G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 8 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 8 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

3 spannende Westernromane lesen und sparen!

G.F. Unger ist der erfolgreichste deutschsprachige Western-Autor. Mit einer Rekordauflage von über 250 Millionen Exemplaren gehört er zur internationalen Spitzenklasse der Spannungsliteratur. Und das zu Recht!

Niemand vermag es wie er, die unermesslichen Weiten des amerikanischen Westens und die Stärke der unerschrockenen Männer, die sie erschlossen, zu beschreiben. Erleben Sie den amerikanischen "Wilden Westen", wie nur G.F. Unger ihn schildern kann: hart, authentisch, leidenschaftlich.

Dieser Sammelband enthält die Folgen 2371 bis 2373:

2371: Langreiter

Adam McFay gibt seinen Job als Sheriff auf und auch die Frau, die er liebt. Er wird zum Langreiter, um zu verhindern, dass sein Bruder ein Gesetzloser wird, der irgendwann am Galgen endet ...

2372: Longhorns nach Norden

Man hat es nicht nur auf seine Herde abgesehen, sondern ihm auch noch den Tod geschworen. Doch für die schöne Eveline wäre Jim Curran auch mitten durch die Hölle geritten ...

2373: Die Jack-Slade-Legende

Sieben skrupellose Banditen schossen ihn zusammen und raubten ihm die Frau. Er schwor sich, die Bande bis zum letzten Mann zu jagen - und schuf so seine eigene Legende ...


Der Inhalt dieses Sammelbands entspricht ca. 250 Taschenbuchseiten.
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Seitenzahl: 463

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Impressum

BASTEI ENTERTAINMENT Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG Für die Originalausgaben: Copyright © 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln Coverillustration: Norma/Faba ISBN 978-3-7325-8255-6

G. F. Unger

Western-Bestseller Sammelband 8

Inhalt

G. F. UngerG. F. Unger Western-Bestseller 2371 - WesternAdam McFay gibt seinen Job als Sheriff auf und auch die Frau, die er liebt. Er wird zum Langreiter, um zu verhindern, dass sein Bruder ein Gesetzloser wird, der irgendwann am Galgen endet ...Jetzt lesen
G. F. Unger Western-Bestseller 2372 - WesternMan hat es nicht nur auf seine Herde abgesehen, sondern ihm auch noch den Tod geschworen. Doch für die schöne Eveline wäre Jim Curran auch mitten durch die Hölle geritten ...Jetzt lesen
G. F. Unger Western-Bestseller 2373 - WesternSieben skrupellose Banditen schossen ihn zusammen und raubten ihm die Frau. Er schwor sich, die Bande bis zum letzten Mann zu jagen - und schuf so seine eigene Legende ...Jetzt lesen

Inhalt

Cover

Impressum

Langreiter

Vorschau

Langreiter

Als Curly Ben McFay sich vom Tisch erhebt, ist sein Gesicht aschfahl. Er hat mit vier harten und erfahrenen Männern gespielt. Es war ein richtiges Männerspiel, und er hat sich nicht behaupten können.

Einer der Männer zieht das Geld zu sich herüber. Curly Ben hat insgesamt zweitausend Dollar verloren. Zweitausend Dollar! Erst jetzt wird er sich dieser großen Summe bewusst. Für zweitausend Dollar muss ein Cowboy fast zehn Jahre arbeiten!

»Natürlich geben wir Ihnen Revanche, wann und wo Sie wollen, junger Freund«, sagt der Mann, der das letzte Spiel gewann und nun das Geld zu sortieren beginnt.

Curly Ben McFay schluckt hart. Dann schüttelt er den Kopf. »Das wird wohl nicht möglich sein«, murmelt er. »Dann müssten Sie schon dorthin kommen, wo ich …« Er bricht ab, wendet sich um und verlässt den Raum.

Draußen ist es bereits dunkel. Die Lichter der Poststation leuchten weit in die Nacht. Es ist eine größere Station, denn hier kreuzen sich zwei Postlinien. Darum gibt es hier auch ein Gasthaus mit einer Bar und einem kleinen Store. Die Menschen in der Gaststube warten wie Curly Ben auf eine Postkutsche. Curly Ben schlendert zum Brunnen. Ihm ist übel und der Schweiß steht ihm auf der Stirn …

Warum habe ich mich mit diesen hartgesottenen Hombres auf ein Pokerspiel eingelassen?, fragt er sich. Dann denkt er an seinen Bruder Adam.

Erst hier draußen am Brunnen begreift er richtig, was dieses Fiasko für seinen Bruder Adam bedeutet. Auf einmal kann er es voll ermessen, und er fragt sich, warum er in den vergangenen vier Stunden so ein hirnverbrannter Narr gewesen ist.

Er beginnt bitter zu fluchen.

Als er jedoch hinter sich einen Mann aus dem Gasthaus kommen hört, verstummt er. Der Mann tritt zu ihm an den Brunnen, schöpft sich mit der hölzernen Kelle ebenfalls etwas Wasser aus dem Eimer und trinkt.

Dann sagt er: »Denen warst du nicht gewachsen, Amigo. Denen machte es Spaß, einem Jungen aus dem Hinterland die Hosen auszuziehen. Und dabei hatten sie es nicht nötig. Jeder von ihnen hatte vor dem Spiel mehr Geld in der Brieftasche als du. Auf dieser Erde ist das Geld ohnehin ungerecht verteilt, nicht wahr?«

Curly sieht den Mann an. Der Fremde hat sich in der Gaststube für sich gehalten. Er hat gegessen und getrunken und sich danach mit ein paar alten Zeitungen in die Ecke zurückgezogen. Die meiste Zeit hat dieser Mann – mit dem Kopf auf dem Tisch – geschlafen.

Der Mann wirkt unauffällig. Man könnte ihn für den Vormann einer Ranch halten, der in seinem besten Anzug unterwegs ist, um für den Rancher irgendwelche Geschäfte zu erledigen, oder um Verwandte zu besuchen.

Doch er hat ein scharfes, braunes Gesicht und Falkenaugen.

»Was wollen Sie, Mister?«, fragt Curly plötzlich. Ihm ist, als bekäme er plötzlich Witterung von einem Wolf.

Mond und Sterne leuchten hell genug, sodass er den Fremden fast so gut betrachten kann wie bei Tag. Der Mann hat seinen Hut weit zurückgeschoben und sieht verwegen und kühn aus.

Sie betrachten sich noch eine Minute schweigend.

Dann sagt der Mann mit kühler Lässigkeit: »Es wäre leicht, diesen Hombres da drinnen das Geld wieder abzunehmen. Du würdest nicht nur deinen Spielverlust zurückbekommen, sondern noch eine Menge dazu. Ich brauchte nur einen Partner wie dich, der mir die Pferde hält und darauf achtet, dass niemand in die Gaststube kommt, solange ich dort zu tun habe. Na?«

Curly hält einige Herzschläge lang seinen Atem an.

Das ist ja ein Bandit, denkt er. Einen Moment ist er wie gelähmt. Aber dann bekommt seine wilde Verwegenheit schnell die Oberhand.

Plötzlich glaubt er, dass dies ein Weg wäre, dem Bruder doch noch das Geld bringen zu können. Er weiß, wie viel für seinen Bruder Adam von diesem Geld abhängt.

Aber dann holt ihn ein letzter Rest von Verstand ein und veranlasst ihn zu sagen: »Das ist doch verrückt! Dort drinnen sind vier Männer, die sich so leicht nicht die Brieftaschen oder Geldgürtel abnehmen lassen. Und dann sind da auch noch der Stationsmann, dessen Gehilfe und die Frau …«

Aber der Fremde schüttelt den Kopf.

»Es ist ganz leicht«, sagt er. »Die nächste Postkutsche kommt in einer halben Stunde. Der Stationsmann und dessen Gehilfe müssen ein frisches Sechsergespann bereitmachen. Sie werden also gleich zu den Corrals hinübergehen und das Geschirr aus dem Schuppen holen. Wir können sie leicht ausschalten und an die Corralstangen binden. Inzwischen sattelst du dann die besten Pferde – für jeden von uns zwei Tiere – und bringst sie vor die Tür des Gasthauses. Ich gehe hinein und erledige die Sache. Es ist ganz leicht. Allerdings musst du gut reiten können, zweihundert Meilen ohne Pause. Oder kannst du das nicht? Du siehst doch wie ein blond gelockter Indianer aus. Es ist also ganz leicht, mein Junge. Willst du?«

In Curly Bens Kopf rauscht es. Dann glaubt er für eine Weile, überhaupt nicht mehr denken zu können.

Endlich wird es besser. Sein erster Gedanke ist: Dann kann ich Adam das Geld bringen. Dann ist alles wieder gut. Dann kann Adam …

Er denkt nicht weiter. Er hört sich plötzlich sagen: »Beim Poker bin ich eine Niete. Aber was das Reiten betrifft, Mister, so …«

»Versprich nicht zu viel, mein Junge. Willst du mitmachen oder auf dein schönes Geld verzichten? Das allein ist die Frage.«

Curly nickt plötzlich und er gleicht einem Schwimmer, der sich von einer hohen Klippe in einen reißenden Fluss wirft. Er weiß nicht, ob der Fluss ihn verschlingen oder zu einem guten Ufer tragen wird.

Aber er muss springen, weil es nur diese einzige Möglichkeit für ihn zu geben scheint.

»Ich mache mit«, sagt er. »Aber wir bleiben nachher nicht beisammen. Unsere Wege trennen sich, sobald wir unsere Verfolger abgeschüttelt haben.«

»Das ist mir recht, Junge«, grinst der Fremde.

Sie stehen noch einige Minuten schweigend beisammen. Curly Ben möchte zwar eine Menge sagen, möchte Fragen stellen und den Namen des Fremden erfahren.

Aber er hält den Mund. Er spürt immer stärker, was für eine Strömung von diesem auf den ersten Blick so unscheinbar und normal wirkenden Fremden ausgeht. Es ist wie eine Witterung, die man in die Nase bekommt, wenn man einem Raubtier begegnet.

Weitere Gedanken kann Curly Ben nicht fassen.

Denn jetzt geht es los. Der Stationsmann und dessen Gehilfe kommen aus dem Haus. Sie gehen hinüber zu den Corrals, um das Sechsergespann für die erwartete Kutsche bereitzuhalten.

Der Bandit, dessen Namen Curly noch nicht kennt, schlägt leicht gegen Curlys Oberarm und setzt sich in Bewegung. Curly beißt die Zähne zusammen und folgt ihm entschlossen.

Der Stationsmann und dessen Gehilfe wollen soeben, jeder mit einem Lasso, in den Corral. Die Pferde beginnen bereits unruhig zu kreisen. Denn obwohl die Tiere im Gespann gut geschult und zuverlässig laufen, möchte keines von ihnen zu denen gehören, die jetzt an der Reihe sind.

Der Bandit hält plötzlich einen Revolver in der Linken. Curly staunt, denn er sah nicht, woher der Mann die Waffe zauberte.

Aber er schnappt nun ebenfalls seinen Colt heraus.

Dann hört er seinen Partner lässig und halb laut sagen: »Amigos, dies ist ein Überfall! Seid nicht dumm!«

Er braucht dem Stationsmann und dem krummbeinigen Gehilfen nicht mehr zu erklären. Die beiden wissen Bescheid.

Sie sind unbewaffnet und gehen nicht das geringste Risiko ein.

Der Stationsmann sagt nur, während er seine Hände hebt: »Das kommt euch teuer zu stehen, denke ich. Gleich fährt die Postkutsche ein. Und wenn darin …«

Er verstummt, denn er sieht den Banditen grinsen und begreift, dass jedes Wort sinnlos ist, weil er einen wirklichen Hartgesottenen vor sich hat, den er bisher unterschätzte.

Während er und sein Gehilfe gefesselt werden, bleibt es still. Die Pferde im Corral beruhigen sich wieder. Der Stationsmann sieht zu Curly hinüber, der den Gehilfen an einen Corralpfosten band.

»Dass ihr zwei Hombres zusammengehört, hätte ich nie gedacht«, sagt er plötzlich. »Oder hat er dich erst nach deinem Spielverlust zur ›Mitarbeit‹ überredet, Junge?«

»Das ist doch gleich«, erwidert Curly.

Er findet im Sattelschuppen ein weiteres Lasso. Denn die beiden anderen, mit denen der Stationsmann und der Gehilfe in den Corral wollten, wurden zur Fesselung verwandt.

Der Bandit sagt: »Brauchst du noch Hilfe? Kannst du auch ein gutes Pferd von einem Bluffergaul unterscheiden?«

»Ich bin nur beim Poker eine Niete«, erwiderte Curly. »Das sagte ich doch schon, nicht wahr?«

Er ist im Corral und lässt das Lasso aus dem Handgelenk fliegen. Solch eine Wurftechnik lernt man nur im Buschland.

Der Bandit tritt näher an den Corral heran, um das Pferd zu betrachten, das der Cowboy aus dem Corral holte.

»Ja, ich glaube es jetzt, mein Junge«, murmelt er. »Auf Pferde verstehst du dich besser, da bist du keine Niete.«

Nach diesen Worten geht er davon.

Curly, der das beste Pferd außerhalb des Corrals festbindet, sieht ihm einige Sekunden lang nach, und er weiß, dass nun nichts mehr aufzuhalten ist.

Jetzt ist die Sache im Gang.

Der Bandit wird furchtlos die vier Männer ausrauben, die in der Gaststube der Station sitzen. Zumindest drei dieser vier Männer sind gefährliche Burschen, die sich überall behaupten können. Aber auch der Handelsvertreter wird nicht harmlos sein, sonst würde er nicht im tiefsten Südwesten mit einer Menge Geld in den Taschen herumreisen.

Curly zuckt zusammen, denn er begreift, dass er sich beeilen muss.

Er bringt es unwahrscheinlich schnell fertig, drei weitere Pferde aus dem kreisenden Rudel zu fangen. Es sind nicht irgendwelche Tiere, sondern jene, die nicht zu leicht und nicht zu schwer sind, also keine Gespannpferde.

Er lässt das Corralgatter offen und jagt alle anderen Tiere hinaus. Sie galoppieren in der Nacht davon. Die ankommende Post wird kein frisches Gespann und Verfolger werden keine frischen Pferde für ein Aufgebot bekommen können.

Im Geschirr- und Sattelschuppen findet Curly ein paar Sättel. Er greift sich die besten davon, wirft sie den Tieren über die Rücken und zurrt sie mit geschickten Griffen fest. Sogar die Steigbügel schnallt er auf die richtige Länge. Der Bandit hat fast die gleiche Größe wie er.

Als er die Tiere an die langen Zügel nimmt und sich mit ihnen hinüber zum Haus begeben will, sagt der Stationsmann: »Junge, machst du das zum ersten Mal? Du hast noch eine Chance, wenn du uns jetzt losbindest. Dann – und nur dann – wirst du nicht zu denen gehören, die man jagt und hetzt, die gehasst werden und geächtet sind. Junge, besinne dich! Hör auf! Es ist deine letzte Chance. Man wird dir deine Umkehr hoch anrechnen. Und wir …«

Er verstummt, denn auch er will besser hören können. Auch er vernimmt, was Curly Ben McFay schon einige Sekunden vor ihm hörte.

Die erwartete Postkutsche kommt.

Schon nähert sich das Räderrollen, das Peitschenknallen und die heisere Stimme des Fahrers, der das Gespann die letzte Steigung hinauf traben lässt. Jede Minute, die er gutmachen kann, bedeutet längeren Aufenthalt für ihn und die Fahrgäste.

Curly Ben verspürt einen Moment den heißen, wilden und fast angstvollen Wunsch, aufhören, aussteigen und aufgeben zu können. Ja, er hat plötzlich das Gefühl, dass dies wahrhaftig seine letzte Chance ist, die er nutzen sollte, weil es danach kein Zurück mehr geben wird.

Aber dann sagt er sich, dass er nicht mehr aussteigen kann.

Denn verlässt sich der Bandit nicht auf ihn?

Hat er nicht zugesagt, einen Vertrag geschlossen, ein Versprechen gegeben?

Er hätte es vorher gekonnt, bevor alles in Gang kam. Da hätte er noch ablehnen können. Doch jetzt …

Er atmet tief ein.

Jetzt kann er nicht mehr aussteigen.

Außerdem kommt die Postkutsche immer näher. Das Räderrollen muss man bald in der Gaststube hören können.

Curly Ben schwingt sich plötzlich in den Sattel eines der vier Pferde.

Die Zügel der drei anderen Tiere behält er in der Linken. In die Rechte nimmt er den Colt.

Dann reitet er hinüber.

Der Stationsmann flucht hinter ihm her.

Curly verhält mit den Pferden beim Brunnen. Er hockt geduckt im Sattel und späht zur Tür hinüber. In der Gaststube bewegen sich Schatten hinter den Vorhängen der erleuchteten Fenster.

Curly stellt sich den Banditen vor, wie er die vier Männer um deren Geld erleichtert. Er denkt auch an die Frau des Stationsmannes, die zuletzt in der Küche war, um für die zu erwartenden Fahrgäste, die sich während des Gespannwechsels die Beine vertreten würden, ein Abendbrot zu richten.

Curly spürt, wie die Spannung in ihm stärker wird, wie dieses lauernde Warten an seinen Nerven zerrt und die näher kommende Postkutsche ihn nervös macht.

Warum kommt der Fremde nicht? Warum ist er noch nicht fertig? Zum Teufel, lässt er die vier Männer sich bis aufs Hemd ausziehen?

Diese Fragen schießen durch Curlys Hirn.

Und wieder ist der Wunsch in ihm, einfach zu flüchten. Er braucht nur in die Nacht zu reiten.

Er spürt, dass er am ganzen Körper zittert. Und darüber wird er zornig. Er will kein Feigling sein und kämpft nun gegen seine Angst an.

Er hat versprochen, ein zuverlässiger Partner zu sein. Zu diesem Wort muss er stehen. Wenn dieser Mann dort aus der Tür kommt, müssen die Pferde zur Flucht bereit sein. Diese Arbeit hat er nun einmal übernommen.

Er kann die Pferdekutsche schon sehen. Sie kommt mit Räderrollen, Hufschlag, Peitschenknall, Quietschen der Ledergehänge und den anderen typischen Geräuschen heran.

Im Haus muss man den Lärm ebenfalls hören.

Warum dauert es so lange?

Und da hält die Kutsche auch schon mit kreischenden Bremsen auf der anderen Seite des Brunnens.

Der Fahrer ruft: »Aussteigen! Gespannwechsel und Abendbrot! Hier ist Line Cruz! Wer nach Norden oder Süden will, muss hier umsteigen. Wir fahren nur nach Westen!«

Von den Corrals her klingen die Stimmen des Stationsmannes und des Gehilfen durch den abebbenden Lärm.

Curly schnappt den Colt heraus.

Im Haus krachen dicht hintereinander zwei Schüsse.

Da feuert Curly in die Luft und brüllt: »Dies ist ein Überfall! Ihr seid umzingelt! Die Station ist in unserer Hand! Keine Bewegung!«

Der Fahrer sitzt noch oben auf dem Bock.

Der Begleitmann sprang schon herunter und ließ sein Gewehr oben.

Die Fahrgäste wollten gerade aussteigen. Doch nun verharren alle. In den folgenden Sekunden bemühen sie sich, die Sachlage richtig zu erfassen.

Wie man es auch ansehen mag, die Tatsache bleibt, dass dort ein Reiter hält, der drei Sattelpferde neben sich hat.

Also müssen – nach Ansicht der Leute – drei andere Banditen irgendwo verteilt sein.

Endlich geht die Tür der Gaststube auf.

Der Bandit hat in der einen Hand einen Zuckersack, in der anderen einen Colt. Der Zuckersack dient gewiss als Geldsack.

Und nun sieht Curly mit Staunen, wie der Bandit mit einem einzigen Comanchen-Sprung im Sattel seines Pferdes sitzt, die Steigbügel findet und anreitet.

Curly folgt ihm mit den beiden anderen Pferden.

Bevor jemand begreift, dass sie nur zwei und nicht vier Banditen sind, haben sie schon einige Schritte zurückgelegt.

Aber da erklingt eine Stimme aus der Postkutsche.

Die Stimme gehört einer Frau. Sie kreischt: »Das ist Curly Ben McFay! Ich habe ihn erkannt! Das ist Curly Ben McFay, der Bruder des Sheriffs von Sunset City, zweihundert Meilen von hier!«

Curly hört und versteht es.

Und damit bricht für ihn alles zusammen.

Er begreift plötzlich, dass alles nutzlos war. Er ist verloren. Er kann nie wieder zu seinem Bruder zurück. Er kann diesem nicht einen einzigen Dollar von all dem Geld geben, das sie raubten.

Er wurde erkannt, und er weiß auch sofort, wem diese kreischende Stimme gehört. So hatte Mrs Glendale auch gekreischt, als sie ihn mit ihrer Tochter vor einem Jahr in der Scheune erwischte.

Während Curly Ben dem Banditen in die helle Nacht folgt, wächst in ihm das Gefühl der Verlorenheit.

Er weiß, er ist ein Verlorener.

Warum musste ich Adam so grausam enttäuschen? Warum musste ich meinem großen Bruder dies antun?, denkt er.

Aber es gibt keine Antwort auf diese Fragen.

Es ist nun einmal geschehen.

Er wurde ein Bandit.

☆☆☆

Adam McFay erfährt es zwanzig Stunden später. Mrs Glendale erspäht ihn, als sie in Sunset City aus der Postkutsche klettert.

Sie ruft es ihm schon auf der Straße von der Haltestelle beim Sunset Hotel zu, was sein Bruder für ein Bursche ist, und dass der andere Bandit, dem Curly Ben beim Überfall half, in der Line-Cruz-Station einen Mann getötet hat.

Adam McFay steht still zwischen all den Leuten, die auf die Postkutsche warteten.

Adam McFay trägt den Stern eines Deputy Sheriffs. Er ist ein großer, dunkler, grauäugiger Mann. Er mag achtundzwanzig Jahre alt sein, und auf eine männliche Art sieht er gut aus, denn hübsch wäre nicht das richtige Wort. Dazu wirkt er zu hart.

Er lässt die erregte Frau ruhig ausreden, und es stört ihn nicht, dass ein dichter Kreis von Leuten mithört. Erst als Mrs Glendale alles herausgesprudelt hat und nur noch anklagend und verachtungsvoll blickt, sagt er beherrscht: »Madam, Sie sind sich also völlig sicher, dass Sie in der Nacht meinen jüngeren Bruder Ben erkennen konnten? Es ist nicht möglich, dass Sie sich irren?«

»Nein, Mister!«, schnappt sie angriffslustig. »Es gibt keinen Irrtum. Nein! Es war eine helle Nacht mit Vollmond und klaren Sternen. Man konnte in einer Zeitung lesen, so hell war es. Ich hatte ihn schon an der Stimme erkannt, als sein Gesicht noch von der Hutkrempe beschattet war. Dann, als er anritt und den Kopf hob, wusste ich es genau. Ich werde das vor Gericht beschwören, sobald man Ihren Bruder gefangen hat, Mister. Ich wusste schon immer, dass er nicht viel taugt. Seitdem ich ihn damals …«

Sie verstummt, denn sie wollte sagen: »… in unserer Scheune mit meiner Tochter erwischte …« Aber im letzten Moment wird ihr klar, dass sie im Begriff ist, ihre Tochter bloßzustellen.

Sie presst die Lippen aufeinander, nimmt ihr Gepäck und geht davon.

Adam McFay spürt die Blicke der Leute.

Sie betrachten ihn neugierig. Nur wenige sehen ihn nachdenklich oder teilnehmend an.

Was er auch denken und fühlen mag, es bleibt tief in seinem Innern verborgen. Einer der Männer sagt plötzlich: »Ach, Sheriff, sie wird sich getäuscht haben. Curly Ben ist zwar wild und manchmal auch etwas leichtsinnig, doch welcher haarige Bursche ist das nicht in seinem Alter. Ich wette, dass Curly Ben zurzeit des Überfalls an einem ganz anderen Ort war. Er hat doch eure erste Fleischherde zum Verkauf gebracht, nicht wahr?«

Adam McFay nickt.

Dann wendet er sich zur Seite und geht. Der Kreis öffnet sich für ihn. Aber Adam McFay spürt, wie die Blicke der Menschen ihm folgen.

Er denkt immer wieder: Nein, das hat Curly nicht getan. Dieses giftige Frauenzimmer bildet sich das alles nur ein. Die mochte Curly nie, weil er ihrer Tochter den Kopf verdreht hatte und nur ein armer Hund war. Wäre Curly der Sohn eines wohlhabenden Ranchers gewesen, dann …

Er wischt seine Gedanken fort, denn es scheint ihm nicht fair zu sein. Mrs Glendale hat das Recht, darauf zu achten, dass ihre Tochter sich nicht mit jedem Cowboy einlässt.

Adam McFay erreicht sein Office, geht hinein und setzt sich hinter den Schreibtisch.

Aus dem Zellenraum ruft ein Gefangener: »He, Sheriff, wie lange muss ich noch in diesem Loch sitzen? Ich sagte Ihnen doch, dass ich nicht der bin, für den Sie mich halten. Auf Steckbriefe kann man sich doch niemals verlassen. Jeder Steckbrief passt auf tausend Männer. Ich bin nicht der Gesuchte. Ich bin Jim Miller aus Alabama. Warum glauben Sie mir das nicht endlich?«

Die Stimme verstummt, anklagend und voll Bitterkeit.

Adam McFay wischt sich übers Gesicht.

Er denkt: Dieser Hombre ist kein anderer als der steckbrieflich gesuchte Jeremy Corbin. Davon beißt keine Maus einen Faden ab.

Über die Schulter ruft er in den Zellenraum hinein: »Noch zwei Tage, Jeremy! Dann wirst du von einem Deputy aus Hills Boro abgeholt. Wenn du nicht der Gesuchte bist, kannst du der Gegenüberstellung ruhig ins Auge sehen.«

Als er verstummt, beginnt der Gefangene wild zu fluchen und Verwünschungen und Drohungen auszustoßen.

Adam McFay hört nicht mehr hin.

Er denkt an seinen Bruder Ben, und er weiß, dass Ben vielleicht auch bald solch ein Bursche sein könnte, wenn das stimmt, was Mrs Glendale behauptete.

Dann könnte es wahrhaftig so sein, dass Ben eines Tages in einer Zelle sitzt wie dieser Gefangene und kaum noch eine Chance hat. Dann wird Ben irgendwann aufgehängt oder erschossen werden.

Adam McFay wird es heiß. Er spürt, wie ihm der Schweiß ausbricht.

»Wenn es stimmt, was habe ich dann falsch gemacht?«, murmelt er vor sich hin. »Habe ich Ben nicht eine Aufgabe gegeben? Wusste Ben nicht, dass ich mich auf ihn verließ? War er nicht stolz darauf, dass er für mich ein vollwertiger Partner war, auf den ich mich verließ? Was war mit Ben los, sollte Mrs Glendale sich nicht getäuscht haben? Oha, wenn Ben eines Tages einer von diesen Banditen und Revolverhelden wird, die man wegen Raub und Mord steckbrieflich sucht …«

Er hebt den Kopf und sieht zur Tür.

Rosy Buckmaster kommt herein. Ihre grünen Augen funkeln zornig, und selbst in seiner bitteren Stimmung wird sich Adam McFay bewusst, dass er das schönste Mädchen weit und breit zur Braut bekommen hat.

Rosy ist nur mittelgroß, aber es ist alles richtig an ihr. Sie scheint vor Energie und Lebenskraft nur so zu sprühen. Ihr rotes Haar hat sie im Nacken zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden.

Adam erhebt sich und wirft die Tür zum Zellenraum zu, damit sein Gefangener nicht zuhören kann.

Dann geht er Rosy entgegen.

Sie stellt sich auf die Zehenspitzen und küsst ihn wortlos.

Dann sagt sie: »Das alles ist natürlich ein Irrtum. Du wirst sehen.«

»Sicher«, sagt er. »In wenigen Tagen ist das geklärt. Ben wird mit dem Erlös für die Herde zurückkommen und ein Alibi haben. Ja, ich bin sicher.«

Sie betrachtet ihn ernst. Ihr lebendiger Mund zuckt etwas.

Dann schüttelt sie den Kopf.

»Nein«, sagt sie, »du bist nicht sicher. Du machst dir Sorgen. Du hast eine unheimliche, schreckliche Ahnung. Ist es so?«

Er zuckt hilflos mit den Schultern.

»Ich kann es dir nicht erklären«, murmelt er. »Mein Verstand sagt mir, dass ich nicht an meinem kleinen Bruder zweifeln kann. Er ist mein Bruder. Aber ich habe wahrhaftig ein ungutes Gefühl. Mrs Glendale war völlig überzeugt. Ich glaube nicht, dass sie sich geirrt hat. Sie gehört nicht zu den Frauen, die sich in solch einer Situation täuschen. Es gibt nur eine einzige Hoffnung, nämlich die, dass Ben einen Doppelgänger hat. Das gibt es. Ja, ich mache mir große Sorgen.«

Sie steht still da und betrachtet ihn auf ihre ernste, aufmerksame Art. Ihre Nasenflügel vibrieren leicht. Sie kennt Adam ganz genau und weiß, was er jetzt empfindet. Seine äußerliche Ruhe ist nur eine Maske.

Sie erinnert sich, wie Adam aus dem Krieg kam und sich seines verwilderten Bruders annahm. In Texas herrschte überall große Not. Niemand hatte auch nur einen Dollar Bargeld. Die Steuereintreiber und Aufkäufer der Yankees aber arbeiteten an vielen Orten zusammen und beuteten das besiegte Texas aus.

Was sollte da ein Kriegsheimkehrer wie Adam McFay anfangen? Wie sollte er seinen wilden Bruder davor bewahren, einer der vielen Satteltramps zu werden, die umherstreiften, nach einer Chance suchten und schnell auf die Rutschbahn zur Hölle gerieten?

Rosy erinnert sich, wie die Brüder erst versuchten, eine kleine Ranch aufzubauen. Aber ohne Geld ging es einfach nicht.

Da nahm Adam die Stelle eines Deputy Sheriffs an, die zwar nur fünfzig Dollar im Monat einbrachte, doch immerhin sicheres Geld, das sie in die Ranch stecken konnten.

Rosy verdiente in der Zeit zwanzig Dollar in Hattfields Store. Auch sie steuerte bei, was sie nur erübrigen konnte.

Sie denkt jetzt daran, dass alles vergebens war, wenn Curly Ben wirklich versagt hatte. Aber sie spricht es nicht aus. Im Gegenteil, sie sagt: »Es kommt alles in Ordnung. Ich wette darauf, was du willst. Adam, ich muss wieder hinüber in den Store. Ich kam nur, um …«

Sie verstummt, tritt zu ihm und küsst ihn nochmals.

Dann läuft sie hinaus.

Er setzt sich auf die Ecke des narbigen Schreibtisches, schlenkert mit einem Bein und starrt auf die Tür, die sich hinter dem Mädchen schloss.

Dabei denkt er: Wenn Curly versagt hat, fehlen uns zweitausend Dollar. Dann kann ich die Ranch nicht halten. Wenn ich die Ranch nicht halten kann, gibt es keine Hochzeit, denn ich kann Rosy in den nächsten Jahren kein Heim schaffen. Ich kann hier nicht mal mehr werden als nur Deputy. Ich habe nicht auf der Seite der Union gekämpft, und sie lassen einen ehemaligen Soldaten der Südstaaten nicht Distrikt-Sheriff werden. Ich werde auf anständige Art nie mehr als fünfzig Dollar verdienen – nicht hier in Texas.

Er setzt sich hinter den Schreibtisch und spürt eine ständig zunehmende Lustlosigkeit.

Er rührt sich kaum, als John Dallinger hereinkommt.

Dallinger setzt sich auf die andere Seite des Schreibtisches, holt eine Zigarre hervor, beißt die Spitze ab und spuckt die abgebissene Spitze achtlos zur Seite. Sein Anblick lässt an eine Bulldogge denken.

»Ich habe es gehört«, sagt er zwischen zwei paffenden Zügen und starrt dabei auf das Zündholz, das er an die Zigarre hält. Erst als sie brennt, richtet er seinen Blick voll auf Adam McFay.

»Ich führe hier eine Bank«, sagt er. »Und ich betreibe eine Grund- und Bodenverwertungsgesellschaft. Weil Sie Deputy sind, gab ich Ihnen eine Chance. Sie setzten all Ihre Chips auf Ihren Bruder, der im Krieg – während Ihrer Abwesenheit – ziemlich verwilderte. Ihr Bruder schloss sich mit euren Rindern der großen Sammelherde an, die von den hiesigen Viehzüchtern nach Kansas getrieben wurde. Aber nun wird er wohl nicht zurückkommen, denke ich. Adam, ich gebe Ihnen drei Tage Zeit. Dann ist das Geld fällig. Der Gesamtbetrag einschließlich aller Zinsen beläuft sich auf – warten Sie. Hier habe ich es in meinem Notizbuch vermerkt. Beläuft sich auf eintausendsiebenhundertsiebenundfünfzig Dollar. Ihr Bruder hat den Erlös für eure Herde verspielt und wollte sich durch einen Raub Geld verschaffen. Es hat nicht geklappt. Adam, es tut mir leid, aber ich bin Geschäftsmann. In drei Tagen will ich das Geld, oder ich übernehme die Ranch.«

Nach diesen Worten erhebt er sich und geht zur Tür.

Adam McFay sieht ihn nur an, und da unterlässt Dallinger jedes weitere Wort.

☆☆☆

Zwei Tage später ist dann jedoch alles klar.

Die Überlandpost bringt für Adam McFay einen Brief.

Der Absender ist Curly Ben. Der Brief enthält nur wenige, rasch mit einem Bleistift hingeworfene Zeilen.

Lieber Adam,

du wirst es in der Zwischenzeit schon erfahren haben. Verfluche mich! Ich weiß, dass ich versagt und dich schwer enttäuscht habe. Ich bitte dich um Verzeihung. Ich schreibe dir, damit du weißt, dass mit mir nicht mehr zu rechnen ist.

Ben.

PS. Ich sende dir nichts von dem geraubten Geld, weil ich genau weiß, dass du es nicht haben willst.

Adam McFay wird blass, trotz seiner braunen Haut, als er den Brief liest. Er liest ihn dreimal.

Dann macht er sich sofort auf den Weg.

Er besucht die Bürger der Stadt, die ihm etwas Geld leihen könnten, ohne selbst darben zu müssen.

Aber wohin er auch kommt, er stößt überall auf Ablehnung.

Sogar der Saloonbesitzer, den er schon zweimal vor betrunkenen Revolverhelden und Spielern schützte, schüttelt seinen narbigen Preiskämpfer-Kopf.

»Tut mir leid, Adam«, sagt er. »Wer dir Geld gibt, handelt gegen Dallingers Interessen. Niemand wird dir helfen. Und als Deputy wirst du hier auch nicht alt. Es war schon viel vom County Sheriff, einen ehemaligen Angehörigen der Südarmee bei uns als Deputy einzusetzen. Aber wenn dieser Rebellensoldat auch noch einen Banditen zum Bruder hat …«

Er spricht nicht weiter, doch er bewegt unmissverständlich seine Hände, wie jemand, der aufgibt und keine Chance mehr sieht.

Adam McFay geht zum Store hinüber.

Und ich glaubte, denkt er bitter, in dieser Stadt Freunde zu haben.

Hinter dem Ladentisch steht Sam Hattfield. Sein hageres Gesicht verrät seine innere Anspannung. Sein dünner Scheitel liegt wie angeklebt auf seinem schmalen Schädel. In seinen wasserhellen Augen ist ein starres Leuchten.

»Ich weiß schon«, sagt er. »Sie laufen herum, Adam, um Geld aufzutreiben. Sie gehen zu allen Leuten, von denen Sie glauben, dass sie Ihre Freunde wären. Aber ein Sheriff hat keine Freunde – nicht mal ein kleiner Deputy. Man will sich nur mit ihm gut stellen, weil man ihn ja mal brauchen könnte. Es taugt nichts, wenn ein Gesetzesmann verschuldet ist. Er ist dann vielleicht nicht immer so objektiv, wie es nötig ist. Adam, geben Sie auf. Es hat keinen Sinn.«

Adam McFay sieht eine Weile in die glasklaren Augen des Mannes.

Dann nickt er. Er nimmt seinen Stern ab und legt ihn auf den Ladentisch.

»Hattfield, Sie sind hier in Sunset City mein ehrenamtlicher Stellvertreter. Hier ist mein Stern. Ich gebe auf. Es hat wirklich keinen Sinn.«

Er wendet sich zur Tür.

Da fragt Hattfield: »Und Rosy?«

Adam McFay blickt über die Schulter.

»Jeder bekommt etwas von mir«, sagt er langsam. »Dallinger bekommt meine Ranch, und vielleicht bekommen Sie, Hattfield, sogar Rosy.«

Nach diesen Worten geht er.

Er trifft Rosy im Office. Sie wartete, obwohl sie ihn durch die Stadt gehen und zuletzt im Store verschwinden sah. Sie wartete geduldig, und es ist ein seltsamer Ausdruck in ihren Augen. Rosy steht mitten im Raum.

Er lehnt sich neben der offenen Tür an die Wand, und er wirkt müde, ausgebrannt und verbittert.

Sie sagt: »Was macht es schon aus? Du bist noch keine dreißig Jahre alt. Ich bin erst zweiundzwanzig. Gehen wir. Ich gehe mit. Ich ginge sogar barfuß durch den Schnee. Ziehen wir nach Norden. Oben in Montana wird Gold gefunden. Versuchen wir unser Glück. Vorwärts, Adam McFay!«

Er tritt näher, um den Ausdruck in ihren Augen genauer sehen zu können. Ihre Augen funkeln. In diesen Augen erkennt er Lebensmut und Lebenskraft, Furchtlosigkeit vor dem Ungewissen und vor der dunklen Zukunft.

In diesem Augenblick begreift er, dass Rosy nicht nur ein prächtiges Mädchen ist. Nein, Rosy hat Mut, sie ist eine Kämpferin.

In ihm ist ein tiefes Bedauern.

»Nein, Rosy«, sagt er, »ich nehme dich nicht mit. Ich wollte dir einen festen Platz bieten, ein Heim. Das hat nicht geklappt. Ich muss noch einmal ganz von vorne anfangen – aber anders. Diesmal versuche ich es nicht auf die redliche, seriöse und scheinbar sichere Art. Was ist schon sicher auf dieser Welt? Nicht mal unsere Zukunft war sicher, Rosy. Warte nicht auf mich. Verzeih mir, aber ich will allein reiten. Du hast hier einen festen Platz. Das ist schon eine ganze Menge in dieser lausigen Zeit.«

Sie sieht ihn ausdruckslos an. Das Feuer in ihren Augen erlosch plötzlich.

»Du bist feige, Adam McFay«, sagt sie dann langsam. Und jäh funkelt es wieder in ihren Augen. »Ja, du bist zu feige, mich mitzunehmen. Du fürchtest dich davor, mich mal hungern, frieren oder irgendwie in Not zu sehen. Du möchtest nicht länger für mich Verantwortung tragen. Du möchtest frei sein. Das kannst du haben. Aber ich sage dir eines, Adam: Auch ich bleibe nicht hier. Nicht bei diesem Hattfield, der fast mein Vater sein könnte und der sich nur zurückhielt, weil ich als verlobt galt. Ich komme auch allein durch, nachdem ich hier nutzlos gewartet habe. Leb wohl, Adam!«

Sie kommt auf ihn zu, verhält einen Moment und blickt zu ihm auf.

Er möchte sie in die Arme nehmen. Doch er sagt nur: »Verzeih mir, Rosy. Aber ich würde wahrscheinlich die nächste Bank überfallen, müsstest du einmal hungern …«

»Du bist ja so feige«, wiederholt sie und geht hinaus.

Er atmet langsam aus.

So ist das also, denkt er, wenn man mit einem Mädchen Schluss macht, das man zur Frau haben wollte. So ist das also, wenn man zuletzt auch noch dies verliert, nachdem alles andere bereits zum Teufel ging.

☆☆☆

Eine Stunde später tritt Adam McFay aus dem schönsten Haus der Stadt, in dem links Dallingers Bank und rechts Dallingers Grund- und Bodenverwertungsgesellschaft untergebracht sind. Wer Dallingers Gesellschafter sind, ist in der Stadt unbekannt.

Adam McFay bleibt vor der Tür stehen. Er atmet tief ein und sehr langsam aus. Dabei sieht er sich um.

Dies also war die Stadt, in der er den Stern trug. Hier beschützte er zwei Jahre lang die Bürger und sorgte für Ordnung. Hier riskierte er einige Male sein Leben, um Recht und Gesetz Geltung zu verschaffen. Und nachdem es sich in diesem Teil von Texas herumgesprochen hatte, wer hier Sheriff war, machten Banditen, Revolverhelden, Spieler und all das üble Gesindel einen Bogen um Sunset City.

Adam McFay glaubte, hier Freunde zu haben.

Nur sieben Meilen von Sunset City entfernt baute er mithilfe seines Bruders eine kleine Ranch auf. Jede freie Minute hat er dazu verwandt, und jeden Dollar seines Verdienstes, den er von seinem Mund absparen konnte, steckte er hinein.

Natürlich hatten sie auch Geld aufnehmen müssen. Doch dieses Jahr konnten sie ihre erste Fleischherde zum Verkauf treiben. Es waren zweihundert Rinder, die in einer Sammelherde mitliefen, die aus einem halben Dutzend Herden von kleinen Ranchern gebildet wurde.

Aber dann spielte Curly Ben Poker, verlor das Geld und wollte sich als Bandit neues beschaffen.

Und nun stellt sich heraus, dass Adam McFay in der Stadt gar keine Freunde besitzt, die es wagen würden, ihm gegen die Interessen von Dallinger zu helfen.

Während er vor Dallingers Bank- und Bürohaus steht, sich umsieht und noch einmal alles überdenkt, bemerkt er, dass er beobachtet wird.

Aus Läden und Wohnhäusern blicken viele Augen auf ihn.

Aber sonst ist die Straße von Sunset City leer. Nur ein paar Fremde lungern vor dem Saloon, vor dem Store und beim Hotel herum.

Er lächelt plötzlich kalt.

Dann geht er zu seinem Pferd, bindet es los, sitzt auf und reitet die Straße hinunter nach Osten.

Er blickt nicht nach rechts und nicht nach links, diese Stadt ist für ihn gestorben. Es ist eine Stadt, die bald von Dallinger beherrscht werden wird.

☆☆☆

Als Adam McFay am Store vorbeireitet, betrachten ihn Hattfield und Rosy durch das Schaufenster. Aber er wendet nicht den Kopf.

Hattfield sieht zur Seite auf Rosy.

»Ein stolzer Bursche ist das«, murmelt er. »Für ihn ist das eine große Niederlage, und es schmerzt ihn, dass er in dieser Stadt keine Freunde hatte, als es darauf ankam. Der ist fertig mit den Menschen. Und er schämt sich wegen seines Bruders. Sie wären mit ihm gegangen, Rosy, nicht wahr?«

Sie nickt.

»Barfuß durch den Schnee«, sagt sie und bindet ihre Schürze ab. Sie starrt immer noch durch das Schaufenster, obwohl draußen nichts mehr zu sehen ist, denn Adam McFay ist längst verschwunden.

»Ja, er ist stolz und verletzt«, sagt sie. »Er löste unsere Verlobung. So leicht ist das für einen Mann. Er setzt sich einfach auf sein Pferd und reitet fort. So leicht und einfach ist das.«

Sie hat ihre Schürze zusammengefaltet und auf ein Regal gelegt.

»Ich wäre zuverlässiger«, sagt Hattfield ruhig. »Gewiss, ich bin zwanzig Jahre älter als Sie, Rosy, doch noch längst kein alter Mann. Ich könnte Ihnen all das geben, was Sie bei ihm nicht bekommen könnten: Ruhe, Sicherheit, Zuverlässigkeit und – Rosy, ich würde Sie auf Händen tragen. Sie wären für mich der kostbarste Besitz auf dieser Welt.«

Sie sieht ihn ernst an.

Dann schüttelt sie den Kopf.

»Nein«, sagt sie. »Jetzt versuche ich einmal, ob ich mich in dieser Welt nicht behaupten kann. Es reizt mich, es allein zu versuchen. Ich brauche keinen Mann, um mir meinen Anteil zu erobern.«

»Einen Anteil – wovon?«, fragt er verwirrt.

Sie betrachtet ihn etwas mitleidig.

»Vom Kuchen des Lebens«, sagt sie. »Hier in Ihrem Store stinkt es, Mister Hattfield. Hier vereinigen sich hundert Gerüche zu einem Mief, den ich nicht länger ertragen will. Ich würde hier drinnen in wenigen Jahren zu einer vertrockneten Backpflaume werden. Verstehen Sie? Hattfield, Sie könnten mich vor diesem Schicksal nicht bewahren. Ich reise mit der Mittagspost!«

»Aber …« beginnt er, und er wirkt jetzt wahrhaftig hilflos und traurig. Es trifft ihn hart, sie so plötzlich zu verlieren.

Sie geht einfach davon, tritt hinaus in die Sonne, atmet tief durch und überquert die Straße, um in der nächsten Quergasse zu verschwinden. Dort bewohnt sie bei Witwe Brownsdale ein kleines Zimmer.

»Verdammt«, sagt Hattfield bitter. Aber dann bekommt er Kundschaft. Zwei Reiter, die mit einem Packpferd kamen, legen ihm eine Liste auf den Tisch.

»Das alles wollen wir haben«, sagt einer.

Hattfield beeilt sich. Doch nach diesen beiden Kunden kommen weitere, und so sehr sich Hattfield auch beeilt und dabei schwitzt, er schafft es nicht, alle Kunden abzufertigen, bevor die Postkutsche abfährt.

Einige Male spielt er mit dem Gedanken, seinen Store zu schließen und einfach zur Haltestelle hinüberzulaufen. Außerdem ist er ja jetzt der Sheriff, wenn auch nur ehrenamtlich und vertretungsweise. Aber es wäre eigentlich seine Pflicht, der Ankunft und Abfahrt aller Postkutschen beizuwohnen. Nur so wüsste er stets, wer neu in die Stadt kommt und wer von den Fremden sie verlässt.

Aber er bringt es nicht fertig, seine Kunden aus dem Store zu weisen.

Er bedient, rechnet, kassiert. Er ist ein Storehalter.

☆☆☆

Die Postkutsche ist pünktlich.

Zwei männliche Fahrgäste steigen aus. Drinnen sitzen schon fünf Fahrgäste. Es sind fünf Frauen oder Mädchen. Vier sind jung und hübsch. Eine ist alt, dick und wirkt fast wie ein als Frau verkleideter Mann. Sie hat einen kräftigen Bartwuchs.

Auf dem Dach der Kutsche liegen eine Menge Koffer, die im Gepäckkasten keinen Platz mehr fanden.

Alle fünf Passagiere sind modisch und teuer gekleidet. Vielleicht etwas zu auffällig für dieses Land.

Sie betrachten Rosy aufmerksam.

Und Rosy starrt zurück.

Plötzlich lachen sie alle wie auf Kommando, auch Rosy lächelt.

Die füllige Dicke sagt plötzlich und mit unerwartet angenehmer Stimme: »Kindchen, Sie wirken so ernst und entschlossen. Ich habe einen Blick dafür. Jede von uns ist irgendwann einmal in dieser Stimmung irgendwo abgehauen. Ich kann riechen, dass Sie in einem Store arbeiteten, in dem es nach Leder, Zwiebeln, Speck, Rauchfleisch und Schmierseife, Petroleum und hundert anderen Dingen roch. Hatten Sie genug?«

Rosy starrt in die klugen Augen der Alten.

»Ja«, sagt sie, »ich hatte genug. Das ist wohl sehr leicht an mir zu erkennen?«

»Nicht so leicht«, sagt die dicke Frau. »Ich habe nur einen Blick dafür. Ich bin nämlich Mrs Pumdudle. Und dies ist meine Truppe. Wir treten nur in den allerbesten Etablissements auf, sozusagen in den Edeltingeltangels. Sie sind eine Schönheit, mein Kind. Wenn Sie ein wenig Hirn besitzen, dann mache ich aus Ihnen etwas. Auf jeden Fall sollten Sie es einmal mit uns versuchen. Es kann ja nichts schaden. Oder sind Sie abhängig?«

»Nein, ich besitze siebenundzwanzig Dollar, und ich weiß, dass ich eine Menge lernen muss. Warum sollte ich damit nicht bei Ihnen anfangen? Ihre vier Mädchen sehen sehr vergnügt, lebenslustig und gesund aus. Vielleicht schaffe ich das auch, Mrs Pumdudle. Es wird eine Menge Neues auf meinem Weg geben.«

»Ja, mein Kind, das gibt es bestimmt. Und wenn du Hirn genug hast, wirst du auf mich hören. Dann gehst du auch nicht unter. Dies sind Jane, Mary, Georgia und Dolores.«

»Und ich bin Rosy.«

Sie lachen alle durcheinander.

Aber dann wird Rosy ernst. »War das Zufall oder Fügung?«, fragt sie. Und sie fügt hinzu: »Es muss doch etwas zu bedeuten haben, dass ausgerechnet Sie und Ihre Truppe in dieser Kutsche sitzen – ausgerechnet in dieser Kutsche, in der ich ins ungewisse Leben fahren will.«

»Das ist Fügung«, erwidert Mrs Pumdudle überzeugt. »Mir laufen solche Mädchen zu wie kranke Katzen einer guten alten Frau. Aber ich nehme nur die, die Mut haben und sich nicht vor dem Leben fürchten. Denn die Welt, in der wir uns behaupten müssen, ist hart. Wir holen den Dummköpfen das Geld aus den Taschen. Ich weiß, wie man das macht.«

Sie unterhalten sich bald über viele andere Dinge. Rosy lernt die vier Girls immer besser kennen, und sie glaubt, dass sie wirkliche Kameradinnen sind, die begriffen haben, dass sie zusammenhalten müssen.

Nach etwa fünfundzwanzig Meilen, nachdem sie die nächste Pferdewechsel-Station schon fünf Meilen hinter sich haben, rollt die Kutsche an einem Reiter vorbei, der etwas abseits der staubigen Straße reitet.

Der Fahrer und dessen Begleitmann kennen ihn. Sie rufen ihm etwas zu.

Aber Rosy drückt sich tief in die Ecke und wendet den Kopf, sodass man sie von außen durch das Fenster nicht erkennen kann.

Mrs Pumdudle wartet, bis die Kutsche den langsam trabenden Reiter überholt und hinter sich gelassen hat.

Dann fragt sie ruhig: »Rosy, kennst du ihn so gut, dass du von ihm nicht gesehen werden willst?«

Rosy nickt.

»Wir waren verlobt, aber dann verlor er alles, was er mir bieten wollte. Und dann wurde dieser Narr feige. Jetzt gehe ich ohne ihn hinaus. Ich werde mich nie wieder auf einen Mann verlassen!«

☆☆☆

Curly Ben McFay und der Bandit reiten zwanzig Stunden, und sie halten nur an, um von einem Pferd auf das andere zu klettern. Curly, der gewöhnt ist, tagelang im Sattel zu sitzen, begreift, dass es in dieser Beziehung doch noch einige Unterschiede gibt.

Denn ein Langreiter reitet anders als ein Cowboy, der eine Herde treibt oder aus anderen Gründen unterwegs ist. Ein Langreiter schont sein Pferd nur, damit es nicht so schnell zerbricht. Doch dieses stetige, monotone und alle Zähigkeit beanspruchende Reiten wird irgendwann für sein Tier und dann auch für ihn zur Qual.

Er möchte anhalten, sich die Beine vertreten, ausruhen, entspannen. Er kann nicht länger wach bleiben. Der Körper will nicht mehr mitmachen.

Aber es geht Meile um Meile weiter.

Zum Schluss haben sie zwei Pferde zu Schanden geritten und befinden sich in einem Zustand, in dem sie alle Dinge nur noch entfernt und gedämpft wahrnehmen können, weil die Sinne vor Übermüdung abstumpften.

Sie reiten also zwanzig Stunden, und es ist sicher, dass sie jedes Aufgebot schlagen konnten, das sich mit Verspätung an die Verfolgung machte. Das ist sicher, denn Curly kann sich nicht vorstellen, dass ein Aufgebot so reiten würde – schonungslos gegen die Tiere und sich selbst.

Unterwegs wechselten Curly und der Bandit kaum ein Dutzend Worte.

Doch nun halten sie in der Abenddämmerung an. Von einem Hügelsattel aus sehen sie auf eine kleine Stadt an einem Wagenweg hinunter. Dort unten brennen schon die ersten Lichter.

Curly wird sich zum ersten Mal voll bewusst, dass es dort in dieser Stadt Wärme, Freundlichkeit und Frieden gibt. Dinge, die für ihn wahrscheinlich für immer verloren sind.

In solche Städte wird er in Zukunft nicht mehr hineinreiten dürfen. Schon bald werden Steckbriefe sein Äußeres beschreiben. Curly wird mit einem Wolf vergleichbar sein, für den es inmitten einer Stadt, mitten unter Menschen keine Wärme, Freundlichkeit und keinen Frieden gibt.

Curly spürt das bittere Bedauern eines Ausgestoßenen, eines Geächteten. Er wird sich jetzt erst, da sie hier verschnaufen, seiner Situation bewusst.

Er denkt an seinen Bruder.

Da wendet er sich an seinen Partner.

»Ich muss hinunter«, sagt er. »Ich muss einen Brief aufgeben. Das muss ich um jeden Preis. Mein Bruder muss erfahren, dass er mit mir nicht mehr rechnen kann. Er muss es wissen.«

Der Bandit nickt.

»Ich habe auch gehört, was diese Frau kreischte«, murmelt er. »Dein Bruder ist Sheriff in einer kleinen Stadt. Ja, du wirst ihm ein paar Zeilen schreiben müssen. Doch du hättest ohnehin in die Stadt gemusst. Man kennt mich dort. Deshalb muss ich hier warten. Dich aber kennt man nicht. Nimm einen Sattel über die Schulter und geh zu Fuß. Gib dich als Cowboy aus, dem unterwegs in seinem Camp die beiden Pferde gestohlen wurden. Viele Cowboys, die herumreiten und eine neue Arbeit suchen, haben zwei Pferde. Kauf zwei Tiere. Wir haben Geld genug. Diese vier Tiere lassen wir hier. Sie dürfen vorerst von keinem Menschen gesehen werden, denn sie tragen die Brandzeichen der Postlinie. Also geh und lass mich nicht warten. Kauf auch etwas Proviant.«

Curly staunt. Er hatte befürchtet, dass der Bandit ihn nicht in die Stadt lassen würde.

»Wer bist du eigentlich, Partner?«, fragte er. »Hast du einen berühmten oder einen berüchtigten Kriegsnamen?«

Er sieht den Banditen grinsen. Die beiden Zahnreihen blitzen in der Dunkelheit. Überhaupt wirkt dieser Mann im Sattel trotz seines Sonntagsanzuges nicht mehr so durchschnittlich und unauffällig. Im Sattel ging mit ihm eine Veränderung vor. Erst im Sattel war dieser Bandit in seinem Element und ist es immer noch.

Er ist längst nicht so erschöpft wie Curly. Er ist härter und zäher. Dabei hatte Curly ein hartes Rindertreiben nach Kansas hinter sich, bei dem jeder Mann hart und zäh wird oder untergeht.

»Ich werde dir meinen Namen sagen, sobald du mit den Pferden aus der Stadt zurückgekommen bist«, murmelt der Bandit lässig und grinst abermals.

Da sagt Curly nichts mehr.

Er nimmt einen der Sättel und schultert ihn. Die ersten Schritte fallen ihm schwer, denn er ist kreuzlahm, verkrampft und steif. Aber schon bald tut ihm das Laufen gut.

Er kommt knapp zwei Stunden später zurück – im Sattel eines Pferdes natürlich und mit einem zweiten Tier an der Leine neben sich.

Er findet das feuerlose Camp, sieht die vier erschöpften Pferde am Boden liegen, die Sättel und das wenige Gepäck.

Der Bandit taucht hinter ihm auf.

»Du bist vorsichtig, Partner«, sagt Curly. »Ich wette, du bist bis zum Stadtrand gegangen und …«

»Sicher, Curly. Auf meinen Kopf sind dreitausendfünfhundert Dollar Belohnung ausgesetzt. Da muss man schon vorsichtig sein, wenn man einen Jungen wie dich ein paar Pferde holen lässt. Ich bin Chad Kelly, auch Gun Kelly genannt. Du hast sicherlich von mir gehört, nicht wahr?«

Curly Ben steht einen Moment still und hält den Atem an. Er kann nur noch staunen.

Denn unter den Geächteten ist Chad Kelly einer der Größten.

Einen Moment will sich in Curly Unglauben breitmachen.

Wie alle Leute, die schon von Gun Kelly hörten, hat er sich diesen Mann völlig anders vorgestellt, nicht so durchschnittlich im Aussehen und auch körperlich größer und kräftiger.

Aber dann erinnert er sich wieder daran, wie furchtlos dieser Mann in die Poststation ging, um dort vier Männer auszurauben, von denen zumindest drei harte Burschen waren.

Und dann hat es einen Toten gegeben. Chad Kelly hat also blitzschnell und ohne Gnade geschossen.

Curly rinnt ein Schauder über den Rücken.

Es geht ihm wie einem Jungen, der glaubt, einen Hund gefunden zu haben und plötzlich erkennt, dass es sich um einen wilden Wolf handelt.

»Wir reiten weiter«, sagt Chad Kelly.

Er sattelt schnell das ledige Pferd, das Curly mitbrachte, und sitzt auf. Mit einer einzigen gleitenden und geschmeidigen Bewegung.

»Wir werden noch oft unsere Pferde wechseln«, sagt er. »Doch bald kommen wir in ein Gebiet, wo ich Freunde habe. Die geben uns Pferde und nehmen dafür die mitgebrachten Tiere in Zahlung. Sie halten diese Pferde eine Weile gut versteckt. Und ab morgen verwischen wir unsere Fährte richtig. Aber du sagtest, bevor wir Partner wurden, dass du nach unserem Coup deinen eigenen Weg gehen wolltest. Das änderte sich wohl, als die kreischende Frau dich erkannte?«

»Ja, da änderte sich alles«, erwidert Curly. »Wenn ich mit dir reiten kann, Chad Kelly, will ich es gerne tun. Wenn man ein Wolf geworden ist und noch eine Menge lernen muss, jagt man am besten mit einem erfahrenen Leitwolf, nicht wahr?«

Sie reiten die ganze Nacht.

Erst am Morgen, als die Sonne schon zu wärmen beginnt, verlassen sie den Reitweg, dem sie abseits der Straße folgten. Sie reiten auf einen Hügel hinauf und halten unter Bäumen an. Vorher ließen sie ihre Pferde an einem Creek saufen und füllten auch ihre Wasserflaschen.

Zuerst kümmern sie sich um die Pferde.

Kelly schnalzt mit der Zunge und sagt: »Von Pferden verstehst du wirklich eine Menge, Curly. Und auch im Reiten bist du zäher als die meisten Burschen. Während du unser Frühstück bereitest, werde ich endlich unser Geld zählen und aufteilen.«

Curly sagt nichts dazu.

Aber so müde und erledigt er auch ist, er gibt sich Mühe, ein gutes Frühstück zu machen. Das Feuer zündet er unter einem mächtigen Baum an, dessen dichte Zweige den Rauch zerteilen.

Curly fragt sich, wie viel Chad Kelly ihm von der Beute als Anteil geben wird – ein Drittel, ein Viertel, oder?

Kelly wirft ihm dann eine Satteltasche zu.

»Nach Abzug aller Unkosten, die wir gestern in der Stadt hatten, waren es siebentausendfünfhundertdreiundzwanzig Dollar«, sagt er. »Bis auf einen Dollar, den ich nicht teilen kann, hast du genau die Hälfte in dieser Satteltasche. Zähl nach.«

»Das werde ich nicht tun«, sagt Curly.

Kelly grinst. Dann essen sie Pfannkuchen mit Speck, trinken Kaffee und rauchen.

»Trau niemandem, Curly, auch mir nicht«, sagt Kelly plötzlich. »Das ist die erste Lektion. Diese Welt ist schlecht, sie war das schon seit Menschengedenken. Trau niemandem, Curly, und achte auf dich selbst. Nur Narren, Träumer und Schwärmer glauben an selbstlose Freundschaft. Eines Tages würde dich dein Freund, dein Blutsbruder, eine Frau verraten. Es gibt keine ewige Treue auf dieser Welt. Erwarte also nichts in dieser Hinsicht, dann wirst du auch niemals enttäuscht werden.«

Curly sieht ihn starr an.

»Du verachtest die ganze Welt«, sagt er. »Du hast kein Vertrauen zu den Menschen. Wahrscheinlich ist es richtig so. Auch mein Bruder vertraute mir und verließ sich auf mich. Und ich enttäuschte ihn bitter. Na schön, wohin führt uns unser Weg?«

»Irgendwohin, wo man mich noch nicht kennt«, grinst Chad Kelly. »Du kannst schlafen. Ich übernehme die erste Wache.«

☆☆☆

Es ist schwer für Adam McFay, die Fährte von Chad Kelly und seinem jüngeren Bruder zu finden.

Adam McFay wird aus diesem Grund zu einem Langreiter, nur befindet er sich nicht auf der Flucht. Er wird vielmehr angetrieben von Unrast, Verantwortung und dem heißen Wunsch, den Bruder vor dem endgültigen Untergang zu retten.

Ihm ist klar, dass Curly am Anfang des Weges zur Hölle ist.

Es kommt darauf an, ihn noch rechtzeitig zu finden.

Aber das ist schwer. Adam McFay muss dort weitermachen, wo hartbeinige Aufgebote aufhörten. Er muss suchen und immer wieder suchen, wo es schon längst keine Fährten oder sonstige Anhaltspunkte gibt.

In diesen Wochen wird Adam McFay zu einem einsamen Wolf. Er nächtigt zumeist unter freiem Himmel, obwohl er fast alle Siedlungen und Ortschaften aufsucht, um dort nach einem jungen Burschen zu fragen, der auf wilde Art hübsch aussieht, der blonde Locken und leuchtend blaue Augen hat.

Er fragt auch nach Kelly, von dem er einen Steckbrief in der Tasche trägt.

Es dauert eine lange Zeit – und es ist zudem fast ein Zufall –, bis er in die kleine Stadt kommt, in der Kelly einen Revolverkampf in einem Saloon hatte und in deren Nähe die Postkutsche überfallen und die Geldkiste ausgeräumt wurde.

Der Begleitmann der Postkutsche war vom Bock heruntergeschossen worden.

Aber er ist schon auf dem Weg zur Gesundung, als Adam McFay ihn besucht. Er erzählt Adam McFay die Geschichte mit wenigen Worten.

»Ach, das ging schnell. Sie ritten aus dem Schatten der Bäume, schossen die beiden Führungspferde zusammen, sodass wir nicht flüchten konnten, und riefen uns zu, dass wir friedlich sein sollten. Ich wollte die Schrotflinte abfeuern, aber da erwischte es mich schon. Es war der jüngere Bandit, das kann ich beschwören. Denn der ältere Schuft hatte …«

Adam McFay weiß nun, dass sein kleiner Bruder auf einen Postkutschenbegleiter schoss. Es kann jetzt nur noch eine Frage der Zeit sein, bis Curly wegen Mordes gesucht wird. Wenn er den ersten Menschen getötet hat, kann er der Hölle nicht mehr entkommen. Sein Weg ist vorgezeichnet.

Adam McFay erkennt das alles, und er spürt seine Ohnmacht.

In den folgenden Wochen findet er heraus, dass Kelly und Curly nach Norden wollen. So sehr ihre Zickzackfährte, auf der sie da und dort ihre Zeichen hinterlassen, auch nach Osten oder Westen ausschlägt, sie bewegt sich doch ständig nach Norden.

Im Norden gibt es viele Möglichkeiten.

Da ist das Goldland von Colorado westlich vom Pikes Peak, dort, wo die Goldgräberstädte Leadville, Cripple Creek und Canyon City schon blutige Berühmtheit erlangten.

Doch Adam glaubt nicht, dass dieses ungleiche Paar schon dort das Jagdrevier abstecken wird.

Sie sind noch nicht weit genug geritten.

Also kämen Wyoming, Montana oder Oregon in Frage.

In Montana gibt es ebenfalls weite Goldfelder.

Und zwischen Montana und den Gesetzen liegt eine Menge Indianerland.

Für Adam McFay gibt es bald ein anderes Problem.

Er hat kein Geld mehr.

Nachdem er in einer kleinen Stadt sein Pferd beschlagen ließ und sich noch einmal für eine Woche Proviant kaufte, ist er pleite.

Er ist mit wenigen Dollars in der Tasche von Sunset City aufgebrochen, um die lange Fährte zu verfolgen.

Ihm ist klar, dass er als Satteltramp noch weniger Chancen hat, seinen Bruder einzuholen. Manche Leute, die er um Auskunft bittet, wollen ein paar Dollars sehen.

Er braucht Geld, und er braucht sogar eine Menge davon. Mit ein oder zwei Cowboy-Monatslöhnen ist es nicht getan.

Aber wie kann ein Mann wie Adam McFay auf schnelle Art viel Geld verdienen?

Er kann es rauben. Aber dann wäre auch er ein Bandit.

Doch es gibt noch eine andere Möglichkeit.

Bisher hat Adam McFay diese Möglichkeit stets abgelehnt.

Doch inzwischen hat sich eine Menge geändert.

Es ist für Adam McFay nicht schwer, herauszufinden, welches das böseste und wildeste Camp zwischen Cripple Creek und Georgetown ist. Er hat sogar etliche böse Nester zur Auswahl.

Er entscheidet sich für Silvertown.

Als er das Bergnest erreicht, befindet sich in seiner Satteltasche nur noch für zwei Tage Proviant, und er besitzt einen Dollar und fünfundzwanzig Cent an barem Geld.

Er kommt bei Nacht, reitet einmal die Hauptstraße hinauf und hinunter und ist dann davon überzeugt, dass er hier richtig ist.

Dies hier ist ein Babylon, ein Sodom und Gomorrha zugleich inmitten der Berge. Silvertown liegt in einem gewundenen Canyon, in dessen aufsteigende Hänge Minenstollen führen.

Dieses Camp ist noch jung. Die primitiven Zeltbuden sind noch in der Überzahl.

Und es gibt noch keine Ordnung, kein Gesetz.

Adam McFay geht in den größeren Saloon.

Ein einziger Drink kostet hier einen Dollar. Es ist ein sündhafter Preis für den billigen Fusel. Die hartgesichtigen Rauswerfer und Hauspolizisten achten darauf, dass jeder Gast, der eintritt, zuerst an die Bar geht, um wenigstens einen Dollar loszuwerden.

Adam legt seinen letzten Dollar an. Er schüttelt sich leicht, denn das Zeug ist höllisch.

Oha, dieses Zeug stammt aus einer Büffelkuhle, denkt er.

Dann wendet er sich vom Schanktisch ab, an dem die Männer in drei Reihen stehen und von einem halben Dutzend Barkeeper bedient werden. Er schlendert umher, hält sich eine Weile im Spielraum auf und verspürt dann eine grimmige Zufriedenheit. Denn er sieht endlich, was er suchte.

An einem der Spieltische würfelt Joe Oates.

Adam McFay hat diesen Mann noch nie in seinem Leben gesehen. Dennoch weiß er über ihn gut Bescheid.

Joe Oates ist ein Edelwolf, auf dessen Einbringung schon vor einem halben Jahr eintausendfünfhundert Dollar Belohnung ausgesetzt waren. Diese Kopfprämie wird sich inzwischen erhöht haben.

Adam McFay kennt Joe Oates nur von den Steckbriefen her, die er als Sheriff fast mit jeder Postkutsche bekam und die er in seinem Office sammelte.

Es war zu erwarten, dass er Joe Oates oder einen anderen steckbrieflich gesuchten Banditen in diesem wilden Camp finden würde. Einer von den vielen Dutzenden musste hier zu finden sein. Dies ist ein gesetzloses Camp, wild und böse. Hier rollt der Dollar. Zu solchen Orten kommen Edelwölfe und zweibeinige Tiger wie zur Tränke.

Adam McFay hat einige Dutzend Steckbriefe im Kopf, denn er konnte sie sich ja stundenlang ansehen.

Er musste einen Burschen von jener Sorte finden.