Gala der Herzen - Natalie Anderson - E-Book

Gala der Herzen E-Book

Natalie Anderson

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Beschreibung

Streng bestimmt die Königsfamilie: Die lebensfrohe Prinzessin Lissa soll als Assistentin des Unternehmers James Black endlich den Ernst des Lebens kennenlernen. Als sie für ihn eine Gala organisiert, glaubt sie: Jetzt wird James sie dankbar küssen! Doch auch Prinzessinnen irren …

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IMPRESSUM

Gala der Herzen erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Thomas BeckmannRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2009 by Harlequin Books S.A. Originaltitel: „Ruthless Boss, Royal Mistress“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIABand 1925 - 2010 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: Gudrun Bothe

Umschlagsmotive: Creatas, iwanara-MC / ThinkstockPhotos

Veröffentlicht im ePub Format in 03/2017 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733776879

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

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1. KAPITEL

James lehnte sich in seinem Stuhl zurück und fuhr sich müde mit den Händen über die Augen. Heute Morgen war er um kurz nach fünf Uhr mit seinem Flieger aus Kuala Lumpur in Sydney gelandet. Von dort hatte er ein Taxi zu seinem Büro genommen, wo er sich kurz duschte und umzog, ehe er sich wieder an den Schreibtisch setzte.

Inzwischen hatte er einiges an Korrespondenz, die während seiner Abwesenheit angefallen war, durchgeschaut und sich Notizen dazu gemacht. Jetzt sehnte er sich nach einer zweiten Tasse Kaffee und etwas Handfesterem, als dem gummiartigen Muffin, den er während des Fluges gegessen hatte.

Deshalb horchte er erfreut auf, als aus dem Vorzimmer zu seinem Büro plötzlich Geräusche drangen. Bridget, seine Sekretärin … endlich! Ein wenig später als gewohnt, wie ihm ein rascher Blick auf die Uhr verriet, aber das störte James nicht, weil sie ansonsten eine echte Perle war. Zumindest bisher …

Mit mutwilligem Grinsen nahm er den Stapel Post und einen Report vom Schreibtisch, marschierte zur Tür und stieß sie auf. „Hallo Bridge, haben Sie sich etwa alle zehn Finger gebrochen? Die Quote der Tippfehler in diesem Machwerk ist beachtlich. Ich kann das Geschreibsel kaum entziffern.“

Er schaute von dem Schriftstück auf, das ihn eben so amüsiert hatte, und blieb wie angewurzelt im Türrahmen stehen. Verblüfft starrte er die schöne Fremde an, die sich langsam von ihrem Platz hinter dem Schreibtisch erhob.

Sie war groß, schlank, dunkelhaarig … verdammt sexy … und nicht …

„Nicht Bridget!“, entfuhr es ihm laut.

„Nein, das bin ich nicht.“ Ihre gelassene Stimme wies einen schwachen Akzent auf, aber nicht eine Spur von Verlegenheit oder gar Schuldbewusstsein.

Und unversehens fühlte sich James seines ansonsten messerscharfen Verstandes und klaren Denkvermögens beraubt. Wie betäubt starrte er auf die hinreißendste Frau, die jemals seinen Weg gekreuzt hatte. Das einzige Wort, das sich in seinem umnebelten Hirn formte, war: WOW …

Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis sein normaler Herzschlag wieder einsetzte. Und als es so weit war, ging James wie magisch angezogen auf den Schreibtisch zu. Mit jedem seiner Schritte vertiefte sich die zarte Röte auf den Wangen der fremden Schönheit.

„Ich … ich bin …“

„Prinzessin Elissa …“ Offenbar hatten seine grauen Zellen wieder ihre normale Funktion übernommen. Erst wenige Wochen war es her, dass er ihrem Bruder Alex versprochen hatte, ihr einen Job in seiner Firma zu verschaffen, es allerdings über der wichtigen Auslandskonferenz wieder vergessen. Die Prinzessin musste inzwischen seit … etwa einem Monat hier in Sydney sein.

James kam sich vor wie ein dummer Schuljunge, weil er einfach nicht die Augen von ihr lassen konnte. Dabei kannte er sie von Fotos, die regelmäßig in unzähligen Zeitungen, Magazinen und TV-Sendungen veröffentlich wurden. Allerdings hätte er nie vermutet, dass sie in Wirklichkeit noch umwerfender aussah! Meist verloren diese Modeltypen in der Realität beträchtlich an Zauber, sobald die richtige Beleuchtung, tonnenweise Make-up und eine entsprechende Bildbearbeitung am PC fehlten.

Doch keine noch so perfekte Hochglanzaufnahme hatte die tanzenden Lichter in ihren wundervollen schokobraunen Augen wiedergeben können oder war dem faszinierenden Farbspiel der langen dunklen Haarmähne gerecht geworden, die ihn einzuladen schien, seine Finger in ihrer seidigen Fülle zu vergraben. Und erst recht hatte ihn kein Foto auf die Perfektion ihres Körpers vorbereitet. Schlank, biegsam und gleichzeitig mit herausfordernd weiblichen Kurven versehen …

„Bridget ist im Urlaub. Man hat mir gesagt, ich solle so lange ihren Platz einnehmen.“

James nickte, zu sehr damit beschäftigt, Elissa anzustarren, um ihr antworten zu können.

„Ich … ich werde den Report gleich noch mal tippen“, bot sie mit brennenden Wangen an und streckte die Hand nach den Papieren aus.

Das brachte ihn endlich auf den Boden zurück. Irgendetwas drängte James dazu, ihr offensichtliches Unbehagen zu mildern. „Wahrscheinlich sieht die europäische Tastatur etwas anders aus?“

„Genau.“ Einen Herzschlag lang begegneten sich ihre Blicke, dann senkte die Prinzessin rasch die Lider und wollte ihm den Report abnehmen. Doch James war so fasziniert von ihr, dass er es erst merkte, als Elissa energisch an dem Papierstapel zog, den er immer noch festhielt. Sofort ließ er los und wandte sich im gleichen Moment irritiert ab.

Viel zu lange hatte er sie bereits angestarrt und sich dabei ziemlich lächerlich gemacht. Aber Alex’ Schwester so unerwartet in natura vor sich zu sehen, war ein echter Schock für ihn gewesen. Was für ein Prachtweib! fuhr es ihm ungebeten durch den Kopf, und bereits in der nächsten Sekunde ärgerte er sich über die ungewohnte Verwirrung, in die ihr Anblick ihn stürzte.

Zur Hölle, er musste erschöpfter sein als gedacht! Dieser verflixte Jetlag!

Unwillig schüttelt James den Kopf und kehrte in sein Büro zurück. Dabei wunderte er sich insgeheim, dass Prinzessin Elissa, die ein Leben lang im Licht der Öffentlichkeit stand, und keineswegs als schüchtern galt, derart liebreizend erröten konnte.

Egal! Auf jeden Fall war sie nichts für ihn. Zu schön, und sich dessen zu verdammt bewusst, lautete sein Urteil. Eine Frau, von der jeder Mann träumte, und die es gewohnt war, die Aufmerksamkeit eines jeden Mannes zu wecken.

Doch James Black war niemand, der gern teilte …

Mit leisem Zischen stieß Lissa den Atem aus, den sie so lange angehalten hatte, bis die Tür hinter ihrem neuen Boss ins Schloss fiel. Dann warf sie sich in ihrem Stuhl nach hinten, und verdrehte die Augen gen Himmel.

Das war also James Black?

Aus irgendeinem Grund hatte sie sich ihn als Endfünfziger mit schütterem Haar und leichtem Bauchansatz vorgestellt. Aber nicht im Traum als einen durchtrainierten Adonis von höchstens Anfang dreißig, mit kurzem, widerspenstigen braunen Haar und einem derart verführerisch goldenen Schimmer in den funkelnden Augen, dass sie an sich halten musste, ihn nicht mit schmachtendem Blick anzuhimmeln wie ein alberner Teenager.

Sie hätte sich vorher besser informieren sollen. Und vor allem einen Erste-Hilfe-Sekretärinnen-Schnellkurs auf dem Flug von Aristo hierher durchackern müssen.

Dies war ihre letzte Chance … zumindest die letzte, die sie sich selbst einräumte, um zu beweisen, dass sie mehr war, als das wilde Party-Girl, das alle anderen in ihr sahen. Wenn sie hier scheiterte, wollte sie nie wieder nach Aristo zurückkehren und ihrer Familie unter die Augen treten, sondern irgendwo anders hingehen und dort ihr Dasein fristen …

Aber das würde sie nicht zulassen. Hier, in Sydney, wartete ein neues Leben auf sie! Dieser Job war ihre Erfüllung, das spürte Lissa plötzlich mit jeder Faser.

Na super! verspottete sie sich selbst. Und was für einen beeindruckenden Start du hingelegt hast! Erst den Report zu verstümmeln und dann auch noch rot zu werden wie ein Schulmädchen? Sonst wurde sie nie rot!

Aber wie hätte Lissa auch damit rechnen können, dass ihr Boss mit diesem umwerfenden Lächeln und dem humorvollen Zwinkern in den bernsteinfarbenen Augen aus seinem Büro zu ihr an den Schreibtisch kam? Ebenso wenig, wie sie erwartet hatte, bei seinem Anblick von einer gigantischen Woge des Begehrens erfasst zu werden, die sie fast umwarf!

Immer noch verstört versuchte Lissa, einen eingehenden Anruf anzunehmen und ins Chefzimmer weiterzuleiten, was aber danebenging. So musste sie peinlicherweise Katie, die Rezeptionistin, bitten, ihr erneut die Telefonanlage zu erklären. Dabei hatte sie sich die einzelnen Schritte extra aufgeschrieben, konnte den Zettel in ihrer momentanen Verwirrung aber nicht finden. Immer wieder stellte sie versehentlich den Anrufbeantworter an, anstatt das Gespräch weiterzuleiten. Oder noch schlimmer, sie kickte den Anrufer gleich aus der Leitung!

Dabei bereitete ihr die Bedienung ihres ultramodernen Handys ebenso wenig ein Problem, wie die Handhabung ihres unentbehrlichen elektronischen Organizers. Wahrscheinlich lag es einfach an diesem seltsamen australischen System.

Katie und Lissa waren noch in eine angeregte Diskussion über die Tücken der Technik vertieft, als James erneut aus seinem Büro kam.

„Willkommen daheim, James“, begrüßte seine Rezeptionistin ihn mit einem strahlenden Lächeln, das er wesentlich zurückhaltender erwiderte.

„Danke, Katie. Ich hole mir im Coffeeshop nebenan einen Kaffee und bin in spätestens zwanzig Minuten zurück. Ist bis dahin der neu getippte Report fertig?“, wandte er sich an Lissa.

„Natürlich“, behauptete die mit mehr Überzeugung, als sie empfand. Aber das sagte sie schon zu seinem Rücken, da James einfach weitergegangen und längst bei der Tür angelangt war, die sich kurz darauf hinter ihm schloss.

Katie seufzte ekstatisch und markierte eine Ohnmacht. „Er ist wieder da …!“, hauchte sie entzückt. „Ganz schön sexy, oder? Und du Glückliche sitzt den ganzen Tag direkt vor seiner Bürotür auf dem Präsentierteller!“

Lissa nickte vage, nicht unbedingt darauf erpicht, den unleugbaren Erotikfaktor ihres neuen Bosses zuzugeben oder sich sonst wie am Büroklatsch zu beteiligen. Stattdessen analysierte sie lieber im Stillen James Blacks Reaktion auf Katies mehr als liebenswürdige Begrüßung. Dabei kam Lissa zu dem Schluss, dass sein Lächeln, das er ihr schenkte – weil er sie für seine Sekretärin hielt – sehr viel wärmer ausgefallen war. Jetzt musste sie nur noch mehr über diese geheimnisvolle Bridget herausfinden und …

„Aber Vorsicht!“, warnte Katie sie mit dramatischem Augenrollen. „Er ist sehr launenhaft!“

Fragend hob Lissa die fein geschwungenen Brauen. Katie lächelte listig, und spätestens jetzt wusste Lissa, wen sie fragen musste, wollte sie etwas über die Firma oder irgendeinen der Mitarbeiter wissen.

„Lass dich auf keinen Fall von seinem Charme einwickeln! Er hält absolut nichts von festen Beziehungen.“

„Nicht …?“ Lissas Interesse verebbte.

Während sie sich demonstrativ ihrer Arbeit zuwandte, plapperte Katie munter drauflos. „Maximal drei Tage, dann ist es vorbei.“

„Kannst du mir noch ein letztes Mal erklären, wie ich ein Gespräch durchstelle?“, brachte Lissa sie erfolgreich von ihrem offensichtlichen Lieblingsthema ab.

Katie lachte. „Hier … und hier drücken. Das hast du schnell raus. Wahrscheinlich bist du einfach nicht an derartige Arbeiten gewöhnt.“

Das konnte Lissa blind unterschreiben. Aber was blieb ihr für eine Wahl, wenn Alex ihren Treuhandfond sperrte, bis sie ihm bewies, dass sie ihr täglich Brot selbst verdienen konnte? Und zwar in einem Job, den er ausgesucht hatte.

Elissa, das enfant terrible der königlichen Familie … ans Ende der Welt verbannt! Aus den Augen, aus dem Sinn. Das Ganze verlief so schnell und reibungslos, dass Lissa ziemlich betroffen und gekränkt gewesen war, obwohl sie es sich nicht hatte anmerken lassen.

Nach dem Tod ihres Vaters war sie aus Paris heimgekehrt und wollte eigentlich in Aristo bleiben. Sie überlegte sogar, wie sie sich zu Hause nützlich machen könnte! Doch anstatt ihr entgegenzukommen, brachte man sie in einem gemieteten Apartment in Sydney unter! In einem Wohnkomplex, der ihrem neuen Boss gehörte, wie sie schnell herausfand. Und nach der ersten Mietüberweisung musste sie schockiert feststellen, dass von ihrem schmalen Gehalt nur noch ein Bruchteil übrig blieb, um ihre sonstigen Lebenskosten zu bestreiten.

Zum ersten Mal in ihrem Leben war Prinzessin Elissa Karedes gezwungen, ihre Brötchen selbst zu verdienen, ihre Ansprüche herunterzuschrauben und Verantwortung zu übernehmen. Sie wollte es unbedingt schaffen … und wenn nur, um sich und den

anderen zu beweisen, dass sie dazu ebenso fähig war, wie jeder von ihnen. Vielleicht würde sich dann sogar deren schlechtes Gewissen melden, und sie durfte wieder nach Hause kommen …

Dieser Möglichkeit wollte sie sich auf keinen Fall selbst berauben, indem sie unangebrachte Gedanken bezüglich ihres neuen Bosses wälzte!

„Er wird in einer Minute zurück sein, und du hast noch nicht mal angefangen, den Report zu tippen“, erinnerte Katie sie.

„Oh nein …!“

James wünschte, er hätte seine Bürotür hinter sich geschlossen, aber das tat er nie. So konnte er Bridget einfacher herbeizitieren, wenn er irgendetwas von ihr wollte.

Insgeheim fürchtete er sich schon jetzt vor dem Tag, an dem seine überaus kompetente Sekretärin ihm eröffnen würde, dass sie schwanger sei. Und wenn er sich nicht schwer irrte, würde er darauf wahrscheinlich gar nicht allzu lange warten müssen, eingedenk der romantischen Kreuzfahrt, zu der sie gerade mit ihrem Gatten aufgebrochen war. Doch selbst darüber konnte James sich jetzt keine Gedanken machen, weil er sich zuerst mit dieser … Granate von Ersatzsekretärin auseinandersetzen musste.

Frustriert griff er nach dem Stapel Zeitungen, die sich in der Zeit, als er in Übersee war, angesammelt hatten. Er schaute sie nur flüchtig durch, da er die wichtigsten Schlagzeilen und Fakten während seiner Geschäftsreisen online konsumierte. Doch als er jetzt zu den Gesellschaftsnachrichten kam, stutzte er.

Da war sie … seine neue Sekretärin! In extravagantem Schwarz und Weiß war sie das strahlende Highlight irgendeiner Eröffnung oder Aufführung in Sydney und sah einfach umwerfend aus.

James legte das aktuelle Blatt zur Seite und griff nach der Zeitung vom Vortag. Er suchte nach dem Gesellschaftsteil, und … Treffer! Umringt von einer Horde attraktiver Männer, lächelte sie direkt in die Kamera. James ging weiter im Datum zurück – dasselbe! Offensichtlich war die Prinzessin ziemlich fleißig gewesen. Kein Wunder, dass sie sich ständig vertippte, wenn sie die Nächte durchtanzte und – feierte.

Was war er nur für ein Idiot, ihr auch noch einen Mitleidsbonus einzuräumen!

Mit zusammengeschobenen Brauen zog James erneut die aktuelle Zeitung heran und starrte auf das Foto. So hinreißend die Prinzessin darauf auch wirkte, wusste er inzwischen aus eigener Erfahrung: der Schein trog. Dass er sich von ihr angezogen fühlte, konnte er nicht leugnen. Kein Mann würde etwas anderes behaupten können, wenn er ehrlich war.

Doch James war an die Gesellschaft und Anhimmelei schöner Frauen gewöhnt und hatte längst gelernt, nichts davon ernst zu nehmen. Wie bunte Schmetterlinge flatterten sie von einem Partner zum anderen.

Lissa war zweifellos der schönste unter ihnen. Und einer der erfolgreichsten! Auf ihrer Abschussliste tummelten sich neben Reedereierben und Medienmagnaten, Society-Größen jeder Couleur. Die dazugehörigen Fotos wurden in internationalen Hochglanzmagazinen sowie einschlägigen Klatschblättern veröffentlicht.

Für eine begehrenswerte Frau ihres Formats zählte keine spontane Sympathie oder normale Anziehung. Sie gehörte zu der Sorte verruchter Vamp, dem es gefiel, aufreizend zu sein und kleine Spielchen zu inszenieren, um das Leben interessanter zu gestalten.

James’ Mundwinkel wanderten nach unten. Sich auf Elissa Karedes einzulassen bedeutete Ärger, und den konnte er wahrlich nicht gebrauchen. In dieser Hinsicht hatte er seine Lektion gründlich gelernt! Also hielt er sich an die Devise: Nichts Ernstes, nichts Langfristiges und nichts Kompliziertes. Nichts, was zu viel Aufsehen erregt …

Und Elissa war sozusagen das Synonym für Aufsehen. Offensichtlich konnte sie nicht genug davon bekommen.

Wütend über seine spürbare Irritation schob James die Zeitung zur Seite und griff nach einem weiteren Schriftstück, das Lissa ihm gegeben hatte. Ein flüchtiger Blick zeigte ihm, dass sämtliche Diagramme fehlerhaft waren.

James reckte den Hals, sodass er einen Teil ihres Schreibtisches durch die halb geöffnete Tür sehen konnte. Sogar die Art, wie sie auf ihrem Drehstuhl saß, wirkte irgendwie … königlich. Den Kopf stolz erhoben, als trage sie eine Tiara oder so etwas. Die Party-Prinzessin spielte Sekretärin!

Auch er war Spross einer wohlhabenden Familie. Nicht ganz auf dem Level eines Königshauses, aber immerhin. Und auch er hätte sich ein bequemeres, leichtfertigeres Leben leisten können, aber das tat er nicht. Im Gegenteil. Der angesehene Name seiner Familie und ihr Reichtum trieben ihn eher dazu an, aus eigener Kraft Erfolg haben zu wollen.

Sein Vater und Großvater hatten ihr Vermögen hart erarbeitet. Und James fühlte sich in ihrer Tradition. Seine anstrengende und verantwortungsvolle Tätigkeit forderte ihn heraus und bereitete ihm ebenso viel Freude wie Befriedigung, und zwar in einem Maße, wie es diese Person dort draußen wahrscheinlich nie kennengelernt hatte. Keine Frage, dass sie an die üppig beladenen Silbertabletts gewöhnt war, die ihr von einer devoten Dienerschaft hinterhergetragen wurden …

Nun, in seinem Boot war auf jeden Fall kein Platz für arbeitsscheue Passagiere! Hier wurde jeder nach dem beurteilt, was er leistete. Und ganz besonders verwöhnte Prinzessinnen!

James stand auf, schnappte sich die Unterlagen, marschierte mit grimmiger Miene ins Vorzimmer und knallte es seiner Ersatzsekretärin auf den Tisch. „Diese Grafiken müssen ebenfalls neu erstellt werden“, forderte er brüsk und wartete auf ihre Reaktion.

Diesmal errötete sie nicht, sondern wurde schlagartig blass. Was war nur mit ihr los? Scheute sie etwa vor ein wenig Zusatzarbeit zurück?

„Sie müssen sich unbedingt mehr anstrengen, Elissa. Nur weil Sie königlichen Geblüts sind, haben Sie keinen Anspruch auf Sonderbehandlung.“

Bisher hatte sie stumm auf ihren Schreibtisch gestarrt, doch sein sarkastischer Tonfall ließ sie aufschauen. Das humorvolle Funkeln und der goldene Schimmer in den Augen ihres Chefs waren verschwunden. Stattdessen wirkten sie kalt und regelrecht abweisend.

Lissa wusste genau, was das bedeutete – Missbilligung und Distanz.

Immer und immer wieder hatte sie ähnliche Blicke von ihren überbesorgten, konservativen, älteren Brüdern aushalten müssen. Und nun schien sie vom Regen in die Traufe gekommen zu sein. Dabei hatte sie James doch gar nicht um eine Sonderbehandlung gebeten, oder? Nichts wollte sie weniger! Nur ihren Job gut machen und vorankommen. Seine harsche Kritik schmerzte besonders, weil sie sich ehrlich Mühe gab. Doch sein überraschend heftiger Angriff wegen des fehlerhaften Reports, der missglückten Diagramme, und die Angst, den hohen Ansprüchen ihres Bosses nie genügen zu können, machten sich bei Lissa in einem unkontrollierten Ausbruch Luft.

„Glauben Sie vielleicht, ich höre so etwas zum ersten Mal?“, fragte sie gereizt. „Warum reden wir nicht offen? Nur, weil ich bin wer ich bin, muss ich mehr leisten, als jeder andere. Sie schrauben Ihre Erwartungen so hoch, dass ich gar nicht gewinnen kann!“, warf sie ihm bitter vor, zog die Unterlagen zu sich heran. Doch als sie den Pfusch sah, den sie angerichtet hatte, wurde Lissa brandrot. Aber zurückrudern konnte sie jetzt nicht mehr. „Dieses nur weil du eine Prinzessin bist, heißt das noch lange nicht blah, blah, blah, ist absolut passé! Warum lassen Sie sich nicht etwas Originelleres einfallen?“, fügte sie trotzig hinzu, obwohl sie sich innerlich krümmte.

James ließ den Ausbruch stumm über sich ergehen. Und das stoische Schweigen hielt an und an …

Wenn überhaupt möglich vertiefte sich die Farbe auf Lissas Wangen. Am liebsten wäre sie einfach in den Boden versunken, doch der tat sich leider nicht auf. Also starrte sie auf ihre Schreibtischplatte und hoffte inständig, nicht gleich am ersten Tag ihrer Begegnung mit dem Boss gefeuert zu werden.

„Tut mir leid“, murmelte sie widerwillig. „Das war wirklich nicht angemessen.“

Sie durfte diesen Job nicht verlieren! Wohin sollte sie sonst gehen?

Das lastende Schweigen zerrte an ihren Nerven. Lissa wusste, dass sie sich wie ein aufmüpfiger Teenager aufführte, und nicht wie eine erwachsene, verantwortungsbewusste Frau, die danach strebte, ihre Arbeit möglichst perfekt zu machen.

James baute sich jetzt so vor ihr auf, dass sie ihn unmöglich übersehen konnte. Als er schließlich sprach, tat er es ruhig, kontrolliert und mit einer unterkühlten Stimme, die Lissa trotz brennender Wangen frösteln ließ.

„Tatsache ist, Sie sind nun mal nicht wie jeder andere, Prinzessin.“ Aus seinem Mund klang das kaum nach einem Kompliment. „Wie sollte ich da keine Qualität erwarten? Als gebildete junge Frau mit einem Universitätsabschluss aus Paris, die sich fließend in diversen Sprachen verständigen kann und offensichtlich über ein helles Köpfchen und genügend Selbstbewusstsein verfügt, müssten Sie schon etwas mehr leisten können, als der Durchschnitt, finden Sie nicht?“

Positiv überrascht von seiner Einschätzung, hob Lissa den Kopf.

„Das Prinzessinnen-Ding ist hierbei völlig irrelevant“, fuhr er nüchtern fort. „Was zählt, ist allein Ihr Verhalten, und nicht meine Erwartung an Sie. Das einzige Problem sehe ich in Ihrem offenkundigen Widerstreben, sich herabzulassen, die Arbeit ernsthaft anzupacken und dranzubleiben …“

Peng! Das war’s auch schon mit dem wohligen Gefühl in der Magengrube! Lissa presste die Lippen fest zusammen, damit sich die alberne Trotzattacke von vorhin nicht wiederholte. Sie musste sich zusammennehmen und ihrem arroganten Boss beweisen, dass er sich irrte. Sie hatte den ganzen Vormittag über so hart gearbeitet! Leider schien sich ihre Anstrengung bisher nur nicht sichtbar niederzuschlagen …

Ihre Blicke trafen sich, und in seinem funkelte unverhohlener Sarkasmus.

„Nehmen Sie sich besser in Acht, Prinzessin. Sonst könnte ich beim nächsten Mal tatsächlich versuchen, etwas Originelles zu sagen …“

Genau genommen war das eine Drohung … oder eine Beleidigung, wenn auch mit sanfter Stimme präsentiert. Lissa spürte, wie sich die Härchen auf ihren Armen und im Nacken aufrichteten. Nicht in der Lage, etwas anderes zu tun, als ihn einfach anzustarren, sah sie plötzlich die goldenen Funken in seine dunklen Augen zurückkehren, die unversehens ein warmes Feuer in ihr entzündeten. Sie wollte etwas sagen, um die unerträgliche Spannung zwischen ihnen zu durchbrechen, doch ihr Hirn war wie leergefegt. Sekundenlang schauten sie einander nur an. Taxierend, abwartend, suchend … mit steigendem Interesse und … Verlangen.

Der überwältigende Wunsch, diesem völlig veränderten Mann näherzukommen, um sich an dem Leuchten in seinen Augen zu wärmen, machte sie ganz schwach. Unerwartet fühlte Lissa sich von heißem Begehren überflutet, dass sein Echo in James’ angespanntem Gesicht fand.

In diesem Moment zerschnitt das schrille Klingeln des Telefons die lastende Stille, und endlich gelang es Lissa, sich aus dem Bann zu befreien, der sie in seinen magischen Fängen gehalten hielt.

Als sie nach dem Hörer griff, war ihr Boss bereits in seinem Büro verschwunden und hatte die Tür hinter sich ins Schloss gezogen.

2. KAPITEL

Am nächsten Tag saß Lissa konzentriert vorm PC und versuchte, hinter die Geheimnisse und Tücken des Tabellenkalkulationsprogramms zu kommen. Obwohl sie die Grundlagen für die Erstellung von Tabellen und Grafiken in den Grundzügen beherrschte, verhielt sich dieses Softwareprogramm ihr gegenüber eindeutig feindlich. Sie kam einfach nicht weiter und landete stets wieder auf der gleichen nutzlosen Infoseite.

Trotzdem zögerte Lissa, eine der anderen Sekretärinnen um Hilfe zu bitten, um ihnen nicht die Zeit zu stehlen, und ihre eigene Unfähigkeit nicht mehr Leuten als unbedingt notwendig präsentieren zu müssen. Auch Tempo und Fehlerquote beim Tippen hatten sich über Nacht leider nicht verändert, so sehr sie auf ein Wunder hoffte. Dabei lag es eindeutig nicht an der Tastatur, die absolut identisch mit der war, die sie kannte. Doch ihre Finger schienen zu glauben, sie wolle in Suaheli schreiben.

Vorsichtshalber hielt sie den Blick gesenkt, als James aus seinem Zimmer kam, einen Ordner auf ihren Schreibtisch feuerte und wortlos das Büro verließ. Sie wusste, dass er zu einem Meeting unterwegs war. Und sie wusste, dass sie ihre Lunch-Pause dazu nutzen würde, erneute Fehler zu berichtigen, die ihr möglicherweise unterlaufen waren. James schien davon überzeugt zu sein, sie sei absolut nutzlos, und obwohl es sie kränkte, konnte Lissa es ihm nicht einmal verdenken.