, damit du es gleich weißt: Wenn dir die Sun Hill vorgeht, so rechne nicht mit der Little Fork Ranch! Die bleibt neutral!«
»Das könnt ihr nicht! Ab heute gibt es nur noch zwei Parteien im Lande. Ich bleibe der Vormann der Sun Hill, bis es entschieden ist. Wenn ich es überlebe, will ich es dir mein ganzes Leben danken, dass du gewartet und zu mir gehalten hast.«
Er bewegt sich plötzlich auf sie zu, greift nach ihr und zieht sie an seine Brust.
»Denk nicht nur an dein Glück, Ester!«
»Doch! Die Sun Hill Ranch hat gewonnen! Ihr Platz ist der größte in deinem Herzen. Vielleicht ist es auch Nan Fletcher, die dich so bei der Stange hält! Sie ist ein schönes Mädchen geworden. Keiner hätte das bei diesem dünnbeinigen Küken erwartet. Du gehörst also der Sun Hill! All right! Ich gebe dir dein Wort zurück. Viel Glück, Jack. Und mach dir keine Sorgen. Ich weiß schon, wie ich unsere Ranch aus diesem Spiel heraushalten kann. Vielleicht wird die kleine Fork Ranch die Sun Hill und sogar die Yellow Rock überleben. Jetzt lass mich bitte allein! Reite, Jack Starlight! Wir sind fertig! Ich schließe eine Kammer in meinem Herzen und brauche mich auch um dich nicht mehr zu sorgen. Denn wir beide gehören nicht mehr zusammen! Du hast dich entschieden!«
Sie wendet sich ab, dreht ihm den Rücken zu und sieht zum Fenster hinaus. Und plötzlich erinnert sich Jack Starlight an die alten Dinge.
»Vor zwei Jahren hat Sloan Duane um dich geworben«, murmelt er etwas heiser. »Du hast dich etwas später für mich entschieden, und er begann mich zu hassen. Inzwischen ist er groß geworden. Vielleicht passt du wirklich besser zu ihm. Vielleicht ist deine Idee nicht schlecht, Ester. Ich mache dir keine Vorwürfe, aber ich erkenne, dass wir beide nie zusammengepasst hätten.«
Sie wendet sich schnell um.
»Du meinst, ich bin egoistisch? Nun, ich wäre dir durch alle Höllen gefolgt! Ich wäre für dich betteln gegangen! Aber ich will dich ganz haben! Ich teile dich nicht mit einer fremden Ranch, auf der ein anderes Mädchen lebt, das ich nicht ausstehen kann. Ja, mein Glück, meine Zukunft und mein ganzes Leben gehen mir über alles! Stimmt! Du bist ein Narr, Jack! Du wirst zertreten werden!«
Er antwortet nicht mehr, sondern hebt leicht die Hand und lässt sie dann schlaff fallen. Dann geht er.
Als er auf die Straße kommt, fährt der Wagen gerade an. Nan führt die Zügel. Sie wirft ihm über die Schulter einen forschenden Blick zu, der voller Sorge und Unsicherheit ist.
Er nickt ihr zu, sagt dabei: »Fahr voraus! All right, Nan!«
»Sicher«, sagt sie ruhig. Ihre Augen strahlen plötzlich, die Sorge ist wie weggewischt. Sie knallt mit der Peitsche, der Wagen rollt an.
Pat Rockman und Steve Merritt reiten hinterdrein. Sie sehen forschend zu Jack hinüber. Aber der winkt nur lässig.
Er raucht eine Zigarette und geht in den Stall, sattelt seinen Rappwallach und reitet ebenfalls aus der Stadt.
Die Nacht ist ruhig und still. Als Jack über eine Bodenwelle reitet und auf ihrem Rücken kurz das Pferd verhält, hört er die Geräusche des Wagens. Ganz schwach vernimmt er das Knallen der Peitsche. Er erkennt, dass der Wagen die Bodensenke bereits durchfahren hat und sich den nächsten Hang hocharbeitet.
Dann zuckt er zusammen.
Das ist kein Peitschenknall mehr! Gewehrfeuer ist es! Hell und scharf bellen die Schüsse in die Nacht.
»Tinkerton, du Hundefloh!«, presst Jack Starlight hervor. Dann springt sein Rappe aus dem Stand in einen wilden Galopp.
Er ist keine zwei Minuten geritten, als er weit vor sich gelbrote Feuerblitze erkennt.
Dann sieht er vor sich den viereckigen Schatten und muss sein Pferd scharf und hart zur Seite reißen. Er wirft es herum, gleitet aus dem Sattel und hält den Colt in der Faust.
»Nan! Nan!«
Er ruft es wild, voll Sorge und Unruhe.
Eines der Wagenpferde wälzt sich am Boden. Das andere tänzelt voller Angst und zerrt den Wagen hin und her. In der Ferne verklingen Hufschläge. Colt- und Gewehrschüsse bellen irgendwo.
»Jack! Jack! Oh, Jack!«, ruft Nans Stimme.
»Mädel!«
Er gleitet an die Pferde heran, greift nach dem tanzenden Tier und zwingt es mit hartem Ruck zur Ruhe. Aber das andere wirft den Kopf unruhig umher und trifft mit dem Maul Jacks Knie. Er schießt auf das arme Tier. Im Aufblitzen seines Colts erkennt er, dass er richtig getroffen hat und dass die Kugel der Not des Tieres ein Ende bereitet hat. Aber das andere tanzt immer noch. Wieder zerrt er es mit einem harten Ruck herunter, steckt den Colt weg und zieht sein Messer. Die Klinge blitzt matt im Sternenlicht, als er das Geschirr des toten Tieres löst und das Zugseil ausklinkt.
»Jack! Oh, Jack!«, ruft Nan wieder aus dem Wagen.
»Sofort«, knirscht er, zerrt Pferd und Wagen ein paar Yards weiter und läuft nach hinten. Er reißt ein Zündholz an und beugt sich in den Wagen hinein.
Nan kauert neben ihrem Vater. Bevor das Zündholz verlischt, sieht Jack noch den dunklen Fleck auf der Brust des alten Ranchers.
Er weiß, dass Al Fletcher tot ist. Er spürt den zitternden Körper des Mädchens an seiner Seite und legt den Arm um Nans Schultern. So hocken sie im Wagen. Nan weint an seiner Brust. Er streicht ihr immer wieder über den Kopf und sagt kein Wort, schluckt nur hart und lauscht, indes er seine Gefühle niederkämpft und bemüht ist, einen klaren Kopf zu behalten.
Sanft zwingt er Nan in den hinteren Wagensitz, holt die Decke vom Kutschbock, hüllt den alten Mann darin ein und legt ihn auf den Vordersitz hinter dem Bock. Dann klettert er wieder in den Wagen und setzt sich neben das Mädchen. Sie legt ihre Wange an seine Schulter. Er schließt seine Arme um sie, hält sie fest und wartet.
»Hart sein, Nan«, murmelt er einmal sanft und doch fordernd. »Es ist erst der Anfang. Es wird noch schlimmer. Und es ist gut, wenn du es jetzt richtig erkennst. Das wird dir die Härte geben, die du für die nächste Zeit brauchst. Es hat begonnen.«
Das Mädchen hört plötzlich auf zu weinen und löst sich von Jack.
»Ja«, sagt sie tonlos, »Ja! Jetzt wird das ganze Land aufwachen! Dad sagte es, bevor er starb. Er sagte mir, dass es so gut wäre.«
Sie verstummt. Im Sternenlicht erkennt Jack ihren fragenden Blick.
»Nan«, sagt er leise, »es ist alles klar. Es steht nichts mehr zwischen mir und der Sun Hill.«
»Oh, du hast mit ihr ...«
»Es war nicht schwer, Nan. Es war ein Irrtum. Manchmal reitet ein Mann einen Weg und hofft, am Ende sein Glück zu finden. Aber dann stößt er auf eine Sackgasse – er kehrt um und bedauert es nicht einmal, dass er Zeit verloren hat. Aber dein Vater hätte es noch erfahren sollen. Ich glaube, das wäre gut für ihn gewesen und ...«
»Er hat es gewusst – schon lange, bevor du selbst darauf gekommen bist. Er wusste, dass eines Tages nichts mehr zwischen uns sein würde. Denn du bist die Sun Hill geworden. Du bist nun der Rancher, Jack, und ...«
Sie verstummt, als fürchte sie, zu viel zu sagen. Aber Jack erkennt plötzlich, was in ihr ist. Er weiß mit einem Male, dass sie ihn schon seit einiger Zeit nicht mehr als den großen Bruder betrachtet. Ihm fallen viele kleine Begebenheiten ein, Dinge, die anders waren als vor zwei Jahren.
»Oh, Nan«, murmelt er und nimmt ihre Hände.
Hufschlag klingt auf. Ein Reiter nähert sich im Schritt. Und dann klingt Pat Rockmans Stimme durch die Nacht.
»Nan! Mädel! Bist du all right?«
»Ich bin hier!«, ruft Jack zurück.
Pat Rockman reitet heran. Seine unförmige Gestalt bekommt feste Umrisse. Er hat jemanden vor sich auf den Oberschenkeln sitzen.
Leises Stöhnen wird hörbar.
Jack Starlight atmet scharf ein, dann springt er aus dem Wagen.
»Steve?«, fragt er scharf.
»Yeah«, knurrt der Riese, »sie haben ihn erwischt. Er ist nur halb so groß wie ein richtiger Mann. Man sollte eigentlich annehmen, es wäre schwer, ihn zu treffen. Er hat sich auch eine Menge Mühe gegeben, einer Kugel in den Weg zu reiten. Wenn er kein Loch in der Schulter hätte, würde ich ihn verprügeln. Er ist den Kerlen nachgesaust, als hätte er eine ganze Armee hinter sich. Und ich bin doch nun einmal keine Armee. Man müsste den Kleinen ständig wie einen Terrier an der Leine halten, sonst stürzt er sich eines Tages vor wilder Wut in sein Unglück.«
Indessen Pat diese Rede hält, trägt Jack den verwundeten Steve Merritt in den Wagen.
»Wir können die Laterne anzünden«, knurrt Pat und tut es. Bald brennt eine Stalllaterne, die sich sonst im Kasten unter dem Bock befindet.
Steve Merritt ist bei vollem Bewusstsein. Er presst eine Hand auf die Wunde. Seine Augen werden groß.
»Einen habe ich erwischt«, keucht er.
»All right«, murmelt Jack, nimmt Steves, sein und Pats Halstuch und legt einen Notverband an, der die Blutung stillt.
»Sie haben neben dem Weg gewartet und aus mindestens sechs Gewehren auf den Wagen geschossen. Ein Wunder, dass sie Nan nicht getroffen haben«, berichtet Pat. »Steve ist sofort auf sie los geritten. Aber sie hatten sich schon abgesetzt und jagten auf die Hügel zu. Steve muss sofort was in die Schulter bekommen haben. Aber er ritt weiter und schoss aus allen Knopflöchern. Ich beeilte mich natürlich, hielt mich an seiner Seite und schoss mit. Kurz vor den Hügeln kamen wir in einen Kugelregen. Sein Pferd wurde getroffen. Ich machte, dass ich mit ihm wegkam. Aber ich hörte, wie die Hufschläge der Bande in den Hügeln verstummten. Ich frage mich dauernd, warum sie eigentlich vor uns geflüchtet sind. Wenn sie gewollt hätten ...«
»Sie hatten Sorge, dass unsere Mannschaft von den Herden herüberkommt«, unterbricht Jack. »Deshalb haben sie sich nach dem Überfall auf keinen Kampf mehr eingelassen.«
Er hat kaum gesprochen, da reiten ein halbes Dutzend Reiter herbei.
»Hallo!«, ruft eine scharfe Stimme.
»Kommt her! Sie haben den Rancher getötet!«, bellt Pat Rockman grimmig.
Die Herdenmannschaft der Sun Hill Ranch kommt herbei. Sie umgeben bald den Wagen und bilden zu Pferd eine schweigsame Gruppe.
»Der Krieg ist da«, sagt Jack Starlight kurz. »Und wenn es unter euch einen Boy gibt, dem die Luft nun auf dieser Weide zu bleihaltig erscheint, der reitet lieber noch vor Sonnenaufgang aus dem County.«
Er sagt es langsam, bedächtig und trocken.
Die Reiter bewegen sich nicht, aber Montana Charly murmelt gut verständlich: »Klare Worte – aber ich habe nichts gehört. Es muss wohl an meinen dicken Socken liegen, die ich diese Woche trage.«
»All right«, sagt Jack. »Reitet zu den Herden zurück. Benachrichtigt unsere Grenzhütten. Keine Herdenarbeit mehr. Bringt den Brennwagen zur Ranch. Die Brennmannschaft reitet am Morgen ständig Patrouillen und hält Verbindung mit den Grenzwächtern. Durchstreift die Seitencanyons, beobachtet die Schluchten und Pässe. Kämpft nur, wenn ihr stark genug seid. Jagt jeden, der nicht für die Sun Hill reitet, von unserer Weide.«
Montana Charly, der Boss der Brennmannschaft, hebt nur stumm den langen Arm. Dann zieht er seinen struppigen Mustang herum und reitet davon.
Die anderen folgen.
Jack und Pat binden ihre Pferde an den Wagen. Jack ordnet das zerschnittene Geschirr und flickt es notdürftig. Dann setzt er sich auf den Bock. Nan nimmt neben ihm Platz. Pat bleibt hinten beim toten Rancher und dem verwundeten Steve.
Dann schnalzt Jack. Das Pferd zieht an. Langsam fährt er durch die Hügel. Sie durchfurten einen Creek und kommen in einiger Entfernung an der Herde vorbei. Drüben wird gerade das Feuer des Herdencamps ausgemacht. Die Mannschaft stellt sich also bereits auf den Krieg ein.
Sie fahren nun über das Weideland der Sun Hill, das am Creek beginnt. Es ist ein welliges Grasland. Es führt in die mächtige Mündung eines großen Canyons hinein, der sich später gabelt und einen bewaldeten Berg umschließt.
Das ist der Sun Hill, dessen Namen die Ranch der Fletchers trägt. Die beiden Arme des Canyons weiten sich zu zwei Tälern.
Der Canyon und seine mächtigen Arme gleichen einem riesigen Y. Dieses Y ist die Sun-Hill-Weide. In Bergfalten, Nebencanyons und Schluchten aber leben Farmer, Siedler und ein paar Familien, von denen man nicht recht weiß, wie sie ihren Lebensunterhalt bestreiten. Auch zwei oder drei Wildpferdejäger, die ihre Herden auf den oberen Mesas fangen, haben in den vielen Bergfalten ihre Corrals und Blockhütten.
Als es im Osten heller wird, arbeitet sich der Wagen zu einer breiten Terrasse hinauf.
Ein großes Ranchhaus steht auf dieser Terrasse, umgeben von Magazinen, Schuppen, Ställen, Werkstätten, dem Küchenhaus und dem langen Bunkhouse. Corrals, in denen sich Pferde, Zuchtbullen und Hausvieh bewegen, schließen sich an. Vom Berg kommt ein Wasserfall herunter, der in einer Mulde aufgefangen wird. Ein Windrad pumpt ständig frisches Wasser in Tröge, Behälter und Leitungen, die alle aus Holz gefertigt sind.
Das ist die Sun Hill Ranch oder, wie man hier im County kurz sagt: »Die Sun Hill.«
Der Wagen hält vor der großen Veranda.
»Du bist daheim, Nan – und von jetzt ab darfst du dich nicht mehr außer Sichtweite der Ranch entfernen«, sagt Jack ruhig.
Er springt zu Boden und hebt Nan herunter. Sie lehnt sich einen Moment an seine breite Brust.
»In zehn Minuten habe ich in seinem Schlafzimmer alles vorbereitet. Morgen wollen wir ihn neben Mutter unter der Zeder ...«
Sie bricht ab, denn nun kommen doch wieder heiße Tränen.
»Sicher«, murmelt Jack, »sicher!«
Sie tritt plötzlich einen Schritt zurück.
»Jack, wenn Sloan Duane diese Ranch bekommt, ruhen meine Eltern in einem Boden, der ihnen nicht gehört, den Sloan Duane mit ...«
»Das wird nie sein, Nan!«
✰✰✰
Sie haben Al Fletcher beerdigt, in aller Stille und neben seiner Frau, die eine Freundin von Jack Starlights Mutter war, die schon sehr lange tot ist.
Jack und Pat machen sich zum Ausritt fertig. Als sie gerade aufsitzen wollen, kommt ein Mädchen in den Hof geritten.
Es ist Ester Brown.
Sie ist wie ein junger Cowboy gekleidet. Die Tracht steht ihr gut.
Jack Starlight steht verwundert auf dem Fleck. Er starrt auf Ester. Man sieht ihm an, dass er nach einer Erklärung für ihr Auftauchen sucht.
Sie springt ohne jede Hilfe von ihrer herrlichen Fuchsstute und schiebt den Stetson zurück, sodass ihr Haar wundervoll in der Sonne leuchtet. Ihre Augen sind groß und ihr Gesicht ist ernst. Einen Moment steht sie still neben dem Pferd. Nur ihre Reitpeitsche klatscht nervös gegen die Stiefel. Sie wendet ihren Blick von Jack Starlight ab und schaut zur Veranda des Ranchhauses hinüber. Dort steht Nan Fletcher.
Über die Distanz hinweg sehen sich die beiden so verschiedenen Mädchen lange an. Dann hebt Ester leicht ihre Hand.
»Ich habe einen triftigen Grund, Nan!«, ruft sie halblaut.
Jack Starlight tritt neben sie und fasst sie leicht am Arm.
»Ist das nötig, Ester?«
»Yeah – sehr! Ich komme zum Boss der Sun Hill!«
Sie sagt es stolz und hart.
»Nun gut – bitte«, murmelt Jack und führt sie zu Nan auf die Veranda.
Pat Rockman bleibt einige Sekunden bei den Pferden stehen und zerknüllt seinen Hut in den großen Händen. Dann stülpt er ihn mit einer wütenden Bewegung auf den Kopf und geht zu Steve ins Bunkhouse.
Indessen stehen sich die beiden Mädchen schweigend gegenüber.
»Nan, ich hörte, dass man deinen Vater getötet hat.«
»Bist du deshalb hierhergekommen, oder willst du Jack noch einmal ...«
»Zwischen Jack und mir ist alles klar, es wurde vorgestern in Best Chance geklärt. Er liebt die Sun Hill mehr als mich. Eines Tages wird er auch tot sein – wie dein Vater. Das ist jedoch nicht mehr meine Sache. Ja, ich bin hart und denke nur an mich! Du brauchst nichts zu sagen, was du über mich denkst, Nan. Ich will nun eben einmal keine junge Witwe werden.«
Sie geht plötzlich an Nan vorbei und durch die offene Verandatür ins Haus hinein. Nan und Jack folgen ihr. Ester erwartet sie inmitten des großen Verandazimmers. Ihre Augen funkeln.
»Ich weiß, was ich bin – aber ich bin ehrlich. Vielleicht kann ich einen Mann nicht richtig lieben, weil ich nur an mich denke. Aber ich würde zu einem Mann halten, der mir eine sichere Zukunft gewährleistet. Meine Macht über Jack war nicht groß genug. Ich wollte nun auf Sloan Duane setzen. Er war mal verrückt nach mir. Ich dachte, dass er froh sein würde, wenn ich ihm meinen kleinen Finger gebe.«
»Warum erzählst du das alles?«, unterbricht Jack sie mürrisch und abweisend.
»Gleich«, winkt sie ab und fährt fort: »Ich wollte also auf Sloan Duane setzen, denn ihm wird in wenigen Jahren das ganze Land gehören. Ich stellte es mir sehr leicht vor. Aber ich hatte mich in ihm getäuscht. Er hat es nie vergessen, dass ich Jack ihm vorgezogen habe. Ich habe es gefühlt, sehr bald. Er hasst mich und will mich täuschen. Er will nur einen Plan ausführen. Dann würde er mich auslachen. Ich weiß es ganz genau, denn ich habe etwas in seinen Augen gesehen. Deshalb verrate ich ihn jetzt – bevor er mich auslachen kann. Ich werde ihn auslachen können! Er hat mit meinem Vater einen Vertrag gemacht. Er wird den Creek dort, wo er unser Weideland verlässt, umleiten. Er wird ihm ein neues Bett sprengen! Das wollte ich euch nur sagen. Nur, um Sloan Duane auslachen zu können – und ihm sagen zu können, dass er mich nicht täuschen konnte! Er hätte es anders haben können. Denn mit dir, Jack, war ich fertig. Du liebst die Sun Hill zu sehr – und vielleicht sogar ganz unbewusst dieses Mädchen. Ich hasse die Sun Hill und alles, was zu ihr gehört!«
Die letzten Worte sagt sie hart. Dann geht sie zwischen Jack und Nan hindurch.
Sie lassen sie gehen, schweigend und ohne den Versuch zu machen, noch ein Wort mit ihr zu wechseln.
✰✰✰
Wenig später reiten Jack und Pat aus dem Ranchhof. Sie schonen ihre Pferde nicht und erreichen zwei Stunden später das Vorwerk am Creek. Es ist Mittag.
Montana Charly und ein paar Cowboys stehen am Feuer und schlingen ihr Essen herunter. Sie sind müde, staubig und hungrig.
Jack steigt gar nicht erst aus dem Sattel. Auch Pat bleibt auf dem Pferd.
»Wir reiten«, sagt Jack kurz zur Mannschaft.
Und die Männer werfen ihre noch halb gefüllten Teller in die große Wanne und gehen zu den Pferden. Bald bilden sie ein dichtes Rudel. Jack führt die Mannschaft am nördlichen Creekufer nach Osten.
Das Grasland wird allmählich welliger und geht in eine Hügelkette über, die die Grenze zwischen der Sun Hill und der kleineren Fork Ranch von Buck Brown bildet. Die Fork liegt in einer tiefen Bergfalte der Rosa Mountains.
Einmal verhält Jack mit der Mannschaft auf einem Kamm. Sie spähen alle nach Süden.
Jacks Augen sind scharf. Er sieht in der Ferne eine Menge Staubwolken und weiß sie zu deuten. Da sind ein paar Reiter. Von Süd nach Nordost kommt ein Wagen – er ist nur so groß wie eine Zündholzschachtel, aber man erkennt, dass er von sechs Pferden gezogen wird, die wiederum nur Ameisengröße haben.
Und von Süd nach Nord wird eine große Rinderherde getrieben.
»Oha, er treibt die Kühe an den Creek«, knurrt Pat Rockman.
Dann beobachtet Jack die einzelnen Staubwolken und erkennt bald, dass es sich um einzelne Späher und Grenzreiter der Yellow Rock handelt, die ständig das Land durchstreifen.
Er wendet sich im Sattel um und wirft einen Blick auf seine Reiter.
Montana Charly scheint nur aus Haut und Knochen zu bestehen. Und dennoch ist der »Zweite« der Sun Hill einer der besten Reiter und härtesten Männer auf dieser Weide. Er sieht Jack ruhig an.
Die Brüder Ben und Ken gleichen sich auch heute wie zwei Hühnereier. Sie reiten kleine, struppige Cowponys. Da sie selbst so lang und dürr sind, meint man, sie würden mühelos mit ihren Fußspitzen den Boden berühren können.
Sie grinsen, wie sie immer grinsen, wenn sie Kummer erwarten und sich innerlich darauf vorbereiten.
Dann ist noch Budd da, von dem keiner den Nachnamen kennt und den sie manchmal Wyoming rufen, weil er anscheinend dort geboren ist. Budd ist klein, schweigsam, hart, schlau und verwegen. Er hat die kurze Pause benutzt, um sich eine Zigarette zu drehen.
Das ist der Kern der Sun-Hill-Mannschaft. Außer ihnen und dem verwundeten Steve gibt es noch drei andere Reiter, die jedoch irgendwo in den Canyons im Norden auf Streife sind und das Vieh im Auge behalten.
Jack ist zufrieden. Er reitet an. Sie folgen ihm sofort. Der Wind zerrt an ihrer Kleidung und drückt die Krempen ihrer Hüte hoch.
So arbeiten sie sich durch die Hügel. Als sie wieder auf die flache Weide kommen, treffen sie Dan Sutter. Sutter ist einer der drei Cowboys, die für die Fork Ranch reiten. Er führt ein Packpferd mit, auf dem seine Habseligkeiten verschnürt sind.
Er hält an und mustert die Reiter. Jack beugt sich vor und verschränkt die Hände auf dem Sattelhorn.
»Well, du suchst Luftveränderung, Sutter?«
»Yeah, ich halte mich raus. Die machen da etwas, was nicht gut ist, Jack – sonst wäre ich geblieben. Ich habe immer gedacht, Buck Brown würde eines Tages auf deiner Seite sein, Jack. Ich reite nicht weit – nur bis Best Chance.«
»All right, Sutter – wenn noch die alten Zeiten wären, würde ich dir gern ein Angebot machen.«
Der fleischige Cowboy nickt zu Jacks Worten und wirft dann einen forschenden Blick auf die Mannschaft. »Sicher«, sagt er dann, nickt allen kurz zu und reitet.
Jack führt sein Rudel weiter. Sie umrunden halb ein lang gestrecktes Wäldchen, das in eine lange Buschreihe übergeht, und erreichen die Gabelung des Fork Creek.
Drei Wagen stehen dort. Eine Anzahl Männer arbeitet mit Hacken, Schaufeln und Spaten. Ein paar Reiter sind da, die alle Gewehre über den Knien liegen haben. Jetzt kommt ein weiterer Reitertrupp aus der Öffnung einer Schlucht. Sie sind noch gut zwei Meilen entfernt, aber sie sind deutlich zu erkennen, denn das Gelände senkt sich nach Süden zu.
Jack hält mit seinen Reitern auf einem Hügel, vor dem sich der Creek in zwei Arme teilt. Am Fuß des Hügels stehen ein paar große Felsen, zwischen denen sich der nördliche Creekarm seinen Weg sucht. Der südliche Arm fließt zur Schlucht ab, aus der der Reitertrupp eben aufgetaucht ist.
Langsam führt Jack seine Mannschaft den Hügel hinunter. Bevor sie die ersten Felsen erreichen, hören sie Hammerschläge. Dann sehen sie ein paar Männer, die mit Steinbohrern arbeiten. Auch einem Laien würde klar werden, dass hier gesprengt werden soll. Die Felsentrümmer sollen das nördliche Creekbett zuschütten. Man wird überdies noch einen Damm bauen, der das Wasser anstaut, damit es zurückwallt und in den südlichen Arm fließt, der kleiner ist und nur spärlich Wasser abbekommt.
Als die Sun-Hill-Mannschaft anhält, stellen die Arbeiter ihre Tätigkeit ein. Sie wischen sich den Schweiß aus den Gesichtern. Man sieht es ihnen an, dass sie sehr beunruhigt sind. Es sind kleine Siedler und Farmhelfer, die von Sloan Duane am Rande seines Gebietes geduldet werden oder sogar auf seiner Lohnliste stehen.
»Ich glaube, ihr macht erst einmal Feierabend!«, ruft Jack zu den Leuten hinüber. Dann reitet er weiter und erreicht die Wagen, die unmittelbar neben der Creekgabelung stehen. Hier vertiefen zwei Dutzend Männer die Abzweigung des Südarmes, der ja bald die dreifache Wassermenge schlucken soll.
Auch diese Arbeiter stellen ihre Beschäftigung ein, stützen sich auf die Stiele ihrer Hacken und warten.
Montana Charly bildet mit dem Boss hinter Jack und Pat eine auseinandergezogene Kette. Jack und Pat reiten langsam bis dicht an den Wagen heran.
Dort steht Buck Brown. Der kleine, viereckige Boss der Fork Ranch ist sichtlich nervös. Mit gesenkter Stirn bleibt er neben dem Wagen stehen und beobachtet aus dieser Haltung die beiden Reiter.
»Hallo, Buck«, sagt Jack lässig und rutscht aus dem Sattel. Mit zwei langen Schritten steht er vor dem kleinen Mann.
Brown steckt seine Hände in die Taschen.
»Hallo«, sagt er. »Du brauchst dich nicht unnötig aufzuregen, Jack. Es ist nun einmal so. Ich gebe dir keine Chance und habe mit Sloan Duane einen festen Vertrag. Du kannst ruhig zu mir Hundesohn sagen. Aber ich will meine Ranch retten! Das ist es!«
»Wenn du uns das Wasser wegnimmst, bist du gegen die Sun Hill. Hast du es genau bedacht, Buck? Bist du fest davon überzeugt, dass die Yellow Rock stark genug ist, um dich schützen zu können?«
Jacks letzte Worte klingen hart und gewichtig.
Brown hebt seinen kantigen Kopf. »Ich habe mir nun eben mal auf Sloan Duanes Seite die besten Chancen ausgerechnet. Er ist nicht mehr zu stürzen. Ich brauche auch gar nicht gegen dich zu kämpfen, Jack, denn das besorgt die Yellow Rock. Da kommt übrigens Duff Dance. Du musst mit ihm verhandeln, Jack!«
Nach diesen Worten tritt Brown zurück und lehnt sich abwartend gegen das Wagenrad.
Duff Dance und die vier Reiter kommen durch den Hauptarm des Creeks. Zu ihnen gesellen sich noch drei andere Reiter. Zwei weitere Reiter halten sich abseits. Denn es sind Browns Leute. Duff Dance wirft einen forschenden Blick zu diesen beiden Reitern hinüber, beachtet sie jedoch dann nicht mehr. Offenbar ist er fest davon überzeugt, dass sich die beiden Fork-Reiter heraushalten werden.
Die Gruppe bleibt rechts neben dem Wagen und hart am Creek stehen. Dance murmelt seinen Leuten ein paar Worte zu, dann reitet er vor. Er bleibt im Sattel, als er zwei Yards vor Jack Starlight sein Pferd verhält. Er lehnt sich lässig aufs Sattelhorn und grinst Jack an.
»Was willst du? Willst du Krach anfangen? Den kannst du ab heute zu jeder Zeit haben. Und hier bist du auf fremdem Land. Du hast hier nichts zu sagen, Junge. Ich wollte dir schon lange mal sagen, dass ich dich für einen großen Bluffer halte. Heute will ich mal sehen, ob du eine Sache auskämpfen kannst. Aber ich bin nicht Slim Tinkerton – merk dir das!«
Er greift langsam in die Tasche seiner ledernen Überhose und bringt ein großes Stück Kandis hervor. Krachend zerbeißt er es und grinst dabei seltsam. Er sieht ganz wie ein Mann aus, der sich mächtig freut und der sich eine Menge Dinge vorgenommen hat.
Jack sieht ihn an.
»Komm vom Pferd herunter«, sagt er kurz und trocken.
Da treibt Duff Dance sein gelbes Riesenpferd vorwärts. Er muss dem armen Tier ganz hart die Sporen gegeben haben. Es wiehert, bäumt sich auf und prallt mit der Schulter gegen Jack, der nicht schnell genug ausweichen konnte, da ihn sein eigenes Pferd zur Rechten und der Wagen zur Linken behinderten.
Jack wird schwer gerammt und fliegt unter die Hufe seines eigenen Pferdes. Dieses tanzt erschreckt, hütet sich jedoch, seinen Herrn zu treten.
Indessen reißt Dance sein Tier auf der Hinterhand herum. Man erkennt nun ganz deutlich, dass er es zwingen will, mit der Vorderhand auf Jack Starlight niederzuwuchten.
Jack ist wirklich in Not. Nun wird es auch klar, was Duff Dance eigentlich ist: ein Mann, der nicht nach den alten und ungeschriebenen Regeln des Westens kämpft, ein Mann, der keinem eine Chance gibt, sondern der mitleidlos und unerbittlich jedes gemeine Mittel und jeden schlechten Trick anwendet, um einen Mann zu vernichten.
Die Hufe des Pferdes stoßen hart neben Jack auf den Boden. Aber Duff Dance drängt das Tier weiter, lässt es abermals steigen und versucht es noch einmal. Zugleich gebraucht er die schwere Bullpeitsche, die er vom Sattelhorn gerissen hat. Das lange Leder pfeift durch die Luft.
Dann krachen Schüsse.
Die beiden Mannschaften beginnen ihrerseits den Kampf.
Pat Rockmans brüllender Schrei übertönt alles. Er will sein Tier vorpreschen lassen, doch Jacks Pferd versperrt ihm den Weg. Eine Kugel reißt Pat den Hut vom Schädel. Er brüllt abermals wütend. Dann kracht ein Schuss aus allernächster Nähe.
Buck Brown hat geschossen. Er liegt unter dem Wagen und trifft Pats Pferd. Das Tier bäumt sich auf, dreht sich auf der Hinterhand, wiehert gellend und rast dann los. Aber hinter dem Wagen bekommt Pat es wieder in die Gewalt, reißt es herum und fegt auf die feuernde Gruppe der Yellow-Rock-Reiter los. Und noch zwei Reiter, die sich eigentlich unparteiisch verhalten wollten, greifen ein.
Es sind Browns Cowboys, die Duff Dance nicht weiter beachtet hatte. Das war ein Fehler. Denn diese beiden Reiter haben einige Freunde unter der Sun-Hill-Mannschaft und zu viele Feinde unter den Yellow-Rock-Reitern. Sie hielten abseits. Nun springen sie aus den Sätteln, werfen sich ins Gras, schießen mit ihren Winchesterkarabinern und halten auf die Pferde.
Duff Dances Leute kommen in Not. Zwei Pferde stürzen, und ein Mann fällt seitlich aus dem Sattel, brüllt dabei und kracht schwer auf die Seite.
Pat Rockman kommt von der anderen Seite auf die kleiner gewordene Gruppe zugerast. Er schießt dabei mit seinem Colt. Als er den ersten Mann erreicht, benutzt er den Colt als Keule.
Aber dann bricht das verwundete Pferd unter ihm zusammen. Er fliegt aus dem Sattel, landet auf dem Bauch und stemmt sich stöhnend wieder hoch. Ein Reiter drängt sein Tier über ihn hinweg. Die Hufe stoßen ihn abermals zu Boden. Es ist wie ein Wunder, dass er nicht ernstlich getroffen wird. Doch es ist ja wirklich so, dass ein Reitpferd nur ungern und nur, wenn es nicht anders geht, auf einen am Boden liegenden Menschen tritt.
Montana Charly und Budd kommen angeritten. Sie schießen nicht mehr, denn der Kampf der beiden Mannschaften ist beendet.
Drüben zerrt Ben seinen Bruder Ken unter einem toten Pferd hervor. Der lange Ken hat sich durch diesen unglücklichen Fall das Bein gebrochen.
Pat Rockman springt auf. Er hält noch immer den Colt in der Hand.
»Treibt sie zusammen! Treibt sie zusammen!«, brüllt er Charly und Budd zu.