G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 77 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 77 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

3 spannende Westernromane lesen und sparen!

G.F. Unger ist der erfolgreichste deutschsprachige Western-Autor. Mit einer Rekordauflage von über 250 Millionen Exemplaren gehört er zur internationalen Spitzenklasse der Spannungsliteratur. Und das zu Recht!

Niemand vermag es wie er, die unermesslichen Weiten des amerikanischen Westens und die Stärke der unerschrockenen Männer, die sie erschlossen, zu beschreiben. Erleben Sie den amerikanischen "Wilden Westen", wie nur G.F. Unger ihn schildern kann: hart, authentisch, leidenschaftlich.

Dieser Sammelband enthält die Folgen 2578 bis 2580:

2578: Golden Gulch
2579: Die Chancenlosen
2580: Mit dem Teufel verbündet

Der Inhalt dieses Sammelbands entspricht ca. 192 Taschenbuchseiten.
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Seitenzahl: 464

Veröffentlichungsjahr: 2025

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G. F. Unger
G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 77

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben

Für die Originalausgaben:

Copyright © 2022 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Vervielfältigungen dieses Werkes für das Text- und Data-Mining bleiben vorbehalten.

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2024 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Covermotiv: © Prieto/Norma

ISBN: 978-3-7517-7798-8

https://www.bastei.de

https://www.luebbe.de

https://www.lesejury.de

G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 77

Cover

Titel

Impressum

Inhalt

G. F. Unger Western-Bestseller 2578

Sattelgefährten

G. F. Unger Western-Bestseller 2579

Kriegsfeuer

G. F. Unger Western-Bestseller 2580

Er kam vom Tonto Rim

Guide

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Contents

Sattelgefährten

»Mister«, sagt Terry McRay zu seinem Pferd, »du hast gestern meinen Tabaksbeutel und heute Morgen mein letztes Stück Seife angeknabbert. Ich sehe nicht ein, warum ich dir etwas abgeben soll! Pass auf, du gescheckter Ziegenbock, eines Tages frisst du mal etwas, was dir nicht bekommt. Ich habe mal von einem Mann gehört, der soll Karbid gefressen haben. Und dann hat er Wasser ...«

Weiter kommt Terry nicht, denn sein Pinto schnappt jetzt blitzschnell zu, erwischt das größte Stück Pfannkuchen und zieht sich rückwärts mit seiner Beute zurück.

Terry droht mit der Faust. »Ich frage mich«, ruft er scheinbar wütend, »warum ich mich mit solch einem Pferdebiest abgebe. Deine Mutter war eine Bergziege! Und dein Vater war ein Wildkater! Komm nur nicht wieder in meine Nähe, Wild Bill!«

Der Pinto wiehert seltsam, sodass es wirklich fast wie das spöttische Meckern eines Ziegenbocks klingt. Betont gleichgültig wendet sich das »Pferdebiest« dann den spärlichen Gräsern zu, zupft hier und da und schielt dabei ständig nach seinem Herrn.

Einem aufmerksamen Beobachter würde jedoch sofort klar geworden sein, dass sich Mann und Pferd sehr zugetan sind. Der Mustang trägt auch keine Kandare, nicht einmal ein Gebiss. Die Zügel aus geflochtenen Pferdehaaren sind unmittelbar an einem leichten Stirnriemen befestigt, und der Reiter trägt an seinen alten und abgetretenen Stiefeln keine Sporen. Das ist seltsam in diesem Land ...

Plötzlich schnaubt Wild Bill leise und warnend. Terry erhebt sich sofort, seine Rechte fühlt wie beiläufig nach dem Colt, und er rückt sich die schwere, tief geschnallte Waffe besser zurecht.

Dann wartet er ruhig, hört bald darauf die Hufschläge einiger Reiter und richtet nun seine Aufmerksamkeit auf die Mündung eines Canyons, der von Westen her die Schulter des Berges durchbricht und hier auf der Wasserscheide des Passes endet.

Fünf Reiter tauchen auf.

Und sie wirken wie fünf grimmige Winterriesen. Das Unwahrscheinliche an ihnen ist jedoch, dass sie überdies noch fünf zottige Riesengäule reiten. Gäule, von denen man meint, dass es allerhöchstens einen auf tausend Meilen im Umkreis von dieser Sorte geben könnte.

Aber es ist dennoch so: Fünf Riesen kommen auf fünf Riesengäulen angeritten. Sie wirken grimmig und böse. Eine wilde Kraft und Urwüchsigkeit geht von ihnen aus.

Der Riese an ihrer Spitze ist grauhaarig. Sein Vollbart flattert im leichten Wind, und seine scharfe Adlernase hackt im Rhythmus des Reitens auf und nieder.

Terry McRay ist fremd in diesem Land. Er ist davon überzeugt, dass er sonst gewiss über diese fünf Muskelberge Bescheid wüsste. Fünf solche Männer müssen einfach so bekannt sein wie zum Beispiel fünf rote Elefanten, wenn es solche und in diesem Land gäbe.

Indes er auf das Näherkommen der Reiter wartet, schiebt sich sein Pinto neben ihn und verhält sich vollkommen ruhig. Nur die Augen des Pferdes funkeln. Wie ein Wachhund steht das scheckige Tier neben seinem Herrn.

Und dann hält der riesige Graubart auf dem Weg sein mächtiges Tier an, wendet sich im Sattel um und sieht McRay mit einem wilden Blick an.

»Mann«, sagt er mit tiefer und harter Stimme, »Mann, haben Sie ein gelbhaariges Mittelgewicht gesehen, mit einem Bärtchen unter der Babynase und einer Gitarre hinterm Sattel? Haben Sie solch einen verdammten Dandy hier in der Gegend herumreiten sehen, Mister?«

»Ich hatte nicht das Vergnügen, Mister«, erwidert Terry sanft und sieht die anderen vier Männer an, die hinter dem riesigen Anführer eine finstere Gruppe bilden und ganz so wirken, als hielten sie sich für eine unüberwindliche Armee.

Es sind Brüder, wahrscheinlich sogar Vierlinge. Und wenn sie früher gewiss auch sehr winzig waren, so hat eine wunderbare Laune der Natur aus ihnen mächtige Riesen werden lassen.

Sie sind rothaarig, sommersprossig und mit Muskeln bepackt, die jeden Moment ihre Hemden zu sprengen drohen. Ihre wasserhellen Augen verraten eine Menge Sturheit, und ganz offensichtlich ist in ihren großen Köpfen nicht allzu viel Verstand enthalten. Terry fragt sich unwillkürlich, was diese vier Ungetüme anstellen werden, wenn der Alte nicht mehr das Kommando hat und nicht mehr für sie denken kann. Er sieht den Graubart wieder an.

»Hat Ihnen der Gelbkopf die Brieftasche geklaut, Mister?«, fragt er sanft und ruhig.

»Mehr als das! Oha! Schwarzes Schneegestöber und Höllenmist! Dieser gelbhaarige Hecht hat uns die Ehre gestohlen! Wir sind schon eine ganze Woche hinter ihm her, und er zeigte uns jeden Tag immer wieder neue Tricks! Aber wir erwischen ihn! Wir bekommen ihn so sicher, wie ich Brad Rocky heiße! Und wenn wir bis zum Nordpol reiten müssten! Aaaah ...«

Nach diesen Worten reitet er wieder an, und seine vier zweibeinigen Büffel folgen ihm wortlos.

Terry McRay blickt ihnen nach. Er hätte gerne gewusst, was diese fünf Rockys auf eine lange Fährte gelockt hat. Aber er ist gewöhnt, nur im äußersten Notfall Fragen zu stellen. Er schiebt wieder seinen Hut in den Nacken, kratzt sich hinter dem Ohr und murmelt schließlich: »Ich hätte sie vielleicht um eine Krume Tabak anhauen können. Sie hätten gewiss einen Mann gut verstanden, dem ein verdammter Gaul den Tabaksbeutel aufgefressen hat.«

Indes sind die fünf Reiter schon ziemlich weit entfernt. Sie reiten unten in einen abfallenden Canyon hinein und verschwinden bald hinter der Biegung.

»Nun, ich werde auch weiter ...«, beginnt Terry, doch da schnaubt sein Pinto abermals.

Zuerst hört Terry eine klangvolle Männerstimme und das melodische Klimpern einer Gitarre. Es ist eine schöne Baritonstimme, und sie singt das alte Lied vom armen Cowboy, der keine Heimat hat und sich überall in ein Mädchen verliebt und der, da er arm ist, nirgendwo eine Chance bekommt.

Der Gesang ist überdies auch noch dem Takt der Hufschläge angepasst.

Eine kleine Weile später kommt der Sänger aus dem Canyon geritten.

Weizenblonde Locken leuchten in der Sonne. Aber das Gesicht des Burschen ist sehr gebräunt. Weiße Zähne und blaue Augen blitzen. Seine Kleidung ist blitzblank und wie neu. Das Zaumzeug seines Pferdes ist prächtig herausgeputzt. Allein der silberbeschlagene Sattel muss einen Cowboy-Jahreslohn gekostet haben. Seine Stiefel sind feinste Maßarbeit, und der Coltkolben ist mit Silber und Elfenbein ausgelegt.

Im Damensitz hockt er auf einem prächtigen Rappen und verstummt erst mit seinem Gesang, als er dicht bei Terry anhält. Der erkennt jetzt auch, dass der hübsche Bursche ein kleines Bärtchen unter der Oberlippe trägt. Doch als er in die blauen Augen des Mannes sieht, erkennt er darin neben Sorglosigkeit und Leichtsinn auch eine Portion Männlichkeit und Stolz.

»Hallo, Kamerad«, lächelt der Blonde. »Geht es hier nach Silverhorn?«

Terry nickt kurz.

»Dann bin ich also wieder auf dem richtigen Weg! Nun, nach meiner Berechnung müssten vor nicht allzu langer Zeit fünf rothaarige Gentlemen hier vorbeigeritten sein.«

»Einer war grauhaarig«, verbessert Terry freundlich, denn der Blonde ist ihm sehr sympathisch.

»So? Nun, das wundert mich eigentlich, Kamerad! Vor einer Woche war Brad Rocky noch so rot wie seine Söhne. Sollte er sich wirklich so geärgert haben, dass sein Haar erbleichte? Hat er Ihnen vielleicht ...«

»Yeah, er hat mich nach einem gelbhaarigen Baby gefragt«, grinst Terry.

Die blauen Augen des Sängers leuchten plötzlich ärgerlich auf, und kalte Funken des Unwillens tanzen in ihnen. Aber dann bezwingt er seinen Ärger und lächelt wieder freundlich.

»Sie haben nicht zufällig etwas Tabak bei sich, Kamerad?«, fragt er höflich.

Terry schüttelt den Kopf und deutet mit dem Daumen auf seinen Pinto.

»Der Ziegenbock hat gestern meinen Tabaksbeutel gefressen. Es war noch genügend drin.«

Der Blonde schenkt dem Mustang einen interessierten Blick, greift dann in die Tasche und holt einen gefüllten Beutel heraus.

»Nun, wenn das so ist, so müssen wir uns eben mit meinem Tabak begnügen. Wissen Sie, Mister, ich nehme gern, wenn irgendwo Überfluss ist, aber ...«

Er verstummt und grinst wie ein beschämter Lausejunge. Und tatsächlich, er wird sogar rot. Langsam rutscht er aus dem Sattel. Und dann hocken sie sich beide nach Cowboyart auf die Absätze und drehen sich Zigaretten.

Es ist ein guter Tabak. Terry McRay zieht den Rauch ein und stößt ihn behaglich aus. Dann begegnen sich die Augen der beiden Männer mit einem festen Blick.

»Danke«, murmelt Terry. »Ich sehne mich seit gestern nach einer Zigarette. Sie haben deshalb etwas gut bei mir, Mister.«

Der Blonde macht eine wegwerfende Handbewegung. Er sieht nachdenklich den Passweg hinunter, wo die fünf Rockys vor einer Weile verschwunden sind.

»Waren sie sehr ärgerlich? Übrigens, mein Name ist Jim Pancake. Nein, ich will Sie nicht verulken, Mister, ich heiße wirklich so!«

Er sagt es besänftigend, denn er hatte bemerkt, wie Terrys rauchgraue Augen schmal und scharf wurden. Und das ist vielleicht kein Wunder, denn Pancake heißt Pfannkuchen!

»Schon in Ordnung, ich glaube es«, grinst Terry. Und als Jim Pancake dieses Grinsen erwidert und sie sich wieder in die Augen sehen, spüren sie eine warme Sympathie füreinander.

»Ja, sie waren so wütend wie gereizte Grizzlybären. Und der Graubart erzählte etwas von einer gestohlenen Ehre.«

Jim Pancake begann bitter zu lachen.

»Diese Narren! Diese verdammten Narren!«, ruft er, und in seinen sonst so freundlichen und hübschen Augen sind plötzlich wieder jene kalten Funken des Unwillens, den nur ein Mann versprüht, der kämpfen kann und der sich nie und nirgendwo herumstoßen lässt.

Er wirft die Zigarette weg und dreht sich zauberhaft schnell eine neue. Dabei sieht er Terry nachdenklich an.

»Hm«, knurrt er, und in seinen Augen leuchtet der Zorn. »Hm, Mister, ich möchte Sie nicht mit meinen Angelegenheiten belästigen. Aber jemand hat Ihnen erzählt, ich hätte seine Ehre gestohlen. Ah, ich will Ihnen erst einmal beschreiben, wie diese Ehre aussah! Hahaha, diese Ehre der Rockys wiegt über zwei Zentner, Mister! Und ...«

»Mein Name ist Terry McRay«, sagt Terry sanft dazwischen, und sofort sieht ihn Jim Pancake sehr interessiert an. Er spitzt die Lippen, pfeift kurz und nickt dann.

»Von Ihnen habe ich schon gehört, weiter im Süden haben Sie einen großen Namen. Ah, Sie sind also der ...«

»Wir waren zuletzt bei der Ehre der Rockys, die zwei Zentner wiegen soll«, erinnert Terry sanft.

Wieder grinsen sie sich an, und sie fühlen zwischen sich eine gewisse Gemeinsamkeit. Denn obwohl Jim Pancake ganz gewiss ein leichtsinniger und sorgloser Satteltramp ist, ist er ganz bestimmt im Grund seines Wesens ein stahlharter Reiter, vielleicht ein Spieler, aber einer, der nicht des Gewinns wegen, sondern der Freude halber stets einen hohen Einsatz wagt und immer bereit ist, seinem Schicksal zu begegnen. Jim Pancake ist nichts anderes als das Sinnbild eines Abenteurers im Wilden Westens.

Und Terry McRay?

Nun, der hat als Kämpfer einen großen Namen.

Vielleicht hat er Freude an einem guten Kampf, so wie Jim Freude am Spiel und ziellosen Herumstreifen hat.

Jim kichert jetzt voller Lust. Sein Zorn ist schon wieder verraucht. In seinen Augen funkelt es.

»Die Mädchen haben mir noch nie Glück gebracht«, sagt er sorglos. »Und die Rockys haben ein Mädchen in ihrer Hütte, das die Schwester der vier rothaarigen Elefanten und die Tochter eines Seelöwen ist. Als ich zufällig in ihr kleines abgelegenes Tal kam, waren alle Männer abwesend. Ich will nicht behaupten, dass sie irgendwo eine Bank ausgeraubt haben, aber bestimmt haben sie Vieh gestohlen. In diesem Tal fand ich nämlich eine Menge Rinder, deren Brandzeichen so verschieden waren wie unsere Namen. Und es waren fast ein Dutzend verschiedener Brandzeichen. Nun, sie sind schon eine raue Sippe, diese Rockys. Als ich vor der Hütte hielt, kam das Mädchen sofort heraus. Sie war so hässlich wie die Tochter eines Gorillas, so dumm wie eine Kuh – und so gut wie eine Märchenfee. Ja, gut war sie!«

Jim Pancake verstummt, dreht sich eine neue Zigarette, raucht sie an und nickt noch einmal bekräftigend.

»Yeah, sie war gut. Ich erkannte es gleich, als ich in ihre Kuhaugen sah. Überdies hatte ich schon drei Tage nichts gegessen. Ich bin wohl manchmal doch zu sorglos und verlasse mich auf mein Glück, dass ich ein gastliches Haus finde.

Nun gut, ich behandelte sie wie eine richtige Lady. Und ich wette, dass in ihrem Leben noch niemals ein Mann so höflich und nett zu ihr gewesen ist. Warum, dächte ich, sollte ich diesem hässlichen Monstrum nicht auch mal eine Freude machen.

Ich bezahlte das Festessen, welches sie mir innerhalb von zwei bis drei Stunden unermüdlich zubereitete, mit tausend Komplimenten. Sie erlebte die schönste Freude ihres Lebens. Ganz gewiss konnte sie sich mit einem Mann noch nie so nett unterhalten. Einmal weinte sie sogar, weil ich ihr sagte, dass für mich das gute Herz einer Frau wichtiger wäre als ihre Schönheit. Sie fiel mir plötzlich um den Hals und küsste mich.

Da sie aber noch einen leckeren Nachtisch zubereitet hatte, bin ich nicht weggelaufen, sondern habe ausgehalten. Der Nachtisch war auch wirklich prächtig. Walderdbeeren mit Eierschnee! Und dann war ich sehr müde. Ich hatte drei Stunden nichts anderes getan als nur erzählt und zwischendurch gegessen. Ich glich gewissermaßen einem müden und voll gepfropften Falken, der nicht mehr fliegen konnte. Irgendwie muss ich dann eingeschlafen sein. Als ich erwachte, lag ich auf einem Sofa und mit dem Kopf auf ihrem Schoß.

Ja, und dann kamen plötzlich ihre Brüder und ihr Vater herein.

Sie sahen das Bild – und zuerst wollten sie mich sofort in Stücke reißen. Aber da schrie Marylin, so hieß das gute Kind, dass ich ein ehrenwerter Freier wäre und wir uns verlobt hätten.

Sofort wurden die fünf Nashörner mächtig freundlich. Ich musste sogar einige Stunden mit ihnen trinken. Zwischendurch spielten wir Poker und aßen von den guten Dingen, die Marylin immer wieder in der Küche zubereitete. Später war ich dann so betrunken, dass ich erst im Wagen wieder aufwachte.«

Wieder macht Jim eine Pause. Nun ist sein Gesicht bekümmert.

»Was für ein Wagen?«, fragt Terry teilnahmsvoll, obwohl er sich das Lachen nicht mehr verkneifen kann und schon einige Male offen grinsen musste.

»Sie hatten einen Wagen angespannt, Stroh hineingeworfen und mich draufgelegt. Wir mussten, als ich aufwachte, schon einige Stunden unterwegs gewesen sein, denn es war schon wieder Tag, und in der Ferne sah man die Häuser einer kleinen Stadt. Auf dem Bock saß Marylin, die sie immer May nannten. Sie fuhr schnell, und sie konnte mit dem feurigen Gespann gut umgehen. Um den Wagen herum ritten ihre Brüder als Ehrengarde. Vorne ritt der Alte. Hinten war mein Pferd angebunden.«

Nach diesen Worten dreht sich Jim nach seinem Rappen um, und er sieht ihn dicht beim ramsnäsigen Pinto stehen. Die beiden Tiere beschnuppern sich, als wären sie gute Freunde.

»Nanu, Joker geht doch sonst auf jeden Gaul los!«, ruft Jim verwundert.

»Das tut mein Wild Bill sonst auch immer«, lächelt Terry.

Und wieder sehen sie sich in die Augen und grinsen sich an. Sie verlieren kein Wort mehr über das Wunder, dass sich ihre Pferde, die sich sonst wie streitlustige Wildkater benehmen, so gut vertragen. Sie drehen sich abermals Zigaretten, und dann berichtet Jim weiter.

»Als wir in die Stadt kamen, hielten wir vor der Kirche an. Ich war noch ziemlich benommen. Der Whisky, den wir getrunken hatten, war nämlich aus Pumaspucke, Schlangengift und Salzsäure hergestellt. Ich war also noch nicht richtig aufgewacht. Aber das änderte sich schnell, als ich drinnen beim Pater hörte, dass ich Marylin heiraten sollte. Von diesem Moment an war ich hellwach. Es ging dann alles sehr schnell. Ich bin durch das Fenster gesprungen und habe es mit drei Sprüngen und einem Riesensatz bis in den Sattel meines guten Joker geschafft.

Von dieser Minute an hatte ich sie auf der Fährte. Zuerst dachte ich, ich könnte sie mit einigen Tricks abschütteln – oder ihnen die Lust zur weiteren Verfolgung nehmen. Jetzt ist es mir klar, dass ich sie nur immer wütender dadurch gemacht habe. Sie sind Bulldoggen, und je länger sie auf meiner Fährte reiten, umso fester setzt sich die Idee in ihren sturen Schädeln fest, dass sie mich erwischen müssen, um wieder ruhig schlafen zu können.«

»So ist es«, nickt Terry McRay langsam. »Diese Männer denken immer nur an eine Sache, und erst dann, wenn diese Sache erledigt ist, denken sie an andere Dinge. Es ist schlimm mit solchen Büffeln. Dann und wann bin ich solchen Burschen begegnet, und du hast gleich fünf Exemplare auf der Fährte, Kamerad.«

Jim Pancake nickt bitter. »Und dabei hat das Mädel bestimmt nur deshalb etwas von der Verlobung gesagt, weil sie mich retten wollte. Ah, ich habe eine Lektion bekommen! Bisher bin ich davongelaufen, weil ich Marylins Kummer nicht noch vergrößern wollte. Aber jetzt laufe ich nicht mehr davon. Ich bin noch nie vor einer Sache weggelaufen! Die fünf Nashörner sollen ihren Kampf bekommen. Und wenn ich es überstehe, wird diese Welt noch einmal so schön werden!«

Er ruft die letzten Worte schon wieder sorglos und siegesgewiss. Alle Sorgen und jeder Zorn scheinen ganz plötzlich verschwunden zu sein. Er erhebt sich, geht zu seinem Pferd und schwingt sich in den Sattel. Terry sieht und erkennt, dass dieser mittelgroße Bruder Leichtsinn geschmeidig wie ein Panther ist.

Er geht ebenfalls zu seinem Pferd und hebt auf diesem Weg schnell sein Bündel auf.

Indes er es festschnallt, hört er Jims Frage: »Kommst du von Silverhorn, oder ist dort dein Ziel?«

»Ich will vorerst nach Silverhorn. Ob ich länger als eine Nacht dort bleibe, das weiß ich nicht«, murmelt Terry. In seinen grauen Augen erscheint ein kaltes Licht und verlischt wieder.

Ohne weitere Worte sitzt er auf. Gemeinsam reiten sie die Passstraße abwärts.

Als es dann Abend wird und die gelben Lichter der kleinen Stadt vor ihnen in der Nacht blinzeln und ihnen den Weg weisen, da hält Jim seinen prächtigen Rappen an.

»Nun, Terry, es war nett, ein Stück mit dir zu reiten. Ich wünsche dir eine Menge Glück. Mir sieht es so aus, als suchtest du nach einem Mann. Vielleicht findest du ihn in dieser Stadt da. Es soll eine wilde Stadt sein. Ich schlage hier einen Bogen. Irgendwie werde ich mich mit den Rockys befassen. Sie werden wahrscheinlich getrennt die Stadt nach mir durchsuchen. Also, Freund ...«

Er spricht nicht weiter, zieht sein Pferd zur Seite und reitet von der staubigen Wagenstraße in das Dunkel der Nacht hinein.

Terry will ihm etwas nachrufen, doch er lässt es. Er hat sich noch nie in die Entscheidungen eines Mannes gemischt.

Langsam reitet er weiter. Und als er die ersten Häuser der Stadt erreicht, tritt ihm ein Riese in den Weg.

Es ist einer der Rocky-Brüder, der ihn anruft: »Hallo, wer bist du, Mann?«

Terry verspürt plötzlich einen maßlosen Ärger in sich über die Selbstverständlichkeit, mit der einer der fünf Riesen sich auf die Straße stellt, als wäre er ein Sheriff.

Er richtet sich im Sattel ein wenig auf und sagt dann kühl: »Ich bin McRay! Und jetzt geh aus dem Weg, Rocky!«

»Ah, wir kennen uns schon?«, knurrt der Riesenkerl und tritt näher. »Da will ich doch mal sehen, wer du bist, wenn wir uns kennen.«

Er hebt seine gewaltigen Arme und greift mit seinen Riesenhänden nach Terrys Gürtel. Es scheint ihm völlig unwichtig zu sein, dass hier im Land jeder Reiter einen Colt hat. Terry wird sich darüber klar, dass sich diese Riesenbullen von Schusswaffen nicht einschüchtern lassen. Ihr Gefühl der Kraft und Stärke muss so mächtig in ihnen sein, dass sie sich für so gewaltig wie Grizzlys halten, wie Grizzlys, denen Schusswaffen gar nicht bekannt sind.

Terry nimmt seinen Fuß aus dem Steigbügel und tritt dem Burschen mit aller Kraft gegen die Brust. Und als der Mann taumelt, drängt er den Pinto vorwärts und reißt ihn jäh herum. Das Tier rammt seine Schulter hart gegen die Seite des Burschen, dass er der Länge nach in den tiefen Staub fällt.

Aber er ist unwahrscheinlich schnell wieder auf den Beinen und stößt ein wildes Schnauben aus.

Terry weiß nun, dass er nicht so leicht davonkommen kann, wenn er es nicht noch härter macht.

Wieder reißt er den Pinto herum, hält schon seinen Colt in der Faust und schlägt zu. Er macht es hart, denn er weiß, dass dieser Bursche es vertragen kann.

Dann wartet er. Der Mann kniet, schwankt mit dem Oberkörper, hält sich den Kopf und brummt wie ein Bär.

»So groß und mächtig seid ihr Rockys doch noch nicht, dass ihr jedem Reiter den Weg versperren könnt«, schnappt Terry wütend, drängt sein Pferd nochmals näher heran, beugt sich aus dem Sattel und schlägt wieder zu.

Der Riese hat beim ersten Schlag schon den Hut verloren. Nun bekommt er die Wucht ziemlich auf dieselbe Stelle. Er verträgt es nicht, fällt mit dem Gesicht in den Staub, grunzt noch einmal und bewegt sich nicht mehr.

Terry reitet weiter.

Und als er bald darauf den Lichtschein eines Stores durchquert, funkeln seine Augen immer noch wütend. Er verspürt plötzlich eine wilde Lust in sich, mit den anderen Rockys auch noch anzubinden und ihnen von ihrer selbstverständlichen Großspurigkeit etwas auszutreiben.

Plötzlich lacht er leise, sodass sein Pinto die Ohren dreht.

»Nun, er hat meinen Namen gehört – und er kann es noch einmal versuchen.«

✰✰✰

Als Terry McRay seinen Pinto durch die Einfahrt des Mietstalls lenkt, tritt eine große Gestalt aus dem Schatten eines Wagens.

McRay braucht den Frager erst gar nicht zu sehen. Er weiß auch so, dass es sich wieder um einen der fünf Rockys handelt, die sich an allen wichtigen Punkten der Stadt postiert haben und damit rechnen, dass Jim Pancake ihnen über den Weg läuft.

Terry McRay hält fluchend sein Pferd an. Seine Laune wird noch übler. Er verspürt eine kalte Wut in sich über die anmaßende Selbstverständlichkeit, wie diese fünf Ungetüme vorgehen.

»Rocky«, sagt er kalt, »ihr macht euch zu großspurig. Ich kann es nicht ertragen, immer wieder einem von euch zu begegnen. Geh da weg, Mann!«

Er reitet weiter, doch der Riese greift nach dem Halfter des Pintos und knurrt dabei: »Du kennst uns? Wer bist du?«

Eigentlich ist diese Sache nur eine Wiederholung. Es gibt dabei kaum einen Unterschied, aber das beweist, wie stur, eingleisig und ähnlich die Rockys im Handeln und Denken sind. Wahrscheinlich führt jeder der Brüder im wortwörtlichen Sinne aus, was der Alte ihnen eingeprägt hat.

Und deshalb wiederholt sich alles.

Als der Riese nach den Zügeln greift, um Terrys Pferd anzuhalten, nimmt dieser seinen rechten Fuß aus dem Steigbügel. Er hält sich zugleich mit beiden Händen am Sattelhorn fest und wirft das Bein hoch.

Er trifft den Riesen mit der Stiefelspitze genau unter das Kinn, reißt sein Pferd herum und lässt es hart gegen den schwankenden Mann prallen.

Der Riese kracht gegen die Wand des abgestellten Wagens, fällt dann seitwärts mit der linken Stirnseite auf den eisernen Reifen des Rades.

Am Boden stößt er einen röchelnden Seufzer aus und rührt sich dann nicht mehr.

McRay spürt einen scharfen Schmerz in seinem Fuß. Er flucht bitter und reitet auf das offene Stalltor zu.

Ein alter Mann kommt heraus und späht erst an Terry vorbei in die Dunkelheit des Hofes, bevor er seine Aufmerksamkeit dem Reiter zuwendet.

»Was war das?«, fragt er.

»Nichts von Wichtigkeit«, Terry grinst grimmig und rutscht aus dem Sattel. Er probiert vorsichtig seinen schmerzenden Fuß aus und brummt zufrieden, als er damit einigermaßen auftreten kann.

»Da war doch ein zweibeiniges Ungetüm im Hof«, murmelt der Stallmann. »Er kam herein, sah sich die Pferde an und ging wieder. Aber ich hatte bald heraus, dass er sich im Hof aufhielt und auf jemanden wartete. Hat er auf Sie gewartet, Mister?«

»Nicht auf mich, aber er hielt mich auf. Jetzt schläft er für eine Weile. Kann ich eine gute Box für diesen Ziegenbock bekommen?«

Der alte Stallmann betrachtet im trüben Schein der Laterne Terrys Pinto. Dieser wendet ihm den Kopf zu und zeigt ihm dann wie grinsend die gelben Zähne.

»Ich weiß schon Bescheid«, knurrt der Stallmann nach einer Weile. »Ich weiß schon Bescheid über dieses Biest, Mister, wenn Sie ihn selbst versorgen, können Sie eine Box haben. Ich bin von solch einem Mistvieh mal an die Wand gedrückt worden. Das sah genauso aus wie dieses da und hatte auch diesen Blick. Ich kenne diese Sorte!«

Er nimmt die Laterne und geht vor Terry in den Stall hinein. Der Pinto wiehert seltsam und folgt seinem Herrn wie ein folgsamer Hund. Er geht auch ganz von selbst in die Box und schnaubt dabei dem zurückweichenden Stallmann ins Gesicht.

Terry McRay versorgt ihn schnell, legt den Sattel über den Balken und nimmt sein Bündel. Dem Stallmann gibt er einen Dollar.

»Ich weiß noch nicht, ob ich länger als eine Nacht bleibe«, murmelt er und geht hinaus.

Obwohl gut zehn Minuten vergangen sind, richtet sich der betäubte Riese erst jetzt auf. Er zieht sich am Wagenrad hoch, hält sich am oberen Rand der Wagenkante fest und stößt dabei seltsame Brummtöne aus, als Terry McRay ihn erreicht und verhält.

»Nun, Freund, wie hat dir das gefallen?«, fragt Terry höflich.

Der Riese wirft sich plötzlich vor, aber er ist noch sehr langsam und bestimmt noch nicht wieder völlig auf der Höhe.

McRay gleitet zwei Schritte zurück, und der Riesenkerl, der sich mit seinem ganzen Körpergewicht an ihn hängen und ihn zu Boden ziehen wollte, fällt, weil seine langen Arme ins Leere greifen und er nichts hat, woran er sich klammern könnte.

Als das Gesicht des fallenden Mannes in der richtigen Höhe ist, reißt McRay sein Knie hoch. Er hat zwar das Gefühl, als würde es gegen einen Stein stoßen, aber die Sache ist damit abermals erledigt.

Als McRay sich entfernt, hinkt er stark und flucht bitter vor sich hin. Am Hoftor setzt er einen Moment sein Bündel ab und massiert mit beiden Händen sein Knie.

Als er sich wieder aufrichtet, steht ein Mann neben ihm. Ein Marshalsstern blitzt matt in der Dunkelheit.

»Was ist passiert?«, fragt der Mann sanft. Seine Stimme klingt tief und ruhig.

»Ich bin mit dem Knie irgendwo angestoßen«, erwidert Terry und fragt dann höflich: »Wo kann ich hier für eine Nacht ein sauberes Bett bekommen?«

»Wir haben nur ein Hotel hier, da drüben. Kommen Sie nur mit, ich bin auf dem Weg zum Abendessen.«

Sie gehen nebeneinander her. Sie passieren die Lichtbahnen einiger Geschäfte und eines Saloons. Auf dem Schild stehen die Worte: PARADISE PALACE.

An beiden Schwingtüren sind bunte Plakate angeklebt, die in schreienden Farben das Bild einer verlockend schönen Frau aufweisen. McRay liest die Worte: »Fay Miller, die Nachtigall aus Maryland!«

Einen kurzen Moment verhält McRay überrascht seinen Schritt. Der Marshal sieht ihn von der Seite her an. Terry erwidert diesen Blick, und er sieht einen kleinen, kantigen und ergrauten Mann, dessen viereckiges Gesicht mit pergamentähnlicher Haut überzogen ist und dessen Nase dem scharfen Schnabel eines Falken gleicht. Scharfe, helle und wachsame Augen prüfen ihn.

Aber es erfolgt keine Frage – und das beweist Terry, welch guter Menschenkenner der Marshal ist.

Er weiß, dass ich mich nicht ausfragen lassen würde, er kennt meine Sorte sehr gut, denkt er und schenkt dem Oldtimer ein ruhiges Lächeln.

✰✰✰

Die Hotelhalle ist nur spärlich erleuchtet, am Pult sitzt ein Mann und starrt auf eine fleckige Zeitung.

Wortlos nickt er, als Terry nach einem Zimmer fragt, und schiebt ihm das Gästebuch hin. Als Terry sich einträgt, hört er im Hintergrund des Raumes ein Geräusch. Er wendet sich schnell um.

Einer der Rockys erhebt sich in der dunkelsten Ecke aus einem Sessel und kommt näher.

»He, wir sind uns doch heute schon einmal begegnet? Haben Sie unterwegs vielleicht doch etwas von dem Burschen gesehen, hinter dem wir her sind?«

Er kommt immer näher bei seinen Worten und hält dicht vor Terry an. Obwohl Terry selbst ziemlich groß ist, überragt er ihn noch um einen halben Kopf, und mit seinen mindestens zweieinhalb Zentnern ist er mehr als fünfzig Pfund schwerer als McRay.

»Rocky«, sagt Terry ruhig, »ich bin es jetzt mächtig leid, immer wieder ausgefragt zu werden. Auch wenn ich den Mann gesehen hätte, würde ich es Ihnen nicht sagen. Lassen Sie mich zufrieden mit Ihren Angelegenheiten!«

Er wendet sich wieder dem Portier zu, der schon den Zimmerschlüssel vom Brett genommen hat und ruhig zuhört. Der Alte zögert beim Hinüberreichen des Schlüssels.

Terry hört hinter sich das Schnaufen des Riesen und fühlt im nächsten Moment dessen schwere Hand auf der Schulter und wird herumgerissen.

»Mann, einem Rocky steht jeder Rede und Antwort!«

So schnauft der riesige Bursche und packt mit der anderen Hand nach Terrys Hemdbrust.

McRay tritt ihm mit aller Kraft gegen das Schienbein, reißt sich los, zieht den Colt und schlägt damit von der Seite her auf das Ohr des Muskelmannes. Der krallt seine Hand fest in Terrys Hemd und reißt es mit einem Ruck in Fetzen. Aber dann taumelt er, weil er keinen Halt mehr hat, schwankt gegen das Pult und kippt es fast um. Als er sich brummend wie ein Bär herumwirft, ist Terry dicht neben ihm. Durch eine schnelle Körperbewegung entgeht der Hüne dem Zugriff und bietet Terry sein ungeschütztes Genick.

McRay macht es noch einmal hart.

Als er sich nach dem Hotelmann umsieht, hält dieser eine Schrotflinte in den Händen. Läufe und Kolben der Waffe sind abgesägt. Es ist ein richtiges Teufelsding.

»Ich bin neutral«, sagt der Alte grimmig. »Ich führe nur ein Hotel und bin der friedlichste Mensch von Silverhorn. Ich will auch in meinem Haus keinen Streit. Schaffen Sie ihn bitte hinaus, Mister McRay.«

Terry sieht den Alten eine Weile schweigend an.

»Ich bin auch friedlich, wenn man mich nicht zu sehr bedrängt«, sagt er sanft. »Ich bin immer friedlich, wenn mir nicht gerade Burschen wie dieser hier dauernd in den Weg kommen. Stellen Sie Ihre Artillerie weg, Oldtimer!«

Der Alte sieht ihn eine Weile aufmerksam an, dann verbirgt er seine Flinte wieder unter dem Pult.

Terry nickt zufrieden, bückt sich und umfasst die Fußgelenke des Riesen. Er schleift ihn daran hinaus und lässt ihn neben der Tür auf dem hölzernen Gehsteig liegen.

Dann geht er wieder hinein, nimmt sein Bündel und den Zimmerschlüssel und geht langsam die Treppe hinauf.

Der Hotelmann starrt noch lange auf die leere Treppe – und dann wieder auf den Namen im Gästebuch.

✰✰✰

Als Terry den Speisesaal des Hotels betritt, ist die Zeit des Abendessens fast vorbei. Soeben erheben sich die letzten Gäste von den Tischen. Sie mustern ihn aufmerksam, aber als er ihre forschenden Blicke scharf erwidert, sehen sie zur Seite und verlassen nacheinander den Raum. Er kann sie ziemlich gut einschätzen und hält sie für den Bankier, für den Doktor und einige andere wichtige Persönlichkeiten der Stadt.

Er ist nun allein im Raum und nimmt an einem kleinen Tisch in der Ecke Platz. Ein hübsches und sehr feuriges Mädchen bringt ihm das Essen und verschwindet auffällig schnell.

Er isst langsam, und es dauert eine ganze Weile, bis er gesättigt ist. Nun wartet er auf den Kaffee und den Nachtisch. Aus der offenen Küchentür hört er manchmal das Lachen zweier Frauenstimmen. Unwillkürlich lauscht er schärfer. Als er den schönen Bariton einer Männerstimme hört, zuckt er leicht zusammen und erhebt sich. Mit einem grimmigen Lächeln geht er durch den Raum und tritt durch die Tür in die Küche.

Jim Pancake sitzt lächelnd an einem gedeckten Tisch, rechts von sich die dralle Köchin und links von sich das hübsche Mädchen. Er selbst betrachtet einen vorzüglich gebratenen Hühnerschenkel und beißt dann mit seinen prächtigen Zähnen hinein.

Und dann erzählt er kauend weiter: »... da sagte mein alter Herr also, dass ich mir ein richtiges Vollblutmädel aus dem Westen erobern müsste, wenn ich fürs ganze Leben eine Freude an der Ehe haben wollte. Nur eine prächtige Lady aus dem Westen ...«

Er verstummt, denn nun sieht er Terry in der Tür. Er winkt sofort mit dem Hühnerschenkel und ruft voller Freude: »Ah, Freund, hast du schon gegessen? Ladys, das ist ein guter Freund von mir, der berühmte Terry McRay aus Texas! Darf ich bekannt machen? Miss ...«

»Ich möchte meinen Nachtisch und recht viel Kaffee«, unterbricht Terry ihn trocken. Dann hebt er seinen langen Zeigefinger und sagt vorwurfsvoll: »Jimmy, du hast doch beim Abschied deiner jungen Frau versprochen, dass du so spät am Abend nicht mehr so viel essen willst!«

Er wendet sich lächelnd an die beiden Frauen und sagt mit sanfter Stimme: »Entschuldigen Sie bitte, Ladys, aber wenn er vor dem Schlafengehen so viel isst, bekommt er immer Albträume. Dann brüllt er um Hilfe. Einmal hat der Sheriff mit seinen Leuten das ganze Hotel umstellt, weil er dachte, Banditen wären in sein Zimmer eingedrungen und hätten ihn aus dem Bett gezerrt. Der Nervenarzt hat ihn nun in den Westen geschickt, damit er männlicher wird und sich nicht mehr im Bett fürchtet. Und er hat seiner jungen Frau und seinen beiden reizenden Kinderchen wirklich fest versprochen, dass er abends nicht mehr so viel isst. Bitte, beachten Sie das, meine Damen!«

Er bewegt noch einmal warnend seinen erhobenen Zeigefinger und will sich dann zurückziehen.

Aber das bringt er nicht fertig, denn Jim Pancake bietet ein zu seltsames Bild. Seine schönen Augen sind weit aufgerissen und treten hervor. Sein Mund steht offen – und dann muss er mächtig husten, weil ihm der letzte Bissen in die falsche Kehle gekommen ist.

Die beiden Frauen schnappen hörbar nach Luft.

Dann handeln sie schnell.

Die hübsche Kellnerin nimmt Jims Gitarre von einem Stuhl, holt weit aus und schmettert sie ihm auf den blonden Lockenkopf. Das Instrument verträgt diese raue Behandlung nicht und ruht schließlich als aparte Halskrause auf Jims Schultern, während seine Nasenspitze oben darüber hinausragt.

Er will aufspringen, doch jetzt bekommt er von der drallen und empört kreischenden Köchin seinen Teil.

Diese prächtige Lady hatte nämlich vorher Biskuitteig zubereitet. Nun holt sie die Schüssel mit zwei Schritten und stülpt sie über Jims Kopf.

»Dieser verlogene Kerl! Dieser raffinierte Casanova! Ah, er gehört auch zu dieser Sorte, die sich an jede anständige Frau heranmachen, um wie die Made im Speck leben zu können! Nun, jetzt wissen wir gut Bescheid!«

Sie ergreift die Nudelrolle, und die Kellnerin bewaffnet sich mit dem Kartoffelstampfer.

Jim hat inzwischen notdürftig Schüssel und Teig entfernt. Er hat die Augen rechtzeitig freiwischen können und erkennt nun die Gefahr.

Immer noch die Gitarre als Halskrause tragend, springt er zur Tür und brüllt mit bitterer Stimme: »Lüge! Alles Lüge! Glaubt ihm nicht! Er ist nur auf mich eifersüchtig! Er selbst hat zehn Kinder und ...«

Mehr hört Terry nicht, denn die beiden Frauenstimmen übertönen Jims Gebrüll. Und er ist auch schon durch die Hintertür in den Hof geflüchtet und wird immer noch von den beiden empörten Ladys verfolgt.

Terry erkennt, dass er wahrscheinlich auf den Nachtisch verzichten muss, und er hält es auch für besser, gleichfalls zu verschwinden. Er geht zu seinem Tisch zurück, legt einen halben Dollar neben den leeren Teller und geht auf die Straße hinaus.

Immer wieder schüttelt er sich vor unterdrücktem Lachen wie ein nasser Hund.

Erst als Terry McRay in den Saloon tritt, wird er wieder ernst, wachsam und voller Bereitschaft.

Es ist ruhig im Saloon, denn Fay Miller singt von der Liebe eines armen Cowboys zu einer reichen Ranchertochter. Ihre etwas kehlige Stimme übt eine besondere Wirkung auf die lauschenden Männer aus.

Langsam schlendert sie dabei durch die Tischreihen, und zwei Mexikaner, die ihre Gitarren bearbeiten, begleiten sie nicht nur zum Gesang, sondern auch auf Schritt und Tritt.

Terry McRay ist Fay Miller schon in verschiedenen Städten und Camps begegnet. Und wenn er gewollt hätte, so hätte sie auf ihre Lebensweise verzichtet und wäre ihm gefolgt, um barfuß für ihn betteln zu gehen oder an seiner Seite als Siedlerfrau hart zu arbeiten.

Terry weiß das. Und er weiß auch, dass sie ihm eine gute Frau geworden wäre, so sehr hatte sie sich geändert. Denn sie liebte ihn – und Liebe befähigt eine Frau zu vielen Dingen, zu guten und schlechten.

Jetzt hört er sie singen und sieht, dass sie sich auch äußerlich nicht verändert hat, aber vielleicht sind ihre Formen noch eine Idee reifer geworden, vielleicht gleicht sie jetzt noch mehr einer prächtigen Pantherkatze voller Feuer und Vitalität. Für viele Männer mag sie als die Verkörperung der Leidenschaft gelten, aber Terry weiß sehr gut, dass sie innerlich kühl ist. Sie hat sich niemals verloren und immer noch ihr Selbst behalten.

Terry weiß, dass sie nur ihn wirklich geliebt hat – und dies vielleicht jetzt noch tut.

Und doch entspricht sie nicht dem Wunschbild seiner Träume. Er hat es schnell erkannt, und es wäre von seiner Seite aus nicht die große Liebe geworden.

Warum sollte er sie betrügen?

Er sagte es ihr in Abilene – und sie schieden als Freunde.

Jetzt sieht er sie wieder.

Singend krault sie einem Goldsucher das bärtige Kinn und wirbelt singend weiter, als er nach ihr greifen will. Als sie sich dabei umdreht – stutzt sie einen Sekundenbruchteil. In ihren nachtschwarzen Augen, die so unergründlich tief sein können und dann wieder Terry viele Dinge verraten konnten, blitzt es kurz auf.

Sie hat mich erkannt, die letzten zwei Jahre des ruhelosen Reitens haben mich nicht verändert, denkt Terry und lächelt ihr zu.

Sie beendet das Lied, als sie vor Terry steht. Der Beifall bricht los, und die beiden Gitarrenspieler ziehen sich grinsend zurück.

Bevor ihm ein anderer Mann zuvorkommen kann, reicht Terry ihr den Arm und führt sie zur Tür der Privaträume.

Die Gäste an den Tischen sind aufgesprungen, und die Männer vom Schanktisch bilden ebenfalls eine Beifall brüllende Gasse.

»Noch ein Lied, Miss Fay!«

»Fay, ich schenke Ihnen meine Ranch!«

»Miss Fay! Miss Fay! Noch etwas für hungrige Herzen!«

So und noch mehr brüllen die Männer durcheinander. Aber sie treten ihr nicht zu nahe. Terry kennt das. Er weiß, dass sie irgendwo in den Falten ihres weiten Rockes einen Dolch verborgen hält.

Sie drückt seinen Arm, und er spürt den Duft ihres schwarzen Haares. Sie hat die Hautfarbe einer Spanierin, aber ihre kleine Nase hat einen kecken Schwung nach oben.

»Pass auf, Häuptling«, flüstert sie nur für ihn hörbar, »pass gut auf, denn Robin Drake ist hier.«

Er zuckt nicht zusammen, denn er war immer und zu jeder Sekunde darauf vorbereitet, dem ehemaligen Sattelgefährten zu begegnen. Aber eine grimmige Freude ist plötzlich in ihm.

Dann öffnet er ihr die Tür, und sie verschwindet mit einem leichten Nicken.

Als er sich umdreht und zum Schanktisch blickt, da sieht er über die Köpfe hinweg schnurgerade in Robin Drakes Augen.

Und er erkennt sofort, dass Robin Drake inmitten einer harten Mannschaft dort am Schanktisch steht. Es sieht so aus, als hätte diese Mannschaft am Schanktisch noch einen letzten Whisky getrunken und noch Fay Millers Auftritt abgewartet, um danach aufzubrechen.

Robin Drakes Blick verrät keine Überraschung oder gar Schuldbewusstsein. Er hat Terry schon früher erkannt als dieser ihn. Er hatte genügend Zeit, sich auf diese Begegnung zu vorzubereiten.

Terrys Rechte öffnet sich schon hinter dem Coltkolben, denn er ist mit schnellen Schritten um die Männer herumgegangen, die zwischen ihm und Robin Drake sind, er ist also bereit, schnell seinen Colt zu ziehen.

Da tritt Robin Drake vom Schanktisch weg, breitet seine langen Arme aus und brüllt vor Freude: »Terry – ho, großer Häuptling! Endlich sind wir wieder beisammen, alter Junge!«

Und er kommt bei diesem Löwengebrüll groß und schwer durch den Raum, wischt einen Mann zur Seite, der ihm zufällig in den Weg kommt, und schlägt seine mächtigen Hände auf Terrys Schultern.

Sein roter Haarschopf leuchtet wie eine Flamme, und in seinen gelben Löwenaugen ist nichts als wirkliche Freude.

Terry ist nun doch verblüfft und etwas durcheinander. Er glaubt nicht, dass Robin Drake so gut schauspielern könnte, wenn er sich schuldig fühlen würde. In Robins Augen – so meint Terry – würde er es erkennen.

Und er sieht nichts als Freude und zufriedene Erleichterung in Robins Augen. Das macht ihn unschlüssig, und er fragt sich im tiefsten Grund seines Herzens, ob alles nicht doch eine Verkettung unglücklicher Umstände sein könnte. Aber dann sind wieder das alte Misstrauen und die vorsichtige Wachsamkeit in ihm. Er hat schon immer jede Sache mit gleicher Münze bezahlt.

Deshalb grinst er jetzt ebenfalls zufrieden und beginnt auch seinerseits auf Robin Drakes Schultern herumzuschlagen.

Endlich halten sie inne. Robin Drake tritt sofort an Terrys Seite und hakt sich unter, aber nicht rechts, sondern links, sodass Terry seine Revolverhand weiterhin frei hat.

»Macht Platz für meinen Freund!«, ruft Robin den Männern am Schanktisch befehlend zu. »Macht Platz für den harten McRay aus Texas!«

Terry erkennt, dass diese Worte nicht so sehr Drakes Mannschaft, sondern auch den anderen Männern gelten, die der Begrüßung aufmerksam zugesehen haben.

Der Besitzer des Saloons – er unterscheidet sich von seinen drei Barmännern dadurch, dass er keine Schürze trägt – kommt mit einer besonderen Flasche und zwei Gläsern.

»Ins Hinterzimmer!«, ruft Robin Drake. »Ins Hinterzimmer! Erst will ich mit meinem Freund unter vier Augen Wiedersehen feiern!«

Er wendet sich nach diesen Worten an seine grinsenden und abwartend beobachtenden Reiter: »Reitet schon mal los, wir kommen etwas später nach! Reitet!«

Die Gruppe gerät sofort in Bewegung, als wüsste sie, dass der Boss nicht spricht, um nur seine Stimme zu hören. Nur ein kleiner, farbloser und vertrocknet wirkender Mann bleibt ruhig am Schanktisch stehen.

»Ich auch, Robin?«, fragt er mit einer lässigen und gedehnten Stimme, die recht aufreizend klingt.

Dabei sieht er Terry McRay an, unpersönlich und dennoch irgendwie mit einer tief in seiner Seele verborgenen Gier.

Er hat kalte Fischaugen.

Terry kennt diesen Mann, er hat ihn in Dodge City gegen die wilden Donovan-Brüder ziehen – und die Brüder sterben sehen. Ja, Terry kennt den berüchtigten Kenway Chase, und er fragt sich, was Chase wohl mit Robin Drake zu tun und in Drakes Mannschaft zu suchen haben mag.

»Du kannst hier auf uns warten, wir reiten dann gemeinsam«, sagt Robin Drake zu dem Revolvermann und wendet sich wieder Terry zu.

»Nun komm, alter Junge, wir haben uns eine ganze Menge zu erzählen!«

Der Saloonbesitzer kommt hinter ihnen in den Raum und stellt die Flasche und die Gläser auf den Tisch. Er sieht Terry dabei aufmerksam an und wartet auf etwas.

»Terry, das ist Jubal Boone«, stellt Robin Drake grinsend vor. »Jube ist der einzige Freund, den ich hier habe, und gute Freunde sind mächtig selten. Das ist McRay, Jube! Nun wirst du wohl bald deinen Pessimismus vergessen und auf unseren Erfolg wetten! McRay ist nicht zum Spaß hergekommen. Jetzt lass uns allein, Jube!«

»Sicher, sicher, jetzt sieht es fast so aus, als ob du eine kleine Chance hättest«, murmelt Jubal Boone und sieht Terry dabei immer noch abschätzend an.

Terry erwidert diesen Blick, und er sieht einen bulligen Mann, dessen zerschlagenes Gesicht die Zeichen vieler Kämpfe und eines rauen Lebens aufweist. Jubal Boone muss in seinen jüngeren Jahren einer jener Preiskämpfer gewesen sein, die ohne Handschuhe Boxkämpfe austragen – und das ist bestimmt noch nicht viele Jahre her.

»Sie haben jetzt genug gesehen«, sagt er zu dem Mann, und seine Stimme ist hart dabei.

»Gewiss, ich habe genug gesehen, entschuldigen Sie nur, McRay, aber ich sehe mir Männer mit berühmten Namen immer ganz genau an«, murmelt der Saloonwirt und geht hinaus. Er geht nach Indianerart auf den Außenkanten seiner großen Füße.

Als er die Tür hinter sich schließt, sehen sich die beiden einstigen Sattelgefährten eine Weile schweigend an. McRays Blick ist hart, und er sagt: »Du musst jetzt eine verdammt einleuchtende Erklärung abgeben können, Robin, sonst wird es bitter für dich. Ich bin seit zwei Jahren hinter dir her. Jetzt habe ich dich gefunden. Wenn deine Erklärung nicht gut ist, ziehe ich dir die Haut ab!«

Hart und mit der Unerbittlichkeit eines Mannes, der sich betrogen fühlt, sieht er ihn an. Und doch wirken seine Worte vielleicht etwas zu großspurig, jedenfalls für einen Fremden, der die beiden Männer nur nach dem Äußeren beurteilt.

Denn Robin Drake wirkt wie ein furchtloser Löwe. Er ist so groß wie Terry McRay, aber wahrscheinlich noch gut zwanzig Pfund schwerer. Er wirkt massiger in den Schultern und ist breiter in den Hüften. Sein rotes Haar ist wie ein herausforderndes Signal. Sein kurzer Schnurrbart jedoch ist gelb, und gelb sind auch die buschigen Augenbrauen. Er mag fünfunddreißig Jahre alt sein, ist also vier Jahre älter als McRay.

»Terry, du bist verbittert«, murmelt er sanft, »und ich würde es an deiner Stelle auch sein. Ich kann dich gut verstehen. Nun, meine einzige Entschuldigung ist, dass ich dich für tot hielt. Und das, meine ich, ist eine verdammt gute Entschuldigung! Setzen wir uns! Trinken wir noch einen Whisky! Ich freue mich wirklich mächtig, dass du mich gefunden hast. Terry, wir waren viele Jahre gute Sattelgefährten. Wir kennen uns wie Zwillingsbrüder. Du wirst mir glauben und nicht mehr daran denken, dass ich dich um deinen Anteil an unserem Gold betrügen wollte. Nein! Du bist gekommen, und du bist hier von dieser Minute an mein gleichberechtigter Partner. Dir gehört die Hälfte von dem, was ich hier besitze. Und das ist nicht wenig. Ich habe unser Gold gut angelegt! Setz dich, Freund! Das ist dein Glas! Auf unsere weitere Sattelkameradschaft, Freund!«

Er füllt die Gläser, Terry starrt auf Drakes Hand – und er sieht, wie diese unmerklich zittert.

Also ist Robin Drakes Ruhe nur äußerlich.

Drake reicht ihm das Glas. Terry nimmt es mit der Linken, und seine Rechte hängt noch immer hinter dem Coltkolben, der abgegriffen und bedrohlich wirkend an seinem Oberschenkel aus dem geschmeidigen Holster ragt.

Robin Drake ist sich über dieses Zeichen von Wachsamkeit vollkommen klar. Er lacht ein wenig freudlos. Dann trinkt er. Terry nippt an seinem Glas. Er ist noch unentschlossen. Er will erst Robin Drakes Geschichte hören.

»Yeah, wie war es damals gewesen, wie war das doch?«, murmelt Drake sinnend. Er dreht jetzt das Whiskyglas in seinen Händen und starrt hinein, als könnte er darin die Bilder der Vergangenheit sehen, als erstehe noch einmal alles vor seinen Augen, was gewesen war.

»Wir hatten uns einen halben Zentner Gold aus dem Apachenland geholt«, murmelt er. »Fünfzehntausend Dollar in Gold trug unser Packtier, und mehr als fünfzig Apachen waren schon tagelang auf unserer Fährte. So war es! Verdammte Apachenwüste! Ah, das Land ohne Wasser war fast noch schlimmer als die roten Teufel. Weißt du noch, wie wir beide kämpfen konnten? Gab es damals prächtigere Sattelgefährten als uns beide? Wir waren besser als so manche große Mannschaft! Aber dann hatten sie uns doch eingekreist. Wir hielten die Wasserstelle besetzt – aber sie war eine Falle. Wir saßen fest, und viele Patronen hatten wir auch nicht mehr. So war das doch, Freund?«

»Yeah«, nickt Terry McRay, »so war es. Erzähl nur weiter, Robin. Es ist gut, eine Geschichte mit dem Anfang zu beginnen. Weiter, Robin, weiter!«

Der nickt, und seine großen Augen, die so ruhig und gelassen sind wie die eines Löwen, starren ins Leere, als könnte er dort noch einmal alles sehen.

»Wir saßen in der Falle«, wiederholt er. »Wir hatten zwar Wasser, aber kaum noch Patronen. Sie hätten uns früher oder später bekommen. Es war Victorios Bande, und sie verstanden sich von allen Apachen am besten darauf, zwei solch erledigte Pilger wie uns fertigzumachen. So war es doch, Terry?«

»Nur weiter, Robin – nur weiter!«

»Wir kamen zu der Erkenntnis, dass einer von uns eine schwache Chance bekommen würde, wenn der andere sich opferte. Du hattest ein altes Kartenspiel, Terry. Ich zog die Pik-Zehn und du die Karo-Acht. Ich durfte den Versuch machen, meine Haut und mit ihr das Gold zu retten. Du nahmst es lächelnd hin, Terry, ah, man nannte dich vorher schon den ›harten McRay‹, und du warst wohl auch der härtere Mann von uns beiden. Well, wir machten eine Puppe und setzten sie auf mein Pferd. Dann rittest du mit meinem – hm, Stellvertreter – in die Nacht hinaus, und bald wusste ich, dass die roten Hundesöhne auf deiner Fährte waren, und lud mir den halben Zentner Gold auf den Rücken und schlug eine andere Richtung ein. Obwohl ich zu Fuß gehen und unseren Schatz schleppen musste – denn du hattest ja auch das Packpferd mitgenommen, um die Schufte richtig zu täuschen – war ich der glücklichere Mann von uns beiden.

Wir hatten vereinbart, dass wir in Tombstone einen ganzen Monat aufeinander warten sollten. Nun, ich war drei Wochen später in Tombstone, und ich habe dort lange genug gewartet, fast zwei Monate. Ich war auch ziemlich erledigt. Das Gold hatte ich vor der Stadt vergraben, denn ich wäre kaum in der Lage gewesen, es in Tombstone zu behalten. Diese Stadt war eine Hölle.

Als dann die doppelte Zeit verstrichen war, glaubte ich mit Sicherheit zu wissen, dass dich die Roten erwischt hatten. Natürlich stellte ich Nachforschungen an, aber erfolglos. Da holte ich das Gold aus dem Versteck und ging nach Norden. Was hast du mir also vorzuwerfen, Terry?«

Er hebt den Kopf und sieht den einstigen Sattelgefährten ruhig an.

McRay zeigt seine blitzenden Zähne und leckt sich über die Lippen. Robin Drakes Worte haben auch in ihm noch einmal alle Einzelheiten geweckt, die Erinnerung an die kleinsten Einzelheiten.

»Robin«, sagt er ruhig, »ich kann nicht nachprüfen, ob du in Tombstone lange genug gewartet hast. Als ich in diese Stadt kam, konnte mir niemand etwas über dich sagen. Und du wirst nicht abstreiten können, dass jeder Mann, der dich einmal gesehen hat, sich auch an dich erinnern kann.

In Tombstone wusste also niemand etwas von dir, als ob du niemals in der Stadt gewesen wärst. Aber gut, das kann alles ein unglücklicher Zufall sein. Warum hast du jedoch nicht für alle Fälle eine Nachricht hinterlassen? Du hättest zumindest in der Posthalterei einen Brief hinterlegen können. Dann hätte ich gewusst, dass du nach Norden geritten bist. Ich hätte dich gewiss schneller finden können. Das erscheint mir seltsam, Robin. Alles sah mir so aus, als ob du mit viel Mühe deine Spuren verwischt hättest. Das ist es, was ich erklärt haben möchte!«

Er sieht ihn hart an. Robin Drake hebt seine Hände und zeigt ihm nach Indianerart die Handflächen.

»Ich war lange genug in Tombstone«, wiederholt er eigensinnig. »Ich habe gewartet. Und ich habe dort meinen Unterhalt in Gold gezahlt, wir besaßen ja beide keinen einzigen Dollar mehr. Einige Gauner hatten bald heraus, dass ich Gold in der Hosentasche hatte. Sie vermuteten richtig, dass ich noch einen ganzen Haufen davon versteckt hatte und nur in die Stadt gekommen war, um mich wieder zu erholen und auf jemanden zu warten.

Sie ließen mich nicht aus den Augen und hofften, dass ich eines Tages abreiten und sie zu meinem versteckten Schatz führen würde. So war es. Deshalb bin ich bei Nacht und Nebel verschwunden und habe meine Fährte gut verwischt. Das galt nicht dir, Freund, denn dich hielt ich längst für tot. Ich musste sehen, wie ich ohne Verdruss mit dem Gold verschwinden konnte! Mit dir zusammen hätte ich es mit der verdammten Buschräuberbande aufgenommen!

Terry, wir sind zusammen so unbesiegbar, dass wir beide uns eine Welt erobern könnten. Ich bin hier dabei, es zu tun – mithilfe unseres Geldes! Ich habe es gut angelegt. Was kann ich jetzt anderes tun, als dir die Partnerschaft und die Hälfte meines Besitzes anzubieten?«

Er erhebt sich und hält Terry die große Hand hin.

»Schlag ein! Und dein Anteil hat bereits gute Zinsen gebracht! Ich habe eine Ranch gekauft! Oben in den Tälern. Zweitausend Rinder und zehntausend Schafe!«

»Schafe?«

»Yeah, Schafe, Terry! Die Weide in den Bergtälern ist nicht so gut, und ...«

»Warum hast du denn diese Ranch gekauft, Robin?«

Der grinst jetzt, und in seinen Augen entsteht ein besonderes Leuchten. So sieht ein Mann aus, der große Pläne hat und einem Ziel zustrebt, von dem er sich die Seligkeit und das wahre Glück verspricht.

»Die Ranch ist ihr Geld wert, Terry. Zum Brachland gehört nämlich der Comanche Pass, genauer gesagt: Die Ranch liegt mitten im Pass. Er gehört ihr, und dieses Eigentum ist registriert und eingetragen. Das ist es, Terry!«

Der nickt nachdenklich und fragt dann: »Und wie wichtig ist der Pass?«

»Sehr wichtig! Hundert Meilen hinter dem Pass liegt Benson City. Dort ist ein Verladebahnhof für Vieh. Dieses Land hier westlich des Passes wird von Benson City aus mit Waren jeder Art versorgt. Wenn es diesen Pass nicht gäbe, würde jede Treibherde, jeder Frachtwagentreck und jede Postkutsche einen tage- oder wochenlangen Umweg machen müssen. Wer den Pass in der Hand hat, bestimmt die Politik in diesem County. Mit dem Pass als Druckmittel kann ein entschlossener Mann seine Feinde schlagen und seinen Freunden sehr nützlich sein. Und weiß Gott, ich bin ein entschlossener und ehrgeiziger Mann!«

Terry McRay nickt wieder nachdenklich. Für ihn ist nun alles sonnenklar. Dieses Spiel um Macht, Einfluss, Reichtum und Landbesitz kennt er gut. Verschiedentlich hat er in diesem Spiel schon mitgewirkt, seine Lektionen bekommen und Erfahrungen gesammelt.

»Well, du hast also einen mächtigen Trumpf eingekauft, Robin. Aber vor dir haben schon andere Männer diese Ranch besessen. Was ist aus ihnen geworden?«

»Sie sind tot – oder sie wurden von den Paynes vertrieben«, grinst Robin Drake. »Die Paynes, musst du wissen«, fährt er fort, »sind nämlich die Macht hier im großen Tal. Was außer ihnen noch hier unten lebt, leckt ihnen die Stiefel oder ist mit ihnen verbündet. Die Paynes sind die Könige dieses Countys. Wenn wir hier nicht einen verdammt harten Marshal hätten, würde ihnen auch diese Stadt gehören. So aber gehört sie ihnen nur halb. Die Paynes haben mehr Land, als gut für sie ist. Ihr Rinderbestand wird auf fünfzigtausend Köpfe geschätzt. Aber das Land ist groß genug für die vierfache Menge Rinder! Es ist zum großen Teil freie Regierungsweide! Wenn ein starker Mann kommt und die Paynes zum Teufel jagt, kann ...«

»Mit Schafen?«

»Ich will meine Schafe oben in den Bergtälern lassen und hier unten mit Rindern beginnen, Partner!«

»Aber vorher musst du die Paynes niederkämpfen, was? Und damit sie dich angreifen und du einen guten Grund bekommst, sie zu zertreten, hast du die Pass-Ranch gekauft!«

»Yeah! Sie haben bis jetzt jeden Pass-Rancher zum Teufel gejagt oder sich freien Zutritt erzwungen. Terry, meine Mannschaft ist stark genug, um ihnen die Zähne zu zeigen. Mit dir und Kenway Chase zerbrechen wir die Paynes!«

»Nenne mich nie wieder in einem Atemzug mit diesem verdammten Mörder Kenway Chase«, murmelt McRay sanft, aber warnend und mit einem tiefen Ernst. »Du kannst den Menschen hier im großen Tal nicht das Durchzugsrecht über den Pass verweigern, Robin!«

Der grinst. »Das tue ich auch nicht, sonst hätte ich ja auch diese Stadt und alle kleinen Leute gegen mich. Nein, ich verlange nur von den Paynes, dass sie mir hier im großen Tal ein Stück der freien Regierungsweide abtreten. Ich verlange also nur ein Stück Weide für meine Rinder, die ihnen ja ohnehin nicht gehört und die sie nur auf Grund ihrer Stärke besetzt halten.

Dafür würde ich auch den Paynes und ihren Anhängern den Durchzug über den Pass gestatten. Was kann ich dafür, wenn die Paynes so stolz und großspurig sind, dass sie auf meinen Vorschlag nicht eingehen und es lieber mit Gewalt versuchen werden? Was kann ich dafür, Freund! Ich werde sie mit blutigen Köpfen heimschicken. Und wenn ich sie geschlagen habe, bringe ich Rinder auf diese Weide und jage die Paynes immer mehr zurück!

So wird es sein, Freund. Wenn wir mit dieser Sache eines Tages fertig sind, sind wir schwerreiche Rinderkönige. Nun, habe ich unser Gold nicht gut angelegt?«

Er sieht bei dieser Frage seinen einstigen Sattelgefährten nicht an, sondern schenkt die Gläser voll. Mit ihnen erhebt er sich und tritt zu Terry heran.

»Also trinken wir auf die Erneuerung unserer Sattelkameradschaft und unsere Zukunft. Du hast schon immer gerne gekämpft, Terry! Hier hast du alles nach Wunsch: Kampf, ein lohnendes Ziel – und die Gewissheit, die Herrschaft der Paynes über dieses Land zu brechen, damit auch kleinere Leute zu ihrem Recht kommen. Ich will nur ein großes Stück Weide für zehntausend bis zwanzigtausend Rinder. Mehr will ich nicht, denn in den Bergen kann ich zwanzigtausend Schafe halten, die auch Geld einbringen.