G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 82 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 82 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

3 spannende Westernromane lesen und sparen!

G.F. Unger ist der erfolgreichste deutschsprachige Western-Autor. Mit einer Rekordauflage von über 250 Millionen Exemplaren gehört er zur internationalen Spitzenklasse der Spannungsliteratur. Und das zu Recht!

Niemand vermag es wie er, die unermesslichen Weiten des amerikanischen Westens und die Stärke der unerschrockenen Männer, die sie erschlossen, zu beschreiben. Erleben Sie den amerikanischen "Wilden Westen", wie nur G.F. Unger ihn schildern kann: hart, authentisch, leidenschaftlich.

Dieser Sammelband enthält die Folgen 2593 bis 2595:

2593: Gunfighter Story
2594: Die böse Horde
2595: Gold-Lady

Der Inhalt dieses Sammelbands entspricht ca. 192 Taschenbuchseiten.
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Seitenzahl: 456

Veröffentlichungsjahr: 2025

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G. F. Unger
G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 82

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben

Für die Originalausgaben:

Copyright © 2022 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Vervielfältigungen dieses Werkes für das Text- und Data-Mining bleiben vorbehalten.

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2024 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Covermotiv: © Faba/Norma

ISBN: 978-3-7517-8181-7

https://www.bastei.de

https://www.luebbe.de

https://www.lesejury.de

G. F. Unger Western-Bestseller Sammelband 82

Cover

Titel

Impressum

Inhalt

G. F. Unger Western-Bestseller 2593

Coltritter-Weg

G. F. Unger Western-Bestseller 2594

Verdammt schlechte Karten

G. F. Unger Western-Bestseller 2595

Der Ritt zu‍r‍ü‍ck

Guide

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Contents

Coltritter-Weg

John Buchanan, der alte Revolvermann, lagert nun schon den dritten Tag am Creek und kommt an diesem Tag endgültig zu der bitteren Erkenntnis, dass es vorbei ist mit seiner Revolverschnelligkeit.

Sein zerschossener Arm wurde zwar langsam wieder heil, aber nur die Wunde heilte. Die alte reflexartige Schnelligkeit kehrte nur unvollkommen wieder zurück. Und so zog er sich vor drei Tagen zwischen die Felsen des Creeks zurück, um zu üben, immer wieder zu üben.

Doch jetzt – am dritten Tag –‍, da macht sich der grau gewordene Revolvermann John Buchanan nicht länger etwas vor.

Er gehört nicht mehr zu der kleinen Gilde der ganz Großen.

Es fehlen ihm jene wichtigen Sekundenbruchteile, auf die es ankommt, will man ein Duell überleben.

Gewiss, er kann es noch mit all den zweit- und drittklassigen Revolverschwingern aufnehmen, die sich überschätzen, großspurig an ihr Glück glauben und sich nur durch leichtsinnige Verwegenheit behaupten.

Doch einen wirklichen Großen würde er nicht mehr besiegen können ...

Es ist eine bittere Erkenntnis für ihn.

Er wird sein Leben ändern müssen.

Doch wie?

Reichtümer hat er nicht ansammeln können. Die sammelten zumeist seine Auftraggeber, die er beschützte und für die er kämpfte.

Es würde für eine kleine Ranch reichen – mehr nicht.

Nachdem er noch einmal einen kleinen Moment pausiert hat, nimmt er abermals ein Stück Baumrinde mit der Rechten und wirft es auf die andere Seite des Creeks hinüber. Während es noch fliegt, schnappt er mit der Linken den Colt heraus.

Er möchte das Baumrindenstück – das etwa doppelt so groß wie eine Hand ist – im Flug treffen.

Doch das schafft er nicht. Erst als es drüben am jenseitigen Ufer aufschlägt, da trifft er es mit dem dritten Schuss.

Seufzend lässt er den rauchenden Colt sinken.

Nun weiß er es sicher.

Es ist etwas geschehen mit seinem Arm. Nicht nur, dass der Reflex des Ziehens langsamer vonstattengeht – nein, es ist auch noch etwas anders geworden, was die Übereinstimmung zwischen Hand und Auge betrifft. Dieses instinktive Gefühl für den richtigen Moment des Abdrückens fehlt. Der Revolverlauf ist nicht mehr sein verlängerter Zeigefinger.

Er schiebt seufzend den Colt ins Holster und setzt sich auf einen Stein. Doch dann holt er die Waffe wieder hervor, betrachtet sie und beginnt sie nachzuladen. Und abermals betrachtet er sie nachdenklich.

Dieser Colt hat die letzten Jahre seinen Weg bestimmt, und er war für ihn das, was einem Ritter sein Schwert war.

Und nun? Was wird sein Schicksal sein?

Als er sich eine Zigarette zu drehen beginnt, hört er einen Reiter kommen. Vielleicht hat der Reiter die Schüsse gehört. Es könnte aber auch sein, dass er einen Übergang sucht. Der Creek hat nämlich überall Steilufer, weil er sich seit Jahrtausenden tief in den Boden gefressen hat. Nur ein guter Kletterer kann hinunter, und es gibt nur wenige Stellen, bei denen die Steilufer zusammengebrochen sind und man zu Pferd hinunter kann.

Als John Buchanan den Reiter schließlich zu sehen bekommt, da staunt er doch sehr. Denn er sieht einen noch ziemlich jungen Burschen in einer roten Armeeunterhose.

Sein Oberkörper ist nackt.

Und das Pferd lahmt leicht, trägt jedoch einen Sattel.

Bewaffnet ist der Reiter nicht.

Als er John Buchanans Camp erreicht, hält er an und wirft einen schnellen Blick über die Schulter. Dann starrt er auf Buchanan und nickt diesem zu.

»Hallo, Mister«, sagt er. »Sie könnten mir aus der Klemme helfen, wenn Sie mir einen Moment einen geladenen Colt leihen würden.«

John Buchanan ist ein großer, hagerer, dunkelhaariger Bursche mit hellgrauen Augen. Durch sein dunkles Haar ziehen sich jedoch schon einige graue Strähnen. Er grinst nun blinkend.

»Mein junger Freund«, sagt er, »sehe ich so aus, als würde ich diesen Colt weggeben?« Bei seinen beiden letzten Worten klopft er leicht gegen die Waffe im Holster.

Der halb nackte Bursche wirkt wie ein jüngerer Bruder von ihm. Ja, sie gleichen sich im Aussehen irgendwie sehr. Und auch der jüngere Mann grinst nun auf dieselbe Art blinkend.

»Mister«, sagt er, »sind Sie schon mal von den Brüdern eines Mädchens aus dem Bett gejagt worden, sodass Sie nur noch aus dem Fenster in den Hof springen konnten und mit knapper Not in den Sattel Ihres im Garten wartenden Pferdes gelangten? Genau diese Art von Kerlen sind hinter mir her – schon zwei Tage. Gleich sind sie hier. Und ich bin es leid, vor ihnen davonzusausen.«

Er blickt wieder über die nackte Schulter seines hageren, doch sehr gut proportionierten Körpers.

John Buchanan vergisst die eigenen Probleme. Er lacht leise.

»Aus dem Bett des Mädchens?« So fragt er.

»Aus wessen Bett sonst?« So fragt der junge Bursche. »Sie sagte, ihre Brüder kämen erst in drei Tagen wieder heim. Aber dann – he, Mister, haben Sie vielleicht noch eine Reservewaffe in Ihrem Gepäck? Sie sehen mir ganz danach aus, na?«

Es ist etwas an diesem jungen Burschen, was John Buchanan an seine eigenen jüngeren Jahre erinnert. Auch er war mal solch ein verwegener Bursche, der überall mitnahm, was er bekommen konnte.

Und irgendwie gefällt es ihm, dass der Bursche nicht länger davonlaufen will, sondern sich stellen möchte.

Er nickt plötzlich.

Dann tritt er zu seinem Gepäck, öffnet eine Satteltasche und holt dort einen in geöltes Leinen gewickelten Colt heraus. Er befreit ihn von der schützenden Umhüllung und wirft ihn dem Burschen zu. Es ist ein blitzschnelles und völlig unerwartetes Zuwerfen.

Doch der junge Bursche schnappt die Waffe mit einem schnellen Griff am Kolben. Dabei scheint er kaum hinzusehen. Es ist ein unwahrscheinlich geschicktes Zugreifen – und als John Buchanan das sieht, weiß er Bescheid. Solch einen Greifreflex beherrscht nur jemand mit einem ganz besonderen Instinkt.

»Er ist geladen, Junge«, sagt er ruhig. »Aber überlege dir, was du damit machst, wenn es sich nur um ein paar Trottel von Brüdern handelt.«

»Die?« So ruft der Bursche. »Die Hotbuster-Brüder? Oha, die haben rohes Fleisch statt der Muttermilch bekommen. Na, Sie werden die Kerle ja gleich erleben!«

Nach diesen Worten gleitet er indianerhaft vom Pferd und scheucht das Tier mit einer Armbewegung zur Seite. Und weil das Tier hier an dieser Stelle des Creeks hinunter zum Wasser kann, wandert es auch sofort dorthin.

Der Junge aber blickt zwischen den Felsen hindurch auf seine Fährte zurück.

In der Ferne sind nun zwei Reiter zu erkennen, die schnell näher kommen. Der junge Bursche aber tritt zu einem Stein, der ihm etwa bis zum Bauchnabel reicht und oben flach ist. Er legt dort den Colt griffbereit hin wie auf einen Barhocker.

Dann wartet er und sieht den Reitern entgegen.

John Buchanan aber sagt: »Junger Freund, ich würde an deiner Stelle erst noch zum Wasser gehen und mich erfrischen. Wenn diese beiden Reiter die Hotbuster-Brüder sind, dann hast du bis zu ihrem Eintreffen noch fünf Minuten Zeit. Und fünf Minuten sind manchmal verdammt lang, nicht wahr?«

Der junge Bursche in den roten Unterhosen sieht ihn misstrauisch und staunend zugleich an. Dann aber nickt er.

»Ja, Sie haben recht, Mister. Ich muss wohl noch eine Menge lernen, nicht wahr? Ich bin halt noch längst kein alter Wolf.«

»Und mich hältst du für einen solchen?« John Buchanan fragt es ein wenig ärgerlich – aber tief in seinem Kern weiß er, dass es stimmt. Er ist ein alt gewordener, zweibeiniger Wolf mit vielen Narben am Körper und an der Seele.

Er ärgert sich ein wenig, dass er diesem Burschen einen Rat gab. Denn er ist ein Mann, der niemals jemandem seinen Rat aufdrängt. Doch dieser Bursche, der ihm so ähnlich sieht wie ein sehr viel jüngerer Bruder, ja fast wie ein Sohn, erinnert ihn zu sehr an seine wilden Jahre als junger Bursche, der eigentlich viel zu schnell zu einem Mann werden musste.

Der große Junge geht nun an ihm vorbei zum Creek hinunter und erfrischt sich dort gründlich. Er wäscht sich Staub und Schweiß ab, taucht sogar mehrmals seinen Kopf ins Wasser und wirkt sehr viel frischer, als er wieder hochkommt und hinter den Stein tritt, auf dem der Colt liegt.

Die beiden Reiter sind nun so nahe, dass sie im Schritt reiten, weil sie erkannt haben, dass ihr Wild nicht mehr flüchtet, sondern auf sie wartet.

Es sind zwei zäh wirkende Burschen mit weizengelben Haaren, die ihnen bis auf die Schultern fallen. Und in ihren Hutbändern stecken Adlerfedern, sodass die beiden schon äußerlich verwegen und trotz ihrer gelben Haare indianerhaft wirken.

Der Junge sagt zu John Buchanan: »Ja, ich halte Sie für einen alten, zweibeinigen Wolf, Mister. Und ich danke Ihnen sehr, dass Sie mir diesen Colt leihen. Aber mischen Sie sich nur nicht ein. Was jetzt stattfindet, ist allein meine Sache. Ich brauche keine Hilfe. Denn ich habe ja Ihren Colt, und es ist eine gute Waffe. Das spürte ich vom ersten Moment, da sie in meiner Hand lag.«

Damit hat er alles gesagt. Er blickt nun fest auf die beiden Reiter.

Diese halten etwa ein Dutzend Schritte von ihm entfernt an.

Und dann sagt einer mit heiserer Stimme: »Jeremy Clayton, es war dumm von dir, unsere Schwester zu entehren und dann abzuhauen wie ein gesengter Kater. So geht das nicht, Schwager, sooo nicht! Denn wir sind eine stolze und ehrenwerte Familie. Na, komm schon, Schwager. Wir haben sogar deine Siebensachen mitgebracht, die du in der Eile bei uns zurückgelassen hast. Wir sind ja gar nicht so. Nur dass du jetzt zur Hotbuster-Sippe gehörst und unsere Schwester heiratest, davon beißt keine Maus mehr einen Faden ab. Verstanden?«

»Ich bin nicht euer Schwager«, erwidert jener Jeremy Clayton. »Dass ich mit eurer Schwester im Bett lag, macht mich noch längst nicht zu eurem Schwager. Wo kämen wir denn hin auf dieser Welt, wenn jeder Bursche, der sich von einem Mädchen verführen lässt, sofort ...«

»Unsere Schwester hat dich nicht verführt! Oho, von dieser Sorte ist unsere Daisy nicht, unser Engel, unser Augenstern – die nicht!«

Einer der beiden Hotbuster-Brüder ruft es im Tonfall heiligster Überzeugung.

Und sein Bruder fügt ernst hinzu: »Sie ist ein reiner Engel auf Erden. Und wir lassen nicht zu, dass sie ein Kind bekommt, ohne zugleich auch den Vater dieses Kindes vorweisen zu können. Das musst du doch einsehen, mein Junge, nicht wahr? Also komm mit uns zurück zur lieben Daisy. Sie wird sich schon die Augen rot geweint haben. Und sie wird auch schlimm enttäuscht von dir sein und beleidigt. Aber wir werden ihr klarmachen, dass du aus Angst vor uns fortgesaust bist, nicht aus Furcht vor der Hochzeit ...«

»Hört auf!« Mit diesen Worten unterbricht ihn Jeremy Clayton spröde. »Eure Schwester ist ganz gewiss kein reiner Engel. Oha, sie ist süß, reizvoll begehrenswert! Sie ist mehr als hübsch und kann jedem Mann den Kopf verdrehen. Aber ihr lasst sie in der Einsamkeit der Hügel verdorren wie eine Blume in der Wüste. Ihr Narren! Deshalb stürzt sie sich auf jeden Mann, der zufällig mal bei euch auftaucht. Ich wollte bei euch nur mein Pferd tränken und die Wasserflasche füllen. Aber sie lockte mich mit frischem Kuchen ins Haus. Und bald lag ich schon mit ihr ...«

»Schweig!« Einer der Hotbusters faucht es böse und setzt hinzu: »Wir sind nicht unter uns, Freund Jeremy. Da ist ein Fremder. Und wir dulden nicht, dass du vor Fremden unsere Schwester beleidigst. Also! Kommst du freiwillig mit heim – oder müssen wir dich erst klein machen?«

Eine Weile schweigen sie nach dieser harten Frage.

Die Hotbusters warten auf eine Antwort.

Der junge Jeremy Clayton aber überlegt noch.

Und der alte Revolvermann John Buchanan ist nur Zuschauer.

Dennoch ist er schon jetzt davon überzeugt, dass der Junge kämpfen wird. Doch vorerst versucht es Jeremy Clayton noch einmal auf friedliche Weise. Er sagt ganz ruhig und sachlich: »Hört mal, ich will euch etwas sagen. Und hört mir gut zu. Denn ich will euch klarmachen, dass ich mich einigermaßen auskenne. Ich habe nämlich fünf ältere Schwestern. Und die wurden alle nacheinander mal schwanger. Ich wage zu behaupten, dass eure liebe Daisy schon im sechsten Monat schwanger sein könnte. Und damals, vor sechs Monaten, da kannte ich sie noch nicht. Da war ich noch tausend Meilen ...«

Weiter kommt er nicht. Denn die Hotbusters gleiten nun aus den Sätteln und scheuchen die Pferde zur Seite. Und einer von ihnen brüllt dabei: »Das nimmst du zurück, du Hurensohn! Du willst aus unserer Schwester ein Flittchen machen! Aber das gibt es nicht! Das nehmen wir nicht hin. Pass auf!«

Als er die beiden letzten Worte zischt, schnappen sie nach ihren Revolvern. Wahrscheinlich ziehen sie nicht, um sofort zu schießen, sondern wollen ihn nur einschüchtern, ihn in ihre Gewalt bringen, gefügig machen.

Sie sind zwei raue, wilde und sehr selbstbewusste Burschen. Und eigentlich können sie es sich gar nicht vorstellen, dass er gegen sie zu kämpfen bereit ist.

Aber sie täuschen sich. Sein Griff ist unwahrscheinlich schnell und sicher, und er weiß zu gut, dass sie schießen werden, wenn sie begreifen, dass er sich nicht ergeben will.

Er schießt einen Sekundenbruchteil früher als sie, trifft einen und entgeht knapp der Kugel des anderen, die ihm nur wie ein Peitschenhieb über die Rippen brennt.

Dann trifft er auch den zweiten Mann.

Es war ein blitzschnelles Schießen mit unwahrscheinlicher Treffsicherheit.

Und als er mit dem rauchenden Colt in der Hand wartet, ihnen die Entscheidung überlässt, ob sie weitermachen oder aufhören wollen, da ist allen hier am Creek klar, dass er – so jung an Jahren er auch sein mag – einer der ganz Großen mit der Waffe ist.

Und wenn sein Name noch nicht bekannt sein sollte, dann wird sich dies jetzt gewiss bald ändern.

Die Hotbuster-Brüder kämpfen nicht weiter.

Einer sinkt auf die Knie nieder. Der andere schwankt rückwärts, bis er sich an sein Pferd lehnen kann.

Sie bluten beide aus Schulterwunden.

Und einer sagt stöhnend und voller Bitterkeit: »Oh, warum hast du uns nicht gesagt, wie schnell und sicher du mit dem Colt bist?«

»Hättet ihr mir geglaubt und mich ernst genommen?«, fragt er bitter zurück.

✰✰✰

Es ist fast schon Abend, als John Buchanan und Jeremy Clayton losreiten. Die Hitze des Tages ließ nach.

Die beiden Hotbuster-Brüder sind von John Buchanan versorgt worden, und sie wurden von einem erfahrenen Mann versorgt, der sich mit Schusswunden auskennt wie ein guter Feldarzt.

Jeder von ihnen hat einen glatten Schulterdurchschuss.

Die Treffsicherheit des Jungen ist unheimlich. Oder war alles nur ein Zufall?

Indes John Buchanan die Verwundeten versorgte, fand der Junge alles, was er im Haus der Hotbusters in der Eile zurücklassen musste. Einer der Hotbusters hatte es in einem Sack hinter dem Sattel festgebunden.

Nun reitet Jeremy Clayton also neben John Buchanan nach Süden. Sie sprechen zuerst nicht viel. Dann aber sagt der Junge: »Und vielen Dank für das Leihen des Revolvers. Es ist eine gute Waffe. Ich wette, Sie hätte ich nicht so glatt schlagen können wie die beiden Narren. Sie nicht. Das war ja nur Ihr Reservecolt. Die Waffe da muss noch besser sein, nicht wahr?« Er deutet auf den Colt an John Buchanans Seite.

Buchanan betrachtet den Jungen ernst. »Und warum hast du sie nicht getötet? Hast du überhaupt schon mal einen Gegner getötet, Jeremy Clayton?«

»Ich war im Krieg«, erwidert dieser. »Ich wurde mit fünfzehn Jahren Soldat, weil ich mich für siebzehn ausgab. Und als ich wirklich siebzehn war, trug ich die Sergeantstreifen. Ja, ich habe als Soldat töten müssen – aber sonst ...« Er bricht ab und schüttelt den Kopf. Dann fragt er: »Hätte ich töten sollen, Mister? He, ich kenne Ihren Namen noch gar nicht! He, hätte ich sie töten sollen?«

»Ich bin Buchanan, John Buchanan«, murmelt dieser, und durch den Hufschlag der Pferde ist es kaum zu verstehen. Doch der Junge hat scharfe Ohren.

»Der Buchanan aus Laredo?« So fragt er.

John Buchanan nickt. Und da stößt der Junge einen leisen Pfiff aus und fügt dann hinzu: »Aaah, einer der ganz Großen auf der Liste! Das hätte ich mir fast denken können. Sie hätten die beiden Narren getötet?«

John Buchanan wiegt den Kopf, hebt dann die Schultern.

»Du hast zwei Feinde mehr auf dieser Erde, Junge«, murmelt er. »Und eines Tages wird dir irgendeiner deiner Feinde für alle anderen stellvertretend die Rechnung präsentieren. Zumindest damit musst du nun rechnen, Jeremy Clayton. Wohin reitest du?«

Der Junge betrachtet ihn staunend.

»Wohin? Nun, wir reiten doch zusammen, John Buchanan – oder? Und ich habe kein festes Ziel. Aber ich würde gerne noch eine Weile mit Ihnen reiten. Haben Sie irgendwo einen Revolverjob übernommen? Brauchen Sie einen Gehilfen, eine Art Knappen, ja? Nehmen Sie mich. Denn ich bin blank. Ich könnte ein paar Dollar gebrauchen.«

John Buchanan schweigt. Aber sein Blick studiert noch einmal den jungen Mann, der also mit fünfzehn Jahren Soldat wurde und mit siebzehn schon Sergeant war und sehr viel ältere Männer anführte. In diesen zwei Jahren zwischen fünfzehn und siebzehn musste dieser Jeremy Clayton an Lebensreife um zwanzig Jahre älter geworden sein.

John Buchanan betrachtet den Colt und das Holster des Begleiters. Ja, jetzt trägt Jeremy wieder seine Waffe im eigenen Holster, und er trägt die Waffe links wie John Buchanan.

Dieser denkt: Er ist Linkshänder wie ich. Und überhaupt erinnert er mich ständig an meine eigene Zeit, als ich so jung war wie er und noch daran glaubte, dass man sich mit einem Colt ein Königreich erobern könnte. Und als er mit seinen Gedanken so weit gekommen ist, fällt ihm auch all das andere wieder ein, und er wird sich seiner eigenen Situation erneut in aller Schärfe bewusst.

Denn er ist nicht mehr der im Revolverkampf unüberwindliche John Buchanan aus Laredo. Es ist alles anders geworden.

Und solch ein Junge, der so ist wie er damals, der könnte ihm eine Hilfe sein, und nicht nur eine Hilfe, sondern eine Lebensversicherung.

Diesen Jungen hat mir der Himmel geschickt, denkt er. Und endlich spricht er, indes sie nebeneinander Steigbügel an Steigbügel reiten: »Pass auf, Jeremy. Die beiden Hotbuster-Brüder waren nur zweitklassige Burschen mit den Colts, so hart und zäh sie auch sonst sein mögen. Ich denke mir, dass wir vielleicht schon im nächsten Ort auf einen erstklassigen Mann stoßen könnten, der auf mich wartet. Gegen diesen Mann würde ich dich gerne kämpfen sehen. Dann erst werde ich wissen, ob wir zusammenpassen und ich mich auf deine Revolverschnelligkeit verlassen kann. Und Letzteres kann entscheidend sein für uns beide. Verstehst du das?«

Jeremy Clayton schluckt etwas mühsam, aber dann nickt er heftig.

»Ja«, sagt er, »das begreife ich. Sie müssen genau wissen, wie gut ich bin. Und weil Sie jener John Buchanan aus Laredo sind, können Sie nur einen wirklich erstklassigen Gehilfen oder Partner gebrauchen. Nun, ich bin erstklassig. Nicht nur mit dem Colt. Ich bin treu, zäh, mutig und zahle stets Gutes oder Böses mit Zinsen zurück. Ich bin nicht labil, kann also Versuchungen jeder Art widerstehen und würde ...«

»Schon gut, Jeremy«, unterbricht ihn John Buchanan. »Wir werden das alles noch herausfinden. Bleiben wir also eine Weile zusammen.«

»Haben wir einen Job, einen Revolverjob, der etwas einbringt?«

So fragt Jeremy Clayton, und es gelingt ihm nicht ganz, den Hunger in seiner Stimme zu unterdrücken – einen Hunger nach Erfolg, der zugleich blanke Dollars und damit allerlei Annehmlichkeiten einbringen würde.

Ja, er ist hungrig, dieser gefährliche junge Bursche.

»Du bist Texaner, und natürlich kämpftest du in der Rebellenarmee, nicht wahr?« So fragt Buchanan ruhig.

Jeremy Clayton nickt. »Sie nicht?«, fragt er etwas herausfordernd und trotzig zurück.

John Buchanan grinst wieder auf seine blinkende Art und schüttelt den Kopf.

»Nein«, sagt er, »ich war nicht Soldat in diesem verdammten Krieg, der nicht so sehr um die Sklavenbefreiung ging, sondern mehr darum, die Sklavenhalter klein zu machen, weil sie mit ihren billigen Arbeitskräften zu sehr im Vorteil waren. Nein, ich war nicht im Krieg als Soldat. Aber ich stahl der Unionsarmee Pferde und Rinder und verkaufte sie an die Konföderierten des Südens. Leider war dann nach dem Krieg das Geld wertlos. Ich hätte den Konföderierten Pferde und Rinder stehlen und an die Unionsarmee verkaufen sollen. Denn das Geld der Nordstaaten ist das Geld des Siegers.«

Jeremy Clayton lacht leise zu Buchanans Worten. »Man müsste immer vorher schon wissen, wer der Sieger sein wird, nicht wahr?«

John Buchanan betrachtet ihn ernst.

»Nein, das gilt für uns Revolverkämpfer nicht«, murmelt er. »Nicht für die Sorte, zu der ich gehöre und du vielleicht gehören wirst. Wir fragen vorher nicht danach, wer Sieger sein wird.« Seine Stimme klirrt zuletzt vor bitterem Ernst. »Denn eines musst du dir merken, mein Junge«, spricht er weiter. »Wenn wir uns für eine Partei entschieden haben, wenn wir einen Revolverjob übernommen haben, dann bleiben wir dabei bis in die Hölle und zurück. Das ist die Regel Nummer eins.«

»Yes, Sir«, sagt Jeremy Clayton.

Sie erreichen nun den Wagenweg nach Santa Anna und biegen auf ihn ein. Nun lassen sie ihre Pferde traben.

Noch vor Anbruch der Nacht erblicken sie an einer Gabelung einen Wegweiser. Die Fortsetzung nach Süden führt nach El Paso. Der Weg nach Westen führt nach Nogales. Hinter den Hügeln wird auch er nach Süden abbiegen.

Sie nehmen diesen Weg. Denn etwa fünfzig Meilen vor Nogales und keine zehn Meilen von ihnen entfernt, da liegt das alte Dorf Santa Anna, welches einst die Mexikaner bauten, als diese hier noch die Herren waren.

✰✰✰

Als sie die Lichter des kleinen Ortes sehen, halten sie an.

John Buchanans Stimme klingt ernst, als er sagt: »Überleg es dir gut, Jeremy Clayton. Wenn du jetzt mit mir reitest, könnte es sein, dass wir auf einen Großen unserer Gilde stoßen, der dort auf mich wartet, weil er sich ausrechnen konnte, dass ich durch dieses Dorf kommen muss. Er wird mich zum Duell fordern. Aber um herauszufinden, wie gut du bist, werde ich dich an meiner Stelle kämpfen lassen. Und wenn du nur ein Bluffer bist, dann könnte das deinen Tod bedeuten. Bist du wirklich schnell genug beim Ziehen?«

»Vielleicht schneller als Sie, Mister«, erwidert Jeremy Clayton, und in seiner Stimme ist ein etwas schriller Beiklang, so als wäre er beleidigt und bereitete sich innerlich schon auf etwas vor, was seine Nerven anspannt.

»Na gut«, murmelt John Buchanan und reitet wieder an. Dabei denkt er: Bin ich fair zu diesem Jungen? Wie alt kann er sein? Zwanzig? Zweiundzwanzig? Bestimmt nicht älter. Eigentlich zu jung, um zu sterben. Doch ich hätte mit meinem langsam gewordenen Arm keine Chance mehr gegen Edson Payne – nicht gegen ihn, wenn er dort auf mich wartet. Und er würde immer wieder irgendwo auf mich warten oder meiner Fährte folgen. Ich könnte ihm auf die Dauer niemals entkommen, sondern müsste mich ihm stellen. Dieser Junge aber ist schneller als ich. Soll ich ...

Als er mit seinen Gedanken so weit ist, hört er den Jungen ungeduldig fragen: »Auf was warten wir noch, John Buchanan? Wenn Sie darüber nachdenken sollten, ob Sie mich an einem Großen ausprobieren können oder nicht – nun, dann will ich Ihnen diese Entscheidung etwas erleichtern. Reiten wir!«

Und er reitet an nach diesen Worten.

John Buchanan reitet mit ihm.

Es ist plötzlich alles sehr einfach. Ein junger Bursche will den Weg der Coltritter einschlagen. Er will ein Großer werden in der seltenen Gilde. Und er will sein Probestück ablegen wie ein Schüler vor dem Meister.

John Buchanan denkt: Wenn er wüsste, dass ich nicht mehr schnell genug bin und nur noch bluffen kann – wenn er wüsste, dass ich ihn brauche, um selbst davonkommen zu können –, würde er mich verachten?

Aber es gibt keine Antwort auf diese Fragen.

Noch nicht.

✰✰✰

Sie reiten vor die Fonda und als sie absitzen, ist auch schon ein Mexikanerbursche bei ihnen, der sich anbietet, für die Pferde zu sorgen.

Sie nehmen das Gepäck ab, und Buchanan sagt: »Chico, bring sie in den Stall und versorge sie gut. Du kennst mich, nicht wahr, Chico?«

»Si, Señor Buchanan – wer kennt Sie nicht in diesem Land?«

»Dann hole dir deinen Lohn morgen, wenn ich die Pferde gesehen habe.«

»Si, Señor. Sie werden zufrieden mit mir sein.«

Langsam treten sie mit dem Gepäck ein, nehmen an einem Tisch Platz und bekommen ein spätes Abendessen. Auch ein Zimmer ist oben für sie frei.

Aus der Bodega, der Kneipe nebenan, klingt der Gesang einer Frau zum Gitarrenklang. Eine Trompete tönt dünn und gedämpft. Dann klappern Kastagnetten, klatschen brettharte Hände, tönen Rufe.

Drüben muss eine Fiesta im Gange sein.

Es gibt gebratenes Ferkel auf mexikanische Art, also sehr scharf gewürzt, mit Wein, dessen Reben die Spanier aus der alten Welt herübergebracht hatten, als sie hier nach Gold suchten und die Eingeborenen zu bekehren versuchten.

Und dann steht plötzlich ein Mann vor ihrem Tisch, ein kleiner, krummer Bursche, dem man ansieht, dass er jahrelang wilde Pferde zuritt, die ihm fast alle Knochen brachen. Er wirkt immer noch zäh und verwegen, obwohl er gewiss ständig Schmerzen verspürt in den manchmal nur schlecht zusammengewachsenen Knochen und Sehnen.

Er sagt: »Señor Buchanan, wenn Sie gegessen haben, möchten Sie hinüberkommen. Denn dort wartet Señor Edson Payne auf Sie. Er sagte, Sie wüssten schon, warum und auf was er wartet.«

»Ja, das stimmt«, nickt John Buchanan kauend. »Das weiß ich wirklich. Und ich werde kommen, sobald ich gegessen habe.«

Der krumme Bursche nickt dankend und geht hinkend davon.

John Buchanan sieht kauend auf Jeremy Clayton.

»Das ist es also«, murmelt er. »Du hast schon von Edson Payne gehört, Jeremy?«

Auch dieser kaut und nickt ruhig. »Ja«, sagt er, »das ist auch einer der Gilde – ein Großer. Er war am Schafrinderkrieg in Texas beteiligt. Ja, von ihm habe ich gehört.«

»Und hier«, murmelt John Buchanan, »unterstützt er die Donovan-Frachtgesellschaft. Er verhindert durch seine Anwesenheit, dass die Leute der Santa Fe & El Paso Linie es wagen, Stationen und Depots einzurichten.«

»Aha«, sagt Jeremy Clayton. »Und Sie unterstützen die Santa Fe & El Paso Linie, nicht wahr?«

»So ist es«, nickt John Buchanan. »Und vor drei Wochen kämpfte ich mit Edson Paynes Freund und Partner Sloan Lane um eine Wasserstelle, die er für die Donovan-Gesellschaft in Besitz nehmen wollte nach Squatter-Recht. Er verlor. Jetzt sitzen die Leute der Santa Fe & El Paso Linie dort. Edson Payne ist gefährlich. Muss ich selbst mit ihm kämpfen? Oder traust du dich?«

Als er die letzten vier Worte spricht, sieht er Jeremy Clayton fest in die Augen. Aber er kann in diesen rauchgrauen Augen keine Furcht erkennen, nur Verwegenheit und absolutes Selbstvertrauen.

Dann sieht er Jeremy nicken und hört ihn erwidern: »Selbstverständlich, Sir. Ich nehme es mit jedem Revolvermann auf. Würde ich dazu nicht fähig sein, dürfte ich mich nicht darum bemühen, einer der Großen zu werden mit dem Colt. Oh, ich habe begriffen, dass es nichts nützt, wenn man es sozusagen im Geheimen ist. Man muss es öffentlich beweisen, demonstrieren. Dann erst steigt der Marktwert und kann man Spitzenhonorare fordern. Ist es nicht so? Ein berühmter Name bringt Geld ein, ja?«

John Buchanan nickt nur, und als er dann wieder auf seinen Teller blickt und ruhig weiter sein Abendbrot isst, da kommt er sich einen Moment wie ein Schuft und Feigling vor. Denn es könnte sein, dass dieser Junge bald tot ist – nur weil er, John Buchanan, nicht mehr gegen einen Großen kämpfen kann.

Einen Moment ist er versucht, Farbe zu bekennen, Jeremy alles zu sagen und dann selbst hinüber in die Bodega zu gehen, um seinen Kampf selbst auszutragen. Denn wenn er auch nicht mehr schnell genug ziehen kann, vielleicht vermag er jedoch besser zu schießen als Edson Payne. Wenn dieser ihn mit der ersten Kugel nicht gut genug trifft, dann hat er eine Chance.

Doch er bringt es nicht fertig.

Sie beenden ihre Mahlzeit, sehen sich schweigend an, nicken sich zu, erheben sich und gehen hinüber.

✰✰✰

Als sie eintreten, bricht die Musik ab, und das Fandango-Tanzpaar verlässt eilig die Tanzfläche.

Es ist still. Einige Gäste ziehen sich aus der voraussichtlichen Schusslinie zurück. Man weiß also Bescheid in dieser Stadt. Und man hat gewartet.

An der Theke steht ein Mann – nur mittelgroß und hager, aber eine Gefährlichkeit ausströmend wie ein Wüstenwolf. Dieser Mann hebt seine Hand und stößt mit dem Zeigefinger seinen Hut etwas zurück. Dabei sagt er: »Ich wusste, dass du kommen würdest, John Buchanan. Du hast mich lange warten lassen. Wie ich hörte, wurdest du verwundet.«

»Nur ein Kratzer, Ed«, erwidert Buchanan. »Aber Sloan Lane war wirklich sehr schnell. Er zielte nur nicht gut genug.«

»Ich werde besser zielen, John, verlass dich drauf.« Edson Payne sagt es fast freundlich bei aller Sachlichkeit. Nein, es liegt keinerlei Hass in seiner Stimme, auch nicht Wut oder dergleichen Gefühle. Für einen Mann wie Edson Payne ist das ein Job.

Aber John Buchanan hebt die Rechte.

»Halt! Einen Moment Ed Payne«, sagt er. »Du hast es nicht mit mir zu tun. Dieser Mann hier – Jeremy Clayton – übernimmt die Sache für mich. Es soll sein Coltritterstück sein. Du weißt ja, wir alle haben ja mal so angefangen oder zumindest so ähnlich.«

Edson Payne staunt nicht. Er blickt auf Jeremy Clayton.

»Ist das deine Absicht, Junge?«

»Nenn mich nicht Junge, Mister«, erwidert Jeremy Clayton. »Ich war fünf Jahre im Krieg.« Und indes er so spricht, tritt er etwas vor und verharrt dann sechs Schritte vor Edson Payne.

Dieser zögert noch, aber sein Instinkt strömt gegen Jeremy Clayton, versucht in diesen einzudringen. Es ist sicher, dass Edson Payne jetzt auf die Warnsignale seines Instinkts lauscht wie ein Wolf, der schon den Köder einer Falle sieht, aber den verborgenen Stahl noch nicht zu wittern vermag.

Aber dann zieht er plötzlich.

John Buchanan sieht es und weiß, dass er geschlagen worden wäre von ihm. Mit seinem nun langsamer gewordenen Arm, der dem Reflex des Hirns nicht mehr so schnell gehorcht, hätte er keine Chance gehabt gegen Edson Payne.

Doch der Junge schlägt den anderen glatt und schießt ihm die schwere vierundvierziger Kugel in die Brust. Payne kann nur noch in die Bodendielen schießen. Dann lässt er die Waffe aus den kraftlos gewordenen Fingern gleiten, fällt auf die Knie und sagt heiser: »Oha, was für ein Junge ist das? So schnell schießt niemand auf dieser Erde. Oooh ...« Und dann fällt er aufs Gesicht, rollt jedoch auf die Seite. Er atmet noch.

Es bleibt einige Atemzüge lang still.

Dann ruft die Stimme der Fandango-Tänzerin: »Holt den Medico! Er lebt noch! Er wird sterben, wenn ihm nicht geholfen wird. Um des Erbarmens willen, holt den Medico! Und legt ihn auf den Billardtisch. Denn wenn er sterben muss, dann soll er dies nicht am Boden müssen. Schnell, Muchachos!«

Jeremy Clayton steht noch mit dem Colt in der Hand da, wartet, ob jemand der Anwesenden Partei für Payne ergreifen will. Doch niemand unternimmt etwas gegen ihn.

John Buchanan sagt ruhig zu ihm: »Gehen wir, Jeremy. Es war ein Duell unter Coltrittern. Er zog sogar zuerst. Komm, Partner, komm!«

Und sie gehen wieder hinüber in den Speiseraum, aus dem sie kamen. Sie setzen sich wieder.

»Willst du Wein, Jeremy?« So fragt John Buchanan ernst.

Doch Jeremy schüttelt den Kopf. »Nein«, murmelt er, »ich glaube, ich möchte ein wenig draußen umherwandern.«

»Soll ich mitkommen?«

»Ja, John Buchanan, komm mit mir.«

Sie gehen hinaus, und sie sind nicht mehr Meister und Schüler – nein, jetzt sind sie gleichberechtigte Coltritter.

Der Kampf hat alles zwischen ihnen verändert. Sie wurden einander ebenbürtig innerhalb ihrer Kaste, ihres Standes oder wie man ihre Gilde, zu der sie gehören, auch nennen mag.

✰✰✰

Zwei Tage später sind sie in Nogales, und es ist schon tiefste Nacht, als sie in den Garten eines etwas abseits gelegenen Hauses reiten und ein großer Hund vor ihren Pferden im herausfallenden Lichtschein auftaucht. Dieser große Hund bellt nicht. Doch sein Knurren wirkt umso gefährlicher.

John Buchanan sagt ruhig: »He, sei nett, Beißer! Mich solltest du gut genug kennen. Und auch mein Begleiter ist ein Freund.«

Die Tür auf der Veranda wird geöffnet. Eine Frau tritt heraus. Obwohl ihr Gesicht im Dunkeln ist, da sie von rückwärts her angeleuchtet wird, glaubt Jeremy Clayton vom ersten Moment an, dass sie schön und reizvoll ist, voll reifer Weiblichkeit und vitalem Feuer. Ihre Bewegungen verraten es ihm. Und er hört ihre dunkle Stimme fragen: »Bist du das, John Buchanan?«

Dieser beugt sich im Sattel vor. »Ich bin es, Dolores. Und ich habe einen Partner bei mir. Sind wir willkommen?«

»Du weißt, dass du immer willkommen bist, John Buchanan«, erwidert ihre dunkle Stimme, und der Klang von Herzlichkeit ist echt darin. Dies spürt auch Jeremy Clayton sofort.

Jene Frau, die John Buchanan Dolores nannte, sagt schlicht: »Versorgt eure Pferde und kommt dann zum Nachtessen.«

Nach diesen Worten wendet sie sich um und geht ins Haus zurück. Und abermals bewundert Jeremy Clayton ihre geschmeidigen Bewegungen.

Sie sitzen ab. Der Hund kommt heran und schnuppert an ihnen.

»Fass ihn nicht an, Jeremy«, murmelt John Buchanan. »Der geht dir sonst an die Kehle. Den musst du respektvoll behandeln.«

Sie führen die Pferde um das Haus herum. Hinten gibt es einen Schuppen, einen kleinen Stall und einen Corral. Im Mond- und Sternenschein versorgen sie ihre Tiere und waschen sich am Wassertrog neben dem Brunnen.

Bevor sie ihre Sattelrollen und das wenige andere Gepäck aufnehmen, um zur Hintertür des Hauses zu gehen, fragt Jeremy: »Wer ist diese Dolores? Und wie stehst du zu ihr?«

John Buchanan verharrt einige Atemzüge lang schweigend, so als müsse er sich die Antwort gründlich überlegen. Dann sagt er langsam: »Dolores Alvarez – nun, ich würde sagen, dass sie eine Gastgeberin für Männer unserer Sorte ist. Verstehst du?«

»Nicht ganz – eigentlich gar nicht«, erwidert Jeremy Clayton. »Sie ist doch wohl kein Flittchen, keine Puta. Nein, das ist sie gewiss nicht. Aber als eine Art Pensionswirtin ist sie für mich nicht vorstellbar.«

John Buchanan lacht leise. »Sie ist mehr«, murmelt er. »Sie ist für unsere Sorte alles, Junge, wenn du getötet hast, wenn du innerlich leer und einsam bist, wenn du dich nach der Wärme und all den anderen Dingen sehnst, die du auf deinen Wegen nicht finden konntest, wenn du einem Verirrten gleichst, der nach einem Licht in dunkler Nacht sucht – nun, dann wird dir Dolores alles sein. Sie wird dir helfen dabei, dich bald wieder besser fühlen zu können auf dieser Erde. Sie hat einmal einem von unserer Gilde gehört. Und sie hat ihn geliebt, wie es sonst nur in den großen Dramen der Weltliteratur geschildert wird. Als er aus einem Kampf nicht zurückkam, weil er in einen Hinterhalt ritt, begriff sie, wie kurz das Leben von Männern unserer Gilde oder Kaste ganz zwangsläufig sein muss. Und so ...«

»Ich verstehe schon«, unterbricht ihn Jeremy. »Sie liebt ihren toten Mann oder Geliebten immer noch. Und in jedem von uns glaubt sie ihn wieder zu erleben. Und sie möchte jedem von uns geben, was sie ihm nicht mehr geben kann. Oh, ich verstehe nun alles genau. Irgendwann – wenn ich allein hierherkommen würde, könnte auch ich von ihr ...«

»Wahrscheinlich, Jeremy, ja, wahrscheinlich. Sie wird dich ansehen und genau wissen, was du nötig hast – eine Schwester oder eine Geliebte. Gehen wir! Sie hat gewiss schon das Abendessen fertig.«

»Ich werde dann im Schuppen schlafen«, murmelt Jeremy, »und euch nicht stören.«

»Das Haus ist groß genug«, meint John Buchanan.

Sie treten dann ein und finden in der großen Wohnküche einen gedeckten Tisch. Dolores Alvarez wartet schon, und im Schein der Lampe sieht Jeremy eine schöne Frau, die gewiss fast zehn Jahre älter ist als er, in die er sich jedoch vom ersten Moment an verliebt.

Sie betrachtet ihn fest. Dann sieht sie John Buchanan an und sagt: »So wart ihr alle einmal – ganz am Anfang eurer rauchigen Fährten. Wenn ich euch beide so sehe, dann ist es mir, als wäret ihr zwei Symbole für den Anfang und das Ende eines Coltritter-Weges. John, willst du nicht aufhören? Ich würde mit dir weit genug nach Norden gehen, wo man dich nicht kennt. Und wir würden beide ein neues Leben anfangen. Willst du?«

»Noch nicht, Dolores«, murmelt John Buchanan und setzt sich. Er starrt auf einen Briefumschlag, der neben dem Teller liegt. Dann hebt er den Kopf und sagt: »Dolores, Edson Payne wird nicht mehr zu dir kommen. Jeremy hat ihn im Duell besiegt. Nein, er ist nicht tot. Aber ...« Er verstummt und zuckt resigniert mit den Schultern.

»Das ist Jeremy Clayton«, murmelt er schließlich. »Vielleicht kommt er eines Tages an Edson Paynes Stelle.«

Sie richtet sich etwas gerader auf, wirkt einen Moment steif. Dann sagt sie fast tonlos: »Und er wird willkommen sein wie jeder von euch Coltrittern, die ...« Aber sie beendet den Satz nicht, wendet sich ab zum Herd, um dort aus den Pfannen und Töpfen die Schüsseln zu füllen.

John Buchanan öffnet indes den Brief. Dabei sagt er zu Jeremy: »Weißt du, für Eingeweihte, die an uns Aufträge zu vergeben haben, ist dies eine Art postlagernde Adresse. Wir alle kommen irgendwann hier vorbei. Das spricht sich in gewissen Kreisen herum. Man empfiehlt uns weiter.« Zuletzt ist in seiner Stimme bitterer Sarkasmus. Er hat inzwischen auch den Brief geöffnet. Als er den Blick hebt und in die Augen des Jungen sieht, fragt dieser ungeduldig: »Ein neuer Auftrag?«

John Buchanan nickt. »Ja, wir reiten morgen schon hinüber nach Mexiko. Denn wir können tausend Dollar verdienen, und für tausend Dollar müsste ein guter Cowboy fast fünf Jahre arbeiten.«

Dolores bringt nun das Essen auf den Tisch.

Und es wird ein schöner Abend mit dieser reizvollen Frau.

Aber dann ist Jeremy Clayton schließlich allein.

Und er wünscht sich, dass auch er sich einmal mit dieser Dolores Alvarez in deren Schlafzimmer zurückziehen könnte. Ja, er wünscht es sich mit der heftigen Ungeduld eines wilden Jungen, dem alles nicht schnell genug gehen kann.

Aber dann beginnt er doch wieder ruhiger nachzudenken – auch über andere Dinge.

Und er wird sich darüber klar, dass er sich nun richtig auf dem Coltritter-Weg befinden wird, wenn er morgen mit John Buchanan losreitet, um drüben in Mexiko einen Auftrag zu erledigen.

✰✰✰

Zwei Tage später – es ist schon dunkel – kommen sie über den Pass in das Tal, in welches viele Schluchten und Canyons münden. Mitten in diesem Tal liegt die Stadt San Juan.

Inzwischen weiß Jeremy Clayton, wie ihr neuer Auftrag aussieht. John Buchanan hat es ihm erklärt.

»Wir müssen einem Vater die Tochter zurückbringen. Sie ist mit einem Mann fortgelaufen, der ihr eine Menge versprach und dann nicht hielt. Er kam zufällig an der kleinen Ranch vorbei. Das Mädchen war allein und wollte in die weite Welt. Er nahm das Mädchen einfach mit. Jetzt ist der Bursche Spieler in einem Amüsierhaus. Die Stadt wird von einem Banditenführer und dessen Bande beherrscht. Das Mädchen arbeitet ebenfalls in diesem Amüsierhaus. Dort hat sie nun gewiss mehr Vergnügen, als sie es sich damals auf der einsamen Ranch wünschte. Wir sollen sie rausholen.«

»Für tausend Dollar?« Jeremy Clayton fragte es staunend und ungläubig zugleich.

Aber John Buchanan grinste nur schief.

»Ach«, sagte er, »wenn wir etwas Glück haben, ist es ganz einfach zu schaffen. Allein wäre es wohl ziemlich schwer für mich gewesen. Doch jetzt habe ich ja einen Partner. Das schaffen wir schon.«

Sie halten an und blicken auf die Lichter.

John Buchanan sagt: »Das ist es. Es ist eine Minenstadt. Überall in den vielen Schluchten und Canyons sind Minen. Viele werden von Angloamerikanern in Gang gehalten, welche sich natürlich auch Minenarbeiter herbeiholten, die etwas davon verstehen. Deshalb sind in der Stadt nicht nur Fondas, Bodegas und dergleichen mexikanische Lokale, sondern auch Saloons wie bei uns drüben. Die Stadt wird von El Lobo beherrscht, einem Banditen, der sich während Revolutionen manchmal selbst zum General ernennt. Mein Plan ist ganz einfach. Ich will ihn dir jetzt erklären. Vor allen Dingen ist wichtig, dass wir nicht zusammen in die Stadt reiten und ...« Er erklärt Jeremy Clayton alles mit wenigen Worten. Und es ist wirklich ein einfacher Plan.

Eine Weile lang hocken sie dann noch nebeneinander in den Sätteln und rauchen jeder eine Zigarette. Dann trennen sie sich. Sie werden beide einen Viertelkreis schlagen und von den Seiten her in die Stadt reiten, so als kämen sie aus den beiden Hauptcanyons von Osten oder Westen her in das Tal, nicht von Norden.

In Jeremy Clayton ist eine freudige Erwartung. Denn er reitet jetzt in ein neues Abenteuer als Coltritter. Und er ist der junge Partner des großen John Buchanan, der es mit ihm gegen eine ganze Banditenbande aufnehmen will.

Als er den Wagenweg erreicht, der aus dem Westcanyon kommt, biegt er darauf ein in Richtung zur Stadt. Und er reitet nicht allein. Es sind noch andere Reiter nach San Juan unterwegs, auch Fahrzeuge.

Er lässt sich in die Stadt treiben wie andere Reiter. Zuerst steigt er bei einem Bratstand ab und kauft sich einige Tortillas. Dann nimmt er sein Pferd am Zügel und geht davon.

Seine Suche beginnt von diesem Moment an. Und er weiß genau, wie das Mädchen aussieht, welches er sucht, und wie es heißt. Es kann nicht schwer sein, Rosy Bannerhan zu finden. Ein Mädchen mit roten Haaren und grünen Augen gibt es gewiss nicht so oft. Und wunderschön soll sie auch sein, diese Rosy Bannerhan.

Oder heißt sie jetzt anders?

✰✰✰

In der Sala de Paraiso findet er sie. Der Name bedeutet so viel wie Paradieshalle. Aber ein Paradies, in dem so viele Sünden begangen werden, gibt es sicherlich nur auf der Erde und bei den Menschen.

Sie will gerade mit einem Mann, der wie ein Mineningenieur wirkt, die Treppe hinaufsteigen.

Als sie sich über die Schulter hinweg umblickt, winkt Jeremy ihr zu. Und sie hält inne, obwohl der Mann sie am Arm zerrt, und sieht Jeremy fragend an.

Dieser tritt schnell näher und sagt mit blitzendem Lächeln: »He, Rosy, da bin ich wieder. Und ich habe Grüße zu bestellen von daheim.«

»Bestell sie, wann du willst, nur jetzt nicht!«, knurrt der Mann neben Rosy und will mit ihr weiter die Treppe hinauf.

Aber Rosy verharrt und versucht die Hand von ihrem Unterarm abzustreifen, mit der ihr Gast sie weiter nach oben dirigieren oder ziehen will.

Und da wird der Mann böse. Er steht zwei Stufen höher auf der Treppe als Jeremy Clayton und zischt drohend auf diesen nieder: »Schleich dich, du verdammter Sattelquetscher. Hau ab! Rosy hat jetzt keine Zeit für Strolche wie dich!«

Der Bursche – und wenn er auch ein erfolgreicher Mineningenieur oder gar Minenbesitzer sein mag – hat keine Menschenkenntnis, was Reiter betrifft. Gewiss, Jeremy Clayton wirkt wie ein abgerissener Reiter, einer dieser streunenden Satteltramps. Der Staub des langen Rittes liegt noch auf seinen Kleidern und er riecht nach Pferdeschweiß und Campfeuern. Er ist unrasiert, und man traut ihm nicht zu, dass er mehr als nur ein paar Dollars in der Tasche hat. Und dennoch strömt er etwas aus, was ein erfahrener Mann sofort erkennen oder instinktiv spüren müsste.

Aber der Mann da zwei Treppenstufen über ihm ist gewiss zu ungeduldig und zu wütend wegen der Störung.

Jeremy Clayton lacht zu ihm empor und sagt dann freundlich: »Sir, kommen Sie mal herunter zu mir. Ich möchte Ihnen etwas ins Ohr flüstern. Es ist wichtig. Wirklich, Sir, sehr wichtig. Sie werden dann alles besser verstehen.«

Der Mann starrt ihn misstrauisch an. Sein Blick fällt auch auf Jeremy Claytons Colt.

Doch Jeremy trägt seine Waffe ganz normal, gar nicht besonders tief unter der Hüfte oder herausfordernd wie jene ruhmsüchtigen Revolverschwinger, die sich vor allen Dingen selbst etwas vormachen. Jeremy Clayton trägt seine Waffe wie ein normaler Cowboy.

Und so steigt der Mann knurrend die beiden Stufen herunter.

»Also, was willst du, Junge?« So fragt er mit der Autorität eines Mannes, der einer ganzen Mannschaft Befehle zu erteilen gewöhnt ist.

Jeremy Clayton beugt sich zu ihm und kommt mit dem Mund bis dicht an sein Ohr. Und durch den Lärm der Amüsierhalle, die Klänge der Musik, das Stimmengewirr und Lachen der Frauen- und Männerstimmen, sagt er in dieses große und fleischige Ohr hinein, aus dem schwarze Haarbüschel wachsen: »Mister, es ist mein Mädchen. Und wenn du jetzt nicht abhaust, dann wirst du vielleicht nie wieder deinen Spaß mit Mädchen haben. Verstanden?«

Der Mann will aufbrüllen, doch weil er nun aus nächster Nähe in die rauchgrauen Augen des Jungen sehen kann, da warnt ihn endlich doch noch sein Instinkt.

»Aha«, knirscht er, »aha, ein verdammter Revolverschwinger, der schon getötet hat und sich nun ...«

»Schon gut, Sir«, unterbricht ihn Jeremy Clayton, »schon gut, Sir. Wir wollen uns lieber wie Gentlemen trennen, die sich gütlich geeinigt haben. Viel Spaß noch, Sir, in diesem Etablissement.«

Und der Mann, gewiss Boss über viele andere Männer, schluckt mühsam. Er starrt immer noch in die rauchgrauen Augen des jungen Burschen, den er für einen abgerissenen Sattelstrolch hielt – und sein Instinkt warnt ihn immer noch, jetzt sogar noch stärker.

Heiser sagt er, indes er sich abwendet: »Ich gehe jetzt zu Mike Calhoun ...« Damit verlässt er die Treppe und strebt dem Durchgang zum benachbarten Spielsaal zu.

Jeremy Clayton aber fasst Rosy Bannerhan am Arm und geht mit ihr die Treppe hinauf. Dabei fragt er: »Wer ist dieser Mike Calhoun?«

Sie hält einen Moment inne, und in ihren grünen Augen ist der Ausdruck von Furcht und Hilflosigkeit.

»Der? Oh, den kennen Sie nicht, Mister? Du lieber Vater im Himmel, dieser Mike Calhoun ist ...« Sie verstummt plötzlich, wirft den Kopf in den Nacken und will innehalten. Dabei fragt sie mit spröder Stimme: »Was geht Sie das an, Mister? Und was soll das Ganze überhaupt?«

»Ich bin Jeremy Clayton«, erwidert er, indes sie die Treppe hinter sich lassen und die obere Galerie erreichen, von der aus man zu den Zimmern der Mädchen gelangen kann.

»Ich bin mit einem Partner hier«, spricht er weiter, »um dich heimzuholen, Rosy Bannerhan, heim in die Hügel auf die kleine Ranch zu deinem Vater. Oder möchtest du das nicht, Schwester?«

Sie verharrt nun mit geschlossenen Augen. Und sie hat ihre kleinen Fäuste geballt wie ein Mensch, welcher sich tief in sich selbst versenkt und sich mit aller Kraft etwas wünscht.

Dann sieht sie Jeremy Clayton wieder an. »Oooh«, macht sie seufzend, »oooh, wenn das noch möglich wäre. Aber ich gehöre Mike Calhoun. Er wird mich nicht fortlassen. Und gleich wird er kommen und dich bestrafen. Selbst wenn er das nicht schaffen sollte, wird es schlimm für dich. Denn Mike Calhoun steht unter dem Schutz El Lobos, mit dem er teilt, was er am Spieltisch und ich als Gastgeberin verdienen. Oh, Jeremy Clayton, ich möchte so gern wieder heim in die Hügel, wo die verdammte Welt zwar einsam, doch noch heil ist. Ich möchte so gerne ...«

»Dann komm«, sagt er. »Führe mich in dein Zimmer!« Er fordert es hart. Seine Stimme lässt erkennen, dass er keinen Widerspruch mehr dulden würde.

Und so gehorcht sie.

Als sie in ihrem kleinen Zimmer sind, tritt er sofort an das Fenster und öffnet es, beugt sich weit hinaus in die mondhelle Sonora-Nacht.

Rosy Bannerhan tritt neben ihn. »Und jetzt?«, fragt sie ziemlich resigniert und fügt hinzu: »Mike Calhoun wird gleich kommen. Soll ich nicht lieber die Tür abriegeln? Aber was hätte das schon für einen Sinn? Jeremy, wir haben keine Chance.«

»Doch«, erwidert er. »Ich sagte doch schon, dass ich einen Partner habe. Der ließ mich nicht aus den Augen, obwohl wir getrennt in die Stadt kamen und ...« Er bricht ab und beugt sich noch weiter aus dem Fenster.

Unten im Garten wird nun ein Mann erkennbar, der um die Hausecke gekommen ist und zu ihm hochblickt. Der Mann ist John Buchanan, und er spricht halblaut empor: »Ich bin in drei oder vier Minuten mit den Pferden an der Gassenmündung. Gut so?«

»Gut so«, wiederholt Jeremy Clayton – und wendet sich an Rosy.

»In diesem Fähnchen kannst du nicht reiten«, sagt er. »Hast du nichts anderes hier in diesem Zimmer?«

»Nein«, sagt sie, »keine Kleider sonst, die sich für eine Flucht auf einem Pferd eignen würde. Keines der Mädchen hier hat solche Kleidung auf ihrem Zimmer. Und in diesen Schuhen könnte ich keine Meile laufen.« Sie hebt den Rock ihres grünen Seidenkleides, welches oben mehr zeigt, als es verbirgt. Jeremy sieht die winzigen Schuhe mit den hohen Absätzen – und er sieht auch die vollendet geformten Beine.

»Na schön«, sagt er, »wir werden schon etwas finden oder auftreiben. Du musst nun aus dem Fenster nach unten klettern. Es ist nicht schwer.«

Sie nickt, nagt an ihrer Unterlippe und deutet dann auf die immer noch unverriegelte Tür. »Mike Calhoun kommt gleich«, sagt sie. »Er ist groß, blond und ...«

Weiter kommt sie nicht. Denn die Tür wird plötzlich aufgestoßen.

Und der Mann, den sie soeben genauer beschreiben wollte, kommt herein. Er wirkt böse und ungeduldig, ganz und gar wie ein Bursche, der eine lästige Arbeit hinter sich bringen will.

Er bietet einen prächtigen Anblick. Wahrhaftig, er ist einer dieser blonden, blauäugigen, blitzend lächelnden und stets so sieghaft wirkenden Burschen, in die sich fast jedes Mädchen oder jede Frau auf der Stelle verliebt.

Jedoch hatte er in letzter Zeit wohl zu wenig Bewegung und zu gutes Essen. Denn er wirkt ein wenig zu füllig, ist offenbar auf dem besten Weg, massig zu werden. Gegen ihn wirkt Jeremy Clayton hager.

Der Mann deutet auf Rosy und fragt böse: »Bist du verrückt geworden? Sofort gehst du hinunter zu Mister Fitzsimmons und entschuldigst dich bei ihm. Und dann wirst du ganz besonders nett zu ihm sein. Vorwärts! Und nun zu dir, du Sattelquetscher! Wenn du nach dem Colt greifst, bist du tot. Raus hier! Und raus aus der Stadt überhaupt! Das ist ein Befehl! Oha, ich hätte Lust, dir das Fell abzuziehen, mein Junge! Raus hier!«

Er tritt zur Seite, um den Weg durch die Tür freizugeben.

Und Jeremy Clayton sagt ergeben: »Yes, Sir! He, warum sehen Sie denn das alles so verbissen? Ich wollte dem alten Minenonkel doch nur das Honeygirl ausspannen. Was ist falsch daran?«

Als er es fragt, ist er schon halb an Mike Calhoun vorbei.

Und noch bevor dieser antworten kann, zeigt Jeremy ihm, wie schnell ein hagerer Bursche sein kann, nämlich so schnell wie ein Wildkater, dem ein Hund in den Schwanz beißen will.

Er wirbelt leicht geduckt herum und hämmert Mike Calhoun die Linke in die Seite. Es ist ein präziser Leberhaken, der wie ein Huftritt wirkt. Und er beendet den Kampf auch schon, bevor dieser überhaupt beginnen konnte.

Mike Calhoun fällt auf ein Knie, hält sich die Seite und stöhnt wie ein Mensch, der im Sterben liegt.

Jeremy Clayton schließt die Tür, und diesmal schiebt er den Riegel vor.

Rosy Bannerhan steht noch am Fenster und starrt auf Mike Calhoun. Dann sieht sie auf Jeremy, staunt einen Moment ungläubig und verlangt dann mit wilder Stimme: »Gib ihm noch was, Bruder! Ja, gib es ihm richtig, diesem Hurensohn!«

»Sicher«, sagt Jeremy Clayton, »das muss ich dann wohl tun, damit unser Vorsprung auch groß genug ist.«

Er tritt an den kauernden und erbärmlich stöhnenden Mike Calhoun heran und stößt ihm das Knie von der Seite her gegen Ohr und Kinnwinkel. Calhoun kippt zur Seite und rührt sich nicht mehr.

Jeremy nickt Rosy zu. »Nun klettere ich zuerst aus dem Fenster und nach unten und fange dich auf.«

Rosy nickt Jeremy zu. »Ja, gehen wir. Bring mich heim, Jeremy. Ich werde es dir immer danken.«

✰✰✰

Als sie in die Gasse treten, wartet John Buchanan mit drei Pferden. Er hat gleich nach seiner Ankunft ein Tier besorgt. Wortlos sitzen sie auf.

»Gut gemacht, Jeremy«, sagt Buchanan dann, bevor sie anreiten. Er fügt noch hinzu: »Ich habe für Sie, Rosy, ein paar Kleidungsstücke gekauft. Ich dachte mir, dass Sie keine Fluchtkleidung zur Verfügung haben würden. Nun, wie groß wird unser Vorsprung sein, Jeremy?«

»Keine halbe Stunde«, sagt dieser. »Dann werden sie gewiss nach diesem Mike Calhoun zu suchen beginnen. Ich glaube, er ist vom Spieltisch weggelaufen. Solch eine Pokerrunde wartet nicht lange.«

Sie reiten nun an, folgen der Gasse, gelangen an den Rand der Stadt und wenden sich nach Norden.

✰✰✰

Als die Mittagshitze über den Boden flimmert, blicken sie von der Wasserscheide des Passes auf die Verfolger nieder.

Es sind El Lobos Bandoleros, die da kommen.

Denn Mike Calhoun, der in San Juan unter El Lobos Schutz lebt, weil er die Hälfte seiner und seines Mädchens Einnahmen an ihn abführt, hat Anspruch auf Hilfe.

Rosy trägt nun die Kleidung eines Mexikaners, also Stiefel, Hose, Hemd und Hut. Alles ist ihr etwas zu groß, doch es ist sehr viel geeigneter als ein dünnes Seidenfähnchen. Die erbarmungslose Sonne hätte ihr längst Schultern und Arme verbrannt.

Und reiten kann sie, diese Rosy Bannerhan. Aber das war bei einem Mädchen, welches auf einer einsamen Hügelranch fast wie ein Junge aufwuchs, zu erwarten.

Sie zählen zwölf Reiter auf ihrer Fährte.

John Buchanan und Jeremy Clayton tauschen einen Blick. Und ohne Worte sind sie sich darüber klar, dass sie sich die tausend Dollar Belohnung nun bald auf die bittere Art werden verdienen müssen.

Doch als könnte John Buchanan die Gedanken des jüngeren Partners genau erraten, schüttelt er den Kopf und sagt dann fast lässig: »Jetzt bin ich dran, Partner. Ihr reitet weiter. Ich halte sie auf bis zum Anbruch der Nacht. Haut ab. Von Nogales aus kennt Rosy den Weg. Nicht wahr, Rosy?«

Diese nickt. »Ich danke Ihnen«, sagt sie. »Und ich weiß noch nicht mal Ihren Namen, Mister.«

»Das ist John Buchanan«, murmelt Jeremy Clayton.

»Aber ihr kommt mir vor wie Brüder, wenn auch altersmäßig sehr weit auseinander, aber dennoch wie Brüder.«

»Irgendwie sind wir das auch, Mädchen«, murmelt John Buchanan. Dann deutet er nach Norden. »Haut ab.«

Jeremy Clayton nickt nur. Er betrachtet seinen älteren Partner fest, und er weiß genau, was John Buchanan jetzt auf sich nimmt. Nein, es ist nicht so sehr der Kampf gegen El Lobos Leute. Es ist das Töten. John Buchanan wird töten müssen. Das ist es, was er auf sich nehmen muss. Denn mit einigen Schreckschüssen wird es nicht getan sein. Er wird diese Bandoleros abschießen müssen – zumindest einige von ihnen. Und das muss er auf sich nehmen.

Jeremy Clayton begreift dies in dieser Minute erst so richtig. Diesmal findet kein faires Duell statt unter gleichwertigen Gegnern. Dies hier wird keine ritterliche Austragung, sondern ein Abschießen.

Aber auch das gehört zum Coltritter-Weg.

Und wahrscheinlich ist nichts edel und gut auf diesem Weg. Nicht mal ein faires Duell.

In dieser Minute beginnt irgendwo in Jeremy Claytons Gehirn etwas zu dämmern.

Er nickt John Buchanan zu, kann nichts sagen. Dann reitet er weiter. Rosy folgt ihm.

John Buchanan sitzt langsam ab. Er führt sein Pferd in den Schatten einiger Felsen, zieht das Gewehr aus dem Sattelfutteral, entnimmt seiner Satteltasche zwei Handvoll Patronen und lässt sie in seine beiden Hemdbrusttaschen fallen. Auch die Wasserflasche nimmt er mit, als er sich eine geeignete Position sucht, die ihm gute Deckung und dennoch freies Schussfeld nach unten gibt.

Er dreht sich eine Zigarette und zündet diese an, raucht und wartet.