Gaia - Robert Lott - E-Book

Gaia E-Book

Robert Lott

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Beschreibung

Gaia- Menschheit am Abgrund - ein Roman von Robert Lott Gaia erzählt die Geschichte einer Familie, die dem Atomkrieg entkommt und auf eine Menschheit trifft, die sich ganz anders entwickelt hat. Die schottisch-amerikanische Familie Loard flieht vor dem drohenden Atomkrieg von New Mexiko, USA, nach Tikal in Guatemala, wo ihr Uropa eine Forschungsstation an den Maya-Pyramiden errichtet hatte. Der befürchtete Atomkrieg findet tatsächlich statt, aber die Familie findet den Zugang zu einer anderen Welt, mit einer Menschheit, die sich seit vielen Jahren ganz anders entwickelt hat. Mit Hilfe der Technik einer verschwundenen Zivilisation haben sich die Menschen dort eine fast perfekte Welt geschaffen. Die Loards haben zunächst einige Schwierigkeiten sich in dieser Welt zurecht zu finden und müssen bald feststellen, dass in der Vergangenheit Gaias eine tödliche Gefahr lauert.

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Robert Lott, aufgewachsen in einem kleinen Dorf in Oberfranken, studierte Englisch und Geschichte in Bamberg, lebte eine Zeitlang als Aussteiger auf einer spanischen Insel, wurde Lehrer an einem Bayerischen Gymnasium, studierte Spanisch und Biologie in Heidelberg und lebt heute mit seiner Familie in Würzburg. Von ihm sind unter anderem erschienen:

Kahlschlag. Gedichte und Erzählungen, Bläschke Verlag. Richie. Jugendbuch. Andrea Schmitz Verlag Ahornland und andere Märchen. Selbstverlag Chronik der Gemeinde Oberhaid. Hrsg. Fränkischer Tag Hexenwerk. Roman. BoD Verlag

Inhaltsverzeichnis

Carl

Annabel

Carl

Fiona

Tommy

Carl

Fiona

Annabel

Carl

Fiona

Carl

Annabel

Carl

Tommy

Fiona

Carl

Tommy

Fiona

Carl

Tommy

Fiona

Carl

Fiona

Imagine

Der erste Tag

Fiona

Annabel

Carl

Fiona

Carl

Fiona

Tommy

Fiona

Der Zweite Tag

Annabel

Tommy

Annabel

Tommy

Carl

Fiona

Annabel

Tommy

Carl

Der dritte Tag

Carl

Annabel

Tommy

Annabel

Carl

Annabel

Fiona

Annabel

Der vierte Tag

Fiona

Tommy

Annabel

Fiona

Tommy

Carl

Tommy

Annabel

Oliver McLoard

Fiona

Carl

Annabel

Zwei Wochen später

Fiona

Carl

Tommy

Annabel

Oliver McLoard

Annabel

Oliver McLoard

Eine Woche später

Annabel

Tommy

Annabel

Fiona

Carl

Fiona

Annabel

Drei Stunden später

Fiona

Annabel

Carl

Tommy

Carl

Oliver McLoard

Fiona

Annabel

Zweieinhalb Jahre später

Annabel

Noch einmal zweieinhalb Jahre später

Annabel

Fiona

Linda Mulgrave

Carl

Allan Warner, Bunkerzentrale, Bunker 43, Albuquerque.

Carl

Ein Bunker 50 km südlich von Washington D.C.

Vier Jahre später

Oliver McLoard

Epilog

Imagine

Carl

Oh Mann, hatte ich ein übles Kopfweh. Warum hatte ich mir auch noch ein zweites Glas Rotwein eingeschenkt? Dabei hatte ich doch schon beim Fernsehen ein Bier getrunken. Buh, und dann auch noch solche Alpträume.

Ich war auf der Couch eingeschlafen und neben mir auf dem kleinen Tisch lag die Bibel. Ich hatte tatsächlich die Bibel gelesen, weil ich wissen wollte, was dieser Johannes in seiner Apokalypse geschrieben hatte. Und was stand da?

Satan würde nach tausend Jahren zurückkommen und dann würde Feuer und brennender Schwefel vom Himmel fallen und seine Anhänger verzehren. Dieser Johannes war echt abgedreht. Ich legte die Bibel wieder zur Seite. Mit so einem Kopfweh kann man einfach nicht lesen! Wahrscheinlich hatte der Typ tagelang hungernd in der Wüste gesessen und höchst seltsame Blätter gefuttert, anders konnte man sich seine Weltuntergangsstimmung nicht erklären.

Na ja, vielleicht stimmten seine Vorhersagen sogar und er konnte tatsächlich in die Zukunft sehen. Aber natürlich konnte er sich nicht erklären, was Atombomben, Raketen, Kampfsatelliten, Flugzeugträger, Drohnen und Panzer sein sollten. Der echte Weltuntergang war ja wohl kaum noch aufzuhalten. Dazu brauchte man gar nicht mehr diesen ganzen Klimawandel, es reichten schon ein paar verrückte Politiker. Unsere teuren E-Autos, die Photovoltaik auf den Dächern, die Häuserdämmung, die riesigen Offshore Windparks, dieser ganze verzweifelte Kampf der Menschheit, die Klimakatastrophe doch noch irgendwie aufzuhalten zu können und dann … dann hatten die Chinesen diesen Kim Jong Un einfach nicht mehr unter Kontrolle und der Wahnsinnige schießt eine Atomrakete auf eine unbewohnte Insel im Pazifik ab und feiert sich anschließend frenetisch in seinen Medien. Und was macht der amerikanische Präsident, dieser selbst erklärte Schutzengel der Menschheit? Er platziert in völliger geistiger Umnachtung natürlich Bomben auf die Abschussrampe und zusätzlich auf eine Anlage zur Anreicherung von Uran. Angeblich mehrere hundert Tote und natürlich alles Zivilisten, die in einer Futtermittelfabrik arbeiteten – jedenfalls wenn man der chinesischen und koreanischen Propaganda glaubte.

Und dann drehte der kleine Kim Yong völlig durch und feuerte seine nächste Atomrakete auf eine kleine Insel östlich von Seoul ab und traf stattdessen die Großstadt Incheon. Mindestens 30 000 Tote! Die Chinesen ließen Kim Jong Un fallen wie eine heiße Kartoffel, aber es war zu spät. Es war Wahlkampf in den USA und 30 000 tote Südkoreaner hieß Rache und vor allem Wiederwahl, ein guter Amerikaner hält im Krieg doch zu seinem Vaterland und zu seinem Präsidenten, hatte damals bei diesem völlig unfähigen George W. Bush Junior doch auch super funktioniert.

Vor zwei Tagen waren dann die Bomben in Hamhung eingeschlagen, der zweitgrößten Stadt Nordkoreas nach Pnom Phen. Mit bestimmt 40 000 Toten! Natürlich gab es keine Zahlen aus Nordkorea, nur Hasstiraden auf die mordlüsternen amerikanischen Kapitalisten. Aber mehr als zehntausend Chinesen waren wohl auch tot, da die Nordkoreaner irgendein übles Abwehrsystem hatten, das viele amerikanische Raketen nach Norden ablenkte. Oder war es einfach die Ungenauigkeit der amerikanischen Raketen? Egal, die Chinesen hatten die Nase voll. Entweder die USA entschuldigten sich sofort und zahlten hundert Milliarden Dollar für den Wiederaufbau oder sie würden schwerste Schritte unternehmen, was hieß, dass wahrscheinlich Amerikaner sterben würden und was das hieß, konnte sich jeder ausrechnen. Lauter neurotische Idioten an der Macht, von denen keiner das Gesicht verlieren will. Das konnte kaum noch gut gehen. Die Russen waren im Moment die lachenden Dritten und breiteten ihren Einfluss im Nahen Osten weiter aus. Das russisch unterstützte Syrien drohte offen der Türkei mit Krieg wegen ihrer Attacken auf die syrischen Kurden und die Türkei ihrerseits rief schon mal die NATO gegen die russischen Kampfjets zu Hilfe.

Jeden Tag eine weitere Horrormeldung und es läuft alles auf einen globalen Krieg hinaus. Ein Krieg mit Atomwaffen! Diese Vollidioten! Als wäre das Ende der Welt ein doofes Computerspiel, nach dem alle Figuren wieder fröhlich aufstehen.

Tommy kam die Treppe herunter.

„Papa, im Internet steht, der Präsident wird sich nicht entschuldigen, die Chinesen hätten dem Terror in Nordkorea lange genug zugesehen. Und die Chinesen sagen, dann wird man mit den gleichen Waffen zurückschlagen! Papa! Hör doch mal zu! Was liest du denn da?“

„Ich lese eine Geschichte über das Ende der Welt, Junge. Hat dieser Johannes schon vor 2000 Jahren geträumt.“

„Papa, wir müssen doch was tun. Wir müssen herausfinden, wo ein Bunker ist und Konserven kaufen. Das hast du doch bei Corona auch gemacht.“

Tommy, das ist Quatsch mit dem Bunker. Wenn wirklich ein Atomkrieg beginnt, braucht man keine Bunker mehr. 100 bis 200 der heutigen Atombomben reichen und die Erde ist so verseucht, dass alle Tiere und Pflanzen durch den radioaktiven Fallout sterben werden. Was wollen die Leute in den nächsten paar tausend Jahren essen, bis die Cäsium- und Jod-Werte soweit heruntergegangen sind, dass man an einigen Orten wieder an die Oberfläche kann? Und vor allem wird der Staub …

„Papa? Warum sagst du nichts?“

Ich saß apathisch auf der Couch. Wie sage ich einem Zehnjährigen, dass wir wahrscheinlich alle bald sterben werden?

„Papa, du hast doch erzählt, dass uns Uropa McLoard helfen wird, wenn die Welt untergeht. Wir müssen ihm schreiben.“

Uropa McLoard. Der einzige 100-Jährige in unserer Familie. Ja, ich hatte die Geschichte meinen Kindern auch erzählt. Es war eine Geschichte zum Einschlafen für unsere Kinder, die mir schon mein Vater erzählt hatte. Als Hundertjähriger ging unser berühmter Urgroßvater in den Dschungel Mittelamerikas, entschlüsselte dort die Geheimnisse der Mayapyramiden und verschwand von dort aus in den Himmel, versprach aber vorher, zurückzukommen und allen McLoards zu helfen, wenn die Welt unterging.

Die Wahrheit war, dass mein Urgroßvater tatsächlich noch mit sechzig, aber nicht mit 100 Jahren in Tikal in Guatemala eine kleine Forschungsstation bei den Pyramiden eingerichtet und ein paar Studienhefte über die Maya publiziert hatte. Eines Tages war er dann in den Dschungel spaziert und wurde nie wiedergesehen. In dem Dschungel dort gab es gefräßige Jaguare, die altersschwache Tiere gerne als leichte Beute nahmen.

Die Geschichte, dass er den McLoards versprochen hatte, ihnen zu helfen, hatte wohl mein Vater dazu gedichtet und am Schluss kam dann immer noch der Satz. „Und als ich klein war, Kinder, da kam er mich aus dem Himmel manchmal besuchen und spielte mit mir“. Schön, dass man die Kinder vor dem Gedanken an den Tod bewahren wollte, aber mussten dazu gleich Tote wiederauferstehen? Vater war vor zwei Jahren bei einem Autounfall in Edinburgh gestorben. Er musste das alles hier wenigstens nicht mehr miterleben…

„Carl?“ Meine Frau kam aus der Küche ins Wohnzimmer, während Tommy nach oben verschwand.

„Ja?“

„Carl, in 48 Stunden wollen die Chinesen zurückschlagen, wenn sich der Präsident nicht bis dahin entschuldigt. …Carl?“

„Ja?“

„Was sollen wir machen?“

Interessant, dass sie mich das fragte, meist entschied sie selbst und ich schloss mich an. Nur im Moment wusste ich keine sinnvolle Antwort.

„Wir fahren zu Uropa McLoard.“

„Was? Was soll denn der Blödsinn? Immer wenn man dich wirklich mal braucht, kommst du mit irgendwelchem Quatsch daher.“

„O.k., Fiona, jetzt mal wirklich ganz ernst. Wir können hier sitzen und am Fernseher auf das Ende der Welt warten oder es wie mein Urgroßvater machen, noch einmal etwas Tolles sehen und verschwinden.“

„Du bist doof!“

„Nein, ich bin realistisch. Wir haben hier keinen Bunker, der nächste ist in Albuquerque und bis wir dort sind, passt wahrscheinlich schon kein Mensch mehr rein. Aber es ist auch völlig egal. Niemand wird die nächsten fünfzig Jahre in einem Erdloch ohne Essen überleben.“

„Wir werden nicht sterben. Du übertreibst immer so schrecklich.“

„Du bist einfach immer optimistisch und ich nicht. Schon bei 100 Atombomben werden die radioaktiven Wolken über die ganze Welt ziehen. Cäsium 137, Iod 131, Strontium 90 und der ganze Mist. Der hochgeschleuderte Staub wird kein Sonnenlicht durchlassen. Es wird Winter werden, nuklearer Winter. Du bist doch Biologielehrerin. Wie war das vor 65 Millionen Jahren? Die Saurier sind ausgestorben und diesmal sind wir dran. Keine grüne Pflanze der Erde überlebt ohne Sonnenlicht. Erst sterben die Pflanzen, dann die Pflanzenfresser und dann die Fleischfresser. Alle Tiere und Pflanzen werden sterben. Alle! Und was willst du dann essen? Sand, Steine? Der Boden wird für viele hundert Jahre kontaminiert sein.“

„So weit kommt es nicht. Die Politiker sind ja nicht verrückt. Außerdem können die Menschen ja auch eine Zeitlang unter der Erde leben. “

„Ohne Sonnenlicht? Ohne an die Erdoberfläche zu können?“

„So schlimm wird es nicht!

„Doch! So schlimm wird es. Wir wollten doch eh in den Ferien nach Guatemala. Niemand wird das kleine Land bombardieren und der Fallout wird uns erst nach ein paar Wochen erwischen. Vielleicht halten die Urwaldbäume ja auch die Radioaktivität auf.“

„Du bist immer so sarkastisch und findest dich auch noch witzig dabei. Mit dir kann man überhaupt nicht mehr normal reden. Und das in so einer Situation. Das ist alles einfach nicht mehr lustig.“

„Ist es auch nicht. Schau mal, was auf Google News hier steht. Der Präsident will sich auf keinen Fall entschuldigen, also werden die Chinesen irgendetwas Größeres bombardieren, um nicht als zahnloser Tiger herumzustehen. Und dann werden die USA zurückschlagen und dann die Chinesen. Und selbst wenn sie es hier schaffen, den Atomkrieg zu vermeiden, dann hör dir mal die neuesten Nachrichten aus der Türkei an. Die Türken haben gerade einen russischen Kampfjet abgeschossen und dafür haben die Russen eine türkische Militärkaserne bombardiert. Ungefähr 100 Tote. Die Türkei bittet die NATO um Hilfe, da sie von Russland angegriffen wird. Und die NATO hat ihre Hilfe zugesagt!“

„Mein Gott!“

„Der hilft uns auch nicht mehr. Aber im Ernst. Wir haben vielleicht nicht mehr viel Zeit. Wir wollten doch ohnehin mal eine große Tour nach Mexiko und Guatemala machen. Also los.“

„Wie, also los? Wir haben nächste Woche zwei Vorbereitungskonferenzen für das nächste Schuljahr und ich habe noch drei Nachprüfungen. Ich kann doch nicht einfach meinen Job hinschmeißen.“

„Doch. Take your money and run. Es ist aus, vorbei.“

„Du bist verrückt.“

„Ich packe unsere Koffer. Wir machen Ferien.“

„Du bist …“

„… genial. Das wolltest du doch sagen.“

„OOH!“ Sie kochte, drehte sich um und ging grollend aus dem Zimmer, warf die Haustür hinter sich zu, dann hörte ich unseren SUV starten.

Nach einer Stunde war sie wieder da. Sie sah bleich und verheult aus.

„Mein Gott, Fiona. Was ist denn los?“

„Im Supermarkt… Die Leute haben sich geschlagen wegen ein paar Dosen. Ich habe Essen für zwei Wochen eingekauft, Konserven und Tüten, aber viele Sachen waren einfach schon weg. Die Leute sind alle voll in Panik. War das ernst mit Guatemala?“

„Ja, das war mein Ernst. Lass uns fahren, Fiona.“

„Im Radio sagen sie, die Straße nach Albuquerque ist dicht, alles voller Autos.“

„Sie wollen alle in den Bunker. Wir nehmen einen anderen Weg. Fiona, lass uns wegfahren. Noch einmal etwas Schönes sehen. Tommy freut sich schon ewig darauf, den Platz zu sehen, wo Uropa McLoard verschwunden ist. … Hm, aber was machen wir mit Annabel? Im Moment scheint sie ja gerade keinen festen Freund zu haben, oder?“

„Ich weiß es nicht. Jeff?“

„Jeff? Wirklich den doofen Jeff?“

„Nein. Vielleicht Jordan?“

„Nein. Jordan war doch letztes Jahr, oder?“

„O.k. Ich weiß es auch nicht. Ich hole die Kinder.“

Fünf Minuten später war große Lagebesprechung im Wohnzimmer. Annabel hatte die Arme vor der Brust verschränkt, ihr Gesicht sprach Bände: Was wollen die Eltern schon wieder von mir? Lasst mich in Ruhe.

Die Mädchen unserer Nachbarn sind auch in der Pubertät. Laut ihrer Mutter redeten sie zu Hause fast nichts, igelten sich in ihren Zimmern ein, gingen höchstens mal shoppen, standen ständig vor den Spiegeln und träumten wahrscheinlich von ihrem Märchenprinzen. So hatte ich mir das auch vorgestellt. Aber Annabel war kein normales Mädchen. Sie war schon immer mehr ein Junge gewesen und manchmal meinte man das Adrenalin durch ihr Blut rauschen zu hören: Laut, ständig aggressiv, nie mit etwas zufrieden, was ihre völlig altmodischen Eltern machten, und mit Ausdrücken um sich werfend, für die wir uns früher in Grund und Boden geschämt hätten.

„Also Kinder. Wir machen Urlaub und fahren nach Guatemala.“

„Cool! Ich pack‘ meinen Koffer.“ Das war Tommy.

Annabel ging erwartungsgemäß ab wie eine Rakete. „Ihr seid doch komplett verrückt. Könnt ihr nicht einmal normal sein wie alle anderen Eltern? Was wollen wir denn in diesem Scheiß-Guatemala? Vielleicht kommt wirklich dieser Scheiß-Atomkrieg und wir sind dann in einem Kack-Entwicklungsland ohne Krankenhäuser. Ohne irgendjemanden, der uns hilft. Ich fahre nicht mit! Das könnt ihr vergessen!“

„Jep, fast korrekt. Nur das ‚vielleicht‘ kannst du streichen. Mit 99%iger Wahrscheinlichkeit bekommen wir einen Atomkrieg und da ist es besser, nicht in einem Land zu sein, auf das sehr viele Atombomben fallen werden, oder? Wir fahren möglichst weit weg.“

„Und wie kommen wir bitte zu diesem Guatemala? Ich dachte, alle Interkontinental-Flüge wären abgesagt.“

„Wer sagt denn hier was vom Fliegen? Wir fahren. Von Bernalillo nach Flores sind es gerade mal 2000 Kilometer. In zwei Tagen sind wir da.“

„Und was machen wir dann dort?“

„Wir suchen Uropa McLoard“, rief Tommy begeistert.

„Natürlich Tommy, und wir schauen uns die Pyramiden dort an.“

„Pyramiden? Uropa McLoard?“ Annabel war am Platzen.

„Ja, wir fahren wegen der Pyramiden dorthin und nicht wegen irgendwelcher sonnengebräunten hübschen Guatemalteken.“

„Ihr seid soo doof! Ich gehe nicht mit!“

Und schon verschwand sie nach oben in ihr Zimmer. Das Leben mit pubertierenden Jugendlichen war schon schwer.

„Warum musst du sie auch immer so aufziehen?“ Fiona schaute mich grimmig an. „Jetzt darf ich schauen, dass ich sie wieder runterbekomme.“

Ich ließ die Schultern sinken. Ich hatte vergessen, dass Jugendliche zwar munter austeilen konnten, aber nicht die kleinste Stichelei vertrugen. Fiona atmete tief durch und machte sich auf den Weg nach oben.

„Gut, ihr beiden Männer packt schon mal zusammen. Ich kümmere mich um Annabel. Abfahrt in zwei Stunden.“

„O.k.“, antworteten Tommy und ich gleichzeitig.

So weit zu meiner Führungsfunktion in der Familie. Immerhin hatten sie sich tatsächlich zu meiner verrückten Idee hinreißen lassen.

Nach sechs Stunden hatte sich alles verändert. Der russische Präsident drohte der NATO mit einem Atomschlag, sollte die türkische Armee auch nur eine weitere MIG abschießen und über das Radio diskutierten Prominente die Anweisungen, wie man sich bei einem Atomangriff verhalten sollte. Scheiße!

Wir hörten die Nachrichten im Autoradio, auf der Straße von Albuquerque nach El Paso. Mit 80 Meilen pro Stunde brausten wir in Richtung mexikanische Grenze. Wieviel Zeit blieb uns noch?

Annabel

„Hi Linda.“

„Hi, Anna.“

„Was geht?“

„Wir machen Urlaub.“

„Was? Ihr seid echt cool. Meine Alten wollen unbedingt nach Albuquerque in den Bunker. Die haben voll die Angst vor einem Atomkrieg. Völlig abgedreht.“

„Meine haben auch Angst. Deswegen fahren wir ja weit weg.“

„Echt? Wo fahrt ihr denn hin?“

„Nach Guatemala, die Ruinen der Mayas ansehen. Tommy hat so einen totalen Spleen drauf und Papa hat es ihm mal versprochen.“

„Dann bist du am Freitag nicht am Highway Horizon, oder?“

„Ne, wir bleiben wahrscheinlich… Warte mal, …. Papa, wann kommen wir zurück?“

„So schnell nicht.“

„Krasse Antwort. Sag mal.“

„Kann ich nicht, ich muss fahren.“

„Also keine Ahnung, wie immer. Linda, ich weiß es nicht. Ich denke in so zwei, drei Wochen.“

„Oh Scheiße, dann kommst du auch nicht zu Joshs Geburtstag?“

„Weiß nicht.“

„Hey! Was macht ihr da?“

„Linda?“

„Ihr könnt doch nicht einfach meine Sachen packen! Sorry Anna, ich muss auflegen. Die packen doch tatsächlich meine Sachen, die wollen in den Bunker… Ihr spinnt wohl, das ist meine …“

„Was sagt denn deine Linda?“, rief Papa vom Fahrersitz nach hinten.

„Ihre Eltern wollen, dass sie mit in den Bunker geht.“

„Scheiße. Der ist bestimmt längst voll.“

„Ihr macht hier alle die volle Panik, nur weil ihr irgendwelche blöden Science-Fiction-Filme gesehen habt. Ich will nach Hause.“

Nicht zum Highway Horizon, o.k., das ließ sich verschmerzen, aber Joshs Partys, die waren legendär. Wenn seine Eltern nicht zu Hause waren … und sie könnte ja sagen, dass sie bei Linda übernachtete. Josh hatte angeblich sogar Gras … Das würde sie natürlich nicht probieren, höchstens ein cooles Video von allen machen, wenn die high oder besoffen waren. Hm, und Darren, der coole Typ aus Joshs Community würde bestimmt auch kommen. Oh Fuck. Scheißpolitik, Scheißatomkrieg. Diese ganzen alten Säcke sollten sich doch gegenseitig abknallen und einen in Ruhe lassen.

„Papa, dreh endlich um. Ich will wieder nach Hause!“

Carl

„Annabel, gib jetzt endlich Ruhe. Schau, da ist schon die Grenze. Fiona, hast du die Pässe?“

„Hier.“

„Was zum Teufel?“

Wir hätten es uns denken können. Bei einem Volk von 350 Millionen waren wir nicht die Einzigen, die die Idee hatten, möglichst weit weg zu fahren, vor der Katastrophe zu fliehen. Eine riesige Autoschlange wollte raus, raus aus den USA. Und auf der anderen Straßenseite? Kein einziges Auto, keine Mexikaner, Guatemalteken, Honduraner oder sonst welche Latinos. Nichts. Keine legalen oder illegalen Arbeitsimmigranten, die verzweifelt hofften, einen armseligen Job als Putzfrau oder Erntehelfer in den USA zu bekommen. Auch in Mexiko hörte man Nachrichten. Jetzt mussten wir nur hoffen, dass die Mexikaner uns reinließen.

Es dauerte fast eine Stunde, bis wir durch waren. Die Straßen waren voll und alles rollte Richtung Mexiko City. Aber wir wollten weiter, vorbei an der größten Stadt Lateinamerikas, immer weiter. Dann bei Veracruz ein ewiges Stopp und Go. Irgendein Unfall. Es ging gar nichts mehr, nur noch Stau. Wir beschlossen nach Süden auszuweichen. Am Pazifik waren die Straßen zwar schlechter, aber es war kaum Verkehr.

Noch 34 Stunden bis zum Ablauf des Ultimatums. Die türkische Armee rückte in die Kurdengebiete im Norden Syriens ein und wurde aus der Luft von russischen Flugzeugen bombardiert. Ein weitere russische MIG wurde abgeschossen.

Die Nacht brach herein. Grenzübergang El Carmen. Wir hatten endlich Guatemala erreicht, allerdings am Pazifik, nicht bei Yucatán wie geplant. Gleiches Bild wie an der mexikanischen Grenze. Wo sonst Immigranten versuchten, nach Mexiko durchzukommen, war im Moment auf der guatemaltekischen Seite kein Mensch zu sehen. Niemand, der sich durch Mexiko durchschlagen wollte, um dann ins Land der glorreichen Verheißung zu kommen. Wer wollte denn schon dahin, wo der nächste Weltkrieg beginnen würde? Nicht der nächste, dachte ich, der letzte.

Die Straßen wurden immer schlechter. Gottseidank hatten wir den alten Diesel genommen, denn hier gab es kaum E-Tankstellen, nicht einmal in den größeren Städten. Wo zum Teufel waren denn die Ortsschilder? Konnte man denn nicht wenigstens an größeren Ortschaften ein Ortseingangsschild aufstellen? Das Navi fing an zu spinnen. Die Handys hatten keinen Empfang. Einfach der breitesten Straße folgen. Wo waren plötzlich all die amerikanischen Autos hin?

Ich wurde müde, hundemüde. Zum Teufel, warum waren Tikal oder Flores nicht ausgeschildert? Immer nur Ciudad de Guatemala. Ich musste mich an der Tankstelle durchfragen.

„Excuse me. Where are we?”

„Here Nahualá.“

„O.k. Fiona, findest du das in deinem Führer?“

„Nein, aber ich glaube, wir sind an Quetzaltenango vorbei. Wir hätten abzweigen müssen.“

“Excuse me. How do we get to Flores?”

“Lo siento. No understand.”

“Para ir a Flores, ¿cómo vamos?” Fionas Spanisch war entschieden besser als meines.

“¿Flores en Petén? Pero hombre, está muy lejos.”

“Es ist weit, das weiß ich. ...Ya sé. Pero cómo voy?”

“Usted va todo derecho a la capital y después a Morales. Pero está muy lejos.“

Dieser lateinamerikanische Singsang ging mir langsam auf die Nerven

„Mejor usted va en avión.”

Ich sah ihn verständnislos an. Fiona sprang wieder ein. “En avión?”

“Sí, de la capital.”

„De Guatemala City?“

„Sí.“

„Was ist los? Was sagt er?“

„Er meint, wir sollen nach Guatemala City und dort mit dem Flugzeug nach Flores.“

„Das ist doch Blödsinn. Wer weiß, ob Flugzeuge überhaupt noch fliegen.“

“Señor, a lo mejor, usted vuelve a Huehuetenango, y va por Santa Cruz…”

Er nuschelte immer weiter vor sich hin. Ich war so müde. Ich konnte ihm einfach nicht mehr folgen. Es wurde langsam dunkel. Wir mussten irgendwo schlafen, irgendwo zur Ruhe kommen.

„Excuse me. Un hotel, un hotel para turistas aquí?”

Eine nachdenkliche Miene. “Aquí, sí hay hoteles, pero para turistas mejor se va a Panajachel.”

“Panahatschel? ¿Cuántos kilómetros?

“Ah, más o menos 30. Sigue la carretera a la derecha.”

“Bueno. Nos vamos allí, gracias, muchas gracias.”

Die Straßen waren der reine Horror, riesige Schlaglöcher und sowas nannte sich Panamericana. Schneller als 60 km war lebensgefährlich. Ich musste aufpassen, durfte nicht einschlafen. Dann endlich dieses Panajachel. Und Fiona lotste mich zu einem kleinen Hotel. Ein Bett. Ich brauchte unbedingt ein Bett.

Fiona

Er hätte nicht mehr fahren sollen. Er war doppelt so lange gefahren wie ich. Aber typisch Mann. Immer musste er beweisen, wie stark er war. So ein Verrückter. Wir waren ein paar Mal fast im Straßengraben gelandet. Aber dieses Panajachel war ja ein Traum. Der Vollmond erleuchtete das Tal und das Städtchen. Eine Reihe bunter Häuser, die sich an die Berge anschmiegten, ein großer glitzernder See und an seinen Seiten ragten drei Vulkane aus der grünen Landschaft. Der Weltuntergang? Das konnte doch nicht sein.

Annabel und Tommy hatten schon im Auto geschlafen und waren in ihre Betten gewankt. Carl war auch gleich ins Bett gefallen. Ich konnte noch nicht schlafen. Ich musste herausfinden, wo ich überhaupt war, und schlich zur Tür hinaus. Wunderhübsche, bunte, ziegelgedeckte Häuser, gerade einmal einoder zweistöckig, eine gepflasterte Hauptstraße. Es wurde dunkel, aber der Vollmond gab ein fahles Licht. Der See, ich wollte an diesen großen dunklen See.

Fünf Minuten später saß ich an der Landungsbrücke. Es gab drei Ausflugsboote. Der Mann an der Tankstelle hatte recht gehabt, das war ein Touristenort, aber sehr viele Touristen konnten es wohl nicht sein, denn auf keines der Schiffe passten mehr als 20 Leute.

So ist das also: Man sitzt am Wasser und schaut über den stillen See auf die dunklen Vulkane auf der anderen Seite, man lauscht dem plätschernden Geräusch des Wellenschlags gegen die Holzplanken, während die ganze Welt in einer gewaltigen Katastrophe untergeht. Das konnte doch nicht wahr sein. Irgendjemand würde morgen bestimmt „Stopp“ sagen und den Wahnsinn beenden. Ich will noch nicht sterben und ich werde auch nicht sterben. Meine Kinder werden leben. Und wenn wir uns im Dschungel durchschlagen müssen. Ich blickte nach oben. Der Sternenhimmel hier war gigantisch, die Luft unheimlich klar. Ich fröstelte. 11 Uhr abends. Ich sollte auch schlafen gehen. Morgen früh sah die Welt vielleicht schon wieder ganz anders aus.

Tommy

Das Hotel ist mega, einfach geil. Es gibt ein Büfett und man kann sich nehmen, was man will. Der Kakao ist saulecker und es gibt Croissants mit Nutella drin.

„Mama, Tommy isst schon sein drittes Croissant.“

Blöde Petze. „Na und, ich muss doch viel essen, damit ich größer werde als du.“

„Das schaffst du nie, du Zwerg.“

„Wetten, in zwei Jahren habe ich dich. Du wächst ja nicht mehr. Du wirst nur noch fett.“

„Mama, der holt sich noch mehr.“

„Annabel, lass ihn, wer weiß, wo wir das nächste Essen bekommen und das Frühstück ist inklusive.“

Haha, siehst du. Annabel, du magersüchtige doofe Zicke. Genauso wie die Annabel bei Percy Jackson. Warum hatte der Typ gestern bei Fortnite eine Lasergun bekommen? Wo war die versteckt? Diese Typen spielten den ganzen Tag und hatten das voll raus und er mit seiner einen Stunde Handyspielen pro Tag… Da hatte man einfach keine Chance.

„Hey, das ist mein Kuchen.“

„Pech gehabt, Tommilein, das war der letzte.“

„Du Mistkröte!“

„Selber Mistkröte!“

„Tommy und Annabel, gebt endlich Ruhe. Tommy, komm her, du kannst meinen Kuchen haben.“

Carl

Ich war wieder einigermaßen fit und die Familie fühlte sich wie im Urlaub an. Über Nacht hatte sich scheinbar auch nicht viel getan. Die NATO hatte Kampfflugzeuge nach Incirlik verlegt, aber die Russen gaben scheinbar Ruhe. Dagegen hatten die Chinesen wohl nicht 10 000, sondern nahezu 12 000 Tote und das chinesische Fernsehen brachte nur heulende Menschen und Leichen, aber keine konkreten Zahlen. Dazwischen immer wieder Aufnahmen ihrer großartigen Armee. Sie wiederholten ständig das Ultimatum. Noch 26 Stunden! Oh, verdammt, du blöder Präsident, gib ihnen alles, wirf dich vor ihnen auf die Knie, aber vermeide diesen wahnsinnigen Krieg!

„Papa, wann fahren wir zu Uropa McLoard?“

„Wir fahren nach dem Frühstück, Tommy.“

„Kann ich noch eine Runde spielen? Nur Brawlstars, bitte!“

„Na gut, eine halbe Stunde ist o.k.“

„Carl?“

„Ja?“

„Wollen wir nicht lieber hier bleiben? Dieses Panajachel ist wirklich ein schönes Städtchen und …“

„Nein, Papa! Ich habe es gehört! Ich will zu Uropa McLoard! Du hast es versprochen, Papa. Versprochen ist versprochen!“

„Ja, Tommy, ist gut, wir fahren ja in einer halben Stunde. Du wolltest doch gerade spielen.“

„Aber wir fahren!“

„Ja, Tommy.“

Eine Stunde später war es eher schleichen als fahren. Die Straße nach Guatemala City war völlig verstopft und in der Hauptstadt selbst gab es laut Google Unruhen, gab es Plünderungen. Die Menschen dort hatten auch alle Internet und sahen die Bilder aus den USA. Sie hatten Angst.

„Wir können einen anderen Weg nach Tikal nehmen, über die Berge, Carl.“

„Ist das ein Umweg?“

„Nein. Das ist sogar viel kürzer. Aber die Straßen sind wahrscheinlich schlechter.“

„Viel schlechter als die hier können sie auch nicht sein. Wo muss ich ab?“

Zwei Stunden später verfluchte ich meine Entscheidung. Die Straße von Quetzaltenango nach Guatemala City war schlecht ausgebaut gewesen, diese hier die reine Katastrophe. Erst kurvte man über endlose Serpentinen nach oben, dann auf der anderen Seite der Berge wieder nach unten. Es war kaum mehr Teer zu sehen, nur noch Beton, Stein und Schlammpiste. Durchschnittsgeschwindigkeit ca. 40 km! Und wenn ein Laster oder ein Bus entgegenkam, musste man stehen bleiben oder rückwärts fahren.

„Was jetzt?“

„Keine Ahnung. Einfach weiter.“

„Papa, ich muss auf Toilette.“

„Gut, Annabel. Ich halte an.“ Ich brauchte ohnehin eine Pause.

„Papa, warum hältst du denn hier an? Hier ist doch gar nichts.“

„Du hast doch gesagt, du musst auf Toilette, oder?“

„Hier ist aber keine Toilette. Hier ist nichts. Nur Bäume.“

„Genau. Und du musst auf Toilette. Also mach‘s wie Tarzans Jane und ab in den Dschungel.“

„Du …, oh, grr…, hättest du nicht woanders halten können?“

Sie stieg aus, warf mir einen wütenden Blick zu und stapfte wortlos in den Dschungel. Dschungel war ja eigentlich nicht die richtige Bezeichnung, aber der Nebelwald an den Rändern des Küstengebirges war für uns auch schon Dschungel. Bäume, die wir nicht kannten, riesige grüne Abhänge und Stille, nichts außer dem Gekrächze von ein paar Vögeln, denen wir wohl als Eindringlinge in ihr Revier galten.

Ich grinste und stieg auch aus, ich musste mir dringend mal die Beine vertreten.

Immerhin hatte ich gegen Annabel gewonnen. Wo blieb sie denn jetzt so lange? Vielleicht hätte ich sie doch nicht allein in den Dschungel gehen lassen sollen?

„Carl?“ Fiona saß auf dem Beifahrersitz und hörte Radio.

„Ja?“

„Der Präsident hat den Chinesen Wiederaufbauhilfe versprochen.“

„Hat er sich entschuldigt?“

„Nein, aber er hat 500 Millionen versprochen.“

„Gut. Sind zwar keine 100 Milliarden, aber vielleicht hilft es ja.“

Annabel kam aus dem Busch zurück und zog ihre Hose zurecht. Eigentlich war sie ein hübsches Mädchen mit ihrem dicken welligen braunen Haar, das ich an ihrer Mutter auch so liebte. Aber diese Hose war baggy ohne Ende, dabei war die Mode doch längst out. Na ja, alles besser als diese endlosen Hotpantsdiskussionen vom letzten Jahr. Sie bemerkte, dass ich sie ansah. Und sofort wieder dieser aggressive Ton.

„Was ist los? Warum starrst du mich so an? Fahren wir jetzt endlich wieder zurück?“

„Nein, wir fahren nach Flores. Wenn es keinen Krieg gibt, machen wir hier Urlaub und wenn nicht, erwischt uns der Fallout erst später.“

Fiona funkte dazwischen: „Carl, vielleicht hast du doch zu viele Weltuntergangsfilme gesehen. Die Politiker sind nicht so verrückt. Sie regeln das Ganze.“

Hatten die beiden recht? Übertrieb ich einfach? Hatte ich meine Familie überhastet in die Ferne gezerrt? Allerdings gefiel es mir hier. Was sollte es?

„Wir fahren weiter. Wir müssen doch eh bald unten sein.“

Es wurde immerhin hügeliger. Ich wurde von dem ewigen Geschaukel müde, sehr müde. Schließlich ließ ich Fiona fahren.

Fiona

Dieser Mann war einfach starrsinnig. Wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, zog er es durch, so verrückt es war. Das hieß, solange ich ihn nicht stoppte. Und das hatte ich schon ein paar Mal tun müssen, sonst säßen wir nicht hier in einem komfortablen Auto, sondern würden irgendwo unter einer Brücke dahinvegetieren.

Sein großer Plan, ein eigenes Unternehmen zur Vorwarnung bei Erdbeben aufzubauen, obwohl es die nationale Behörde dafür gab… Ja, aber die würden ja immer viel zu spät warnen und sein Chef wäre so uneinsichtig… Gottseidank gab es mich, sonst hätte er unser ganzes Erspartes in so einen Wahnsinn gesteckt. Und dann hatte er für seine Ideen doch eine Gehaltserhöhung erhalten und durfte an drei Wochentagen Homeoffice machen.