G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 79 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 79 E-Book

G. F. Unger

0,0
4,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

3 spannende Westernromane lesen und sparen!

G.F. Unger ist der erfolgreichste deutschsprachige Western-Autor. Mit einer Rekordauflage von über 250 Millionen Exemplaren gehört er zur internationalen Spitzenklasse der Spannungsliteratur. Und das zu Recht!

Niemand vermag es wie er, die unermesslichen Weiten des amerikanischen Westens und die Stärke der unerschrockenen Männer, die sie erschlossen, zu beschreiben. Erleben Sie den amerikanischen "Wilden Westen", wie nur G.F. Unger ihn schildern kann: hart, authentisch, leidenschaftlich.

Dieser Sammelband enthält die Folgen 2584 bis 2586:

2584: Er kam vom Tonto Rim
2585: Slades Colt
2586: Die Dundees

Der Inhalt dieses Sammelbands entspricht ca. 192 Taschenbuchseiten.
Jetzt herunterladen und sofort sparen und lesen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 458

Veröffentlichungsjahr: 2025

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



G. F. Unger
G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 79

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben

Für die Originalausgaben:

Copyright © 2022 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Vervielfältigungen dieses Werkes für das Text- und Data-Mining bleiben vorbehalten.

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2024 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Covermotiv: © Prieto/Norma

ISBN: 978-3-7517-7958-6

https://www.bastei.de

https://www.luebbe.de

https://www.lesejury.de

G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 79

Cover

Titel

Impressum

Inhalt

G. F. Unger Western-Bestseller 2584

Sioux River

G. F. Unger Western-Bestseller 2585

Hunter

G. F. Unger Western-Bestseller 2586

Jagd auf Ringo

Guide

Start Reading

Contents

Sioux River

Stapp Conroy wartet, bis die Männer drinnen in der Weidehütte die Lampen angezündet haben und der Kamin zu rauchen beginnt. Dann zieht er seinen Revolver, schiebt sich um die Hüttenecke und erreicht die Tür. Er öffnet sie und gleitet hinein.

Die beiden Männer blicken ihn überrascht an und starren dann auf seinen Revolver. Es sind zwei Männer im Unterzeug, unrasiert und missgelaunt. Einer steht beim Herd und setzt Wasser auf. Der andere Mann hockt auf der Schlafstelle an der Wand. Er wollte gerade in die Hosen fahren.

»Was soll das?«, fragt der Mann am Herd. »Wenn das ein Witz sein soll, dann ist er schlecht. Dies ist eine Weidehütte der Borell Ranch. Schon mal was von Arley Borell und dessen Mannschaft gehört, du Witzbold!« Es ist keine Frage, sondern eine Drohung.

Stapp Conroy nickt. Er ist groß, hager, hart und zäh. Man sieht ihm an, dass er schnell reagieren kann. Er wirkt sehr ruhig, und um seinen breiten Mund spielt der Anflug eines Lächelns.

»Cheshire«, sagt er, »Cole Cheshire, ich will dich. Los, legt euch beide mit dem Bauch auf den Boden!«

Der Mann am Herd bewegt sich scheinbar willig. Doch mit der Linken reißt er blitzschnell den Wasserkessel herunter und schleudert ihn gegen Stapp Conroy. Auch der Mann auf dem Bett reagiert sofort. Seine Hand holt den Revolver unter dem Kopfkissen hervor.

Doch Stapp Conroy ist schneller. Er spring zur Seite, sodass ihn der Wasserkessel nur streift, und schießt dem aufbrüllenden Mann, der zu seinem Revolver griff, in den Arm.

Dann halten sie ein, denn die beiden Männer der Borell-Mannschaft wissen nun, dass der unerwartete, feindliche Gast blitzschnell schießen kann.

»Also los!«, sagt Stapp Conroy.

Sie keuchen und starren ihn an. Der Mann, der den Wasserkessel warf, fragt böse: »Cole, was will der Kerl von dir?«

»Was wohl?«, fragt der Verwundete fauchend. »Was wohl, Curly?«

Er betrachtet seinen blutenden Unterarm, in den die Kugel eine Furche riss. Der Revolver liegt am Boden. Einen Moment sieht es aus, als wolle Cole Cheshire danach greifen, doch dann atmet er pfeifend aus. Sein Verstand arbeitet wieder. Es gelingt Cole sogar, böse und grimmig zu lachen.

»Hey«, sagt er, »so einfach ist das nicht mit mir, Kopfgeldjäger! Die Borell Ranch schützt ihre Leute. Mann, Sie kommen keine zwanzig Meilen weit mit mir.«

»Kopfgeldjäger?«, fragt der andere Mann, den Cole Cheshire mit Curly anredete. »Kopfgeldjäger? Ein Kopfgeldjäger ist das?«

»Stimmt!«, sagt Stapp Conroy ruhig. »Auf Cole Cheshires Ergreifung ist eine Belohnung ausgesetzt. Tausend Dollar. Tot oder lebendig.«

Curly sieht ihn verächtlich an. »So ein Schuft bist du?«, fragt er heiser. »Du jagst Menschen, auf deren Ergreifung eine Belohnung ausgesetzt ist?«

Stapp Conroy sieht ihn eine Weile schweigend an. »Jemand muss diese Vögel doch fangen«, sagt er. »Warum hat das Gesetz denn Belohnungen ausgesetzt? Ich traf vor zwei Tagen eine davongejagte Siedlerfamilie. Der Mann war angeschossen. Zwei Söhne – erst halbwüchsig – waren schlimm verprügelt worden. Sie hatten Furcht und gaben auf, was sie in zwei Jahren harter Arbeit geschafft hatten. Sogar die Ernte gaben sie auf! Sie wollten nur noch fort – nichts als fort. Ich ließ mir die Burschen beschreiben, die so rau mit ihnen umgesprungen waren. Eine der Beschreibungen passt auf Mister Cole Cheshire. Er ist ja nicht zu verkennen: rotes Haar, eine zerschlagene Nase und die Narbe an der Schläfe. Ja, ich jage Burschen, die sich dafür bezahlen lassen, dass sie Siedlern die Hölle heiß machen, damit diese vor Schrecken und Furcht alles aufgeben. Cheshire, ich nehme dich mit zum nächsten Gesetzesvertreter. Also los! Verbinde ihn, Curly! Und macht keine Dummheiten! Ich bekomme die ausgesetzte Belohnung auch dann, wenn ich Cheshire tot über dem Sattel abliefere.«

Noch während er spricht, bewegt er sich durch die Hütte. Er findet alle Waffen und wirft sie durch die offene Tür nach draußen.

Die beiden Männer sind in seiner Hand.

Cole Cheshire drängt: »Ja, Curly, verbinde mich erst einmal, damit ich nicht zu viel Blut verliere. Dann reitest du zum Boss und ...«

»Er wird nicht reiten können«, unterbricht ihn Stapp Conroy. »Wir nehmen alle Pferde ein Stück mit. Er wird laufen müssen, damit wir einen Vorsprung bekommen. Nach allem, was ich über Arley Borell und dessen Mannschaft hörte, glaube ich schon, dass er einen Revolverschwinger und Banditen vor dem Gesetz schützen wird. Täte er das nicht, liefen ihm wohl die meisten seiner Reiter weg, denn bei ihm habt ihr scheinbar eine sichere Zuflucht gefunden. In diesem Land gibt es kein Gesetz. Hier ist Arley Borell das Gesetz. Ihr haltet zu ihm, weil er euch schützen kann. Nicht anders ist es. Ihr seht, ich weiß einigermaßen Bescheid. Aber ich habe jetzt die Chance, ihm den lieben Cole Cheshire zu entführen. Vielleicht komme ich irgendwann wieder und hole mir einen anderen von euch Vögeln. Bestimmt sind auf viele von euch Belohnungen ausgesetzt. Vielleicht auch auf dich, Curly. Wie heißt du denn sonst noch?«

»Das geht dich einen Dreck an«, sagt dieser grob und macht sich daran, Cole Cheshires Streifwunde zu verbinden.

Später muss er Cheshires Pferd satteln. Es sind noch drei andere Pferde im Corral. Stapp Conroy jagt sie davon.

Stapp sitzt auf und sagt zu Cheshire: »Wir müssen eine Viertelmeile bis zu meinem Pferd – dort in diese Richtung. Also los!«

Cheshire blickt Curly an.

Dieser nickt ihm beruhigend zu.

Cheshire setzt sich in Bewegung. Stapp Conroy folgt ihm zu Pferd.

Curly ruft ihm nach: »Warte, Kopfgeldjäger, wir erwischen dich und ziehen dir die Haut ab! Warte nur!«

»Natürlich warte ich nicht«, erwidert Stapp Conroy über die Schulter. »Ihr werdet euch mächtig beeilen müssen.«

Curly flucht.

Dann überlegt er, wie er die Borell-Mannschaft am schnellsten alarmieren könnte. Bis zur nächsten Weidehütte sind es mehr als zehn Meilen. Die Borell Ranch beherrscht ein riesiges Gebiet. Zehn Meilen möchte Curly Williams nicht laufen. Bis zum nächsten höheren Hügel sind es keine zwei Meilen. Wenn er von dort Rauchsignale gibt, so ...

Curly macht sich auf den Weg.

Inzwischen erreichen Stapp Conroy und Cole Cheshire die Baumgruppe, in deren Schutz Conroy seinen hageren grauen Wallach ließ.

»Sitz auf!«, sagt Conroy zu Cheshire. »Ich bleibe auf deinem Pferd. Es ist kräftiger und kann mein Gewicht besser tragen.«

Cheshire betrachtet den Wallach. Dieser hat sich eine lange Nacht ausgeruht und kann bestimmt schnell und lange laufen. Cheshire ist ein sehr guter Reiter. Er nimmt es mit jedem Indianer auf, sei es ein Comanche, Cheyenne oder ein Sioux, und das will etwas heißen. Außerdem ist sein Brauner, auf dem Conroy sitzt, ein langsamer Starter.

Er schwingt sich auf den Grauen.

»Die Steigbügel sind zu lang«, murrt er sofort.

Conroy grinst und sitzt ab. Cheshire kann mit seinem verwundeten Arm gewiss die Steigbügel nicht kürzer schnallen. Conroy ist noch nicht ganz aus dem Sattel, als Cheshire dem Grauen die Absätze in die Weichen tritt und einen scharfen Schrei ausstößt.

Das Pferd springt sofort vorwärts und galoppiert davon.

Aber dann kommt der Pfiff! Der Wallach macht auf den Vorderbeinen eine Art Handstand.

Noch während Cheshire durch die Luft segelt, begreift er, wie Conroy ihn reinlegte. Der Graue ist auf den Pfiff abgerichtet wie ein kluger Hund. Conroy lässt seine Gefangenen sicherlich stets auf dem Wallach reiten. Er kann sie mit einem einzigen Pfiff hindern, die Flucht zu ergreifen.

Cheshire fällt hart. Ihm bleibt die Luft weg, und für eine Weile wird er fast bewusstlos. Sein Arm schmerzt.

Als er sich endlich aufsetzt, wartet Conroy neben ihm.

»Das war nur eine kleine Vorsichtsmaßnahme«, sagt Conroy. »Ich hoffe, dass du diese Lektion nicht vergisst! Auf meinem Grauen kannst du mir nicht davonreiten. Also los, weiter!«

Cheshire zittert vor Hass, aber er sagt nichts. Er erhebt sich und sitzt auf. Der Wallach wendet den Kopf und betrachtet Cole Cheshire höhnisch. Ja, es wirkt wie blanker Hohn, als der Wallach das Weiße seiner Augen zeigt und die Oberlippe hebt, sodass die gelben Zähne zu sehen sind. Wenn überhaupt ein Pferd höhnisch grinsen kann, so ist es Nick, wie Stapp Conroy ihn nennt.

Cole Cheshire flucht böse.

»Du Schuft«, sagt er zu Stapp Conroy, »warum bist du gerade hinter mir her? Es gibt noch eine Menge anderer Männer, auf deren Einbringung die Behörden Belohnungen aussetzten – oft genug viel höhere Summen! Was sind schon tausend Dollar? Ich kenne Burschen, die zweitausend und noch mehr einbringen.«

Stapp Conroys Gesicht ist ausdruckslos, unbeweglich. Cheshire fragt sich, was in diesem Mann vorgeht. Conroy sitzt geschmeidig im Sattel. Sein Colt hängt links, er trägt ihn unauffällig.

Aber Cole Cheshire weiß längst, dass er der Gefangene eines gefährlichen Mannes ist. Stapp Conroy ist hager und dunkel wie ein Indianer.

»Es war vor drei Jahren«, sagt Stapp Conroy, »als eine Bande in Arizona meine Pferderanch überfiel. Sie brauchte frische Pferde, um einem Aufgebot zu entkommen. Sie ermordeten meinen indianischen Gehilfen und meinen jüngeren Bruder. Ich selbst war nicht daheim. Dann nahmen sie meine Pferde und verschwanden. Ich habe sie alle gefunden und dem Gesetz übergeben. Du bist der letzte dieser Mörder und Pferdediebe. Und das Kopfgeld? Nun, ich verlor damals ein Rudel wertvoller Pferde. Ich kann meinen Bruder und meinen Gehilfen nicht mit Geld lebendig machen. Doch ich kann mir bald eine neue Pferderanch aufbauen. Und nun vorwärts, Cheshire! Es macht mir auch nicht viel aus, dich tot abzuliefern. Ihr hattet damals eine Postkutsche ausgeraubt, die Geld und Post beförderte. Ich bringe dich zum nächsten US Marshal. Vorwärts!«

Cheshire sagt nichts mehr. Ihm wird heiß, denn er weiß nun, dass er in größerer Gefahr ist, als er bisher glaubte.

Er erinnert sich wieder an alles, was damals war. Ja, er ritt in jenen Tagen mit einer Bande. Nachdem sie sich mit frischen Pferden versorgt hatten, trennten sie sich. Außer ihm waren noch drei andere Burschen dabei gewesen. Sie hatten geraubt und gemordet.

Dieser Kopfgeldjäger sagte eben, dass er, Cole Cheshire, der letzte dieser Mörder und Pferdediebe wäre.

Also muss er die anderen schon erwischt haben.

Was für ein Mann ist das?, fragt sich Cole Cheshire besorgt. Er hatte gleich von Anfang an das Gefühl gehabt, als sei er ihm schon einmal begegnet. Doch das stimmt nicht. Es war der jüngere Bruder, der mit dem indianischen Gehilfen auf der Pferderanch war, an den er sich erinnerte.

»Wie ist dein Name?«, fragt er plötzlich.

»Conroy, Stapp James Conroy. Mein Bruder hieß John. Er lebte noch lange genug, um mir den Einäugigen zu beschreiben. Ich fing diesen Kerl schon drei Wochen später. Er verriet mir eure Namen und gab mir eure Beschreibung. Es war schwerer, die anderen zu finden. Ihr wart ja in alle Himmelsrichtungen geritten und hattet einen großen Vorsprung. Doch Vögel wie ihr werden überall vom Gesetz verfolgt. Ich brauchte nur weit und lange genug zu reiten und mir überall die Steckbriefe anzusehen. So fand ich euch nach und nach alle. Dein Steckbrief hing in Cheyenne im Sheriff's Office. Ich glaube, dass sich zumindest drei Staaten um das Vorrecht streiten werden, dich zu verurteilen und zu hängen. Jetzt weißt du Bescheid!«

»Ja«, nickt Cole Cheshire, »jetzt weiß ich Bescheid. Es nützt wohl nichts, wenn ich schwöre, dass ich damals auf deiner Ranch nicht geschossen habe – weder auf deinen Bruder noch auf den Indianer?«

»Nein«, erwidert Stapp Conroy.

✰✰✰

Sie benutzen die Poststraße, die zur einzigen Furt des Sioux River führt. Man kommt an keiner anderen Stelle hinüber, weil sich der Fluss tief in die Erde fraß. Die Steilufer sind nur von geübten Kletterern zu bezwingen.

Der Sioux River teilt eine weite Ebene, die sich zum Green River Basin senkt, in zwei Hälften. Es sieht aus, als wäre die Fläche auseinandergebrochen.

An der Furt befindet sich eine kleine Siedlung, die aus der Poststation entstand. Außer der Station gibt es einen Store und ein Gasthaus. Weidekoppeln, Corrals, Felder und Äcker wurden angelegt. In halb offenen Scheunen lagert Heu.

Stapp Conroy war auf seinem Weg zur Borell Ranch hier durchgekommen und kennt deshalb den Besitzer, Cliff Dundee, schon, der dies alles mit einem schwarzen Gehilfen bewirtschaftet.

Als die Station und die Furt nach etwa zehn Meilen in Sicht kommen, verliert das Pferd sein linkes Vordereisen. Cole Cheshire, der vor Stapp Conroy reitet, hört das Geräusch. Er wendet sich im Sattel und lacht mit böse verzerrtem Gesicht.

»Nun, Conroy, was jetzt? Das kostet dich Zeit, Mister! Ich gehe jede Wette ein, dass du dort bei der Station weder ein neues Eisen noch ein anderes Pferd bekommst. Du brauchst es gar nicht erst zu versuchen. Cliff Dundee ist kein Narr.«

Stapp Conroy sagt nichts.

Sie erreichen die Station, bevor das Pferd zu lahmen beginnt.

Cliff Dundee ist dabei, das Pumpengestänge eines großen Windrades zu schmieren. Mithilfe dieses Rades wird Wasser aus dem Fluss auf das höher gelegene Land gepumpt. Es fließt in einen kleinen See, der offenbar felsigen Untergrund hat. Von diesem Wasserspeicher führen einige Gräben zu den Koppeln und Feldern. Alles gedeiht üppig und unterscheidet sich von der trockenen Ebene ringsum.

Cliff Dundee ist ein rotblonder, massiger Mann, blauäugig und von einer ruhigen, beharrlichen Art.

Er betrachtet die beiden Männer und erkennt den verwundeten Cole Cheshire sofort als Borell-Reiter. Er nickt ihm zu und sieht dann Stapp Conroy an.

»Ich würde gern das Pferd beschlagen«, sagt Conroy. »Sie haben dort eine kleine Schmiede. Lässt sich das machen?«

Cliff Dundee blickt von ihm auf Cole Cheshire.

Dieser sagt, noch bevor Dundee eine Antwort gibt: »Ich bin sein Gefangener. Er hat mich einfach aus einer Weidehütte der Borell Ranch entführt. Curly Williams hat bestimmt schon die Jungs alarmiert. Wir sahen Rauchzeichen hinter uns. Sie sind bald hier.«

Mehr sagt er nicht. Er droht nicht. Das ist gewiss sehr klug, denn Dundee sieht wie ein Mann aus, dem man besser nicht droht.

Dundee sieht Conroy an. »Warum ist er Ihr Gefangener?«

»Er ist Kopfgeldjäger«, sagt Cheshire schnell. »Er will sich tausend Dollar verdienen, die man auf mich aussetzte.«

»Das stimmt«, sagt Conroy. »Sie werden Cheshire hängen, und ich bekomme tausend Dollar für seine Einbringung.« Mehr sagt er nicht.

In Cliff Dundees dunkelblauen Augen beginnt es zu funkeln. Sein Mund wird schmal.

Er blickt Stapp Conroy an und sagt: »Sie können hier kein Hufeisen bekommen, auch kein anderes Pferd – es sei denn, Sie geben Cheshire frei. Das ist außerdem ein guter Rat, Mister. Arley Borell lässt sich nicht einmal einen Knopf von einer alten Hose stehlen. Einen Mann aus seiner Mannschaft kann man einfach nicht entführen. Geben Sie es auf, Mister!«

»Nein«, sagt Stapp Conroy. Er deutet zur Schmiede hinüber, die sich beim Wagenschuppen und den Corrals der Postlinie befindet. Auf allen Gebäuden steht:

Sioux River Station

Laramie Green River

Overland Line

»Ich bediene mich dort in der Schmiede«, sagt er. »Ich zahle das Doppelte des üblichen Preises. Hindern Sie mich nicht, Mister! Das Gesetz steht auf meiner Seite.«

Er gibt Cheshire ein Zeichen. Sie reiten beide zur Schmiede hinüber.

Cheshire sagt über die Schulter zu Cliff Dundee: »Ich bin verwundet. Wenn Arley Borell nicht kommt, wird er Chace Woolman schicken. Dundee, ich glaube, Sie müssen sich jetzt entscheiden.«

Dundee erwidert nichts. Er steht bewegungslos bei dem Pumpgestänge und hält die Büchse mit dem Schmieröl in der Hand.

Dann geht er zum Haus hinüber. Sein schwarzer Gehilfe ist irgendwo draußen auf den Feldern. Dundee verschwindet im Haus. Er bleibt eine Weile darin. In der Schmiede hat Conroy inzwischen Feuer angemacht.

»Komm her und zieh den Blasebalg!«, befiehlt er Cheshire.

»Oh, geh zur Hölle!«, knurrt dieser, aber er kommt langsam näher. Seinen verwundeten Arm hat er in einer Schlinge vor der Brust liegen.

»Ich bin krank – angeschossen«, sagt er heiser. »Ich werde sicher Fieber bekommen oder ohnmächtig werden. Mir ist schon ganz schlecht.«

»Es gibt eine Medizin, die dich wachmachen wird«, warnt Conroy. »Ich habe die beiden Siedlersöhne gesehen, die ihr verprügelt hattet. Ich kann es dir zurückgeben.«

Cheshire wird blass. Er geht zum Blasebalg und beginnt missmutig zu ziehen.

Conroy sucht Zange, Hammer, ein passendes Hufeisen und das andere notwendige Handwerkszeug zusammen. Er bindet das Pferd an und macht den Huf fertig. Das Eisen wird er nicht viel ändern müssen. Er zieht zwei Nägel aus dem Huf, geht zur Esse und legt das Eisen ins Feuer.

Cheshire lacht plötzlich auf und sagt: »Sieh mal, Conroy! Das ist was für dich!«

Conroy blickt zur Seite und sieht Cliff Dundee mit der Schrotflinte. Es ist eine schwere Waffe mit langen Läufen.

Dundee zielt auf ihn und sagt ruhig: »Jetzt hören Sie auf und verschwinden Sie!«

»Sie haben sich lange überlegt, auf wessen Seite Sie sich stellen sollen«, erwidert Stapp Conroy, »doch bei der Postgesellschaft sind Sie nun erledigt. Ich kann nachweisen, dass dieser Cheshire bei einem Postüberfall Fahrer und Begleitmann vom Bock schoss – er und seine Komplizen. Keine Postgesellschaft hat Verständnis dafür, wenn ihr Stationsmann ...«

Er kommt nicht weiter. Cheshire springt zur Seite, um aus dem Streubereich der Schrotflinte zu kommen. Er schnappt mit der gesunden Hand den schweren Hammer und wirft ihn Conroy zwischen die Schulterblätter. Dem bleibt die Luft weg. Er geht zu Boden und ist einen Augenblick hilflos. Es ist ein Gefühl, als wären Rückgrat und Schulterblätter gebrochen.

Cheshire kniet sich neben ihn, nimmt ihm den Colt ab und zielt auf Conroy.

Cliff Dundee, der bis auf einige Schritte herangekommen ist, richtet die Schrotflinte auf Cheshire und sagt ruhig: »Wenn du das tust, dann blase ich dich damit fort!«

Dabei bewegt er die Waffe unmissverständlich.

Cheshire, der ihn böse anstarrt, zweifelt nicht daran, dass Dundee es ernst meint.

Hufschlag ist zu hören.

Fünf Reiter kommen herangejagt. Chace Woolman, der erste Vormann von Borells Mannschaft, führt sie an. Sie haben die zehn Meilen im Galopp zurückgelegt. Ihre Pferde sind mit Schweiß bedeckt.

Woolman reitet auf seinem großen, hageren Rappen herbei und blickt auf Conroy nieder. Dann sieht er Cheshire an und nickt schließlich Dundee zu, der immer noch seine Schrotflinte in der Armbeuge hält.

»Du hast Cheshire natürlich geholfen, nicht wahr, Dundee?«, fragt er.

»Ja, das hat er«, keucht Cheshire. »Doch zuletzt hinderte er mich daran, diesen Burschen zu erledigen.«

»Das war richtig«, brummt Chace Woolman und klettert langsam vom Pferd. Er geht zu Stapp Conroy, stößt ihm die Fußspitze in die Seite und sagt: »Steh auf, mein Freund! Steh auf!«

Stapp Conroy ist bei Besinnung. Er versteht jedes Wort und kann auch wieder sehen. So blickt er zu dem Mann auf, der über ihm steht und ihm die Stiefelspitze in die Seite stieß.

Chace Woolman ist groß und sehnig, mit leicht gekrümmten, langen Beinen. Er geht auf den Außenkanten seiner Füße wie ein Indianer. Sein hohlwangiges Gesicht ist fest und verrät gnadenlose Härte. Seine Augen sind klein, hell und hart wie Kiesel.

Stapp Conroy möchte aufstehen. Es kommt ihm beschämend und erniedrigend vor, am Boden zu liegen. Die anderen Reiter sind ebenfalls abgesessen und umgeben ihn. Cole Cheshire hält immer noch Conroys Revolver in der Hand. Er zielt damit auf Conroy und sagt immer wieder voll böser Rachsucht: »Ich bringe ihn um! Chace, lass mich diesen Schuft umbringen.«

Der Vormann schüttelt den Kopf. Er blickt zu Cliff Dundee hinüber und sagt knapp: »Dundee, geh weg! Du brauchst hier nicht zuzusehen.«

Alle blicken auf den Stationsmann der Postgesellschaft. Es wird Cheshire klar, dass sie ihn wegschicken wollen, um keinen Zeugen zu haben. Denn hinter Cliff Dundee steht die Post- und Frachtgesellschaft, und die ist in der Lage, eine Menge Wirbel und Schwierigkeiten zu machen.

»Ich gehe nicht weg«, sagt Dundee. Er hält immer noch seine Schrotflinte unter dem Arm.

Inzwischen klingt der Schmerz in Stapp Conroy ab. Die Lähmung in seinem Rücken schwindet. Er kann wieder besser atmen. Vorsichtig bewegt er sich. Dabei werden die Schmerzen stärker.

Nur langsam erhebt er sich, steht unsicher und schwankend auf den Beinen. Er möchte seine Hände anheben, um die schmerzende Stelle unterhalb des Nackens zu massieren, doch er schafft es nicht.

Er sieht Chace Woolman an, als dieser sagt: »Durchsucht ihn! Ich möchte wissen, ob er einen Stern in der Tasche hat.«

»Den hat er bestimmt nicht«, sagt Cheshire.

»Seht nach!«, brummt Conroy, doch sie finden nichts außer einem alten Ausweis. Darin steht, dass Conroy in einer kleinen Stadt des Arizona-Territoriums im Einwohner-Register verzeichnet ist und sich dort abgemeldet hat. Sie finden in der Brieftasche etwas über hundert Dollar, einige Steckbriefe – darunter auch Cheshires Steckbrief – und ein dünnes Scheckheft.

»Er ist kein Gesetzesmann«, sagt einer der Männer zu Chace Woolman.

»Ein Kopfgeldjäger ist er – nichts anderes!« Cheshire brüllt es heiser. »Und er hat gesagt, dass er sich noch mehr Vögel aus der Borell-Mannschaft fangen würde.«

Sie schweigen alle und betrachten Conroy.

»Ich denke, es genügt, wenn wir ihm eine anständige Abreibung verpassen«, sagt Woolman. »Aber schlagt ihn nicht tot, Jungs.«

Stapp Conroy versucht, sich zu wehren. Doch er kann es nicht. Die Lähmung seiner Rückenmuskeln hält immer noch an. Sie haben es leicht mit ihm. Es gelingt ihm lediglich, einige der Schläger vor die Schienbeine zu treten.

Cliff Dundee sieht zu, wie sie Conroy zwischen sich halten und abwechselnd auf ihn einschlagen. Er möchte sich abwenden und fortgehen.

Doch er kann nicht. Nein, er kann nicht nur einfach die Augen zumachen, um nicht länger zusehen zu müssen, wie man einen hilflosen Mann schlägt. Er erinnert sich plötzlich daran, dass er seine Schrotflinte unter dem Arm trägt.

»Aufhören!«, ruft er scharf. »Ihr sollt aufhören!«

Sie halten ein, sehen sich nach ihm um und einer fragt: »Dich juckt es wohl, was? Willst du auch eine Portion, Dundee?«

»Ihr schlagt ihn tot«, erwidert Dundee langsam. »Ihr schlagt ihn hier vor meinen Augen tot, und das lasse ich nicht zu. Jetzt verschwindet! Ich habe genug von euch!«

Sie zögern und überlassen Chace Woolman die Entscheidung.

Dieser sagt: »Es ist wirklich genug. Dundee hat recht. Wir können den Kopfgeldjäger nicht totschlagen. Das wäre Mord. Kommt, Jungs!«

»Meinem Pferd fehlt ein Hufeisen. Nur deshalb konntet ihr uns hier einholen«, brummt Cheshire.

»Dann wird Dundee dir ein anderes Pferd geben«, sagt Woolman und blickt ihn an. Dundee nickt. Er will diese raue Mannschaft möglichst bald forthaben.

Wenig später ist er mit Stapp Conroy allein. Sein Neger kommt von den Feldern herbeigelaufen.

»Fass an, Bob! Wir müssen ihn ins Haus tragen«, sagt Cliff Dundee gepresst. Sein Gesicht ist dunkelrot.

✰✰✰

Stapp Conroy kommt erst nach zwei Tagen wieder voll zu Bewusstsein. Ab und zu erwachte er zwar aus seinem Dämmerzustand, schlief aber immer wieder ein.

Conroy versucht vorsichtig, sich zu bewegen. Er kann es nur unter großen Schmerzen. Er liegt nackt unter der Decke und hat überall blutunterlaufene Stellen, Beulen und Abschürfungen. Quer über seiner Nase klebt ein Pflaster.

Der Mann, der sich um Stapp Conroy kümmerte, scheint Erfahrung in der Behandlung von Männern zu haben, die unter eine Stampede gerieten.

Sie haben mich wie einen räudigen Hund totschlagen wollen, denkt Stapp Conroy, und eine eiskalte Wut steigt in ihm auf.

Er versucht, sich aufzusetzen. Doch es gelingt ihm nicht. Er ist steif, verkrampft.

Als Cliff Dundee eintritt, bewegt er langsam den Kopf und sieht ihn an.

Dundees sommersprossiges und beharrliches Gesicht ist ausdruckslos.

»Außer der Nase und zwei Rippen ist nichts gebrochen«, sagt er zu Conroy. »Sie sind ein eisenharter Bursche. So sehr sich diese Bande bemühte, totschlagen konnte man Sie nicht.«

»Und Sie haben zugesehen?«, fragt Stapp Conroy. Er fragt es nicht vorwurfsvoll oder anklagend. Es ist nur eine sachliche Frage.

»Ja, ich habe zugesehen.«

»Mit der Schrotflinte in den Händen?«

»Mit der Schrotflinte, Mister. Erst ganz zuletzt habe ich gesagt, dass sie aufhören sollen.«

»Erst ganz zuletzt?«

»Ja.«

Sie sehen sich eine Weile wortlos an.

»Vielleicht sind Sie nicht der Narr, für den ich Sie hielt«, sagt Dundee. »Vielleicht haben Sie nur den Fehler gemacht, ein Pferd zu nehmen, das beschlagen werden musste. Doch wenn man sich mit der Borell-Mannschaft anlegt, dann darf man keinen Fehler machen – nicht den geringsten. Sie wären jetzt tot, Mister, hätte man Sie nicht hier bei mir gestellt. Möchten Sie etwas essen oder ist Ihr Magen noch nicht in Ordnung?«

»Ich muss wieder auf die Beine kommen. Deshalb werde ich schon ein paar Bissen hinunterwürgen«, erwidert Conroy.

Dann ist er wieder allein.

✰✰✰

Zwei Tage später ist Stapp Conroy so weit, dass er sich erheben und bewegen kann. Wegen seiner gebrochenen Rippen kann er nur flach atmen. Er trägt einen strammen Verband um den Oberkörper.

Am dritten Tag nimmt er mittags Dundees Angelzeug und geht zum Fluss hinunter. Dort setzt er sich in den Schatten eines Baumes und bleibt bis zum Abend.

Bevor die Dämmerung einsetzt, kommt Cliff Dundee. Er sieht, dass Conroy drei große Forellen fing, und hockt sich in der Nähe nieder.

»Wann werden Sie reiten können?«, fragt er.

Conroy sieht ihn ausdruckslos an. »Wollen Sie mich von hier forthaben? Sie führen doch ein Gasthaus. Ich zahle für alles, was ich bekomme. Sie haben bestimmt nicht sehr oft Gäste – oder?«

»Kaum«, sagt Dundee und nimmt ein Stück Treibholz, um daran zu schnitzen. »Ich war der erste Siedler im Land. Ich bekam dann den Kontrakt mit der Postlinie. Das sind feste Einnahmen. Ich glaubte, dass hier an der Furt eine Stadt entstehen würde. Deshalb baute ich einen Store und ein Gasthaus. Ich hoffte, dass viele Siedlerfamilien auf die Ebene an den Ufern des Sioux River kämen. Doch es kamen nur wenige. Sie wurden bald von der Borell-Mannschaft vertrieben. Nur ich bin noch übrig. Mich lässt Arley Borell zufrieden, weil er sich sonst mit der Post- und Frachtgesellschaft anlegen müsste. Nein, ich bekomme nicht oft Gäste. Ich fragte, ob Sie fortreiten können, weil sich Cole Cheshire in der Nähe herumtreibt. Er lauert wahrscheinlich darauf, dass Sie ihm über den Weg laufen. Irgendwo wird er Sie erwarten. Das ist doch wohl klar!«

Conroy nickt.

»Sicher! Ich muss damit rechnen, dass Cheshire mir unterwegs auflauert. Er kann nicht zulassen, dass ich dem Gesetz berichte, wo er unterkriechen und Schutz finden konnte. Diese Bande hat mich zwar nicht vor Ihren Augen getötet, Dundee, aber Cheshire will mich nicht weit kommen lassen. Na, das ist nicht Ihr Kummer, Dundee. Erzählen Sie mir lieber, wie die Siedler vertrieben wurden.«

»Da gibt es nicht viel zu erzählen. Die Borell Ranch kontrolliert das Land. Sie leitete sogar zwei Creeks um, die zuvor über die Ebene zum Sioux River flossen. Damit legten sie die Ebene trocken. Die Siedler mussten sich mit Brunnen helfen oder auf Regen hoffen. Wer trotz der Trockenheit aushielt, bekam in einer dunklen Nacht Besuch. Oha, Conroy, muss ich Ihnen erzählen, wie so etwas gemacht wird? Überall werden Siedler von mächtigen Burschen davongejagt. Die Borell Ranch braucht große Weidegebiete. Um sie ständig kontrollieren und sich behaupten zu können, hat sie eine raue Mannschaft nötig. Die meisten dieser Reiter suchten eine sichere Zuflucht. Dafür zahlen sie mit Treue. Würde hier an der Furt eine Stadt entstehen, so gäbe es auch bald das Gesetz. Das muss Arley Borell mit allen Mitteln verhindern.«

»Was ist er für ein Mann?« Stapp Conroy fragt es ernst und nachdenklich. Dabei blickt er über den Fluss.

Dundee wischt sich mit der Hand über das Gesicht. »Der?«, fragt er, und seine Stimme bekommt einen heiseren Klang. »Arley Borell – aaah, sein Wille ist hier Gesetz. Er besitzt zwanzigtausend Rinder, fast tausend Pferde und kann mehr als fünfzig Reiter in die Sättel bringen. Er ist ein King! Und er ist so selbstherrlich wie ein Despot – wenn Sie wissen, was ich meine.«

»Ich weiß es«, murmelt Stapp Conroy. »Wie alt ist er? Wie sieht er aus?«

»Etwas älter als wir, vielleicht fünfunddreißig. Wie er aussieht? Bei seinem Anblick denkt man an einen Löwen. Ja, er wirkt wie ein Raubtier. Vielleicht könnte ich ihn schlagen – vielleicht! Doch was nützt das? Er ist nicht der Mann, den man in einer körperlichen Auseinandersetzung besiegen kann. Das schafft man nur, wenn man das ganze System zerstört, das er verkörpert, ein System unduldsamer Macht. Verstehen Sie das, Conroy?«

Stapp nickt. »Ich weiß«, sagt er. »Burschen wie Arley Borell bauen etwas auf, das dann für sie eine Art Götze ist, dem sie dienen und den sie verehren. Aber fassen wir einmal zusammen, was klar und einfach ist: Borell hält sich eine raue Mannschaft, mit deren Hilfe er in diesem Land seinen Willen zum Gesetz machen kann. Da man sich Treue von Burschen, die in seiner Mannschaft reiten, nicht allein mit Geld erkaufen kann, muss er eine sichere Zuflucht und Schutz vor dem Gesetz bieten. Das kettet sie an ihn, denn sie wissen, dass sie wieder gejagt werden und geächtet sind, wenn er nicht mehr mächtig genug ist, sie zu schützen. Dadurch, dass sie ihm helfen, ein mächtiger Mann zu bleiben, schützen sie sich selbst. Gut! Das ist völlig klar. Es gibt also nur einen einzigen Weg, sie zu bekämpfen.«

Stapp Conroy macht eine Pause.

Cliff Dundee betrachtet ihn mitleidig und winkt leicht ab.

»Ich weiß das selbst. Ich deutete es ja schon an. Hier müsste eine Stadt entstehen. Es müssten genügend Menschen her, die eine Gemeinschaft bilden, die nach der Verfassung lebt. Einer solchen Gemeinschaft muss sich früher oder später jeder Außenseiter unterordnen – auch Arley Borell. Aber ...«

»Ich werde die Stadt bauen«, unterbricht ihn Stapp Conroy trocken.

Cliff Dundee kneift die Augen zusammen, sieht ihn kritisch an und schüttelt den Kopf.

»Das schaffen Sie nicht«, sagt er dann. »Theoretisch wäre es leicht. Sie brauchten nur die Grundfläche der Stadt abzustecken und registrieren zu lassen. Städtegründungen werden von der Regierung in großzügigster Weise unterstützt. Die ganze Ebene zu beiden Seiten des Sioux River ist Regierungsland. Überall könnten sich Siedler niederlassen. Aber ...«

»Ich werde es in Gang bringen«, sagt Stapp Conroy ruhig.

Cliff Dundee schüttelt den Kopf. »Ich hielt mich für einen harten Burschen, der sich überall behaupten kann«, murmelt er, »doch wenn ich nicht den Kontrakt mit der Post- und Frachtlinie bekommen hätte, wäre ich ebenfalls fortgezogen. Auf der Ebene zu beiden Seiten des Flusses fehlt Wasser. Die Ufer sind zu steil.«

»Aber Sie schaffen für sich das Wasser mithilfe des Windrades und der Pumpe herauf«, unterbricht ihn Conroy.

»Sicher«, erwidert Dundee. »Doch wenn hundert Siedler auf diese Ebene kämen, brauchte man hundert solcher Windräder mit Pumpen. Man brauchte Kanäle und Wasserleitungen. Noch bevor man alles richtig aufgebaut hätte, kämen Borells Revolverhelden und zerstörten es. Conroy, ich halte Sie für einen harten Burschen, der kämpfen kann. Doch Sie sind auch ein Mann, der Fehler macht. Die Sache mit dem Hufeisen beweist es. Ein Mann, der solche Fehler macht, hat gegen Arley Borell niemals eine Chance.«

»Wir werden sehen«, erwidert Stapp Conroy.

»Haben Sie überhaupt genug Geld?«, will Cliff Dundee wissen.

»Oh, ich habe mir einige Kopfprämien verdient«, erwidert Conroy. »Und wenn ich in einigen Tagen Cheshire erwische, kommen noch tausend Dollar dazu. Ich werde ein Anfangskapitel von etwa achttausend Dollar zur Verfügung haben. Vielleicht bekomme ich noch einen Kredit von der Bank in Cheyenne. Gewiss beteiligt sich auch die Post- und Frachtgesellschaft, denn für diese Gesellschaft ist es wichtig, ob hier eine Stadt entsteht oder nicht. Außerdem kann ich später Grundstücke verkaufen.«

»He«, staunt Cliff Dundee. »Sie wollen Cheshire immer noch haben? Sie wollen ...«

»Wenn er irgendwo auf mich wartet, um mich umzubringen, dann bekomme ich ihn auch«, sagt Conroy knapp.

Cliff Dundee sieht ihn nochmals an. Diesmal betrachtet er ihn genauer.

»Wenn Sie das schaffen«, murmelt er, »dann werde ich Sie vielleicht fragen, ob wir Partner werden können. Ich hatte schon einige Male Lust, es mit Borell aufzunehmen, doch ...«

Er erhebt sich und wirft das Holz, an dem er bisher herumschnitzte, ins Wasser. »Man soll nicht vorher so viele Worte machen«, knurrt er. »Sie sind noch härter, als ich glaubte.«

Langsam geht er davon.

✰✰✰

Zwei Tage später fragt Stapp Conroy, ob er eine Schrotflinte kaufen könne.

»Keinen Colt?«

»Nein! Meinen Colt hat Cheshire, und ich weiß, dass ich meine Waffe zurückbekomme. Ich bin auch noch nicht wieder so weit hergestellt, dass ich mit einem Colt schnell und sicher genug umgehen könnte. Ich möchte eine Schrotflinte. Es braucht keine Neue zu sein. Sagen Sie mir dann, was ich zu zahlen habe. Nach Anbruch der Dunkelheit verschwinde ich.«

Cliff Dundee blickt ihn an und nickt.

»Ich habe eine Schrotflinte, die ich Ihnen für zwanzig Dollar lassen kann. Sonst sind Sie mir nichts schuldig, Conroy.«

»Ich bin Ihnen eine ganze Menge schuldig«, erwidert dieser. »Ich glaube, ich lebte nicht mehr, wenn Sie nicht als Zeuge dabei gewesen wären und Einhalt geboten hätten, als die Borell-Mannschaft mich fertigmachte. Dundee, ich weiß, was ich Ihnen schuldig bin. Sie werden dafür eine Stadt bekommen – die Stadt, die Sie sich von Anfang an wünschten.«

Stapp Conroy untersucht später die Schrotflinte und lädt sie sorgfältig. Dann stopft er seine Reservekleidung, die er in einem Bündel hinter dem Sattel geschnallt hatte, mit Heu aus und bindet die Puppe auf dem Pferd fest.

Cliff Dundee hilft ihm wortlos dabei.

»So wollen Sie ihn erwischen?« Dundee fragt es skeptisch.

»Ja!«, erwidert Conroy ruhig. »Cheshire kann sich ausrechnen, dass ich mich bei Nacht davonschleiche. Er wird sich vielleicht auch denken, dass ich mit Verdruss rechne, und aus seinem Versteck auf den Reiter schießen, der von dieser Station her durch die Furt kommt.«

»Viel Glück!«, sagt Dundee schwerfällig.

✰✰✰

Für Stapp Conroy ist es jetzt eine Art Glücksspiel. Dennoch kann er sich eine kleine Chance ausrechnen. Er ist völlig sicher, dass Cole Cheshire nach Anbruch der Dunkelheit dicht bei der Furt auf der Lauer liegt, denn nur so kann er vermeiden, dass ihm sein Wild entwischt.

Stapp Conroy geht hinter seinem Pferd her, auf dem die ausgestopfte Puppe sitzt, die täuschend echt schwankt. Er treibt den Grauen immer wieder leise zum Weitergehen an. Stapp hält sich geduckt. Mitten in der Furt reicht ihm das Wasser bis zum Gürtel. Er lässt dem Pferd noch etwas Vorsprung, gerade so viel, dass er die Silhouetten des Tieres und der Puppe erkennen kann.

Einen Moment hat er Sorge, dass Cheshire nicht genau die Puppe trifft. Vielleicht bekommt der treue Wallach die Kugel. Doch dann sagt er sich, dass Cheshire ein eiskalter, erfahrener Revolverschwinger ist, der genau schießen kann.

Vor ihm trottet der Graue ans Ufer. Sein Hufschlag ist im Gras der Böschung kaum zu hören.

Plötzlich schnaubt der Wallach. Dieses Schnauben ist eine Warnung vor dem Mann im Ufergebüsch.

Dann krachen zwei Revolverschüsse.

Cheshire sprang hinter dem Busch hervor und jagte beide Kugeln in die Heupuppe. Das Pferd macht einen Satz zur Seite.

Da die Puppe noch immer im Sattel sitzt, feuert Cheshire nochmals und dreht sich dabei in die Fluchtrichtung des Pferdes, läuft sogar einige Schritte hinter ihm her, da er in der Dunkelheit kaum noch etwas erkennen kann.

Stapp Conroy kann sich noch nicht wieder so schnell und leicht bewegen wie sonst, doch er gelangt mühelos in den Rücken Cheshires und schlägt ihn mit dem Doppellauf der Schrotflinte nieder.

Als er den Banditen gefesselt hat, sucht er dessen Pferd. Der Graue kam von selbst zurück.

Stapp Conroy legt Cheshire quer über das Pferd. Seinen alten Colt hat er bereits wiedergefunden und die ausgestopfte Puppe abgenommen, als Cliff Dundee durch die Furt kommt.

Dundee ruft ihn schon von Weitem an. Conroy gibt Antwort. Dann stehen sie sich gegenüber.

»Glück gehabt?«, fragt Dundee.

»Vielleicht. Es lag ja klar auf der Hand, dass Cheshire mir auflauern würde, um mich ohne Zeugen umzubringen.«

»Und du willst zurückkommen, Stapp?«, fragt Cliff Dundee feierlich.

»Natürlich! Die Prügel verdanke ich nicht Cheshire – auch nicht so sehr dem Vormann Chace Woolman. Es ist Arley Borells System. Es muss zerstört werden! Ja, ich komme zurück, um eine Stadt zu bauen. Ich werde die Ebene bewässern, Siedler herholen und den Kampf aufnehmen. Und was wirst du tun, Cliff?«

»Zu dir halten. Mit dir als Partner will ich es gegen Borell wagen. Komm nur zurück!«

Sie schütteln sich die Hände.

Dann sitzt Stapp Conroy auf, nimmt das Pferd mit dem Gefangenen und verschwindet in der Nacht.

✰✰✰

Tag um Tag vergeht. Woche um Woche. Von Stapp Conroy kommt keine Nachricht. Cliff Dundee spürt allmählich Zweifel. Er hält es für möglich, dass Stapp Conroy es sich doch noch anders überlegt hat.

An den Sioux River zurückzukommen und es hier gegen Arley Borell zu versuchen, dazu gehört mehr als Mut.

Stapp Conroy war vielleicht doch nur ein Kopfgeldjäger.

Das sind Cliff Dundees Gedanken, während er mit seinem schwarzen Gehilfen seiner Arbeit nachgeht.

Eines Tages bekommt er eine Zeitung aus Cheyenne. Die Zeitung ist fast zwei Wochen alt. Dundee liest, dass man einen Cole Cheshire, der auch unter anderen Namen als Bandit bekannt war und steckbrieflich gesucht wurde, wegen verschiedener Verbrechen verurteilt und gehenkt hat.

Stapp Conroy hat ihn also dem Gesetz übergeben, denkt Cliff Dundee. Doch das muss schon vor mehreren Wochen geschehen sein. Der Sommer ist bald vorbei. Was hat Stapp Conroy danach gemacht?

Cliff Dundee spürt ein Gefühl der Enttäuschung.

Als er die Zeitung umblättert, liest er eine große Anzeige.

Und jetzt weiß er, dass Stapp Conroy die Sache nicht aufgegeben hat. Im Gegenteil! Conroy will eine Menge auf die Beine bringen.

In der Zeitung steht dick eingerahmt:

KOMMT ZUM SIOUX RIVER!

Siedler und Farmer, Handwerker und Geschäftsleute! An der Furt des Sioux River entsteht eine Stadt.

Auf der Ebene zu beiden Seiten des River ist freies Land!

KOMMT ZUM SIOUX RIVER!

Über die Fortschritte am Sioux River wird an dieser Stelle jeden Monat genau berichtet werden.

Sioux River Company

»Heiliger Rauch«, sagt Cliff Dundee, »dieser Stapp Conroy ist doch kein Narr! Aber ist es fair, die Leute zum Sioux River zu locken? Hier gibt es noch nicht einmal ...«

Er unterbricht sein Selbstgespräch, denn er hört draußen einen Reiter kommen. Schnell tritt er vor die Tür.

Es ist Stapp Conroy, der das Pferd an den Haltebalken lenkt und im Sattel bleibt. Er deutet auf die Zeitung in Dundees Hand.

»Hast du es schon gelesen?«

»Ja! Ich frage mich, ob es anständig ist, Leute herzulocken. Hier gibt es nichts außer der Poststation und meinem Store mit dem Gasthaus. Das ist nicht viel.«

»Ich habe einen Wagenzug unterwegs, der in etwa zwei Tagen hier eintrifft«, sagt Stapp Conroy knapp. »Wir dürfen keine Zeit verlieren und müssen die Grundfläche der zukünftigen Stadt abstecken. Cliff, wir brauchen Holzpfosten, eine Axt, einen Hammer und Maßleinen. Wir müssen einen Plan anfertigen, auf dem alles genau eingetragen wird. Wir müssen sofort anfangen, Cliff! Wo ist Bob?«

»Hier«, sagt jemand hinter ihm. Bob kam aus dem Stall.

Cliff Dundee grinst. Er blickt immer noch zu Stapp Conroy empor.

»Willst du nicht erst etwas essen, Stapp?«

»Nein, bis Sonnenuntergang sind es noch drei Stunden. Ich möchte nicht eine einzige Minute vergeuden.«

Zwei Tage später haben sie zu beiden Seiten des Flusses die Grundfläche abgesteckt. Die Hauptstraße soll später nicht mehr durch die Furt, sondern über eine Brücke führen, die die Stadtteile miteinander verbindet.

Sie haben die einzelnen Parzellen genau vermessen und auch an Quergassen gedacht. Auf Schildern an eingerahmten Pfählen steht, für welchen Zweck die Grundstücke gedacht sind.

Vorerst gleicht alles einem Spiel, wenn auch die drei Männer mit Energie und Ernst bei der Sache sind. Die Pfosten, die Schilder, der ganze Plan auf dem Papier – all das ist vorläufig nur ein Wunsch, eine Absicht.

Natürlich bleibt ihre Arbeit nicht unbemerkt, denn es kommen dann und wann Reiter zum Store oder durch die Furt, es kommen Postkutschen und Wagenzüge.

Einer der Reiter ist Curly Williams, der damals mit Cole Cheshire in der Weidehütte war, als Stapp Conroy auftauchte, um Cheshire zu holen.

Curly Williams kauft zuerst ein Päckchen Durham-Tabak, Blättchen, ein Paar Socken, eine Flasche Whisky und Zündhölzer.

Bob bedient ihn, und Curly nennt ihn mehrmals »schwarze Hundeseele«. Doch Bob fühlt sich nicht beleidigt, grinst nur und sagt stets freundlich: »Yes, Sir.« Er lässt sich nicht herausfordern.

Das ärgert Curly. Er geht mit seinen Einkäufen hinaus, setzt sich auf sein Pferd und reitet herum. Eingehend betrachtet er alles, bis er bei Conroy und Dundee ankommt, die das letzte Grundstück festgelegt haben.

»Was gibt das hier?«, fragt Curly Williams und betrachtet Stapp Conroy böse. »Wir haben schon gehört, dass Cheshire in Cheyenne aufgeknüpft wurde«, fügt er hinzu, »und wir werden dir schon noch die Haut abziehen, Bruder. Aber jetzt möchte ich erst einmal wissen, was das hier soll.« Er deutet auf den eingerammten Pfahl.

Stapp Conroy scheint den arroganten und frechen Ton in den Worten Williams gar nicht zu bemerken. Ruhig sagt er: »Dieses Grundstück hier am Fluss ist für eine Sägemühle vorgesehen. Die Getreidemühle bauen wir oberhalb der Brücke auf der anderen Seite. Doch die Getreidemühle hat Zeit bis zur Ernte nächstes Jahr. Sonst noch eine Frage, Curly?«

Dieser betrachtet Conroy und Dundee mitleidig.

»Ihr kommt mir vor wie zwei Jungs, die im Sand spielen und mit Steinen und Holzstücken eine Stadt aufbauen, die nur in ihrer Einbildung existiert. Dundee, ich muss Arley Borell Meldung machen. Was hier geschieht und von euch geplant ist, wird ihm gar nicht gefallen, ihr Narren!«

Nach diesen Worten reitet er davon.

Dundee und Conroy blicken ihm nach.

»Ab morgen«, sagt Conroy langsam, »dürfen wir nicht mehr in deinem Haus schlafen, Cliff. Wir müssen damit rechnen, dass ...«

Noch während der Nacht kommen die sechs schweren Murphy-Doppelfrachtwagen mit der Arbeitsmannschaft an, die Stapp Conroy vor Wochen in Kansas City anwarb. Die Wagen fahren jenseits des Flusses zu einem Kreis auf. Bald schon leuchten die Feuer herüber.

Conroy und Dundee setzen sich auf zwei ungesattelte Pferde und reiten durch die Furt.

Drüben treffen sie auf einen Mann.

»Das ist Bill Mannen«, sagt Conroy. »Bill, das ist Cliff Dundee. Ich bin froh, dass du zur Stelle bist.«

»Das sind meine Männer«, stellt der untersetzte, bärenstarke Bursche seine Mannschaft vor. Er betrachtet Cliff Dundee im Schein des Feuers und ist offensichtlich mit der Musterung sehr zufrieden. Er grinst breit, wie es nur ein Ire tun kann, und sagt: »Hat Stapp Ihnen erzählt, dass Cole Cheshire vor zwei Jahren meinen Bruder erschoss? Das war in Fargo.«

»Nein«, sagt Cliff Dundee.

Wieder grinst Bill Mannen breit. »Stapp hat einige Freunde da und dort. Nun, wir werden morgen beginnen, die drei Wasserräder zu montieren. Wahrscheinlich können wir das in drei bis vier Wochen schaffen. Dann habt ihr hier eine Menge Kraft, um das Wasser aus dem Fluss zu holen. Seht nur zu, dass ihr es auch richtig verwendet.«

»Das kommt alles«, sagt Stapp Conroy. »Die drei Räder, die uns Wasser liefern, sind ein weiterer Schritt zu unserem Ziel. Du hilfst uns sehr, Bill.«

»Hast du ihm gesagt, dass es hier gefährlich werden könnte? Hast du ihm von Arley Borell und dessen harten Reitern erzählt? Weiß Bill Mannen, dass die Wasserräder vielleicht schon bald von der Borell-Mannschaft zerstört und in den Fluss geworfen werden können?«, stößt Cliff Dundee hervor.

Bill Mannen lacht tief und kehlig. »Das weiß ich. Wir sind solchen Kummer gewöhnt. Drüben in Nebraska bauten wir vor einem Jahr auch eine Wasserleitung, die den Rinderzüchtern nicht passte. Das machte uns nichts aus. Wir werden sehen, nicht wahr?«

✰✰✰

Am nächsten Morgen beginnt die Arbeit. Bill Mannens Leute sind aufeinander eingespielt. Bill ist ein erstklassiger Fachmann, der schon Hunderte solcher Wasserräder montierte.

An der Furt herrscht nun reger Betrieb.

Wagen werden ausgeladen, fahren fort, kommen mit Baumstämmen wieder. Hammer- und Axtschläge hallen. Am felsigen Flussufer werden Sprenglöcher in das Gestein getrieben. Ein paar Stunden später krachen die Sprengungen.

Es ist überall etwas los.

Mit der Postkutsche kommen Fremde, die sich während der kurzen Rast aufmerksam umsehen. Einer dieser Fremden entschließt sich da zu bleiben. Er nimmt in einer von Cliff Dundees Gaststuben Quartier. Beim Abendbrot lernen Stapp Conroy und Cliff Dundee ihn kennen. Ab und zu zeigt sich Bob Marmaduke, Dundees schwarzer Gehilfe.

»Ich bin Jim Stringfellow«, stellt sich der Fremde vor. »Ich interessiere mich für Städtegründungen. Natürlich habe ich mich schon umgesehen. Ich möchte zwei Grundstücke kaufen und zahle bar. Da die Grundstücke Nummern haben, kann ich Ihnen jetzt schon sagen, dass ich die Nummern elf und siebzehn haben will.«

»Was wollen Sie darauf bauen?«, fragt Stapp Conroy ruhig, während er die Suppe löffelt und sein Gegenüber betrachtet.

»Das weiß ich noch nicht«, lächelt Stringfellow.

Jim Stringfellow ist schwer einzuschätzen. Schon sein Alter ist unbestimmbar. Er kann weit über vierzig, aber auch kaum dreißig Jahre alt sein. Er wirkt unauffällig, ist sommersprossig, hat sandfarbenes Haar und trägt einen etwas zu weiten Cordanzug.

Stapp Conroy weiß aus Erfahrung, dass solche unscheinbaren, durchschnittlichen Männer manchmal beachtlicher sind als prächtig aussehende Burschen.

»Jedes Grundstück hier kostet tausend Dollar«, sagt Cliff Dundee. »Sie wählten eins mitten an der künftigen Hauptstraße und eins am Flussufer. Das ist klug. Sie müssen jedoch einen Vertrag unterschreiben, dass Sie diese Grundstücke nur mit höchstens zehn Prozent Gewinn verkaufen dürfen. Wir wollen hier keine Spekulanten.«

»Das ist gut«, sagt Jim Stringfellow und löffelt weiter seine Suppe.

Als sie mit dem Abendbrot fertig sind, besteht er auf einer sofortigen schriftlichen Bestätigung des Kaufs. Er legt die zweitausend Dollar hin und zahlt zwei Dollar für die Einschreibung in das Grundbuch der zukünftigen Stadt.

Die Sioux River Company, die von Stapp Conroy, Cliff Dundee und Bill Mannen gebildet wird, hat zweitausend Dollar Betriebskapital mehr zur Verfügung.

Jim Stringfellow steckt die Quittung sorgfältig weg und geht in sein Zimmer, um sich früh ins Bett zu legen. Er war einige Tage mit der Postkutsche unterwegs.

Cliff und Stapp blicken sich an.

»Wirst du schlau aus ihm?«, fragt Cliff.

Stapp zuckt mit den Schultern.

»Er trägt eine Jacke, die ihm zu weit ist. Darunter hat er zwei Revolver in Schulterholstern. Sein Name sagt mir gar nichts. Wir werden wohl herausfinden, wie wir ihn einschätzen müssen.«

Sie löschen die Lichter, nehmen ihre Gewehre und gehen hinaus. Auch Bob Marmaduke ist bei ihnen.

»Wenn Arley Borell diese Nacht sein Rudel schicken sollte«, sagt Cliff Dundee langsam und nachdenklich, »dann wird er ihnen gesagt haben, dass sie nichts tun sollen, was der Post- und Frachtlinie schadet. Sie werden also versuchen, meinen Store zu vernichten. Nur damit können sie mich treffen. Ich habe all meine Ersparnisse hineingesteckt.«

»Deshalb wollen wir ihn bewachen«, sagt Stapp Conroy.

»Ich werde mich auf das Scheunendach legen«, grinst der schwarze Bob. In der Dunkelheit leuchten seine weißen Zähne. »Von dort aus bestreiche ich die ganze Rückseite mit der Schrotflinte.«

»Richtig! Ich lege mich dort heben die Wassertröge«, entschließt sich Cliff Dundee. »Und du, Stapp?«

»Ich krieche unter die Veranda«, erwidert Stapp. »Oder sind dort Schlangen?«

»Vielleicht Regenwürmer, Mäuse und ein Igel«, lacht Cliff leise.

Dann trennen sie sich.

Es vergehen einige Stunden. Sie schlafen eine Zeit lang, jedoch nicht besonders ruhig und bequem.

Als Stapp erwacht – er liegt halb unter der knapp einen Fuß hohen Veranda dicht bei der Hausecke –, ist es wohl zwei Stunden nach Mitternacht.

Er rollt sich auf die Seite und presst sein Ohr gegen den Erdboden. Es ist nichts zu hören. Nach einer Weile versucht er es nochmals. Wenn die Borell-Mannschaft in dieser Nacht kommen sollte, so wird sie bald erscheinen.

Es vergeht noch eine halbe Stunde. Stapp lauscht immer wieder.

Endlich hört er es: Reiter kommen! Sie reiten im Schritt und sind gewiss noch in der Senke, die dicht an die Sioux River Station führt.

Stapp stößt einen leisen Pfiff aus, den Cliff Dundee und Bob Marmaduke leise erwidern. Sie sind also wach und lauschen ebenfalls.

Das Fenster von Stringfellows Gastzimmer wird ein Stück hochgeschoben, und Stringfellows heisere Stimme fragt halblaut: »Wer pfeift da draußen?«

»Ziehen Sie den Kopf ein! Gleich wird geschossen«, brummt Stapp, der nur wenige Yards von ihm entfernt am anderen Ende der Veranda ist.

Stringfellow sagt nichts mehr. Doch sein Fenster bleibt offen.

Es vergehen noch gut fünf Minuten, dann bricht es los!

Die Reiter der Borell-Mannschaft kommen aus der Senke galoppiert. Ja, der Store ist ihr Ziel. Das ist sofort klar.

Damit ihnen jedoch niemand vom Wohn- und Gasthaus aus Schwierigkeiten machen kann, übernehmen es ein paar Männer, sämtliche Fenster dieses Hauses unter Feuer zu nehmen. Das Krachen ihrer Revolver zerreißt die Stille der Nacht.

Andere Reiter umkreisen den Store, an den sich der Saloon anschließt.

Ein Ballen brennendes Heu, den einer der Reiter im Vorbeireiten aus der halb offenen Scheune riss, fliegt auf das Dach des Store. Die Holzschindeln werden leicht Feuer fangen.

Der Bursche, der den brennenden Heuballen vom Sattel aus auf das Storedach beförderte, bekommt die erste Kugel. Cliff Dundee versteht keinen Spaß, wenn es um seinen Store geht, den er mühsam aufbaute.

Cliff schießt mit einer Schrotflinte – wie sein schwarzer Gehilfe auf dem Scheunendach. Sie laden beide unheimlich schnell nach, während Stapp Conroy bei der Veranda vom Boden aus schräg nach oben mit dem Revolver auf die Reiter schießt, die sich deutlich gegen den helleren Himmel abheben und vom Flammenschein des brennenden Heuballens angeleuchtet werden. Das Dach fängt kein Feuer.

Aus einem Fenster wird geschossen. Stringfellow feuert mit zwei Revolvern. Warum kämpft er mit?

Für einen Moment sieht es so aus, als wollten die Borell-Reiter kämpfen.

Dann erkennen sie, dass sie in eine Falle ritten, dass die Gegner gut verteilt sind. Sie jagen nach allen Richtungen in die Nacht davon und werden sich irgendwo sammeln.

Zwei Pferde, ein Toter und drei Verwundete bleiben zurück. Einer dieser Verwundeten erhebt sich und läuft ebenfalls davon. Dabei brüllt er laut, man solle auf ihn warten.

Die beiden anderen Verwundeten stöhnen und fluchen. Einer erhebt sich nach einer Weile und taumelt zum Wassertrog. Hier treffen sich auch Cliff Dundee und Stapp Conroy.

Der Verwundete sagt heiser vor Schmerz zu ihnen: »Lasst mich nur zufrieden! Verbindet meine Wunden und lasst mich reiten, denn sonst ...«

»Ich hätte große Lust, dir was auf dein Maul zu geben«, sagt Cliff Dundee wütend. »Ihr elenden Banditen! Ihr kommt her und wollt meinen Store anzünden – und dann wagst du es noch, große Töne zu riskieren? Ich werde dir ...«

Er holt tatsächlich aus, um den Burschen ins Gesicht zu schlagen. Doch dann lässt er die Hand sinken und wendet sich ab.

Bob Marmaduke klettert inzwischen vom Scheunendach und zündet eine Laterne an. Von der anderen Seite des Flusses kommen ein paar Männer durch die Furt.

Etwas später ist alles klar. Man weiß nun, dass zwei Verwundete und ein Toter zurückblieben. Natürlich werden die Verwundeten verbunden.

»Warum habt ihr uns nicht gesagt, dass ihr einen Angriff erwartet? Dann hätten wir mitgemacht. Die Überraschung wäre dann noch größer gewesen«, sagt Bill Mannen vorwurfsvoll.

Stapp Conroy winkt ab.

»Es wurde schlimm genug für die Angreifer. Hoffentlich genügt das Arley Borell als Warnung. Aber was nun? Jemand muss ...«

»Ich werde das übernehmen«, sagt Jim Stringfellow, noch bevor Stapp Conroy überhaupt etwas gesagt hat. »Ich bin ein unparteiischer Gast hier«, spricht er weiter, und nun ist Ironie in seiner Stimme. »Mir wird die Borell-Mannschaft wohl nicht den Kopf abreißen, wenn ich ihr die verlorenen Schafe zurückbringe. Oder?«

Cliff Dundee und Stapp Conroy betrachten Stringfellow. Sie wissen genau, wie unheimlich schnell er mit zwei Revolvern aus dem Fenster schoss. Der Tote geht auf sein Konto, das ist sicher.

Dennoch versucht Stringfellow jetzt den Eindruck zu erwecken, als wäre er unparteiisch. Aber er hat einen guten Grund dafür. Nur so kann er den Toten und die beiden Verwundeten zur Borell Ranch bringen, ohne befürchten zu müssen, dass es ihm übel ergeht.

Cliff Dundee wendet sich an seinen Gehilfen: »Bob, spann den leichten Wagen an und polstere ihn mit Heu aus.«

Er wendet sich wieder an Jim Stringfellow. »Es ist sehr freundlich von Ihnen, Stringfellow«, sagt er. »Vielleicht bestellen Sie bei dieser Gelegenheit auch Mister Borell unsere Grüße. Er soll seine Banditen nicht noch einmal auf uns loslassen. Vergossenes Blut und jeder Tote kommen auf sein Konto.«

»Ich werde es ausrichten«, sagt Stringfellow ruhig.

Zehn Minuten später ist er unterwegs.

✰✰✰

Jim Stringfellow fährt sieben Meilen. Dann erst holt er die geschlagene Borell-Mannschaft ein, die im Schritt heimwärts reitet. Sie haben noch weitere Verwundete und ein lediges Pferd bei sich, das wahrscheinlich dem Toten im Wagen gehört.

Chace Woolman führt die Mannschaft selbst. Er hat es gewiss nicht eilig, zu seinem Boss zu kommen, um ihm den Misserfolg zu melden.

Als Chace Woolman den Wagen hinter sich entdeckt, hält er an.

Sein hageres Gesicht ist heute noch härter, und seine hellen grauen Augen wirken merkwürdig stumpf. Chace Woolman ist in einem besonders gefährlichen Zustand.

Seine Reiter sind in der gleichen Stimmung. Ihre Selbstsicherheit und ihr Glaube, unbesiegbar zu sein, erlitten einen empfindlichen Stoß. Sie schämen sich, weil sie nach allen Richtungen in die Nacht ritten und die Flucht ergriffen.

Jetzt bilden sie einen Kreis um den Wagen, als Jim Stringfellow anhält. Sie sehen die beiden Verwundeten und den in die Decke gehüllten Toten im Heu des Wagenkastens.

Jim Stringfellow wirkt wieder sehr durchschnittlich, gar nicht beachtlich.

»Fresst mich nicht auf, Gents! Ich dachte, dass jemand eure Pechvögel heimbringen müsste. Macht mich nur nicht dafür verantwortlich. Ich war ganz zufällig bei der Sioux River Station.«

Sie betrachten ihn immer noch schweigend. Ein Strom von Bösartigkeit geht von ihnen aus.

Einer der Verwundeten auf dem Wagen sagt heiser und gepresst: »Er ist schon in Ordnung! Wenn er sich nicht angeboten hätte, uns zu fahren, dann hätten wir dort bleiben müssen.«

»Und warum haben Sie sich angeboten, unsere Leute heimzufahren?«, fragt Woolman lauernd.

»Ich bin Geschäftsmann«, erklärt Jim Stringfellow. »Ein Geschäftsmann muss bestrebt sein, sich überall Freunde zu schaffen. Vielleicht kann ich sogar mit Mister Borell ein Geschäft machen. Mein Name ist Stringfellow, Jim Stringfellow. Wollen wir weiter?«

Chace Woolman starrt ihn immer noch an.

Dann fragt er gefährlich sanft: »Was haben Sie unter der Jacke, Stringfellow? Knöpfen Sie Ihre Jacke auf.«

Stringfellow grinst wieder auf seine einfältige Art. Dieses Grinsen ist eine Tarnung. Er öffnet ohne Widerspruch seine Jacke. Chace Woolman sieht die beiden Schulterholster mit den Colts.

»Außer mit Schrotflinten wurde auch mit Revolvern auf uns geschossen«, sagt Woolman langsam, und seine Augen sind nun schmal und kalt.

»Ich sagte doch schon, dass ich ein Geschäftsmann bin«, erklärt Stringfellow. »Meine Revolver waren nicht dabei!«

»Na gut«, entschließt Chace Woolman sich. »Bis zur Hauptranch sind es noch fast zehn Meilen. Wir werden sehen, Stringfellow, ob Sie mit dem Boss ein Geschäft machen können. Wir werden sehen.«

✰✰✰

Die Borell Ranch ist eine richtige Burg. Alles ist wie für die Ewigkeit gebaut, aus mächtigen Balken und Quadern. Diese Ranch ist beinahe eine Festung.

Um das zweistöckige Haupthaus sind die vielen anderen Gebäude errichtet: Schlafhäuser, Küche, Werkstätten, Scheunen und Ställe. Die Corrals und Weidekoppeln sind weitläufig.

Die Borell Ranch ist selbst für einen Laien sofort als Residenz eines Rinderkönigs zu erkennen.

Jim Stringfellow muss warten. Er tränkt inzwischen die beiden Pferde des Wagens. Nach einer Weile hinkt Chace Woolman mit dunkelrotem Gesicht aus dem Ranchbüro und winkt ihm zu. Er geht zu Woolman hinüber und betritt mit diesem das Ranchbüro.

Arley Borell sitzt hinter dem Schreibtisch. Er hat den Sessel nach hinten gegen die Wand gekippt und die Füße auf der Tischplatte liegen. Dass seine Sporenräder die Platte zerkratzen, stört ihn nicht.