4,99 €
3 spannende Westernromane lesen und sparen!
G.F. Unger ist der erfolgreichste deutschsprachige Western-Autor. Mit einer Rekordauflage von über 250 Millionen Exemplaren gehört er zur internationalen Spitzenklasse der Spannungsliteratur. Und das zu Recht!
Niemand vermag es wie er, die unermesslichen Weiten des amerikanischen Westens und die Stärke der unerschrockenen Männer, die sie erschlossen, zu beschreiben. Erleben Sie den amerikanischen "Wilden Westen", wie nur G.F. Unger ihn schildern kann: hart, authentisch, leidenschaftlich.
Dieser Sammelband enthält die Folgen 2581 bis 2583:
2581: Der Wildpferdjäger
2582: Sattelgefährten
2583: Kriegsfeuer
Der Inhalt dieses Sammelbands entspricht ca. 192 Taschenbuchseiten.
Jetzt herunterladen und sofort sparen und lesen.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 461
Veröffentlichungsjahr: 2025
BASTEI LÜBBE AG
Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben
Für die Originalausgaben:
Copyright © 2022 by
Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln
Vervielfältigungen dieses Werkes für das Text- und Data-Mining bleiben vorbehalten.
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Für diese Ausgabe:
Copyright © 2024 by
Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln
Covermotiv: © Prieto/Norma
ISBN: 978-3-7517-7878-7
https://www.bastei.de
https://www.luebbe.de
https://www.lesejury.de
Cover
Titel
Impressum
Inhalt
G. F. Unger Western-Bestseller 2581
Slades Colt
G. F. Unger Western-Bestseller 2582
Die Dundees
G. F. Unger Western-Bestseller 2583
Das Gold der Schwarzen Berge
Start Reading
Contents
Slades Colt
Der Storehalter sieht den Fremden mitten auf der Fahrbahn stehen. Drei Reiter halten soeben keine dreißig Schritte entfernt ihre erschöpften Pferde an. Als sie aus den Sätteln rutschen, schwanken die Tiere. Eines seufzt fast wie ein Mensch.
Dann treten die drei Männer einige Schritte vor.
Da und dort gibt es nun Zuschauer. Allen ist klar, dass hier eine Fährte endet. Eigentlich kann es nur die Fährte dieses einsamen Mannes sein, der offenbar hier von seinen Verfolgern eingeholt worden ist.
Es ist still in Opal.
»Das wär's also, Slade. Jetzt kannst du vor uns nicht weiter fortlaufen.«
»Weiter wollte ich auch nicht«, erwidert der Fremde, der Slade heißt. »Ich wollte nur hierher. Meine Munition war alle. Oder hättet ihr mir ein paar Patronen geliehen?«
Sie staunen, und sie begreifen, dass er nicht vor ihnen weglief, sondern nur Munition brauchte.
Plötzlich grinsen die drei Männer.
Und einer ruft: »Nein, keine Munition – nur heißes Blei! Ich komme jetzt, Slade. Wir haben es ausgelost! Ich bin es, der dich zur Hölle schicken wird!« Nach diesen Worten zieht er seinen Colt und setzt sich in Bewegung ...
Es soll also kein Duell mit schnellem Ziehen und Schießen werden. Wer will, kann schießen, sobald die Distanz günstig genug ist.
Slade setzt sich nicht in Bewegung. Er steht still und wartet. Sein Colt ist noch im Holster.
Der Mann, der es mit ihm austragen will, ist Jed Jollymaster.
Slade kennt die Jollymaster-Brüder gut genug, um sie unterscheiden zu können. Die beiden anderen heißen Cole und Bill.
Jed Jollymaster glaubt nun, nahe genug zu sein.
Denn er hält inne, hebt den Colt, zielt und schießt.
Die Kugel fetzt durch Slades über dem Gürtel etwas aufgebauschtem Hemd.
Jed Jollymaster macht noch zwei Schritte. Dann gibt er den zweiten Schuss ab und schreitet dabei weiter vorwärts.
Diese Kugel zupft an Slades linker Schulterspitze, reißt das Hemd auf und ritzt leicht die Haut.
Jed Jollymaster wird nun zu ungeduldig, zu hastig. Er will zu schnell näher heran und schießt dabei.
Aber die Entfernung ist für einen sicheren Coltschuss immer noch sehr weit, zumal Jed Jollymaster ja nicht fest steht und ruhig zielt, sondern selbst in Bewegung ist.
Diesmal verfehlt er völlig.
Und die ganze Zeit über steht Sloan Slade still, so als wüsste er genau, dass Jed Jollymaster nicht treffen wird.
Aber er kann das gar nicht wissen. Und so ist sein regloses Verharren wohl schon sein Glaube an die Unabänderlichkeit seines Schicksals. Oder kann man dieses Warten als Mut bezeichnen?
Auf jeden Fall verrät es ungewöhnliche Nervenstärke, wenn ein Mann den Gegner dreimal auf sich schießen lässt, sich nicht rührt, stur wartet, bis die Entfernung einen sicheren Schuss erlaubt.
Immer noch steckt der Colt in Sloan Slades Holster, als Jed Jollymaster endlich stehen bleibt, um nun möglichst sicher zu schießen.
Und er wird diesmal gewiss richtig treffen.
Aber da taucht plötzlich in Sloan Slades Hand der Colt auf.
Es ist wie Zauberei.
Der Schuss kracht. Und im Moment des eigenen Abdrückens wird Jed Jollymaster getroffen. Deshalb schießt er auch die vierte Kugel vorbei.
Und noch bevor er umfällt, ist er tot.
Sloan Slade behält den rauchenden Colt in der Hand.
Er sieht zu Jeds Brüdern hinüber.
Diese verharren noch, und sie wirken so, als könnten sie das, was sie soeben mit eigenen Augen sahen, noch gar nicht glauben.
Aber dann reagieren sie.
Sie brüllen auf, so als wären sie von Pfeilen durchbohrt worden.
Nun wollen sie keinen fairen Kampf mehr.
Jetzt wollen sie den Bruder rächen, vernichten, töten, ihren Schmerz abreagieren.
Sie kommen schießend heran, und ihre Taktik ist von ihrer Sicht aus gar nicht so verkehrt. Von zwölf Kugeln, die sie abschießen können aus ihren Colts, müssen doch ganz gewiss einige treffen. Selbst auf diese große Entfernung kann ein Mann ihrem Kugelhagel nicht entgehen.
Das weiß auch Sloan Slade.
Er macht ihnen einen einzigen Schritt entgegen, fällt auf ein Knie und stützt den Ellbogen des Revolverarms auf das hochgestellte Knie. Die Linke ist seine Revolverhand, und mit der Rechten umfasst er deren Gelenk, sodass er fast beidhändig den Colt hält.
Schon mit dem ersten Schuss trifft er, und er wird zugleich selbst leicht verletzt.
Er wechselt schnell das Ziel und gibt den dritten Schuss in diesem Kampf ab.
Und auch mit dieser Kugel trifft er.
Nach Jed und Bill fällt nun auch Cole Jollymaster.
Der Kampf ist vorbei.
Die Jollymasters verfeuerten mehr als ein Dutzend Kugeln, von denen drei Sloan Slade leicht ritzten.
Er selbst schoss dreimal – und traf jedes Mal voll.
✰✰✰
Als Slade sich bückt, um die Taschen der Jollymasters zu durchsuchen, nähern sich der Marshal und einige Bürger. Sie bilden einen schweigsamen Kreis und sehen zu.
Aber als es dann klar wird, dass Sloan Slade den Toten Geld aus den Taschen holt, dieses Geld sorgfältig zählt und dann einsteckt, so als gehörte es ihm, da fragt der grauköpfige Marshal: »Meinen Sie nicht, dass Sie uns eine Erklärung schuldig sind, Fremder?«
Sloan Slade blickt in die Runde, und er sieht ernste Gesichter.
Der Storehalter, bei dem er sich die Patronen holte, ist unter den Leuten, dann ein Mann, der von drüben aus der Bank kam – und ein anderer Mann trat aus dem großen Saloon.
Sie alle warten auf seine Erklärung. Außer diesen soeben genannten Männern sind noch andere Zuschauer da.
Doch sie halten einigen Abstand.
Aber dann kommt eine Frau herbei, eine junge Frau mit rotblonden Haaren und hellen Augen. Sie wirkt sehr energisch, und sie ist mehr als nur auf eine eigenwillige Art hübsch.
Auch diese Frau tritt zum engeren Kreis der Männer, und offenbar gehört auch sie zu den Honoratioren dieser Stadt, also zu den angesehenen und maßgebenden Bürgern von Opal.
Sloan Slade nickt dem Marshal zu.
»Gewiss«, sagt er, »dies bin ich dieser Stadt wohl schuldig. Ich habe weiter im Süden Wildpferde gejagt mit zwei Partnern. Wir hatten eine prächtige Herde in einer Schlucht. Fast alle Tiere waren schon zugeritten. Es waren genau siebenundfünfzig. Drei Monate Arbeit steckten in dieser Herde.«
Er macht eine kleine Pause. Sein Blick geht in die Runde. Der Kreis um ihn ist dichter geworden. Jeder möchte seine Erklärung hören.
»Mein Name ist Slade, Sloan Slade«, spricht er weiter. »Meine Partner und ich losten aus, wer Proviant holen sollte. Es war weiter als ein Tagesritt zu jenem mexikanischen Dorf. Ich zog das Los. Und als ich nach zwei Tagen wiederkam, waren meine beiden Partner tot, erschossen von Pferdedieben. Und die Herde war weg. Ich folgte der Fährte hinüber nach Mexiko. Doch ich kam einen halben Tag zu spät. Die Pferde waren schon verkauft – für zwanzig Dollar das Stück. Diese Burschen hier waren uns also tausendeinhundertundvierzig Dollar schuldig. Ich nahm ihre Fährte auf. Irgendwann merkten sie, dass sie verfolgt wurden. Sie legten mir einen Hinterhalt und töteten mein Pferd. Ich musste meinen Sattel und auch das andere Gepäck zurücklassen. Ich entkam ihnen zu Fuß, weil es Nacht wurde und auch ihre Pferde erschöpft waren. Es fehlte ihnen vor allen Dingen an Wasser. Irgendwann in einer der folgenden Nächte umging ich die drei Banditen. Ich musste zum nächsten Store, um mir Munition zu kaufen. Denn ...«
Er verstummt und winkt ab, so als wolle er sagen: Zu was soll das gut sein, wenn ich euch erzähle, warum meine Munition alle war? Ich hatte verschossen, was in meinem Colt und im Gürtel war. Und mein Gepäck, in dem sich die Reservepatronen befanden, verlor ich mit dem Pferd.
Er blickt schweigend in die Runde.
Dann sieht er auf den Marshal.
»Meine Partner waren verheiratet«, sagt er. »Ich gebe Ihnen ihre Anschriften. Dann können Sie den Witwen die Anteile vom Pferdeverkauf senden – ja? Jeder bekommt ein Drittel.«
Sie alle sehen ihn an, und sie wissen jetzt, was für ein Mann er ist und warum er hier kämpfen musste.
Dass ihn die Mörder und Pferdediebe töten wollten, lag klar auf der Hand. Er wusste zu viel über sie, und sie hätten sich immer von ihm bedroht gefühlt. Er hätte ihre Namen jedem Sheriff nennen und überall Anzeige gegen sie erstatten können.
Sie mussten ihn töten.
Die Leute von Opal begreifen das alles.
Und sie begreifen noch mehr, nämlich, dass ein Mann in die Stadt kam, der mit seinem Colt unbesiegbar ist.
Der Marshal nickt ihm zu.
»Ich setze ein Protokoll auf«, sagt er. »Sie kommen morgen und unterschreiben. Stellen Sie sonst noch Ansprüche an die drei Toten außer dem Geld – also dem Betrag von tausendeinhundertundvierzig Dollar?«
Sloan Slade nickt.
»Eines der Pferde samt Sattel und Gewehr«, sagt er. »Ich nehme diesen Pinto. Der Erlös für die beiden anderen Tiere reicht wohl für die Beerdigung, ja?«
Der Marshal nickt.
»In Ordnung«, sagt er. »Sie bluten, Sloan Slade. Aber der Doc ist fort. Der ist zur Morning-Star-Mine geritten. Dort gab es ein paar Unfälle.«
Slade nickt nur.
Er drängt sich nun durch den Kreis der Leute. Sie können ihm gar nicht schnell genug Platz machen.
✰✰✰
Als Sloan Slade das Hotel betritt, stolpert er über die Schwelle. Doch er fängt sich und erreicht das Anmeldepult.
Aber hinter ihm kommt eine Frau herein, die nun hinter das Pult tritt und ihn fest ansieht.
»Ihren Namen«, sagt sie, »habe ich vorhin schon aus Ihrem Munde gehört. Sloan Slade, nicht wahr? Wollen Sie ein Zimmer?«
Er nickt, und er muss sich an der Ecke des Schreibpultes festhalten. Er wirkt fast wie ein Betrunkener. Aber es ist die Schwäche, die ihm nun zu schaffen macht.
Sie greift unter das Pult und holt eine Flasche und ein Glas hervor, schenkt zwei Fingerbreit ein.
»Das wird Ihre Lebensgeister noch einmal anfachen«, sagt sie. »Denn ich kann Sie natürlich nicht ins Bett tragen. Sie müssen noch aus eigener Kraft die Treppe hinauf.«
Er staunt sie an.
Vorhin ist sie ihm gar nicht in der Menge aufgefallen. Er kann sich nur an die rothaarige Schöne erinnern, die ihn so fest ansah. Diese Frau hier muss sich mehr im Hintergrund gehalten haben.
Sie ist dunkelhaarig und hat blaue Augen von einer intensiven Farbe, welche dunkler ist als der Himmel. Er entdeckt trotz seiner Müdigkeit ein paar Sommersprossen auf ihrer Nase und den Wangen.
Dann trinkt er den Whisky. Und dieser regt seine Lebensgeister noch einmal an.
»Ja, bis in ein Bett schaffe ich es noch«, sagt er.
»Dann folgen Sie mir. Wollen Sie auch ein Bad?« Sie geht vor ihm her zur Treppe. »Sie sind verwundet«, sagt sie. »Wenn Sie nichts dagegen haben, kümmere ich mich um die Wunden.«
»Mir ist alles gleich«, murmelt er heiser. »Wenn ich mich nur hinlegen kann, ist mir alles gleich.«
Und er folgt ihr stolpernd in ein Zimmer und fällt dann auch schon bäuchlings auf das Bett.
✰✰✰
Slade erwacht nach einigen Stunden. Es ist schon fast Abend. Denn vom Himmel fällt das Rot des Sonnenuntergangs durch das Fenster.
Er fühlt sich müde und zerschlagen. Noch längst hat er nicht ausgeschlafen. Es war der Hunger, der ihn weckte.
Dies wird ihm klar, als er seinen Magen knurren hört und den Schmerz des Hungers in den Eingeweiden spürt.
Er erinnert sich, dass er nun schon länger als drei Tage nichts essen konnte.
Und so erhebt er sich.
Er ist nackt bis auf die Unterhose. Seine leichten Wunden wurden offensichtlich gesäubert und dann mit Pflastern bedeckt.
Ob das dieses Blauauge tat? Dies fragt er sich.
Als er die Tür zum Gang öffnet, taucht dort ein Schwarzer auf, an den er sich gar nicht erinnert.
»He, Freund«, sagt Slade heiser, »hast du hier deinen Job?«
Der Schwarze nickt und kommt näher. Er grinst. Und er blickt Slade fest in die Augen.
»Sir, was wollen Sie zuerst?«, fragt er. »Die Badewanne oder ein reichliches Essen?«
»Beides möglichst zugleich«, grinst Slade zurück.
»Ich bin George«, sagt der Schwarze, »George Stonewall. Und ich tue, was ich kann.«
Er eilt die Treppe hinunter.
Slade geht ins Zimmer zurück. Die Schwäche lässt ihn leicht schwanken. Er tritt ans Fenster und blickt auf die Straße hinunter.
Und nun erkennt er die Stadt Opal nicht wieder. Dieses Opal hat sich völlig verändert.
Heute gegen Mittag schien es ein verschlafenes Nest zu sein, das träge in der Sonnenhitze döste. Nun aber sieht er eine Menge Wagen rechts und links der Main Street! An den Haltebalken vor den Stores, dem großen Saloon, den kleinen Kneipen – und unten vor dem Restaurant stehen eine Menge Sattelpferde. Und es kommen immer noch Wagen und Reiter von draußen herein.
Die Wagen aber sind zumeist von besonderer Art. Solche Wagen verwendet man in den Minen, um das Erz zu transportieren.
Nun transportieren diese Fahrzeuge hungrige und durstige Minenleute.
Aber es gibt auch typische Farmer- und Ranchwagen.
Sloan Slade steht still am Fenster und betrachtet alles – auch die Reiter, die da hereingeritten kommen. Es sind Cowboys und auch Farmer darunter. Doch sein kundiger Blick erkennt in der Dämmerung des sterbenden Tages auch jene andere Sorte, die schwer zu beschreiben ist.
Oh, er kennt diese Sorte gut. Das sind Männer, die zumeist in verborgenen Camps leben und sich durch Kühnheit behaupten, Männer, die von unbestimmbaren Einkünften leben und irgendwo flüchten mussten vor dem Gesetz oder Feinden.
Sloan Slade wird sich nun erst darüber klar, was Opal für eine Stadt ist und welches Umland sie hat, für das sie sozusagen »der Nabel der Welt« ist, hier am Rande der Apachenwüste.
George, der riesige Hotelbursche, kommt nun nach kurzem Klopfen mit einem Tablett voller Speisen herein. Er setzt es auf dem Tisch ab.
»Soll ich decken, Sir – oder lieber die Badewanne und Wasser holen?«, fragt er ruhig.
Sloan Slade sieht den Schwarzen an, und es entgeht ihm nicht, dass dieser George Stonewall ein sehr selbstbewusster Mann ist. Seine Ausdrucksweise weist ihn als einen gebildeten Mann aus.
»Die Badewanne wäre mir lieber, George«, sagt Sloan Slade und tritt näher an den Tisch.
»Hammelbraten«, sagt der Schwarze. »Der war eingelegt in Buttermilch. Dazu grüne Bohnen, eine feine Soße und Kartoffeln. Recht so, Sir? Zum Nachtisch gibt es dann Apfelkuchen und Kaffee. Recht so, Sir?«
Sloan Slade nickt nur – und er setzt sich an den Tisch und macht sich über all die Dinge her.
George Stonewall schenkt ihm nur noch im Abwenden einen schrägen Blick. Dann geht er hinaus, um die Badewanne zu holen.
Er bringt sie schnell, stellt sie mitten in den Raum und holt dann mehrmals mit zwei großen Holzeimern heißes Wasser.
Und immer dann, wenn er wieder zur Tür geht, wirft er einen Blick auf den langsam essenden Mann.
Als er fertig ist, fragt er: »Ist alles gut so, Sir?«
»Du kannst mich mal mit diesem dämlichen Sir«, murmelt Sloan Slade kauend. »Dein Sir und dein Blick passen nicht zusammen, Amigo. Da kommt man sich verarscht vor. Also lass es.«
Er grinst zum Schluss.
George starrt ihn an. Dann grinst auch er.
Und dann sagt er: »Ach, die meisten Gentlemen verlangen nun mal, dass ein Schwarzer sie mit Sir anredet. Soll ich mich mit ihnen anlegen?«
Er geht zur Tür, wendet sich jedoch dort noch einmal um.
»Wenn Sie eine Frage erlauben, Mister Slade, dann würde ich Sie fragen, ob Sie länger hier in Opal zu bleiben gedenken.«
»Ein oder zwei Tage bestimmt noch«, erwidert Slade und erhebt sich, um in die Badewanne zu steigen. »Du könntest mir frisches Unterzeug besorgen – und ein Hemd, am besten ein grünes oder blaues Flanellhemd. Hier ist Geld, George.«
Er deutet auf einen Stuhl, auf dem sein Hut liegt.
Im Hut aber ist alles Geld, welches er den drei Jollymasters abnahm.
»Socken und ein Halstuch brauche ich auch. Also nimm dir zwanzig Dollar und kaufe mir was drüben im Store. Ich bin dort auch noch die Bezahlung für eine Hand voll Patronen schuldig.«
Er steigt in die Badewanne – aber er legt seinen Colt griffbereit daneben auf den Hocker, auf dem auch die Seife liegt, die George ihm brachte.
George steht immer noch an der Tür und beobachtet ihn. Aber er sieht dabei wie ein Mann aus, der etwas sagen möchte.
Sloan Slade, der es sich nun in der Badewanne so bequem wie möglich macht, wobei er jedoch darauf achten muss, dass er seine leicht von einem Streifschuss verletzte Schulter nicht ins Wasser taucht, sieht zu ihm hinüber.
»Hast du noch was auf dem Herzen, George?«, fragt er.
Dieser tritt drei Schritte von der Tür weg. Dann sagt er mit deutlich leiserer Stimme als bisher: »Es gibt hier ein paar Leute, die werden sich Ihren Colt kaufen wollen, Mister Slade. Solch ein Colt wie Ihrer, der könnte in dieser Stadt und in diesem Land auf verschiedene Art Geschichte machen, verstehen Sie? Es käme darauf an, wer diesen Colt auf seiner Seite hat. Ja, Ihr Colt könnte Geschichte ...«
»Und warum erzählst du mir das, George Stonewall?«, unterbrach ihn Slade, bevor der Schwarze aussprechen kann.
Aber der gibt ihm auf die Frage keine Antwort, sondern geht aus dem Zimmer.
Sloan Slade starrt noch eine Weile auf die Tür.
Als es klopft, ruft er automatisch: »Ja?« Die Tür geht auf, denn dieses »Ja« konnte durchaus als Einladung zum Eintreten aufgefasst werden.
Seine Hand, die schon nach dem Colt neben der Wanne auf dem Schemel greifen wollte, verharrt.
Denn es kommt kein Mann herein.
Er kann sich an die rassige Hotelwirtin noch gut erinnern. Sie hatte ihm am Anmeldepult den Whisky eingeschenkt, der noch mal seine Lebensgeister anregte, sodass er es noch die Treppe hinauf und bis in dieses Zimmer schaffte.
Wahrscheinlich war sie es auch, die seine Wunden versorgte. Aber es waren ja nicht mehr als Hautritzer. Es macht ihm nichts aus, dass die Hüftwunde im Wasser ist. Nur die leichte Wunde an der Schulter hält er lieber trocken.
»Ich bin Laura Randell«, sagt die Besucherin und wirft ein großes Bündel auf das Bett. »Da ist Zeug, das Ihnen passen wird, Sloan Slade«, sagt sie. »Es ist alles gut gereinigt oder gewaschen. Sie können es unbesorgt anziehen.«
Dass er nackt in der Badewanne liegt, scheint Laura Randell nicht zu irritieren.
Er betrachtet sie, und weil George schon vorhin die Lampe anzündete, kann er sie gut sehen. Diese Laura Randell ist mehr als rassig. Ihre Bewegungen sind die einer ausgebildeten Tänzerin. Das erkennt er sofort.
»Wem gehörte das Zeug?«, fragt er.
»Ach, einem Bekannten«, erwidert sie. »Er sah fast so aus wie Sie, Sloan Slade. Zumindest hatte er Ihre Figur und auch Ihr Körpergewicht.«
»Und jetzt?«
»Er ist tot. Aber als er starb, trug er dieses Zeug nicht. Er war ein Spieler und starb an einem Pokertisch. Er trug einen schwarzen Samtanzug und ein gerüschtes Seidenhemd.«
Ihre Stimme klingt gewollt gleichgültig. Slade ahnt, dass sie jetzt untertreibt und ihr der Tod dieses Spielers wahrscheinlich gar nicht so gleichgültig war.
»Sie bekommen keine besseren Sachen hier in Opal«, sagt sie und hält nun vor dem Tisch inne. Sie betrachtet die leeren Schüsseln.
»Warum?«, fragt Slade knapp.
Sie wendet sich ihm mit einer leichten Bewegung zu. Sie ist mittelgroß und wiegt wohl so um die hundertzwanzig Pfund. Es ist an ihr alles vorhanden, was an einer Frau sein muss. Und sie strömt eine Menge reizvoller Weiblichkeit aus. Ihr Mund ist lebendig, und in ihren dunkelblauen Augen funkelt es.
»Warum ich Ihnen mehr helfe, als es normal ist bei einem Gast?«
Er nickt nur und versucht nun, sich mit einer Hand den Kopf zu waschen, nachdem er sich in der Wanne aufsetzte.
Sie tritt hinter ihn und sagt: »Ich mache das.«
Er lässt es geschehen. Ihre Hände waschen kundig, wie es nur Frauenhände können.
Sie sprechen kein Wort. Erst nachdem sie ihm die Haare mit einem Handtuch getrocknet hat, sagt sie: »Nun, Sloan Slade, ich bin verdammt allein in dieser Stadt. Und ich bin eine von diesen Frauen, die nicht warten, bis der Blick eines Mannes wohlgefällig auf ihnen ruht. Sie gefallen mir, Sloan. Ich habe Sie kämpfen sehen. Ihnen wäre nicht geschehen, was John Callahan passierte am Pokertisch. Ich denke mir, dass ein Mann wie Sie nach solch einem Kampf sehr allein ist. Einsam. Aber das brauchen Sie gewiss nicht zu sein. Verstehst du mich, Sloan?«
Sie steht noch hinter ihm, aber nun kommt sie seitlich um die Wanne herum zum Vorschein und hängt das Handtuch über die Stuhllehne.
Dann sieht sie auf ihn nieder.
Und er weiß, dass er sie haben kann heute Nacht. Sie will einen Mann haben, der ein Mann ist. Sie hat ihn kämpfen, töten und siegen sehen. Und nun will sie seine Einsamkeit in der kommenden Nacht lindern. Ja, sie will ihm etwas geben, will ihm helfen. Denn sie kennt sich aus mit Männern seiner Sorte, also mit Revolvermännern, mit Jägern, mit Kämpfern.
Und vielleicht braucht sie Hilfe.
Das ist der Schlüssel zu ihrem Verhalten.
»John Callahan hieß er also?«, fragt er. »Und ich soll seine Sachen tragen? Hoffst du, dass ich ein zweiter John Callahan werde – für dich?«
Da schüttelt sie heftig den Kopf.
»Nein«, sagt sie, »denn der war nicht gut genug. Der war ein Falschspieler, der wie ein Mann aussah. Aber kann ein Falschspieler ein Mann sein? Nein, ich wünsche mir keinen zweiten John Callahan.«
Er nickt. Dann erhebt er sich aus der Wanne und ergreift das Handtuch, um sich abzutrocknen. Laura Randell sieht ihn an. Sie geniert sich nicht.
»Etwas mager bist du«, sagt sie. »Wie ein Wüstenwolf, der in den letzten Wochen nur ein paar Klapperschlangen jagen und fressen konnte. Ich werde dir etwas Fleisch auf die Rippen zaubern. Wetten?«
Sie spricht ohne Scheu, ist nicht verlegen. Ja, sie ist eine Frau, die sich auf Männer versteht, die immer auf der Suche nach einem Mann war – und vielleicht noch nie einen fand, der so ist, wie sie ihn haben wollte.
War er der Mann? Dies fragt Slade sich.
Nun, er ist kein Heiliger. Er ist auch nur eine Art Sattelstrolch, ein Wildpferdjäger und Abenteurer, der auch ein paar schöne Dinge von dieser Welt kosten will, sollte sich dies ergeben.
Und Laura Randell scheint ihm jetzt die schönste Frau auf dieser Erde zu sein.
Sie wirft das Zwanzigdollarstück, welches er George gegeben hat, in seinen alten Hut. Dann geht sie.
Sie nimmt das Geschirr mit. An der Tür wendet sie sich um.
»Ich werde dich wecken, wenn du schon schlafen solltest«, sagt sie.
Dann ist er allein.
Aber nicht lange. Dann kommt George, um die Wanne zu leeren und hinauszutragen.
Sie sprechen die ganze Zeit nicht, indes er Eimer um Eimer aus der Wanne schöpft, und wegbringt. Sloan zieht sich langsam an. Die Sachen passen. Sie sind nur ein wenig zu weit. Aber ihm fehlen auch gut zehn Pfund.
Bevor George die Wanne hinausträgt, sieht er Slade an.
»Sie will auch nur Ihren Colt, Mister Slade. Halt! Damit es keine Missverständnisse gibt! Ich bin ihr treu! Ich diene ihr wie ein Sklave. Denn sie rettete mich vor dem Strick. Ich gönne ihr wirklich jedes Glück. Aber sie will auch nur Ihren Colt. Das sollten Sie wissen.«
Damit geht er, trägt die Wanne durch die Tür.
Slade folgt ihm und schließt die Tür, kehrt dann zurück zum Fenster, nachdem er die Lampe löschte, sodass er aus dem dunklen Zimmer auf die Straße hinuntersehen kann. Will sie meinen Colt, nicht mich?
Ja, das glaubt auch er. Ein paar Leute hier werden an seinem Colt interessiert sein. In dieser Stadt, die jetzt erst zu leben beginnt, gibt es gewiss sehr unterschiedliche Strömungen, Interessen, Probleme.
Das kann gar nicht anders sein.
Und dennoch möchte er sich noch nicht wieder hinlegen.
Nein, er verspürt ein Gefühl der Neugierde. Es geht ihm vielleicht auch wie einem Jäger in einem neuen Jagdrevier. Er möchte es kennenlernen. Es ist trotz aller Müdigkeit Unruhe in ihm.
Und so entschließt er sich. Ein kleiner Abendspaziergang von einer Stunde wird ihm sogar guttun.
Er verlässt das Zimmer und geht die Treppe hinunter.
Im großen Spiegel in der Halle neben dem Anmeldepult betrachtet er sich.
In diesem Anzug aus Feincord sieht er gut aus. Die Weste ist etwas dunkler, und das weiße Hemd mit der Samtschleife gefällt ihm. Er sieht elegant aus, aber nicht wie ein Spieler. Denn sein Gesicht ist zu sehr von der Sonne gebräunt. Es gibt da einige Narben und Linien in diesem dunklen und verwegen wirkenden Gesicht. Auch seine Hände sind keine Spielerhände, obwohl sehr beweglich und geschmeidig.
Doch es sind Lassonarben an diesen Händen. Ein Spieler hat andere Hände als ein Revolvermann.
In der Diele ist niemand. Auch hinter dem Pult stehen weder George noch Laura. Er hält inne und dreht das Anmeldebuch herum.
Ja, da liest er seinen Namen, so, wie ihn Laura Randell eintrug heute am frühen Mittag.
Mr Sloan Slade, Wildpferdjäger, keine Adresse.
So steht da zu lesen.
Er grinst bitter.
Ja, so ist es. Er hat keine feste Adresse, keinen Wohnsitz, keinen festen Platz, keine Heimat.
Der ganze Südwesten ist sein Revier. Und auch drüben in Mexiko kennt er sich aus.
Er tritt hinaus auf den Hotelvorbau, und er bewegt sich schnell aus dem Lichtschein, den die Laterne vor dem Eingang verbreitet. Er durchschreitet auch schnell die Lichtbahnen, die aus den Fenstern fallen.
In der Dunkelheit verharrt er.
Seine Augen haben sich nun besser an die Dunkelheit zwischen all den Lichtern und Lichtbahnen gewöhnt.
Er will seinen Gang durch die Stadt nun beginnen.
Aber da sieht er einen Wagen kommen, dem drei Reiter folgen.
Zwei der Reiter halten sich jedoch deutlich hinter dem einen zurück, und diesen Mann kennt Sloan Slade.
Er denkt: Hondo Parradine – ja, das ist Hondo Parradine. Der hat sich in den vergangenen fünf Jahren nicht verändert.
Er sieht nun schnell zu dem Mann im Wagen hin.
Es ist ein kleiner zweirädriger Jagdwagen, der von zwei prächtigen Rappen gezogen wird. In diesem für zwei Personen ausreichenden Wagen sitzt ein fetter Mann, der die beiden Ledersitze völlig ausfüllt.
Und es ist klar, dass dieser Mann der Boss der Reiter ist.
Hondo Parradine hat also wieder einen Boss, der sich seinen Revolver gekauft hat. Dies ist Sloan Slades Gedanke.
Er betrachtet die beiden anderen Reiter. Es sind Hartgesottene, Revolverschwinger, raue Burschen, die ein Mann, welcher Feinde hat, sich als Leibwächter hält.
Und der besondere Leibwächter dieses Mannes ist Hondo Parradine.
Sloan Slade weiß, dass dieser Hondo Parradine nicht nur einen japanisch klingenden Namen hat. Denn Hondo ist zu einem Viertel ein Japaner, und ganz gewiss wäre er – hätte er früher gelebt – einer dieser wandernden Samurais gewesen, ein Angehöriger jener Krieger- und Adelskaste, die nach den Regeln des Rittertums lebte und kämpfte.
In dieser Hinsicht hat dieser Hondo Parradine wahrscheinlich noch sehr viel von seinem Großvater.
Sloan Slade verharrt unbeweglich im dunklen Schatten nahe der Hauswand, indes der Dicke im Wagen sein Gefährt anhält.
Einer der anderen Reiter reitet sofort nach vorn und übernimmt das Gespann, indem er schnell absitzt und die Tiere an einen Pfosten bindet.
Der andere Reiter bekommt Hondo Parradines Zügel zugeworfen.
Einmal blickt Hondo Parradine kurz in Sloan Slades Richtung, aber Slade glaubt nicht, dass der Revolvermann ihn nach fünf Jahren in der Dunkelheit zwischen zwei Lichtbahnen erkennen kann. Nein, dies ist fast unmöglich.
Der dicke Mann steigt indes aus dem schwankenden Wagen.
Einen Moment sieht er sich um, und es geht etwas Besitzergreifendes, Selbstherrliches und Zwingendes von ihm aus.
Er ist ohne Hut. Sein Kopfhaar ist kurz geschoren. Die starken Borsten sind wahrscheinlich rot. Er hat kaum einen Hals, und der Kopf wirkt merkwürdig klein auf dem mächtigen Körper.
Dann bewegt er sich um seinen Zweispänner herum, erreicht die Stufen des hier vor dem Saloon zur Veranda ausgebauten Gehsteigs und stemmt sich hoch.
Ein paar Gestalten, die auf der Veranda herumlungern, schlichen schon bei seiner Ankunft davon – oder grüßen jetzt höflich.
Bei Sloan Slade verhält ein Mann, der wie ein Bürger der Stadt wirkt. Wahrscheinlich will er diesem Dicken und dessen Revolvermann nicht in den Weg geraten.
Sloan Slade fragt: »Wer ist das?«
Der Mann sieht ihn fast erschrocken an.
»Ach so, Sie sind das«, murmelt er dann. »Nun, Mister Slade, dies ist Mister Clay McClay. Aber das sagt Ihnen gewiss wenig.«
»So ist es«, nickt Slade. »Aber vielleicht klären Sie mich auf, Mister.«
Der Mann zögert. Er wirkt nun etwas unsicher.
Dann murmelt er: »Nun, Mister McClay hat vielerlei Beteiligungen und macht überall Geschäfte. Sein Hauptquartier ist die Red-Canyon-Mine im Red Canyon. Aber ...«
Der Mann bricht ab und geht an Slade vorbei. Er verschwindet im Saloon, und es ist sicher, dass er sich scheut, mehr zu sagen über diesen Clay McClay.
Slade geht ebenfalls langsamer weiter, und es lässt sich nicht vermeiden, dass er einige Lichtbahnen durchqueren muss.
Als er eine dunkle Gassenmündung erreicht und diese überqueren will, warnt ihn ein Gefühl. Er verharrt deshalb an der Ecke, und da sieht er einen klotzig wirkenden Mann aus dem dunklen Hintergrund treten. Er erkennt den grauköpfigen Marshal dieser Stadt.
Dieser tritt so weit vor, dass sie nun nebeneinander in der Gassenmündung stehen.
»Haben Sie mich gerochen, Slade?«, fragt der Marshal. »Übrigens, mein Name ist Mahoun, Pat Mahoun.«
»Ich hab schon von Ihnen gehört, Mahoun«, murmelt Slade. »Sie waren drüben im Pecos-Land Sheriff, und als US Deputy machten Sie sich auch einen Namen. Das hier ist Ihre letzte Stelle, nicht wahr?«
»So ist es«, nickt Mahoun. »Und auch du wirst mal alt, mein Junge. Wenn du jedoch schlauer bist als ich, dann geht es dir dann bedeutend besser.«
»Wie schlau?«, fragt Slade sanft. »Wie schlau muss ein Mann mit einem schnellen Colt sein? Muss er nehmen, was er bekommt? Muss er den Colt möglichst teuer verkaufen? Ist es das?«
»Ja«, sagt der alte Marshal, »ja, so ist es. Haben Sie soeben Clay McClay und dessen Revolvermann Hondo Parradine gesehen?«
»Habe ich. Warum fragen Sie mich danach?«
Der Marshal antwortet nicht sogleich. Er überlegt offensichtlich noch. Dann murmelt er: »McClay wird in diesem Moment – wenn er es nicht schon weiß – von Ihrem schnellen Colt hören. Und er wird ihn kaufen wollen. Wenn er ihn nicht kaufen kann, müssen Sie das Land verlassen – oder ...«
»Oder?« Slade fragt es scharf, als Mahoun zögert.
»... Hondo Parradine wird Ihnen Beine machen, mein Junge. Denn wer hier nicht für Mister Clay McClay ist, ist gegen ihn. Verstanden?«
»Danke«, sagt Slade und geht langsam weiter, indes der Marshal einen Schritt in die dunkle Gasse zurücktritt.
Slade bewegt sich langsam bis zum Ende der Stadt. Einmal betritt er einen kleinen Store, kauft sich Tabak und Blättchen und dreht sich eine Zigarette.
Dann geht er rauchend weiter und erreicht die Einfahrt zum Mietstall und den Wagenhof.
Er erinnert sich, dass er vom Marshal eines der Pferde der Jollymasters verlangt hatte, nämlich den Pinto und ein Gewehr, weil er ja selbst alles verlor durch die drei Banditen und Mörder.
Deshalb geht er nun hinein in den Hof und betritt bald darauf den Vorraum des Stalles. Der Stallmann kommt aus dem Verschlag. Wahrscheinlich glaubt er, einer seiner Kunden wollte sein Pferd holen.
Doch dann sieht er Slade an, und es ist unschwer zu erkennen, dass auch dieser Stallmann weiß, wen er vor sich hat.
»Steht hier ein Pinto für mich?«, fragt Slade ruhig.
Der Stallmann nickt. »Ja, der Marshal sagte mir Bescheid, dass der Pinto Ihnen zusteht. Die beiden anderen Pferde soll ich für die Stadtkasse verkaufen. Der Pinto steht in der dritten Box links. Wollen Sie reiten?«
Slade schüttelt den Kopf.
»Nein, mich nur mit dem Tier bekannt machen, nur das.«
Er geht den Stallgang entlang und dann in die dritte Box hinein. Er beschäftigt sich mit dem Tier, redet mit ihm und bekommt den Eindruck, dass es kein schlechteres Tier ist als das, welches er verlor, als er in den Hinterhalt der Jollymasters ritt.
Der Stallmann kommt nun ebenfalls den Stallgang entlang und verhält vor der Box.
»Der ist astrein«, sagt er. »Den habe ich schon gründlich begutachtet. Dieser Wallach ist ein Hundert-Dollar-Pferd, und ich glaube, dass seine größte Stärke in seiner zähen Ausdauer liegt.«
Er schweigt nach diesen Worten, wartet offenbar, dass Slade etwas sagen wird.
Doch Slade nickt nur und streichelt das Pferd, klopft es ab.
Da sagt der Stallmann: »Ich bin Barney. Ich arbeite für Virginia Lee. Denn der Mietstall gehört zur Fracht- und Postlinie. Miss Lee bat mich, Ihnen auszurichten, dass Sie sie umgehend aufsuchen möchten. Sie hätte Ihnen einen Vorschlag zu machen. Sie brauchen nur ins Office der Post- und Frachtlinie zu gehen. Dort finden Sie Miss Lee. Wir rechneten damit, dass Sie kommen und nach dem Pferd sehen würden, sobald Sie wieder auf den Beinen sind.«
Sloan Slade tritt aus der Box.
Der Stallmann ist schon ein alter Bursche, doch dies ist fast immer bei Stallmännern der Fall. Zumeist sind es Ex-Cowboys, Ex-Zureiter oder ehemalige Pferdejäger, die nicht mehr richtig reiten können und deren Pferdeverstand nun ihr einziges Kapital ist.
»Was hat denn diese Miss Virginia Lee für Schwierigkeiten?«, fragt Slade ruhig. Und er sieht den Mann fest an.
Dieser erwidert seinen Blick.
»In dieser Stadt und in diesem Land hat fast jeder Mensch Schwierigkeiten«, sagt er dann langsam. »Miss Lee ist die Besitzerin der Post- und Frachtlinie.«
✰✰✰
Als Slade eintritt, erhebt sich Virginia Lee hinter dem Schreibtisch. Er erinnert sich, sie schon unmittelbar nach seinem Kampf unter den maßgebenden Bürgern dieser Stadt gesehen zu haben.
Laura Randell fiel ihm dabei nicht auf. Wahrscheinlich hatte sie sich im Hintergrund gehalten. Doch diese Frau da war ihm schon wegen ihrer roten Haare aufgefallen, weil sie so leuchteten wie rotes, poliertes Gold.
»Barney sagte mir soeben im Stall, dass Sie mich sprechen möchten«, sagt er ruhig, und er wird sich bewusst, dass diese junge Frau gewiss schöner ist als Laura Randell. Und sie ist sicher auch nicht kühl. Denn er spürt da eine ganze Menge. Ihre graugrünen Augen prüfen ihn zwar noch – und dennoch strömt sie schon eine starke Weiblichkeit aus, die ihn deutlich trifft.
Er weiß sofort, dass dies Absicht ist von ihr.
Als er näher an den Schreibtisch tritt, kommt sie ihm entgegen.
Sie verhalten dicht voreinander. Ja, sie ist etwas größer als Laura Randell. Aus nächster Nähe erkennt er in ihren Augen noch deutlicher, was sie ihm nicht mit Worten sagen will – und gewiss auch nicht kann. Denn das würde nicht wirken. Er muss es spüren, ahnen – und er muss es sich wünschen, darauf hoffen. Das ist die Taktik einer schönen Frau, die einen Mann auf ihre Seite bringen will.
Er muss ahnen, dass er das Paradies bei ihr haben kann. Dann wird er eine Menge tun, es zu bekommen.
»Ich brauche Hilfe«, sagt sie schlicht. »Und Sie sind ein Mann, der einer Frau wie mir Hilfe geben kann. Ich stecke in der Klemme. Wollen Sie mir helfen?«
»Mit meinem Colt?«
Sie zuckt leicht mit den Schultern. »Der wird dazugehören. Aber ich brauche mehr als nur einen Revolvermann.«
»Haben Sie keinen Mann? Leiten Sie die Postlinie allein?« Er fragt es ungläubig.
Aber sie schüttelt den Kopf. Ihre Haare sind offen und fallen über die Schultern.
»Mein Mann und sein Partner bauten diese Post- und Frachtlinie auf«, spricht sie dann ruhig. »Beide wurden vom Fahrersitz unserer Postkutschen geschossen, als sie die Geldtransporte oder das Gold und Silber der Minen durchbringen wollten.«
Sie deutet auf den großen Geldschrank in der Ecke. Es ist ein Riesending von gewiss zehn Zentnern, in welches sie sich selbst hineinstellen könnte, gäbe es darin keine Fächer.
»Er liegt voller Gold- und Silberbarren«, sagt sie schlicht. »Die Minen warten schon lange darauf, dass wir dieses Zeug nach Santa Fe schaffen und dafür Geld zurückbringen. Sie brauchen Betriebskapital – und auch die Minenarbeiter wollen ihre Lohnschecks einlösen. Hier in der Stadt ...«
»Schon gut«, unterbricht er sie, denn ihm sind die Probleme sofort völlig klar.
Aber sie schüttelt den Kopf und spricht weiter: »Wir haben einen Vertrag mit der Hauptlinie, die von Kansas City nach Santa Fe fährt. Diese Hauptlinie gehört der Wells & Fargo, verstehen Sie? Und sie macht mit uns nicht länger weiter, wenn wir dieses Land hier nicht versorgen können und unsere Aufgaben nicht erfüllen. Wir können dann von der Wells & Fargo in Santa Fe nichts mehr übernehmen – keine Frachten, keine Fahrgäste, keine Geld- und Postsendungen – nichts mehr. Sie werden Clay McClay meinen Vertrag geben, wenn dieser nur die sichere Beförderung aller Dinge garantieren und dies auch durchsetzen kann. Verstehen Sie, Sloan Slade, wie sehr ich die Hilfe eines besonderen Mannes brauche, der mehr als nur gut schießen kann?«
Er nickt langsam.
»Ja. Sie brauchen einen Mann, der für Sie kämpft«, murmelt er. »Und was zahlen Sie dafür?«
»Einen fairen Preis«, murmelt sie kehlig und tritt noch etwas näher an ihn heran, sodass sich ihre Kleidung nun berührt.
Er greift zu. Sie drängt sich gegen ihn.
Als er sie küsst, zittert sie in seinen Armen. Doch sie presst sich an ihn und lässt ihn eine Menge Feuer verspüren, so als wäre sie ausgehungert nach Liebe und Zärtlichkeit. Oder ist es eine wilde Verzweiflung?
Aber dann spüren sie wohl beide, dass etwas falsch ist an der ganzen Sache.
Sie lösen sich und treten zurück.
Sie wischt sich mit dem Handrücken über den Mund.
Er aber sagt: »Virginia Lee, so klappt es wohl nicht mit uns. Ich bin einfach nicht verrückt genug nach dir, um einen Krieg auf mich zu nehmen.«
Sie senkt den Kopf, nickt dann leicht.
»Ja, ich habe es mir leichter vorgestellt, einen Tiger zu bekommen, der für mich kämpft«, murmelt sie. »Entschuldigen Sie meinen dummen Versuch, Sloan.«
Er sagt nichts. Aber er hebt seine Hand und streicht ihr langsam über die Wange. Dabei lächelt er bitter.
»Ich will nicht immerzu für andere Menschen Blut vergießen und töten«, murmelt er. »Ich will nicht immerzu für die Guten gegen die Bösen kämpfen. Auch nicht für ...«
Er verstummt, spricht es nicht aus.
Er geht wortlos.
Und draußen empfängt ihn die Nacht.
Die Stadt wurde inzwischen lauter. Er geht langsam über den Hof auf die Ausfahrt zu. Es ist dies ein Fehler. Solche Fehler darf sich ein Mann wie er nicht leisten.
Seine Augen haben sich nämlich noch nicht an die Dunkelheit gewöhnt. Er hätte erst einmal verharren müssen, warten, lauern, lauschen.
Aber er tat es nicht.
Und nun haben sie ihn. Er sieht sie nicht früh genug, denn er ist ja noch fast blind.
Und das ist ein unverzeihlicher Fehler.
Wahrscheinlich ist diese Virginia Lee daran schuld. Denn seine Gedanken sind noch zu sehr bei ihr.
Als er die Doppelmündung der Schrotflinte im Rücken spürt, hält er inne. Ja, er verharrt sofort. Man braucht es ihm gar nicht erst zu befehlen.
Eine Stimme lacht hinter ihm leise und sagt dann: »Oho, der weiß sofort Bescheid, hahaha!«
Ein zweiter Mann, der von der Seite an ihn herantrat, stößt ihm die Revolvermündung zwischen die Rippen und holt mit der anderen Hand seinen Colt aus dem Holster.
Sloan Slade kennt diesen Mann.
Es ist Hondo Parradine, den er vorhin mit Clay McClay in den großen Saloon gehen sah.
»Wenn ich so blind wie du wäre«, sagt Parradine zu ihm, »wäre ich längst in der Hölle. Slade, du bist es doch, nicht wahr? Du bist Sloan Slade aus Laredo, nicht wahr? Ich erinnerte mich sofort an dich. Und du hast einen schönen Anzug an, einen noblen, wunderschönen Anzug. Ich glaubte zuerst, John Callahan wäre wieder auferstanden. Aber dann erkannte ich dich.«
Sloan Slade hört die Worte. Er erinnert sich an den Moment vorhin, als Hondo Parradine vom Sattel aus kurz zu ihm hersah und dann absaß. Es war nur ein kurzer Blick, und Slade stand im Dunkeln.
Und dennoch erkannte Hondo Parradine ihn nach fünf Jahren.
Verdammt noch mal, was für ein Mann ist dieser Hondo Parradine? Ein Übermensch? Ein Zauberer mit übersinnlichen Fähigkeiten?
Aber das war vielleicht doch nicht ein so großes Wunder. Nein! Denn Hondo Parradine wusste sicherlich schon von seiner Anwesenheit in Opal, hatte auch von dem Kampf mit den Jollymaster-Brüdern gehört und war vorbereitet, ihn zu sehen.
Ja, so war es wohl.
Slade atmet langsam aus.
»Wir waren keine Feinde damals, Hondo«, murmelte er. »Warum also keilt ihr mich hier ein?«
Eine Weile schweigt Hondo Parradine.
Dann sagt er heiser: »Du Narr, du verdammter Narr. Du bist so dumm, dass du überhaupt nichts weißt und deshalb auch nichts verstehst. Es ist der Anzug, Amigo – dieser Anzug. Der ist wie ein Zeichen. Du siehst darin John Callahan fast zum Verwechseln ähnlich. Als ich dich darin im Dunkeln stehen sah, da war es mir fast, als sähe ich Callahans Geist. Diese Laura, die dich in diesen Anzug steckte, ist ein schlaues Biest, ein sehr schlaues Biest. Slade, sie wollte sehr schlau sein, ganz besonders schlau. Dieser Anzug sollte der große Trick werden, der uns zwei zu Feinden macht. Aber das kann sie haben. Ja, das kann die schöne Laura haben. Na los, dann zieh dich aus!«
Sloan Slade glaubt, nicht richtig verstanden zu haben.
»Was soll ich?«
»Du sollst John Callahans schönen Anzug ausziehen«, fordert Hondo Parradine. »Bist du schwerhörig geworden, Amigo?«
Aber Slade bewegt sich immer noch nicht, auch nicht, als der Mann hinter ihm drohend schnauft und ihm die Doppelmündung der Schrotflinte härter gegen den Rücken drückt.
»Erklär es mir, Hondo«, murmelt er heiser. »Erklär es mir, damit ich wenigstens Bescheid weiß. Es ist doch wohl fair, mir alles zu erklären – oder?«
Da lacht Hondo Parradine kalt.
»Sicher, das kannst du haben«, sagt er dann. »Diese Laura Randell war zu gut für diesen miesen Kartenhai John Callahan – viel zu gut, zu schön, zu reizvoll. Ah, es war einfach ungerecht, dass solch ein Bursche eine solche Frau haben konnte. Sag selbst, Slade: Was ist schon an einem Burschen dran, der sich beim Poker nur mit Kartentricks behaupten kann? Laura und ein mieser Falschspieler. Das konnte ich nicht dulden. Als ich mit ihm spielte, versuchte dieser Narr wieder seine Tricks. Und als ich ihn erwischte, griff er zur Waffe. Jetzt gehört Laura Randell mir, mir allein. Verstehst du? Aber sie staffierte dich wie John Callahan aus, um mich zu reizen. Sie hofft wohl, dass dein schneller Colt ...«
Weiter kommt Hondo Parradine nicht.
Denn Sloan Slade hat nun endlich kapiert.
Und da man ihm die Waffe nahm, kann er sich nur noch auf seine Fäuste und die Schnelligkeit eines Wildkaters verlassen. Denn so schnell kann er wahrhaftig sein.
Er riskiert alles, weil ihm klar wird, dass er nur diese einzige Chance hat.
Und so duckt er sich und wirbelt herum. Er trifft Hondo Parradine mit einem herumgezogenen Haken auf die Leberpartie.
Doch das ist sein einziger Erfolg.
Der Mann hinter ihm schlägt ihm den Schrotflintenlauf quer über den Nacken. Und Hondo Parradine, der ein sehr harter Bursche ist, reagiert nicht sofort auf den Leberhaken, sondern reißt erst noch sein Knie hoch, mit dem er Slade, der ja vom Schlag zu Boden geht, gegen die Brust trifft.
Dann aber muss auch Hondo Parradine neben Slade in den Staub.
Sie verharren beide eine Weile so. Und der Mann mit der Schrotflinte steht wartend daneben.
Hondo Parradine kommt schließlich zuerst auf die Beine.
Er knurrt vor Schmerz, und er hat seinen Colt noch in der Hand.
»Steh auf«, sagt er zu Slade. Als dieser gehorcht und sich aufrichtet, schlägt Parradine mit dem Revolverlauf zu.
Slade fällt auf die Knie, bedeckt sein Gesicht mit beiden Händen. Der Schmerz lässt ihn fast die Besinnung verlieren. Und jetzt weiß er, wie rau es in dieser Stadt zugeht und in was er hier hineingeraten ist.
Sie lassen ihm etwas Zeit, sich zu erholen.
Dann sagt Hondo Parradine: »Bedank dich bei der schönen Laura, die dir diesen schönen Anzug schenkte. Bedank dich bei ihr. Und jetzt zieh endlich das Zeug aus. Oder du bekommst noch mehr. Los jetzt!«
In seiner Stimme liegt die ganze unversöhnliche Härte eines Mannes, der von jeher daran gewöhnt ist, auch die raueste Sache auf seine Art zu einem gewalttätigen Ende zu bringen.
Sloan Slade ist kein Narr. Denn was nützt ihm sein Stolz, wenn er diesen Stolz nur noch als Krüppel besitzen kann?
Nein, es gilt, im Besitz aller Fähigkeiten zu bleiben.
Nur dann wird er die Chance bekommen, Hondo Parradine zur Hölle zu schicken. Er erhebt sich langsam und beginnt sich hier im Wagenhof zu entkleiden. Er kann kaum etwas sehen, denn das Blut läuft noch zu sehr. Seine Augen tränen. Er weiß nicht, ob hinter ihm Virginia Lee aus dem Haus getreten ist. Auch ob der Stallmann drüben aus dem Stall kam, kann er nicht sehen.
Er muss sich bis auf das Unterzeug entkleiden. Als er damit fertig ist, sagt Hondo Parradine trocken: »Gehen wir!«
Sloan Slade braucht nicht zu fragen, wohin sie gehen werden.
Er weiß es.
Hondo Parradine will ihn so im Unterzeug, so zerschlagen und blutend Laura Randell vorführen. Er will der schönen Laura demonstrieren, wie wenig Sinn es für sie hat, sich gegen seinen Besitzanspruch zu stemmen und andere Männer gegen ihn zu stellen.
Slade macht sich auf den Weg. Und er denkt dabei: Ich werde ihn töten. Ja, ich werde ihn töten.
Schmerz, böser, wilder Zorn, das heiße Verlangen nach Rache – dies alles nebelt irgendwie seine klare Denkfähigkeit ein, hindert ihn daran, die Dinge nüchtern zu sehen.
Im Unterzeug geht er vor den beiden Männern her, blutend, geschlagen, gedemütigt und zutiefst in seinem Stolz verletzt.
Es sind etwa dreihundert Yards zurückzulegen bis zum Hotel und dem Restaurant.
Sie bewegen sich mitten auf der Fahrbahn.
Und natürlich werden sie bemerkt. Immer wieder durchqueren sie Lichtbahnen, in denen Sloan Slades Zustand deutlich sichtbar wird für viele Augen.
Sie erreichen nun das Hotel. Es gibt dort zwei Eingänge, nämlich den zum Hotel und den zum Restaurant.
»Geh ins Restaurant und bleib stehen, wenn du Laura erreicht hast«, sagt Hondo Parradine hinter Sloan Slade.
Dieser gehorcht wortlos, ja fast eine Spur zu willig. Er zögert nicht einen Moment und macht auch nicht den Versuch, Hondo Parradine um Einhalt zu bitten, um Vernunft oder Fairness.
Nein, er gehorcht ganz so, als mache ihm dies alles nichts aus und besäße er keinen Stolz.
Der Speiseraum des Restaurants ist noch ziemlich gut besetzt. Nur zwei oder drei Tische wurden leer. Und Laura Randell räumt von einem dieser Tische das Geschirr ab.
Aber sie erstarrt jäh, als sie Sloan Slades ansichtig wird und hinter ihm Hondo Parradine erkennt, sodass ihr von einer Sekunde zur anderen der Sinn dieser Sache klar wird.
Alle Gäste starren auf Slade, dann auf Parradine und schließlich auf Laura.
Parradine sagt laut: »Laura, das war keine gute Idee, ihn in John Callahans Anzug zu stecken. Wirklich nicht! Es war auch nicht fair ihm gegenüber! Wenn du das doch einsehen würdest, liebe Laura.«
Er lächelt verzeihend, ganz so, als wäre Laura Randell ein ungezogenes Kind, dem man aber verzeihen muss, weil es nicht wusste, was es tat.
Dann sieht er Sloan Slade an.
Er wirft Slade dessen Colt vor die Füße. Es ist ein lautes, erschreckendes Geräusch in der Stille.
Danach weht plötzlich der Atem von Gewalt.
Und Hondo Parradines Stimme klirrt nun metallisch.
Sie sagt langsam Wort für Wort: »Slade, ich gebe dir natürlich Genugtuung. Du kannst dich auch vorher in aller Ruhe wieder wie ein Mann bekleiden, nicht länger mehr als Clown herumlaufen vor allen Leuten. Ich warte drüben im Opal Saloon. Du brauchst nur zu kommen.«
Nach diesen Worten sieht er noch einmal zu Laura hin.
»Gib es auf, Laura«, sagt er. »Wenn ich ihn töten muss, stirbt er, weil es deine Idee war, seinen Colt gegen mich zu richten.«
»Raus hier«, sagt Laura Randell. »Raus hier!«
Und sie nimmt eine Schüssel und wirft sie in einem wilden Wutausbruch nach Hondo Parradine.
Doch der zieht seinen Colt, den er wieder im Holster trug. Er zieht ihn so schnell, dass es wie Zauberei wirkt. Der Schuss kracht – und die Kugel trifft die Schüssel, bevor diese ihn erreicht. Sie zerschellt in viele Teile.
»Scherben bringen Glück«, sagt Hondo Parradine ganz ruhig.
Dann geht er.
Und niemand bewegt sich. Niemand sagt etwas. Alle Augen blicken nun auf Sloan Slade. Und auch auf Laura, die nun nur noch eine Armlänge vor ihm entfernt verhält und ihn jetzt ebenfalls ansieht.
Aber Sloan Slade sieht auf die Tür, die sich hinter Hondo Parradine schloss. Es ist eine Schwingtür. Oben ist sie offen. Man kann über die unteren Flügel hinweg nach draußen auf die Straße sehen.
Doch von Hondo Parradine ist nichts mehr zu erkennen.
Langsam senkt Sloan Slade den Kopf, blickt wieder auf seinen Colt, den Hondo Parradine ihm vor die Füße warf.
Und das Schweigen im Speiseraum hält an. Nur einige der Zuschauer atmen hörbar, ja sie seufzen sogar. Die Spannung lastet schwer auf allen Anwesenden.
Slade bewegt sich erst nach einer Weile. Er bückt sich langsam und hebt den Colt vom Boden auf. Dann wendet er sich nach links.
Dort führt ein Durchgang zum Hotel hinüber. Man erreicht durch ihn die Hotelhalle neben dem Anmeldepult.
Alle sehen sie Slade hinübergehen.
Es ist so still, dass man hört, wie er die leise knarrende Treppe dort drüben nach oben geht.
Und da atmen einige Menschen hörbar aus. Andere seufzen. Und ein paar murmeln enttäuscht Flüche.
Jemand sagt in der Ecke: »Gegen Hondo Parradine wagt es niemand – keiner, selbst der Neue nicht.«
Laura beginnt mit fieberhafter Eile ihr Tablett mit dem schmutzigen Geschirr voll zu stellen. Sie tut dies mehr mechanisch.
Dann trägt sie es in die Küche und setzt es ab.
Der Chinese am Herd sieht zu ihr her.
»Ich schicke dir George«, sagt sie schrill. »Ihr müsst ohne mich zurechtkommen. George muss mich vertreten!«
Nach diesen Worten entledigt sie sich ihrer Schürze und eilt davon.
✰✰✰
Sloan Slade steht vor dem Waschtisch in der Ecke seines Zimmers und drückt das nass gemachte Handtuch auf sein Gesicht, als sie eintritt.
Sie bringt den Verbandskasten, eine Flasche Whisky und zwei Gläser.
Als sie neben ihn tritt, nimmt er das nasse Handtuch herunter.
Im Spiegel betrachten sie sich.
»Verzeih mir«, sagt sie schlicht.
Er sagt nichts, zeigt auch sonst keinerlei Reaktion. Er sieht sie im Spiegel nur an. Und so wiederholt sie nochmals: »Verzeih mir«, und fügt hinzu: »Wenn du kannst. Ja, verzeih mir, wenn du das kannst.«
Er erwidert auf diese Bitte immer noch nichts.
Aber er setzt sich in den Sessel.
»Hilf mir«, sagt er. »Du musst mir das Nasenbein richten und ein breites Pflaster darüber kleben, damit es in der richtigen Lage bleibt. Hilf mir, wenn du willst, dass ich dir helfe.«
Sie verharrt und wirkt erschreckt.
Dann stößt sie hervor: »Du willst mit ihm kämpfen? Du willst von ihm Genugtuung fordern für das, was er dir antat und – ja, wofür ich die Schuld ...«
»O nein«, unterbricht er sie, und seine Stimme klingt wegen der gebrochenen und immer noch blutenden Nase undeutlich, »du hast keine Schuld. Denn es steht einem jeden Menschen frei, Anzüge zu verschenken – und auch Anzüge als Geschenk anzunehmen und zu tragen. Das ist für jeden Menschen ein gutes Recht. Nein, du hast keine Schuld, Laura. Schuld ist allein das System der Macht in dieser Stadt und in diesem Land.«
Er macht eine kleine Pause, muss erst einmal wieder das nasse Handtuch auf sein Gesicht drücken.
Aber bald schon nimmt er es wieder herunter.
»Ich habe alles begriffen«, sagt er. »Ein gewisser Clay McClay ist hier der große Bulle. Und das System, welches er errichtet hat, stützt sich vor allen Dingen auf Hondo Parradines Colt. Als ich mit meinem Colt in diese Stadt kam und drei gefährliche Burschen niederkämpfte, da erweckte ich in einigen Menschen Hoffnung, auch in dir, Laura. Auch das war das gute Recht von dir und jenen anderen Menschen. Ja, ich werde Hondo Parradine töten. Doch es ist nicht damit getan, ihn zu erledigen, wenn nicht das ganze System erledigt wird. Denn solch ein System, von einem klugen Burschen aufgebaut, wird immer wieder neue Hondo Parradines finden. Es gibt hier mehr zu tun, als einen Revolvermann zu töten. Verstehst du, Laura? Und was dich betrifft, deine Schwierigkeiten mit Hondo Parradine sind nicht so wichtig. Die werden sich ganz zwangsläufig erledigen. Klar? Jetzt hilf mir.«
Sie sagt nichts, beißt sich nur auf die Unterlippe und macht sich an die Arbeit. Sie ist sehr geschickt – und ihre Finger arbeiten zart, sanft, fast zärtlich.
Sie richtet ihm das Nasenbein, klebt ihm ein breites Pflaster über die Nase und versorgt seine Platzwunde auf der Stirn.
»Danke«, sagt er nach einer Weile. »Und wenn du noch solch einen schönen Anzug von diesem John Callahan haben solltest, dann bring ihn mir.«
»Ja«, sagt sie, »ich habe noch einen Anzug von John Callahan.«
Dann geht sie hinaus, und sie nimmt den Eimer mit dem rot gefärbten Wasser mit und all das andere Zeug, welches sie brauchte, um ihn zu versorgen und ihm zu helfen.
Nur die Flasche Whisky und die beiden Gläser stehen noch auf dem Tisch.
Er sieht darauf, erhebt sich dann und schenkt sich ein Glas voll. Als er es geleert wieder abstellt und das andere Glas betrachtet, da weiß er, dass Laura wieder zu ihm kommen wird.
Sloan Slade geht zum Bett.
Er zieht sich die Stiefel aus, dann legt er sich nieder, nachdem er die Flamme der Lampe herabdrehte, sodass im Zimmer jenes Halbdunkel herrscht, in dem alle Dinge nur unklar zu erkennen sind. Er nimmt seinen Colt mit ins Bett, legt ihn unter das Kopfkissen.
Sloan Slade schläft allmählich ein. Es ist ihm, als sinke er in bodenlose Tiefen. Und die gebrochene Nase schmerzt nun auch nicht mehr.
Sein Schlaf ist zuerst tief und fest. Wahrscheinlich bewirkt dies der Whisky, von dem er ja ein Wasserglas voll trank.
Doch als dann die Träume kommen und er die Gesichter der Jollymasters zu sehen beginnt, dann ihre Gestalten, die aus der Dunkelheit treten und ihm zuwinken, so als wollten sie ihn ins Jenseits locken, da wird sein Schlaf unruhig.
Er erwacht. Sofort spürt er, dass er nicht mehr allein in seinem Bett liegt. Oh, er weiß sofort, dass es Laura Randell ist, die wieder zu ihm gekommen ist.
Er spürt ihre Hand, die Wärme ihres Körpers, ihren Atem – ihren Herzschlag.
Als sie ihn küsst, geschieht dies zart.
»Du bist nicht allein«, sagt sie leise über seinem Mund. »Ich weiß zu gut, wie es ist, allein zu sein. O Sloan, lass uns zusammen einen Stern in dunkler Nacht suchen. Vielleicht wird es schön sein mit uns beiden. Ich will dir all meine Zärtlichkeit schenken.«
Er liegt einen Moment still da, lauscht in sich hinein.
Ja, auf dieser Welt ist verdammt wenig Liebe, denkt er. Und warum soll ein Mann wie ich danach dursten? Laura ist begehrenswert. Ja, ich brauche sie jetzt! Dies würde eine verdammte Nacht werden mit den toten Jollymasters, wäre Laura nicht bei mir. Und sie braucht mich auch. Sie fürchtet sich vor Hondo Parradine wie vor einem Steinzeitmenschen. Sie fürchtet seine eiskalte Art, in der er Besitz ergreift. Ja, wir brauchen uns.
✰✰✰
Als er erwacht, ist es schon später Morgen. Er sieht es am Sonnenschein, der nicht mehr über die Fensterbank hinweg bis ins Zimmer fallen kann, weil die Sonne schon zu hoch steht. Er ist allein. Laura ist fort.
Neben dem Bett auf dem Stuhl liegt ein Anzug, dazu Wäsche, ein Oberhemd.
Es ist alles da, was er sich wünschte. Und es ist wieder von John Callahan, den Parradine getötet hat.
Slade betrachtet sich im Spiegel.