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G.F. Unger ist der erfolgreichste deutschsprachige Western-Autor. Mit einer Rekordauflage von über 250 Millionen Exemplaren gehört er zur internationalen Spitzenklasse der Spannungsliteratur. Und das zu Recht!
Niemand vermag es wie er, die unermesslichen Weiten des amerikanischen Westens und die Stärke der unerschrockenen Männer, die sie erschlossen, zu beschreiben. Erleben Sie den amerikanischen "Wilden Westen", wie nur G.F. Unger ihn schildern kann: hart, authentisch, leidenschaftlich.
Dieser Sammelband enthält die Folgen 2590 bis 2592:
2590: Jagd auf Ringo
2591: Sun Pass
2592: Sonora Hombre
Der Inhalt dieses Sammelbands entspricht ca. 192 Taschenbuchseiten.
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Seitenzahl: 461
Veröffentlichungsjahr: 2025
BASTEI LÜBBE AG
Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben
Für die Originalausgaben:
Copyright © 2022 by
Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln
Vervielfältigungen dieses Werkes für das Text- und Data-Mining bleiben vorbehalten.
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Für diese Ausgabe:
Copyright © 2024 by
Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln
Covermotiv: © Prieto/Norma
ISBN: 978-3-7517-8117-6
https://www.bastei.de
https://www.luebbe.de
https://www.lesejury.de
Cover
Titel
Impressum
Inhalt
G. F. Unger Western-Bestseller 2590
Die böse Horde
G. F. Unger Western-Bestseller 2591
Gold-Lady
G. F. Unger Western-Bestseller 2592
Fort der Gejagten
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Contents
Die böse Horde
Als das Rudel der Reiter kommt, erstarrt die ganze Familie. Sogar der zehnjährige Jorge spürt die Gefahr. Es geht etwas von diesen Reitern aus, was er sonst noch nie spürte.
Henry Fisher, Jorges Vater, ist kein furchtsamer Mann. Er ist sogar ein harter Bursche, der auch kämpfen kann und es im Krieg gegen die Südstaaten zum Sergeant brachte.
Henry Fisher hat bisher immer geglaubt, seine Familie beschützen und sich in diesem Tal behaupten zu können. Überdies versteht er sich gut mit seinen Nachbarn. Aber jetzt steigt Furcht in ihm hoch. Von diesen fremden Reitern geht etwas Böses aus. Er kann es deutlich spüren. Es trifft ihn wie ein kalter Luftzug. Es ist der Atem von Gefahr, von lauernder Gnadenlosigkeit.
Dabei sieht dieses fremde Reiterrudel nicht etwa verwildert aus. Nein, sie sind äußerlich keine ungewaschen wirkenden Strolche. Sie wirken relativ sauber, wenn man bedenkt, dass sie zumeist im Freien leben. Ihre Pferde sind erstklassig, ihre Sattelrollen sind ordentlich. Das sind keine drittklassigen Strolche, die zu verkommen sind, um noch auf ihr Äußeres zu achten.
Nein, dieses Rudel dort hat sich fest unter Kontrolle. Aber es ist unerbittlich ...
Henry Fisher will noch nicht glauben, was seine Ahnung ihn spüren lässt. Er sagt: »Wenn Sie Wasser brauchen, Gentlemen, dann bedienen Sie sich ruhig am Brunnen. Die Ufer des Creeks sind etwas zu steil für die Pferde. Nur an der Furt könnten Sie ...«
»Wir wollen nicht lange herumtändeln, Freund«, unterbricht ihn Hank Finnegan und gibt sich damit als Anführer zu erkennen. »Wir wollen gleich zum Geschäft kommen.«
»Geschäft?« So fragt Henry Fisher. »Ich verstehe nicht ...«
»Ach, das ist leicht zu verstehen«, unterbricht ihn Hank Finnegan wieder. »Ich kaufe diese kleine Ranch. Was ist sie Ihnen wert, Freund?«
Henry Fisher schluckt mühsam.
Selbst mit umgeschnalltem Revolver und dem Gewehr in der Hand hätte er keine Chance. Nicht gegen dieses Rudel von Hartgesottenen.
Er begreift schnell, dass eine böse Horde ins Sweetwater Valley gekommen ist. Diese kleine Ranch soll die Ausgangsbasis sein für den Kampf ums Valley. Und der Stärkere wird diesen Kampf gewinnen. Denn der Wille des Stärkeren ist hier noch Gesetz.
Henry Fisher begreift es schnell.
Und er denkt über die Chancen der Menschen dieses Tales nach.
Plötzlich weiß er, dass sie kaum Chancen haben. Eine Hammelherde hat auch keine Chancen gegen ein starkes Wolfsrudel.
»Ich warte auf Ihre Antwort, Freund«, sagt Hank Finnegan. Seine Stimme klingt nun eine Spur härter, kälter.
»Ich überlege, ob ihr es schaffen könnt – ich meine, hier im Sweetwater Valley«, murmelt Henry Fisher. »Und diese Ranch ist dreitausend Bucks wert, unter Brüdern. Es stecken fünf Jahre harte Arbeit drin.«
Hank Finnegan nickt.
»Ich zahle tausend für den Besitztitel«, sagt er. »Das ist ein nobles Angebot. Oder nicht?«
Henry Fisher sieht ihn an. Und der Zorn will von ihm Besitz ergreifen – ein wilder, hilfloser und selbstmörderischer Zorn.
Aber da spürt er Marys Hand an seinem Arm.
»Nehmen wir das Geld – wenn wir nur davonkommen«, flüstert sie neben ihm. »Wir haben Glück, dass sie uns noch nicht ...«
»Ich muss wohl einverstanden sein«, hört Henry sich laut und spröde zu dem Anführer des Rudels sagen.
»Sie müssen nicht, Mister«, sagt einer der anderen Reiter kühl. »Manche Männer sind erst dann einverstanden, wenn sie für immer das Maul halten müssen. Mit tausend Dollar über der Erde ist es besser als mit leeren Taschen in der Grube.«
Das war grob und deutlich.
Diese Bande tändelt wirklich nicht lange herum. Sie sind weit geritten und wollen zu einem Abschluss kommen.
»Dürfen wir unsere persönlichen Dinge mitnehmen?« So fragt Mary Fisher etwas schrill.
Hank Finnegan nickt. »Ihr habt zwei Stunden Zeit, euren großen Wagen voll zu laden«, sagt er. »Sie sind eine hübsche und verständige Frau. Wie heißen Sie, Madam?«
»Mary Fisher«, erwidert sie.
»Mary«, wiederholt er. »Sie sind klug. Und vielleicht können Sie in einem Jahr wieder hier einziehen. Dann haben Sie tausend Dollar verdient. Aber wenn Sie in zwei Stunden von hier fortgehen, dann tun Sie das auch wirklich. Es wäre gefährlich, im Tal herumzureiten. Verstehen Sie?«
Er blickt von ihr auf Henry und von Henry wieder auf Mary Fisher. Und beide begreifen sie, was er meint. Wenn sie ihre Nachbarn warnen sollten, würde Henry sterben. Diese Horde würde ihn erschießen.
»Wir verstehen genau«, sagt Henry Fisher heiser.
Hank Finnegan nickt. »Gehen wir ins Haus und machen wir den Kaufvertrag.«
✰✰✰
Als es Abend wird, ist Hank Finnegan mit seiner Horde allein auf der kleinen Ranch. Seine Männer haben es sich bequem gemacht.
Russ Maffit, der fast immer das Kochen übernimmt, weil er selbst so gerne isst und ständig Hunger hat, kommt auf seinen kurzen, stämmigen Beinen zu Finnegan und wischt sich mit dem Handrücken Nase und Mund.
»Keine Vorräte«, sagt er mürrisch. »Die haben alles mitgenommen. Mir hat diese Mary gefallen. Warum haben wir sie nicht bei uns behalten und ...«
»Halt dein Maul!«, sagt Finnegan. Er wendet sich an alle. »Zwei Mann reiten nach Valleytown«, bestimmt er. »Ihr könnt losen. Aber ich sage euch gleich, dass es im Ort keinen Spaß gibt. Ihr kauft nur ein und benehmt euch wie normale Cowboys, die von dem neuen Besitzer dieser Ranch geschickt wurden. Lasst keinen Zweifel daran, dass ihr harte Nummern in einer harten Mannschaft seid. Doch sucht keinen Streit.«
Nach diesen Worten wartet er geduldig, bis die Mannschaft gelost hat.
Jim Haggerty, das jüngste Mitglied der Bande und der einzige Mann, der erst wenige Monate bei Finnegan ist, und Russ Maffit gewinnen.
Finnegan gibt Maffit das Geld für die Einkäufe.
Er sieht den beiden Reitern dann schweigend nach und hört kaum die neidvoll lästernden Sprüche der anderen. Dann sagt er: »Brazos, reite den Fishers nach, und beobachte sie zwei Tage lang. Und wenn sie das Land nicht verlassen sollten, mach ihnen Beine. Aber richtig!«
Brazos Saba stößt einen unwilligen Laut aus. Denn es passt ihm nicht, jetzt wieder in den Sattel zu müssen. Aber dann sagt er: »Sicher, Hank – sicher.«
✰✰✰
Valleytown besteht hauptsächlich aus dem Store, zu dem eine Schänke und ein Gasthaus gehören, aus der Schmiede, dem Haus des Brunnenbauers und dem Haus des Schreiners und Zimmermanns, zu dem auch eine Werkstatt, ein Holzhof und ein Lagerschuppen gehören.
»Feuerwasser – und eine Frau«, sagt Maffit. »Das müsste es doch wohl geben dort in diesem Nest. He, ich bin ein hungriger Kentuckybär!«
Er setzt seinem Pferd die Sporen ein, und das ist typisch für ihn. Er schont das nun schon recht erschöpfte Tier nicht, um möglichst schnell zu seinem Spaß zu kommen.
Jim Haggerty, ein rothaariger Bursche, der auf eine verwegene Art hübsch ist, folgt ihm sofort.
Die Dämmerung kämpft im Osten schon mit den Schatten der Nacht, als sie vor dem Store ihre Pferde anhalten und sich aus den Sätteln schwingen. Sie sind erfahren genug, um nicht sofort hineinzustürmen. Sie sehen sich erst um.
Ein paar Sattelpferde stehen an den Haltebalken. Es sind Rinderpferde, also Tiere von Cowboys oder Ranchern. Farmer gibt es nicht im großen Sweetwater Valley.
In der Schmiede gegenüber ist der letzte Hammerschlag längst verklungen. Fast überall in den Wohnhäusern brennen die Lampen.
Der Store, der angebaute Saloon und das Gasthaus sind hell erleuchtet.
»Ich bin ein hungriger Bär«, wiederholt Russ Maffit. »Ich will Pumaspucke saufen und rohes Fleisch fressen.«
Dann geht er hinein. Er wirkt nur so schwerfällig und bärenhaft tapsig. In Wirklichkeit ist er gefährlich schnell. Jim Haggerty folgt ihm, und beide staunen sie ein Mädchen an, das hinter dem Store-Ladentisch steht und in einen vielfächrigen Karton Knöpfe sortiert.
Es ist ein dunkelhaariges Mädchen. Im Lampenschein glänzt ihr Haar wie das Gefieder eines Raben. Sie hat blaue Augen und ein paar Sommersprossen in dem eigenwilligen Gesicht. Ihr Mund lächelt.
»Was darf's denn sein?«, fragt sie. Ihre Stimme klingt samtig herb, und diese Stimme erzeugt in Russ Maffit einen Schauer.
»Oh, Honey«, sagt er, »von Ihnen möchte ich eine ganze Menge haben.«
In seiner Stimme ist eine gierige Heiserkeit, und in seinen Augen kann sie alles erkennen, um auch den letzten Zweifel zu beseitigen.
Aber sie sieht dennoch gerade in seine Augen hinein. Nur ihr Lächeln schwindet. Und sie lässt sich mit ihm auf keine Diskussion ein.
»Dies ist ein Store«, sagt sie. »Der einzige Store auf fast hundert Meilen in der Runde. Also, was wollen Sie kaufen, Mister?«
Maffit lacht kehlig. Er tritt näher und legt die Liste auf den Tisch, die Hank Finnegan ihm mitgab.
»Wir werden uns schon noch kennenlernen, Honey«, sagt er. »Ich bin Russ Maffit. Das ist Jim Haggerty. Wir reiten für Hank Finnegan. Und wir haben die Ranch der Fishers übernommen. Nobel gekauft. Und wer sind Sie, Honey?«
»Das ist meine Tochter«, sagt da eine ruhige Stimme. »Und ich bin Mike Wells. Was sagen Sie? Die Fishers haben verkauft? An einen Hank Finnegan? He, das gibt es doch nicht!«
Russ Maffit betrachtet den glatzköpfigen Storehalter und Saloonwirt. Er sieht einen bulligen Mann, an dessen Gesicht und Ohren er unschwer die vielen Narben und Zeichen eines ehemaligen Preiskämpfers erkennen kann. Auch Russ Maffit hat solche Narben. Mike Wells ist jedoch fast zwanzig Jahre älter als Maffit, und das macht Letzteren etwas unvorsichtig. Er grinst: »Das gibt es, Mike Wells. Und in Zukunft zweifeln Sie besser nicht an meinen Worten. Haben Sie wenigstens gutes Feuerwasser? Na, das probieren wir gleich mal aus! Komm, Jim!«
Während er sich in Bewegung setzt, um aus der Storehälfte des Hauses hinüber in die Saloonhälfte zu gehen, sagt er über die Schulter hinweg zu dem Mädchen: »Also packen Sie nach der Liste alles zusammen, Engelchen. Oder wollen Sie lieber mit uns einen Schluck trinken? Ich gebe einen aus und bin nicht kleinlich. Na?«
Sie sieht ihn nur stumm an und schüttelt den Kopf. Man sieht ihr an, dass sie nur deshalb nicht spricht, um ihm nicht mit scharfen Worten zu antworten.
Maffit lacht wieder kehlig und verschwindet im Schankraum.
Jim Haggerty folgt ihm nicht sogleich. Er steht da und starrt das Mädchen an.
»Vielleicht mögen Sie mich lieber als ihn?«, fragt er. Seine Stimme klingt fast leise, doch es liegt ein gefährliches Lauern darin.
Wieder schüttelt sie den Kopf.
»Ihr werdet hier bei uns im Sweetwater Valley noch umlernen müssen«, sagt Mike Wells. »Und wenn ihr meiner Tochter Sally noch mal anquatscht, so als wäre sie ein Flittchen, dann werfe ich euch schneller hier raus, als ihr reinkommen könnt. Wir haben im Valley nur wenige Frauen – aber alle sind ...«
»Halt dein Maul, Glatze«, sagt Jim Haggerty und schnappt den Colt heraus. Er stößt ihn Mike Wells in den Magen, und der Storehalter erstarrt, vergisst, dass er schon ausholte, um Haggerty von den Beinen zu schlagen.
»Na, dann schlag doch zu, Alter«, grinst Jim Haggerty. »Los doch! Aber riech erst mal hier!«
Er hält ihm die Revolvermündung unter die Nase.
»Wenn mein kleiner Freund da rauskommt«, sagt Jim Haggerty, »dann bist du alle – einfach alle! Dann ist alles vorbei! Also sag nie mehr, dass du uns rauswerfen würdest. Niemand wirft uns raus – niemand! Und jetzt geh und schenk uns ein! Los!«
Mike Wells steht noch zwei Atemzüge lang da – mit schmalen Augen und geballten Händen. Dann geht er hinüber und tritt hinter den Schanktisch, an dem Russ Maffit schon wartet.
Maffit lehnt mit dem Rücken am Schanktisch und betrachtet das halbe Dutzend Gäste. Er sieht sie grinsend, herausfordernd und mit glitzernden Augen an.
Als Mike Wells hinter den Schanktisch tritt, wendet Russ Maffit den Gästen verächtlich den Rücken zu und klatscht mit der flachen Hand auf den Tisch.
»Na los!«
Jim Haggerty tritt neben ihn und hat die Waffe wieder im Holster. Aber als Mike Wells unter den Tisch greift und die abgesägte Schrotflinte blitzschnell zum Vorschein bringt, da ist Jim Haggerty doch eine Idee schneller.
Und er hätte Mike Wells auch wohl getötet.
Aber dann hindert ihn eine Kugel daran. Diese Kugel kommt von rechts. Sie trifft Jim Haggerty in den Unterarm der Revolverhand.
✰✰✰
Es ist schon fast Mitternacht, als Russ Maffit mit dem stöhnenden Jim Haggerty die Fisher Ranch erreicht. Mond und Sterne leuchten hell und machen die Nacht fast zum Tage.
Hank Finnegan und die anderen Reiter beginnen sofort zu fluchen, als Maffit ihnen berichtet, was geschehen ist – und dass sie im Store keine Einkäufe machen konnten, weil man ihnen dort nichts mehr verkaufen wollte.
Sie hören erst auf zu fluchen, als Hank Finnegan fragt: »Und wer war der Mann, der Jim die Revolverhand ruiniert hat? Hast du das herausbekommen können?«
»Yes, Sir«, nickt Russ grimmig. »Den hat sich sogar unser schneller Jimmy gut angesehen, obwohl er vor Schmerz nur so pfiff. Es war ein großer, dunkler Bursche mit grauen Augen. Ein harter Hombre. Und er stellte sich auch vor. Er sagte, dass er uns besuchen kommen würde und – da kommt er wohl schon!«
Die letzten Worte stößt Russ Maffit mit einer ungläubig und zugleich grimmig frohlockenden Stimme aus.
Alle sehen sie auf den Reiter, der langsam im Mondlicht heranreitet und einen halben Steinwurf entfernt vor dem Haus anhält.
»Hoi, ich hörte den Namen Hank Finnegan«, klingt die Stimme des Reiters herüber. »Handelt es sich vielleicht um Hank Finnegan aus Chattanooga am Pecos-Knie?«
Das raue Rudel schweigt.
Aber sie alle blicken auf den Anführer Hank Finnegan. Sie sehen ihn einige Sekunden wie erstarrt verharren. Dann löst sich in seiner Kehle ein knurrender Ton.
Und plötzlich verlässt er die Veranda, tritt mit melodisch klingelnden Sporen die drei Stufen hinunter in den staubigen Hof und geht zu dem wartenden Reiter hinüber.
Die Mannschaft verharrt noch immer bewegungslos, als Finnegan bei dem Reiter anlangt. Sie hören ihn halblaut sagen: »McCannon, Chuck McCannon!«
Es ist eine Spur von Freude in Finnegans Stimme. Er spricht auch sofort weiter und sagt: »Steig ab, Chuck! Komm herein, Amigo! Oha, dein Besuch ist eine echte Überraschung und Freude!«
»Das ist keine Freude«, grollt da Russ Maffit. »Denn dieser Hombre ist genau jener Bursche, von dem unser Jimmy den Flügel zerschossen bekam. Das ist er! Also machen wir ihn klein!«
In Maffits Stimme kam mehr und mehr ein Frohlocken, und sogar Jim Haggerty, der mit Slim Claybornes Hilfe abgesessen ist und nun auf der untersten Verandastufe sitzt, den zerschossenen Arm in einem Tuch vor der Brust, nimmt wieder Anteil und stößt einen zufriedenen Fluch aus.
»Ja, besorgt es dem Hundesohn! Gebt es ihm!«, verlangt er schrill.
Es wird still.
Der Atem von Gefahr weht auf einmal wie ein kalter Totenhauch aus einer Gruft.
Die Finnegan-Bande verteilt sich plötzlich. Sie schwärmen zu einem Halbkreis aus, und wahrscheinlich würden sie schon auf den Reiter schießen, wenn ihr Anführer nicht bei ihm stünde.
Finnegan wendet sich zu ihnen um.
»Es ist ein alter Freund von mir«, sagt er scharf. »Es ist ein Freund wie ein Bruder. Bleibt in euren Hosen, Jungs!«
Sie verharren, aber sie knurren und schnaufen unwillig. Sie murmeln aufsässige Worte. Denn sie sind ein Rudel, das jeden Zahn rächt, den einer von ihnen verliert – jeden Zahn, jedes gekrümmte Haar, alles. Sie haben längst begriffen, dass sie nur zusammen so gefährlich und fast unüberwindbar sind. Allein wäre jeder von ihnen wieder ein streunender Wolf, ein Revolverschwinger und Bandit.
Sie hören Finnegan noch einmal sagen: »Steig ab, Chuck! Komm herein, Amigo! Bringen wir vor allen Dingen das Missverständnis in Ordnung.«
Sie sehen, wie der Besucher, den Finnegan Chuck McCannon nannte, langsam absitzt. Widerwillig bewundern sie den Mut dieses Mannes, denn sie gehören ja alle zu der Sorte, die sich durch Kühnheit behauptet. Sie treten auseinander, als Hank Finnegan mit Chuck McCannon zum Haus geht.
Aber sie folgen ihnen.
Und als sie drinnen im großen Wohnraum sind, da stellen sie sich an den Wänden auf und betrachten Chuck McCannon.
Jim Haggerty kommt zuletzt herein. Er blickt McCannon mit schon etwas fiebrig wirkenden Augen an und sagt: »Ja, das ist er. Hank, ich werde ihn eines Tages mit einer Schrotflinte umlegen. Er hat mir den Revolverarm zerschossen, und die Schmerzen bringen mich fast um. Sie haben keinen Doc in Valleytown. Vielleicht sterbe ich noch an dieser Armwunde – oder ich werde ein Krüppel bleiben. Aber ich bringe ihn um, mag er zehnmal dein Amigo sein und mögt ihr alle vor ihm kneifen, ihr Pfeifen!«
Jim Haggertys Worte machen die Mannschaft wieder böse. Der Atem von Gefahr ist wieder deutlich zu spüren.
Doch sie haben inzwischen erkannt, was für ein Mann dieser Chuck McCannon ist. Sie sehen ihn neben dem Kamin an der Wand lehnen. Sie sehen auch seinen Colt, den er links trägt. Sie betrachten seine große, zäh und sehnig wirkende Gestalt und vergleichen ihn mit Hank Finnegan, der ihm sehr ähnlich ist.
Nur ist Finnegan gelbhaarig, blauäugig.
McCannon ist dunkel, mit grauen Augen.
Sie begreifen, dass er sogar Finnegan mit dem Colt schlagen könnte. Das wittern sie irgendwie. Und Finnegan ist schnell, unheimlich schnell. Sie ahnen, dass dieser McCannon ein Großer der Coltgilde ist. Und er ist Finnegans alter Freund.
»Geht raus«, sagt Finnegan zu ihnen. »Geht raus und kümmert euch um Jimmy. Legt ihn in der Scheune ins Heu. Laredo, du verstehst von Schusswunden und Knochenbrüchen mehr als so mancher Doc. Also ...«
Sie zögern. Und sie starren gierig auf McCannon.
Aber Finnegan ist der Boss. Sie gehorchen.
Und als Finnegan und McCannon endlich allein sind und sich im Lampenschein eine Weile betrachtet haben, da sagt McCannon langsam: »Eine böse Horde ist das, Hombre. Ein schlimmes Rudel! Warum seid ihr in dieses Tal gekommen?«
Finnegan antwortet noch nicht. Er sieht ihn immer noch an, und es ist, als wollte er mit seinem Instinkt tief in ihn eindringen.
Erst nach einer Weile sagt er: »Einst ritten wir gemeinsam, Chuck. Einst waren wir Sattelgefährten. Und erst der Krieg trennte uns. Damals waren wir noch sehr jung, so verdammt jung. Und später trafen wir uns einmal in Kansas City und dann in Abilene. Da waren wir schon Männer. Und wir waren immer noch die alten Freunde. Nicht wahr? Was aber sind wir jetzt? Du hast einen meiner Männer zurechtgestutzt. Dies nehmen wir sonst nicht hin. Jim Haggerty wird dir wirklich schon bald mit einer Schrotflinte auflauern und versuchen, dich ...«
»Schon gut, Hank«, unterbricht ihn Chuck McCannon. »Beantworte lieber meine Frage. Warum seid ihr in dieses Tal gekommen? Und wie habt ihr es gemacht, dass die Fishers ihre Ranch verkauften?«
Hank Finnegan lächelt. Aber es ist ein Zähnezeigen. Er hebt nur die Oberlippe. Und unter ihr und seinem sichelförmigen Texanerbart werden die Zähne sichtbar.
So zeigt ein Wolf seinen Fang.
Dann murmelt er: »Wir waren Nachbarskinder daheim im Chattanooga am Pecos. Unsere Väter ritten immer wieder hinüber nach Mexiko – und sie wurden auch dort gemeinsam als Banditen an einen Baum gehängt. Uns verband damals sehr viel, Amigo, nicht wahr? Ich bin mit meiner Mannschaft gekommen, um dieses Tal zu übernehmen. Ich war vor einigen Jahren schon mal hier. Damals gab es dich hier noch gar nicht, Chuck. Und es lohnte sich auch noch nicht mit der Übernahme. Aber jetzt lohnt es sich. Wir werden uns einigen müssen, Amigo aus dem Süden. Auf irgendeine Art müssen wir uns einigen. Schön wäre es, wenn wir wieder die alten Freunde sein könnten und das hier gemeinsam machten. Na? Brauchst du Bedenkzeit? Wir brauchen nichts zu überstürzen, gar nichts. Hier braucht alles seine Zeit. Hier muss man langfristig planen. Wo lebst du hier? Hast du hier eine Ranch?«
Chuck McCannon nickt.
»Ja, wir hatten mal eine Menge Gemeinsames«, murmelt er. »Wir waren wilde Jungs mit schnellen Revolvern, und der Krieg machte uns nicht besser. Nach dem Krieg waren wir ausgewachsene Wölfe und kamen da und dort zu bitterem Revolverruhm. Mehr oder weniger lebten wir damals von unseren Colts. Damals – als wir uns in Abilene trafen – gehörten wir schon zu den ganz Großen. Und vielleicht wäre ich immer noch so wie du, wenn nicht etwas geschehen wäre.«
Er macht eine Pause. Hank Finnegan aber fragt: »Was? Was geschah?«
Chuck McCannon starrt ins Leere, als könne er so irgendwelche Bilder erkennen.
»Ein Mädchen trat in mein Leben«, murmelt er dann. »Ich nahm sie zur Frau, und wir kauften eine kleine Herde, warben zwei Treiber und einen Fahrer an. Unser kleiner Treck fand dieses Tal. Wir wurden hier freundlich aufgenommen. Es war ja noch genügend Platz in diesem Tal – und ist es immer noch. Ich baute hier meine Ranch.«
»Und deine Frau?« Hank Finnegan fragt es sanft.
Da sieht er Chuck McCannon leicht zusammenzucken.
»Sie starb bei der Geburt des ersten Kindes«, murmelt McCannon. »Auch das Kind kam tot zur Welt. Nur ein Arzt hätte helfen können. Aber wir haben noch keinen Arzt hier. Hank, ich habe meine Frau und mein tot geborenes Kind bei meiner Ranch in diesem Tal beerdigt. Dieses Sweetwater Valley ist meine Heimat. Wenn du hier als Wolf hergekommen bist, dann geh schnell wieder fort.«
»Und wenn ich nicht fortgehen und auf diese leichte Beute hier nicht verzichten will – was dann?« Hank Finnegan fragt es fast lässig. Aber innerlich ist er angespannt.
Chuck McCannon sieht ihn schweigend an.
»Es leben gute Menschen in diesem Tal«, sagt er dann. »Sie hatten es nicht einfach hier. Denn als sie in diesem Tal anfingen, waren die Indianer noch eine Gefahr. Es war ein großes Wagnis, Rinder nach Wyoming zu bringen. Man muss hier für Winterfutter sorgen. Niemand wusste, ob Longhorns aus dem Süden hier die harten Winter überstehen könnten. Es gab eine Menge Mühe und Schwierigkeiten. Jetzt aber geht es aufwärts. Jetzt sind sie alle hier über den Berg. Und zur Bahnlinie der Union Pacific bei Laramie sind es nur dreihundert Meilen. Hank, du kannst hier ein Mitglied einer sich immer mehr ordnenden Gemeinschaft werden. Aber wenn du als Wolf gekommen bist, um eine Hammelherde zu überfallen, so wirst du auch mich niederkämpfen müssen. Und ich lebe nur wenig mehr als zwanzig Meilen von hier entfernt. Hank, warum versuchst du es nicht mal auf meine Art? Und auf welcher Basis hast du dich mit den Fishers geeinigt? Wie bist du in den Besitz dieser Ranch gelangt?«
Hank Finnegan macht einen Moment den Eindruck, als wolle er die Beherrschung verlieren.
Aber dann wandert er unstet im Raum umher, so, als müsse er mit Gedanken und Empfindungen kämpfen und irgendwie erst mit den neuen Erkenntnissen zurechtkommen.
Plötzlich wendet er sich Chuck McCannon wieder zu.
»Vor allen Dingen suchten wir für eine Weile eine ruhige Insel, einen verborgenen Platz, eine Weide, auf der wir mal zur Ruhe kommen können nach langem, ruhelosem Reiten«, sagt er langsam. »Weißt du, meine Männer sind Geächtete, Verlorene. Sie alle werden irgendwo gesucht, und viele haben Schatten auf der Fährte. Allein ginge fast jeder von uns schon bald vor die Hunde – so wie ein einsamer Wolf, hinter dem viele Jäger her sind. Zusammen können wir überleben. Meine Männer sind mir treu. Sie glauben an mich. Sie vertrauen darauf, dass ich sie in eine bessere Zeit führe. Aber man muss Geduld mit ihnen haben. Sie sind verwildert. Und sie hegen ein beständiges Misstrauen gegen alles und erwidern jede Art von Hass und Abneigung mit ihrer ganzen Kraft. Ich habe diese kleine Ranch ordnungsgemäß gekauft. Meine einzige Bedingung war, dass die Fishers sofort abzogen. Du siehst, hier fehlen Möbel und andere Dinge. Sie konnten alles mitnehmen, was ihnen mitnehmenswert schien. Chuck, ich kann dir noch nicht viel versprechen. Du musst mir Zeit lassen. Warten wir ab. Vielleicht gelingt es uns, hier auf gute und anständige Art sesshaft zu werden, gute Nachbarn zu sein und uns in die sich hier bildende Gemeinschaft einzufügen. Aber das wird erst die Zeit erweisen. Ich kann noch nichts versprechen. Und vergiss nur eins nicht, Amigo: Für meine Männer bist du ein Feind. Du hast einen von uns zum Krüppel geschossen. Auch aus diesem Grund brauche ich Zeit. Ich werde dich in den nächsten Tagen besuchen. Dann können wir über die alten Zeiten plaudern. Wo liegt deine Ranch?«
»Zwanzig Meilen von hier an der Ostseite des Tales genau vor dem Canyonmaul«, erwidert Chuck McCannon und sieht ihn noch einmal fest an.
Hank Finnegan erwidert diesen Blick. Ihre Augen funkeln im Lampenschein.
Dann nickt McCannon und geht hinaus.
Finnegan folgt ihm und begleitet ihn bis zum Pferd, wartet dort, bis McCannon aufgesessen ist, tritt dann näher an das Pferd heran und legt dem einstigen Sattelgefährten die Hand auf das Knie.
Die Männer sind überall im Hof verteilt, auch hinter Finnegan und auf der Veranda. Sie alle schweigen und warten. Es strömt von allen eine unversöhnliche Feindschaft herüber zu McCannon.
Aber dann sieht er zu Finnegan nieder, dessen Hand er auf dem Knie spürt. Es kommt noch einmal das alte Gefühl der Freundschaft in ihm hoch. Viele Dinge sind plötzlich in seiner Erinnerung.
Ja, sie waren einst Sattelgefährten und konnten sich aufeinander verlassen wie Brüder. Oh, es gab viele Situationen, in denen sie sich bewähren mussten als Gefährten.
Und jetzt ist dieses Gefühl noch einmal da.
Aber es ist auch ein Gefühl des Abschiednehmens dabei.
»Komm gut heim«, sagt Finnegan, klopft ihm noch mal auf das Knie und wendet sich ab.
Und McCannon reitet.
Aus der Scheune, die innen erleuchtet ist, klingt Jim Haggertys Stimme wild und scharf: »Ja, lasst ihm nur den Skalp! Lasst ihn nur reiten! Denn ich gebe es ihm zurück! Ich mache ihn selbst klein!«
Chuck McCannon hört es. Und er denkt: Kann man dieses böse Rudel überhaupt noch ändern? Sie sind wahrscheinlich böse, richtig böse, und das ist etwas anderes als wild und rau.
Er reitet langsam zum Fahr- und Reitweg hinüber, von dem aus er zur Ranch herübergeritten kam.
Und hier endlich sieht er im Mond- und Sternenlicht die frische Wagenfährte. Er begreift sofort, dass sie von den Fishers stammen muss. Henry Fisher und dessen Familie sind nach Süden abgebogen. Dort führt der Weg über den Pass aus dem Tal.
Chuck McCannon wendet sich im Sattel um und blickt zu der einstigen Fisher Ranch zurück. Er ist schon zu weit entfernt, um dort noch Einzelheiten erkennen zu können. Aber auch von der Ranch her kann man ihn nicht mehr beobachten.
McCannon zieht sein Pferd mit der Nase nach Süden. Er reitet noch nicht auf seine Ranch. Er will erst von Henry Fisher wissen, wie Hank Finnegan die Ranch erworben hat.
✰✰✰
Er reitet in dieser Nacht noch über den Pass, und als der Morgen kommt, findet er das Camp. Der Geruch eines Feuers und der Duft von Kaffee und frisch gebratenem Speck verraten ihm, dass die Fishers schon auf den Beinen sind.
Während er frühstückt, berichten die Fishers.
Als er dann davonreitet, ist ihm noch immer unklar, ob Finnegan die Ranch als Ausgangspunkt für die Eroberung des Tales benutzen oder mit seiner Mannschaft nur untertauchen will.
Chuck McCannon verdrängt alle Gedanken. Er weiß zu gut, dass er sich auf den Ritt über den Pass konzentrieren muss. Die Fishers glaubten, dass sie beobachtet werden, und wagten es deshalb nicht, das Tal zu warnen. Er, McCannon, ist auch davon überzeugt, dass Finnegan den Fishers einen seiner Reiter nachgeschickt hat. Und dieser Mann hat gewiss beobachtet, dass die Fishers Besuch bekamen und dieser Besuch nun in das Sweetwater Valley zurück will.
Immer wieder hält McCannon auf den Windungen des Passweges sein Pferd an und wittert.
Es wird später Vormittag, und Chuck McCannon hat die Wasserscheide des Passes immer noch nicht erreicht. Er reitet weiter vorsichtig im Schritt und hält von Zeit zu Zeit an. Seinen Colt hält er schussbereit in der Linken, und er hat die Füße nicht in den Steigbügeln, sodass er sich gedankenschnell vom Pferd werfen kann.
Sonnenlicht und Hitze flimmern oben zwischen den Felsen.
Und dann spürt er es plötzlich.
Sein Instinkt jagt ihm die Ahnung gleich einem schmerzenden Messerstich durch den Körper.
Er gehorcht jetzt seinen Reflexen und wirft sich vom Pferd. Es geschieht mit einer leichten Bewegung, deren Ansatz gar nicht zu erkennen ist.
Die Kugel verfehlt ihn.
Fast zugleich macht er den Standort des Schützen aus. Denn der Pulverrauch ist deutlich sichtbar.
Mit der zweiten Kugel tötet der Schütze McCannons Pferd. Das Tier wird voll in den Kopf getroffen. Es wiehert nur noch einmal schrill und stürzt dann über den Rand des Pfades. Es reißt eine kleine Gerölllawine mit sich und fällt auf die untere Kehre des Weges. Aber die Wucht des Aufpralls lässt es unten ebenfalls über den Rand stürzen. Es verschwindet zwischen einigen Tannen.
McCannon arbeitet sich inzwischen schon den steilen Geröllhang hinauf. Die beiden Rauchwolken oben über den Felsen sind nicht zu übersehen. Der Schütze, Brazos Saba, schießt noch einmal auf Chuck. Die Kugel wirft McCannon Steinsplitter ins Gesicht. Seine Wange blutet.
Aber er spürt es noch gar nicht. Er beeilt sich und schafft es, in den toten Winkel des Felsens zu kommen. Wenn Brazos Saba nun auf ihn schießen will, muss er sich weit über die Felsen beugen, die ihm bisher so gute Deckung boten.
Aber das tut er nicht. Er weiß zu gut, dass McCannon sich unter den Felsen auf dem steilen, mit Geröll bedeckten Hang befindet und mit dem Colt in der Hand darauf wartet, ihn vor die Mündung zu bekommen. Er riskiert nichts, denn er weiß längst, dass er es mit einem mehr als nur erfahrenen Gegner zu tun hat. Was McCannon ihm bisher zeigte an Instinkt und Reflexen, genügt einem Mann wie Brazos völlig, um zu wissen, dass er einen Tiger am Schwanz gefasst hat.
Deshalb riskiert er nichts.
Aber er beginnt mit Felsbrocken zu werfen. Er findet sie hinter den Felsen reichlich. Es sind schwere Brocken, die er mit aller Kraft stemmen und über die Felsen rollen muss.
Und sie kommen nicht allein. Sie reißen eine Menge Steinzeug mit, kleine Lawinen. Einer dieser großen Brocken streift McCannon an der Schulter, und er rutscht dadurch am steilen Hang einige Yards tiefer, gerät in eine Lawine, die ihn mitreißt und so aus dem toten Winkel herausbefördert. Zu seinem Glück aber wallt nun auf dem Hang der Staub zu dicht.
Dennoch aber suchen die Kugeln des Gegners nach ihm. Brazos Saba hat irgendwie mitbekommen, wo ungefähr sich der Gegner befindet.
Er schießt mit dem Colt auf McCannon.
Dieser aber hält in seiner Not die eigene Waffe eisern fest. Er weiß zu gut, dass er ohne Waffe verloren ist. Er landet inmitten von Geröll in der unteren Kehre, fast genau an der Stelle, wo zuvor sein Pferd aufschlug. Oh, er ist schlimm zerschunden, benommen und halb bewusstlos. Dennoch versucht er, in Deckung zu gelangen.
Doch da erwischt ihn die Kugel – diesmal aus dem Gewehr. Brazos Saba trifft trotz des wirbelnden Staubs. Vielleicht ist es nur ein Glückstreffer.
Die Kugel stößt McCannon über den Rand. Und er verschwindet wie sein Pferd zuvor zwischen den Tannen und Büschen einer kleinen Terrasse unterhalb der Kehre des Passweges.
Nun erst zeigt sich Brazos Saba oben auf dem Felsen. Er keucht und flucht. Das Grinsen in seinem Gesicht ist etwas eingefroren.
»Oha, der war gar nicht leicht zu schaffen«, schnauft er. »Das war ein Lobo wie ich, ein richtiger erfahrener Lobo. He, soll ich hinunter zu ihm? Oder wäre das nur verschwendete Zeit?«
Er zögert, und er wird von seiner Vorsicht und Faulheit, die im Widerstreit liegen, gepeinigt.
Doch dann siegt die Faulheit. Denn es verlangt eine höllische Arbeit, jetzt dort unten nachzusehen. Er müsste mit seinem Pferd zwei Kehren hinunter, danach absitzen und klettern.
»He, ich habe ihn gewiss gut genug getroffen«, murmelt er. »Überdies wurde er von den Steinen schon schlimm zerschlagen und hat kein Pferd mehr. Der ist erledigt, so oder so.«
✰✰✰
Chuck McCannon sieht den Wagen nicht kommen, denn er ist wieder bewusstlos.
Es ist ein leichter Wagen hinter einem zähen Doppelgespann. Hinten im Kasten liegt Gepäck. Vorne sitzen ein grauhaariger, aber noch sehr drahtig wirkender Mexikaner und eine junge Frau. Sie passen nicht recht zusammen. Ein Paar sind sie nicht, auch nicht Vater und Tochter oder Onkel und Nichte. Die junge Frau ist rothaarig und grünäugig. In ihr ist kein Tropfen Mexikanerblut.
Als der Mann den leblosen Körper am Rand des Passweges liegen sieht, reicht er die Zügel der jungen Frau und holt schnell seinen Colt hervor. Schon an der Art, wie die Waffe in seiner Hand auftaucht, kann man erkennen, zu welcher Sorte er gehört.
Dieser grau gewordene Revolvermann sagt: »Halt nur die Pferde still, Lindamädchen. Und pass auf! Wenn du etwas siehst in der Umgebung, dann gib mir ein Zeichen.«
Er springt vom Wagen und geht zu dem Bewusstlosen.
»Er lebt noch, Linda«, sagt er. »Und er hat eine Kugel in der Schulter, die ihn bis morgen schon umgebracht haben kann.«
Er sieht sich um, prüft die Umgebung mit scharfen Blicken. Seinen Augen scheint nichts zu entgehen. Er erkennt auch an den Hängen deutlich die Spuren, die Pferd, Mann, Gerölllawinen und die großen Steine und Felsbrocken hinterließen.
»Wir müssen hier mitten auf dem Weg rasten, Lindamädchen. Binde das Gespann ab, mach ein Feuer und koche Wasser ab. Ich muss ihm die Kugel herausholen und die gebrochenen Rippen mit einem Korsettverband stützen. Sonst können wir ihn nicht auf unseren Wagen legen und transportieren. Sein Fieber ist schon schlimm. Wer mag das sein?«
Linda betrachtet vom Wagensitz aus den Bewusstlosen. Sie hält die Zügel fest und hat den Fuß auf der Bremse.
»Ein Reiter ...«, sagt sie. »Er trägt Chaps wie ein Cowboy. Vielleicht gehört er zu Finnegan und dessen Bande, mit denen mein Bruder reitet. Vielleicht aber ist er ihnen in den Weg geraten. Es war ja überall so, dass auf der Fährte dieser bösen Horde Blut blieb. Immer wieder! Oh, wann endlich holen wir sie ein?«
»Bald, Linda, mein Täubchen«, murmelt der mexikanische Revolvermann, der aber gewiss mehr als nur ein Revolvermann ist und noch eine Anzahl anderer Fähigkeiten zu besitzen scheint.
✰✰✰
Als Chuck McCannon wieder erwacht, geschieht dies nur kurz. Und dennoch wird ihm einigermaßen klar, dass man ihn auf einen Wagen hebt.
Er sieht das Gesicht eines schönen Mädchens über sich, und er kann sogar den mitleidigen Ausdruck in den grünen Augen erkennen.
Man hat mich gefunden, denkt er mühsam und verspürt dankbare Erleichterung.
Als er wieder bewusstlos wird, sitzt jedoch die Erkenntnis, Hilfe bekommen zu haben, fest in seinem Unterbewusstsein. Und das allein schon wird ihm helfen.
Er erwacht dann am Abend, als sie die Talsohle erreichen und das Gespann verschnaufen lassen. Er hört das Mädchen sagen: »Wenn wir wüssten, ob er hier wohnt, ob wir ihn zu Angehörigen bringen könnten, wie er heißt und ...«
»McCannon ...«
Zu mehr reicht seine Energie nicht. Er versinkt wieder in dunkle Tiefen. Aber sie schaffen ihn hin, denn als er erwacht, hört er den Mann vor sich vom Wagen rufen: »Hoii, ist das die McCannon Ranch?«
»Ja, das ist sie, Mister!« So tönt es zurück, und so schlecht es McCannon auch geht und das Fieber ihn glühen lässt, er erkennt dennoch die Stimme seines Reiters Kelso.
»Wir haben einen Verwundeten im Wagen, der sich McCannon nennt«, hört er den Fahrer des Wagens rufen.
»Dann kommen Sie schnell, Mister – kommen Sie!« In Kelsos Stimme ist nun ein wildes Drängen.
✰✰✰
Es vergehen einige Tage. Hank Finnegan reitet selbst nach Valleytown, kauft Vorräte ein und eine Menge andere Dinge, bezahlt bar und gibt sich ganz und gar wie ein redlicher Rancher, der auf redliche Art eine Ranch erworben hat.
Er und seine Männer beginnen über die Weide zu streifen und das Tal zu erkunden.
Sie zählen auch die eigenen Rinder und beginnen sogar schon, Kälber zu bränden oder diesen, wenn sie noch zu jung sind, die Ohrenmarken einzuschneiden. Aber sie streifen nicht nur bei Tag umher, sondern auch in den Nächten. Sie verbringen viele Stunden im Sattel und scheinen keinen Schlaf zu brauchen. Wie ein streifendes Wolfsrudel sind sie, das erst noch das neue Revier erkundet, bevor es mit der Jagd beginnt.
Bis auf Russ Maffit und Jim Haggerty, dem es sehr schlecht geht mit seinem zerschossenen Arm, ist niemand auf der Ranch, als Besuch kommt.
Russ Maffit ist dabei, am Brunnen Wasser zu schöpfen und ein Waschfass zu füllen. Er sieht den Reiter und das Mädchen um die Scheune biegen und begreift sofort, dass sie die Scheune als Deckung benutzen, um in ihrem Schutz möglichst nahe an die Ranch heranzukommen.
Russ Maffit flucht lautlos, denn solche Tricks hat er nicht gerne. Er nimmt den Sack ab, den er sich als Schürze umgebunden hat, und rückt den Colt zurecht, der in seinem Hosenbund steckt.
Mit einem kurzen Blick wird ihm klar, dass der grauköpfige Reiter mexikanischer Abstammung ist und auf keinen Fall unterschätzt werden darf.
Als er die Reiterin ansieht, staunt er. Denn er glaubt, sie schon oft gesehen zu haben, sie zu kennen.
Ihre Haare sind kupferrot, ihre Augen grün.
Und da weiß es Russ Maffit plötzlich.
Sie sieht Jim Haggerty so ähnlich wie eine Schwester.
Sie muss seine Schwester sein, denkt Russ Maffit und ist alarmiert und etwas verwirrt zugleich.
Warum ist Hank Finnegan jetzt nicht hier? Warum bin ich allein mit Jimmy? Und wie konnten dieser Mex und dieses Mädel uns schon wenige Tage nach unserer Ankunft hier finden? Wie haben sie uns aufgespürt?
Das alles schießt Russ Maffit durch den Kopf, während Reiter und Reiterin vor ihm verhalten. Der Mexikaner grüßt höflich.
Sein Englisch ist ohne Akzent. Er sagt: »Mister Maffit, wenn ich mich nicht irre, nicht wahr? Da staunen Sie wohl, Mister Maffit? Doch es gibt keinen Grund zur Beunruhigung. Wir folgen nun schon viele Monate der Fährte von Hank Finnegan und dessen Mannschaft und brachten dabei so viel über euch alle in Erfahrung, dass wir jeden Namen kennen und auch jeden Mann nach der Beschreibung erkennen würden. Und natürlich auch nach den Steckbriefen, die es von einigen Mitgliedern der Finnegan-Mannschaft gibt.«
Er spricht den letzten Satz mit einem Lächeln, welches gewissermaßen um Entschuldigung bittet und halb als Scherz gedacht ist.
Russ Maffit stößt ein leises Grollen aus. Er hätte größte Lust, gegen diesen Mex rau zu werden. Die Selbstsicherheit des Mannes passt ihm nicht. Und überdies beunruhigt ihn sehr, dass es offenbar für diesen Mann leicht war, sie einzuholen und aufzuspüren.
Aber dann hört er das grünäugige Mädchen fragen: »Wo ist mein Bruder Jim Haggerty? Ich bin Linda Haggerty. Wo ist mein Bruder Jim?«
Wieder wünscht Maffit heiß, dass doch Finnegan hier zugegen wäre – oder noch ein anderer Mann der Bande. Er spürt einen Widerwillen, jetzt Entscheidungen treffen zu müssen.
Aber da schwingt sich das Mädchen auch schon aus dem Sattel und wendet sich zum Ranchhaus.
»Jim muss hier sein! Denn dort liegt sein Sattel auf der Stange!«
Sie ruft es und zeigt, während sie zum Haus läuft, zum Sattelschuppen beim Corral hinüber, bei dem auf einer Stange zwei Sättel liegen.
Einer gehört Russ Maffit.
Aber der andere Sattel ist prächtig, mit Silber beschlagen und gewiss seine vierhundert Dollar wert, also so viel wie acht gute oder ziemlich gute Pferde.
Solch einen Sattel kann man so leicht nicht verwechseln.
Russ Maffit will dem Mädchen den Weg verstellen, will sie aufhalten und daran hindern, ins Haus zu gelangen.
Doch da sieht er aus dem Augenwinkel die leichte Bewegung des Mexikaners und erkennt dessen Zauberei mit dem Colt.
Da verhält er halblaut fluchend und staunt über die Erkenntnis, dass dieser mexikanische Falke ein Großer jener Gilde sein muss, die man als die wirklichen Revolverkämpfer bezeichnet und von denen es zwischen der Süd- und Nordgrenze vielleicht nur ein knappes Dutzend gibt.
»Lass sie nur nachsehen, Amigo«, murmelt der Mexikaner. »Sie hat ein Recht darauf, nachzusehen, wenn sie des Bruders Sattel sieht, nicht wahr?«
Maffit starrt in die Revolvermündung, dann in die dunklen, funkelnden Augen des Mannes – und dann nickt er.
»Ja, so ist es wohl«, murmelt er. »Und vielleicht wird es gut sein für Jimmy, dass seine Schwester gekommen ist. Es geht ihm nicht gut. Ein gewisser McCannon zerschoss ihm vor einigen Tagen in Valleytown seinen Arm. Wir taten für Jim, was wir konnten. Aber wir sind keine Ärzte oder Chirurgen. In diesem verdammten Land gibt es keinen Doc.«
✰✰✰
Trotz des Fiebers erkennt Jim Haggerty seine Schwester. Doch er kann es nicht glauben und wischt sich mit der Hand des gesunden Arms über das Gesicht. Aber dann ist sie auch schon bei ihm an seinem Lager und berührt ihn. Sie küsst ihn und sagt: »Endlich habe ich dich eingeholt! Oh, was war das für eine endlose Zickzackfährte, die du mit diesen Banditen geritten bist! Ohne Paco hätte ich dich niemals gefunden. Was fehlt dir, Bruder? Ist es dein Arm? Oh, dann wird Paco dir helfen können. Du weißt, Paco hat uns alle daheim wie ein guter Arzt betreut. Ah, da ist Paco! Komm, Paco! Jim braucht Hilfe! Sieh, wie schlecht es ihm geht! Er hat glühendes Fieber. Oh, Jim, warum musstest du mit Banditen reiten? Es war nicht nötig! Du hättest damals nicht mal fortzureiten brauchen. Denn die Beschuldigungen gegen dich wurden bald von allen Zeugen zurückgenommen. Du wärst niemals ins Gefängnis gekommen. Du warst unschuldig. Es war nur eine Verwechslung. Man hätte dich nicht gehängt, niemals! Unser Vater erlebte noch deine Rehabilitierung. Unser Name war wieder makellos. Nur Vater hatte die Sache sehr mitgenommen. Ich musste ihm versprechen, dich mit Paco zu suchen und heimzubringen, heim, Bruder!«
Sie verstummt nun, denn endlich holt ihr Verstand sie ein. Endlich bekommt sie sich wieder unter Kontrolle. Es brach einfach so aus ihr heraus. Es hatte sich in ihr so viel angestaut.
Nun erkennt sie aber auch, dass Jim ihr kaum zugehört hat. Sie sieht, wie Paco Rodriges Jim untersucht, den Verband löst und sich die Wunde ansieht.
Sie sieht schlimm aus. Der ganze Arm ist schon angeschwollen, wurde rotstreifig und schmerzt gewiss bei jedem Pulsschlag. Um die Wunde ist schon fauliges Zellgewebe.
Russ Maffit kommt herein, brummend und unwillig.
Paco sieht ihn über die Schulter an. »Schnaps! Kochendes Wasser! Leinenzeug! Los, Bandit! Schnell! Was seid ihr doch für eine lausige Bande! Warum tut ihr nicht mehr für einen wilden Jungen, der mit euch ritt und den diese Wunde umbringen wird, wenn er nicht viel Glück hat. Ich muss ihm den halben Arm aufschneiden. Und Sie müssen ihn halten, Bandit.«
Russ Maffit will aufbrausen, will böse werden. Doch er lässt es.
»Wir sind eben keine Ärzte«, murmelt er nur und holt dann zuerst eine volle Flasche Schnaps, von der er weiß, dass sie hochprozentigen Stoff enthält.
Jimmy liegt während der Behandlung mit geschlossenen Augen da. Sein Gesicht ist verzerrt, aber vielleicht nicht nur wegen der Schmerzen in seinem Arm. Als er die Augen öffnet, ist nicht nur das Glühen des Fiebers in ihnen.
Er sagt: »Schwester, vielleicht komme ich eines Tages heim – vielleicht! Doch nur vielleicht! Denn ich gehöre zu jener Mannschaft, die sich das Wort gab, zusammenzuhalten. Ich kann hier nicht so einfach meiner Wege reiten.« Er sieht Paco an. »Ihr könnt nicht hier bei uns bleiben«, sagt er drängend. »Schaff sie fort, Paco! Wo habt ihr euer Camp? Oder wohnt ihr in Valleytown? Habt ihr in Valleytown von uns erfahren?«
Paco zögert mit der Antwort, und dafür hat er ja seine Gründe, erinnert er sich doch daran, dass Chuck McCannon seine Männer vor den neuen Besitzern der Fisher Ranch warnte.
Aber Linda zögert nicht. Dazu ist sie viel zu erregt und auch zu impulsiv. Sie sagt schnell: »Auf der McCannon Ranch sind wir. Oh, Paco hat dort noch einen anderen Patienten. Wir fanden ihn halb tot unterwegs. Aber er konnte uns noch sagen, wohin wir ihn bringen sollten.«
Als sie verstummt, verzerrt sich das Gesicht des Bruders noch mehr. Auch Russ Maffit, dessen Verstand nicht besonders schnell arbeitet, zuckt zusammen.
Jim knirscht: »McCannon Ranch? Einen Verwundeten, der schon halb tot war, konntet ihr auflesen? Wo? Und wie heißt der Mann? Wer ist es?«
»Ach, irgendein Cowboy«, brummt Paco und sieht Linda dabei an. »Irgendein Cowboy der McCannon-Mannschaft, der mit seinem Pferd einen Steilhang hinuntergestürzt war. Komm, Linda! Gehen wir! Jim, ich sehe morgen nach dir!«
Linda starrt ihn mit offenem Mund an. Sie will etwas sagen, aber seine Worte und sein Blick lassen sie innehalten. Als er zur Tür geht, folgt sie ihm sofort, nachdem sie sich kurz über den Bruder gebeugt und ihn auf die Stirn geküsst hat.
Russ Maffit ruft hinter ihnen her: »Hoi, Sie können nicht einfach verschwinden! Sie müssen jetzt schon warten, bis Hank Finnegan, der Ranchboss, kommt!«
Er eilt hinter ihnen her und ruft sie draußen nochmals an.
Vielleicht hätte Paco dafür gesorgt, dass sie aufgesessen und davongeritten wären trotz Maffits Protesten. Denn Maffit hätte es nicht auf einen Revolverkampf ankommen lassen.
Aber ihm wird die weitere Verantwortung abgenommen, denn Hank Finnegan und Laredo kommen herangeritten.
Hank Finnegan schwingt sich sofort aus dem Sattel. Er betrachtet die Besucher. Lindas Ähnlichkeit mit Jim fällt auch Finnegan sofort auf. Er fragt erst gar nicht, ob Linda Jim Haggertys Schwester ist. Das ist für ihn selbstverständlich.
Er betrachtet Paco Rodriges fest, und dieser spürt den Blick fast wie eine körperliche Berührung. Er fühlt auch, wie Finnegans Instinkt in ihn einzudringen versucht.
Dann hört er Finnegan fragen: »Wie haben Sie mich gefunden?«
»Wir haben Jim gefunden«, erwidert Paco. »Miss Linda Haggerty ist allein an ihrem Bruder Jim interessiert.«
»Er hat Jim wie ein erstklassiger Doc behandelt«, mischt sich Maffit ein. »Und sie wohnen auf der McCannon Ranch, weil sie unterwegs einen halb toten Verwundeten fanden, der ihnen noch sagen konnte, dass sie ihn zur McCannon Ranch bringen sollten.«
Paco hört es, während er Hank Finnegan beobachtet. Und er denkt dabei: Heilige Jungfrau Maria, steh mir bei!
Aber äußerlich ist ihm nicht anzumerken, dass er in seinen Gedanken um Hilfe fleht. Er beobachtet Hank Finnegan ruhig und schenkt dem anderen Reiter und auch Maffit keinen Blick. Er weiß von Anfang an, dass er allein auf Hank Finnegan achten muss.
Dieser hebt die Hand und reibt sich die Bartstoppeln auf der Wange. Dann sagt er knapp: »Ein Verwundeter, der schon halb tot war? Wo fandet ihr ihn? Und wer ist er?«
»Ein Cowboy vermutlich, der mit seinem Pferd abgestürzt war«, antwortet Paco und stellt dann die fordernde Frage: »Können wir jetzt reiten? Wir kommen wieder, denn ich muss ja nach Jim sehen.«
»Dann könnt ihr ebenso gut gleich hierbleiben«, lächelt Finnegan. Er sieht Linda an. »Sie wollen doch gerne bei Ihrem Bruder bleiben, nicht wahr? Er ist krank und braucht Pflege. Sie wissen vielleicht noch nicht, dass ihn ein gewisser Chuck McCannon zum Krüppel schoss. Doch wir werden nachsehen, ob der halb tote Bursche, den Sie unterwegs auflasen, wirklich McCannon ist. Wir werden sehen. Also!«
Er deutet auf das Haus, und das ist eine unmissverständliche Bewegung. Das ist ein Befehl.
Linda sieht schnell auf Paco. Und dieser schüttelt den Kopf.
Dann sagt er: »Señor Finnegan, wir werden reiten und wiederkommen, um nach Jim zu sehen – ganz wie es uns beliebt. Wir sind allein an Jim interessiert, nur an Jim. Wir sind also neutral, blind oder was Sie wollen. Nur eines sind wir nicht, nämlich Ihre Gefangenen. Wir sind nur gekommen, um Jim heimzuholen. Also machen Sie uns bitte keine Schwierigkeiten.«
Pacos Stimme wurde immer sanfter, höflicher, geschmeidiger. Aber es ist auch zugleich ein drohender Ton in seiner Stimme.
Finnegan stellt seine Füße auseinander, beugt sich aus der Hüfte mit dem Oberkörper etwas vor.
Und dann sagt er: »Alter Lobo aus Mexiko. Oh, ich weiß, Sie haben noch nirgendwo gekuscht. Aber jetzt müssen Sie es tun, oder ich behalte das Mädel auch ohne Sie hier. Wir lassen euch nicht von der Ranch.«
»Doch«, sagt Paco ruhig.
Und dann zieht er seinen Colt.
Oha, was ist er schnell! Es ist wie Zauberei. Ganz gewiss gehörte er in seinen besten Zeiten zu den ganz Großen. Und vielleicht hätte er in seinen besten Zeiten auch Finnegan schlagen können. Doch jetzt gelingt es ihm nicht.
Finnegan ist noch schneller, schießt früher. Vom Moment des Ziehens an benötigt Finnegan weniger als eine Fünftelsekunde.
Er trifft Paco schon, als dieser abdrückt. Deshalb verfehlt ihn Paco. Dann trifft er Paco nochmals, und diese Kugel stößt den alten Revolvermann etwas herum, sodass er abermals fehlt.
Nach der dritten Kugel fällt der alte Revolverfalke.
Fallend schießt er nochmals – und diesmal reißt seine Kugel Finnegan etwas Haut von der linken Rippe.
Linda stößt einen schrillen Schrei aus.
Sie läuft vorwärts, nimmt Pacos Colt vom Boden auf und richtet ihn auf Finnegan. Aber da schlägt Maffit von der Seite zu. Sein Hieb bricht ihr fast den Arm.
Da sinkt sie neben Paco auf die Knie.
Paco liegt auf der Seite. Er sieht zu ihr empor.
»Dies ist eine böse Horde«, murmelt er. »Und wahrscheinlich ist Jim so böse wie sie. Es tut mir leid, mein Täubchen, dass ich dich jetzt nicht mehr be...«
Sie sieht in seinen Augen, wie schnell der Tod sich ihn nun greift. Sie möchte schreien, aufspringen, fortrennen, um Hilfe rufen. Aber dann bekommt sie sich doch unter Kontrolle.
Sie sieht zu Finnegan auf und begreift, warum Paco kämpfte und ohne jede Illusion war.
Jim gehört zu einer bösen Horde, und diese Horde ist nun beunruhigt, weil Paco ihrer Fährte folgen und sie, Linda, zu ihrem Bruder bringen konnte. Und dass sie von der McCannon Ranch kamen, zu der sie einen Verwundeten brachten, den sie unterwegs auflasen, beunruhigt die Bande noch mehr.
Man wollte sie zu Gefangenen machen.
Paco erkannte und begriff das und machte sich keine Illusionen. Er wusste, dass er gegen die Bande nie wieder eine bessere Chance bekommen würde als jetzt. Denn er hatte es vorerst nur mit Finnegan zu tun, und sie hatten ihm noch nicht den Colt nehmen können.
Er nutzte die Chance und starb.
»Sie werden bei uns und Ihrem Bruder bleiben«, sagt Finnegan. »Es war zu dumm, uns zu folgen, obwohl wir seit Wochen unsere Fährte verwischten. Womöglich habt ihr überall nach uns gefragt und Beschreibungen abgegeben. Euch könnten wiederum andere Leute gefolgt sein. Nun, wir werden sehen.«
Er sagt es abschließend und winkt dann Maffit, dass er Linda ins Haus bringen soll.
Sie wehrt sich nicht. Es ist Bitterkeit in ihr.
Paco ist von jeher der Beschützer der Haggerty-Kinder gewesen, war ihnen ein Freund.
Jetzt ist Paco tot. Diesmal ist er mit seiner Art, sich den Dingen sofort zu stellen, nicht durchgekommen.
Während Linda von Maffit ins Haus geführt wird, rinnen ihr Tränen über die Wangen.
Von der Veranda des Ranchhauses blickt sie noch einmal auf Pacos leblose Gestalt zurück, bei der jetzt Finnegan und Laredo stehen.
Sie sagt zu Maffit: »Begrabt ihn anständig – ja? In einem Sarg. Es muss doch möglich sein, ihn in einem Sarg zu beerdigen. Ich werde die Grube ausheben, wenn es euch zu viel Mühe macht.«
»Das macht es mir nicht«, erwidert Maffit. »Dieser alte Revolverfalke hätte es fast gegen Finnegan geschafft. Dieser Paco war ein Großer, der heimgegangen ist zu den wenigen anderen Großen seiner Gilde. Ich mache einen Sarg für ihn, Miss.«
Sie nickt, schluckt dabei mühsam und geht hinein zum Bruder. Jim ist wach und trotz seines immer noch heftigen Fiebers bei vollem Verstand. Seine Schmerzen haben wohl auch nachgelassen.
Er starrt seine Schwester an und fragt: »Was war das?«
»Finnegan hat Paco erschossen«, sagt sie. »Paco kämpfte für unsere Freiheit und verlor. Jim, du reitest mit einer bösen Horde. Jetzt bin ich eure Gefangene. Deine Freunde, an die du dich durch dein Wort gebunden fühlst, trauen niemandem.«
»So ist es«, murmelt er, und seine Stimme hat einen Klang trostloser Bitterkeit. »Diese ganze Welt hasst uns«, sagt er. »Und wir erwidern diesen Hass. Ja, wir sind misstrauisch gegen alles und trauen nur uns selbst. Paco tut mir leid. Aber für mich zählt nur noch das, was für uns alle gut ist. Linda, ich glaube nicht, dass ich mit dir heimkehren würde, selbst wenn ich das könnte. Was ist mit unserem Vater? Starb er leicht oder schwer? Deine Worte ließen mich begreifen, dass er vor seinem Tod noch meine Rehabilitierung erlebte. Das ist schön. Aber ...«
Er verstummt etwas müde. Vielleicht will er auch nicht weitersprechen. In seine fieberglühenden Augen tritt plötzlich ein stumpfer Ausdruck.
Linda kniet bei seinem Lager nieder und weint lautlos.
Er spielt mit der gesunden Hand in ihrem Haar.
»Einst waren wir die glücklichen Kinder eines großen Mannes«, murmelt er. »Unser Vater war ein König zu beiden Seiten der Grenze. Aber dann ...«
✰✰✰
Es ist schon Abend, als Chuck McCannon erwacht. Und im Lampenschein erkennt er das Piratengesicht seines Vormannes Kelso.
»Hast du schön geträumt?«, fragt Kelso. »Vielleicht von dem Mädel, das sie jetzt bei der Fisher Ranch als Gefangene halten?«
McCannon begreift vorerst nichts, obwohl natürlich die Erinnerung an ein schönes Mädchen und einen grauköpfigen Mexikaner in ihm ist. Sein Verstand braucht eine Weile, um sich an alles zu erinnern, und manches davon bleibt sehr vage.
Als Kelso dies erkennt, beginnt er zu berichten, und er endet mit den Worten: »Ich ritt unseren Gästen, die dich herbrachten, vorsichtig nach. Als ich auf das Weidegebiet der alten Fisher Ranch kam, wich ich auf die Hänge der Berge aus. Denn ich hatte ja das gute Armeeglas mit. Ich hatte mit dem Glas gute Sicht auf die Ranch. Ich sah, wie der Mex mit dem Mädchen wegreiten wollte. Sie hatten offenbar ihren Besuch beendet und wollten fort. Es gab einen Wortwechsel zwischen dem grauhaarigen Mexikaner und einem der Reiter. He, was zogen diese beiden Burschen ihre Kanonen schnell! Der Mex verlor. Er fiel tot um und schoss dabei immer noch, doch erfolglos. Er muss tot sein. Und das Mädchen wurde ins Haus gebracht. Sollen wir sie holen gehen?«
Kelso stellt die letzte Frage wie selbstverständlich.
McCannon grinst mühsam. »Du, Chippoway und Napoleon?«, sagt er. »Oha, du ahnst nicht, gegen wen ihr da reiten würdet. Oh, ich weiß, ihr seid harte Nummern, die für sich sorgen können. Aber gegen diese Mannschaft ...? Überdies werden sie kommen. Wenn sie erfahren haben, dass ich gerettet wurde und wieder auf der Ranch bin, werden sie kommen, um mich zu töten.«
Da beginnen Kelsos Augen zu funkeln.
»Wir werden sie willkommen heißen«, sagt er ruhig. Aber da sieht er auch schon McCannons Kopfschütteln.
»Kelso, es sind keine Banditen, wie es sie überall gibt jenseits der Grenze von Recht und Ordnung. Du brauchst nur daran zu denken, wie schnell einer von ihnen den Revolver ziehen konnte. Es ist eine besonders böse Horde ins Sweetwater Valley gekommen. Hank Finnegan führt sie, und drunten im Süden sprechen viele Leute diesen Namen wie einen Fluch aus. In Mexiko, da beten gewiss noch viele Menschen jeden Tag, dass der Teufel jenen Hank Finnegan holen möge. Die Bande zwang die Fishers dazu, die Ranch für einen Spottpreis zu verkaufen. Und von nun an werden sie in diesem Valley nichts mehr kaufen, gar nichts mehr. Sie werden sich von nun an alles nehmen. Es ging ihnen allein darum, ohne großes Aufsehen hier Fuß zu fassen, vertraut zu werden und für eine Weile die guten Nachbarn zu spielen. Sie haben mich töten wollen, weil ich bei den Fishers war, weil ich besser Bescheid weiß als alle anderen Menschen im Valley. Kelso, wir müssen die Ranch hier aufgeben. Ihr müsst mich jetzt sofort fortschaffen. Ihr könnt mit drei Mann nicht diese Ranch gegen sie halten. Los, Kelso! Wir ziehen uns in die Berge zurück. Wir gehen hinauf zur Quelle des Sweet Creeks und verwischen alle Spuren hinter uns.«